B-Lite - Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? - Kaden-Verlag
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Fortbildung Günter Germann, Matthias Reichenberger B-Lite – Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? I m Jahr 1963 wurde bei der Texanerin Timmy Jean Simmons durch A.J. Cronin und F.J. Gerow das ers- te Brustimplantat eingesetzt, nachdem sie vorher schon In den letzten 20 Jahren mündeten die Entwicklun- gen in die Produktlinien der sog. 5. Generation, also Implantate mit kohäsiven Füllungen unterschiedlicher mit Silikoninjektionen in die Brust experimentiert hat- Viskosität mit texturierten Oberflächen. Die Einfüh- ten. Die Implantate wurden bis heute nicht entfernt, ob- rung der anatomischen Implantate erweiterte zusätzlich wohl Mrs. Simmons, trotz anderslautender öffentlicher die ästhetischen und rekonstruktiven Optionen. Auch Aussagen für die Herstellerfirma Dow Corning, immer die PU-Oberfläche hat die Optionen gerade bei Revisi- wieder über Beschwerden aufgrund der Kapselfibrose onseingriffen noch einmal erweitert. Seitdem kam es, klagte. abgesehen von geringgradigen Modifikationen der Ober- Die Vergrößerung der Brust durch Implantate hat sich flächen und Füllungen, nicht mehr zu signifikanten Wei- seitdem zu einer der häufigsten ästhetischen Operatio- terentwicklung auf dem Implantatsektor [3, 5]. nen entwickelt [1]. Die Implantate wurden ständig wei- Interessanterweise werden trotz der Implantate der 5. ter entwickelt, um die anfänglich doch erhebliche Rate Generation weltweit auch weiterhin Implantate älterer an Komplikationen (Kapselfibrose, Infektionen, Implan- Entwicklungsstufen mit glatten Oberflächen in beträcht- tat-Leck) zu vermindern und den Langzeitverbleib der lichem Maß eingesetzt, wobei die Diskussion um die In- Implantate zu verbessern [2–5]. zidenz der Kapselfibrosen gerade in den letzten Jahren Während der technologischen Weiterentwicklung wieder aufgeflackert ist. Neuere Ergebnisse weisen da- wurde mit den unterschiedlichsten Füll- und Oberflä- rauf hin, dass die allgemein akzeptierte Meinung, dass chenmaterialien experimentiert, die in vielen Fällen glatte Implantate grundsätzlich eine höhere Komplikati- schnell in einer Sackgasse endete. So wurden u. a. Soja onsrate verursachen, in dieser kategorischen Form nicht öl-gefüllte Implantate auf den Markt gebracht, bei denen haltbar ist. Offensichtlich ist nur bei subglandulärer Plat- aber Leckagen der Hülle zur Explantation der Produk- zierung von Implantaten mit glatter Oberfläche mit einer te führten. Kochsalz als Implantatfüllung konnte sich erhöhten Kapselfibroserate zu rechnen. Abhängig von ebenfalls nicht durchsetzen, obwohl dieser Implantattyp den zitierten Studien muss bei ästhetischen Eingriffen nach dem Silicone Moratorium in den USA als einziges mit einer Infektionsrate zwischen ein und 2,5 Prozent, Implantat durch die FDA zugelassen war, zu Hundertau- einer Kapselfibrose-Inzidenz über acht Jahre zwischen senden eingesetzt wurde und bis heute vereinzelt ver- vier und 12 Prozent, in manchen Populationen sogar 20 wendet wird. Durch den progressiven Volumenverlust Prozent, gerechnet werden. Implantatdislokationen wer- kam es hier zu häufig zum sog. Rippling mit Faltenbil- den in einer Häufigkeit bis zu drei Prozent berichtet [2, dung der Implantate [6]. 3, 5]. 130 Plastische Chirurgie J 3/2017
B-Lite – Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? Insgesamt ist die Zufriedenheitsrate der Patientinnen Seit langer Zeit die erste Innovation mit Brustvergrößerungen trotz der unbestreitbaren Ne- im Segment der Brustimplantate benwirkungen und Komplikationsmöglichkeiten sehr hoch. Wenig untersucht sind Langzeitwirkungen wie Mit den B-Lite-Implantaten wurde seit vielen Jahren Gewebeatrophie, verminderte Sensibilität, Ptosis und die erste Innovation im Segment der Brustimplantate auf das „Durchsacken“ der Implantate [5]. den Markt gebracht. Das Prinzip der neuen, in Deutsch- Vegas und Del-Yerro vermuten, dass diese Langzeit- land gefertigten, Implantate ist die Verwendung einer folgen direkt mit den viskoelastischen Eigenschaften der bewährten, mikrotexturierten Hülle, die sich seit ca. 20 Brustweichteile und ihrer Reaktion auf Zug- und Druck- Jahren mit niedrigen Komplikationsraten im klinischen kräfte korreliert sind. Hilfreich ist hier ein Blick auf die Einsatz befindet, in Kombination mit einem komplett Anatomie der Brust [7]. neu konzipierten Füllmaterial. Während in konventi- onellen Silikon-/Kochsalz-Implantaten Volumen und Zur Anatomie der weiblichen Brust Gewicht weitgehend synonym verwendet werden kön- nen (spez. Gewicht 0,97 g/ml bzw. 1,0 g/ml), wird bei Die weibliche Brust setzt sich aus verschiedenen Ge- den B-Lite-Implantaten durch die neue Technologie für weben zusammen, deren Verhältnis u. a. durch Alter, die Füllung eine Gewichtsreduktion von etwa 28 Pro- Hormonstatus, BMI oder Stillphasen beeinflusst wird. zent erreicht. Das Prinzip beruht auf der homogenen Während in der Schwangerschaft ein hohes „Drüsen- Inkorporation von hohlen, hydrophoben Borosilikat-Mi- Fett“-Verhältnis erreicht wird, kommt es um die Meno krosphären in einem konventionellen kohäsiven Gel. pause vielfach zu einer völligen Atrophie des Drüsenan- Die Mikrosphären gehen eine enge Verbindung mit dem teils. Jedes Gewebe reagiert anders auf elastischen Stress, Silikongel ein und sind dadurch regelrecht von Gel über- was vereinfacht bedeutet, dass Schwerkraft, verstärkt zogen. Die Größe von >30 Mikrometer wird dabei nicht durch Beschleunigungskräfte, direkt proportional zum überschritten und somit eine Penetration der Mikrosphä- Gewicht von Gewebe/+Implantat sind (Hookesches ren durch die Implantathülle verhindert. Selbst im Fall Gesetz) [8]. einer frühen Implantat-/Kapselruptur wird durch die Die einwirkenden Kräfte sind in Ruhe konstant, aber Größe der Mikrosphären nur eine Fremdkörperreaktion Bewegung führt zu erheblichen Kräfteverschiebungen. ausgelöst, da sie für die Phagozytose zu groß sind. B-Li- So ist die vertikale Brustbewegung bei einer BH-Größe te-Implantate werden mit glatter oder mikro-texturierter A im Schnitt 4,2 Zentimeter, bei G erreicht das im Mit- Oberfläche sowohl mit runden wie auch anatomischen tel 9,9 Zentmeter [9, 10]. Ein Indiz für die Bedeutung Formen hergestellt, und werden in der klinischen Routi- von Gewicht sind auch die typischen Beschwerden wie ne sowohl subglandulär als auch subpektoral eingesetzt chronische Nackenschmerzen, eingefallene Schultern, [14, 15]. Atemprobleme, die mit einer ausgeprägten Makromastie einhergehen. Die Implantate werden derzeit in mehreren Ländern in Während implantierte Expander zu einer vorüber- der klinischen Routine eingesetzt gehenden Dehnung mit gleichzeitiger Stimulation des Haut- und Unterhautgewebes führen [11], ist es nicht B-Lite-Implantate haben 2013 eine europäische unbillig zu postulieren, dass permanenter Gewichts- CE-Zertifizierung erhalten, nachdem die Daten von 50 stress zu dauerhaften Veränderungen der Gewebestruk- Patientinnen mit 100 Implantaten, ausschließlich im- turen führt. Dies gilt vor allem bei größeren Implantaten plantiert im Rahmen ästhetischer Augmentationen, bei und schwacher Bindegewebsstruktur. Tebbetts betonte den zuständigen Behörden eingereicht wurden. Dabei deshalb auch, dass der Implantatgröße hohe Priorität zeigte sich im Vergleich zu „Standard“-Implantaten kei- bei der Entscheidungsfindung bei der Brustaugmentati- ne Erhöhung der implantatspezifischen Komplikationen on einzuräumen ist. Folgerichtig führt ein Implantatge- und die Gesamtkomplikationsrate war ausgesprochen wicht, dass die strukturelle Kapazität des Brustgewebes niedrig. Dabei spielt sicherlich die bewährte Hülle eine übersteigt, zu den oben geschilderten unerwünschten wichtige Rolle. Langzeitfolgen [12, 13]. 131 Plastische Chirurgie J 3/2017
B-Lite – Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? a b c d Abbildung 1 6-Monats-Kontrolle: a, b) Frontalansicht prä-/postoperativ; c, d) Laterale Ansicht prä-/postoperativ; e f e, f) 45°-Projektion prä-/postoperativ 132 Plastische Chirurgie J 3/2017
B-Lite – Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? a b c d Abbildung 2 6-Wochen-Kontrolle: a, b) Frontalansicht prä-/postoperativ; c, d) Laterale Ansicht prä-/postoperativ; e f e, f) 45°-Projektion prä-/postoperativ 133 Plastische Chirurgie J 3/2017
B-Lite – Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? Die Multi-Center-Studie OP-Assistenten gab es keine Probleme mit dem Hand- ling der neuen Implantate. Die Implantate werden derzeit neben Israel, wo das Chirurgen und OP-Kräfte mussten sich allerdings mit Patent entwickelt wurde, in mehreren europäischen den unterschiedlichen Dimensionsangaben bei den B-Li- Ländern in der klinischen Routine eingesetzt. In Hei- te-Implantaten vertraut machen, vor allem weil unsere delberg setzen wir B-Lite-Implantate seit 2015 ein. Da- Anzeichnung auf dem AK-System basiert. Die Angaben neben läuft eine internationale Multi-Center Studie mit über Projektion und Abstand des höchsten ventralen Standorten in Genf, London, Tel Aviv, Stockholm und Implantatpunktes vom unteren Implantatpol variieren Heidelberg (ETHIANUM), wobei in Heidelberg mit 30 zwischen den Herstellern. Interessant war für uns nur Patientinnen die Rekrutierungsgrenze bereits im Juli die Beobachtung, dass die gewählten Implantattypen 2017 erreicht wurde. Die chirurgische Technik ist abso- deutliche Unterschiede zwischen der „Studiengruppe“ lut identisch mit der bisher von uns standardmäßig ver- und der „Normalpopulation“ zeigten. Dies liegt vor al- wandten Methode, was in einer steilen Lernkurve resul- lem am Design der Studie, das keine zusätzlichen Maß- tierte und den Einsatz der B-Lite-Implantate erleichtert. nahmen im Rahmen der Brustoperation erlaubte. Auch Die ersten Sechs-Monats-Auswertungen liegen vor. war diese Verteilung bei beiden an der Studie beteiligten Chirurgen identisch (Tabelle 3). Bislang durchweg positive Erfahrungen Zusammenfassung und Ausblick Wir können zum jetzigen Zeitpunkt über durchweg positive Erfahrungen berichten (Abb. 1, 2). Neben ei- Weder für seriöse Langzeitprognosen noch für über- ner Nachblutung, die unmittelbar postoperativ revidiert schwengliche Einschätzungen der neuen Implantate rei- wurde und in der Drei-Monats-Kontrolle keine Beein- chen die verfügbaren Daten und der Beobachtungszeit- trächtigung des ästhetischen Ergebnisses verursachte, raum aus. Die bisherigen Erfahrungen sind allerdings hatten wir keine Komplikationen (Tabelle 2). Insgesamt positiv. Dies gilt sowohl für die operative Seite als auch wurden bis jetzt ca. 50 Patientinnen operiert, von de- für die klinischen Ergebnisse nach mittlerweile zwei nen wir 44 in der Nachsorge überblicken (Tabelle 1). Jahren. Die Patientenzufriedenheit ist hoch und bisher Die OP-Zeiten unterschieden sich nicht von denen bei gab es keinen Fall, in dem eine Patientin die Implantat- Verwendung unserer „Standardimplantate“. Seitens der wahl bereute. Wohin die Reise der Implantattechnologie geht, ist derzeit schwer zu beurteilen. Neue Oberflächenstruktu- Tabelle 1 Übersicht zu den Operationsverfahren (n = 28) ren sind möglicherweise eher als Modifikationen denn Augmentation 28 als Evolutionen anzusehen. Augmentation + Mastopexie 8 Das Konzept „geringeres Gewicht bei gleichem Volu- Implantatwechsel 4 men“ ist sicher ein echter Fortschritt, weil dabei erst- Implantatwechsel + Mastopexie 3 mals biomechanische Belastungsfaktoren berücksichtigt Implantatwechsel + Lipofilling 1 und reduziert wurden. Inwieweit andere Ideen wie Hy- Tabelle 2 Übersicht zu den Komplikationen (n = 2) brid-Implantate aus partiell resorbierbaren Materialien oder 3D-Implantate, die das Einwachsen autologen Ge- Nachblutung 1 webes fördern und das Zielvolumen durch Lipofilling er- Schmerzen länger als zwei Wochen 1 gänzt wird, über das Konzeptionsstadium hinaus in die Entwicklung gelangen, lässt sich derzeit noch nicht ab- Tabelle 3 Vergleich Studien- zu Normalgruppe schätzen, so dass bis zur Serienreife möglicher Alternati- Studiengruppe Rund moderate/high Profil 20 % ven die B-Lite-Implantate eine wesentliche Zukunftsper- Anatomisch zumeist high Profil 80 % spektive der Implantate darstellen. K Normalgruppe Anatomisch 15 % Rund 85 % Interessenkonflikte: Die Autoren leiten das deutsche Zentrum der internationalen Implantat + Mastopexie – rund 90 % Multi-Center-Studie zu Langzeitergebnissen der B-Lite-Implantate. 134 Plastische Chirurgie J 3/2017
B-Lite – Das Implantat der Zukunft oder wie sieht die Zukunft der Implantate aus? Literatur 9. Krouskop TA, Wheeler TM, Kallel F, et al (1998) Elastic moduli of breast and prostate tissues under compression. Ultrason Ima- 1. American Society of Plastic Surgeons (2012) ASPS Cosmetic ging 20: 260–274 Plastic Surgery Statistics www.plasticsurgery.org 10. Scurr JC, White JL, Hedger W (2011) Supported and unsuppor- 2. Spear SL, Murphy DK, Slicton A, et al (2007) Inamed silicone ted breast displacement in three dimensions across treadmill ac- breast implant core study results at 6 years. Plast Reconstr Surg tivity levels. J Sports Sci 29: 55–61 120: 8S-16S 11. De Filippo RE, Atala A (2002) Stretch and growth: the mole- 3. Center for Devices and Radiological Health, US FDA (2011) cular and physiologic influences of tissue expansion. Plast Re- FDA update on the safety of silicone gel-filled breast implants. constr Surg 109: 2450–2462 4. Handel N, Cordray T, Gutierrez J, et al (2006) A long-term study 12. Tebbetts JB, Adams WP (2006) Five critical decisions in breast of outcomes, complications, and patient satisfaction with breast augmentation using five measurements in 5 minutes: the high implants. Plast Reconstr Surg 117: 757–767 five decision support process. Plast Reconstr Surg 118: 35S–45S 5. Maxwell GP, Van Natta BW, Murphy DK, et al (2012) Natrelle 13. Tebbetts JB (2006) Achieving a zero percent reoperation rate style 410 form-stable silicone breast implants: core study results at 3 years in a 50-consecutive-case augmentation mammaplasty at 6 years. Aesthet Surg J 32: 709–717 premarket approval study. Plast Reconstr Surg 118: 1453–1457 6. Cunningham BL, Lokeh A, Gutowski KA (2000) Saline-filled 14. Bergfeld W, Belsito D, Klaasen C, et al (2012) Safety assessment of breast implant safety and efficacy: a multicenter retrospective borosilicate glasses as used in cosmetics. Cosmetic Ingred Rev 1–9 review. Plast Reconstr Surg 105: 2143–2149 [www.cir-safety.org/sites/default/files/Borosi092012rep.pdf] 7. Vegas MR, Martin Del Yerro JL (2012) Stiffness, compliance, 15. Rahaman MN, Day DE, Bal BS, et al (2011) Bioactive glass in resilience, and creep deformation: understanding implant-soft tissue engineering. Acta Biomater 7: 2355–2373 tissue dynamics in the augmented breast: fundamentals based on materials science. Aesthetic Plast Surg 37: 922–930 Prof. Dr. med. Günter Germann 8. Rzymski P, Skorzewska A, Skibinska-Zielinska M, et al (2011) ETHIANUM Heidelberg – Klinik für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Factors influencing breast elasticity measured by the ultrasound Chirurgie, Orthopädische Chirurgie, Operative Gynäkologie, Shear Wave elastography – preliminary results. Arch Med Sci 7: 127–133 Partnerklinik der Universität Heidelberg Voßstraße 6, 69115 Heidelberg guenter.germann@ethianum.de, guenter.germann@urz.uni-heidelberg.de 36. JAHRESTAGUNG Deutschsprachige Arbeitsgemeinschaft für Verbrennungsbehandlung © Marc Hohenleitner/Markt Garmisch-Partenkirchen www.dav2018.de Herausforderung und Perspektiven Garmisch-Partenkirchen Verbrennungsmedizin 2.0 10.–13. Januar 2018 Tagungsleitung: Prof. Dr. Henrik Menke (Offenbach)
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