Baustelle Heimat - Kirchenbote SG
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7-8 2 0 DER EVANGELISCH-REFORMIERTEN KIRCHE DES KANTONS ST. GALLEN www.kirchenbote-sg.ch Baustelle Heimat SEITEN 4, 5 UND 6 SEITE 10 SEITE 11 HEIMAT IST NICHT EINFACH DA. Auf der Flucht EKS-Krise Rassismus MAN MUSS SIE SICH ERARBEITEN. REPORTAGE VOM RHEINTAL FAKTEN ZUM FALL LOCHER TALAR GEGEN WILLKÜR
EDITORIAL IM ANFANG Baustelle Heimat Liebe Leserin, lieber Leser Ein Chalet schwebt an einem Kran wie ein Spielzeughaus. Es sind 110 Tonnen Holz und Stahl. Vor zehn Jahren musste dieses Chalet dem Andermatter Luxus- projekt von Samih Sawiris weichen. Um ganze sechs Meter wurde es verschoben. Eine teure Reise, die mehr als 30 000 Franken pro Meter kostete. Ein Chalet bietet Gemütlichkeit, Gebor- genheit und Schutz. Ein sicheres Zuhau- se zu haben ist nämlich keine Selbstver- ständlichkeit (Seite 2). Das Andermatter Chalet etwa war bereits grosser Gefahr ausgesetzt: Es hat einen Felssturz über- standen und musste evakuiert werden. Gefahren ausgesetzt waren auch die «Was heisst ‹geborgen›?», fragt das Kind beim Abendlied vor dem Einschlafen. Asylsuchenden des Bundesasylzentrums Altstätten, bevor sie in der Schweiz Schutz suchten (Seiten 4 – 6). «Eine Hälf- te von mir ist noch im Iran, die andere lebt hier», beschreibt einer seine Zerris- Geborgen wie ein Kind senheit. Maximal 140 Tage leben die «Sei mir ein sicheres Zuhause, wohin ich jederzeit kommen kann» (Ps 71,3) Asylsuchenden in Altstätten. Die Seelsor- Text: Kathrin Bolt, Pfarrerin, Straubenzell | Foto: epd-bild / Rainer Oettel ge der reformieren Kirche gibt ihnen in dieser Zeit ein Stück Heimat. Die Frage nach Heimat ist verknüpft mit In der Schweiz, meinem Vater- und Mutter- Das Chalet, der Inbegriff von Schweizer der Frage nach Geborgenheit. Denn ein si- land, fühlte ich mich in diesen Wochen gut Verwurzelung und Sesshaftigkeit, ist cheres Zuhause ist nicht selbstverstänlich. aufgehoben. Für mich war es eine berühren- mobiler, als man denkt. Das Andermat- de Erfahrung, zu merken: Ich lebe in einem «Was heisst ‹geborgen›?», fragte mich meine sicheren Land und bin von guten Menschen ter Chalet, das Sawiris verschieben liess, fünfjährige Tochter, als ich vor dem Einschla- umgeben. Ich habe ein sicheres Zuhause, wo- ist nämlich schon einmal umgezogen: fen das Taizé-Lied «Bei Gott bin ich geborgen, hin ich jederzeit zurückkehren kann. Die 1897 in Airolo erbaut, überquerte es spä- still wie ein Kind» anstimmte. Aus meiner Kehrseite dieser Geborgenheit ist, dass in ter den Gotthard und wurde nach Ander- eigenen Kindheit habe ich Bilder im Kopf, die dieser Krisenzeit mehr denn je klar wird, wie matt versetzt. Auch der biblische Gott in mir das Gefühl von Geborgenheit auslö- wenig selbstverständlich es ist, ein sicheres war mobil, als der Tempel, sein «Zuhau- sen: meine Mutter, die mir Essigsocken wi- Zuhause zu haben. Zu Hause bleiben kann, se», zerstört wurde: Er «zügelte» in den ckelt. Die grosse Schwester, die mich in den wer ein Zuhause hat. Wer aber auf der Stras– Himmel (Seite 3). Arm nimmt bei meinem ersten Liebeskum- se lebt, auf der Flucht ist, kein Asyl hat oder mer. Die ganze Familie am warmen Küchen- zu Hause missbraucht und unterdrückt wird, Wenn die Schweiz am 1. August den tisch bei «Chnöpfli und Rahmgulasch», wäh- ist Gefahren hilflos ausgesetzt. Bundestag begeht, ist dieses Jahr vieles rend es draussen schneit und stürmt. anders: Man achtet auf Distanz, wenn WO ES MIR GUT GEHT, IST MEINE HEIMAT man bei einem Bier der Festrede lauscht. «Sei mir ein sicheres Zuhause, wohin ich je- Als Kirche ist es uns ein Anliegen, Menschen Denn Heimat bedeutet nicht, dass man derzeit kommen kann.» Diese Psalmworte dabei zu unterstützen, Heimat zu finden. «Ubi das Alte nur bewahrt und unter Heimat- bringen auf den Punkt, was Geborgenheit ist: bene, ibi patria» – wo es mir gut geht, ist mei- schutz stellt. Man ein sicheres Zuhause. Ein Ort, an dem ich ne Heimat. Dieses lateinische Sprichwort muss sich die Heimat willkommen bin, jederzeit. Unabhängig da- zeigt, dass es nicht allein eine geografische immer wieder neu er- von, wie es mir geht. Unabhängig davon, was Frage ist, wo Menschen Heimat finden. Eine arbeiten. Das Ander- ich angestellt habe. Heimat ohne Geborgenheit ist kein sicherer matter Chalet hat Ort. «Bei Gott bin ich geborgen, still wie ein Bergsturz und Umzü- «BLEIBEN SIE ZU HAUSE!» Kind.» Meine persönliche Suche nach Gott ist ge überlebt. Unter In den letzten Monaten haben die eigenen eng verbunden mit der Frage, wo mein siche- Heimatschutz stand vier Wände eine neue Bedeutung bekommen. res Zuhause ist. Und mit der Sehnsucht, die- es aber nie. Wie fürsorgliche Eltern verordneten uns die ses sichere Zuhause auch anderen Menschen Stefan Degen Bundesrätinnen und Bundesräte Hausarrest. zu ermöglichen. 2 AUSGABE 7-8/2020
THEMA: HEIMAT Als Gott in den Himmel zügelte In der biblischen Tradition hat Gott viele Zuhause – was das für den Menschen bedeutet Text: Daniel Klingenberg, Pfarrer, Mittleres Toggenburg | Foto: Andreas Ackermann Gott hatte einst im Tempel seine Heimat. DER HIMMEL KANN GOTT NICHT FASSEN Was ist der Sinn dieser Bewegung? Konrad Die Babylonier zerstören ihn – und Gott Dann aber geschieht 587 vor Christus die Schmid, Professor für Altes Testament, braucht ein neues Daheim. erste grosse Zäsur in der Geschichte des schreibt: «Die königliche Macht Gottes ist Judentums. Die Babylonier zerstören nicht mehr geografisch auf Jerusalem kon- Jesaja lebt im späten 8. Jahrhundert. vor Jerusalem, den Tempel und damit auch die zentriert, sondern ist himmlisch vermittelt Christus. Er sieht und hört mehr, als andere «Wohnstatt Gottes». Sie deportieren ganze und entsprechend universal zu begreifen.» sehen und hören. Darum ist er ein «Prophet». Bevölkerungsteile aus Juda nach Babylon. Anders gesagt: Ist Gott im Himmel, kann er Im 6. Kapitel des Jesajabuches sieht er Gott Diese kommen ins Exil und erleben so eine auch Gebete erhören, wenn der Tempel in im Tempel «auf einem Thron sitzen». Aller- Trümmern liegt. Zudem erzählt derselbe dings ist es nur der unterste Saum seines Ge- Text, dass Gott noch «mehr als der Himmel» wandes. Dieser füllt aber den ganzen Tempel Ist Gott im Himmel, so kann ist. «Sieh, der Himmel, der höchste Himmel in Jerusalem aus: ein Zipfel Gott. Gott selber, kann dich nicht fassen.» er auch Gebete erhören, so die Vorstellung, türmt sich weit über den Tempel hinaus bis in den Himmel. Es ist die wenn der Tempel in ZWANG ZUR «MULTILOKALITÄT» wohl eindrücklichste Beschreibung in der Trümmern liegt. In der Bibel gibt es in der Folge verschiedene Hebräischen Bibel, wie der Tempel in Jerusa- Konzepte, wie und wo Gott im Himmel lem «Gottes Wohnstatt» ist. Jesaja sieht, wie wohnt. Wenn aber Gott weit weg ist, bedeu- «Türzapfen erzittern» und der ganze Raum extreme Form des Verlustes von Heimat. tet das auch Verlust von Nähe. Engel als Zwi- voller Rauch ist. Das hat auch Folgen für Gottes «Zuhause». schenwesen überbrücken diesen Abstand. Der Tempel als Ort irdischer Präsenz Gottes Das Christentum schliesslich geht dann Neben dem Tempel gab es auch lokale Heilig- fällt weg: Gott thront nun im Himmel. einen eigenen Weg: Gott «wohnt» mit der In- tümer im Land. Die Menschen knüpften den Exemplarisch ist das im 1. Buch der Könige karnation im Gottmenschen Jesus Christus. Kontakt zur Gottheit mit Opfern, Gaben und in Kapitel 8 zu lesen: Mehrfach ist darin vom Gebeten. Diese Orte heissen in der Bibel bei- «Himmel» die Rede, der «Stätte deines Thro- Die «Wohnstatt Gottes» ist also ausgespro- spielsweise Bet-El, Dan und Sichem. nens». chen mobil. Kann man aus dieser flexiblen «Heimat Gottes» etwas für die Heimatsuche der Menschen schliessen? Albrecht Grözin- ger ist emeritierter Professor für Praktische Theologie. Das Thema «Gott, Mensch, Hei- mat» beschäftigt ihn schon lange, zumal wir in Zeiten der Migration leben. Er sagt: «Die globalisierte Welt zwingt die Menschen gera- dezu, multilokal zu leben.» Wir müssen uns immer an verschiedenen Orten zurechtfin- den, uns «Heimat schaffen». HEIMAT MUSS MAN SICH ERARBEITEN Heimat ist also nicht einfach «da». Heimat muss man sich «erarbeiten». Das ist auch eine Aufgabe der Seelsorge. «Der Beitrag der Seelsorge in der globalisierten Welt ist, Men- schen fähig zu machen, die Ambivalenz der vielen Zuhause auszuhalten», sagt Grözinger. Dabei gebe es Parallelen zum biblischen Gott und zu biblischen Personen. «Wie die Men- schen jetzt kennen sie ebenfalls verschiede- ne Zuhause und machen ‹Migrationserfah- rungen›.» Die «Wohnstatt Gottes» ist ausgesprochen mobil. Denn Heimat ist nicht einfach da, man muss sie sich erarbeiten. Ob in der Seelsorge oder bei einem Drink an der ReformierBar. WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 3
THEMA: HEIMAT «Eine Hälfte von mir ist noch im Iran, die Reportage aus dem Bundesasylzentrum Altstätten im St. Galler Rheintal Text | Fotos: Stefan Degen Sie haben die alte Heimat verlassen, sind ÖFFENTLICHE HINRICHTUNG habe.» Reza ist Mitte dreissig und stammt aber nur auf der Durchreise: die Asylsu- Einer seiner Bekannten ist Reza: «Eine Hälfte aus einer Stadt im Zentrum des Iran. Auf ge- chenden im Bundesasylzentrum Altstät- von mir ist im Iran geblieben, die andere lebt nauere Angaben im «Kirchenboten» möchte ten. Doch für kurze Zeit ist das Zentrum hier.» Während um uns herum der Speisesaal er verzichten. Zum Schutz seiner Frau, die ein Stück Heimat. Dank Freundschaften, für das Mittagessen hergerichtet wird, er- ebenfalls am Christentum interessiert ist. Fischknusperli und Bibelgruppe. zählt er mir seine Geschichte: Reza ist im Iran zum Christentum konvertiert. Seither Im Iran sind traditionelle Minderheiten wie Die Geste lässt mir das Blut in den Adern ge- fürchtet er um sein Leben. «Niemand steht armenische Christen oder Zoroastrier per frieren: eine Hand, die die Kehle durch- im Iran offen zu seinem christlichen Glau- Verfassung geschützt. Andere werden ver- schneidet. Immer wieder taucht die Handbe- folgt: Bahai, sunnitische Muslime, Atheisten. wegung auf, als mir Reza* von seiner Vergan- Und Konvertiten wie Reza. Denn Apostasie, genheit im Iran erzählt. Sein Blick ist gefasst. Reza trat im Iran zum Chris- der Abfall vom Islam, kann im Iran hohe Ge- Er wirkt, als fehle ihm die Kraft für Tränen. tentum über und fürchtete fängnisstrafen zur Folge haben, wo Folter Dabei scheint nichts die Idylle zu trüben, als um sein Leben. Er liess alles laut Amnesty International weit verbreitet ich an diesem strahlenden Frühsommertag ist. Auch die Todesstrafe werde verhängt, et- zurück: seinen guten Job, sei- das Bundesasylzentrum (BAZ) Altstätten be- wa für vage formulierte Straftatbestände wie suche. Es ist umgeben von Schrebergärten, ne Frau, seinen Sohn. Nun «Beleidigung des Propheten» oder «Feind- Einfamilienhäusern und kleinen Wohnblocks. sucht er eine neue Heimat. schaft zu Gott». Beim Weltverfolgungsindex Hier ist die Welt in Ordnung. Nur den Nach- des christlichen Hilfswerks Open Doors er- barskindern ist ein Huhn ausgebüchst. reicht der Iran regelmässig Spitzenplätze. Mit ben», erzählt er. Er besuchte illegale Hauskir- achtzehn Jahren sah Reza bei einer öffentli- Der Öffentlichkeit ist der Zugang zum BAZ chen, wo vieles verdeckt abläuft und man chen Hinrichtung zu. Er illustriert dies mit nur in Ausnahmefällen gestattet. Als Türöff- voneinander nur den Vornamen kennt. Die der Geste der durchschnittenen Kehle. ner fungiert Pfarrer Gregor Weber, der mich Angst wurde so gross, dass er alles zurück- auf meinem Besuch begleitet. Er ist refor- liess: seinen guten Job in der Ölbranche, sei- ESSEN IN SCHICHTEN mierter Seelsorger im BAZ Altstätten, spricht ne Frau, seinen Sohn. «Der muslimische Glau- Inzwischen ist das Mittagessen bereit: Fisch- Persisch und Arabisch, er kennt Betreuungs- be war für mich steinig. Bei Jesus habe ich knusperli. Wegen des Coronavirus essen die personal und Asylsuchende. eine Liebe gefunden, die ich so nicht gekannt Asylsuchenden in Schichten. Securitas-Mitar- Bundesasylzentren Die sechs Bundesasylzentren (BAZ) sind die erste Station für Asylsuchende in der Schweiz. Der Aufenthalt ist begrenzt auf maximal 140 Tage. So schreibt es das Asylgesetz vor, das seit 2019 in Kraft ist. In dieser Zeit soll das Asylverfahren ab- gewickelt werden. Zwei Interviews ha- ben die Asylsuchenden in der Regel zur Klärung ihres Asylanspruchs. Nach den Interviews erhalten einige Asylsuchende einen positiven Asylent- scheid oder eine vorläufige Aufnahme. Andere kommen ins «erweiterte Verfah- ren», wenn weitere Abklärungen notwen- dig sind. In beiden Fällen werden sie auf die Kantone verteilt. Asylsuchende, die die Schweiz verlassen müssen, werden meist ins Bundesasylzentrum ohne Ver- fahrensfunktion nach Kreuzlingen über- stellt. (sd) 4 AUSGABE 7-8/2020
THEMA: HEIMAT andere Hälfte lebt hier» beiter, die ich im BAZ auf Schritt und Tritt wohl fühlen: «Wenn das Zusammenleben gut antreffe, kontrollieren, dass die Abstands- funktioniert, wenn die Asylsuchenden einer und Hygienevorschriften eingehalten wer- Beschäftigung nachgehen und ein Lächeln den. Einer schickt uns freundlich nach auf dem Gesicht haben, dann wissen wir: Wir draussen. Der Hof ist eingezäunt, angrenzend machen unsere Aufgabe gut.» Besonders an Schrebergärten. Eine Wiese, ein Schaukel- freut es ihn, wenn sich ehemalige Bewohner pferd, Holztische. Wir setzen uns an einen melden. Wie zwei afghanische Knaben, die er freien Tisch und führen das Gespräch fort. später wieder angetroffen habe, die auf ihn zugerannt seien und gefragt hätten: «Grüezi, kennen Sie mich noch?» Auch wenn die Asyl- Pizza, Spaghetti, Hamburger: suchenden maximal vier Monate hier seien, eine Hitliste wie aus einem so baue man doch eine gewisse Beziehung zu ihnen auf: «Wir sind ja alle Menschen.» Schweizer Klassenlager. STREIT UM STINKENDE SOCKEN Inzwischen ist auch der stellvertretende Lei- Seit knapp vier Monaten lebt Reza in der ter Betreuung eingetroffen. Der Sozialpäda- Schweiz. Viel mehr als das BAZ kennt er goge ist gebürtiger Iraner und spricht nicht. «Aber ich habe Freunde gefunden», er- fliessend Deutsch, Persisch, Arabisch und zählt er: «Zum Beispiel Rolf und Stefan.» Seel- Kurdisch. Er führt mich durch das Zentrum sorger Weber hat die Kontakte vermittelt. Zu- und hilft beim Übersetzen. Stolz ist er auf sammen mit Rolf besucht Reza eine Bibel- das Kinderspielzimmer, die hauseigene Wä- gruppe. Im BAZ fühle er sich wohl. «Die Secu- scherei und die Werkstatt. Dort haben Asyl- Der stellvertretende Leiter Betreuung ist stolz auf ritas und die Betreuer behandeln mich gut», suchende aus alten Paletten Gartenmöbel die Gartenmöbel. Asylsuchende haben sie in der findet er. «Hier habe ich keine Angst.» hergestellt, die vor dem Eingang des Zen- hauseigenen Werkstatt aus Paletten gezimmert. trums zum Verweilen einladen. «Manchen Auch dem Leiter Betreuung des BAZ Altstät- Asylsuchenden tut es gut, das Zentrum zu ten ist wichtig, dass sich die Asylsuchenden verlassen und hier draussen zu sein», erklärt er. «Dann fühlen sie sich freier.» Als wir hin- ausgehen, kontrolliert ein Securitas-Mitarbei- ter einen Asylsuchenden. Eine Leibesvisita- tion, wie man sie von Fussballspielen kennt. Das sei zu ihrer eigenen Sicherheit. Pikto- gramme weisen darauf hin, was im BAZ ver- boten ist: Alkohol, Drogen, Waffen und Le- bensmittel, die schnell vergammeln. Obschon das BAZ Altstätten einen friedli- chen Eindruck macht, gibt es immer wieder Konflikte. «Manchmal kommen Asylsuchende alkoholisiert ins Zentrum. Oder die Stim- mung ist schlecht, weil sie einen negativen Asylentscheid erhalten haben», sagt der stell- vertretende Leiter Betreuung. Streit entzün- de sich an alltäglichen Dingen, wie an stin- kenden Socken. «Die Asylsuchendem haben halt weniger Möglichkeiten, einander aus dem Weg zu gehen», resümiert er. Zum Zeit- punkt meines Besuchs ist die Situation aller- dings entspannt: Aufgrund tiefer Asylzahlen ist das Zentrum nicht mal zur Hälfte belegt. Reza* zusammen mit einem iranischen Freund im Hof des BAZ Altstätten POULET, POULET, POULET Inzwischen ist das Mittagessen vorbei. Vier Asylsuchende unterstützen den Koch und den Zivi bei der Zubereitung der Mahlzeiten. WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 5
THEMA: HEIMAT men oder eine Lehre suchen. «Ich möchte Bauer werden», erzählt er von seinen Träu- men und zeigt nach draussen ins Grün, «aber ohne Vieh. Ich möchte Gemüse und Getreide anbauen.» Mit dem Asylentscheid wird Omid dem Kanton Thurgau zugewiesen, der nun für ihn zuständig ist: Er wird ihm einen Bei- stand zur Seite stellen, da Omid noch min- derjährig ist. Im Thurgau lebt bereits seine Tante, die er nun öfter besuchen kann. VERSTECKT ZWISCHEN GÜTERWAGEN Auch Rezas Zeit im BAZ geht zu Ende. Einen Asylentscheid hat er aber noch nicht erhal- ten. Er kommt ins erweiterte Verfahren und wird einem Kanton zugeteilt, dem Kanton St. Gallen. Vorläufig kann er also mit Rolf und Stefan – seinen Schweizer Freunden – in Kon- takt bleiben kann. Ob er längerfristig in der Schweiz bleiben darf, ist aber ungewiss. Der Glaube ist für Reza Grund seiner Flucht und neue Heimat zugleich. Yasser* und Omid* im Unterrichtszimmer des BAZ Altstätten. Sie freuen sich jeden Tag auf die Deutschlektion. Rezas Flucht in die Schweiz dauerte dreizehn Monate. Zu Fuss ging er vom Iran in die Tür- kei, per Boot setzte er nach Griechenland «Das Kochen selbst ist keine grosse Heraus- nistan als Koch gearbeitet, bevor er vor dem über. «In Serbien habe ich mich zwischen forderung», findet der Koch, während er den Krieg floh. Seine Augen leuchten, als ich ihn zwei Güterwagen versteckt», erzählt er. «Es Steamer reinigt. «Aber die Betreuung, die Ar- frage, ob es ihm hier gefällt. «Ich war dreiein- war gefährlich. Ein anderer Flüchtling erlitt beit mit den Menschen, das gefällt mir un- halb Jahre im Camp Moria», erzählt er. «Über- einen Stromschlag.» Zwei Tage habe er zwi- glaublich.» Anspruchsvoll seien die dauern- all ist es besser als dort.» schen den Wagen gelegen, schwarz vor Dreck den Wechsel im Küchenteam. Es hat einen und völlig durchnässt. Aber sein Glaube ha- Turnus von zwei Wochen, denn der Küchen- Das Flüchtlingslager Moria befindet sich auf be ihm geholfen: «Wäre Jesus nicht da, so dienst ist beliebt. Doch auch zwischendurch der griechischen Insel Lesbos und ist völlig wäre ich nicht da.» Diese Aussage kann man gibt es immer wieder Wechsel. «Zur Verstän- überfüllt. Die Zustände sind katastrophal: im doppelten Sinne verstehen. Denn der digung arbeiten wir viel mit Bildern.» Drei Ärzte sind für 20 000 Flüchtlinge zustän- christliche Glaube ist für Reza beides: Grund dig, auf 1300 Menschen kommt ein Wasser- seiner Flucht und neue Heimat zugleich. hahn. Yasser hält sich die Nase zu, als er von Yasser hält sich die Nase zu, Moria erzählt. In Altstätten aber ist er fröh- *Namen der Redaktion bekannt. Zum Schutz als er von Moria erzählt. lich: «Hier ist es sauber», lacht er. vor Verfolgung sind die Bilder der Asyl- Yasser hat bereits beide Interviews zu sei- suchenden verpixelt. nem Asylverfahren abgeschlossen. Während er auf den Entscheid wartet, besucht er den Woher aber weiss der Koch, was die Asyl- hausinternen Deutschkurs und arbeitet im suchenden gerne essen, die aus aller Welt Beschäftigungsprogramm mit, beim Abfall- Mithilfe erwünscht stammen? «Wir haben Erfahrung», meint er, sammeln zum Beispiel. «So geht die Zeit «und wissen, was ankommt.» Beliebt seien schneller vorbei», findet er. Allerdings ver- Die reformierte und die katholische Kir- neben Fischknusperli auch Spaghetti, Pizza misst er seine Mutter, die noch in Afgha- che betreiben in Altstätten gemeinsam oder Hamburger, «und natürlich Poulet: Pou- nistan lebt. «Seit sieben Monaten habe ich das Café51, ein Begegnungscafé für Asyl- letschenkel, Pouletgeschnetzeltes, Poulet- nichts mehr von ihr gehört», beklagt er. Denn suchende. Für den Betrieb sind sie auf flügeli, Pouletragout.» – Eine Hitliste, wie sie seine Mutter könne weder lesen noch schrei- freiwillige Mitarbeiterinnen und Mitar- auch aus einem Schweizer Klassenlager ben: «Das Telefon hält sie verkehrt rum.» beiter angewiesen. Bei Interesse wenden stammen könnte. Sie sich an Pfarrer Gregor Weber. (sd) Yassers Freund Omid*, 17-jährig, hat heute EIN WASSERHAHN FÜR 1300 MENSCHEN seinen Asylentscheid erhalten: Er bekommt gregor.weber@ref-sg.ch Auch Yasser* war schon Teil des Küchen- Bewilligung F, wird also vorläufig aufgenom- 071 227 05 50 teams. Der 23-jährige hat bereits in Afgha- men. Omid darf nun eine Arbeitsstelle anneh- 6 AUSGABE 7-8/2020
THEMA: HEIMAT Heimatort Himmel Christinnen und Christen sind bloss zu Gast auf Erden Text: Marcel Wildi, Pfarrer, Buchs | Foto: Friedrich Stark, epd-Bild Schweizerinnen und Schweizer haben et- was, was viele andere nicht haben: einen Heimatort. Zur Personenidentifikation ist er wichtiger als der Wohnort, sichtbar auf jeder Identitätskarte und in jedem Pass. Haben Christinnen und Christen auch so etwas wie einen besonderen Heimatort? Bis vor acht Jahren hatte der Heimatort tat- sächlich eine konkrete Bedeutung: Konnte je- mand nicht mehr für den eigenen Lebens- unterhalt aufkommen, so war die Heimat- gemeinde verpflichtet, als letzte Anlaufstelle für ihren Bürger zu sorgen. Ortsbürger sind ausserdem Mitinhaber des gemeinsamen Landbesitzes der Ortsgemeinde. Die christliche Gemeinschaft vereint Menschen aus allen Nationen, Sprachen, Kultu- ren und sozialen Schichten. Für viele ist der Bürgerort auch heute noch mit einem Gefühl von Verbundenheit und Be- heimatung verknüpft: ein Ort, mit dem sie sich identifizieren. Als man sich vor ein paar Jahren im ganzen Kanton St. Gallen ohne Kos- tenfolge an seinem Wohnort einbürgern las- sen konnte, haben das in Buchs beispielswei- se mehr als tausend Personen getan. Der Hei- Ab in den Himmel: Am letztjährigen evangelischen Kirchentag in Dortmund matort ist auch der Ort, wo die eigene Fami- erklimmt ein Mädchen die «Himmelsleiter», assistiert von einem Helfer. Den lie ihre Wurzeln hat. Bekannt ist die sprich- Heimatort Himmel muss man aber nicht erklimmen. Er ist ein Geschenk Gottes. wörtliche «Grabser Dreieinigkeit: Eggenber- ger, Vetsch und Gantenbein». wäre, hätte ich dann etwa zu euch gesagt, seine Gerichtsverhandlung vor dem Kaiser VIELFÄLTIGE GEMEINSCHAFT dass ich dorthin gehe, um einen Platz für zu seiner Freilassung oder zu seiner Hinrich- Warum das alles wichtig ist? Weil es Anhalts- euch vorzubereiten?» tung führt, schreibt er den Mitchristen in punkte bietet zur Beantwortung der Frage, Philippi: «Christus ist mein Leben und Ster- wo eigentlich Christinnen und Christen ihren FREMDLINGE AUF ERDEN ben mein Gewinn.» Wenn er stirbt, ist Paulus Heimatort haben. Die Christenheit ist ja eine «Wir sind Fremdlinge und Gäste auf Erden», überzeugt, dann kommt er in seinem wirkli- vielfältige Gemeinschaft von Menschen aus lesen wir darum folgerichtig an mehreren chen Heimatort an. Dann ist er vereint mit allen Nationen, Sprachen, Kulturen und Stellen in der Bibel. Wo aber sind wir dann der welt- und zeitumspannenden Familie der sozialen Schichten. Das Verbindende ist der zu Hause? Der Hebräerbrief hält fest: «Diese an Christus Glaubenden. Glaube an Jesus Christus, den Mensch ge- Welt ist nicht unsere Heimat; wir erwarten wordenen Sohn Gottes, der an Weihnachten unsere zukünftige Stadt erst im Himmel.» Ein- Zugegeben: eine Provokation für heutige aus seiner himmlischen Heimat auf die Welt drücklich beschreiben die letzten beiden Ka- Menschen aus dem westlichen Kulturkreis, kommt und an Auffahrt wieder dorthin zu- pitel der Bibel in Offb 21-22 diese himmlische wo nur noch eine Minderheit eine Weiterexis- rückkehrt. In seiner letzten langen Rede zu Stadt, das neue Jerusalem. tenz nach dem Tod überhaupt in Betracht seinen Jüngern öffnet Jesus die Perspektive zieht. Gleichzeitig eine hoffnungsvolle Per- für diese jenseitige Heimat. Er verspricht den Auf den Umzug in diese, seine eigentliche, spektive für die, die sich nach mehr sehnen, Jüngern in Joh 14: «Im Haus meines Vaters Heimat freute sich der Apostel Paulus. In als diese irdische Welt zu bieten hat: gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so Rom in Gefangenschaft, nicht wissend, ob Heimatort Himmel. WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 7
IN KÜRZE PANORAMA GEMEINDEN St. Galler Sommersynode fand nicht statt Treu im Dienste Die Session des St. Galler Kirchenparla- Mörschwil-Goldach: Reinhard Ziegler wirkte 30 Jahre als Pianist ments vom Montag, 29. Juni, fand wegen Covid-19 nicht wie geplant physisch statt Per Anfang 2020 ging das Dienstverhältnis text eingegangen und habe ein passendes Ins- und musste abgesagt werden. Dies hat das zwischen der Kirchgemeinde Goldach und trumentalstück gefunden, das der Gemeinde Präsidium des Synodebüros am 29. Mai Reinhard Ziegler zu Ende. Er griff 30 Jahre die Möglichkeit gab, über den gehörten Pre- beschlossen. Über anstehende Geschäfte lang in die Tasten des Klaviers. digttext nachzudenken. Reinhard Ziegler ar- wurde brieflich abgestimmt. Das Abstim- beitete während seiner Zeit als Pianist in der mungsprotokoll ist ab dem 30. Juni ein- Roger Poltera, Pfarrer Kirchgemeinde Goldach mit den Dörfern Gol- sehbar unter www.ref-sg.ch. Den bis zum von Mörschwil, schrieb dach, Mörschwil, Steinach, Tübach und Unte- 7. Juni neugewählten Synodalen wurde die in einem Dank, dass reggen mit über zehn Pfarrerinnen und Pfar- Wahl angezeigt. Die Wintersynode ist am Reinhard Ziegler vor- rern, verschiedensten Religionslehrern und 7. Dezember geplant. (pd) wiegend in Mörschwil Mesmerinnen zusammen. Zusammenarbeit zahllose Gottesdienste, schätzte Ziegler auch bei der Musik, die von Andachten und Trauer- Solistinnen und Instrumentalisten begleitet feiern musikalisch be- wurde. Dank Zieglers Einfühlungsvermögen Auf Internet und reichert habe. Immer und bescheidener Art sei es einfach gewesen, Smartphone verzichtet sei der Pianist einfühl- mit allen gut auszukommen und miteinander Reinhard Ziegler sam auf den Predigt- etwas zu bewirken. 40 Tage ohne digitale Medien, Internet oder das Smartphone: Das geht. Viele jun- ge Erwachsene aus dem Kanton St. Gallen haben sich während der Fastenzeit für diesen Verzicht entschieden. An der 13. Ausgabe der Aktion «40 tage ohne» Flicken statt fortwerfen nahmen dieses Jahr 130 Personen teil, Der b’treff in Bütschwil führt seit Kurzem im Monat von 14 bis 17 Uhr im ehemaligen davon 100 junge Menschen zwischen 18 eine Reparaturwerkstätte. Nun ist das Bahnhof von Bütschwil Reparaturen von und 35 Jahren. Einige beliessen es nicht Angebot bereits erweitert worden. Elektrokleingeräten an. Nun gesellt sich Vreni bei einem Verzicht, sondern stellten sich Widmer dazu. Sie flickt Kleider und nimmt mehreren Herausforderungen. In den Die «Flicki», wie sie im Volksmund genannt kleinere Änderungen vor. Mit diesem Ange- letzten Jahren war zu beobachten, dass wird, besteht seit Januar dieses Jahres. Dia- bot ist der b’treff bestrebt, Ressourcen zu häufiger auf das Smartphone, die Nutzung kon der Seelsorgeeinheit Unteres Toggen- schonen und das Leben der Kleider und Ge- des Internets oder das Konsumieren burg, Alex Schmid, bietet am ersten Dienstag räte zu verlängern. (meka) von Online-Medien verzichtet wird. 2020 wählten 60 Prozent der Teilnehmenden diesen Verzicht. Klassiker aber bleibt auch Foto: Jana Birchmeier nach über zwölf Jahren der Verzicht auf Süssigkeiten. (pd) Ein Gemeinschaftsprojekt: Schreiben aus dem Herzen Die Kirchgemeinde Rapperswil-Jona hat den Aufruf der Landeskirche «Wir halten Abstand. Aber im Glauben zusammen.» mit dem Projekt «Schreiben aus dem Her- zen» in die Tat umgesetzt und den Wunsch vieler gehört, auch in der Krise in Kontakt zu bleiben und gemeinsam im Leben und Glauben unterwegs sein zu können. Bis Ende Juni konnten deshalb handschriftli- che Gedanken und Gebete, illustriert oder nicht, eingereicht werden. Die Betenden Spatenstich in Buchs – Ging dies mit rechten Dingen zu? konnten dabei danken, loben, preisen, bitten, klagen, jammern, bekennen und Der Spatenstich für das neue evangelische Kirchgemeindehaus in Buchs ist erfolgt. Dies ist in Zeiten der hoffen mit Gott. Die Einsendungen werden Pandemie kein einfaches Unterfangen. Doch die Verantwortlichen liessen es sich nicht nehmen, trotz er- zu einem Kirchgemeinde-Gebetsbuch aus schwerter Bedingungen ein richtiges Spatenstichfoto zu schiessen. Aber ging hier wirklich alles mit rechten der Krisenzeit gebunden. (pd) Dingen zu und her? (nf/meka) 8 AUSGABE 7-8/2020
PANORAMA KANTON Zwingli und Zwinglihaus: Bis 1935 eröffnen die Zeichnungen des Wildhauser Pfarrers Georg Bührer den Kirchenboten. «Für Fabrikanten und das entlegenste Gehöft» Vor 100 Jahren gründen Kirchenvorsteher den «Kirchenboten für das evangelische Toggenburg» Text | Foto: Daniel Klingenberg, Pfarrer, Mittleres Toggenburg «Und fest zusammenhalten wie die historisch-theologische Arbeit notwendig, kriegs spannend wäre. Auf die Schnelle steht Nagelfluh»: Diesen Rat gibt die Probenum- die gerade für die Zeit des Zweiten Welt- immerhin fest, dass der Kirchenbote damals mer des «Kirchenboten für das evange- mehrfach Bilder von Willy Fries mit ihrer lische Toggenburg» den Kirchbürgern. Dies überdeutlichen sozialen Botschaft abdruckt. täten nämlich die Katholiken, warum also Als Redaktoren amten Pfarrpersonen, von nicht auch die Reformierten? Im Geist des Aufbruchs denen aufgrund der Amtsdauer Carl Gsell heraussticht. Der Wattwiler Pfarrer und Das im Juli 1920 erschienene achtseitige Seit der Gründung des Bundesstaates Rechtsanwalt, der im Zweitstudium Theologe Blatt soll als «freundlicher Bote» von Fabri- 1848 erlebte die Schweiz eine Vervielfa- wird, beginnt seine Redaktorentätigkeit Ende kanten und Arbeitern gelesen werden, und chung der Mediendichte. Auch in der 1945. Ab 1952 erscheint, nicht ohne kritische bis ins «entlegenste Gehöft» vom protestanti- Ostschweiz. Motor dieser Entwicklung Nebengeräusche aus dem Toggenburg, der schen Geist zeugen. Das Toggenburg wird in ist die liberal-konservative Polarisierung. kantonale Kirchenbote. Gsell ist bis 1962 der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von Michael Walther ist Autor einer «Medien- der erste Redaktor des kantonalen Blattes. einer Agrar- zu einer Industrieregion, zu der geschichte des Kantons St. Gallen». Darin Er schreibt über sich: «Ich versuchte, eine auch der Tourismus im oberen Toggenburg stellt er im 19. Jahrhundert eine Ver- positiv-biblische Theologie mit sozialer Auf- gehört. Im November 1919 beraten daher zwölffachung der Mediendichte fest. Da- geschlossenheit zu verbinden.» Kirchenvorsteher an einer Tagung über die zu gehören auch viele kirchliche Blätter. «neuzeitlichen Aufgaben» der Kirche. Die So entstehen in den 1910er-Jahren im DAS VOLK STEHT AUF Kirche müsse eine Dienerin der «Volksseele» Rheintal und in der Stadt St. Gallen meh- Weiter fällt das Geschichtsbewusstsein auf. sein. Die Gründung eines «toggenburgischen rere regionale und lokale reformierte Kir- In loser Folge werden Kirchen mit ihrer Kirchenboten» ist ihnen das geeignete Mittel. chenblätter. «Der Toggenburger Kirchen- Entstehungsgeschichte porträtiert. Zum bote entstand wohl in diesem Auf- Jubiläum «400 Jahre Synode Toggenburg» NICHT ERSCHLOSSENES ZEITDOKUMENT bruchsgeist, in dem sich auch die Region im Jahr 1929, dem Beginn der verfassten Bis zum Advent 1951 erscheint dieser befand», sagt Walther. Einen Rückschluss reformierten Kirche im Thurtal, erscheint Kirchenbote im Auftrag des Kapitels Toggen- auf die Haltung des Toggenburger eine 12-seitige Sondernummer. Der Titel in- burg, dannzumal mit einem Einzugsgebiet Kirchenboten lässt der Druckort Flawil terpretiert die Reformation, und man könnte von Rapperswil bis Gossau. Eine Würdigung zu. Wie Walther schreibt, ist der Ort eine ihn auch im Jahr 2020 setzen: «Das Volk steht und Einordnung seiner Haltung ist mit «Hochburg der Freisinnigen». auf». Durchblättern nicht möglich. Dafür wäre eine WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 9
IN KÜRZE PANORAMA SCHWEIZ Weg frei für Fusion von Heks und Brot für alle Der Fusion von Heks und Brot für alle (Bfa) steht nichts mehr im Weg. Ohne Ge- genstimme wurde der entsprechende An- trag bei der Synode der Evangelisch-refor- mierten Kirche Schweiz (EKS) vom 15. Ju- ni angenommen. Für Gesprächsstoff sorgte das Anliegen, die kirchliche Anbindung des Hilfswerks sicherzustellen. So forderte der St. Galler Kirchenrat Heinz Fäh: «Wenn wir als Kir- che Projekte und Kampagnen des Werkes mittragen sollen, dann muss ein mög- lichst hohes Mass an Mitbestimmung durch das Stitungsstatut und das Stif- tungsreglement ermöglicht werden.» Das Anliegen stiess grundsätzlich auf offene Ohren. «Die Kirche ist unsere Heimat», be- tonte Heks-Stiftungsratspräsident Walter Ulrich Knoepfel klärt die Synode der EKS in einer persönlichen Mitteilung über die Vorgänge im Rat auf. Schmid. Zu reden gab auch der niedrige Frauen- anteil in der Geschäftsleitung. Die Zür- cher Kirchenrätin Esther Straub forderte Fall Locher: Die Fakten deshalb ein ausgeglichenes Geschlechter- Mutmassliche Grenzverletzungen und eine Affäre stürzen EKS in die Krise verhältnis im neuen Hilfswerk. Der Antrag Text: Stefan Degen | Foto: Nadja Rauscher, EKS wurde klar angenommen. (sd/ref.ch) Nach den Rücktritten von Ratsmitglied Sa- te sie die Beschwerde dem Rat. Locher trat bine Brändlin und Ratspräsident Gottfried in den Ausstand. Am 17. April informierte Pädophiler Pfarrer Locher kamen an der Synode der Evangeli- Brändlin den Rat über eine intime Liaison kommt nicht frei schen Kirche Schweiz (EKS) Fakten auf den mit Gottfried Locher, wie Ratsmitglied Ulrich Tisch. Knoepfel die Synode in einer privaten Mittei- Im März 2018 verurteilte das Bezirksge- lung aufklärte. Die Liaison habe nach seinem richt Aarau einen reformierten Seelsorger Am 23. April trat Sabine Brändlin aus dem Rat Kenntnisstand bis Oktober 2019 bestanden. wegen Austausch von Kinderpornografie der EKS zurück. Am 27. Mai gab der Rat den «Danach habe ich beide aufgefordert, ihr zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten. Rücktritt von Präsident Gottfried Locher be- Amt zur Verfügung zu stellen.» Es gehe ihm Die Massnahme wurde allerdings zuguns- kannt. Das gab zu medialen Spekulationen nicht um Fragen der Sexualmoral, sondern ten einer psychiatrischen stationären Be- Anlass, die Faktenlage war dünn. Bis zur Sy- um die Vermischung von Beruflichem und handlung aufgeschoben. Nun hat das node vom 15. Juni. Privatem. «Es darf vermutet werden, dass die Bundesgericht einen Antrag auf Freilas- Ratsarbeit unterschwellig durch sachfremde sung abgelehnt. Die bisherigen Therapie- GRENZVERLETZUNGEN BENANNT Interessen beeinflusst worden ist.» Brändlin fortschritte seien ungenügend, das Rück- Laut Informationen des Rates ging im No- trat wenige Tage darauf zurück. Locher erst fallrisiko gestützt auf Gutachten sei «un- vember letzten Jahres eine Beschwerde bei einen Monat später, als Medien das Thema verändert hoch». (ref.ch) Esther Gaillard ein, Vizepräsidentin des Ra- bereits aufgegriffen hatten. tes der EKS. Eine ehemalige Angestellte der EKS (damals SEK) berichtete von einer Bezie- ES GIBT NOCH FRAGEN hung zu Gottfried Locher und benannte laut Beinahe hätte die Synode die Angelegenheit Schweiz soll mehr GPK-Bericht verschiedene Gegebenheiten als hinter verschlossenen Türen diskutiert. Ein Flüchtlinge aufnehmen «Grenzverletzungen». Die Beschwerde ist nun Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit er- Gegenstand einer externen Untersuchung hielt zwar eine einfache Mehrheit, scheiterte Zahlreiche Organisationen, darunter das durch die Zürcher Anwältin Christine Baum- aber knapp am geforderten Quorum von kirchliche Netzwerk Migrationscharta.ch, gartner von der Kanzlei Rudin Cantieni. Es zwei Dritteln. Unklar bleibt, weshalb Gaillard haben beim Bundesrat eine Petition zur gilt die Unschuldsvermutung. laut GPK-Bericht bereits im Januar 2020 von Aufnahme von Flüchtlingen aus griechi- der Beziehung zwischen Locher und Bränd- schen Lagern eingereicht. Zudem solle KEINE FRAGE DER SEXUALMORAL lin erfuhr und daher über ihre mögliche Be- sich die Schweiz am Aufbau eines Sys- Gaillard bezog im Januar 2020 Ratsmitglied fangenheit in der Causa Locher wusste, diese tems zur solidarischen Verteilung der Sabine Brändlin in die Behandlung der Be- Information dem gesamten Rat aber bis zum Schutzsuchenden beteiligen. (ref.ch ) schwerde ein. Am 13. April 2020 unterbreite- 17. April 2020 vorenthielt. 10 AUSGABE 7-8/2020
PANORAMA WELT «Im Talar liessen mich die Polizisten in Ruhe» Pfarrer Scotty Williams hat in den USA oft Rassismus erlebt – und manchmal auch in der Schweiz Interview: Tilmann Zuber, Kirchenbote online | Foto: zVg Am 25. Mai tötete ein Polizist George Floyd Die Bibel sagt klar Nein zu Rassismus. Wie bei einer Festnahme in Minneapolis. Darauf sieht es da mit den Kirchen in den USA aus? protestierten in den USA Hunderttausende Es gibt Gemeinden, auch weisse, die gegen Rassismus und Polizeigewalt. Der kämpften schon in der Vergangenheit gegen St. Galler Pfarrer Scotty Williams kennt die Rassismus. Andere wollen keine Farbigen in Hintergründe. Er stammt aus dem Süden ihren Reihen. der USA und hat in Minneapolis gearbeitet. Wirklich? Scotty Williams, was dachten Sie, als Präsident Sicher. In Louisiana predigte ein Pastor in Donald Trump mit der Bibel in der Hand vor den 1980er-Jahren gegen die Vermischung der St. John’s Episcopal Church in Washington der Rassen. Und einige Kirchen pflegen Be- posierte? ziehungen zu Gruppierungen, die Andersfar- Das war respektlos. Präsident Trump hatte bige unterdrücken wie der Ku-Klux-Klan. Es keine Erlaubnis, sich vor der Kirche fotogra- gibt auch heute einige Orte, wo die Kirchen fieren zu lassen. Er wollte mediale Aufmerk- nach der Hautfarbe getrennt sind. samkeit erreichen. Er missbrauchte die Bibel und die Kirche für seine Rede über «Law and Haben Sie auch in der Schweiz Rassismus Order». erlebt? Ja, zweimal. Einmal verlangte eine ältere Zurzeit protestieren Tausende Menschen in Dame nach einem Pfarrer. Ihre Angehörigen den USA auf der Strasse gegen Rassismus. Hat hatten mich gewarnt, dass sie Angst vor Sie das überrascht? schwarzen Menschen habe. Als ich sie be- Ja und nein. Ich war nicht überrascht über suchte, merkte ich, dass ihre Vorurteile auf den Ausbruch der Unruhen angesichts des den TV-Krimis beruhen, in denen Schwarze brutalen Vorgehens der Polizei, der sozialen Drogen verkaufen und Menschen überfallen. Ungerechtigkeit und des Rassismus- problems. Damit musste man seit längerem rechnen. Überraschend war, dass George «Egal, ob ich aus den USA Floyd in Minneapolis starb und die Proteste oder Nigeria komme: Jeder dort begannen. Minneapolis ist eine liberale, hat das Recht, mitzureden.» weltoffene und multikulturelle Stadt. Haben Sie auch Rassismus erlebt? Der zweite Vorfall geschah in einer Diskus- Ich stamme aus Louisiana im tiefen Süden sionsrunde unter Pfarrern. Einer der Pfarrer der USA. In der Stadt lebten damals die fiel mir dauernd ins Wort und widersprach Weissen und Schwarzen getrennt in eige- mir permanent. Als die anderen ihn darauf nen Quartieren. Als ich ein Teenager war, ansprachen, zeigte sich, dass er Mühe mit zog meine Familie nach Minnesota. Dort Afrikanern hat. Ich sagte ihm, dass ich Ame- besuchte ich die Schule, die Universität rikaner sei, studiert und doktoriert hätte und und das Theologische Seminar. Ich habe oft Scotty Williams ist Pfarrer der All Souls Protestant in der Landeskirche arbeite. Aber es sollte Rassismus erlebt und wurde mit dem N-Wort Church, die zur evangelisch-reformierten Kirche keine Rolle spielen, ob ich aus den USA oder beschimpft. Während meines Vikariats trug des Kantons St. Gallen gehört. Nigeria komme, jeder Mensch hat das Recht, ich auf der Strasse einen Talar, sodass mich mitzureden. Und dann gibt es noch den gut die Polizei in Ruhe liess. Eine schwarze Pfarr- gemeinten Rassismus. kollegin hatte mir dazu geraten. Gut gemeint? Was ist der Grund? Ja, wenn Leute mir erklären, dass sie nicht So konnte ich mich schützen. Die Polizei die Hautfarbe sehen, sondern den Menschen. respektiert einen Pfarrer oder Priester. Das ist gut gemeint, aber rassistisch. Denn Ansonsten wird man als Schwarzer leicht an meiner Hautfarbe ist nichts falsch, man zum Opfer einer Verwechslung, wie es dann soll sie sehen. Sie gehört zu Scotty und ist später heisst. Teil meiner Identität. Und das ist gut so. WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 11
BILDUNG PALETTE Gottesdienste Jung und frisch AUF DER SCHWÄGALP HAPPY HOUR Sonntags, um 9.45 Uhr, Kapelle Sa, 15. August, 19.30, Ref. Kirche Bütschwil 16. August: René Häfelfinger, Waldstatt Gottesdienst von jungen Erwachsenen mit 23. August: Johannes Stäubli, Schwellbrunn Theater und moderner Musik, anschliessend 30. August: Ursula Fröhlich, Herisau Cocktailbar 6. September: Markus Grieder, Urnäsch SPOTLIGHT – FÜR 16- BIS 35-JÄHRIGE ÉGLISE FRANÇAISE DE SAINT-GALL Fr, 21. August, 19.45, Gossau www.eglisefrancaise.ch miteinander – erleben – reden – sein Pasteur Rédouane Es-Sbanti, 071 801 96 02 im KGH Witenwis, Neuchlenstr. 38. Erlebe spannende Inputs, lerne neue Leute ALL SOULS PROTESTANT CHURCH kennen! Jeweils am Sonntag um 12 Uhr Tagung in der Kartause: Anlässe der englischsprachigen Kirche mit GO2BE «Kunst & Kirche heute» Pfr. Scotty Williams in der Kirche Rotmonten: So, 30. August, 18.30 Uhr, Ref. Kirche Buchs Worship Service: 26. Juli, 9. und 23. August Ein musikalischer Gottesdienst für junge Kirche und Kunst, die beiden Begriffe ge- Table Talk: 2., 16. und 30. August Erwachsene und alle, die miteinander und hörten jahrhundertelang zusammen wie www.allsouls.ch / Scotty Williams, 079 559 09 40 mit Gott feiern wollen. das Amen zum Vaterunser. Doch wie ist das heute, in einer zunehmend säkularen Welt? Foto: Heinrich Gebert Kulturstiftung Statt Anfang Juli wird das Kunstmuseum Thurgau in der Kartause Ittingen nun vom 16. bis 17. Oktober 2020 zum Gastgeber für die Tagung «Kunst & Kirche heute». Das Programm geht mit prominent be- setzten Vorträgen, kreativen Workshops und Kunstwanderungen der Frage nach, wie der Dialog von Spiritualität und Kunst auch heute lebendig bleiben kann. (ktg) Mehr unter: Agenda – www.kirchenbote-sg.ch oder www.bodensee-kloester.eu Was im Leben und Sterben trägt Viele Menschen wünschen es sich, selbst- bestimmt zu leben bis zum Lebensende. Seit 2013 gilt das revidierte Erwachsenen- schutzrecht, welches die Patientenverfü- gung erstmals gesamtschweizerisch im Bundesrecht regelt. Die Patientenverfü- gung ermöglicht es, persönliche Wünsche zuhanden von Angehörigen, Ärzten und Pflegenden festzuhalten. Was ist richtig wichtig am Ende des Lebens? Zahl, Rhythmus, Wandlung – Emma Kunz in Appenzell Montag, 7. September, 14 – 18 Uhr, Emma Kunz, Heilpraktikerin, Visionärin und Künstlerin, hat mithilfe eines Pendels zwischen 1938 und 1963 Kirchgemeindehaus St. Mangen, Manig- mehr als 400 Diagramme geschaffen, die sie selbst als «für das 21. Jahrhundert bestimmt» bezeichnete. halde 15, St. Gallen. Leitung: Maya Hauri, Die Ausstellung in der Kunsthalle Ziegelhütte in Appenzell, an einem ihrer Lebens- und Wirkorte, zeigt, Arbeitsstelle Diakonie. (pd/sd) dass das zeichnerische Werk der Grenzgängerin Emma Kunz als Vorläufer heutiger künstlerischer Strate- gien, die den Raum und die Aufgaben der Kunst in Richtung Naturwissenschaft und Holismus erweitern, Anmeldung bis 2. September unter gelten kann. «Zahl, Rhythmus, Wandlung – Emma Kunz und Gegenwartskunst» ist bis Anfang Januar 2021 www.ref-sg.ch/veranstaltungen zu sehen. (Werk Nr. 139, o.D.; Bleistift, Kreide, Pastell auf Millimeterpapier) (pd) 12 AUSGABE 7-8/2020
PALETTE TIPPS Geschlechtergerechtigkeit und Klimakrise Die evangelischen Frauen Schweiz (EFS) treffen sich am Samstag, 19. September, zur Delegiertenversammlung im Bullin- gerhaus in Aarau. Neben der Abwicklung der ordentlichen Traktanden kommt es zu einem Podiumsgespräch zu den Themen Geschlechtergerechtigkeit und Klimakrise mit Anne Mahrer, ehemalige Nationalrätin (Grüne) aus dem Kanton Genf, und Rebecca Rutschi, Kanti-Schüle- rin und Klimaaktivistin. Details: Agenda, kirchenbote-sg.ch Austausch: Asyl, Flucht und Migration «Nonnen. Starke Frauen im Mittelalter» Am Donnerstag, 2. Juli, 14 – 17 Uhr findet im Kirchgemeindehaus Heiligkreuz, Das Mittelalter war eine raue Zeit. Besonders für Frauen und ihre Perspektiven. Das Leben in einem Lettenstr. 8, St. Gallen, ein Treffen zur ge- Kloster war da ein willkommener Ausweg, der nicht nur mehr Freiheiten, sondern auch Bildung, Einfluss genseitigen Unterstützung, für Austausch und zuweilen Macht möglich machte. Die Ausstellung im Landesmuseum in Zürich zeigt bis am von Ideen und Bewährtem, Infos von der 16. August anhand verschiedener Persönlichkeiten, wie vielfältig die Lebensformen geistlicher Frauen im Arbeitsstelle Weltweite Kirche statt. Für Mittelalter waren. Unser Bild wirft einen Blick in die Ausstellung. (pd) alle, die sich diesem Thema neu widmen wollen, und ebenso für alle, die bereits bewährte Ideen durchführen. Information und Anmeldung: Meditation EIN TAG DER STILLE gregor.weber@ref-sg.ch, 071 227 05 50 Sa, 22. August, 9 – 15.30 Uhr, St. Gallen Kirchgemeindezentrum Heiligkreuz, Let- HEILMEDITATION tenstr. 18. Mit gemeinsamem Essen. Längere Mi, 12. August, 14.30 Uhr, St. Gallen Zeiten der Stille vertiefen den Weg in die in- Böcklinstrasse 2, offene Kirche. nere Mitte. www.meditation-sg.ch Europe Spirit hedda.schurig@bluewin.ch, 071 333 30 28 Songwriting Seminar OFFENER MEDITATIONSABEND KONTEMPLATION NACH VIA INTEGRALIS Mo, 24. August, 18.30 – 20 Uhr, St. Gallen Das Songwiting Seminar findet dieses Angebote in St. Gallen / Kontaktangaben Kirche Halden. Es braucht keine Anmeldung. Jahr vom 9. – 16. August Corona-bedingt – Gabrielle Bregenzer-Ris: 071 244 32 35, Jede halbe Stunde ist während der Gehme- virtuell statt. Dozenten und Teilneh- gabrielle.bregenzer@hotmail.com ditation ein Dazukommen oder Gehen mög- mende arbeiten dabei über halb Europa – Eveline Felder: 079 269 09 39, lich. Gabrielle Bregenzer und Margrit Wenk verteilt zusammen. Die Teilnehmenden www.meditation-sg.ch müssen keine professionellen Musiker – Margrit und Charlie Wenk: 071 288 65 88, EINFÜHRUNG KONTEMPLATION sein, schon viele haben an diesem Semi- www.meditation.margritwenk.ch Mo, 3., bis Mi, 5. August, 16.30 bis 13 Uhr nar ihren ersten Song geschrieben. Meditationszentrum Felsentor, Vitznau. SITZEN IN DER STILLE Leitung und Auskunft: Margrit und Charlie Zu Beginn gibt es Impulseinheiten zu Mi, 5. und 19. August, 18 – 20.30 Uhr Wenk, 071 288 65 88 Harmonielehre, Songaufbau und Arran- Kirchgemeindezentrum Heiligkreuz, gement, bevor dann alle ans Schreiben Lettenstr. 18, St. Gallen. Schnuppern gerne MEDITATIVES TANZEN gehen und dabei Unterstützung erhalten. mit Voranmeldung. www.meditation-sg.ch Mo und Do, 14-täglich, St. Gallen Das Seminar wird in Zusammenarbeit Ökum. Gemeinde Halden, Oberhaldenstr. 25 mit der Arbeitsstelle Populäre Musik der SCHWEIGEMEDITATION Mo, 19.00 – 20.30 Uhr, Do, 9.15 – 10.45 Uhr ev.-ref. Kirche St. Gallen durchgeführt Freitags, 12.15 – 13.15 Uhr, Kirche Halden Mo, 1x im Monat, Kreistänze, 18.30 – 19.30 und unterstützt durch die Konferenz der St. Gallen. Es ist möglich, um 12.45 Uhr wäh- Schnuppern/Eintritt jederzeit möglich! Kirchen am Rhein. rend der Gehmeditation zu kommen oder zu Krisztina Sachs-Szakmàry, 071 288 31 92 gehen. Leitung: Margrit Wenk www.meditatives-tanzen.ch Details und Anmeldung: dhrecords.com WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 13
LESETIPP LESERBRIEF Kraft im täglichen Leben- - «Kuratorin eingesetzt» 6-7/2020 sonntäglichen Kirchgang aus – sondern wir - «Rücktritt aus EKS-Rat» 6-7/2020 versuchen einfach, in unserem Umfeld «gute» - «Verabschiedung von Pfarrer Albin Rutz, Menschen zu sein. Monika Oberholzer und Katrin Blome» Pfarreiforum 06/2020 (Toggenburg Nord) Aber die vielen Streitigkeiten in und um die christliche Kirche, über die man immer wie- Wir sind über 60-jährig, haben zwischen der hören und lesen kann, geben uns doch evangelisch und katholisch fusioniert, sind sehr zu denken. Für uns wäre ein christliches ökumenisch. In unserem Bekanntenkreis Leben gedacht mit Frieden, Güte, Toleranz, ist der Austritt aus der Kirche sehr beliebt Nächstenliebe, mitmenschlichem Verständ- geworden. Sei es aus Steuergründen, Religion nis für andere Meinungen und nicht mit sol- hat keine Bedeutung, der Frauenchor durfte chen Spannungen, Differenzen und Querelen! das Konzert nicht in einer Kirche vortragen All diese Streitigkeiten zwischen Menschen, oder aus welchen Gründen auch immer. All die ihre Arbeit und Dienste der Kirche wid- dies hat uns nie dazu bewogen, der Kirche men, wären für uns ein Grund, aus diesem den Rücken zu kehren, obwohl wir nicht so Verein auszutreten … sehr religiös sind. Doch gibt uns der Glaube «Kraft-Training» für an «Irgendetwas» im täglichen Leben Kraft. Zita und Albin Huser Junge mit Sportsgeist Das leben wir nicht unbedingt mit dem Mühlau, Lütisburg Sport nimmt im Leben vieler junger Men- schen eine bedeutende Rolle ein: Kraft und Leistungsfähigkeit des eigenen Kör- pers werden erlebt, Grenzen ausgelotet, Seilschaften geknüpft, Talente entdeckt uvm. Im Sport ist aber auch Platz für Emotionen und Gefühle, denen man viel- leicht an anderer Stelle nicht so freien Lauf lassen würde. Und wenn der Körper beschäftigt ist, werden die Gedanken frei. So hat Jugendbuchautor Stephan Sigg in seinem neuesten Jugendgebetbuch die spirituelle Ebene des Sports zu seinem Thema gemacht. Der St. Galler Autor macht klar, wie Erfahrungen bei Fussball, Schwimmen, Laufen & Co. auch im allge- meinen Leben weiterhelfen können – und natürlich auch umgekehrt. Er gibt Impul- se und Tipps für verschiedene Situatio- nen bei Training oder Wettkampf, beim Freizeitsport oder auf der Fanmeile. Und er hat auch Ratschläge parat, um gelasse- ner mit Niederlagen und verpatzten Torchancen umzugehen. Ein Gebetbuch mit viel Power und cooler Grafik, das mit seinen spritzigen Texten Lust macht, gleich in die Sportschuhe zu schlüpfen und loszusprinten. Stephan Sigg, geb. 1983, Theologe und erfolgreicher St. Galler Autor, ist in der kirchlichen Medienarbeit tätig. Der Autor hält Work- shops und Schreibwerkstätten für Ju- gendliche. Hier und beim Sport findet er Ideen für seine Bücher. (pd) Leserbilder: Kleine Freuden während der Pandemiezeit Stephan Sigg: «Startklar – Sportliche Jugend- In Rheineck brüteten unlängst Schwäne acht Eier aus. Immer wieder hat auch Agatha Sonderegger den gebete für Teamplayer und Einzelkämpfer», Brutplatz in der Nähe ihres Wohnortes besucht und aufmerksam beobachtet. Nun sind die Tiere geschlüpft 96 S., 11 x 15 cm, durchgehend farbig illus- und bieten einen wunderbaren Anblick. Unsere Leserin möchte diese Freude – auch in Anbetracht der triert, ISBN 978-3-7022-3845-2, ca. Fr. 11.– nicht immer einfachen Corona-Zeit – gerne teilen. (Fotos: Christoph Baumgartner) – (meka) 14 AUSGABE 7-8/2020
PORTRÄT Bürgerort – Schon mal dort gewesen? Auf dem Heimatschein steht der Bürgerort – Bedeutet er etwas? Franziska Ryser, Linda Fäh und Barbara Damaschke erzählen Texte zusammengestellt: Katharina Meier und Stefan Degen | Fotos: zVg Sympathisch in Erinnerung liche Bürgerort der Familie Ryser. Basel kam beigerufen. Er bestätigte, dass die Hälfte der später als Wohnort meines Ururgrossvaters Niederönzer Familien Ryser heissen – mit «Geboren und aufge- hinzu. Als die Familie Ryser in den letzten dem typischen berneroberländischen y. Die wachsen in St. Gallen, 150 Jahren über Winterthur nach St. Gallen kleine Gemeinde ist mir sympathisch in Erin- fühle ich mich stark in wanderte, hatte der Bürgerort bereits an Be- nerung. Doch meine Heimat ist St. Gallen. Der der Ostschweiz veran- deutung verloren. Ort, an den Erinnerungen geknüpft sind: der kert: Mein Vater erste Schultag, die juvenilen Streifzüge durch stammte aus der Stadt Als ich zwölf Jahre alt war, nahm meine Tan- die Stadt, die vielen Samstage beim Unter- St. Gallen, meine Mut- te mich und meinen Zwillingsbruder an ei- schriftensammeln auf der Strasse. Der Ort, ter wuchs im Rheintal nem Wochenende mit ins Berner Oberland. an dem ich meine ersten politischen Erfah- auf. Doch meine Bürger- Wir hielten in Niederönz an und besichtigten rungen gesammelt habe. Der Ort, an dem Franziska Ryser, orte – Basel Stadt und die (sehr kleine) Gemeinde an der solothur- man durch die Strassen geht und nicht nur Nationalrätin Grüne, Niederönz im Kanton nischen Grenze. Wir kehrten im einzigen Res- Menschen, sondern Bekannte antrifft. Der St. Gallen Bern – erinnern an viel taurant ein, und als wir uns als Bürger dieser Ort, an dem mein Grossvater unser Familien- frühere Stationen mei- Gemeinde zu erkennen gaben, wurde der Ge- unternehmen aufgebaut hat. Der Ort, an dem ner Vorfahren. Niederönz ist der ursprüng- meindepräsident aus dem Nachbarhaus her- meine Familie zu Hause ist.» Linda-Fäh-Weg als Geste deutet für mich defini- wo ich aufgewachsen bin. Diese Geste ist tiv ein Stück Heimat. sehr schön, zeigt den Stolz der Gemeinde auf «Mein Bürgerort ist Benken SG. Und ob ich Viele Erinnerungen ver- das, was ich damals erreicht habe. ihn kenne. Hier bin geboren und aufgewach- binden mich mit Ben- Es ist auch eine starke Verbundenheit mit sen, habe bis zu meinem 22. Lebensjahr ge- ken und meiner Fami- dem Dorf vorhanden. Die Menschen grüssen lebt. Da ich dort aufgewachsen bin und mei- lie. Ich fühle mich dort mich auf der Strasse, freuen sich und sind ne Freizeit verbracht habe, ist der Bezug zu immer noch ein Stück stolz, dass eine Benkerin, eine von ihnen, meinem Heimatort sehr gross. Hier habe ich weit zu Hause. Die Ge- den Weg ins internationale Showgeschäft ge- viel mit meinen Freunden erlebt, bin um den meinde hat mir 2009, schafft hat. Heimat ist für mich da, wo man ‹Benkner Büchel› Inline-Skates und Velo ge- Linda Fäh, Sängerin, als ich Miss Schweiz sich zu Hause fühlt, und es kann auch ein Ge- fahren, ging spazieren oder in der Linth ba- wohnt am oberen geworden bin, einen fühl von Liebe zu einem Menschen sein, bei den. Noch heute besuche ich dort regelmäs- Zürichsee ‹Linda-Fäh-Weg› ge- dem und mit dem man sich zu Hause fühlt. sig meine Eltern und meine Grossmutter, die schenkt. Das Stras- Aber auch die Schweiz – mein Land – ist für nach wie vor in Benken wohnen. Benken be- senschild steht nun bei meinem Elternhaus, mich Heimat.» Erste Frau mit Stipendium ich im Studium einen neuen Zugang. Vor fast ein Kreis, als mein 400 Jahren haben nämlich Reformierte aus Mann und ich ins Pfarr- «Meine Bürgerorte sind St. Gallen und Mo- dem Obertoggenburg die Evangelisch-Tog- amt in Hemberg ge- gelsberg. Darin spiegelt sich meine Biografie genburgische Stipendienstiftung gegründet. wählt wurden, weil wider. In einem St. Galler Quartier aufgewach- Noch heute haben die Geschlechter Bösch, schon meine Urgrossel- sen, fühle ich mich dieser Stadt, in der meine Bräker, Giger, Grob und Looser Anteil an die- tern dort gelebt hatten. Vorfahren seit Generationen wohnten, hei- ser Stiftung. Sie erleichtert den Nachkommen Wegen einer Gemeinde- matlich verbunden. Viel Prägendes habe ich das Studium der Theologie durch ein Stipen- fusion heisst unser in St. Gallen erlebt, während meiner Kindheit dium. Es fiel mir die Ehre zu, als erste Frau in Bürgerort nun «Necker- und Jugend. In der Gallusstadt haben wir ge- den Genuss eines solchen Stipendiums zu Barbara tal». Falls auch noch heiratet, hier sind unsere Kinder zur Welt ge- kommen. Aufgrund dieser Stiftung lässt sich Damaschke-Bösch, Hemberg dazustossen kommen. Durch mein Amt als Kirchenrätin die Familie Bösch zurückverfolgen. Bevor sie Pfarrerin, Hemberg sollte, werden wir viel- bin ich heute noch regelmässig in St. Gallen nach Mogelsberg «ausgewandert» ist, war sie leicht bald in unserer anzutreffen. in Kappel (Ebnat-Kappel) heimatberechtigt, Heimatgemeinde leben. wo mein Mann und ich ordiniert wurden. Während meines Theologiestudiums kam Von der deutschen Familie meines Mannes Mogelsberg wieder mehr in den Fokus. Ob- Nicht nur meine Vorfahren väterlicherseits, habe ich gelernt, dass der Verlust von Hei- wohl ich diesen Ort – und sein ehemaliges auch jene mütterlicherseits prägten mich – mat – als Kriegsfolge – noch viele Generatio- Hallenbad! – seit Kindheitstagen kannte, fand mitsamt ihren Erzählungen. So schloss sich nen nachwirken kann.» WWW.KIRCHENBOTE-SG.CH 15
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