SCHWEIZ. N 02 - cloudfront.net

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SCHWEIZ.
   N° 02
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Schneeschuhlaufen
hoch über der
Engadiner Seenplatte.
© Filip Zuan
SCHWEIZ. N 02 - cloudfront.net
Grüezi.
                                                                  BERG

W
                                                        Die majestätischen Schweizer
       illkommen in den Bergen! Wir Schneeha­                 Alpen erkunden.
       sen mögen den Winter. Er ist unsere liebste                04–17
Jahreszeit, denn wir tauchen fürs Leben gerne
kopfvoran in den Pulverschnee ein, um – weiss in
weiss – darin zu verschwinden.
Damit Sie sich ein Bild von meinem Schweizer
Winter machen können, habe ich für Sie einige                   WASSER
                                                        Nach einem Tag auf der Piste
Geschichten aufgespürt und in die­sem Magazin           im warmen Nass entspannen.
zu Papier gebracht. Sie spielen in den Bergen, aber               18–27
auch in wunderbaren Ruheoasen, in denen man
nach einem langen Tag im knirschenden Schnee
die Füsse in warmes Wasser eintauchen kann, um
sich zu entspannen. Wer lieber ganz drinnen an
                                                                  HAUS
der Wärme bleibt, für den habe ich zudem ein             Die vielfältige Architektur
paar spek­takuläre Gebäude besucht und einigen            der Schweiz entdecken.
Freun­den in ihren Werkstätten über die Schulter                  28–39
geschaut. Ich hoffe, dass Sie damit einen schönen
Eindruck vom Land rund um meinen Bau bekom­
men. Vielleicht sehen wir uns ja bald – nach einem
Fondue, einer Rösti oder einem Glühwein draus­
sen unter den Sternen? Ich würde mich freuen!                   MENSCH
                                                        Traditionelles Handwerk und
                                                      grossartige Kochkunst bestaunen.
Bis bald!
                                                                  40–51
Peter
                                                             CONCIERGE
                                                      Stets zu Ihren Diensten während
                                                       Ihrer Reisen durch die Schweiz.
                                                                  53–66
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BERG

 Wenn die Alpen ihr Winterkleid anziehen
und ihre Flanken in reinem Weiss leuchten,
    ist es an der Zeit, die eigenen Spuren
 in den frischen Pulverschnee zu zeichnen.

                 A n d e r m at t
              Gipfelstürmerin
                       6

              Frauen am Berg
                      11

                  S aa s - F e e
             Der erste Skifahrer
                      12

                  Ski fahren
              wie anno dazumal
                      14

                    D av o s
             Wo die berühmten
           Freestyler gross wurden
                      17

              Schweiz. № 02
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Auge in Auge mit den
 Riesen: auf dem Weg
 zur Gitziälpetli­
 lücke oberhalb von
 Andermatt.

BERG
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A n d e r m at t

                                Gipfelstürmerin
              Steil, lang und extrem: Die Profialpinistin Caro North
            mag Herausforderungen. Die Berge sind Sommer wie Winter
                 ihr Zuhause, das sie am liebsten mit anderen teilt.

       S   ie ist jung, wild und ihre lebensfrohe Art
           ansteckend. Wer Caro North zum ersten
       Mal begegnet, möchte am liebsten eines tun:
                                                         fahren – ohne den Winter wäre es halb so
                                                         aufregend. Dann, wenn sich solch magische
                                                         Momente abspielen, wie als sie kürzlich von
       mit ihr den nächsten Gipfel erklimmen. Die        Andermatt in die Höhe zog, einen Ski vor
       29-Jährige scheint all die Energie, die ihr die   den anderen durch die undurchdringbare
       Berge geben, in sich gespeichert zu haben.        Nebelwand setzte, während die Schnee­
                                                         flocken zu Tau­senden vom Himmel fielen.
       Sie verbringt viel Zeit mit ihren Eltern in
                                                         Und sich plötzlich der Nebel lichtete. Vor ihr
       La Tzoumaz, einem kleinen Dörfchen im
                                                         die Spitze des Gipfels und eine glitzernde
       Wallis, unternimmt mit 12 Jahren ihre erste
                                                         Wand, die nur so auf ihre Eroberin wartete.
       Skitour, steigt mit 16 fast bis auf die Spitze
                                                         «Das war unglaublich», sagt sie.
BERG

       des höchsten Bergs von Südamerika und
       bezwingt noch vor ihrem 23. Geburtstag die    Diese Momente teilt Caro am liebsten mit
       Eigernordwand. Zu ihren grössten Aben­        anderen Tourengängern – allein ist sie prak­
       teuern zählt aber, dass sie mit der ersten    tisch nie unterwegs, auch der Sicherheit
       reinen Frauenseilschaft auf dem Cerro Torre   wegen. Vor gut einem Jahr ist sie als eid­
       in Patagonien stand und in diesem Teil von    genössisch diplomierte Bergführerin in
       Südamerika 55 unbekannte Kletterrouten er­    den von Männern dominierten Kreis des
       schloss.                                      Schweizer Bergführerverbands aufgenom­
                                                     men worden. Ein grosser Schritt für Caro,
       Als Mammut-Pro-Team-Athletin ist Caro
                                                     deren Lebensziel es nicht ist, so viele Berge
       North heute auf der ganzen Welt unterwegs.
                                                     wie möglich allein zu besteigen, sondern ihre
       In den Wintermonaten zieht es sie immer
                                                     Leidenschaft und ihr Wissen weiterzugeben.
       wieder zurück in die Schweiz. Letzte Saison
       wurde Andermatt zu ihrem Zuhause, wo sie Ein Abenteuer steht aber nach wie vor auf
       auf zig Touren mit den Skiern durch die ver­ ihrer Bucket List: das Marinelli-Couloir bei
       schneite Landschaft aufstieg, um «mit der der Dufourspitze. Der im Monte-Rosa-Mas­
       Natur zu spielen». Und der Spiel­   platz ist siv gelegene Berg ist mit 4634 Metern der
       gross: Die Alpen nehmen 60 Prozent der höchste Gipfel der Schweiz und die Abfahrt
       Landesfläche der Schweiz ein, mit 48 beein­ nach Macugnaga mit bis zu 50 Grad Gefälle
       druckenden Viertausendern und über 1000 scheint niemals zu enden – 2420 Höhen­
       erfassten Ski- und Snowboardtouren. Caro meter durch die höchs­te Wand der Schweizer
       schwärmt von der Schweiz mit ihrer ein­ Alpen. Ganz nach Caros Geschmack.
       fachen Zugänglichkeit zu alpinem Gelände
       und der perfekten Mischung aus Schnee,
       Eis und Fels: «Du kannst auf der Südseite
       eine einfache Skitour laufen und dann auf der            Eine Auswahl von
       anderen Seite eine Nordwand klettern.» Ob­               Skitouren für
       wohl sie einiges besser klettern kann als Ski            jedes Level.
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«Ich will nicht die Natur dominieren, sondern mit ihr spielen.
Berge bezwingen ist für mich kein Ausdruck für Bergsteigen.»
                  Caro North, Bergführerin
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Nichts ist steil genug:
Caro North liebt
die Herausforderung
auch in der Berg­
welt von Andermatt.
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BERG
Die Abfahrt nach dem
Aufstieg ist für Caro
North der krönende
Abschluss einer Tour.

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                          Es ist noch nicht lange her, da wurde den Frauen verboten, Berge
                              zu erklimmen, und noch heute sind sie in den Felsen eine
                          Minderheit. Ein kleiner geschichtlicher Auszug mit Anekdoten.

                        W       enn ihr der Rock nicht in die Quere ge­
                                kommen wäre, hätte es die Italienerin
                        Félicité Carrel ins Rampenlicht des Alpinis­
                                                                          ein Indianer» in die Welt hinaustrug, liess sie
                                                                          sich nicht von ihrer Faszination abbringen.
                                                                          Schliesslich initiierte sie 1907 in London den
                        mus ge­schafft: Als erste Frau wäre sie 1867      ersten alpinistischen Club für Frauen.
                        auf dem Matterhorn gestanden. Doch früher
                                                                      Elf Jahre nach dieser Clubgründung wur­
                        waren Hosen bei Frauen eben verboten, wer
                                                                      den auch die Frauen in der Schweiz aktiv,
                        sich nicht daran hielt, wurde von der Polizei
                                                                      der Schweizerische Frauen-Alpen-Club ent­
                        geahndet. So kam Félicité Carrel der Rock
                                                                      stand. Eigentlich wollten sie sich den
                        beim Aufstieg aufs Matterhorn immer wieder
                                                                      Männern im SAC anschliessen, was ihnen
                        wegen des Windes in die Quere und riss sie
                                                                      aber verweigert wurde. Erst 1980 änderten
                        beinahe vom Felsen. Sie war gezwungen, die
                                                                      die SACler ihre Meinung. Und es sollte wei­
                        Tour ab­zubrechen. Mehr Glück mit weniger
                                                                      tere sechs Jahre dauern, bis Nicole Niquille
                                                                                                                            11
                        Wind hatte die Britin Lucy Walker 1871.
                                                                      als erste Frau in der Schweiz ein Bergführer­
                        Trotz Rock schaffte sie es als erste Frau auf
                                                                      diplom in den Händen hielt. Und das nur, weil
                        den Gipfel.
                                                                      sie sich als Mann angemeldet hatte. Heute
                        Frauen am Berg, das war zu jener Zeit vielen zählt der Schweizer Bergführerverband
                        ein Dorn im Auge. Schliesslich war ihr Alltag 1300 Bergführer und 38 Bergführerinnen,
                        mit Arbeit ausgefüllt. Es kam nicht infrage, wovon Caro North eine ist.
                        an Freizeit zu denken, schon gar nicht an
                        einen solch männlichen Sport. Dennoch gab
                        es immer Frauen, die allen Widerständen
                        zum Trotz loszogen und sich einen Platz in
                        der Bergwelt eroberten.
                                                                                  Mammut Alpine School
                        Elizabeth Main war eine von ihnen. Sie ver­       Mammut gründete 2008 als erstes und ein­
                        brachte ab den 1880er-Jahren vor allem die        ziges Outdoorunternehmen eine firmenei­
                        Wintermonate im Engadin. Jeweils früh­            gene Bergsteigerschule. Sie bietet ein grosses
                        morgens stahl sie sich aus dem Hotel und er­      Aus­bild­ungs- und Tourenprogramm in der
                        oberte die verschneiten Gipfel. Sie war es        Schweiz und im Alpenraum an. Im Vorder­
                        auch, die an etlichen Erstbesteigungen im               grund steht der Wissenstransfer.
                        Winter dabei war, wie der beiden Gipfel des
                        Piz Palü, wo sie übrigens später in einem
                        Sommer auch mit einer reinen Frauenseil­
                        schaft ankam. Selbst als ihre Grosstante die      Zuverlässige Bergführerinnen
                        Nachricht «Stoppt ihr Bergsteigen, sie            und -führer für Touren
                        schockiert ganz London und sieht aus wie          in den Alpen finden.
BERG
Ski fahren mit alter Aus­
rüstung kann man
noch heute – zu­mindest
einmal im Jahr.

                              S aa s - F e e

          Der erste Skifahrer
                                                                          13
W       er hat das Skifahren er­
        funden? Die Schweizer
natürlich! Wer genau? Pfarrer
                                     Touristen und begleitete sie als
                                     Bergführer auf Wanderungen.
                                     Später setzte er sich gar für den
Johann Josef Imseng. Das sagen       Bau der ersten Hotels im Tal ein.
zumindest die Saas-Feer. Denn
                                     Während der Tourismus in Saas-
als im Winter 1849 ein Hilferuf
                                     Fee einzog, nahm die erfolgrei­che
beim Pfarrer einging, überlegte
                                     Schweizer Skigeschichte lang­
dieser nicht lange, zog seine
                                     sam Fahrt auf. Denn 1888 zog
Bergschuhe an, band diese auf
                                     der norwegische Polarforscher
zwei Holzlatten und fuhr nach
                                     Fridtjof Nansen auf Skiern quer
Saas-Grund. Damit ging er
                                     durch Grön­­land. Neugierig las
als Er­finder des Skifahrens in
                                     der Glarner Chris­    toph Iselin
die Schweizer Geschichte ein.
                                     dessen Aben­teuerbericht und
Dass die Skandinavier damals
                                     veranstaltete daraufhin ein Ren­
schon auf eine tausendjährige
                                     nen am Pragelpass. Dabei wollte
Skigeschichte zurückblickten,
                                     er die Telemarkskier präsentieren
wussten die Saas-Feer nicht –
                                     und aufzeigen, dass die Holz­
und selbst für die Norweger lag
                                     latten der Schweizer keine
dies noch im Dunkeln. Dachten
                                     Chancen dagegen hatten. Kurz
diese um 1800 doch, sie hätten
                                     darauf grün­ dete er den ersten
mit dem Telemarkski eine Neu­
                                     Ski-Verein, den «Ski Club Glarus»,
heit erschaffen. Die Spuren der
                                     und organisierte 1902 das erste
ersten Skier reichen aber bis in
                                     Skirennen der Schweiz. Elf Jahre
die Steinzeit zurück. Die ältesten
                                     später wurde der Schweizerische
Überreste wurden in den Moor­
                                     Skiverband ins Leben gerufen.
böden Skandinaviens gefunden,
                                     Heute trägt der Verband den
wie zum Beispiel der Ski von
                                     Namen «Swiss-Ski» und hat
Kalvträsk in Schweden aus dem
                                     schon etliche Weltmeister und
Jahr 3200 vor Christus.
                                     Olympiasieger ausgebildet. So
So hat der Pfarrer von Saas-Fee      mö­ gen die Schweizer den Ski
das Skifahren zwar nicht er­         zwar nicht erfunden haben, aber
funden, dafür aber den Touris­       wie man damit Medaillen holt,
mus ins Dorf gebracht. Er be­        das wissen sie.
herbergte in seinem Pfarrhaus
BERG
Ein bisschen Spass
muss sein: am

                                                                    y&
Nostalski-Rennen
im Toggenburg.

                                                   Ski fahren
                                               wie anno dazumal
                            Das Skifahren hat sich verändert, die Skier wurden schneller,
                           die Anzüge sportlicher. Wer sich nach der Vergangenheit sehnt,
                            findet einige Orte, die die historischen Skier aufleben lassen.

E     r ist einer der besten Skifahrer der Geschichte: Didier Cuche.
      Das hat er mit seinen 21 Siegen bewiesen. Seine letzte Abfahrt
meisterte er aber nicht Nicht aber wie gewohnt im enganliegenden                Auf Fassbrettern               Kunst auf der Piste in Lenk
Skidress und mit gut geschlif­fenen und gewachsten Skiern, sondern              die Piste erobern            Mal wacklig, mal rückwärts, mal
in schicken Nostalgieklamotten. Mit Mütze, Jacke, Bergschuhen und In der ganzen Schweiz verteilt             auf dem Hosenboden und ab und
Holzski ging er an den Start und meisterte – wenn auch mit finden im Winter auch Fassdau­                    an auch ganz zügig kommen
wackeligen Beinen und nicht ganz so schnell wie gewohnt – gar den                benrennen statt.            die Rennfahrer auf ihren Holz­
letzten steilen Zielhang inklusive Skisalto à la Cuche. Wir ziehen den                                       brettern die Haslerpiste an
Hut, denn wir wissen, wie gut man Ski fahren muss, um die Holzskier                                          den Holzskirenntagen Lenk hin­-
von früher zu bändigen. Wer’s selbst mal ausprobieren möchte,                                                unter ins Ziel. Der Tipp eines
findet eine ganze Reihe von Nostalgierennen in der Schweiz.               Ausdauersportler in Davos          langjährigen Teilnehmers: in die
                                                                        Eine der ersten Abfahrten, die       Knie gehen, dann geht’s tipp­topp.
                                    Skilehrer ihr hübschestes Bel­­le- zum Skifahren entdeckt wurde,
                                    Epoque-Gewand            aus    dem führt vom Weissfluhgipfel bis
   Die geborenen Nostalgiker        Schrank, befestigen die alten hinunter nach Küblis. Die Nos­­t­al­
           in Kandersteg            Holzlatten an den Wanderschu­ giefahrt findet auf dieser zwölf                   Stocksteif – nicht
                                                                                                                                                  15
Kandersteg widmet der Belle hen und fahren in gekonnter Kilometer langen Route statt.                                  auf dem Pizol
Epoque nicht nur ein nostalgi­ Manier den Hügel runter. Die Auf der gesamten Strecke geben                   Ob mit einem krummen Holz­
sches Skirennen, sondern gerade Skigäste haben die nostalgischen Informationstafeln einen Ein­               stock oder zwei alten Skistöcken,
eine ganze Woche. Das Dorf Skier vor einiger Zeit den Leh­ blick in die Geschichte des Ski­                  die Technik ist jedem selbst über­
verwandelt sich und er­    scheint rern überlassen und ihre Nach­               fahrens in Davos.            lassen. Auf dem Pizol wird in ver­
wie um 1913; nostalgische At­     ­ fahren amüsieren sich lieber am                                          schiedenen Kategorien gestartet:
mosphäre und Benehmen wie Pistenrand, wo sie einen guten                                                     Telemark, Kabelzugbindung mit
     anno dazumal inklusive.            Blick auf die Show haben.                                               oder ohne Kunststoffbelag.
                                                                          Holzliebhaber in Adelboden
                                                                        Jedes Jahr fahren auf der Engstli­
                                                                        genalp historisch kos­   tümierte
  Alleskönner im Toggenburg              Walliser Gemütlichkeit         Skifahrer mit alten Holzskiern             80s forever in Arosa
Es ist schon bald Tradition, dass                in Rosswald            zum Hickorywedeln ein. Hickory       In Arosa trauen sich nicht alle so
die Wehmütigen und die Nostal­ Im Skigebiet Rosswald ober­halb ist ein               nordamerikanischer      weit zurück in die Vergan­genheit,
giker einmal im Frühjahr in alte von Brig findet im März je- Nussbaum, dessen Holz bis ins                   einige bleiben in den 1980er-
Skiausrüstung schlüpfen, uralte weils das Nostalgierennen statt. 20. Jahrhundert zur Herstellung             Jahren stecken. Für Schau­­lustige
Latten an die Füsse schnallen Schnelligkeit hat da­bei nicht ers­ von Skiern diente, was der Veran­          ist das kein Nachteil und auch
und damit von der Wolzenalp te Priorität, viel eher zählt die staltung auf der Hochebene denn                nicht für die Teilnehmenden.
mehr oder weniger aufrecht ins Eleganz auf der Piste. Selbst­              auch ihren Namen verlieh.         Holzskier müssen sie aber alle
Tal kurven. Vor allem die Zwi­ verständlich auf Holzskiern und                                               fahren, auch wenn der Dress
schenstopps in den Skihütten – in Originalkleidung von 1920.                                                 dann vielleicht nicht mehr ganz
wo Dart gespielt wird und Nägel                                                                                       zum Ski passt.
                                                                             Stemmbogen erlaubt
in Holzstämme geschlagen wer­
                                                                                  in Andermatt
      den – haben es in sich.
                                                                        Lederschuhe zum Schnüren und
                                           Die Vergangenheit
                                                                        Holzbretter ohne Stahl­kante sind
                                           jagen in Obwalden                                                      Ski-Schlitten-Kombi
                                                                        nicht jedermanns Sache: Nur
                                    Auch die Obwaldner schwelgen                                                        in Grächen
                                                                        Geübte schaffen es in Andermatt
            Die schicken            gerne in der Vergangenheit.                                              Am Nostalgierennen auf der Han­
                                                                        ohne Stemmbogen die Piste
      Skilehrer in Bellwald         Auf der Mörlialp bei Giswil versu­                                       nigalp ob Grächen geht man zu
                                                                                      runter.
Die Skisaison geht in Bellwald chen die Männer und Frauen                                                    zweit an den Start: einer auf dem
ein bisschen spezieller als an- möglichst auf beiden Skiern ins                                              Schlitten, der andere auf alten
derswo zu Ende. Denn immer Ziel zu kommen – was einfacher                                                    Skiern. Gestoppt wird, wenn bei­
am Ostersamstag nehmen die                  ge­­sagt als getan ist.                                             de über die Ziellinie fahren.
Der Swiss Snow Playground bietet die ideale
                                                                                          Umgebung, um auf spielerische Art ein Gefühl
                                                           16
                                                                                          für den Schneesport zu entwickeln. Beim
                                                                                          ursprünglich amerikanischen Modell ist der
                                                   4                                      Lernerfolg bei Neueinsteigern – bei Erwachse­
                                                                          8
                                           10          5        9    1
                                                                                          nen wie Kindern – sehr gross. Zudem steht
                               17                               11
                                                                         12               der Spass im Zentrum: Der Spielplatz ist flach,
                                           2
                     15         7 14
                                       3                                  6
                                                                                          abgetrennt und bietet mit seinen Schnee­
                          13
                                                                                          elementen eine sichere Umgebung, um zu
                                                                                          experimentieren. In dieser Saison gibt es den
                                                                                          Swiss Snow Playground in 17 verschiedenen
1   Arosa        6 Corvatsch-Pontresina         11 Savognin               16 Wildhaus     Schweizer Skischulen. Komm und besuch uns!
2   Bellwald     7 Crans-Montana                12 St. Moritz             17 Zweisimmen
3   Bettmeralp   8 Davos                        13 Verbier
4   Braunwald    9 Lenzerheide                  14 Vercorin
5   Brigels      10 Meiringen-Hasliberg         15 Villars                                swiss-ski-school.ch/de
17

                                                                    D av o s

                                         Wo die berühmten
                                       Freestyler gross wurden
D     avos war schon immer ein Ort für Freigeister.    jeweils in die Jugendherberge in Davos, die – wie
                                                                                                            Youthpalace

      Der berühmte Holzschlitten nahm hier seinen      diejenigen in Grindelwald, St. Moritz und Laax –
Anfang, der erste Bügellift wurde 1934 hier in Be­     die passende Infrastruktur für Sportcamps bietet.                  Jugendherberge Davos
trieb genommen und in den 1980er-Jahren fanden         Der Club setzt sich seit den 1980er-Jahren für die                 Das Davos Open im Februar
die Freestyler in Davos eine Heimat. Damals war        Nachwuchsförderung im Unterland ein. Im Keller                     Superpipe am Bolgen, wo auch
das Jakobshorn der einzige Berg, auf dem sie die       der «Jugi» können die Kids ihre Bretter für den                    die Schweizer Snowboard-
                                                                                                                          Szene ihre Karriere startete.
Lifte benutzen durften. Heute treffen sich An­         Schnee wachsen, im Erdgeschoss finden sie eine
fänger und Profis im Jatzpark, um ihre Tricks zu       Stärkung für die Piste und in den weiteren Etagen      Drop-in:
üben. Vor allem für die Nachwuchstalente ist das       ein warmes Bett, um sich für den nächsten Tag zu       Mehr erfahren über die
Bergdorf ein riesiger Spielplatz. So reisen auch die   erholen und von ihren Idolen zu träumen.               jungen Freestyler und
Kinder des Snowboard-Clubs Iceripper aus Zürich                                                               die Jugendherberge.
WA S S E R

Nach einem langen Tag im weichen Schnee und
mit den Lungen voller frischer Bergluft entspannt
  sich die Kennerin mit einem Bad im warmen
  Wasser aus den Tiefen der Schweizer Berge.

                      Baden
                 Die Suche nach der
               verlorenen Gesundheit
                       20

              Das Wundermittel Wasser
                       22

                    Ins warme
                  Nass eintauchen
                       24

                  Schweiz. № 02
Baden wie im
 19. Jahrhundert
 im Grand Resort
 Bad Ragaz.

WASSER
Baden

                             Die Suche nach der
                           verlorenen Gesundheit
                                   Bäderkultur in der Schweiz

             A     bgelegen und vor dem wachsamen Auge der Obrigkeit verborgen, traf
                   sich die Jugend ab dem 19. Jahrhundert in kleinen Bädern und frönte
             dem Sein. In den Thermalbädern pulsierte das Leben. Hier wurde manche
             Ehe angebahnt, hier wurde politisiert. Der Kanton Basel-Landschaft soll so
             seine Anfänge im wohlig warmen Bad Bubendorf genommen haben.

             Während das ausufernde Badeleben in den kleinen Bädern dem Pfarrer ein
             Dorn im Auge war, ging es in den renommierten Thermen wohl gesitteter
             zu und her. Nur die Oberschichten konnten sich hier eine drei- bis fünf­
WA S S E R

             wöchige Kur leisten. Auf der Suche nach ihrer verlorenen Gesundheit reisten
             sie aus ganz Europa an, im Gepäck Teile des Hausrats und nicht selten das
             Haustier. In dieser Blütezeit, die bis ins 20. Jahrhundert andauern sollte,
             wurden die Bäder zu Kurhäusern, in denen es praktisch für alle Krankheiten
             das entsprechende Bad gab, selbst für Tuberkulose.
             Doch die heilende Wirkung der Thermalbäder haben die Menschen schon
             lange vorher entdeckt. Bereits römische Legionäre stiessen vor rund
             2000 Jahren im heutigen Baden auf die heissen Quellen, so entstand die
             römi­
                 sche Siedlung Aquae Helveticae. Auch in anderen Gegenden der
             heutigen Schweiz trat heisses Wasser an die Oberfläche, die Quelle in Baden
             gehört aber zu den bedeutendsten und – das wussten die Römer dazumal
             noch nicht – zu den wärmsten und mineralreichsten Schweizer Heilwässern.

             Mit dem Ersten Weltkrieg wurde der blühenden Bäderkultur ein abruptes
             Ende gesetzt: Die Bäder wurden zu Truppenunterkünften oder In­ter­­nier­-
             ten­lagern umfunktioniert. Anschliessend war das Baden nicht mehr dassel­
             ­be, der gesellschaftliche Aspekt verschwand, dafür wurde Schwimmen zum
              Volkssport. Die medizinische Kur jedoch konnte sich halten. Heute erleben
              die Thermen einen weiteren Aufschwung. Die Thermalbäder, wie die­je­­ni­
              gen in Baden, wo im Moment ein ganzes Bäderquartier heranwächst, sollen
              wieder zu einem Ort der Begegnung werden. Wie anno dazumal, als sich
              die Jugend traf, Ehen angebahnt wurden und politische Diskussionen statt­
              fanden.
Bademode

    im Römischen Reich          im Mittelalter   Ende 19.  Jahrhundert

                                                                         21

                                                       um 1930
         um 1900                  um 1920

         ab 1946                  um 1980              um 2020
Wiederentdeckung des Bikinis
?                                                       350 Heilquellen
                                                                                                         waren dem Bundesrat

                                  Das Wundermittel
                                                                                                            Stefano Franscini
                                                                                                               1848 bekannt.

                                       Wasser
             Ein warmes Bad in eisigen Wintern ist eine Wohltat für die Seele und ein Wundermittel für
             den Körper: Es entspannt Muskeln und Gelenke, sorgt für einen niedrigen Blutdruck und
             lindert innere Unruhe sowie Erschöpfung. Und weil das Wasser Auftrieb erzeugt, fühlt man
             sich federleicht und Schmerzen lassen nach. Kommen nun noch Mineralien hinzu, ist das
                                 Zaubermittel gegen verschiedenste Leiden perfekt.

                                     Solebad:
                         reguliert das vegetative Nerven­   nach oben schiebt, ausser­dem
                            system und wird bei Haut­      trainiert der Wasserwiderstand
                         ausschlägen, Rheuma, Allergien,       die Muskeln und entlastet
                            Atemwegs- und Gelenker­       gleichzeitig die Gelenke; bei Arth­
                            krankungen verschrieben.             ritis und Osteoporose.

                                   Schwefelbad:             Sauerstoffbad / Sprudelbad:
                              lindert Schmerzen bei         vermehrt taktile Sinneswahr­
                          dege­nerativen Gelenkerkran­     nehmungen durch Berührungs­
                          kungen und chronischer Poly­ reize der Haut, entspannt, belebt
                            arthritis, hemmt aber auch      und regt die Durchblutung an.
                        Hautleiden wie Akne, Neuroder­
                           mitis oder Schuppenflechte.                 Radonbad:
                                                              hemmt Entzündungen und
                                     Kältebad:              Schmerzen bei rheumatischen
WA S S E R

                          durch den Entzug von Wärme                  Erkrankungen.
                          wird die Hautdurchblutung ge-
                         drosselt und Schmerzen etwa an                Wechselbad:
                        den Gelenken werden ge­hemmt;         stellt das vegetative Gleich­
                        häufig angewendet mit anschlies­ gewicht bei Stress und Über­
                              sender Physiotherapie.       lastung wieder her und regt das
                                                              Herz-Kreislauf-System an.
                                 Kohlensäurebad:
                              regt die Durchblutung                    Wärmebad:
                         der Haut an, was die Blut­gefässe verbessert die Insulinresistenz
                           erweitert, entlastet das Herz    (mind. 12 Minuten bei 39 °C);
                              und tut den Nieren gut.     der Kreislaufwiderstand nimmt ab,
                                                             die Herzfrequenz nimmt zu.
                                 Bewegungsbad:
                           wirksames Herz-, Kreislauf-                  Moorbad:
                              und Atemtraining, weil              wirkt hemmend auf
                         der Wasserdruck das Zwerchfell        Entzündungen der Haut.

             Eine Zutat des Zaubermittels aus heissem Wasser und Mineralien darf dabei nicht vergessen
             werden: die besondere Atmosphäre. Eine Kur spielt sich fern von zu Hause in ungewohntem
             Klima und anderer Umgebung ab, es ergeben sich neue Kontakte – so haben die so­genannten
             Kurschatten schon manchen Aufenthalt versüsst. In einer Kur ist man frei vom Alltag, dies
             erkannte man schon im 19. Jahrhundert: Patienten sollen sich an Leib und Seele erholen.
23
Im Aussenpool des
Hotels The Alpina
Gstaad gönnt man sich
ein Bewegungsbad.

                                                  Ins warme
                                                Nass eintauchen
                            Die Römer machten es vor und entspannten sich in den
                        warmen Quellen. In den heutigen Bädern hätten sie sich bestimmt
                                                                                                                                   25
                            auch wohlgefühlt – vor allem bei der grossen Auswahl.

                                                    der Thermalbank an der Limmat
                 Baden wie die Römer                treffen sich Jung und Alt, um nach
          Während auf der Baustelle noch die        einem ausgiebigen Spa­ziergang oder
          Bagger ihre Arbeit leisten, um die        dem samstäglichen Marktbesuch die
          Bäderlandschaft in Baden wieder           Füsse ins warme Thermalwasser zu
          aufleben zu lassen, fliesst an diversen                 tauchen.
          Orten bereits das warme Wasser. Im
          Hotel Blume kommt die hauseigene          Übrigens: Die Fahrt zur Kur nach
          Quelle mit 47 Grad heissem Wasser         Baden nannte sich früher «Ba­den­
                                                    fahrt». Sie wird noch heute alle fünf
                                                    bis zehn Jahre in Baden ausgelassen
                                                                                          nach oben, bis man auf dem Dach die
                                                                   gefeiert.
                                                                                            Aussicht über die Stadt geniesst.

                                                                    t                                     y
                                                      Vom Holzfass aufs Dach                        Zwischen Quarzit
                                               Während der Reformation hat                Mit 30 Grad und einem grossen
                                               Zwingli das Thermalbaden in Zürich         Anteil an Kalzium und Magne­sium
                                               abgelehnt, weshalb alle nach Baden         fliesst das Wasser aus der St. Peters­
                                               fuhren, um sich zu entspannen. Erst        quelle zur Hälfte in die 7132 Therme
                                               viele Jahre später wurde das Mineral­      in Vals. Die andere Hälfte wird fürs
                                               wasser aus der Aqui-Quelle genutzt         Valser Mineralwasser verwendet
                                               und heute badet man sich in                Nicht nur das Wasser der Therme,
          aus der Tiefe, daneben befindet sich Zürich in der ehemaligen Brauerei          sondern auch der monolithische Bau
          der Limmathof, wo seit 1836 die Hürlimann von den riesigen Holz­                aus Valser Quarzitblöcken wirkt hier
          Bädertradition gelebt wird. Und auf fässern Stockwerk für Stockwerk                      auf Körper und Seele.
æ                                                               Holz, zum Beispiel bei den Yeti-Alp­
                          Mineralbad                                                          hütten in Grindelwald. Und das meist
             Über 20 Mineralquellen kommen im                                                 nicht alleine wie früher, sondern zu
             Bogn Engiadina in Scuol zusammen.                                                zweit. Der Duft von nassem Holz
             Die Luzius-Quelle ist eine davon                                                 sorgt dabei für eine noch intensivere
             und die einzige al­kalische Glauber­                                                          Sinnesreise.
             salzquelle im Alpengebiet. Das Bad
             ist aber kein Thermal-, sondern ein
             Mi­neral­bad, da das Wasser nicht über
                                                                                                                 í
                                                                                                        Eine lange Reise
                       20 Grad warm ist.
                                                                                              Der natürliche Gehalt an Mine­ralien
                             x                        empfahl, darin zu baden und Veltliner
                                                                                              ist in Leukerbad hoch, da das Wasser
                                                                                              mindestens 40 Jahre braucht, bis es
                      Wie im Toten Meer
                                                      Wein zu trinken, reisten auch andere    an die Oberfläche tritt. Die Kalzium-
             Bei einer Sondierungsbohrung 1914
                                                      Ärzte, Gelehrte und Kranke ins          Sulfat-Konzentration eignet sich be­
             ist man in Zurzach per Zufall auf
                                                      Engadin. Als 1864 das erste             sonders zur Linderung von rheu­
             die heisse Quelle gestossen, inter­
                                                      Kurhaus gebaut wurde, blühte der                matologischen Leiden.
             essierte sich aber für andere Boden­
                                                      Badetourismus in St. Moritz und im

                                                                                                                 ò
             schätze und schloss das Loch wieder.
                                                      ganzen Engadin auf. Heute taucht
             Erst ab 1955 wurde in der ersten
                                                      man im Ovavera-Bad während eines
             Baracke gebadet. Heute kann man in
                                                      Wassergangs zumindest gedanklich               In der Granitwanne
             der Intensivsole im Bad Zurzach wie
                                                           in die da­maligen Zeiten ein.    Die Bäder von Craveggia befinden
             im Toten Meer auf dem Wasser
                                                                                            sich auf der Grenze zwi­     schen

                                                                      ü
                           schweben.
                                                                                            Italien und der Schweiz. Das ehe­
                                                                                            malige Kurhaus wurde im Rahmen
                                                                Das Wellnessdorf            des grenzüberschrei­tenden Projekts
                                                      Gstaad hat zwar keine Thermal­ «Fron­tiera di acqua e di pace» re­stau­
                                                      quellen, dafür ist das Dorf im Berner riert. Jetzt kann man in eine der
                                                      Oberland zu einer Well­nessoase ge­ beiden neuen Granitwannen steigen
                                                      worden. Die verschiedenen Hotels und die heilende Kraft der Natur
WA S S E R

                                                      bieten ihr eigenes Wohlfühl­­pro­ geniessen, wie die Adeligen, die im
                                                      gramm an. Von den Möglich­keiten 19. Jahrhundert zu diesem Zweck mit
                                                      im Hotel The Alpina Gstaad bei­ ihren Kutschen hierherkamen – und
                                                      spielsweise hätte Caesar nur träumen das letzte unwegsame Stück von den
                                                                      können.               Bergbauern des Valle Onsernone ge­
                                                                                                      tragen wurden.

                             p                                        h
                   Die altehrwürdige Dame                       Im Salzgemisch
             Das Grand Resort Bad Ragaz speist        Die Natur- oder Ursole, die in Rhein­
             seine Thermalbäder aus der nahe          felden fliesst, ist eine der stärks­
             gelegenen Taminaschlucht. Schon          ten Europas. Aus zirka 200 Metern
             der Arzt Paracelsus wür­    digte im     Tiefe wird sie in der Saline Riburg
             16. Jahrhundert die hei­  lende Wir­     bei Rheinfelden gefördert und via
             kung des Wassers, das mit 36,5 Grad      Pipeline direkt ins Parkresort Rhein­
             aus der Quelle sprudelt. Im ehrwür­      felden geleitet, wo sie als Wasser­
             digen Helena­bad aus dem 19. Jahr­­-     fall oder Sprudelbad für Entspan­
             hundert kann man sich einfach                         nung sorgt.
                         treiben lassen.

                                                                       w
                              s                                   Im Fass
                Ursprung des Badetourismus         Statt in einer Blech- oder Keramik­
             Spätestens als der berühmte Arzt wanne, wie sie ab dem 19. Jahr­                  Die besten Spas
             Paracelsus im 16. Jahrhundert die hundert aufgestellt wur­     den, badet         der Schweiz
             Quelle in St. Moritz untersuch­te und man heute wieder in Fässern aus             im Überblick.

                                                                                                                              Bei der Alphütte
                                                                                                                                 Ischboden ob
                                                                                                                         Grindelwald geniesst
                                                                                                                           man die Zweisam­
                                                                                                                          keit im Holzbottich.
27
H AU S

     Wer seit Tausenden von Jahren in der wilden Berg­
welt wohnt, lernt, wie man sich auch im Winter gemütlich
ein­richtet. Darum ist das Überwintern in unseren Häusern
   aus Holz, voller Wärme und Geschichten mittler­weile
 ein Genuss. Der Sommer darf gerne noch etwas auf sich
                       warten lassen.

                           Zuort
                        Zufluchtsort
                            30

                           G s t aa d
                  Design aus Schnee und Eis
                             32

                         St. Gallen
                      Seelenapotheke
                            36

                      Schweiz. № 02
Zuort: ein Weiler
 am Ende
 des Val Sinestra.

HAUS
H AU S
Angekommen:
Peter Robert Berry IV.
auf dem Hof Zuort.

                                                                     Zuort

                                                       Zufluchtsort
                           Dies ist die Geschichte des Hofes Zuort, in dem Ursprünglichkeit,
                            Bescheidenheit und Ruhe nicht nur gelebt, sondern zelebriert
                           werden. Eine Geschichte von Menschen und ihren Sehnsüchten.
                                            Von Flucht und vom Ankommen.

                         W       er auf die Lichtung ganz hinten im Val
                                 Sinestra tritt, reibt sich erst mal er­
                         staunt die Augen. Da stehen unter den ge­
                                                                           becken in den Zimmern, die Hausordnung
                                                                           von Mengelberg. Letztere erzählt eine von
                                                                           vielen Geschichten dieses Ortes.
                         puderten Unterengadiner Gipfeln und um­
                                                                           Der berühmte holländische Dirigent Willem
                         ringt vom dichten Fichten- und Lärchenwald
                                                                           Mengelberg war es, der sich vor über
                         ein Gasthaus in bayrischem Baustil, ein
                                                                           100 Jahren ebenfalls in den Ort verliebte.
                         grosszügiges Chalet und eine kleine Holz­
                                                                           Er liess ab 1910 neben dem Hof das Chalet
                         kapelle, die gerade so gut eine norwegische
                                                                           sowie die Kapelle bauen und machte den Ort
                         sein könnte. Zuort heisst der Ort, oberhalb
                                                                           zur Sommerresidenz für ihn und seine
                         des Dorfes Vnà auf 1700 Meter über Meer ge­
                                                                           Musikanten. Nach dem Zweiten Weltkrieg
                                                                                                                                    31
                         legen. Ein Ort, der einen in seinen Bann
                                                                           wurde Zuort gar zu seinem festen Wohnsitz,
                         zieht, kaum hat man den ersten Fuss in den
                                                                           wo er in auserlesener Gesellschaft bis zu
                         frischen Schnee gesetzt. Ein Ort,
                                                                                     seinem Lebensende 1951 der
                         der eine unglaubliche Ruhe und
                                                                                     Musik, guten Zigarren und den
                         Zufriedenheit ausstrahlt. Und ein
                                                                                     Freuden des Lebens frönte. Wer
                         Ort, in den sich schon manch Zu­
                                                                                     heute im Chalet nächtigt, wird
                         fluchtssuchender verliebt hat. So
                                                                                     nicht an Mengelberg vorbei­
                         auch Peter Berry.
                                                                                     kommen und in seine Welt ein­
                         Genauer Peter Robert Berry IV., der                         tauchen. In der Bibliothek ruhen
                         Arzt aus St. Moritz, der nicht nur                          seine Bücher. In der Stube findet
                         im beruflichen Sinn in die Fuss­                            man Notenblätter. Und im Schrank
                         stapfen seines Vaters, Grossvaters                          hängt Mengelbergs persönlicher
                         und Urgrossvaters trat, sondern                             Dirigentenfrack.
                         wie bereits seine Vorfahren seinen
                         Ärztekittel gerne mal gegen denjenigen eines      Dem Eigentümer Peter Berry liegt viel daran,
                         Künstlers oder in seinem Fall eines Gast­         diese Idylle zwischen Idealismus und Realität
                         gebers austauschte. So war es die Anzeige         am Leben zu erhalten, sodass der Hof Zuort
                         «Jagdhaus im verwunschenen Tal zu ver­            das bleibt, was er schon früher war: ein Zu­
                         kaufen», die vor zehn Jahren seine Neugierde      fluchtsort.
                         weckte. Belohnt wurde er mit einem «Stück
                         Engadin, wie es mein Gross- und Urgross­
                                                                                     Haus im Nichts

                         vater noch erlebt haben». Im Gegensatz zum
                         materiellen Luxus von St. Moritz fand Peter
                         Berry in der Abge­schiedenheit von Zuort die
                         wertvollen Güter Ruhe, Beschaulichkeit und
                         Bescheidenheit. Den Kontrast, den er                                         Abgelegen im Val Sinestra
                         vielleicht nicht suchte, nach dem er sich aber                               Die Holzkapelle in Zuort
                         sehnte. «Besuchen Sie uns. Wir haben                                         Nach der Sauna im duftenden
                         nichts», pflegt er passend dazu zu sagen.                                    Heu zur Ruhe kommen.

                         Dieses Nichts galt es zu schützen und Peter
                         Berry restaurierte das Haus in seiner Ur­                      Ein Spaziergang
                         sprünglichkeit. Vieles ist geblieben, das                      durch das Val Sinestra
                         Holz­täfer in der Stube, die antiken Wasch­                    und den Hof Zuort.
Vom Whirlpool durch
                                                                                                               die offene Igludecke
                                                                                                             direkt in den Sternen­
                                                                                                                   himmel blicken.

                                                               G s t aa d

                    Design aus Schnee und Eis
              Es ist ein vergängliches Kunstwerk, das jedes Jahr aufs Neue
               auf das Saanersloch gezaubert wird: das Igludorf Gstaad.
               Grobem Handwerk beim Rohbau folgt enorme Feinarbeit
                   während des Innenausbaus. Insgesamt ein Design­-
                              haus der ganz speziellen Art.

         M      al verschnörkelte Formen, mal geo­
                metrische Kanten – alle 13 Räume sind
         individuell hergerichtet. Was die Zimmer
                                                       eindruckendes Feuerwerk der Farben zündet.
                                                       Die Iglus sind stets in Bewegung und damit
                                                       auch die Mitarbeitenden. Bis zu 1,5 Meter
         eint: Jedes Bett hat einen Unterbau aus Eis.  senkt sich die gesamte Behausung während
         Dank mehrerer isolierender Schichten ist      einer Saison ab, weshalb Installationen stets
         sichergestellt, dass weder Schlafende fröstelnüberprüft und justiert werden müssen.
         noch Bettgestelle wegschmelzen. Die Zim­      Lichtschalter etwa werden immer wieder
         mertemperatur liegt um den Gefrierpunkt,      ummon­  tiert, damit sie bequem bedienbar
H AU S

         davon ist in den dicken Schlafsäcken aber     bleiben. Auch die hölzernen Türrahmen sind
         nichts zu spüren. Auch ganz allgemein hat     auf die sich ändernden Verhältnisse aus­
         dieses Igludorf mit den ursprünglichen Be­    gerichtet und in vertikalen Schlitzen ver­
         hausungen der Inuit in Sachen Komfort         ankert, um mit der Dynamik des Iglus Schritt
         wenig gemein. Jedes Iglu verfügt über elek­   halten zu können. WC-Schüs­     seln müssen
         trisches Licht und gar eine USB-Steckdose     im­mer wieder neu positioniert werden und
         gehört zum Standard.                          damit aufrechtes Gehen möglich bleibt, mo­
                                                       dellieren die Hausmeister auch regelmässig
         Die Romantik-Suite weiss dies noch zu
                                                       die Decken.
         toppen. Ein direkter Zugang führt zu einem
         40 Grad warmen Whirlpool, der sich eben­ Erst spät im Frühjahr endet der Bewegungs­
         falls in einem Iglu befindet. Dieses hält dem drang dieses eigenwilligen Bauwerks. Aber­
         aufsteigenden Dampf stand, weil durch eine tausende Arbeitsstunden schmelzen dahin
         Aus­sparung in der Decke der grösste Teil der und werden eins mit den blühenden Alp­
         Wärme entweicht. An diesem Luxus können wiesen. Aber bloss für einige Monate, denn
         auch Gäste der übrigen Zimmerkategorien im November ist es wieder so weit. Und der
         schnuppern, ein weiterer Whirlpool, der Winter 2020 / 21 soll ein besonderer werden,
         allen zur Verfügung steht, steht unter freiem feiert das Igludorf Gstaad doch seinen
         Himmel. Ein Himmel, der – vor der Kulisse 15. Geburtstag. Warme Betten, kalte Drinks:
         des Alpenpanoramas – immer wieder ein be­ alles da.

                   Bar &                                                            Unter einem riesigen
                 Restaurant
                                                                                    Schneehaufen versteckt
                                  5       4       3        2         1              sich eine ganze Iglu­
                                                                                    landschaft aus Schlaf­
                                                                                    zimmern mit oder ohne
                     6        7       8       9       10        11                  Toilette sowie einem
                                                                            Sauna   Restaurant. Sauna und
                  Event                                                             Whirlpool runden die
                                                                                    Iglu-Romantik ab.
                                                                             Pool
33
H AU S
1.1.2021
0.00 Uhr
N 46° 29
O 7° 20
Sternkarte
Der Sternenhimmel ist wie eine
grosse Stadt und ihre Stadtteile
in Sternfelder mit 88 Stern­
bildern unterteilt. Die eigent­
lichen Stern­ bilder selbst sind
teilweise bereits aus der Antike
überliefert und halfen den Men­
schen schon damals, sich am
Himmel zu­rechtzufinden und
damit auch die Orientierung auf
der Erde zu behalten.

                                                                                   35

                                   Haus im Schnee

                                                    Bergstation Saanerslochgrat
                                                    Den Sternenhimmel muss
Oben bleiben, wenn                                  man nicht fotografieren,
die Berge am Abend zu                               er bleibt in Erinnerung.
leuchten beginnen.                                  Am Morgen zu glauben,
                                                    man höre, wie der Schnee von
                                                    der Sonne gekitzelt werde.

Gute Nacht: sich im
                                      Tiefer in diese
Doppelzimmeriglu
                                      faszinierende Geschichte
zu zweit einkuscheln.
                                      eintauchen.
H AU S
Wie eine riesige
Schatztruhe bewahrt
die Stiftsbibliothek
St. Gallen die
Ver­gangenheit auf.

                              St. Gallen

              Seelenapotheke
                                                                           37
A     ls der irische Mönch Gallus
      im Jahr 612 im Urwald nahe
des Bodensees ankam, war die
                                      gesungen und er trug seinen
                                      Anteil dazu bei, dass die Musik
                                      immer wichtiger wurde. Seine
Welt im Umbruch. Die Menschen         und weitere 2000 Originalhand­
hatten die Kämpfe, die Kriege         schriften sowie 170 000 ge­
satt. Sie wollten Frieden und das     druckte Bücher hütet die Stifts­
Glück finden. In dieser Zeit baute    bibliothek als älteste der Schweiz
Gallus mitten in die damalige         wie einen Schatz.
Wildnis eine kleine Mönchs­
                                      Wer einmal durch die grosse
siedlung, die schon bald zu ei­
                                      Tür in den barocken Saal tritt
nem der wichtigsten kulturellen
                                      und ein paar Schritte auf dem
Zentren Europas und zur Stadt
                                      knarrenden Holzboden macht,
St. Gallen heranwuchs.
                                      versteht, wieso diese Bibliothek
Um ihre Ideen fürs Glück und das      zusammen mit dem ganzen
ewige Leben festzuhalten, ver­        Stifts­­bezirk 1983 zum UNESCO-
brachten die Mönche Stunden in        Welterbe ernannt wurde. Sie ist
der Bibliothek, der «Seelen­          ein Gesamtkunstwerk vom Bo­
apotheke», wie es in griechi­scher    den bis zur Decke. Da liegt dieser
Schrift noch heute über dem           Duft von Geschichten und von
Eingang der Stiftsbibliothek          altem Pergament in der Luft.
St. Gallen geschrieben steht. Aus     Nirgends sonst ist die Zeit zwi­
dieser Heilstätte der Seele gin­gen   schen den Jahren 700 und 1100
einige schöpferische Mönche in        so gut dokumentiert wie in der
die Kulturgeschichte ein. Wie         Stiftsbibliothek und im Stifts­
der Dichter Notker Balbulus bei­      archiv St. Gallen. Und man stellt
spielsweise, der vergleichbar ist     sich vor, wie Notker mit viel Ge­
mit dem Bob Dylan unserer Zeit.       duld und grosser Sorgfalt einen
Während Dylan zu den einfluss­        Buchstaben nach dem anderen
reichsten Musikern des 20. Jahr­      auf sein Pergament setzte, um
hunderts zählt, ist der Toggen­       seine Gedanken für die Ewigkeit
burger einer der wichtigsten          festzuhalten. Gedanken zu Ideen
geist­
     lichen Lyriker der mittel­       und Sehnsüchten wie Gerech­
lateinischen Literatur. Seine         tigkeit und Nächstenliebe, die
Lieder wurden in ganz Europa          uns noch heute prägen.
H AU S
Einblicke in die
                                                   Schatztruhe
                                                A U S E RWÄ H LT E O B J E K T E

                                                 St. Galler Globus                                aber Schriften, die mit Notizen und Be­
                                                 Ein Globus ist wie ein dreidimensionales         merkungen angereichert wurden. Mit dem
                                                 Buch. Auch der St. Galler Globus, der kurz       Griffel direkt ins Pergament geritzt, be­
                                                 nach 1571 angefertigt wurde, erzählt seine       kommt ein Text eine persönliche Note.
                                                 Geschichten. Zum Beispiel diejenige der
                                                 damaligen Zeit und Weltanschauung. Auf           Wichtigste Handschrift
                                                 die Erde wurde eine Himmelskarte gemalt,         Die Nibelungenhandschrift stammt aus dem
                                                 sodass neben den Kontinenten auch die            13. Jahrhundert und ist die wichtigste Hand­
                                                 Sterne und Planeten zu sehen sind. Im pazi­      schrift für die deutsche Literatur des Hoch­
                                                 fischen Ozean erkennt man so das Stern­bild      mittelalters. Sie bietet in bester Überlieferung
Abrogans
                                                 des Schlangenträgers. Hinzu kommen Ge­           eine einzigartige Sammlung von mittelhoch­
Es gilt als das älteste erhaltene Buch in
                                                 schehnisse wie die Seeschlacht von Lepanto       deutschen Helden- und Ritterdichtungen –
deutscher Sprache. Das Glossar enthält un­
                                                 sowie furchterregende Ungeheuer und              neben dem Nibelungenlied auch «Parzival»
gefähr 3670 althochdeutsche Wörter und
                                                 meisterliche Porträts von Gelehrten und          und «Willehalm» von Wolfram von Eschen­
wurde nach dem ersten Eintrag «abrogans»
                                                 Astronomen. Und dann ist da noch die             bach oder «Karl der Grosse» des Strickers.
benannt, was mit «bescheiden, demütig»
                                                 Geschichte, in der der Globus während des
übersetzt werden kann. Auf den letzten
                                                 Zweiten Villmergerkriegs 1712 nach Zürich        Schönste Handschrift
Seiten findet sich die älteste Version des
                                                 verschleppt wurde. St. Gallen und Zürich         Der Folchart-Psalter ist ein Meisterwerk
«Vaterunsers» in deutscher Sprache. Der
                                                 stritten von 1996 bis 2006 um die Rückgabe       spät­karolingischer Initialkunst, die darin be­
Schweizer Schriftsteller Franz Hohler hat
                                                 des wertvollen Objekts, bis sie sich schliess­   stand, die Anfangsbuchstaben einer Seite
diesem Manuskript gar eine Geschichte mit
                                                 lich einigen konnten: Das Original sollte in     oder eines Kapitels besonders kunstvoll zu
                                                                                                                                                           39
dem Titel «Das Päckchen» gewidmet.
                                                 Zürich bleiben, dafür wurde für die St. Galler   gestalten.
                                                 eine exakte Replika hergestellt.
Klosterplan
                                                                                                  Bibliothekar
Um 820 wollte man das Kloster neu bauen
                                                                                                  Cornel Dora ist der
und orientierte sich dabei am Klosterplan
                                                                                                  Stiftsbibliothekar und
St. Gallen. Der Plan ist eher als Konzept für
                                                                                                  gehört zum Inventar
das damalige Leben zu verstehen. Er ist ein
                                                                                                  wie die Handschriften
wertvoller Zeitzeuge, der aufzeigt, wie die
                                                                                                  und Kuriositäten. Er
Gesellschaft, das Kloster und die Landwirt­
                                                                                                  ist die gute Seele der
schaft funktionierten. Auch welche Pflanzen
                                                                                                  Bibliothek und weiss
man damals anbaute, ist darauf ersichtlich.
                                                                                                  auf alle Fragen eine
Das unersetzliche Original kann im neuen
                                                                                                  Antwort. Eine Füh­
Ausstellungssaal im Stiftsbezirk besichtigt
                                                                                                  rung mit ihm ist eine
werden.
                                                                                                  Reise durch die Ge­
                                                                                                  schichte.
Holzboden
Die Filzpantoffeln gehören zur Stiftsbiblio­
thek wie die Bücher. Der Grund: Das
Schmuckparkett aus Fichten-, Nussbaum-
                                                 Kuriositäten
                                                 In der Bibliothek wurden auch allerhand
                                                 Kuriositäten gesammelt. Zur Sammlung ge­
                                                                                                             Haus der Wunder

                                                 hören unter anderem Schepenese, eine
                                                 weibliche Mumie aus dem alten Ägypten,
                                                 und das Reisetagebuch des Elsässer Weltrei­
                                                 senden Georg Franz Müller (1646–1723).
                                                 Seine wunderschönen Illustrationen von                                        Stiftsbezirk St. Gallen
                                                 Ananas, Kannibalen und Chinesen zeigen                                        Park mit Stiftskirche
                                                 ein Stück globalisierte Welt zu jener Zeit.                                   In der Seelenapotheke
                                                                                                                               die Magie auf Geist
                                                                                                                               und Körper wirken lassen.
und Kirschholz aus der Region St. Gallen hat     Griffel
bereits 252 Jahre auf dem Buckel und soll        Die handgeschriebenen Bücher sind häufig
noch viele weitere Jahre erhalten bleiben.       Gemeinschaftswerke, weshalb die Schriften
Deshalb geht kein Besucher ohne Pantoffeln       formalisiert sind und wenig über ihre Ur­                      Eintreten ins
in den Barocksaal.                               heber bekannt geben. Nicht selten gibt es                      Haus der Wunder.
MENSCH

Der Mensch beseelt die wechselvolle Landschaft
     mit lebendiger Kultur, verführerischer
Kulinarik und uralten Traditionen, die bis heute
           liebevoll gepflegt werden.

                            Genf
                    Zeit für die Zeit
                             42

             Val   de   B ag n e s & O r s i è r e s
                        Eine Passion
                         für Bretter
                            44

                         Freiburg
                   Café de la Fonderie
                            48

                   Schweiz. № 02
In Genf wird Zeit
 gemacht und mit
 dem Genfer Siegel
 ausgezeichnet.

MENSCH
MENSCH
Zauberlehrling:
Besarta Murti lernt
in Genf die hohe
Kunst des Uhren­
machens.

                                                                  Genf

                                                Zeit für die Zeit
                              Mit Fingerspitzengefühl werden winzige Zahnräder in
                               mechanischen Uhrwerken zum Leben erweckt und
                           befähigt, die flüchtige Zeit einzufangen. Ein Kunsthandwerk,
                                            das in Genf tief verwurzelt ist.

                      D     as Wasser springt gen Himmel und be­
                            grüsst in seiner Frische den Morgen.
                      Pünktlich um 9 – in den Wintermonaten um
                                                                       Wie viel Fingerspitzengefühl und Präzision
                                                                       in einem Uhrwerk zusammengefügt werden,
                                                                       zeigt ein Blick auf den Stundenplan der
                      10 Uhr – wird der Jet d’Eau eingeschaltet.       Lernenden. Im ersten Lehrjahr stellen sie zur
                      Ende des 19. Jahrhunderts wurde der Spring­      Schulung ihrer Hände Instrumente her, mit
                      brunnen in Betrieb genommen, um den              denen sie während der ganzen Ausbildung an
                      Überdruck im Netz des Wasserkraftwerks           ihrer «Schuluhr» arbeiten. Symbolisch zeigt
                      Coulouvrenière abzubauen. Der wachsende          es, dass die Zeit im Handwerk der Uhr­
                      Energiebedarf – etwa der Uhrenindustrie –        macherei langsamer schlägt. Denn: Es
                      war der Grund für den Bau des Werks.             braucht Zeit, um Zeit herzustellen.
                      Wurden die Maschinen abends abgestellt,
                                                                                                                       43
                                                                       Dass Genf zur Uhrmacherstadt wurde, ist
                      war der Druck zu gross. Später liess sich
                                                                       dem berühmten Reformator Calvin zu ver­
                      dieses Problem technisch lösen. Der Jet
                                                                       danken – und gewissermassen dem Um­
                      d’Eau aber blieb. Er wurde zum Wahrzeichen
                                                                       stand, dass Not erfinderisch macht. Denn im
                      und ist wegen seiner Geschichte gleichzeitig
                                                                       16. Jahrhundert war Genf ein Mekka für
                      ein Sinnbild der Uhrenindustrie.
                                                                       Goldschmiede. Als jedoch Calvin Reichtum
                      Bis heute ist Genf die Heimat vieler re­nom­     in Form von Gold und Edelsteinen strikt ab­
                      mierter Uhrenmarken und Inbegriff der            lehn­te, mussten sich diese einen neuen Er­
                      Schweizer Präzision. Nicht verwunderlich,        werbszweig suchen und widmeten sich
                      dass hier auch die Uhrmacherschule zu            fortan dem Uhrenhandwerk.
                      Hause ist, wo das traditionelle Handwerk an
                                                                       Aus derselben Zeit wie der Jet d’Eau stammt
                      die nächste Generation weitergegeben wird.
                                                                       auch das Genfer Siegel. Die Stiftung Timelab
                      Während vier Jahren tauchen die Lernenden
                                                                       vergibt heute diese kleine und doch sehr be­
                      in die Zauberwelt mechanischer Uhrwerke
                                                                       deutsame Prägung auf der Rückseite der Uhr.
                      ein – allesamt winzige Wunder, die die Zeit
                                                                       Das Siegel bedeutet, dass das Uhrwerk
                      takten und ihr mit ihrer eigenen Zeitlosigkeit
                                                                       vollständig in Genf hergestellt wurde, und
                      gleichzeitig trotzen. Eine der Schülerinnen
                                                                       ist Indikator für strengste Qualitätsbestim­
                      ist Besarta Murti. Sie ist im dritten Aus­
                                                                       mungen. «Das Genfer Siegel», sagt Besarta
                      bildungsjahr und wurde 2017 beim Grand
                                                                       Murti, «zeigt, dass wirklich jedes Teil des
                      Prix d’Horlogerie de Genève als beste
                                                                       Uhrwerks einzigartig ist. Das ist ein schöner
                      Schülerin der Uhrmacherschule Genf aus­
                                                                       Gedanke.» í
                      gezeichnet.
                      «Das Uhrwerk mit all seinen Zahnrädern hat
                      mich schon immer fasziniert», erzählt sie.       Genf aus der Sicht
                      «Dass damit etwas so Flüchtiges eingefangen      einer jungen
                      werden kann, hat etwas Zauberhaftes.»            Uhrmacherin.
bessonimmobilier.ch
Val   de   B ag n e s & O r s i è r e s

                                        Eine Passion
                                         für Bretter
                            E I N S K I M I T E I N E R S E E L E AU S H O L Z

                                                                                            45

                        Rund um den sagenumwobenen Grossen St. Bernhard bestimmt
                            der Berg das Leben. Das gilt auch für den Bergführer und
                        Schreiner Justin Marquis, der an rund 200 Tagen des Jahrs auf
                          Skiern steht. Seine Leidenschaft fürs Skifahren führte dazu,
                         dass er seine eigenen Skier entwickelte: just1ski. Diese fertigt
                              er mit viel Liebe und grosser Sorgfalt von Hand – und
                           stimmt jedes Paar genau auf den zukünftigen Fahrer ab. w

Jeder Ski ein Unikat,
das auf den Fahrstil
des zukünftigen Fah­
rers abgestimmt ist.
Skis fait à main
                                                   Justin Marquis hat uns in seine
                                                  Werkstatt in Orsières blicken lassen
                                                      und Fragen beantwortet.

         Justin, wie ist deine Passion für
         das Fertigen von Skiern entstanden?
         Ich bin Bergführer und Schreiner und als ich für die
         Ausbildung zum Bergführer ein paar neue Skier brauchte,
         stellte ich mich in die Werkstatt und tüftelte daran
         herum, wie der perfekte Ski beschaffen sein müsste.
         Nach über 200 Stunden harter Arbeit hatte ich es ge­
         schafft und hielt das erste Paar just1ski in Händen.

         Wie viele Stunden arbeitest du
         heute noch an einem Paar Skier?
         Der Prozess ist natürlich viel schlanker geworden, aber
         es braucht immer noch rund 20 Arbeitsstunden für ein
MENSCH

         Paar Skier.

         Welchen Teil des handwerklichen
         Prozesses magst du besonders gern?
         Die Arbeit mit Holz und das Verleimen der Schichten.
         Der Holzkern ist die Seele eines Skis, lebendig und vol­­ler
         Sinnlichkeit. Um den herum leimen wir je nach Ski un­
         terschiedliche Schichten aufeinander, die alle ihre be­
         sondere Funktion haben. Dieses exakte Zusammen­fügen
         der individuellen Skier macht mir Freude.

         Welche Materialien sind wichtig für deine Skier?
         Die Verbundstoffe aus Glasfasern, Kohlenstoff und
         Flachs sind wichtige Bestandteile des Innenlebens. Dazu
         kommt der Belag, von dem die Geschwindigkeit abhängt:
         Meine Skier haben einen Belag P-tex 5920, der sie mit
         gelegentlichem Wachsen perfekt gleiten lässt.

         Wie ist der Charakter deiner Skier?
         just1ski kann man am ehesten als Freeride-Touring-
         Skier bezeichnen. Aber jeder Fahrer ist anders und
         braucht einen Ski, der zu ihm, seinem Fahrstil und
         seinem Körper passt. Daher fahren die Kunden zuerst ein
         paar Schwünge mit einem standardisierten Testski. Aus
         den Rückmeldungen und Messungen der Fahrer
         bestimmen wir dann die Designanpassungen, sodass
         jedes Paar einen einzigartigen Charakter bekommt. w
Ein Skitag im Val de Bagnes                                                         24h        im

                                                                                                               a                      e

                                                                                                                                  s
                                                                                                             V
                                                                                                                   l
La Barmasse          Cabane Brunet
                                                                                                                                  n
                                                                                                                       de   Bag
Abenteuer im Pulverschnee
Die gesicherte Route von La Barmasse bis          langt man wieder zur Strasse, wo ein letzter,
zur Cabane Brunet ist eine Teilstrecke des        etwas sanfterer Anstieg bis zur Hütte wartet.
bekannten Skitourenrennens «Intégrale du          Von hier aus winkt die Hüttenfahne bereits                           8:00
Rogneux» – und ganz schön herausfordernd.         verlockend im Wind. Erschöpfte Abenteurer        Frühstück im Hotel La Vallée
Vom Parkplatz La Barmasse aus folgt man           werden von der Familie Corthay herzlich            Das familiengeführte Hotel
der verschneiten Strasse Richtung Brunet-         empfangen und mit stärkenden Gerichten           in Lourtier sorgt für erholsame
Hütte bis zur ersten Kreuzung, wo man links       sowie frischem Apfelkuchen nach Gross­            Nächte vor abenteuerreichen
in den Wald hinaufsticht. Dieser erste Auf­       mutterart bewirtet. Umgeben von einer                   Tagen im Schnee.
stieg bietet Ausblicke auf schöne Land­           atemberaubend schönen Bergwelt kann man
schaften – der Blick fällt zum Beispiel auf den   hier entspannt die Seele baumeln lassen und
imposanten Mont Pleureur am Ende des Val          die Nasenspitze bräunen. Für den Rückweg
                                                                                                                       9:00
                                                                                                      Abenteuer auf Skiern
de Bagnes – und bringt einen schon etwas ins      einfach der Strasse folgen, bis man wieder
                                                                                                   Von La Barmasse aus gelangt
Schwitzen. Nach dem Queren des Waldes ge­         zurück zum Parkplatz gelangt.
                                                                                                  man über eine ebenso malerische
                                                                                                    wie herausfordernde Route
                                                                                                   in ungefähr 2,5 Stunden zur
                                                                                                         Cabane Brunet.

                                                                                                                   11:30
                                                                                                   Zmittag in der Cabane Brunet
                                                                                                     Auf der gemütlichen Berg­
                                                                                                   hütte werden Skitourenfahrer
                                                                                                      mit würzigen Gerichten
                                                                                                    gestärkt, damit sie wieder fit
                                                                                                                                          47
                                                                                                    sind für die Abfahrt ins Tal.

                                                                                                                   16:00
                                                                                                    Farinet Après-Ski in Verbier
                                                                                                   In der Bar des Hotels Le Farinet
                                                                                                       sorgt Livemusik für aus­
                                                                                                        gelassene Stimmung.
                                                                                                                 oder
                                                                                                       Entspannen in Lourtier
                                                                                                     Und wer den Tag statt beim
                                                                                                    Après-Ski lieber mit Wellness
                                                                                                      ausklingen lässt, der fährt
                                                                                                      zurück ins Hotel La Vallée.

                                                                                                          Skivermietung
                                                                                                       Im Geschäft Montagne
                                                                                                    Show in Le Châble wird alles
                                                                                                     ver­mietet, was man für die
                                                                                                   abenteuerliche Skitour und das
                                                                                                     sichere Gleiten durch den
                                                                                                       Pulverschnee braucht.

                                                                                                  Die besten Ideen für
                                                                                                  unvergessliche Winter­-
                                                                                                  ferien im Wallis.
Freiburg

                    Café de
                  la Fonderie
  D I E K U L I NA R I K- KÖ N I G E VO N F R E I B U RG

                                                                     49

Die Jugendfreunde Ben und Léo haben schon früh ihre ge­mein­
  same Leidenschaft fürs Kochen entdeckt und diese während
    ihrer Studienzeit – Léo studierte Betriebswirtschaft, Ben
Politik – an Kochwettbewerben ausgelebt. Vom Erfolg beflügelt,
 setzten sie alles auf die Kulinarik: Sie lernten bei den Meistern
ihres Fachs, Bocuse und Ducasse, erhielten eine eigene Show im
nationalen Fernsehen und eröffneten 2016 mit grossem Rummel
                     ihr erstes Restaurant. p
SWISS MODERN WOOD
                                               KOCHEN AUF HOHEM NIVEAU
                                               Der Allrounder für zuhause kombiniert makellose Präzision mit strapazier-
                                               fähigen Materialien. Die Stärke verdankt das Messer seiner rostfreien
                                               Stahlklinge und dem feinen Nussbaumholzgriff, während der Kullenschliff
                                               verhindert, dass Lebensmittel an der Klinge kleben bleiben.

                                               FROM THE MAKERS OF THE ORIGINAL SWISS ARMY KNIFE™
                                               ESTABLISHED 1884

023_300_CUT_6-9050-17KG_AE_AD_160x220mm_DE 3                                                                     17.07.20 13:13
24h       in

                                                                                     Fr
                                                                                          eiburg

                 Neue Geschmäcke
                D I E K U L I NA R I K- KÖ N I G E                                   8:00
Das berühmte Café de la Fonderie von Ben und Léo liegt auf der               Le Point Commun
Kulturgrenze zwischen Ost und West, versteckt in einer ehemaligen       Frühstück mit feinem Sauer­
Giesserei im Industriequartier von Freiburg. Die inspirierenden          teigbrot und gutem Kaffee
Nachbarn sind das Fri-Son, der coolste Club der Westschweiz, ver­      im liebevoll geführten Restau­
schiedene kleine Läden und hippe Ateliers. Nach dem überwäl­          rant an der Place Jean-Tinguely.
tigenden Erfolg des Restaurants und ihrer Fernsehshow haben die
beiden Freunde nicht lange auf der faulen Haut gelegen. Sie haben
vielmehr mit dem japanisch inspirierten «Kumo», der experimen­
                                                                                     9:00
                                                                            Stadtspaziergang
tellen Jo-Bar sowie verschiedenen Take-away- und Home-Delivery-
                                                                           Durch die Altstadt zur
Initiativen unter anderem dazu beigetragen, das kulinarische Image
                                                                         «Loretokapelle» aufsteigen
der Stadt auf den neusten Stand zu bringen. Nachfolgend ein paar
                                                                            und danach die alte
                          Tipps von ihnen.
                                                                          Kathedrale St. Nikolaus
                                                                                 besuchen.

              p                                    s                                 12:00
    Reinbeissen                         Austrinken                                 Kumo
                                                                           Eine Stärkung aus der
                                                                           spannenden Hochzeit
           Pastabate                           Fri-Mousse
                                                                        von japanischen und lokalen
Die Nudelwerkstatt verarbeitet      In der kleinen Brasserie werden
                                                                               Geschmäcken.
                                                                                                         51
  mit viel Liebe und Wissen            seit 1993 Bierspezialitäten
um die Eigenschaften alter und       gebraut, die man am besten in
   neuer Sorten Biogetreide            der eigenen Bar verköstigt.                   14:00
 aus der Region zu Teigwaren             Rue de la Samaritaine 19           Design-Nachmittag
    von höchster Qualität.                    1700 Freiburg              In der Kunsthalle staunen
       Passage du Cardinal 1                                            und danach in der Bottega
          1700 Freiburg                   Le Petit Château             Ethica schöne Sachen kaufen.
                                    Die Familie Simonet baut seit
       Fromagerie Sciboz              200 Jahren an der besten
  Der Käseladen mit Herzblut        Lage der Region Reben an. Der
                                                                                     19:00
                                                                            Café de la Fonderie
 bietet seit 63 Jahren die besten      gesamte Betrieb ist bio­
                                                                           Im Restaurant von Ben
     Sorten der berühmten           dynamisch und die Weine sind
                                                                          und Léo stilvoll dinieren.
   Käse­region Freiburg sowie                ein Traum.
     aus­gewählte Laibe aus           Route du Lac 134, 1787 Môtier
                                                                                     22:00
                                          g
         der ganzen Welt.
     Boulevard de Pérolles 18a                                              Auberge aux 4 Vents
          1700 Freiburg
                                    Küchenwunder                        Noch einen Schlummertrunk
                                                                        in der Jo-Bar, dann in einem
       Biohof Tannacker                   Moitié-moitié                    der legendären Zimmer
  Der kleine biovegane Betrieb      Die weltberühmte Fondue­              der Auberge aux 4 Vents
     verarbeitet die auf dem        mischung aus der Region.                friedlich einschlafen.
   Hof wachsenden Gemüse,
                                          Gâteau bullois
   Beeren, Kräuter, Gewürze,
                                      Torte aus Nüssen mit
      Nüsse, das Obst und
                                 Rahm aus der Region La Gruyère
  verschiedene Wildpflanzen
                                         und Schokolade.
   zu grossartigen Preziosen.
  Vor allem das Sauerteigbrot             Cuchaule AOP
sowie Sirup und Gelées sind eine   Süssliches Maisbrot, das mit
    Sünde wert – vom Markt            der unbeschreiblichen
    oder direkt im Hofladen.          Moutarde de Bénichon
     Goma 8, 1718 Rechthalten            verheiratet wird.
                                                                      Die kulina­rischen
                                                                      Höhepunkte
                                                                      der Schweiz.
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