Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation

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Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
Magazin Nr. 66, August 2021

Biovision
Stiftung für ökologische Entwicklung

Gewusst-wie!
Alle reden von Agrarökologie.
Wir setzen um – international,
in Afrika und in der Schweiz.
Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
Liebe Leserin, lieber Leser
Woran denken Sie bei «Agrarökologie» oder
«Transformation des Ernährungssystems»?
Diese Begriffe haben derzeit Hochkonjunk­
tur in der Diskussion um eine nachhaltige
Zukunft und in der Entwicklungs­zusammen­                                                                                                                                                                                                             Wirkung der
arbeit – auch bei Biovision. Aber was
                                                                                                                                                                                                                                                      Informationsprojekte
bedeuten diese Wörter? Verstehen alle das­
selbe darunter? In diesem Magazin gehen                                                                                                                                                                                                               Das Farmer Communication Programme
wir den beiden Begriffen auf den Grund.                                                                                                                                                                                                               (FCP) von Biovision ist ein multimediales
So viel sei hier verraten: Es steckt mehr                                                                                                                                                                                                             Paket: Mit wöchentlichen Radiosendun-
dahinter als Landwirtschaft, Ökologie oder                                                                                                                                                                                                            gen über den zweitbeliebtesten Sender
Nahrung. Es geht um den ganzen Lebens-                                                                                                                                                                                                                in Kenia, «Maisha FM», werden knapp
mittelzyklus von der Produktion bis zur                                                                                                                                                                                                               2 Millionen Personen erreicht. Diese
Entsorgung. Und es geht um Wissensaus-                                                                                                                                                                                                                Inhalte werden ausserdem regelmässig
tausch, um Beziehungen zwischen Produ-                                                                                                                                                                                                                auf dem populären Fernsehsender
zentinnen und Konsumenten, um soziale                                                                                                                                                                                                                 «KTN Farmers» beworben. Die monat-
Gerechtigkeit und um Fairness.                                                                                                                                                                                                                        lich erscheinenden Bauernzeitungen
                                                                                                                                                                                                                                                      «The Organic Farmer» (Kenia) und
Frank Eyhorn, Geschäftsleiter von Biovision                                                                                                                                                                                                           «Mkulima Mbunifu» (Tansania) haben
und Experte für diese Themen, erläutert in                                                                                                                                                                                                            mehr als 200 000 Lesende. Dazu kom-
seinem Hintergrundbeitrag die Bedeutung                                                                                                                                                                                                               men jährlich rund 400 000 Besuchen-
der Begriffe und setzt sie in Bezug zu                                                                                                                                                                           Effizient: Übers Radio erfahren      de der Internetplattform www.infonet-
grossen Fragen, die uns heute bewegen:                                                                                                                                                                                  ca. 2 Millionen Personen      biovision.org sowie die Leser:innen-
Mangelernährung, Biodiversitätskrise                                                                                                                                                                            von ökologischer Landwirtschaft       schaft einer führenden kenianischen
und Klimawandel (Seite 6). Mit je einer                                                                                                                                                                                                               Landwirtschaftszeitung («Smart Har-
Reportage aus Ostafrika und der Schweiz                                                                                                                                                                                                               vest») mit regelmässigen Berichten zu
zeigen wir beispielhaft auf, wie Elemente                                                                                                                                                                                                             öko­logischem Landbau.
der Agrarökologie bereits umgesetzt
werden (Seiten 2 und 8).                       Agrarökologie in                                                                                      Möglichkeit, sich gegenseitig über ihre Prob-
                                                                                                                                                     leme und L­ ösungen auszutauschen.
                                                                                                                                                                                                     riert die nächste Sendung an. Diesmal geht
                                                                                                                                                                                                     es um die Frage, wie man Verluste nach der       Projektbudget 2020–2022:

                                               der Praxis
                                                                                                                                                                                                     Ernte vermeidet. Ein wichtiges Thema, denn       Fr. 3 699 483
Zum Glück gibt es nebst komplexen Fragen                                                                                                             Nützliche Ratschläge aus dem Äther              in Kenia verderben zwischen 20 und 60 Pro-
und schnellen Veränderungen auch Bewähr­                                                                                                             Noch vor dem Corona-bedingten Lockdown          zent der landwirtschaftlichen Produkte auf       www.biovision.ch/FCP
tes, das bleibt. Dazu gehören für uns die                                                                                                            besuchte die Beobachter-Reporterin Julia        dem langen Weg vom Feld auf den Teller.
Verbundenheit mit Ihnen, Ihr Interesse an      Biovision setzt mit seinem Programm zur Wissensverbreitung mehrere                                    Hofer zusammen mit dem kenianischen             Der Radiojournalist hält einer Bäuerin das       UNO-Nachhaltigkeitsziele (SDGs)
unserer Arbeit und Ihre treue Unterstützung    Grundsätze der Agrarökologie um: Wir ermächtigen Kleinbauern­                                         ­Radiojournalisten Macdonald Mathew u.a.        Mikrofon hin. Sie will wissen, warum die         Biovision bekennt sich zur Agenda 2030
für unser Wirken. Dafür, geschätzte Leserin­   familien, ihre Ernährung und ihr Auskommen zu verbessern und ihre                                      eine Bäuerinnengruppe in Machakos östlich      Früchte, die sie mit dem Esel auf den Markt      der Vereinten Nationen. Mit dem Far-
nen und Leser, danken wir Ihnen von Herzen!    Umwelt zu erhalten. Zugleich wird der gegenseitige Austausch zwischen                                  von Nairobi. Die Landwirtinnen treffen sich    bringt, so schnell verderben. Eine andere        mer Communication Programme leistet
                                               Bäuerinnen und Bauern, Forschenden und Behörden gefördert.                                             regelmässig, um ihr Wissen auszutauschen,      fragt: «Wie kann ich verhindern, dass meine      Biovision einen Beitrag zu den folgenden
                                                                                                                                                      sich zu vernetzen und sich gegenseitig zu      Avocados verfaulen?» Eine alte Frau zeigt        Zielen:
                                               Von Peter Lüthi, Biovision (Text), und Christian Bobst (Bilder)
                                                                                                                                                      unterstützen – eine ideale Ausgangslage        Bohnen und Maiskörner herum: «Warum
                                                                                                                                                      für eine neue Folge im Bauernradio:            sehen sie so kärglich aus?» Die Antworten
                                                                                                                                                                                                     auf diese Fragen gibt der ebenfalls anwe-
                                               Unterwegs in unseren Afrika-Projekten stau-             verbessern. Unsere Radiosendungen für         Die Frauen sitzen um ein Tischchen, auf dem     sende John Mutisya, der im Auftrag von
                                               ne ich immer wieder über die Redegewandt-               Bäuerinnen und Bauern sind neben zwei         ein Laptop und zwei Boxen aufgebaut sind.       Biovision die Bauernschaft berät. Die Früchte
                                               heit vieler Menschen. Auch in abgelegenen               Bauernzeitungen, praktischen Ausbidungs-      Jemand stellt Mbaitu FM (der lokale Radio-      müssten besser verpackt werden, damit sie
                                               Dörfern und Gehöften treffe ich regelmässig             kursen, landwirtschaftlichen Beratungs-       sender, Red.) ein und sucht die Sendung «The    beim Transport keine Druckstellen bekämen,
                 Peter Lüthi
          Biovision-Projektreporter            auf Bäuerinnen und Bauern, die aus dem                  diensten und einer renommierten Internet-     Organic Farmer», die letzten Freitag gesen-     spricht John Mutisya ins Mikrofon. Und: Hal-
                und Redaktor                   Stand brillante Reden halten oder rheto-                plattform seit Jahren Flaggschiffe unseres    det wurde. Aus den Lautsprechern schep-         tet eure Avocadobäume klein, dann könnt ihr
                                               risch geschliffene Interviews geben können.             Farmer Communication Programmes (FCP).        pert Macdonald Mathews Stimme. Natürlich        die Früchte vom Baum holen, bevor sie he­
                                               Ein Grund dafür liegt wohl darin, dass ihre             In Kenia berichten eine ­nationale und vier   könnten die Frauen die Sendung auch zu          runterfallen und deswegen faulen. Die Boh-
                                               Kommunikationskultur seit jeher und bis                 regionale Radiostationen regelmässig und zu   Hause hören. Aber das wäre nicht dasselbe.      nen müssen zuerst gut getrocknet und dann
                                               heute mündlich geprägt ist.                             bester Sendezeit mit speziellen Programmen    Wenn sie zusammenkommen, wird aus ein-          in Säcken mit dichtem Innenfutter gelagert
                                                                                                       über ökologische Anbaumethoden, eine si-      zelnen H
                                                                                                                                                            ­ örerinnen eine Studiengruppe.          werden, weiss er. Das verhindert Schimmel-
                                               Biovision macht sich die Stärke des gespro-             chere Lagerhaltung der Ernten und über                                                        bildung und hält Ungeziefer fern. Auch bezüg-
                                               chenen Wortes zunutze für die Verbreitung               effiziente Transport- und Vermarktungsmög-    Kaum ist das Radio verstummt, stöpselt          lich Mais weiss John Mutisya Rat: Er vermu-
                                               von Wissen und die Ermächtigung der Men-                lichkeiten landwirtschaftlicher Produkte.     ­Macdonald sein Mikrofon ins Aufnahme­          tet, dass die Körner beschädigt sind, weil sie
                                               schen, ihre Ernährung und ihr Auskommen zu              Bäuerinnen und Bauern erhalten zudem die       gerät, drückt die Aufnahmetaste und mode-      mit einem Stock vom Kolben gelöst wurden.

2                                                                                                                                                                                                                                                                                                    3
Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
Agrarökologie konkret                            So sind die propagierten ökologischen Anbau­
                                                               Die Radioprogramme von Biovision in Kenia        methoden und Anleitungen wissenschaftlich
                                                               und Tansania bieten anschauliche Beispiele,      geprüft und dienen nebst der Ertragssteige-
                                                               wie Agrarökologie in der Praxis funktioniert.    rung auch der Erhaltung und Aufwertung der
                                                               Der Begriff steht einerseits für eine Wissen­    natürlichen Lebensgrundlagen und der Bio-
                                                               schaft der Ökologie und der Landschaftsöko­      diversität. Im Rahmen des FCP werden der
                                                               logie, andererseits für landwirtschaftliche      gegenseitige A ­ ustausch zwischen der Wis-
                                                               Methoden und Praktiken, und er meint auch        senschaft und der Bauernschaft – aber auch
                                                                                                                                                                                                      Dr. David M. Amudavi
                                                               eine gesellschaftliche und politische Bewe­      zwischen den Bäuerinnen und Bauern sowie
                                                                                                                                                                                    lebt in Kenia, ist Direktor von BvAT und
                                                               gung (siehe Seiten 6–7). Das von Biovision       Bauerngruppen – praktiziert und gefördert.                               Vorstands­mitglied im Weltverband
                                                               initiierte FCP (Farmer Communication Pro-        Damit leistet Biovision einen aktiven Beitrag                          für Biolandbau IFOAM. Er studierte
                                                               gramme) wird seit Jahren von unserer keni-       für eine Biobewegung, die in Ostafrika zu-                                     Biologie und Umweltbildung.
                                                               anischen Schwesterorganisation Biovision         nehmend an Fahrt gewinnt.
                                                               Africa Trust (BvAT) umgesetzt und bezieht
                                                                                                                                                                          Drei Fragen an David Amudavi
                                                               alle drei Aspekte der Agrarökologie mit ein.
                                                                                                                                                                          Warum hat BvAT für die
                                                                                                                                                                          Umsetzung der Agrarökologie
                                                                                                                                                                          in Afrika eine Schlüsselrolle?
                                                                                                                                                                          Biovision Africa Trust (BvAT) kann viele

                                                                Vom Acker aufs
                                                                                                                                                                          Bäuerinnen und Bauern direkt erreichen.
                                                                                                                                                                          Und wir sprechen die Öffentlichkeit an,
                                        Wissensaustausch:                                                                                                                 die sich wegen ungesunder Lebensmittel

                                                                internationale Parkett
                                       Radio- und Zeitungs-
                                                                                                                                                                          Sorgen macht. Auch auf oberster politischer
                                           beiträge werden
                                     gemeinsam besprochen                                                                                                                 Ebene finden wir Gehör: Durch unseren
                                                                                                                                                                          Umsetzungsauftrag von der Afrikanischen
                                                                                                                                                                          Union für ökologische Landwirtschaft,
                                                                Von Andreas Schriber, Biovision Africa Trust*
                                                                                                                                                                          sowie durch unsere lokalen und globalen
                                                                                                                                                                          Netzwerke mit Organisa­tionen wie FAO,
                                                                Mit der Gründung von Biovision Africa           Z­ uschlag der African Union (AU), diese                  IFOAM, FiBL, icipe etc.
                                                                Trust (BvAT) in Nairobi, einer gemeinnüt-        ­Initiative in neun afrikanischen Staaten
                                                                zigen Organisation nach kenianischem              zu implementieren, erlangte BvAT interna-               Ist Agrarökologie für afrika-
                                                                Recht, mit der übereinstimmenden Zweck-           tionale Anerkennung und konnte zusätz­                  nische Länder ein Thema?
                                                                bindung wie der Stiftung Biovision, wur-          liche Geldgeber an Bord holen.
                                                                de 2009 der Samen eingepflanzt, um die                                                                    Ja! Auch wenn viele Kräfte die Verbreitung
                                                                Arbeit von Biovision in Afrika vermehrt in      2018 gewann BvAT die Projektausschrei-                    ökologischer Ansätze bremsen, sind neue,
                                                                lokale Hände zu legen. In der Startphase        bung der deutschen Gesellschaft für Inter­                nachhaltige Methoden der Nahrungs­
                                                                von BvAT wurden die ersten Projekte zur         nationale Zusammenarbeit (GIZ) GmbH                       produktion gefragt. Millionen von Klein-
       Live-Mitschnitt:
                                                                Bauernkommunikation (heute FCP – Farmer         für den Aufbau einer von afrikaweit fünf                  bäuerinnen und Kleinbauern haben kaum
       Der Radioreporter Macdonald
       Mathew nimmt angeregte                                   Communication Programme) in nachhal­            regionalen Wissensplattformen für Bio-                    Geld für chemischen Pflanzenschutz und
       Diskussionen auf                                         tige Strukturen überführt. BvAT übernahm        landbau «Knowledge Centers for Organic                    Düngemittel. Für sie ist Agrarökologie eine
                                                                den Ausbau und die Umsetzung des FCP            Agriculture». Dieser Auftrag passt hervor-                gewinnbringende Alternative. Bei vielen
                                                                unter der Schirmherrschaft unseres lang-        ragend in das wachsende Programm von                      Regierungen gewinnen Ernährungssicher-
                                                                jährigen Partners icipe (internationales        BvAT und vergrössert die Verbreitung der                  heit, Gesundheit und der Schutz natür­
       Tipp gegen Schimmel:                                     Insektenforschungsinstitut in Nairobi).         Biovision-Bauern­kom­munikation in Sub-                   licher Lebensgrundlagen an Bedeutung.
       Bohnen trocken halten!                                   2016 erhielt BvAT die staatliche Anerken-       sahara-Afrika.
                                                                nung als registrierte, steuerbefreite keni-                                                               Welches ist die grösste
                                                                anische Nichtregierungsorganisation in          Mit diesen komplementären Programmen
                                                                Kenia.                                          und dem Zugang zu Entscheidungstragen-
                                                                                                                                                                          Herausforderung?
                                                                                                                den auf Ebene der AU eröffnen sich für                    Nachhaltige Methoden sind wissens­
                                                                BvAT als Drehscheibe für den                    BvAT für die kommenden Jahre vielverspre-                 intensiv und bedingen spezifische Forschung
                                                                Biolandbau in Afrika                            chende Möglichkeiten, sich als wichtiger                  und Ausbildung. Jetzt müssen sehr schnell
                                                                Mit dem Auftrag der schweizerischen             Akteur in der Verbreitung agrarökologi-                   viel mehr Mittel in diese Forschung und
                                                                ­Direktion für Entwicklung und Zusammen-        scher Methoden in Afrika zu etablieren.                   Ausbildung fliessen, denn das wird seit
                                             Fairer Handel:      arbeit (DEZA) zur Koordination der pan­
                                         Die Bauernmedien                                                                                                                 Jahrzehnten sträflich vernachlässigt.
                                           informieren über
                                                                 afrikanischen Initiative zur Förderung des     * Andreas Schriber ist Gründungsmitglied und Vorstands-
                                        die aktuellen Preise     Biolandbaus in Afrika (EOA-I) und dem          vorsitzender von Biovision Africa Trust in Nairobi

4                                                                                                                                                                                                                         5
Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
Für die Transformation der Ernäh-                                                                                                                  Unser Essen formt die Welt –
    rungssysteme braucht es uns alle                                                                                                                   Nachhaltige Ernährungssysteme
    Mangelernährung, Biodiversitätskrise und Klimawandel: Wir müssen dringend                                                                          Die Art und Weise unserer Ernährung – von der Forschung und der Produktion bis zum Konsum
    unsere Ernährungssysteme transformieren. Wie der Wandel gelingt und wo wir                                                                         und zur Entsorgung von Nahrungsmitteln – beeinflusst unsere Gesundheit, die Gesellschaft
    bei Biovision ansetzen.                                                                                                                            und die Umwelt. Es gilt, Ernährungssysteme so zu gestalten, dass alle Zugang zu gesunder Nahrung
    Von Frank Eyhorn, Geschäftsleiter Biovision
                                                                                                                                                       erhalten, dass Menschrechte, Natur und Tierwohl respektiert werden und alle Beteiligten einen
                                                                                                                                                       fairen Lohn erhalten.

    Wir alle essen, jeden Tag. Was wir essen         bringen uns diese erbitterten Grabenkämpfe       müssen mehrere Hebel angesetzt werden:
    und wie wir unsere Lebensmittel produzie-        nicht weiter, im Gegenteil. Die Transformation   die Weiterentwicklung und die Verbreitung
    ren, beeinflusst unseren Planeten und die        unserer Ernährungssysteme ist eine enorme        ökologischer Produktionsweisen, Investi­
    Gesellschaften wie keine andere mensch-          gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die wir         tionen in nachhaltige Wirtschaftsweisen
    liche Aktivität. Die heutige Landwirtschaft      nur gemeinsam bewältigen können.                 und die Gestaltung förderlicher politischer
    ist massgeblich verantwortlich für den be-                                                        Rahmenbedingungen. Biovision engagiert
    sorgniserregenden Verlust an Biodiversität       Zunächst müssen wir uns darauf verständi-        sich in all diesen Bereichen und versucht,
    und Bodenfruchtbarkeit sowie die Belastung       gen, was wir vom Ernährungssystem erwar-         mit innovativen Ansätzen und breiten Allian-
    der Wasserressourcen. Fast ein Drittel des       ten: Geht es weiterhin um möglichst hohe         zen, diese Hebel gezielt in Bewegung zu set-
    weltweiten Ausstosses an Treibhausgasen          Erträge und billige Kalorien, ungeachtet         zen. So unterstützen wir Regierungen darin,
    stammt aus dem Ernährungssystem – vom            aller Nebenwirkungen? Oder um gesunde            Strategien und Gesetze konsequent auf die
    Feld bis auf den Teller.                         Nahrung für alle, produziert in einer Weise,     Förderung nachhaltiger Ernährungssysteme
                                                     die Umwelt, Tierwohl und Menschenrechte          auszurichten. Dabei gilt es oft, die gewichti-
    Dabei erfüllen die heutigen Ernährungssys-       respektiert sowie allen einen fairen Lohn        gen Interessen von Akteuren zu überwinden,
    teme global betrachtet ihren eigentlichen        ermöglicht?                                      deren Geschäftsmodelle noch auf veralteten
    Zweck nur schlecht: Rund 2 Milliarden Men-                                                        Ansätzen und Konzepten beruhen.
    schen leiden an Hunger oder Mangelernäh-         Produzentinnen mit Konsumenten
    rung, und 3 Milliarden Menschen ernähren         verbinden                                        Eine besondere Bedeutung kommt der För-
    sich in einer Weise, die ihre Gesundheit         Die Agrarökologie (für eine Definition siehe     derung des öffentlichen Bewusstseins für
    schädigt. Diejenigen, die ihren Lebensunter-     www.biovision.ch/AO) erweist sich in die-        die Zusammenhänge zwischen Ernährung,
    halt im Ernährungssystem bestreiten – Bäu-       sem Transformationsprozess als ein viel-         Umwelt, Gesundheit und Wohlstand zu.
    erinnen, Verarbeiter, Köchinnen, Verkäufer –     versprechendes, verbindendes Konzept. Sie        Denn letztendlich entscheiden wir alle über
    gehören meist zu den Bevölkerungsgruppen         bietet wissenschaftlich fundierte Praktiken,     die Ausgestaltung unserer Ernährungssyste-
    mit den tiefsten Einkommen.                      die eine Produktion im Einklang mit der          me: durch die Wahrnehmung unserer poli-
                                                     ­Natur ermöglichen, wie sie beispielsweise       tischen Rechte und durch unsere täglichen
    Zwei bis drei Kalorien fossile Energie            in unseren Projekten zu integriertem Pflan-     Konsumentscheide.
    für eine Kalorie Nahrung                          zenschutz in Ostafrika erfolgreich prakti-
    Unsere heutigen Ernährungssysteme sind            ziert werden. Agrarökologische Prinzipien       Wir alle können beeinflussen, wie die Welt
    auch nicht sonderlich effizient: Weltweit nut-    wie die Förderung der Biodiversität, das        der Zukunft aussieht, denn wir alle essen.
    zen wir etwa 40 Prozent der Ackerflächen, um      Schliessen von Kreisläufen und ein vermin-      Jeden Tag.
    Tierfutter oder Treibstoffe zu produzieren.       derter Einsatz von chemischen Düngern und
    Wir wenden zwei bis drei fossile Kalorien         Pflanzenschutzmitteln taugen nicht nur für
    auf, um eine Kalorie Nahrung zu erzeugen,         das Design cleverer alternativer Systeme,
    obwohl die Landwirtschaft im Prinzip Son-         sondern können auch helfen, konventionelle
    nenenergie in Nahrung umwandelt. Davon            Produktionsweisen schrittweise zu verbes-
    wird dann ein Drittel weggeworfen.                sern. Zudem zielt die Agrarökologie auf eine                                                      Agrarökologie                              Die 13 Prinzipien der Agrarökologie
                                                      Verbindung von Produzentinnen und Kon-
                                                                                                                                                        Agrarökologie ist ein ganzheitlicher       1.   Kreisläufe schliessen         9. Ernährungsgewohnheiten anpassen
    In der Debatte um unsere Ernährungs­              sumenten entlang fairer Wertschöpfungs-
                                                                                                                                                        ­Ansatz, um ökologische, soziale, öko-     2.   Reduktion von Inputs          10. Fairness
    zukunft herrscht eine starke Polarisierung.       ketten. Biovision unterstützt deshalb lokale
                                                                                                                       Frank Eyhorn                      nomische und kulturelle Bereiche zu       3.   Bodengesundheit               11. Einbindung Produktion und Konsum
    Dies haben wir in der Schweiz bei den Ab-         Bäuerinnen und Bauern in der Vermarktung
                                                                                                            Geschäftsleiter Biovision, Experte für       verbinden. Ihr zugrunde liegen 13 Prin­   4.   Tiergesundheit                12. Natürliche Ressourcen erhalten
    stimmungen um die Agrarinitiativen haut-          ihrer Produkte.
                                                                                                              nachhaltige Ernährungssysteme              zipien, mit denen die Transformation      5.   Biodiversität                 13. Partizipation
    nah erlebt. Auch die Vorbereitungen zum
                                                                                                                                                         der Ernährungssysteme hin zu mehr         6.   Synergien nutzen
    UNO-Ernährungssystemgipfel, der im Herbst        Veraltete Geschäftsmodelle überwinden
                                                                                                                                                         Nachhaltigkeit gelingen kann.             7.   Vielfältige Betriebe          https://agroecologyprinciple.cidse.org/
    in New York stattfinden soll, sind von enor-     Um die dringend notwendige Transformati-
                                                                                                                                                                                                   8.   Gemeinsam Wissen erarbeiten   die-prinzipien-der-agrarokologie
    men Spannungen zwischen verfeindeten             on der Ernährungssysteme zu bewerkstelli-
    Lagern geprägt. Bei der Suche nach Lösungen      gen – in der Schweiz, in Afrika und global –

6                                                                                                                                                                                                                                                                                  7
Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
Produkte zu finden. Dazu kommt der feh-        versorgung in der Schweiz. «Wenn sich         Kommentar
                                                                                                                                                            lende Platz für ein grosses Sortiment. Das     nichts ändert, entscheiden dereinst allein
                                                                                                                                                            macht es schwierig, den Kreis der Kund:in-     die Industrie und der Handel, was wir es-     Lokal, saisonal und
                                                                                                                                                            nen zu erweitern. «Bei Gemüse und Frisch-      sen», befürchtet er. Und angesprochen auf     nachhaltig
                                                                                                                                                            produkten sind wir bis zu 30 Prozent billi-    das elitäre Image, das solidarischen Läden
                                                                                                                                                                                                                                                         Die Nachhaltigkeit der schweizerischen
                                                                                                                                                            ger als die Bio­produkte der Migros», betont   anhaftet, antwortet er: «Wir wollen mit den
                                                                                                                                                                                                                                                         Landwirtschaft hängt sowohl von einem
                                                                                                                                                            Cadotsch mit N  ­ achdruck. «Doch das muss     Leuten ins Gespräch kommen und ihnen
                                                                                                                                                                                                                                                         starken lokalen Bauernstand ab als auch
                                                                                                                                                            der Bevölkerung erst noch bewusst wer-         erklären, wie ein Bauernhof funktioniert.
                                                                                                                                                                                                                                                         von einer Produktion mit verringertem
                                                                                                                                                            den!» Dennoch ist der ­Pionier überzeugt       Landwirtschaft ist nichts Exklusives, son-
                                                                                                                                                                                                                                                         ökologischem Fussabdruck. Darum setzt
                                                                                                                                                            vom idealistischen und zukunftsträchtigen      dern etwas sehr Bodenständiges.»
                                                                                                                                                                                                                                                         sich unser Konsumentenverband gemein­
                                                                                                                                                            Ansatz des Projekts. Denn er macht sich
                                                                                                                                                                                                                                                         sam mit der Landwirtschaft für drei
                                                                                                                                                            Sorgen über die Zukunft der Lebensmittel­      www.la-feve.ch
                                                                                                                                                                                                                                                         ­Anliegen ein: für eine Aufwertung einhei-
                                                                                                                                                                                                                                                          mischer Produkte und die Saisonalität,
                                                                                                                                                                                                                                                          für eine obligatorische Deklaration der
                                                                                                                                                                                                                                                          Produktionsmethoden bei Importwaren und
                                                                                                                                                                                                                                                          für die Förderung kurzer Transportwege.

                                                                                                                                       Frischprodukte im
                                                                                                                                           Quartierladen:
                                                                                                                                                             Raus aus der Nische!                                                                        Wir sind überzeugt, dass der Marktanteil
                                                                                                                                                                                                                                                         von Lebensmitteln mit kurzen Transport­
                                                                                                                                                                                                                                                         wegen und im Direktverkauf zunehmen
                                                                                                                                  «La Fève» führt Bauern-    Von Daniel Langmeier, Biovision
                                                                                                                                                                                                                                                         muss. Die Konsument:innen können dadurch
                                                                                                                              schaft und Konsument:innen
                                                                                                                                               zusammen                                                                                                  ein besseres Verständnis für die bäuer-
                                                                                                                                                             Der solidarische Supermarkt La Fève zeigt     muss die Schweiz den Einsatz synthe-          lichen Produktionsbedingungen entwickeln
                                                                                                                                                             auf, dass wir weit über die Produktion        tischer Pestizide vermindern. Während         und die Landwirt:innen ihre Verantwortung
                                                                                                                                                             von Nahrungsmitteln hinausdenken und          Biobetriebe bereits ohne diese problema-      gegenüber den Verbraucher:innen besser

       Wer entscheidet, was wir essen?                                                                                                                       handeln müssen, um den agrarökologi-          tischen Substanzen auskommen, hat nun         wahrnehmen. Dadurch fallen die Margen
                                                                                                                                                             schen Grundsätzen gerecht zu werden.          auch IP-Suisse eine wichtige Entscheidung     von Zwischenhändlern weg, der Erlös geht
                                                                                                                                                             Es geht auch um das Zusammenspiel bäu-        getroffen: IP-Suisse-Betriebe werden in       direkt an die Produzent:innen und gesunde
                                                                                                                                                             erlicher Arbeit mit unserem Konsum. Der       den nächsten Jahren auf den pestizidfreien    Lebensmittel zu erschwinglichen Preisen
       In der Genossenschaft La Fève in Meyrin (GE) übernehmen Konsumenten und
                                                                                                                                                             Genfer Quartierladen ermöglicht den Auf-      Getreidebau umstellen. Das ist gut! Aber      sind für alle zugänglich.
       Produzentinnen gemeinsam wieder die Kontrolle über das Ernährungssystem.
                                                                                                                                                             bau einer vertrauensvollen Verbindung zwi-    dem positiven Beispiel müssen weitere
       Von Réane Ahmad (Text) und François de Limoges (Foto)                                                                                                 schen Produzenten und Konsumentinnen.         folgen, etwa beim Früchteanbau.               Damit der Konsum nachhaltiger Lebens-
                                                                                                                                                             Und er bettet das Ernährungssystem in die                                                   mittel zunimmt, braucht es Kreativität
                                                                                                                                                             lokale Wirtschaft ein. Dank einer Abnah-      Der Ball liegt bei den Grossverteilern –      beim Absatz, aber auch die Unterstützung
                                                                                                                                                             megarantie wird das Risiko zwischen der       und bei uns                                   landwirtschaftlicher Organisationen
       In der Schweiz entstehen immer mehr so-            Heute gibt es rund um La Fève vier Genos-      Grosse Herausforderungen
                                                                                                                                                             Bauernschaft und den Verbrauchern:innen       Für die Produktion schöner Früchte wer-       (Vernetzung der Bauern, Zahlungsmodi)
       lidarische Lebensmittelläden, die sich an          senschaften: Einen solidarischen Super-        Doch der Weg von La Fève war und bleibt stei-
                                                                                                                                                             aufgeteilt. Diese Sicherheit erlaubt es den   den synthetische Pestizide nicht zuletzt      und der Städte (genossen­schaftliche
       ­Initiativen aus anderen Ländern orientie-         markt, Verarbeitungsbetriebe (Metzgerei,       nig. 2018 etwa ging eine Verkaufsfläche von
                                                                                                                                                             Produktionsbetrieben, neue und besonders      aus kosmetischen Gründen eingesetzt,          Nutzung von Verkaufs- und Lagerräumen,
        ren, etwa an La Louve in Paris, Bees Coop         Bäckerei, Käse­rei), einen urbanen Bauern-     500 m2, die ursprünglich für den Laden vor-
                                                                                                                                                             nachhaltige Ansätze auszuprobieren.           etwa gegen Schorf. Und hier schliesst sich    offene Märkte und Markt­hallen).
        in Brüssel oder Park Slope Food Coop in           hof und ein Gästehaus. Der Supermarkt          gesehen war, an die Migros. Der solidarische
                                                                                                                                                                                                           der Kreis: Um das zu ändern, braucht es       Die Produzent:innen sollen die Zeit in
        New York. In Meyrin bei Genf heisst der           ist eine Kombination aus Grossverteiler        Supermarkt musste ein viel zu kleines Ver-
                                                                                                                                                             Vielerorts in der Schweiz entstehen ähn-      die Kooperation von Produzentinnen und        ihre Arbeit investieren können und für die
        Laden La Fève. Die gleichnamige Genos-            und Bauernladen und arbeitet auf der Ba-       kaufslokal mit nur 60 m2 und später 100 m2
                                                                                                                                                             liche Projekte wie La Fève. Neben parti-      Konsumenten. Damit Erstere auf einen          Konsument:innen entfallen stundenlange
        senschaft hat ein neues Modell entwickelt         sis von Verträgen mit fünf Gemüsebauern,       beziehen. «La Fève ist im Moment ein hip-
                                                                                                                                                             zipativen Läden sind das vor allem Ver-       pestizidfreien Anbau umstellen, sind sie      Einkaufsfahrten. Wir begrüssen alle
        und setzt dabei auf kurze Transportwege.          die den Anbau gemeinsam planen. Preis,         pes Biolädeli im Quartier, was nicht unserer
                                                                                                                                                             tragslandwirtschaftsprojekte. Doch es ist     auf eine informierte Kundschaft angewie-      Initiativen in der Schweiz, welche diese
        Zu den Gründern:innen gehört der ehema-           Menge und Qualität werden im Voraus            Idee entspricht», bekennt Raeto Cadotsch.
                                                                                                                                                             wichtig, dass diese Initiativen aus der       sen, welche diese Früchte kauft. Diese        gegenseitige Annäherung im Alltag fördern.
        lige Bauer Raeto Cadotsch. «La Fève ist           festgelegt. Der Laden verpflichtet sich, die   Immerhin wird die Genossenschaft jetzt vom
                                                                                                                                                             Nische kommen und Schule machen. Für          Solidarität und das gegenseitige Verständ-
        aus einer Verschmelzung von Wohn- und             Produk­tion zu kaufen. La Fève tauscht sich    Kanton Genf und der Gemeinde beim Bau ei-
                                                                                                                                                             eine schweizweite Transformation des          nis müssen jetzt auch in herkömmlichen
        Landwirtschaftsgenossenschaften entstan-          ausserdem regelmässig mit den 250 Mit-         nes neuen Gebäudes unterstützt. Trotz einer
                                                                                                                                                             Ernährungssystems müssen gesunde und          Läden und Einkaufszentren entstehen.
        den», erklärt der charismatische Vorreiter        gliedern aus, die mindestens zwei Stunden      hängigen Beschwerde hoffen die Initiant:in-
                                                                                                                                                             nachhaltige Lebensmittel zu fairen Preisen    Hier sind die Grossverteiler gefragt, aber
        der regionalen Vertragslandwirtschaft.» Zu        pro Monat für die Genossenschaft arbeiten.     nen auf den Spatenstich im kommenden
                                                                                                                                                             für alle leicht zugänglich sein.              auch Organisationen wie Biovision. Wir
        den allgemeinen Problemen wie Isolation,          Aber es bräuchte mindestens 500 Konsu-         Winter. Um solchen Probleme vorzubeugen,
                                                                                                                                                                                                           werden diesem Auftrag bereits seit Jahren
        Verkehrsmittel oder Energie, die den Quar-        ment:innen, damit der Laden einen Gewinn       sei es unumgänglich, das Thema Lebensmit-
                                                                                                                                                             Das Konzept Agrarökologie zeigt Grund­        gerecht: mit fundierten Hintergrundinfor-
        tierbewohner:innen am Herzen lagen, sei ab        abwerfen könnte. «Wir probieren, zu einem      telversorgung schon im Rahmen von Quartier-
                                                                                                                                                             sätze auf, wie ein nachhaltiges Ernährungs-   mationen und konkreten Tipps für Schul-
        2014 auch das Thema Landwirtschaft hinzu-         echten Versorgungspartner der Gemeinde         planungen zu berücksichtigen, so Cadotsch.
                                                                                                                                                             system verwirklicht werden kann (siehe        klassen und die breite Öffentlichkeit zum
        gekommen. «Sehr schnell wurde die Ernäh-          zu werden», sagt Raeto Cadotsch, «denn                                                                                                                                                                    Sophie Michaud Gigon
                                                                                                                                                             Seite 7). Das gilt auch für das Beispiel      umweltfreundlichen und fairen Einkauf.
        rung zum Leitmotiv des Quartiers, und es          Meyrin hat es sich zum Ziel gesetzt hat,       Biogemüse – günstiger als beim                                                                                                                       Generalsekretärin des Westschweizer
                                                                                                                                                             der Pestizide: Trotz Ablehnung der bei-
        entstanden mehrere Projekte, darunter ein         sämtliche Krippen und Schulen mit Bio­         Grossverteiler                                                                                                                                           Konsumentenverbands FRC
                                                                                                                                                             den Initiativen am 13. Juni 2021 kann und     www.clever-konsumieren.ch                             und Nationalrätin (Grüne, VD)
        Einkaufszentrum, das auch als Treffpunkt          produkten zu beliefern.»                       Eine Herausforderung besteht für La Fève
        dient», ergänzt der engagierte Pionier.                                                          auch darin, wirklich günstige Schweizer

8                                                                                                                                                                                                                                                                                                      9
Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
Biovision-News                                                                                   Neue Forschungspartner-
                                                                                                         schaften in Ostafrika
        Vom Bereich Schweiz über die Entwicklungsprojekte bis zu
        Politikdialog und Anwaltschaft: Aktuelles aus den Bereichen.                                     Mit drei internationalen Forschungs-
                                                                                                         organisationen in Kenia und Tansania
                                                                                                         haben wir dieses Jahr neue Projekte
                                                                                                         in Angriff genommen. Das Welt-Agro-
                                                                                                         forstzentrum ICRAF, das Welt-Gemüse-
                                                                                                         forschungszentrum WorldVeg und das
                                                                                                         Agrarforschungsinstitut ICRISAT unter­                                                                                                                                               Anna Schöpfer
                                                                                                         suchen im Rahmen unserer Projekt­                                                                                                                                          Programmverantwortliche
                                                                                                                                                                                                                                                                                        Nach­haltiger Konsum
                                                                                                         partnerschaft die Anwendung von agrar­
                                                                                                                                                                                                                                                                                                bei Biovision
                                                                                                         ökologischen Ansätzen in ihrer Arbeit
                                                                                                         und innerhalb ihrer Organisationen. Wir
                                                                                                         sind gespannt auf diese wichtigen ge-                                                                                                                   «Pflanzen Sie eigene
                                                                                                         meinsamen Lernprozesse zur Transfor-                                                                                                                    Himbeersträucher!»
                                                                 Der Biovision-Stiftungsrat 2021:        mation unserer Ernährungssysteme und

                                                                                                                                                               Himbeeren: beliebt,
                                                               Barbara Frei Haller, Paula Daeppen-
                                                                                                         freuen uns, bald von den Früchten dieser                                                                                                                Beeren sind beliebt und sehr gesund.
                                                                 Dion, Mathis Zimmermann, Shruti
                                                                 Patel, Hans R. Herren (Leinwand),       Zusammenarbeit zu berichten. (fko)                                                                                                                      Mein Tipp: Pflanzen Sie wenn möglich Ihre

                                                                                                                                                               gesund – und nachhaltig?
                                                             Maya Graf, Ruedi Baumgartner (v.l.n.r.)                                                                                                                                                             eigenen Himbeersträucher im Garten oder
                                                                                                                                                                                                                                                                 auf dem Balkon! Ausserhalb der Saison
                                                                                                                                                                                                                                                                 empfehle ich Ihnen gefrorene Biobeeren.
         Willkommen im Stiftungsrat!                    sie sich auf die Themen Lebensmittel- und
                                                        ­Ernährungssicherheit sowie den Aufbau                                                                 Um mehr als ein Fünftel stieg letztes Jahr der Verkauf von Himbeeren.
         Shruti Patel, ehemalige Biovision-Pro-          von Partnerschaften für Entwicklung.                                                                  Nur: Welche lassen sich mit gutem Gewissen geniessen? Und wann?
         grammverantwortliche für das Farmer
         Communication Programme (vgl. Seite 2),        Die gebürtige Kenianerin studierte Agrar-                                                              Von Maggie Haab und Anna Schöpfer, Biovision                                                        Zahlen und Fakten
         wurde Ende Juni neu in den Stiftungsrat        wirtschaft an der Universität Notthingham
         gewählt. Sie wird uns somit weiterhin          in England und erlangte ihren Master­
                                                                                                       Impressum                                                                                                                                                   Jährlich werden in der Schweiz über
                                                                                                       Biovision Magazin 66, August 2021, 22. Jahrgang         Beeren gehören zu den arbeitsintensivs­                                                              2000 t Himbeeren produziert.
         unterstützen, erstklassige wissenschaft­       abschluss in Development Studies an der
                                                                                                                                                               ten Kulturen in der Landwirtschaft. Die                              Klima
         liche Forschung in die Praxis umzusetzen.      Universität Cambridge. Danach arbeitete        Das Magazin erscheint 5 Mal jährlich und ist in                                                                                                              Himbeeren aus der Schweiz können
                                                                                                                                                               Himbeere ist anspruchsvoll im Anbau,
         «Ich bleibe ein Teil von Biovision», freut     sie im Bereich der Entwicklungszusammen­       Spenden ab 5 Fr. als Abonnement enthalten.
                                                                                                                                                               erfordert hohe Investitionen und ist im           Lebens-                                            aber nicht einmal 1/3 der
         sie sich, «es ist wunderbar, mit Menschen      arbeit u.a. in Lesotho und Bangladesch,        Auflage 31 500 Exemplare
                                                                                                                                                               Hochlohnland Schweiz auch ein Risiko­
                                                                                                                                                                                                                grundlage                        Verschmutzung
                                                                                                                                                                                                                                                                         Nachfrage decken.
         zusammenzuarbeiten, die ich schätze und        und sie unterstützte die Regierungen von       (Deutsch und Französisch)
         bewundere, die mich zuweilen heraus­           Rumänien und Tansania bei der Gestaltung       © Stiftung Biovision, Heinrichstrasse 147,
                                                                                                                                                               geschäft – einer der Gründe, warum die                                                              Beeren aus dem Tiefkühler
                                                                                                                                                               konventionellen Schweizer Beeren etwa                                                                 schneiden bezüglich Vitaminen
         fordern und mit denen ich meine eige-          von Bildungsprogrammen für einkommens­         8005 Zürich
         nen Perspektiven teilen kann.» Seit ihrem      schwache Menschen.                             Redaktion/Bildredaktion/Produktion
                                                                                                                                                               gleich viel kosten wie die spanischen                                                              und Pilzsporen besser ab als frische
                                                                                                                                                               Biohimbeeren. Schweizer Biohimbeeren                                                                              Früchte.
         Weggang von Biovision im März 2021 ist                                                        Peter Lüthi, Martin Grossenbacher
                                                                                                                                                               kosten rund 50 Prozent mehr.
         Shruti Patel leitende Dozentin am Zent-        Wir freuen uns sehr, weiterhin auf Shruti      Korrektorat Text Control AG, Zürich                                                                                                                            Himbeeren enthalten wertvolle
         rum für Entwicklung und Zusammenarbeit         Patels Fachkompetenz und Engagement
         der ETH Zürich (NADEL). Dort konzentriert
                                                                                                       Bilder Titelbild: Version 1: Bereit für den Transport   Die Himbeere ist strenggenommen ein
                                                                                                                                                                                                                 Sozialver-
                                                                                                                                                                                                              träglichkeit und
                                                                                                                                                                                                                                                   Ressourcen-
                                                                                                                                                                                                                                                    verbrauch     Mineralstoffe, Fruchtsäure
                                                        zählen zu dürfen. (pl)                         zum Markt: Mangoproduzentin in Zentralkenia,            ­Rosengewächs, das in der Schweiz zwi­           Tierhaltung
                                                                                                                                                                                                                                                                   und sekundäre Pflanzen-
                                                                                                       Bild Peter Lüthi / Biovision; Version 2: Produzent       schen Mitte Juni und Ende September                              Biodiversität                          stoffe und sind reich an
                                                                                                       von Biogemüse am Bauernmarkt in Ilanz, Bild
                                                                                                       Peter Lüthi / Biovision. Peter Lüthi / Biovision:
                                                                                                                                                                Saison hat. Viele wollen die Himbeere je­                                                          Vitaminen, Kalzium und
                                                                                                       Seiten 1 und 4 rechts; Christian Bobst: Seiten 2/3,
                                                                                                                                                                doch das ganze Jahr lang geniessen oder           Himbeeren Schweiz                                            Folsäure.
         Buchtipp                                                                                                                                               zumindest mit Beginn der warmen Tage              Bio-Himbeeren Spanien
                                                                                                       4 oben und links; François de Limoges: Seite 8;
                                                                                                                                                                in den Speiseplan integrieren. Wir woll­      Je grösser die Fläche, desto besser schneidet         Spanien ist mit rund 17 808 t
                                                                                                                                                                                                                                                                  jährlich der grösste Himbeer-
         Die Biologin und Autorin Florianne Koech-                                                     Zur Verfügung gestellt: Seite 9 rechts; Béatrice
                                                                                                                                                                ten im CLEVER-Test (s. Spinnendiagramm        das Produkt ab.
                                                                                                       Devènes / Biovision: Seite 10 oben; Viktor
         lin kämpft seit Jahrzehnten für einen
                                                                                                       Talashuk / Pexels: Seite 11 links; Laura Angelstorf /    rechts) wissen: Wie nachhaltig sind kon­                                                               produzent Europas.
         ­sorgsamen Umgang mit der Natur. In ihren
                                                                                                       Biovision: Seite 11 rechts; Florian Blumer /             ventionelle Schweizer Himbeeren wäh­
          Büchern beschreibt sie, wozu Pflanzen                                                        Biovision: Seite 12                                      rend der Saison Mitte Juni bis Ende Sep­
          ­fähig sind, und sie fordert einen respekt-
                                                                                                       Gestaltung Binkert Partnerinnen, Zürich                  tember im Vergleich mit der gleich teuren     Bio schlägt regional
           vollen Umgang mit ihnen. In ihrem neues-
                                                                                                       Druck Koprint AG, Alpnach                                Bio-Alternative aus Spanien, die ganze
           ten Werk zeigt sie auf, wie Pflanzen mit­                                                                                                                                                          Das Knospe-Label garantiert die Einhaltung         Auch der Transport belastet Umwelt und
                                                                                                       Papier Nautilus Classic (100 % Recycling)
                                                                                                                                                                vier Monate früher, bereits ab März, er­
           einander kommunizieren, sich vernetzen                                                                                                                                                             der Biorichtlinien in Bezug auf Energie­           Klima nur gering. Einzig beim Ressourcen-
                                                                                                                                                                hältlich ist?
           und sich gegenseitig warnen. (pl)                                                                                                                                                                  verbrauch, Arbeitsbedingungen und Um-              verbrauch gibt es schlechtere Noten auf-
                                                        Florianne Koechlin: Von Böden die              Biovision ist offizielle Partnerorganisation der                                                       weltschutz. Somit schneiden die spani-             grund des trockeneren Klimas. In der Ge-
                                                                                                       Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit            Weitere Infos:
         Das Buch ist bei Biovision erhältlich für      klingen und Pflanzen die tanzen                                                                                                                       schen Biobeeren bei Biodiversität und              samtbewertung schlagen die spanischen
                                                                                                       DEZA, Eidgenössisches Departement für aus­              www.clever-konsumieren.ch
         CHF 32 (für Mitglieder CHF 24) exkl. Ver­      Neue Streifzüge durch wissenschaftliches                                                                                                              Umweltverschmutzung deutlich besser ab             Biohimbeeren die schweizerischen kon-
                                                                                                       wärtige Angelegenheiten EDA. Die internationalen
         sand­kosten: www.biovision.ch/shop             Unterholz, Lenos 2021                                                                                                                                 als die konventionellen aus der Schweiz.           ventionellen deshalb klar.
                                                                                                       Projekte von Biovision werden von der DEZA
                                                                                                       finanziell unterstützt.

10                                                                                                                                                                                                                                                                                                                 11
Biovision - Gewusst-wie! - Stiftung für ökologische Entwicklung - Biovision Foundation
r­iesiges Potential an noch nicht ausge-
                                                                                                schöpften Möglichkeiten bieten, um die Welt
                                                                                                gift- und gentechnikfrei zu ernähren.

                                                                                               Vor etwa 20 Jahren hatte Florianne Koechlin
                                                                                               in der Fachzeitschrift «Nature» von Push-
                                                                                               Pull erfahren. Diese von der Biovision-Part-
                                                                                               nerorganisation icipe in Nairobi, Kenia,
                                                                                               entwickelte ökologische Anbaumethode
                                                                                               bekämpft effektiv Maisschädlinge mittels
                                                                                               Pflanzenduftstoffen. Darüber sei sie «elekt-
                                                                                               risiert» gewesen, erinnert sie sich.

                                                                                               Mit Hans R. Herren in Nairobi
                                                                                               Wenige Jahre später besuchte sie das Insek­
                                                                                               ten­forschungsinstitut icipe, dessen Direktor
                                                                                               damals Hans R. Herren (heute Präsident
                                                                                               von Biovision) war. Die Verbindung hält bis
                                                                                               heute. In ihrem ­aktuellen Buch «Von Böden

«Was wissen wir darüber,
                                                                                               die klingen und Pflanzen die tanzen» (siehe
                                                                                               Seite 10) widmet ihm Florianne Koechlin ein
                                                                                               ganzes Kapitel. Hans R. Herren beschreibt

was Leben ist?»
                                                                                               darin, wie stark sich die Agrar­ökologie in
                                                                                               den letzten 20 Jahren weiterentwickelte und
                                                                                               dass Agrarökologie heute die Welt ernähren
                                                                                               könnte. Das bestätigten auch Expertinnen
Florianne Koechlin ist Biologin, Buchautorin und Umweltaktivistin.                             und Experten aus Indien und Europa.
In Ihrem neuesten Buch widmet sie gleich zwei Kapitel Exponenten und
Projekten von Biovision.                                                                       Die engagierte Biologin ist überzeugt, dass
                                                                                               es einen ganzheitlichen Ansatz braucht,
Von Florian Blumer, Redaktor (Text und Bild)
                                                                                               um die Ernährungssysteme zu transformie-
                                                                                               ren – eine weitere Parallele zu Biovision.
«Ist er nicht wunderbar?», Florianne Koechlin   ander kommunizieren, untereinander Nähr-       So sprach sie für ihr neuestes Buch auch
strahlt, als sie uns den grossen Feigenbaum     stoffe austauschen und sich gezielt gegen      mit dem Klangkünstler und Umweltwissen-
im Hinterhofgarten ihres Arbeiterreihen-        Angriffe von Schädlingen wehren.               schaftler Marcus Maeder vom Biovision-­
häuschens in Münchenstein BL zeigt, wo                                                         Projekt Sounding Soil, das für den Schutz
sie seit 1986 wohnt. «Ich liebe an ihm das      Malend das Wesen der Pflanzen erfassen         der Böden sensibilisiert, indem es sie über
Archaische, die Art, wie er seine Früchte       Florianne Koechlin ist überzeugt: «Mit         Klangerlebnisse erfahrbar macht.
trägt – er ist mein Lieblingsbaum.»             ­unserer Wissenschaft werden wir Pflanzen
                                                 nie vollständig erklären können.» So setzt    Auch wenn wir tatsächlich nie verstehen
Die 73-jährige Biologin besucht seit vielen      sie sich oft stundenlang in den Wald, um      werden, wer Pflanzen wirklich sind – in
Jahren Forscherinnen, Philosophen und            zu malen. Denn, so sagt sie: «Mit Farbe und   ­Florianne Koechlins Büchern und Bildern
Bäuerinnen und beschreibt deren Erfah-           Pinsel komme ich dem Wesen der Pflanzen        kommen wir ihrem Wesen doch ein gutes
rungen. Inzwischen sind daraus sieben            näher als über die Naturwissenschaft.»         Stück näher.
Bücher entstanden. Sie fragt: «Was wissen
wir darüber, was Leben ist?» Jedenfalls, dass   Seit den 80er-Jahren engagiert sie sich an     Mehr von und über Florianne Koechlin:
Pflanzen keine «Bio-Automaten» seien, die       vorderster Front gegen Gentechnik in der       www.blauen-institut.ch
einfach Wasser aus dem Boden und CO2            Landwirtschaft. Sie ist überzeugt, dass es
aus der Luft nehmen. Wer ihre Bücher liest,     eine Wende hin zur Agrarökologie braucht,
lernt: Pflanzen sind Wesen, die aktiv mitein-   auch deshalb, weil gerade Pflanzen ein

                                                                                 Stiftung für ökologische Entwicklung
www.biovision.ch, www.facebook.com/biovision                             Fondation pour un développement écologique
Spenden an: PC 87-193093-4                                                     Foundation for ecological development
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