Baukulturelle Allgemeinbildung - Book of Abstracts - Perspektiven der Vermittlung - Archijeunes

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Baukulturelle
Allgemeinbildung
Perspektiven der Vermittlung

Book of Abstracts
Inhaltsverzeichnis                                            3

Vorwort5

     Thomas Schregenberger

ReferentInnen

     Kathrin Siebert                                         6
     Elemente einer baukulturellen Allgemeinbildung

     Noëlle von Wyl                                          8
     Kinder erkunden die lokale Baukultur

     Cornelia Faisst                                        10
     Pro Bono: Verantwortung gestalten

     Barbara Feller                                         12
     Stärkung von baukultureller Bildung.
     Zur aktuellen Situation in Österreich

 Marion Starzacher                                          14
 Verankerung von baukultureller Bildung in den
 (Hochschul-)Alltag

 Monika Abendstein                                          16
 «bilding» – ein experimenteller Freiraum – entworfen
 und gebaut von jungen Menschen für junge Menschen

     Monika Abendstein, Barbara Feller, Marion Starzacher   18
     «get involved» Baukulturelle Bildung für junge
     Menschen im Rahmen der Architekturbiennale in Venedig

     Angela Million                                         20
     Bildungsorte und Lernwelten der Baukultur

     Päivi Kataikko-Grigoleit                               22
     Jugend Architektur Stadt.
     Handbuch der baukulturellen Bildung

     Turit Fröbe                                            24
     Von Finnland lernen
Inhaltsverzeichnis                                              4   Vorwort                                                                  5

                                                                    Das letzte internationale Netz-        Nachhaltigkeit auch Architektur,
Vermittelnde «Langer Tisch baukulturelle Bildung Schweiz»     27   werktreffen im Januar 2019 im          Architekturgeschichte, Archi-
                                                                    österreichischen Dornbirn              tekturtheorie, Denkmalpflege und
     Ballenberg – Freilichtmuseum der Schweiz                 28   hat neben den Gemeinsamkeiten          Städtebau prominent vertreten.
     Chantier Ouvert                                          28   auch Unterschiede im Umgang            Während wir von Archijeunes uns
     CREACUMÜN                                                29   mit baukultureller Bildung gezeigt.    über das «Was» in der baukul-
     drumrum Raumschule                                       29   Unterschiede, die mich seither         turellen Bildung Gedanken mach-
     Heimatschutzzentrum Villa Patumbah                       30   immer auch wieder beschäftigt          ten, haben sich unsere Mitstreiten-
     i2a – istituto internazionale di architettura            30   haben. Ich sprach damals über          den aus Österreich, Deutschland
     Kindermuseum Creaviva                                    31   eine bevorstehende Volksabstim-        und der Schweiz vor allem mit dem
     Konferenz Bildschulen Schweiz                            31   mung zur sogenannten «Zer-             «Wie» beschäftigt, mit den Fragen
     K’Werk Bildschule bis 16 – Schule für Gestaltung Basel   32   siedlungsinitiative» der Grünen,       der Vermittlung. Wie wir Baukultur
     K’werk Zug                                               32   die eine Begrenzung von Bauland        an Kinder und Jugendliche ver-
     LABforKids                                               33   forderte. An Hand dieses – in          mitteln, das wird auch in Zukunft
     S AM – Schweizerisches Architekturmuseum                 33   der Schweiz durchaus üblichen –        ein zentrales Thema bleiben,
     SCHARF – Schaffhauser Architektur Forum                  34   politischen Vorgangs konnte            sich darüber auch international
     Universität Liechtenstein                                34   schlüssig gezeigt werden, weshalb      auszutauschen ist deswegen von
     Ville en tête                                            35   baukulturelle Bildung gesellschaft-    grosser Bedeutung.
     ZAZ Bellerive | Zentrum Architektur Zürich               35   lich so wichtig ist. Denn es ging
     Zeughaus Teufen – BÜRO FÜR BAUKULTUR                     36   bei der Volksabstimmung ja nicht       Wir freuen uns, Ihnen mit diesem
     Ziegelei Museum                                          36   nur um den Schutz der Landschaft,      kleinen Büchlein eine Übersicht
                                                                    sondern auch um dessen Folgen,         über die hier gehaltenen Referate
Archijeunes37                                                      die Verdichtung nach Innen und         geben zu können, in der Hoffnung,
                                                                    den geplatzten Traum vom Ein-          dass sie Ihnen nachhaltig in
Impressum                                                     38   familienhaus. Damals sah ich gera-     Erinnerung bleiben.
                                                                    de deshalb baukulturelle Bildung
                                                                    vor allem als politische Bildung und   Thomas Schregenberger
                                                                    als Bildung für eine nachhaltige       Präsident Archijeunes
                                                                    Entwicklung. Die «allgemeinbilden-
                                                                    de» Diskussion über gute Archi-
                                                                    tektur oder räumliche Qualitäten
                                                                    dagegen fand ich schwierig,
                                                                    obwohl oder vielleicht auch des-
                                                                    wegen, weil ich als Architekt
                                                                    und Hochschullehrer gewohnt bin,
                                                                    genau über diese Qualitäten zu
                                                                    sprechen und nachzudenken.

                                                                    In den zwei Jahren seit unserem
                                                                    Treffen in Dornbirn hat Archijeunes
                                                                    versucht, mit dem Buch «Elemente
                                                                    einer baukulturellen Allgemeinbil-
                                                                    dung» eine Übersicht zu gewinnen
                                                                    über all die Elemente, welche zur
                                                                    baukulturellen Allgemeinbildung
                                                                    gehören. Und natürlich sind da ne-
                                                                    ben der Raumplanung, der Soziolo-
                                                                    gie, dem Verkehr und Fragen der
Schweiz                                                                   6                                                                                          7
                                                                               Initiativen zur Klärung der notwen-
Kathrin Siebert                                                                digen fachlichen und pädagogi-
                                                                               schen Grundlagen (Studie «Bau-
Elemente einer baukulturellen                                                  kulturelle Bildung an Schweizer
                                                                               Schulen»), Teilnahme am Diskurs
Allgemeinbildung                                                               über bildungs- und kulturpolitische
                                                                               Ressourcen (Agenda, Newsletter,
                                                                               Netzwerk), Öffentlichkeitsarbeit für
                                                                               ein breites Verständnis des Begriffs
                                                                               Baukultur (Kolloquium, Publikation
                                                                               «Elemente einer baukulturellen
Obwohl die gebaute Umwelt für die      Mit unserem Buch «Elemente einer
                                                                               Allgemeinbildung», Podiumsdiskus-
Gesellschaft anerkanntermassen         baukulturellen Allgemeinbildung»
                                                                               sionen), Vernetzung der Ver-
von grosser Relevanz ist, existiert    geben wir einen Einblick in das weite
                                                                               mittelnden (Initiierung des «Langen
im Bereich der baukulturellen          Feld der Baukultur – für Lehr-
                                                                               Tisch baukulturelle Bildung
Bildung oft noch ein «blinder Fleck»:  personen, ExpertInnen oder Laien.
                                                                               Schweiz»).
Es fehlt an ausreichenden Lern-        Eine grundlegende Absicht des
und Partizipationsgelegenheiten.       Buches ist es, die abstrakten Kon-
Unter diesen Umständen kann            zepte der Baukultur zu veran-
die gesellschaftliche Verantwor-       schaulichen und zum Leben zu er-
tung für Baukultur, welche zu-         wecken. Dabei wird vor Augen ge-
nehmend ausschlaggebend ist für        führt, wie vielschichtig und span-
die Qualität unserer Lebensräume,      nend Baukultur ist. Erstmals
kaum wahrgenommen werden.              wird hier Grundwissen über die ein-
Baukultur entsteht in einer komple-    zelnen Disziplinen in einem Band
xen Interaktion verschiedenster        gesammelt und kompakt zur
AkteurInnen und erfordert die kom-     Verfügung gestellt. ExpertInnen er-
petente Teilhabe aller Beteiligten,    klären jeweils ihre Disziplin im
seien es Kinder und Jugendliche        Rahmen der Baukultur beispielhaft
oder mündige BürgerInnen.              und nahbar, ob dies nun die
                                       Raumplanung, die Gebäudetechnik
Wer Baukultur aktiv mitgestalten       oder die Soziologie ist. Der Zu-
möchte, braucht dafür Grundlagen: sammenhang zwischen den einzel-
Gemeinsames Wissen, eine               nen Fachdisziplinen wird in der
differenzierte Sprache und geklärte Gesamtlektüre sichtbar. So kann
Begriffe. Um konkrete Qualitäten       auch ein Diskurs zwischen den
für den (eigenen) Lebensraum zu Disziplinen eröffnet werden.
erkennen und einfordern zu
können, sind umfassende Kenntnis- Ziel von Archijeunes ist die Veran-
se über die Eigenheiten und            kerung der baukulturellen Bildung
                                                                               Dr. Kathrin Siebert
Dynamiken der Planungs- und Bau- im schweizerischen Bildungs-
prozesse nötig. Ein systematischer curriculum. Dieses Ziel wird auf            Kathrin Siebert ist seit 2018 Geschäftsführerin von Archijeunes. Nach ihrem Archi-
Wissensaufbau über die gebaute         verschiedenen Ebenen verfolgt:          tekturstudium in Erfurt arbeitete sie als Architektin in Rotterdam und Delft. Anschlies-
Umwelt, der schon in der Schulzeit qualitativ hochstehende, stufenge-          send absolvierte sie das MAS in Architekturgeschichte und Architekturtheorie an
beginnt – sei es in der formellen      rechte baukulturelle Bildung fördern    der ETH Zürich, studierte Kunstgeschichte und Sozialgeschichte an der Universität
oder informellen Bildung – und sich (Unterrichtseinheiten), neue Tools         Zürich und hat an der ETH Zürich promoviert. Sie arbeitete als wissenschaftliche
dann idealerweise lebenslang           entwickeln (Online-Bibliothek),         Volontärin an der Graphischen Sammlung und als Forschungs- und Lehrassistentin so-
                                                                               wie Dozentin am Institut für Geschichte und Theorie der Architektur (gta) an der
fortsetzt, ist die Basis für eine fun- baukulturelle Bildung an Pädagogi-      ETH Zürich. Sie leitete Lehrveranstaltungen und Forschungsprojekte, konnte Buch- und
dierte Auseinandersetzung mit          schen Hochschulen initiieren            Ausstellungsprojekte verwirklichen und ist Autorin von verschiedenen Fachartikeln.
der Baukultur.                         und unterstützen (Projekt «Brenn-       Derzeit erarbeitet sie im Auftrag der ETH Zürich einen Vorschlag für ein CAS/DAS
                                       punkt baukulturelle Bildung PH»),       Baukulturelle Bildung.
Schweiz                                                                8                                                                                         9

Noëlle von Wyl
Kinder erkunden die lokale Baukultur

Häuser, Plätze, Gärten, Wege und     Phänomene wie etwa Farbe und
Strassen: Die gebaute Umwelt         Form, Material und Oberfläche,
gehört zum alltäglichen Erfahrungs-  Massstab und Dimension oder
bereich von Kindern und Jugendli-    Licht und Schatten aufgezeigt. Die
chen. Die Schule fördert die         Wahrnehmung und Erkundung
kulturelle Teilhabe, indem sie Schü- der örtlichen Baukultur, das Sammeln
lerInnen für Baukultur begeistert    von Fundstücken und die Ver-
und mit ihnen Grundlagen             mittlung von Orientierungs- und
zur Erfahrung von Architektur und    Verfahrenswissen sowie die
Raum erarbeitet.                     Verarbeitung der Eindrücke über
                                     Entwürfe und Modelle, führen
Die Publikation «Kinder erkunden     SchülerInnen zur Realisierung von
die lokale Baukultur» dokumentiert, gestalterischen Kreationen, die in
wie baukulturelle Bildung in den     der Gruppe diskutiert werden
öffentlichen Schulen der Schweiz     und bei Kindern und Jugendlichen
kompetenzorientiert vermittelt       Anreize für weitergehende parti-
werden kann. LehrerInnen wird ein zipative Prozesse in der eigenen
Unterrichtskonzept mit erprobten     Wohnumgebung bilden können.
Praxisbeispielen für einen fächer-
übergreifenden Unterricht zur        An der Evaluation der Unterrichts-
Verfügung gestellt. Mit dem Lehr-    beispiele beteiligten sich zwanzig
mittel für den 1. bis 3. Schulzyklus Lehrpersonen mit ihren SchülerIn-
reagieren die Autorinnen Noëlle      nen aus den Kantonen Schwyz, Uri,
von Wyl, Lea Weniger und Barbara Zug und Zürich. Entstanden ist
Windholz auf eine Bedarfsanalyse     ein Lehrmittel zur Vermittlung von
des Schweizerischen Bundesamts Baukultur für den Einsatz in den
für Kultur BAK, das einen Mangel     Fachbereichen des Technischen und
an geeigneten «Lehrmitteln und       Bildnerischen Gestaltens mit
Unterrichtsmaterialien» festgestellt interdisziplinären Bezügen zur The-
hat. LehrerInnen vermissten bis      matik Raum und Umwelt des
anhin ein Spektrum von Begriffs- Fachbereichs Natur-Mensch-Ge-
und Inhaltsangaben zum Thema         sellschaft. Das Projekt der Pädago-    Dr. Noëlle von Wyl
Baukultur sowie didaktische Unter- gischen Hochschule Schwyz
richtstrukturen für die Vermittlung PHSZ wurde im Rahmen der Initia-        Noëlle von Wyl ist Dozentin an der Pädagogischen Hochschule Schwyz. Sie lehrt im
von baukulturellem Wissen und        tive «Kulturerbe für alle» (2018)      Fach Bildnerisches Gestalten und ist im Bereich Forschung & Entwicklung tätig. Sie ist
Können.                              durchgeführt. Es erfolgt in            diplomierte Lehrerin und Designerin und hat Praxiserfahrung in beiden Fachbereichen.
                                                                            Nach dem Master of Arts in Design an der Fachhochschule Nordwestschweiz war sie
                                     Kooperation mit der Bildschule         dort als wissenschaftliche Mitarbeiterin tätig, leitete ein Forschungsprojekt und
Entlang von acht Doppelthemen        K’werk Zug und wurde unterstützt       promovierte an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig HBK in Designwis-
werden Methoden zur differenzier- vom Schweizerischen Bundesamt             senschaft. Ihr Forschungsinteresse gilt der Umweltgestaltung und ästhetischen
ten Wahrnehmung baukultureller       für Kultur BAK.                        Bildung von Kindern und Jugendlichen.
Liechtenstein                                                           10                                                                                       11
                                                                              regionales und internationales
Cornelia Faisst                                                               unterstützendes Ökosystem
                                                                              basierend auf Vertrauen und ge-
Pro Bono: Verantwortung gestalten                                             genseitigem Verständnis auf-
                                                                              zubauen, um eine breitere Wirkung
                                                                              und Reichweite innovativer und
                                                                              nachhaltiger Projekte zu erzielen.
                                                                              Gleichzeitig ermöglichen diese
                                                                              Projekte einen Wissenstransfer
                                                                              raus aus der Universität in Richtung
                                                                              Praxis und umgekehrt von der
In den Curricula europäischer          Gemeinsam mit PartnerInnen aus
                                                                              Praxis in Richtung Universität. Die-
Architekturschulen spielen Fragen      der Praxis setzen sie diese um
                                                                              ser ermöglicht die Umsetzung
der sozialen und ökologischen          und tragen zur nachhaltigen
                                                                              sinnstiftender Projekte mit einem
Verantwortung im regionalen, aber      Entwicklung in regionalen und
                                                                              verstärkten «Social Impact».
auch im internationalen Kontext        internationalen Kontexten bei. Im
eine zunehmend zentrale Rolle.         Modul erwerben die Studierenden
                                                                              Seit Einführung des Moduls im
Nicht zuletzt auch, um der nächs-      Fähigkeiten, die weit über das
                                                                              Herbst 2019 wurden mehr als
ten Generation Greta einen             reine Architekturstudium hinausge-
                                                                              45 Projektideen im Team aber auch
Entfaltungs- und Umsetzungsraum        hen: sie übernehmen Führungs-
                                                                              von einzelnen Studierenden initi-
für ihre Ideen zu bieten. Das          verantwortung und arbeiten in co-
                                                                              iert. Diese betreffen Liechtenstein
Institut für Architektur und Raum-     kreativen Settings mit PartnerInnen
                                                                              und die angrenzenden Ländern
entwicklung versteht sich hier         aus anderen Bereichen. Gleich-
                                                                              aber auch Südamerika, Afrika und
als einen Raum zur persönlichen        zeitig lernen sie das selbstständige
                                                                              Asien. Wie zum Bespiel die
Entfaltung und Begegnung der           Management und die Evaluation
                                                                              Projekte «Re:post», ein Upcycling-
Studierenden, als einen Ort kriti-     von Projekten und Strategien
                                                                              Workshop oder das Leerstandsfes-
schen und kreativen Denkens            der Kommunikation mit unterschied-
                                                                              tival «Instandsetzung!».
und Werkens. Das Ziel ist es selbst-   lichen StakeholderInnen. Sie
ständige und teamfähige Archi-         werden somit auf zukünftige
                                                                              (Koordinationsteam, MentorInnen
tekt*innen auszubilden, welche aus     Führungsaufgaben mit gesellschaft-
                                                                              im Modul Pro Bono: Cornelia
Eigeninitiative eine zukunfts-         lichem Mehrwert vorbereitet
                                                                              Faisst, Daniel Haselsberger MSc
fähige Gesellschaft und Umwelt         und in ihrer Persönlichkeitsbildung
                                                                              Arch und Dr. Clarissa Rhomberg,
(mit) gestalten. Teil des Archi-       gefördert.
                                                                              Institut für Architektur und
tekturstudiums ist das Modul Pro
                                                                              Raumentwicklung, Universität
Bono, in welchem die Aktivitäten   In den Pro Bono-Projekten ver-
                                                                              Liechtenstein)
des Instituts gebündelt werden, um suchen junge engagierte Studie-
einen Beitrag zur Umsetzung        rende gemeinsam mit anderen
der UNO-Agenda 2030 für nach-      Menschen, den Herausforderungen
haltige Entwicklung mit ihren      unserer Zeit lösungs- und team-
17 Nachhaltigkeitszielen – Sustai- orientiert zu begegnen, um die Welt
nable Development Goals            sozial und ökologisch nachhaltiger
(SDGs) zu leisten.                 zu gestalten. Das Verständnis              BM Mag. arch. Cornelia Faisst
                                   von sozialem und nachhaltigem
Durch das Pro Bono-Projekt         Mehrwert in der Gesellschaft soll          Cornelia Faisst ist Dozentin am Institut für Architektur und Raumentwicklung an der
bringen sich die Studierenden der Studierende befähigen Projekte              Universität Liechtenstein und seit September 2021 Co-Studienleiterin Bachelor Archi-
Architektur aktiv mit ihren Fähig- zu initiieren, zu tragen und zu            tektur am Institut für Architektur und Raumentwicklung, wo sie zusammen mit Daniel
keiten in der Gestaltung und       leben. Die Förderung von kollabora-        Haselsberger und Clarissa Rhomberg das Modul «Pro Bono» entwickelte und leitet. Sie
                                                                              ist Architektin, Baumeisterin, Kuratorin, Hochschuldozentin und leitet das von der EU
Verbesserung von Umwelt und Ge- tivem Arbeiten und intersektoralen            geförderte Erasmus+ Projekt «Social and Environmental Impact Academy 2020 bis
sellschaft ein. Dabei initiieren   Partnerschaften ist zentraler              2023» mit der Bergen School of Architektur, Norwegen, der Hasselt University, Belgien
sie Projekte zum Wohle der Gesell- Bestandteil des Moduls. In diesem          und der Royal Danish Academy of Fine Arts, Dänemark. Sie wurde mehrfach ausge-
schaft mit sozialer Wirkung.       Sinne ist es essenziell, ein               zeichnet, unter anderem erhielt sie 2018 den Liechtensteiner Forschungspreis.
Österreich                                                           12                                                                                        13

Barbara Feller
Stärkung von baukultureller Bildung.
Zur aktuellen Situation in Österreich

In vielen Dokumenten und Diskus-    «Architektur und Bildung:
sionen wird baukulturelle Bildung   Leben Lernen Raum» oder bemer-
als ein ganz zentraler Baustein     kenswerte lokale Initiativen
auf dem Weg zu einer besseren       von bink-PartnerInnen. Zudem wird
Baukultur angesprochen. Die Reali-  über eine im Frühjahr 2021 statt-
tät in der Baukulturvermittlung     gefundene Online-Umfrage berich-
hinkt diesen schönen Worten leider  tet, mit der unterschiedliche
hinterher.                          Facetten des Themas erhoben wur-
                                    den: gefragt wurde dabei nach
Der Beitrag startet mit einem       den wesentlichen Zielgruppen eben-
Einblick ins Thema und Blitzlich-   so wie den drängendsten Inhalten
tern auf aktuelle Herausforderun-   und wichtigsten AkteurInnen
gen, wie Bodenversiegelung,         der baukulturellen Bildung. Neben
die Verödung von Stadt- und Orts- Kindern und Jugendlichen sowie
kernen, die Kommerzialisierung      ihren PädagogInnen wurden dabei
des öffentlichen Raums oder         insbesondere MitarbeiterInnen
den Umweltaspekten von Bauen        von Politik und Verwaltung, die auf
und Verkehr, aber auch dem          unterschiedlichen Ebenen für
Recht auf Kreativität und Schön-    Baukultur zuständig sind, als wich-
heit.                               tige MultiplikatorInnen genannt.
                                    Vertieft wurde das Thema bei einer
Um sich an den Debatten zu diesen Veranstaltung im Sommer, bei
Themen beteiligen zu können         der sich führende PolitikerInnen
und damit Baukultur besser wird,    auf Ebene des Bundes sowie
müssen sich möglichst viele in      von Bundesländern dazu äusser-
die Gestaltung ihrer Umwelt ein-    ten. Es wird zu sehen sein, ob diese
bringen. Dafür braucht es erstens   Bemühungen Früchte tragen.
grundlegende Kompetenzen
bei jenen, die sich beteiligen wol- Der Beitrag versteht sich als          Dr. Barbara Feller
len, zweitens Möglichkeiten,        Input, um im Kreis der ExpertInnen
                                                                           Barbara Feller ist Geschäftsführerin der Architekturstiftung Österreich und Obfrau von
diese Kompetenzen zu erwerben,      in den Dialog zu treten, und ge-       bink Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen. Sie studierte Geschichte,
und drittens Forschung, um          meinsam Strategien zu entwickeln,      Philosophie und Pädagogik an der Universität Wien und ist seit 1988 als Kulturwissen-
entsprechendes neues Wissen         wie baukulturelle Bildung in           schaftlerin tätig. Seit 2001 betreut sie den Bereich Architektur beim Österreichischen
aufzubauen.                         Zukunft bestmöglich weiter entwi-      Austauschdienst OeAD (vormals KulturKontakt Austria). Von 2003 bis 2009 war
                                    ckelt werden kann.                     sie Sprecherin der Plattform für Architekturpolitik und Baukultur (zusammen mit Volker
Der Beitrag gibt einen Einblick in                                         Dienst und Roland Gruber). Von 2008 bis 2013 war sie Mitglied im Beirat für Architektur
                                                                           und Design des Bundesministeriums für Unterricht, Kunst und Kultur. Seit 2013 ist
aktuelle Entwicklungen in                                                  sie Mitglied im Beirat für Baukultur des Bundeskanzleramtes. Ihre Arbeitsschwerpunkte
Österreich: vorgestellt werden Pro-                                        umfassen Architektur, Stadt und Leben im 20. und 21. Jahrhundert sowie Architektur-
jekte, wie etwa die österreich-                                            und Baukulturvermittlung für junge Menschen. Sie ist Autorin zahlreicher Publikationen
weiten Architekturtage zum Thema                                           und Beiträge.
Österreich                                                              14                                                                           15
                                                                              Infrastukturkonzepte, Lernumge-       Wie und wo findet baukulturelle
Marion Starzacher                                                             bungen der Zukunft, in denen
                                                                              digitale wie analoge Formate be-
                                                                                                                    Bildung statt? Hier sei auf die
                                                                                                                    Bildungseinrichtungen verwiesen,
Verankerung von baukultureller                                                rücksichtigt werden, sind wesen-
                                                                              tliche Fragen der Baukultur, sowie
                                                                                                                    die in unterschiedlichen Formen
                                                                                                                    nebeneinander koexistieren:
Bildung in den (Hochschul-)Alltag                                             die Frage nach der Partizipation      Schulen, Hochschulen, Universitä-
                                                                              oder der Teilhabe bei der Gestal-     ten, Museen und Galerien, freie
                                                                              tung.                                 Bildungsräume und Ateliers, Verei-
                                                                                                                    ne und Initiativen. Allen ist
                                                                              Die gebaute Umwelt bildet den         gemeinsam, dass sie Baukultur ver-
                                                                              Handlungsraum, in dem die baukul- mitteln.
Seit dem Jahr 2004 läuft in Öster-    Dabei gilt es zum einen, sich mit
                                                                              turelle Bildung eingeschrieben
reich ein Prozess zur Stärkung        den Zukunftsfragen der Baukultur
                                                                               ist und sie bildet den Lebensraum, Für die Implementierung der
der Architekturpolitik und Baukul-    zu befassen. Zum anderen stellt
                                                                              der von unterschiedlichen             baukulturellen Bildung in den
tur. Im Zuge dessen wurde im          sich die Frage, wie die Ziele, die in
                                                                              AkteurInnen gestaltet, bewohnt        (Hochschul-)Alltag soll ein Rahmen
Jahr 2005 eine Entschliessung im      den Baukulturreporten, die alle
                                                                              und geprägt wird. Gesellschaftspo- entwickelt werden, innerhalb
Nationalrat einstimmig verabschie-    fünf Jahre neu aufgelegt werden,
                                                                              litische wie umweltkritische          dessen die zentralen Ziele der bau-
det und im Jahr 2017 die baukul-      durch geeignete Massnahmen er-
                                                                              Inhalte sind Teile der baukulturellen kulturellen Bildung laut Ziel-
turellen Leitlinien des Bundes vom    reicht werden können. Die
                                                                              Bildung, bei der es unter anderem und Leistungsplan vermittelt und
Ministerrat verabschiedet.            österreichische Politik knüpft damit
                                                                              auch darum geht, Kindern und          von den Lernenden gemeinsam
Bemerkenswert an der Formulie-        an Themen an, die in anderen
                                                                              Jugendlichen eine Stimme zu ge-       erarbeitet werden. Die Umsetzung
rung der Leitlinien sind die          Ländern bereits auf Gesetzesebe-
                                                                              ben, damit sie ihre Wünsche,          an der Hochschule ist einerseits
Bandbreite und die Facetten, die      ne gehoben worden sind. Ex-
                                                                              Bedürfnisse und Kritik selbst und     in Aus-, Fort- und Weiterbildung
darin berücksichtigt worden           plizite Architekturgesetze gibt es in
                                                                              eigenständig kommunizieren            und andererseits durch das
sind: Es geht um die Ausführenden,    Frankreich, in anderen europäi-
                                                                              und keine Übersetzung durch Er-       Einsetzen eines Beirates für Nach-
die Autoritäten, die Umwelt –         schen Ländern wie Dänemark oder
                                                                              wachsene benötigen.                   haltigkeit an der Hochschule
es werden ökologische, ökonomi-       Finnland sind Leitbilder zur
                                                                                                                    sowie durch verschiedene Projekte
sche und ästhetische Gesichts-        Architektur formuliert worden.
                                                                                                                    geplant.
punkte kurz und prägnant zusam-       Österreich befindet sich nun nach
mengefasst und ein Bekenntnis zur     langen Jahren des Nachdenkens
Baukultur samt Regularien und         in der Phase, wie und wo Baukultur
Massnahmen formuliert.                verankert werden kann. Eine
                                      dieser Möglichkeiten ist die baukul-
Im Jahr 2017 ist der «Dritte Öster-   turelle Bildung, die idealerweise
reichische Baukulturreport»           in der Ausbildung ab der Elemen-
erschienen, der in fünf Leitgedan-    tarstufe bis hin zur tertiären
ken wesentliche Ziele der Bau-        Aus-, Fort- und Weiterbildung ver-
kulturpolitik formuliert: Der erste   ankert werden soll.
Leitgedanke «Bewusstsein für
Baukultur entwickeln und geeigne-     Baukulturelle Bildung wirkt als
te Strukturen finden» zielt auf       Querschnittsmaterie, die neben der      Prof. Dr. Marion Starzacher
die Stärkung des Bewusstseins für     Nachhaltigkeit, der Umwelt,
die Bedeutung zeitgenössischer        dem Klima oder der digitalen wie        Marion Starzacher ist Architektin und Professorin für Technik und Design an der
                                                                              Pädagogischen Hochschule Steiermark, Dozentin der Technischen Universität Graz und
Architektur und Baukultur. An         auch wirtschaftlichen Bildung           der Karl Franzens Universität Graz. Ausserdem engagiert sie sich im ausserschulischen
diesen will die Pädagogische          in sämtlichen Lehrplänen verankert      Vermittlungsfeld, in der KinderUni, in unterschiedlichen Gremien und Netzwerken.
Hochschule Steiermark, im profil-     werden muss. Sie ist ein wesentli-      Ihre Forschungs- und Lehrschwerpunkte liegen in den Bereichen Architektur und Bau-
gebenden Schwerpunkt Bildung          cher Teil der Bewusstseinsbildung,      kultur, ästhetische und technische Bildung und in der Verbindung von Kunst und
für Nachhaltige Entwicklung,          wie es im strategischen Leitge-         Technik (STEAM). In Kooperationen mit PartnerInnen aus Industrie, Wirtschaft und
formuliert im Ziel- und Leistungs-    danken 1 beschrieben ist. Nachhal-      Kunst entwickelt sie gemeinsame Projekte mit Schulen, Kindern und Jugendlichen wie
                                                                              u.a. Let`s do Technik, und das Projekt «Praxishandbuch Technik. Design. Werken
plan der Hochschule, andocken.        tige Siedlungsentwicklung,              wachsen». Sie gründete 2013 die Architekturinitiative ARCHelmoma und ist seit 2015
                                      öffentlicher Raum, Mobilitäts- und      Mitglied in der Initiative bink Baukulturvermittlung für junge Menschen.
Österreich                                                              16                                                                                         17

Monika Abendstein
«bilding» – ein experimenteller
Freiraum – entworfen und gebaut von
jungen Menschen für junge Menschen

«bilding» ist als Kunst- und          prinzip – learning by practicing –
Architekturschule für Kinder und      im Beobachten, sich Austauschen
Jugendliche österreichweit wie        und experimentellen Gestalten.
international ein Prototyp. Junge     Ort, Zeit, Material, KünstlerInnen
Menschen von 4 bis 19 Jahren          und ArchitektInnen, das Experi-
können hier in kostenlosen Pro-       ment und partnerschaftliches, pro-
grammen, begleitet von KünstlerIn-    zessorientiertes Schaffen bilden
nen, ihre kreativen Fähigkeiten       die wesentlichen Eckpfeiler
entdecken und weiterentwickeln.       von bilding. Das «bild» zum «ding»
Das Spektrum reicht von den           oder umgekehrt, beschreibt
Sparten Malerei, Bildhauerei über     den Weg zur Bildung. «be»greifen,
Architektur bis Design, Grafik-       um zu verstehen und gestalten,
design, Fotografie, Film und Neue     um verstanden zu werden – bestim-
Medien.                               men das gemeinsame Arbeiten
                                      in den Werkstätten.
«bild» und «ding», das eine
nicht ohne das andere – «bilding»     «bilding» war und ist zuallererst ein
versteht sich als Freiraum zur        Statement für die Unverzichtbar-
Erforschung von visuellen, bilden-    keit der freien kreativen Entfaltung
den und angewandten Künsten           von Kindern und Jugendlichen.
mit und für Kinder und Jugendliche.   Dies zeigt sich auch in seiner Archi-
Der Name «bilding» steht für ein      tektur. Als experimentelles Werk-
offenes Bild oder Kunstwerk, das      stättengebäude von Studierenden
Architektur, Kunst, Bildung           der Architektur an der Universität
und im-Prozess-sein miteinander       Innsbruck entworfen und gebaut,
verbindet. Erstmals wird mit          stellt es einen Ort der Veränderung
diesem Konzept auch die viel-         dar, welcher Bildung als im-Pro-
schichtige Verbindung von Kunst       zess-sein versteht, zur Mitgestal-
und Architektur thematisiert          tung einlädt und dem kreativen          Mag. arch. Monika Abendstein
und damit ein wichtiger Beitrag zur   Potenzial der Jugend mit einem
                                                                              Monika Abendstein leitet die Kunst- und Architekturschule «bilding» in Innsbruck, die
kreativen Gestaltung unseres          Freiraum adäquat antwortet.             sie im Jahr 2013 gegründet hat. Nach ihrem Studium der Architektur an der TU
Lebensraums geleistet. Ziel von                                               Innsbruck, der Akademie der Bildenden Künste Wien und der Polytechnic University
«bilding» ist es, Fantasie und        Der Beitrag gibt einen Einblick in      José Antonio Echeverría Havanna, Kuba ist Monika Abendstein seit 1996 freischaffend
Ausdrucksmöglichkeiten von jun-       die bauliche und inhaltliche Genese     in Architektur und Kunst tätig. Von 2006 bis 2013 war sie engagiert in der Architektur-
gen Menschen zu fördern und           von «bilding», einer temporär           vermittlung im aut Architektur und Tirol. Im Jahr 2009 gründete sie die KUNSCHTschu-
ihre Gestaltungskompetenzen zu        erdachten und nunmehr dauerhaf-         le für Kinder und Jugendliche, deren Leitung sie bis 2015 innehatte. Sie ist ein
                                                                              Gründungsmitglied von bink Initiative Baukulturvermittlung für junge Menschen. Aus-
stärken sowie für Kunst und           ten, aber nicht weniger visionären,     serdem ist sie Mitglied bei ArchiPäd Netzwerk Architektur und Pädagogik. Sie ist
Architektur zu sensibilisieren.       baukulturellen Einrichtung              Autorin zahlreicher Publikationen, sowie von Architektur- und Baukulturvermittlungs-
Das Vermittlungskonzept von «bil-     innerhalb der ausserschulischen         programmen im schulischen und ausserschulischen Kontext. Ebenso begleitet sie
ding» basiert auf dem Werkstätten-    Bildungslandschaft in Österreich.       Partizipationsprojekte als Teil von Stadtteilentwicklungsprozessen.
Österreich                                                            18                                         19
                                                                           widmen, welche Voraussetzungen
Monika Abendstein, Barbara Feller,                                         für eine erfolgreiche baukulturelle
                                                                           Bildung notwendig sind. In Vor-
Marion Starzacher                                                          trägen und Diskussionen, sowie
                                                                           beim gemeinsamen praktischen
«get involved» Baukulturelle Bildung                                       Tun, soll bewusst werden, dass
für junge Menschen im Rahmen                                               Baukultur eines vielfältigen Zusam-
                                                                           menspiels von Nutzenden,
der Architekturbiennale in Venedig                                         Planenden sowie politisch und ad-
                                                                           ministrativ Verantwortlichen
                                                                           bedarf – um eine zukunftsfähige
Als Plattform für den internationa-    von Zeitungspapier und erprobten
                                                                           Lebenswelt für alle zu schaffen.
len Austausch startete die             dessen technische und räumliche
österreichische Initiative bink Bau-   Qualitäten, untersuchten sein
                                                                           www.bink.at/get-involved
kulturvermittlung für junge            Potenzial vom Kommunikationsmit-
Menschen im Jahr 2012 mit dem          tel hin zum Konstruktionsmittel
Anspruch, die baukulturelle            und entdeckten dabei Fundamen-
Bildung zum wichtigen Bestandteil      tales in der Architektur.
innerhalb der aktuellen, weltweiten
Architekturdiskussion zu machen.     Im Jahr 2016 lag der Fokus auf
Im Austausch von Erfahrungen,        dem öffentlichen Raum als
Methoden, Entwicklungen              Bildungsraum. Das Motto der da-
und praktischen Beispielen wurde     maligen Biennale «reporting
gezeigt, welche spannenden           from the front» genauso wie der
Modelle es in der Baukulturvermitt-  österreichische Biennale-Beitrag
lung mit jungen Menschen gibt.       «Places For People» rückten
                                     den gesellschaftspolitischen
In einem gemeinsamen Beitrag         Aspekt von Architektur und Bau-
wird über die bisherigen vier        kultur in den Mittelpunkt der
Symposien «get involved» auf der     Diskussion. Im diskursiven Aus-
Architekturbiennale in Venedig       tausch bot das Motto «bridge
berichtet.                           the gap» Möglichkeiten, das
                                     Bewusstsein zu schärfen und die
Mit «get involved I» entwickelte     Potenziale für ein gutes Zu-
bink 2012 ein internationales        sammenleben und gegenseitige
Programm, welches das Thema der Inspiration auszuloten.
Architektur- und Baukulturver-
mittlung für junge Menschen zum      Auch 2018 wurde dieser Schwer-
Bestandteil innerhalb der aktuellen, punkt beibehalten und durch
weltweiten Architekturdiskussion     praktische Workshops in Venedig
machen sollte. Das erste Sym-        vertieft. Diese zeigten mögliche
posium gliederte sich in theoreti-   Wege auf, den öffentlichen Raum
sche Vorträge und praktische         bewusst zu machen und Menschen
Workshops der Teilnehmenden.         für seine Gestaltung zu interessie-
                                     ren und zu involvieren.
Bei der zweiten Durchführung
2014 wurden auch Jugendliche –       In diesem Jahr soll Venedig – am
aus Österreich, Deutschland          22. und 23. Oktober – wieder
und Slowenien – aktiv einbezogen die Bühne für den internationalen
und erforschten vor Ort in Venedig Austausch bieten. Dieser wird
gemeinsam die Eigenschaften          sich speziell der Fragestellung
Deutschland                                                              20                                                                                     21
                                                                               wie beispielsweise dem grossen              über die kulturelle Bildung und auch
Angela Million                                                                 Spektrum der kulturellen Bildung
                                                                               oder der Bildung für nachhaltige
                                                                                                                           die Bildung für nachhaltige
                                                                                                                           Entwicklung mehr als bisher in
Bildungsorte und Lernwelten                                                    Entwicklung ist gross. Zugleich ist
                                                                               auch die Vielfalt individuell erlebter
                                                                                                                           Schulen zu thematisieren. Kurz-
                                                                                                                           fristig sollten baukulturelle Bildungs-
der Baukultur                                                                  baukultureller Bildungsmomente              angebote, welche variabel sind
                                                                               reichhaltig. Hieraus ergeben                sowie an vielen Orten und in vielen
Baukultur ist eine Gemeinschaftsauf-    und Jugendliche Momente der bau-       sich Chancen, aber auch Herausfor-          Angeboten stattfinden, in der
gabe des Bauens und Planens             kulturellen Bildung in vielen          derungen für die Weiterentwicklung          vorhandenen Breite gefördert und
und zunehmend auch Gegenstand           Situationen und Angeboten: in den      der baukulturellen Bildungspraxis:          kultiviert werden. Geografische
vielfältiger Bildungsangebote           familiären Bildungswelten, bei         • das vielfältige Settings der              und inhaltlichen Lücken sowie Leer-
für Kinder und Jugendliche. In einem    Kreativtätigkeiten und in der Nut-        baukulturellen Bildung kultivieren       stellen könnten identifiziert,
Forschungsprojekt wurde erstmalig       zung digitaler Medien. Diese           • die baukulturelle Bildung in den          Zusammenarbeit mit anderen sich
untersucht, wie Heranwachsende          Momente stellen wertvolle, zum Teil       Schulen verankern                        überschneidenden Bereichen
diese Angebote erleben und in ihre      noch nicht hinreichend wahrgenom-      • den gesamten (Stadt-)Raum als             der Bildung bewusster und gemein-
alltägliche Lebenswelt einbetten,       mene Anknüpfungspunkte für                Bildungsraum nutzen                      sam bespielt werden. Hierzu ge-
was sie lernen und wie sie das          PädagogInnen und PraktikerInnen        • das familiäre Lernen berück-              hören auch gezielte Kooperationen
erworbene Wissen und die Fertig-        im Bereich der baukulturellen             sichtigen                                von formalen Angeboten (Schule,
keiten im Alltag nutzen. Damit          Bildung und Beteiligung aber auch in   • Zugänge zu Materialien und                Kita) mit den eher non-formalen An-
wird das wachsende Feld der             der konkreten Planung und Gestal-         Werkzeuge öffnen                         geboten der baukulturellen Bildung.
baukulturellen Bildung in seiner Dif-   tung der Umwelt dar. Zudem wurden      • die digitalen Lernwelten                  Wichtig ist, dass es neben privaten
ferenziertheit im deutschsprachigen     in den Gesprächen mit den Kindern         erschliessen                             und engagierten Anbietern ein
Raum näher beleuchtet und insbe-        und Jugendlichen die positiven         • die baukulturelle Bildung mit             staatliches Angebot an baukulturel-
sondere aus subjektorientierter         Charakteristika der baukulturellen        Beteiligung verbinden                    ler Bildung geben muss. Wenn
Perspektive die Stimmen von Kin-        Bildung und ihrer AkteurInnen          • AnleiterInnen weiterqualifizieren         das gelingt, dann kann baukulturelle
dern und Jugendlichen als Teil-         deutlich. Vergleichend und quer zu     • baukulturelle Bildungsangebote            Bildung als lokale oder auch regio-
nehmende dieser Angebote einge-         allen untersuchten sechs Ange-            politisch fördern                        nale Bildungslandschaft von Ange-
fangen. Dazu sind Kinder und            boten der baukulturellen Bildung im                                                boten und Orten wirksam werden.
Jugendliche zwischen acht und 18        deutschsprachigen Raum (Beteili-       Basierend auf den Erkenntnissen
Jahren aus unterschiedlichen            gungsprojekt in der Nachbarschaft,     dieser Studie bieten sich ver-              Das Abstract basiert und nutzt
Herkunftsmilieus befragt worden.        Vertiefung im Schulfach Kunst,         schiedene Strategien der Weiterent-         Textbausteine aus der Ergebnispub-
Die Forschungen wurden ge-              Schülerinnen- Studierenden-Work-       wicklung an: Angesichts der                 likation. Das Buch kann in deutscher
meinsam von Erziehungswissen-           shop, Kurs in der Kunst- und           grossen Hürden, weitere Inhalte in          und englischer Sprache kosten-
schaftlerInnen der Universität          Architekturschule, SchülerInnen-       Schulcurricula zu implementieren,           frei bei der Wüstenrot-Stiftung be-
Siegen und von Raum- und                Wettbewerb, Ferienangebot im           könnte es stattdessen vielspre-             stellt werden.
PlanungswissenschaftlerInnen der        Museum) wurde in den Aussagen          chend sein, baukulturelle Bildung
Technischen Universität Berlin in       der befragten Heranwachsenden
Kooperation mit der Wüstenrot           immer wieder betont: In baukulturel-
Stiftung durchgeführt.                  len Angeboten schätzen sie das
                                        «selber machen» und «selbst gestal-    Prof. Dr. Angela Million
Im Ergebnis wird deutlich, dass         ten» in einem sozialen Setting
Kinder und Jugendliche wichtige         mit AnleiterInnen sowie BetreuerIn-    Angela Million ist Professorin für Städtebau und Siedlungswesen an der TU Berlin und
biografische Erfahrungen und            nen, welche sie als unterstützend      Direktorin des Global Centers on Spatial Methods for Urban Sustainability (SMUS).
                                                                               In ihrer Forschung, Praxis und Lehre verbindet sie ihre Interessen an Bau- und Pla-
Entscheidungen miteinbeziehen:          und fachlich kompetent wahr-           nungskultur, Städtebau und Partizipation. Seit 2005 engagiert sie sich als Mitbegründe-
Nicht nur in Bezug auf das Um-          nehmen.                                rin von JAS – Jugend Architektur Stadt e.V. in Projekten der baukulturellen Bildung
gestalten der eigenen vier Wände,                                              und Beteiligung für Kinder und Jugendliche. Seit 2011 wurden an ihrem Lehrstuhl zahl-
auch auf Reisen und im Internet be-     Das Engagement im Bereich der          reiche Forschungsprojekte realisiert zur Stadt als Bildungsraum, baukulturellen
schreiben sie ihr Verständnis           baukulturellen Bildung ist wachsend,   Bildung von Kindern und Jugendlichen, multifunktionalen Infrastrukturen, sowie Metho-
von Raum und baukulturellem Ler-        die Überschneidung und Überlage-       den der visuellen Kommunikation von Planung. Ihre jüngste Forschung beschäftigt
                                                                               sich mit gebauten Bildungslandschaften und dem Wandel des Raumwissens von Kindern
nen. Im Ergebnis erleben Kinder         rung mit anderen Bildungsbereichen
                                                                               und Jugendlichen im Rahmen des SFB 1265 «Re-Figuration von Räumen».
Deutschland                                                           22                                                                                         23
                                                                            JAS hat seinen Vereinssitz in
Päivi Kataikko-Grigoleit                                                    Essen in Nordrhein-Westfalen, ist
                                                                            aber nicht nur bundesweit, sondern
Jugend Architektur Stadt.                                                   auch über die Bundesgrenzen
                                                                            hinaus im Bereich der baukulturel-
Handbuch der baukulturellen Bildung                                         len Bildung, Beteiligung und
                                                                            Fortbildung tätig. Die Vereinsmit-
                                                                            glieder kommen aus unterschiedli-
                                                                            chen Planungsfächern (Stadt-
                                                                            und Regionalplanung, Architektur,
                                                                            Landschaftsarchitektur), sowie
Wer die Stadt von Morgen gestal-      iert, konzipiert und realisiert
                                                                            den pädagogischen und kulturwis-
ten will, muss über Stadt und         JAS Workshops und Kommunikati-
                                                                            senschaftlichen Disziplinen. Zu-
Architektur lernen!                   onskonzepte, die Kinder und
                                                                            dem lehren viele von ihnen in diver-
                                      Jugendliche anregen Stadt, Land-
                                                                            sen Hochschulen und Universitäten.
Das Kernziel der baukulturellen       schaft und Architektur zu
Bildung ist, Kinder und Jugendliche entdecken und dafür eigene Ideen
                                                                            www.jugend-architektur-stadt.de
(und auch Erwachsene) mit             zu entwickeln. Ziel ist es, Kindern
Methoden und Prozessen der Pro- und Jugendlichen Verantwortung
duktion und Gestaltung von            und Kreativität im Umgang mit
(Stadt-)Raum vertraut zu machen. ihrer gebauten Umwelt zu vermit-
Im Buch «Jugend Architektur Stadt teln und sie in die Lage zu ver-
– Handbuch der baukulturellen         setzen, sich heute und in Zukunft
Bildung» wurden Methoden zusam- aktiv an deren Gestaltung zu
mengetragen, mit denen Kindern        beteiligen.
und Jugendlichen Wissen und
Handwerkzeug über gebaute             Neben der Vermittlung der Allge-
Umwelt im schulischen und ausser- meinbildung von Baukultur,
schulischen Kontext vermittelt        stellt die Konzeption und die Mode-
werden kann, gespeist aus knapp       ration der Beteiligung von
zwanzig Jahre interdisziplinärer      Kindern und Jugendlichen in
Praxiserfahrung. In den Ver-          Planungsprozessen einen wichti-
anstaltungen von JAS – Jugend Ar- gen Baustein der Arbeit des
chitektur Stadt e.V. wird die         Vereins dar. JAS betrachtet die
Stadt neu gelesen, es werden Zu-      baukulturelle Bildung als Teil
sammenhänge aufgedeckt,               der allgemeinen «Bürgerbildung»
eigene Ideen räumlich, bildlich und und setzt daher ausnahmslos auch
textlich dargestellt sowie für        die konkreten Beteiligungsauf-
die interessierte Öffentlichkeit prä- gaben als Bildungsprojekte um. Der
sentiert. Damit wird auch die         gemeinnützige Verein hat in
Frage beantwortet, wie Beteiligung zahlreichen städtebaulichen
von Kindern und Jugendlichen          Planungs- und Stadtgestaltungs-
im Planungsprozess konzipiert         prozessen, bei der Entwicklung        Dipl. Ing. Päivi Kataikko-Grigoleit
werden kann, und wie bereichernd vom Kinder- und Jugendmasterplan
und anregend es für die beteiligten sowie beim Bau öffentlicher und         Päivi Kataikko-Grigoleit ist Dozentin am Fachgebiet Städtebau und Bauleitplanung der
PlanerInnen sein kann.                privater Bauvorhaben (Schulbau,       Fakultät Raumplanung an der TU Dortmund und Partnerin des Büros REFLEX
                                      Kinder- und Jugendhäuser, Kinder-     Architektur_Stadtplanung in Essen. Die finnische Architektin lebt seit 1992 in Deutsch-
                                                                            land. Im Jahr 2004 hat sie das internationale Netzwerk PLAYCE und 2005 den
Seit 2005 fördert JAS die baukul- krankenhaus, Wohnungsbau)                 gemeinnützigen Verein JAS – Jugend Architektur Stadt e.V. mitbegründet. Ihre Tätig-
turelle Bildung und Beteiligung von massgeblich mitgewirkt.                 keitsschwerpunkte sind unter anderem Baukultur, (Pädagogische) Architektur,
Kindern und Jugendlichen. Als                                               Schulbauberatung, Partizipation in Planungsprozessen sowie Städtebau und Stadtge-
gemeinnützige Organisation initi-                                           staltung.
Deutschland                                                          24                                                                                   25
                                                                           gelungen ist, die Architecture               nen haben die Bildungsanbieter
Turit Fröbe                                                                Education systematischer im
                                                                           Schulsystem zu verankern, jedoch
                                                                                                                        und Schulen gelernt, die Möglich-
                                                                                                                        keiten des Cultural Education
Von Finnland lernen                                                        ganz anders als erwartet. Früh
                                                                           schon waren Erfolgsmeldungen
                                                                                                                        Plans zu nutzen, um die Architectu-
                                                                                                                        re Education zu stärken. Dieser
                                                                           aus Finnland publik geworden,                wird von den Schulen in Kooperati-
                                                                           die verlauten liessen, dass es im            on mit lokalen Kunst- und Kultur-
                                                                           Zuge der Lehrplanreform im                   institutionen aufgestellt, um für
                                                                           Jahr 2003 gelungen sei, die Archi-           eine Vernetzung mit ausserschuli-
                                                                           tecture Education offiziell in               schen Lernorten und Experten
                                                                           den Lehrplan der zehnjährigen Ge-            zu sorgen. Ausserdem wurden im
Finnland gilt seit mehr als zwei       aufgefasst wird, der nicht mit
                                                                           meinschaftsschule zu verankern.              Zuge der Lehrplanreform die
Jahrzehnten als unangefochtener        der Veröffentlichung des Doku-
                                                                           Umso überraschender war die                  Transversal Competencies
Vorreiter für baukulturelle            ments endet, sondern erst danach
                                                                           Erkenntnis vor Ort, dass das Mo-             gestärkt, so dass es über Quer-
Bildung. 1998 entwickelte es als       richtig beginnt.
                                                                           dul im Rahmen der Lehrplanreform             schnittaufgaben wie «Participation,
eines der ersten Länder Europas
                                                                           2018 wieder gestrichen worden                involvement and building a
eine offizielle Architekturpolitik, Das Beispiel Finnland zeigt, dass
                                                                           war, was jedoch kaum negativ                 sustainable future» und neu ge-
in der der Architecture Education   es keiner personalstarken Instituti-
                                                                           bewertet wurde. Da die baukultu-             schaffene multidiszipliäre Lern-
eine prominente Stellung ein-       onen bedarf, um Baukultur sys-
                                                                           relle Bildung in den vergangenen             module, in denen das fächerüber-
geräumt wurde. Erklärtes Ziel war   tematisch im gesellschaftlichen
                                                                           zwanzig Jahren zu einem                      greifende, phänomenorientierte
es unter anderem, die baukulturelle Bewusstsein zu verankern, sondern
                                                                           selbstverständlichen Bestandteil             Lernen gestärkt werden soll,
Bildung systematischer in den       dass es mit wenig Personal und
                                                                           des Schulalltags geworden                    auf unterschiedlichsten Ebenen
Schulen und in der Lehrkräftebil-   mit klugen Strategien, die darauf
                                                                           war, wurde eine explizite Veranke-           möglich ist, die Architecture
dung zu verankern. Im Rahmen        ausgelegt sind, bestehende
                                                                           rung im Lehrplan als nicht                   Education in den Unterricht zu inte-
einer Feldstudie wurde der Frage    Ressourcen zu nutzen und zu stär-
                                                                           mehr notwendig erachtet. Zum ei-             grieren.
nachgegangen, ob und wie es         ken, möglich ist, viel zu erreichen.
gelungen ist, die architekturpoliti-Was es braucht sind zentrale
schen Massnahmen in den ver-        Anlauf- und Beratungsstellen, wie
gangenen zwanzig Jahren umzu-       beispielsweise Archinfo Finland,
setzen, welche Voraussetzungen      dessen Gründung im Jahr 2013 als
dafür notwendig waren, welche       einer der bedeutendsten
Strukturen dafür geschaffen         Erfolge der Architekturpolitik von
werden mussten und inwiefern sich   1998 gewertet werden kann.
diese Erfahrungen auch auf          Entstanden ist eine Plattform, die
andere Länder übertragen lassen.    sich der Architekturkommunikation
                                    widmet und zentrale Anlauf-
Die Gespräche mit ExpertInnen aus und Beratungsstelle zur Förderung
Politik, Verwaltung, Kunst, Kultur, lokaler Baukulturpolitiken und
Schule und Universität offenbarten, baukultureller Bildung geworden        Dr. Turit Fröbe
dass sich trotz unterschiedlicher   ist. Mit der Einrichtung des
                                                                           Turit Fröbe ist freiberuflich als Sachbuchautorin tätig. Sie ist Architekturhistorikerin
struktureller und historischer      jüngsten von insgesamt acht Art In-
                                                                           und Urbanistin und hat Kunstgeschichte und Klassische Archäologie in Marburg
Grundvoraussetzungen Vieles von formation Centres wurde die                studiert, ein Masterstudium Europäische Urbanistik an der Bauhaus-Universität Weimar
Finnland lernen liesse und die      Architektur offiziell, wie es 1998     absolviert und an der Universität Hamburg promoviert. Von 2005 bis 2017 war sie
Ausgangsbedingungen für baukul- gefordert worden war, mit den              an der Universität der Künste Berlin zunächst als wissenschaftliche Mitarbeiterin im
turelle Bildung sich nur unwe-      anderen Kunst- und Kulturformen        Lehrgebiet Geschichte und Theorie der Architektur im Studiengang Architektur
sentlich unterscheiden. Zu den      gleichgestellt.                        und später als Gastprofessorin für «Ästhetische Bildung» in der künstlerischen Lehr-
wichtigsten Voraussetzungen für                                            kräftebildung tätig. Mit ihrem Büro, DIE STADTDENKEREI entwickelt sie seit 2014
                                                                           unkonventionelle, spielerische Strategien zur Baukulturvermittlung und stiftet zu einem
eine erfolgreiche Implementierung Zu den grössten Überraschungen           liebevollen Blick auf die gebaute Umwelt an. Gegenwärtig führt sie im Auftrag des
gehört jedoch, dass sie politisch   im Kontext der Studie gehörte,         Bundesinstituts für Stadt-, Bau- und Raumforschung BBSR die Studie «Baukulturelle
gewünscht, forciert und mit-        dass es in Finnland in den vergan-     Bildung: Bestand, Bedarf, Wirksamkeit» durch, in der sie die Situation der baukulturellen
getragen wird und als Lernprozess genen zwanzig Jahren zwar                Bildung im deutschen Schulsystem untersucht.
26   Vermittelnde                                                         27

     «Langer Tisch
     baukulturelle Bildung Schweiz»

     Archijeunes hat 2019 die Initiative «Langer Tisch baukulturelle Bildung
     Schweiz» ins Leben gerufen. Ziel des Langen Tisches ist es, den
     Austausch und die Zusammenarbeit im Netzwerk der baukulturellen
     Bildung zu stärken sowie eine gemeinsame Vision für die baukulturelle
     Bildung in der Schweiz zu entwickeln. Nachfolgend vorgestellte
     Schweizer Institutionen treffen sich regelmässig im Rahmen dieser
     Interessengemeinschaft. Auf unserer Online-Plattform vernetzen wir
     ausserdem zahlreiche weitere AkteurInnen. Unser Netzwerk steht allen
     offen, die sich im Bereich der baukulturellen Bildung engagieren.
     Melden Sie sich bei uns, wenn Sie dabei sein wollen!
Hofstetten bei Brienz                          Genève                                 28     Scuol                                       Basel                                   29

Ballenberg – Freilichtmuseum                   Chantier Ouvert                               CREACUMÜN                                   drumrum Raumschule –
der Schweiz                                                                                                                              Baukultur sehen und gestalten mit
                                                                                                                                         Kindern und Jugendlichen

Das Freilichtmuseum Ballenberg ist eine        Chantier Ouvert est une association à but     Der Verein CREACUMÜN bezweckt, der          Der gemeinnützige Verein drumrum
private Stiftung mit dem Ziel, traditionelle   non lucratif fondée en 2015 à Genève          Gemeinschaft die besondere Bedeutung        Raumschule sensibilisiert seit 2010 mit
ländliche Bauten samt ihren typischen          par des architectes EPFL.                     von öffentlichen Räumen – wie Plätze        öffentlichen und privaten Workshops,
Einrichtungen zum Wohnen und Arbeiten                                                        und Strassen – und des Baukulturerbes       partizipativen Schulprojekten und grenz-
zu sammeln, zu erforschen, zu erhalten         Au travers d‘un regard singulier sur les      näherzubringen. Mit Veranstaltungen,        überschreitender Zusammenarbeit
und zu vermitteln. Es beherbergt über 100      enjeux de l’architecture d’aujourd’hui        Workshops und Publikationen werden die      Kinder, Jugendliche und Interessierte für
historische Wohn- und Wirtschaftsbauten        et de demain, Chantier Ouvert propose de      Planung, Ausgestaltung und Pflege insbe-    die baukulturellen Herausforderungen
aus allen Landesteilen der Schweiz.            sensibiliser à l‘architecture par l‘expéri-   sondere der gebauten Umwelt themati-        unserer Zeit. Mit ihrem Angebot ermög-
Jedes Haus erzählt seine eigene Ge-            mentation, projeter collectivement par la     siert und Schnittstellen zwischen Fach-     licht es die drumrum Raumschule jungen
schichte und die seiner Bewohner, zeigt        concertation et construire par des            personen und einer breiten Öffentlichkeit   Menschen, ihre gebaute Umwelt mit
aber darüber hinaus auch auf geo-              choix durables, écologiques et responsa-      geschaffen. Dabei liegt ein spezieller      allen Sinnen wahrzunehmen, neu zu ent-
grafische, wirtschaftliche, herrschaftliche    bles. L‘objectif de l‘association Chantier    Fokus darauf, diese Thematik an Kinder      decken und sich in den baukulturellen
oder politische Verhältnisse im Wandel         Ouvert est de donner à l’architecture         und Jugendliche, unabhängig von deren       Diskurs einzubringen. Die Vermittlungsar-
der Zeit. Zur Einrichtung der Gebäude be-      sa dimension collective, sociale et           Bildungshintergrund, zu vermitteln.         beit der drumrum Raumschule ermöglicht
sitzt das Freilichtmuseum Ballenberg           humaine pour que sa construction soit le                                                  es den Teilnehmenden, die komplexe Ma-
eine Sammlung von Objekten der länd-           résultat de désirs communs.                   2018 traf sich erstmals in der Fundaziun    terie des gestalteten Raumes und dessen
lich-bäuerlichen Kultur aus der Zeit                                                         Nairs in Scuol eine Gruppe lokaler          Wechselbeziehung zum Menschen
vor der Motorisierung der Landwirtschaft.      L‘association est ponctuellement subven-      Architekturschaffende mit dem Wunsch,       aufzuschlüsseln sowie einen kreativen
Derzeit umfasst die Sammlung mehr als          tionnée selon chaque projet par des           sich mit der Baukultur des Unterengadins    und verantwortungsvollen Umgang mit
45’000 Objekte.                                dons privés, des fondations, la ville de      auseinanderzusetzen und sie an ein          unterschiedlichen Räumen zu erlernen.
                                               Genève ainsi que la FAI (Fédération des       interessiertes Laienpublikum zu vermit-     Wie wir heute und in Zukunft unseren Le-
Die Mitarbeitenden des Freilichtmuseums        associations d‘architectes et d‘ingénieurs    teln. Zwei Jahre später wurde der Verein    bensraum verantwortungsvoll gestalten,
fertigen traditionelle Handwerksprodukte,      de Genève). Les activités de l‘association    CREACUMÜN gegründet. Im August              ist nicht nur ein Thema, das Fachleute
pflegen die Felder, Gärten und Tiere           sont portées et réalisées par deux            2020 wurde als Auftakt der Vereinstätig-    etwas angeht, sondern es ist auch eine
im Museum und erhalten die Gebäude             architectes, Alice Dunoyer et Florine         keit ein «Bügl public» in Ftan durchge-     Frage der gemeinsamen Verantwortung
samt Einrichtungen. Traditionelle              Wescher.                                      führt, bei dem der Dorfbrunnen temporär     und der Möglichkeit, Ideen Gestalt
Handwerkstechniken, die dem Bau oder                                                         zum Thermalbad umgenutzt wurde.             zu geben und kreativ auszuarbeiten. Dies
der Bewirtschaftung der Gebäude dienen,        www.chantierouvert.ch                         Im Oktober konnte eine erste Projektwo-     muss möglichst früh erlernt werden.
werden auf dem Gelände gezeigt und                                                           che zum Thema «Öffentlicher Raum»           Kinder und Jugendliche sollen die Mög-
weitergegeben, sodass Wissen und Kön-                                                        mit der Schule Ardez/Guarda durchge-        lichkeit haben, sich ein Wissen über
nen für die Nachwelt auf lebendige                                                           führt werden. Von Juni bis Oktober          räumliche Zusammenhänge, über die Ge-
Weise erhalten bleibt. Der Blick auf frühe-                                                  2021 wandert die Baumstamm-Installation     schichte und die raumatmosphärischen
re Lebensformen ist voller Anregungen                                                        «piglia plazza!» (Nimm Platz!) durch        Aspekte der gestalteten Lebensumwelt
für die Gegenwart und Zukunft.                                                               die Dörfer der Gemeinde Scuol, und für      zu erwerben. Die drumrum Raumschule
                                                                                             Oktober 2021 ist eine weitere Projekt-      unterhält ein interdisziplinäres Netz-
Das Freilichtmuseum ist ein lebendiges                                                       woche in Zusammenarbeit mit dem Hoch-       werk aktiver Mitglieder, die in unter-
kulturelles Zentrum mit Mitmachaktivitä-                                                     alpinen Institut in Ftan geplant.           schiedlichen Kooperationen in die Pro-
ten, Führungen, Veranstaltungen,                                                                                                         jektumsetzung involviert werden. Der
Kursen, Ausstellungen und Publikationen.                                                     CREACUMÜN baut auf dem freiwilligen         Verein lebt vom grossen Engagement sei-
Für Schulklassen bietet es stufengerech-                                                     Engagement seiner Mitglieder auf.           ner Mitglieder und erhält bis anhin keine
te Schulprogramme, die einen Über-                                                           Finanziert werden die Projekte durch kan-   öffentlichen Betriebsbeiträge. Die jeweili-
blick geben, einzelne Themen vertiefen                                                       tonale und kommunale Gelder und durch       gen Projektkosten werden von den
und den Vergleich zu heutigen Lebens-                                                        Stiftungen. Die Projektwoche wurde          Teilnehmenden, den Auftraggebern sowie
und Arbeitsbedingungen ermöglichen.                                                          vom Briefmarkenfonds der Post unter-        von Stiftungen und Sponsoren mitgetra-
                                                                                             stützt und 2021 wurde CREACUMÜN als         gen. Die drumrum Raumschule erweitert
www.ballenberg.ch                                                                            eines von 21 Projekten in der Ausschrei-    kontinuierlich ihr Angebot an experimen-
                                                                                             bung «Architecture Matters» von Pro         tellen und partizipativen Baukulturprojek-
                                                                                             Helvetia gefördert.                         ten mit Kindern und Jugendlichen von
                                                                                                                                         heute für ihre Lebensumwelt von morgen!
                                                                                             www.creacumuen.ch
                                                                                                                                         www.drumrum-raumschule.ch
Zürich                                      Lugano                                   30     Bern                                         Schweizweit                            31

Heimatschutzzentrum Villa                   i2a – istituto internazionale                   Kindermuseum Creaviva im                     Konferenz Bildschulen Schweiz
Patumbah                                    di architettura                                 Zentrum Paul Klee

«Baukultur umfasst das Gebaute, wie         i2a istituto internazionale di architettura     Das Kindermuseum Creaviva ist ein Ort        Die Konferenz Bildschulen Schweiz KBS
Häuser, Städte und Dörfer, aber auch        è, in Svizzera, l’unico forum di architettura   lebendiger Kreativität. In der Begegnung     ist die nationale Vernetzungsstruktur
die Räume dazwischen, wie Plätze, Gär-      e cultura urbana a sud delle Alpi e si          mit den originalen Werken von Paul Klee      der Bildschulen in der Schweiz. 2021 um-
ten und Kulturlandschaften. Sie bezieht     dedica allo studio di tematiche legate al       und der Architektur von Renzo Piano wird     fasst sie 15 Bildschulen an 16 Standorten
sich auf Vergangenes, Gegenwärtiges und     territorio, all’ambiente e alla realtà          die Neugier geweckt für den eigenen,         in der Schweiz und Liechtenstein,
Zukünftiges. Damit sich möglichst viele     contemporanea. Consapevole del ruolo            unverwechselbaren gestalterischen Aus-       davon sind 14 Standorte in der Deutsch-
Menschen an der Gestaltung unseres          dell’architettura quale strumento di lettura    druck.                                       schweiz und Liechtenstein, einer im
Lebensraumes beteiligen, dafür Sorge        e comprensione dei fenomeni odierni,                                                         bilingualen Bereich zwischen der
tragen und diesen nachhaltig weiterentwi-   l’istituto si pone come luogo di apertura e     Unter dem Motto «saper vedere – sehen        Deutsch- und der Westschweiz sowie ei-
ckeln, braucht es baukulturelle Bildung.»   di dialogo interdisciplinare. Il futuro del     lernen» bieten die Workshops im Creaviva     ner im Tessin. Weitere Bildschulen sind im
                                            territorio in cui viviamo riguarda tutti i      die Chance, über die haptische Auseinan-     Aufbau. Rund 4‘000 Kinder und
Mit dem Heimatschutzzentrum in der          cittadini: per dare ad ognuno la possibilità    dersetzung mit Materialien das Auge          Jugendliche besuchen jährlich die Ange-
Villa Patumbah hat die baukulturelle        di essere partecipe della formulazione          zu schulen, die Wahrnehmung für Gestal-      bote der Bildschulen.
Bildung und Vermittlung einen festen        di una visione progettuale, i2a getta un        tungsprinzipien zu schärfen sowie über
Platz innerhalb der Aktivitäten des         ponte tra gli addetti ai lavori e la società    das konkrete Handeln, Selbstwirksamkeit      Bildschulen sind Kunst- und Gestaltungs-
Schweizer Heimatschutzes. Ziel ist es,      civile, promuovendo conferenze,                 zu erfahren. Manchmal fordern lokale         schulen für Kinder und Jugendliche
gemeinsam hinzuschauen und wahrzu-          esposizioni e laboratori – anche per bam-       Kunstschaffende die Kinder auf, Modelle      im ausserschulischen Bereich. Die
nehmen, einzutauchen, zu diskutieren        bini e bambine. i2a è membro affiliato          für das Haus oder die Stadt der Zukunft      Unterrichtenden sind KünstlerInnen, De-
und zu verhandeln. Es werden Ausstellun-    di Konferenz Bildschulen Schweiz e              zu bauen oder die Workshopleitung            signerInnen, ArchitektInnen oder Kunst-
gen gezeigt und Führungen sowie             dall’autunno 2021 offre corsi regolari per      nutzt in Anlehnung an Paul Klees Tätigkeit   handwerkerInnen, welche zusätzlich
erlebnisorientierte Theatertouren und       i più piccoli e le più piccole sotto il         am Bauhaus seine «Bildnerische Formen-       eine pädagogische Ausbildung oder Er-
Workshops für Kinder und Erwachsene         nome LAB // Laboratori di cultura urbana.       lehre» als Grundlage für Aktivitäten.        fahrung im Vermitteln mitbringen. Das An-
rund um das Thema Baukultur angeboten.                                                                                                   gebot an den Bildschulen deckt die
Ein besonderer Anziehungspunkt ist          Nato nel 1983 a Vico Morcote come               Neben der Arbeit in den Ateliers bildet      gestalterischen Fächer breit und struktu-
die Villa Patumbah selbst als ausserge-     sede europea di SCI-Arc – Southern              das Gebäude mit den beeindruckenden          riert in Klassen über mehrere Altersstufen
wöhnliches Baudenkmal.                      California Institute of Architecture di Los     drei Wellen und die als Landschafts-         ab. Qualität wird mittels Lehrplänen,
                                            Angeles, i2a risiede oggi in Villa Saroli,      skulptur konzipierte Anlage des italieni-    Weiterbildungen und Werkschauen
Die Idee eines Bildungszentrums des         nel centro di Lugano.                           schen Architekten Renzo Piano viel           gefördert.
Schweizer Heimatschutzes geht zurück                                                        Potenzial für Vermittlungsaktivitäten. So
auf das Jahr 1999. Der Erlös der Schoggi-   www.i2a.ch                                      können Familien im Aussenraum aus            Die Konferenz Bildschulen Schweiz ver-
taleraktion 2005 zum 100-Jahr-Jubiläum                                                      drei Rundgängen auswählen: Ist «Rad-         folgt das Ziel einer gesetzlichen
des Schweizer Heimatschutzes verhalf                                                        Wahn» ein angeleiteter Erlebnisparcours      Grundlage zur Verankerung des Bildschul-
dem Projekt zum Durchbruch. Nach einer                                                      mit viel Bewegung, steht beim «Spiral-       angebots in allen Kantonen. So erhalten
landesweiten Suche nach einem geeigne-                                                      weg» die Auseinandersetzung mit Kunst        alle interessierten Kinder und Jugendli-
ten Baudenkmal konnte der Mietvertrag                                                       und Natur im Vordergrund, beim Architek-     chen die Möglichkeit eine Bildschule
mit der Stiftung Patumbah eingegangen                                                       turspaziergang «3hoch3» werden               zu besuchen – unabhängig von Wohnort,
und das Zentrum 2013 eröffnet werden.                                                       architektonische Prinzipien anhand eines     sozialer Herkunft oder finanziellen
                                                                                            Rätsels veranschaulicht und Jugendliche      Möglichkeiten.
Der Betrieb des Heimatschutzzentrums                                                        können alljährlich an einem Modell-
wird vom Schweizer Heimatschutz getra-                                                      bauwettbewerb teilnehmen.                    Die Konferenz Bildschulen Schweiz ist ein
gen. Das Bundesamt für Kultur BAK                                                                                                        gemeinnütziger Verein. Der Vorstand
sowie Kanton und Stadt Zürich leisten                                                       Das Kindermuseum Creaviva wird durch         und die Arbeitsgruppen arbeiten ehren-
Beiträge an den Betrieb. Ein zusätzliches                                                   die Stiftung «Fondation du Musée des         amtlich. Finanzielle Unterstützung erhält
Finanzierungsstandbein bildet der Club                                                      Enfants auprès du Centre Paul Klee» ge-      die KBS durch die Beisheim Stiftung
«Freunde der Villa Patumbah». Für die                                                       tragen.                                      und den Bund im Rahmen des Kinder- und
Sonderausstellungen sowie für projektbe-                                                                                                 Jugendfördergesetzes KJFG.
zogene Bildungs- und Vermittlungstätig-                                                     www.creaviva-zpk.org
keiten sind wir auf Mittel von Dritten                                                                                                   www.bildschulen.ch
angewiesen.

www.heimatschutzzentrum.ch
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