Blickwinkel Hometreatment Nachgefragt - Luzerner Psychiatrie
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
blickwinkel DAS MAGAZIN DER LUZERNER PSYCHIATRIE | No 12 | April 2021 Hometreatment Nachgefragt Resilienz Mischgebrauch Einblick in den Neuer Chefarzt in Zeiten von von Substanzen Arbeitsalltag Stationäre Dienste Corona
blickwinkel Magazin der lups Inhalt 4–6 12 – 16 17 – 19 Titelgeschichte Im Fokus 4 –6 Home Treatment in Zeiten 22 – 23 Studieren in Zeiten von Corona der Pandemie Interview mit Alain Styger Einblick in den aktuellen Arbeitsalltag News der GiA 24 – 25 Rechtsformänderung Im Fokus Start Projekt Rechtsformänderung lups 7 –9 Nachgefragt News Dr. med. Lienhard Maeck – Neuer Chefarzt 25 Bautätigkeit lups Im Fokus Sanierung Haus B 10 – 11 Resilienz News In Zeiten der Pandemie 26 – 27 Personelles aus dem Kader Im Fokus Beförderungen und neue Ansprechpartner 12 – 16 Mischgebrauch von Substanzen News Polytoxikomanie als klinisches Problem 27 Agenda Im Fokus Vorschau Fortbildungen 17 – 19 Sucht im Alter Auswirkungen auf das allgemeine Suchtverhalten Im Fokus 20 – 21 Joint Master Medizin Start im Herbstsemester 2020 Impressum Marion Reichert Hutzli, Leitende Ärztin Ambulante Dienste; Dr. med. Magazin «blickwinkel», Nº 12, April 2021 Julius Kurmann, ehem. Chefarzt lups; Dr. phil. Ingeborg Warnke, Herausgeber Luzerner Psychiatrie, www.lups.ch Koordinatorin Weiterbildung & Forschung; Jennifer Fringeli, Redaktionsleitung Silvia González, Fachmitarbeiterin Kommunikation & Marketing Teamleiterin Kommunikation & Marketing Fotografie Fabian Feigenblatt und Diverse Redaktionelle Mitarbeit Dr. med. Fabian Ludwig, Stellenleiter GiA; Layout Minz, Agentur für visuelle Kommunikation, www.minz.ch Dr. med. Lienhard Maeck, Chefarzt Stationäre Dienste; Dr. med. Oliver Druck Abächerli Media AG Bilke-Hentsch, Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrie; Dr. med. Auflage 2800 Exemplare Raphaela Jülke, Leitende Ärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie; Sarah Redaktion Luzerner Psychiatrie, Kommunikation & Marketing, Theiler, Assistenzärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie; T 058 856 50 47, info@lups.ch 2
blickwinkel Editorial Magazin der lups Die Herausforderungen der «neuen Normalität» Liebe Leserinnen und Leser Noch immer befinden wir uns in einer aussergewöhnlichen Zeit, welche uns stark beschäftigt. Die seit über einem Jahr anhalten- den Einschränkungen stellen die Menschen vor Herausforde- rungen und die psychische Belastung steigt. Dies zeigt sich seit der zweiten Welle in der Corona-Pandemie. Die Nachfrage nach ambulanten Leistungen im Kinder-, Jugend- und Erwachsenenbereich sowie die stationären Zuweisungen von Kindern und Jugendlichen nahmen deutlich zu. In der Ge- meindeintegrierten Akutbehandlung Luzern Stadt behandelte das Team vermehrt Frauen, die kurz nach der Geburt ihres Kin- des in psychische Schwierigkeiten geraten waren. Dr. med. Lienhard Maeck, welcher im Januar 2021 seine Tätig- keit als Chefarzt Stationäre Dienste aufgenommen hat, be- richtet über seinen Start in der Luzerner Psychiatrie und wel- Die Luzerner Psychiatrie (lups) und das Luzerner Kantonsspital che Bedeutung der Resilienz in Zeiten der Pandemie zukommt. (LUKS) werden von öffentlich-rechtlichen Anstalten in zwei gemeinnützige Aktiengesellschaften umgewandelt. Der Kan- Die adoleszenztypische Risikowahrnehmung spielt aus ent- tonsrat des Kantons Luzern hat der Änderung der Rechtsform wicklungspsychologischer Perspektive eine besondere Rolle der beiden kantonalen Spitalunternehmen zugestimmt. Die bei der Intensität des Konsums legaler und illegaler psychoth- Umwandlung in eine gemeinnützige Aktiengesellschaft er- ropischer Substanzen im Jugendalter. Im Vergleich zu Erwachse- folgt bei der lups per 1. Juli 2022. nen schätzen Jugendliche potentielle Gefahren als geringer ein. Beziehung im Mittelpunkt – so lautet unser Versprechen an Im Erwachsenenalter sind insbesondere die Medikamente wie unsere Patient*innen, Bewohner*innen, Mitarbeiter*innen, auch der Alkohol besonders problematisch. Die vergangenen Zuweisenden und Partner. Und das nicht nur zu «normalen Monate mit den pandemiebedingten Veränderungen hatten Zeiten». Denn auch während der Pandemie halten wir unsere auch Auswirkungen auf das allgemeine Suchtverhalten. Angebote verfügbar. Im Herbstsemester 2020 startete der Joint Master Medizin Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre und einen opti- erfolgreich, wenn auch unter «Corona»-Bedingungen vor- mistischen Blick in die Zukunft. wiegend im Fernstudium. Wie die Veranstaltungen und Prak- tika wahrgenommen wurden, schildert ein Studierender des Peter Schwegler «Luzerner Tracks». Direktor / CEO 3
blickwinkel Magazin der lups Titelgeschichte Die Entwicklung der Eltern-Kind-Bindung kann unterstützt werden, indem die Akutbehandlung zu Hause erfolgt. (Symbolbild) 4
blickwinkel Titelgeschichte Magazin der lups Home Treatment in Zeiten der Pandemie Die zweite Corona-Welle hat die Gemeindeintegrierte Akutbehandlung (GiA) der Luzerner Psychiatrie im Herbst und Winter auch in Form von vielen Patient*innen erreicht, welche durch die Pandemie in Schwierigkeiten geraten sind. Welches sind die Gründe für die erhöhte Nachfrage nach psychiatrischer Akutbehandlung im Home Treatment? Ausschnitte aus dem aktuellen Arbeitsalltag der GiA sollen einen Einblick in mögliche Zusammenhänge geben. Sichtbar werden dabei auch die Herausforderungen, welche die Pandemie an den Arbeitsalltag der GiA-Mitarbeitenden stellt. Nach der Geburt Fehlende Behandlungsplätze, Beispielhaft für den Einfluss der Pandemie kann eine Gruppe fehlende Tagesstruktur von Patientinnen angesehen werden, welche in der GiA Luzern Ein Muster, welches sich über alle Gruppen von Patientinnen Stadt seit dem Herbst 2020 besonders zugenommen hat: und Patienten zeigt: Aufgrund der hohen Auslastung psychia- Noch nie wurden so viele Frauen behandelt, die kurz nach der trischer Arztpraxen fällt es in der zweiten Welle vielen Men- Geburt ihres Kindes in psychische Schwierigkeiten geraten schen schwer, rasch professionelle Hilfe für ihre psychischen sind. Dank der Möglichkeit, die Akutbehandlung in Form von Schwierigkeiten zu erhalten. Durch die Verzögerung der Un- täglichen Hausbesuchen durchzuführen, können Klinikaufent- terstützung spitzen sich die Schwierigkeiten weiter zu, bis eine halte oftmals vermieden werden. Dies kommt der Eltern-Kind- Akutbehandlung unumgänglich wird. Nicht selten handelt es Bindung und der Stärkung der sozialen Ressourcen in dieser sich um Probleme, welche mit einer frühzeitigen ambulanten wichtigen Lebensphase zugute. Behandlung gut zugänglich gewesen wären. Der Einfluss der Pandemie auf die Patient*innen zeigt sich in Überhaupt ist es für viele Menschen eine Zeit des langen War- jedem Fall unterschiedlich, er ist aber unverkennbar. Eine jun- tens – nicht nur auf Behandlungsplätze. Was im Lockdown der ge Mutter etwa war nach Geburt ihrer ersten beiden Kinder ersten Welle noch absehbar erschien, nimmt in der zweiten jeweils in ihr Herkunftsland gereist, um die ersten Monate in Welle kein Ende mehr: Das Warten auf die geplante medizini- engem Kontakt mit der Verwandtschaft zu verbringen. Nach sche Abklärung, auf das Wiedersehen mit der Familie oder auf der Geburt des dritten Kindes war dies aufgrund der Pande- die Wiederaufnahme von Freizeitaktivitäten. Viele tagesstruk- mie nicht möglich. Sie entwickelte Ängste, depressive Symp- turierende Angebote für Menschen mit chronischen psychi- tome und eine Verunsicherung in ihrer Mutterrolle. schen Erkrankungen wurden pausiert oder eingeschränkt. In einem anderen Fall fielen den Angehörigen schon bald nach Wer in dieser Zeit den Job verloren hat, hat grosse Mühe, eine der Geburt besorgniserregende Veränderungen auf: In zuneh- neue Anstellung zu finden – eine Situation, welche gerade bei mend unverständlichem Ausmass sorgte sich die Mutter um jungen Menschen zu einer merklichen Zunahme von Sinnkri- die Gesundheit ihres Neugeborenen. Der Partner suchte Hilfe, sen und Depressionen geführt hat. Nicht zuletzt zeigte sich in doch aufgrund der erhöhten Nachfrage waren in allen ange- mehreren GiA-Behandlungen, dass auch die Schliessung der fragten psychiatrischen Praxen die Behandlungsplätze besetzt. Fitnesseinrichtungen einen einschneidenden Wegfall von Ta- Der Zustand der Mutter verschlechterte sich weiter. Sie fühlte gesstruktur bedeuten kann. sich beobachtet und fürchtete, die Muttermilch könnte vergif- tet sein. Nach einer weiteren Zuspitzung der Situation erhielt sie durch die lups professionelle Hilfe in Form einer Akutbe- handlung zu Hause. 5
blickwinkel Magazin der lups Titelgeschichte Unter Einhaltung der Schutzmassnahmen konnte das Hometreatment aufrechterhalten werden. (Symbolbild) Home Treatment in Isolation und Quarantäne Es finden auch Menschen in die GiA-Behandlung, deren psy- Schutzmassnahmen konnten die täglichen Hausbesuche im chische Probleme direkt mit der Ansteckungsgefahr des Virus Elternhaus fortgesetzt werden. Diese Zeit erwies sich so als zusammenhängen. Menschen etwa, die aus Angst vor einer eine zwar schwierige, aber auch wichtige Phase in der Be- Infektion ein übertriebenes Vermeidungsverhalten entwickeln handlung. und in eine zunehmende Abschottung geraten. Hier geht es darum, einen guten Umgang mit den Ängsten zu finden und Dr. med. Fabian Ludwig ein sinnvolles Mass bei der Umsetzung der Massnahmen zu Oberarzt, Stellenleiter GiA Luzern Stadt trainieren. Und dann natürlich auch die Menschen, die sich selbst mit dem Coronavirus infiziert haben oder Kontakt mit einer infi- Gemeindeintegrierte zierten Person hatten. Ein junger Erwachsener etwa litt unter Akutbehandlung – Hilfe zu Hause einer schwierigen Dynamik im Elternhaus und entwickelte statt in der Klinik selbstverletzende Verhaltensweisen. Als er bei einem Kollegen Die Teams der Gemeindeintegrierten Akut unterkommen konnte, gab ihm dies den nötigen Abstand, um behandlung (GiA) betreuen und behandeln sich auf eine Therapie mit der GiA einzulassen. Kurz nach Be- Patient*innen wenn immer möglich in ihrem handlungsbeginn wurde er jedoch als Kontaktperson identifi- häuslichen Umfeld. Die Behandlung im ziert und in Quarantäne beordert: 10 Tage zurück ins Elternhaus. sogenannten «Home Treatment» hat den Vorteil, dass Patient*innen auch in einer akuten Isolation und Quarantäne bedeuten für Menschen mit einer Phase in ihrer vertrauten Umgebung bleiben psychischen Erkrankung oft eine besondere Herausforderung. können. Die Behandlung wird individuell Schon früh in der Pandemie wurde daher der Entscheid ge- auf die einzelnen Bedürfnisse angepasst und troffen, das Behandlungsangebot der GiA auch für Menschen die Angehörigen können besser miteinbezogen aufrechtzuerhalten, die sich in Quarantäne befinden oder werden. selbst am Virus erkrankt sind. Unter Einhaltung erweiterter Weitere Informationen unter www.lups.ch 6
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups Nachgefragt beim neuen Chefarzt Stationäre Dienste Dr. med. Lienhard Maeck hat Anfang Januar 2021 seine Arbeit als Chefarzt Stationäre Dienste in der Luzerner Psychiatrie aufgenommen. Blickwinkel wollte wissen, was ihm wichtig ist in seiner Arbeit und wie er in dieser besonderen Zeit von Corona gestartet ist. Herr Maeck, Sie haben Anfang Jahr Ihre Arbeit in der lups aufgenommen. Dies in einer ungewöhnlichen Zeit mit Covid-19. Wie haben Sie gestartet in der lups? Meinem Eindruck nach bin ich gut gestartet. Zum einen haben Julius Kurmann (ehem. Chefarzt Stationäre Dienste, a. d. R.) und die lups meine Amtsübernahme sorgfältig vorbereitet und mich frühzeitig mit wichtigen Geschäften vertraut ge- macht. Ein Einführungsplan half mir zudem, den Betrieb und die zahlreichen Behandlungsteams kennen zu lernen. Zum an- deren waren es aber auch viele «Kleinigkeiten», die dazu bei- getragen haben, dass ich mich von Beginn an wohl fühlen durfte: Darunter der herzliche Empfang am ersten Tag, die vielen offenen Gespräche mit meinen neuen Mitarbeitenden und Geschäftsleitungskolleg*innen – und das überall anzutref- fende freundlich-interessierte Klima, das es mir leicht machte (und weiterhin macht), jederzeit Antwort auf meine noch zahl- reichen Fragen zu finden. Auch, dass meine IT-Ausstattung von Dr. med. Lienhard Maeck, Chefarzt Stationäre Dienste Tag eins an funktionierte und alle notwendigen Passwörter pa- rat waren, habe ich sehr geschätzt – allen an meiner Einarbei- tung Beteiligten sei an dieser Stelle herzlich gedankt! reibungslos weiterlaufen kann. Was mich persönlich betrifft, Welches sind besondere Herausforderungen durfte ich ja in den vergangenen Wochen viele, für mich neue in Zeiten von Corona? Gesichter kennenlernen, welche aber durch das erforderliche Die Corona-Pandemie drängte sich ungefragt in den Vorder- Maskentragen auf Frisur und Augenpartie reduziert waren. grund, dominiert seit mehr als einem Jahr das Tagesgeschehen Das Wiedererkennen unter naturalistischen Bedingungen wird und schränkt uns in vielfältiger Weise ein. Viel lieber würden daher herausfordernd sein – wenn es mir nicht in jedem Fall wir uns voll und ganz unserer Kernaufgabe widmen: Men- gelingt, was anzunehmen ist, bitte ich schon jetzt um Nach- schen mit psychischen Erkrankungen zu helfen, was ja an und sicht. Wie wahrscheinlich die meisten von uns, vermisse ich für sich schon herausfordernd sein kann. Ich freue mich daher zudem den spontanen Einsatz mimischer Mitteilungsmöglich- auf den Tag, ab dem die Pandemie wieder in den Hintergrund keiten; das Tragen von Masken verleiht unseren Interaktionen rückt. Gleichzeitig habe ich Respekt für alle, die mit ihrem En- etwas ungewollt Statisches. Schwierig dürfte das erst recht für gagement, aber auch ihrer Gelassenheit dazu beitragen, dass unsere Patient*innen sein, deren Probleme v. a. im Interaktio- unser wichtiges Angebot auch unter Corona so vergleichsweise nellen manifest werden. 7
blickwinkel Dienstagnachmittag Magazin der lups Im Fokus und jeden 2. Freitagnachmittag Sarnen Wie organisieren Sie sich im Zusammenhang Neben vielem anderen Wichtigen möchte ich noch mein zen- mit den verschiedenen Standorten? trales Thema, das der konsequenten Patientenorientierung, Ich habe, ganz pragmatisch, den Zeitplan meines Vorgängers erwähnen. Ich habe mir angewöhnt, jede Massnahme im Hin- übernommen. Dienstags bin ich, jeweils halbtags, in Luzern blick auf den (potentiellen) Patientennutzen zu beurteilen und und Sarnen, mittwochs in Luzern. Ansonsten bin ich jeweils in freue mich über jeden «alten Zopf», der als nicht mehr zeitge- der Klinik St. Urban. Fortan werde ich zudem jeden zweiten mäss – oder eben patientenorientiert – identifiziert und abge- Freitag in Sarnen sein, was mir auch die Gelegenheit bietet, an schafft werden kann. Ich will aber klar anmerken, dass mir die einer Patienten-Gesprächsgruppe und Abteilungsversammlung lups da bereits sehr gut unterwegs scheint! teilzunehmen. Die Übernahme des Termingerüsts meines Vor- gängers hat – abgesehen vom strukturgebenden Effekt in Was haben Sie in der kurzen Zeit meiner Anfangsphase – den Vorteil, dass ich nichts Wesentli- an Positivem erlebt? ches vergesse. Die Arbeit an drei Standorten finde ich übri- Sicher zum einen die freundlich-offene Art aller Personen, mit gens sehr reizvoll; ich bin gern unterwegs und mag entspre- denen ich bislang zu tun hatte. Sie stehen jederzeit mit Rat und chend auch Road Movies am liebsten, was Filmgenres betrifft. Tat zur Seite, wenn ich Fragen habe. Aus der sachlich-unaufge- regten Art und Weise, wie z. B. in Rapporten über besonders Was ist Ihnen besonders wichtig in Ihrer Arbeit? herausfordernde Patientensituationen berichtet wird, konnte Die lups ist ein grosser Betrieb mit vielen Standorten, die jeweils ich zudem ableiten, dass auf den Abteilungen ein hohes Mass ihre eigene Geschichte und Besonderheiten haben. Ich würde an psychiatrisch-psychotherapeutischer Professionalität herrscht. gern meinen Teil dazu beitragen, dass sich die Mitarbeitenden Das finde ich ausgesprochen angenehm und keinesfalls selbst- gleichermassen ihrem Standort und der lups als Ganzes ver- verständlich. In entsprechender Weise scheint mir zudem die bunden fühlen; die «gefühlte räumliche Distanz» zwischen den Bewältigung der Corona-Situation zu laufen: Auch hier herrscht Organisationseinheiten sollte entsprechend möglichst klein Professionalität – und damit auch ein Stück weit Gelassenheit sein. Wichtig ist mir zudem der offene, unkomplizierte Aus- – vor, was sicher allen in vorteilhafter Weise zu Gute kommt. tausch mit den Mitarbeitenden. Ich möchte eine Kultur der Ganz besonders viel Freude habe ich übrigens an der schönen offenen Tür pflegen und an dieser Stelle betonen, dass ich für Umgebung in St. Urban und Sarnen; die Lage der Klinik in Lu- Anliegen gern auch kurzfristig zur Verfügung stehe. Das gilt zern, auf dem Areal des Kantonsspitals, ist wiederum ein aus- übrigens auch für unsere zahlreichen externen Partner und Zu- gesprochen strategischer Pluspunkt – und der sich am Morgen weisenden, von denen ich schon einige kennenlernen durfte. bietende Blick auf die Berge einfach nur grandios! 8
Dienstagvormittag blickwinkel Im Fokus Magazin der lups und Mittwoch Luzern Montag, Donnerstag, Freitag St. Urban Was gehen Sie Neues an? Die lups ist ein innovationsfreudiger Betrieb und befindet sich herausfordernder therapeutischer Situationen sinnvoll und schon länger in einem dynamischen Veränderungsprozess; je- sollte grundsätzlich so bleiben. Dennoch könnte man relative der Veränderung, wie sinnvoll sie auch sei, haftet aber auch Schwerpunktbildungen fördern, in dem z. B. spezifischere Kom- immer etwas Herausforderndes an. Das – und meinen bislang petenzen, wie etwa zur Behandlung von Zwangserkrankun- noch bescheidenen lups-Erfahrungshorizont – habe ich vor gen, auf bestimmten Abteilungen gebündelt würden. Meiner Augen, wenn es darum geht, das Bestehende weiter zu entwi- Überzeugung nach würde sich das positiv auf unsere Behand- ckeln. Als bekannt vorausgesetzt sei weiterhin das Wissen um lungsprozesse auswirken; nebenbei würde es auch den Mitar- die in den kommenden Jahren anstehenden Projekte, darun- beitenden Anreize bieten, sich interessengeleitet und praxisre- ter das Projekt KANT (Krisen-, Abklärungs-, Notfall- und Triage levant weiterzuqualifizieren. zentrum lups), auf dessen Umsetzung ich mich besonders freue. Nicht zuletzt würde ich es begrüssen, würde die lups ihr Angebot Mir liegt viel daran, die lups als Weiterbildungsstätte für biologisch orientierter Behandlungsmethoden nachfrageori- Ärzt*innen und Psycholog*innen attraktiv zu halten. Speziell entiert erweitern. Das könnte etwa die Elektrokonvulsionsthe- aus der bei uns gut etablierten Zusammenarbeit beider Berufs- rapie (EKT), die repetitive transkranielle Magnetstimulation gruppen ergeben sich Chancen, die aber vielleicht auch noch (rTMS) oder auch die Behandlung mit Esketamin betreffen. nicht vollständig ausgeschöpft sind: Psycholog*innen sind Der Patient*innennutzen wäre z. B. im Falle therapierefraktärer mitunter erfahrener, was das Leiten therapeutischer Gruppen depressiver Erkrankungen gegeben, darüber hinaus böte sich betrifft, umgekehrt wissen Ärzte mehr in Bezug auf mögliche die Möglichkeit, unsere ohnehin schon gut etablierte Zusam- somatische Ursachen psychischer Störungen. Für beide ist das menarbeit mit unseren somatischen Partnern weiter zu vertiefen. spezifische Können und Wissen der jeweils anderen Berufs- gruppe relevant und könnte im Sinne einer Win-Win-Situation Vielen Dank Herr Maeck für das Gespräch. Wir wünschen Ihnen auf verschiedenen Ebenen besser «abgeschöpft» werden. viel Energie und Erfolg für die Umsetzung Ihrer Ideen und Ziele. Speziell im Akutbereich fällt mir auf, dass alle Abteilungen in- Für das Interview: haltlich breit aufgestellt sind und die sich daraus ergebende Silvia González, Teamleiterin Kommunikation & Marketing Abwechslung explizit schätzen. Das ist auch im Hinblick auf die Notwendigkeit einer einigermassen gleichmässigen Verteilung 9
blickwinkel Magazin der lups News Resilienz in Zeiten der Pandemie Das Jahr 2020 wird uns als «Corona-Jahr» mit seinen vielfältigen Einschränkungen und kollektiven Herausforderungen wohl lebenslang in Erinnerung bleiben. Unter den heutigen «Middle Agern» dürften wahrscheinlich Claim «Beziehung im Mittelpunkt» – Beziehungen. Und gerade nur der Fall des «Eisernen Vorhangs» im Jahr 1989 oder «Nine unsere Beziehungsgestaltung wird ja von der Pandemie in be- Eleven» eine Prägung vergleichbaren Ausmasses hinterlassen sonderer Weise tangiert. haben. Hinzu kommt, dass das pandemische Geschehen noch nicht überwunden ist und – trotz inzwischen verfügbarer Imp- So zeigt sich aktuell, dass vor allem die unter 30-jährigen ver- fungen – vorerst weiter alltagsprägend bleiben dürfte. Diejeni- mehrt an Gefühlen von Sinnlosigkeit und Hoffnungslosigkeit gen, die der aktuellen Unsicherheit und den Belastungen mit leiden. Einer Studie der Universität Basel zu Folge soll derzeit Ruhe, Gelassenheit und Zuversicht begegnen können, verfü- jede dritte Person zwischen 14 und 24 Jahren an ausgepräg- gen über ein gutes Mass an Resilienz. Wörtlich übersetzt be- ten depressiven Symptomen leiden. Entsprechend ist es wäh- deutet Resilienz die Fähigkeit, «zurückspringen» zu können, rend der anhaltenden Pandemie in der jüngeren Altersgruppe nach einem aversiv erlebten Ereignis also in einen stabilen zu einer markant erhöhten Nachfrage nach psychotherapeu- Ausgangszustand zurück zu kehren. Je resilienter jemand ist, tisch-psychiatrischen Dienstleistungen gekommen. In der be- desto kleiner ist die Anfälligkeit für psychische Leiden: Dabei treffenden Kohorte bedingt die mit Kontakteinschränkungen zeigen sich Menschen mit höherer Resilienz rascher in der bis hin zur Isolation einhergehende neue Alltagsrealität eine Lage, herausfordernden Situationen mittels stressvermindern- relativ stärkere Abnahme an sozialen Interaktionsmöglichkei- der Verhaltensanpassungen zu begegnen. Streng genommen ten und positiv erlebter interpersoneller Nähe. Das fällt noch würden sie also nicht nur in einen Ausgangszustand zurück mehr bei den Adoleszenten ins Gewicht, die in dieser prägen- gelangen, sondern sich in Form einer Anpassungsleistung den Transitionsphase die Basis für ihre spätere Fähigkeit legen, weiterentwickeln. Dieser Umstand ist mitunter gemeint, wenn tragfähige und resilienzfördernde Beziehungen einzugehen. vielerorts etwas schablonenhaft gesagt wird, dass Krisen auch Die ältere Generation hingegen, sofern nicht von schwerer Chancen seien. Krankheit oder Vereinsamung betroffen, erweist sich als ver- gleichsweise psychisch robuster. Ihnen kommt u. a. ihre Lebens Psychische Widerstandskraft erfahrung entgegen, die sie gelehrt hat, einen etwas routinier- Das Ausmass unserer psychischen Widerstandskraft ist un- teren Umgang mit aversiven Situationen zu finden. gleich verteilt; ein Teil hat biologische Wurzeln, ein anderer Teil ist das Ergebnis unserer individuellen Lebensgeschichte Es stellt sich also die Frage, was in einer Zeit, in der weniger und -erfahrungen. Da wir – wenn auch nicht vollumfänglich – persönliche Kontakte als üblich möglich sind, zum Erhalt res- Einfluss auf die Erfahrungen haben, die wir machen, ist Resili- pektive zur Verbesserung der Resilienz dienlich sein könnte. enz keine Konstante, sondern veränderbar. Im therapeutischen Auch hier liegt ein Schlüssel in unserer Beziehungsgestaltung. Kontext gilt es dabei zu lernen, Krisensituationen als Heraus- Die Beziehungsqualität zu Anderen – und damit die Resilienz forderungen zu betrachten und ihnen Zuversicht, Hartnäckig- der Beteiligten – lässt sich auch und gerade in der aktuellen keit und aktive Problemlösungsstrategien entgegen zu setzen, Stresssituation verbessern, wenn man nach Anderen schaut etwa analog einem Bergsteiger, der konkrete Überlegungen und Ihnen z. B. mit einer Extraportion Hilfsbereitschaft, Höf- anstellt, wie sich ein herausfordernder Gipfel bezwingen liesse. lichkeit, Rücksichtnahme und Respekt begegnet. Die beein- Ein zentraler resilienzfördernder Faktor sind – getreu unserem druckenden, z. T. sehr kreativen, Formen der Nachbarschafts- 10
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups Emotionen steuern, Impulse kontrollieren Ziele setzen und angehen Selbst Soziales kontrolle Netzwerk Resilienz Selbst vertrauen Fähigkeit Probleme, Krisen zu bewältigen Optimistische Grundhaltung Humor Corona wird vorerst weiterhin alltagsprägend sein. (Symbolbild) hilfe unter Lockdown-Bedingungen im Frühjahr 2020 können Wenn sich also die lups, ihrem Motto «Beziehung im Mittel- in diesem Zusammenhang als Ausdruck menschlicher Anpas- punkt» entsprechend, für eine positive Beziehungsgestaltung sungsleistungen zum Erhalt bzw. zur Verbesserung von Resi- zu ihren Patientinnen und Patienten sowie anderen An- lienz verstanden werden. Sowohl die Helfenden als auch die spruchsgruppen einsetzt, leistet sie ganz nebenbei einen Hilfeempfangenden konnten davon im Sinne einer Win-Win- wichtigen Beitrag zur Steigerung von Resilienz – der der An- Situation profitieren: Einerseits führte die entgegengebrachte deren, aber auch der Unseren. Unterstützung tendenziell zu einer Verbesserung der Bezie- hungsqualität untereinander. Zum anderen war auch das Dr. med. Lienhard Maeck Empfangen von Hilfe ein resilienzverbessernder Faktor. Denn Chefarzt Stationäre Dienste das sich darunter einstellende Gefühl von «Urvertrauen», nachdem Hilfe kommt, wenn man welche benötigt, ist eben- falls Ausdruck von Resilienz. 11
blickwinkel Magazin der lups Im Fokus Mischgebrauch von Substanzen und Polytoxikomanie als klinisches Problem Bei der Entwicklung einer Polytoxikomanie spielen biologische, psychologische und soziale Faktoren eine Rolle. Zudem ist auch die Interaktion von Substanzen von Bedeutung. Viele biologische und psychologische Risikofaktoren für eine Abhängigkeits- entwicklung sind substanzunspezifisch. So bewirken alle Substanzen – abgesehen von den Halluzinogenen – eine Aktivierung des mesolimbischen Belohnungssystems. Jugendliche schätzen potentielle Gefahren weniger ab als Erwachsene. (Symbolbild) 12
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups Hierbei kann die gemeinsame Einnahme von mehreren Sub unterschiedlichen Zwecken einzusetzen. Es besteht ein hohes stanzen zu einer zusätzlichen Aktivierung des dopaminergen Vertrauen innerhalb dieser subkulturellen Peergruppe. Systems führen. Auch genetische Untersuchungen lassen ver- muten, dass es neben substanzspezifischen genetischen Risiken Früherkennung von Polytoxikomanie auch substanzunspezifische Risiken gibt. Eine gemeinsame, problemen bei Jugendlichen eventuell auch vererbbare Disposition zur Entwicklung einer Die Entwicklung einer Polytoxikomanie ist ein komplexes bio- Abhängigkeitserkrankung könnte in bestimmten Persönlich- psychosoziales Geschehen, welches die Konsument*innen, keitszügen bestehen wie z. B. dem Reizhunger (novelty seeking) ihre Umgebung und deren Interaktion betrifft. Dabei spielen oder der Unlustvermeidung (harm avoidance). Risikofaktoren auf der Seite des Individuums, der konsumier- ten Substanz und des sozialen Kontextes eine Rolle. Einige Bei gegebener genetischer und psychischer Disposition neh- Grundmuster zeigen eine frühe Gefährdung und damit die men dann auch soziale Faktoren Einfluss darauf, welche Ab- Notwendigkeit einer frühen Intervention an: hängigkeit und wie viele Abhängigkeiten sich manifestieren. – f rüher Beginn des Konsums (vor dem 12. Lebensjahr, Zu diesen sozialen Faktoren gehören die Verfügbarkeit be- ggf. präpubertär) stimmter Substanzen und deren Präferenz und Akzeptanz in – s chnelle Dosissteigerung der sozialen Referenzgruppe. – z unehmend sozial isolierter Konsum, ausserhalb von Peergruppen Abhängigkeitsentwicklung bei Jugendlichen – E innahme von mehr als einer Substanz Die adoleszenztypische Risikowahrnehmung spielt aus ent- –w ahllos oder gezielt abrupte und nachhaltige Wechsel wicklungs-psychologischer Perspektive eine besondere Rolle der Peergruppe bei der Intensität des Konsums legaler und illegaler psychotro- – T eilnahme an drogenfokussierten Kulturen per Substanzen im Kindes- und Jugendalter. –g edankliche Fokussierung auf Substanzkonsum – k omorbide Problematiken, meistens psychischer Natur Im Vergleich zu Erwachsenen schätzen Jugendliche potenzielle – f rühe Devianz Gefahren als geringer ein. Das Jugendalter ist typischerweise – innerfamiliäre Belastungen stark geprägt vom mehrdimensionalen Persönlichkeitsmerkmal – k onsumierende Eltern des «sensation seeking» und ist ein Faktor, der das Risikover- – F unktionalität des Konsums bei der Bewältigung von halten im Jugendalter beeinflusst. Jugendliche streben da- Entwicklungsaufgaben nach, neue intensive und komplexere Erfahrungen und Ein- drücke zu erlangen mit der Bereitschaft, physische, soziale, Das Konzept dieser Risikofaktoren ist hilfreich beim Gesamtver- juristische und finanzielle Risiken in Kauf zu nehmen. ständnis und der Herleitung eines Drogenproblems. Die Früher- kennungskriterien zeigen bereits im Kern einige diagnostische Die erhöhte Bereitschaft des Merkmals «sensation seeking» Kriterien der späteren Polytoxikomanieerkrankung. Temporärer im Jugendalter korrespondiert mit einer erhöhten Wahrschein- Konsum bei Jugendlichen meint, dass sie über mehrere Tage lichkeit, legale wie illegale psychotrope Substanzen zu konsu- und intensiv Drogen gebrauchen, dann längere Pausen mit mieren. scheinbarer Drogenfreiheit zeigen, um angesichts auslösender Ereignisse oder bei Wechsel in eine riskante Peergruppe wieder Jugendliche konsumieren Drogen mit dem Ziel bestimmter in die Polytoxikomanie-Verhaltensweise zurückzufallen. Damit Wahrnehmungs- und Stimmungsveränderungen. Zum Bei- werden Beobachtungen über einen längeren Zeitraum, mehrfa- spiel führten Ecstasy oder Metamphetaminen zu gehobener che Befragungen, der Einbezug verschiedener Bezugspersonen Stimmungslage, wirken aufputschend, antriebs- und leistungs- oder objektiver Werte (Laborwerte) notwendig. steigernd. Wenn die erlebte «Geschwindigkeit» zu hoch ist, wird mit Cannabis oder Alkohol runter reguliert. Sie lernen in Der Selbstdarstellung des Jugendlichen ist in dieser frühen Pha- ihrer Peergruppe, wie die verschiedenen Drogen zu konsumie- se ebenfalls hohe Bedeutung beizumessen, denn die Simulati- ren sind, erlernen sowohl die Technik als auch in der Regel die ons- und Verschleierungstendenzen, die für den ernsthaft Dro- Risiken und erfahren auch die unterschiedlichen Drogen zu genabhängigen typisch sind, finden sich in dieser Phase klinisch 13
blickwinkel Magazin der lups Im Fokus Innerhalb der subkulturellen Peergruppen besteht ein hohes Vertrauen in der Adoleszenz. (Symbolbild) weniger ausgeprägt. Den Angaben des durchschnittlichen klini- findet, oder ob ein traumatisiertes Mädchen seine Flashbacks schen Jugendlichen über Menge, Art der Drogen und Konsum- und Erinnerungen nur mit einem abendlichen Cannabis-Joint muster kommt eine recht hohe Glaubwürdigkeit zu. Im forensi- ertragen kann. In der Beurteilung ist zu beachten, dass die schen Kontext stellt sich dies allerdings häufig anders dar. Jugendlichen selbst diese funktionalen Zusammenhänge nicht oder nur unzureichend erkennen oder reflektieren. Jugendliche greifen häufiger zu leichter verfügbaren Drogen als Erwachsene, da sie meistens über weniger Geld und Zu- Therapieplanung gang zum Markt verfügen. Die individuelle Funktionalität des Auf dem Boden der individuellen Risikokonstellation in der Konsums ist für die Beurteilung der Polytoxikomaniegefähr- Vorgeschichte, dem aktuellen Polytoxikomanieverhalten und dung, für die Diagnostik und die Interventionsplanung von den mittels des Multiaxialen Diagnoseschemas MAS diagnos- ausschlaggebender Bedeutung. So ist es ein relevanter Unter- tizierten Auffälligkeiten und Erkrankungen ist insbesondere schied, ob ein sozial ängstlicher und schüchterner Pubertie- bei schweren Polytoxikomanieerkrankungen ein langfristiger, render durch einen frühen Drogenkonsum überhaupt An- Rückschritte mit einbeziehender Therapieplan, anhand der schluss an Gleichaltrigen-Gruppen oder an den «Partnermarkt» AWMF-Leitlinien* unumgänglich. *Die AWMF ist eine freiwillige Vereinigung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachgesellschaften, der sich der weitaus grösste Teil dieser Gesellschaften angeschlossen hat. Sie sieht ihr Wirkungsfeld im Bereich der Wissenschaftspolitik, soweit die Medizin betroffen ist, und hat keine Ziele auf berufspolitischem Gebiet. Sie verfolgt und fördert die wissenschaftliche Entwicklung der Medizin einschliesslich der Zusammenhänge mit der ärztlichen Praxis. 14
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups Für jede Achse des multiaxialen Klassifikationsschemas (s. Abb. Die Qualifikation des Entzuges meint, dass diese Interventions- unten) sollte dabei der funktionale oder gegebenenfalls kausale phase komplexe, der Jugendlichkeit der Patienten angemesse- Zusammenhang mit einer Suchtstörung herausgearbeitet wer- ne Interventionen beinhalten soll, die über das Mass der Inter- den. Häufig stehen bei suchtkranken Jugendlichen akute soziale, ventionen bei Erwachsenen hinausgehen. Dies betrifft den schulische oder medizinische Probleme im Vordergrund, die ei- Einbezug sozial- und familientherapeutischer Massnahmen, die nerseits bewältigt werden müssen, andererseits nicht von einer Therapie von (oftmals) psychiatrischen Primärstörungen, die be- langfristigen Prozessdiagnostik ablenken dürfen. ständige Motivationsarbeit und die Lebensweltorientierung. Die individuelle Funktionalität des Konsums ist zentral. Ohne Auch hierin ähnelt die Arbeit mit polytoxikomaniekranken eine integrierte klinische Sozialarbeit und Sozialpädagogik blei- Minderjährigen in weiten Teilen der mit Erwachsenen. Wie bei ben Entgiftungsmassnahmen, rein psychiatrisch-medizinisch Letzteren, beginnt der interventive Verlauf mit der Diagnostik, orientierte Kriseninterventionen und allgemeine Psychoedukati- nicht selten mit einer Akutintervention, und daran schliesst on weitgehend wirkungsarm. In einer späteren Phase werden sich die spezifische Therapie der Polytoxikomanie und beglei- Jugendliche innerhalb langfristiger Massnahmen in den Alltag tender Erkrankungen an. Im Gegensatz zu Erwachsenen ist reintegriert, was alle Umwelten (schulische, soziale Kontakte, bei Jugendlichen der sogenannte «qualifizierte Entzug» stets Gesundheit, Familie etc.) betreffen soll. Suchtmedizinische Inter- indiziert. ventionen sind zu einem grossen Teil regionale Netzwerkarbeit. Achse 1 Achse 2 Psychiatrische Störung Teilleistungsstörungen Achse 6 Achse 3 Schweregrad Intelligenzprofil Achse 5 Achse 4 abnorme psychosoziale Umstände körperliche Erkrankungen Multiaxiales Klassifikationsschema seelischer Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter 15
blickwinkel Magazin der lups Im Fokus Behandlungsziele werden gemeinsam mit der betroffenen Jugendlichen besprochen und festgelegt. (Symbolbild) Wichtige allgemeine Grundsätze der Behandlung von jugend- im Rahmen der Entwicklung des Behandlungsplans verbindli- lichen Patienten mit einer Störung durch Substanzen sind die che Absprachen zu treffen, welche Konsequenzen ein positiver folgenden (siehe grundlegend AACAP [Amerikanische Akade- Testbefund nach sich zieht. mie für Kinder- und Jugendpsychiatrie] 2005 sowie aktuelle AWMF-Leitlinien): Die Zusammenarbeit mit sozialen Diensten, Schule/Berufsfin- – Primäres Behandlungsziel bei psychisch kranken Jugendli- dung und Jugendamt ist zur Entwicklung weiterer Lebensper- chen ist das Erreichen von Abstinenz. Vertretbare Zwischen- spektiven für den Jugendlichen von hoher Bedeutung. Das ziele können im Einzelfall jedoch sein: Verringerung des Erreichen dauerhafter Abstinenz ist an den Aufbau eines sub- Substanzkonsums und sich daraus ergebender negativer stanzfreien Lebensstils mit Beziehungen zu prosozialen, absti- Folgen, Verringerung von Rückfallhäufigkeit und -schwere, nenten Jugendlichen und der Entwicklung geeigneter alterna- Verbesserung des Funktionsniveaus des Jugendlichen. tiver Freizeitaktivitäten gebunden. Komorbide Störungen – Die Festlegung von Zielen sollte in enger Abstimmung mit werden in ihrer Bedeutung für das Suchtgeschehen diagnosti- dem Patienten, aber auch anderen betroffenen Personen ziert und behandelt, nicht selten gleichzeitig mit der Polytoxi- und Institutionen, etwa dem Jugendamt, erfolgen. komanie. Die Indikation von Anschluss- oder längerfristigen – Die Patienten sollen Problemeinsicht und die Motivation Massnahmen ist zu überprüfen, gegebenenfalls werden diese zu einer weiterführenden Behandlung erlangen. dann eingeleitet. – Hohe Eigenmotivation ist eine Voraussetzung für die Effektivität einer Behandlung, auch Sanktionen durch Nachsorge und Rückfallprophylaxe wichtige Bezugspersonen oder institutionelle Auflagen Einmal erreichte Behandlungserfolge sollten durch Nachbe- mit klaren Regeln und Strukturen können den Behand- handlungen stabilisiert werden. Die Rückfallwahrscheinlich- lungserfolg verbessern. keit ist innerhalb der ersten drei Monate nach stationärer Be- – Massnahmen zur Verminderung der Abbruch- handlung am grössten. Jugendliche mit komorbiden Wahrscheinlichkeit sollten eingeführt werden. psychiatrischen Störungen, hoher psychosozialer Belastung, – Die Jugendlichen benötigen bei jedem Therapieschritt geringem Interesse an Schule bzw. Beruf, geringen sozialen Klarheit über die weitere Entwicklung, verlässliche Zusagen Fertigkeiten und wenig aktiver Freizeitgestaltung und Jugend- und transparente Kommunikation der Hilfeanbieter. liche, die in einer devianten Freundesgruppe verbleiben oder – Verhaltensorientierte Interventionen sind unverzichtbare bei denen keine Nachbehandlung erfolgt, sind am stärksten Komponenten jedes Behandlungsprogramms. rückfallgefährdet. Deshalb sollte im Rahmen der Behandlung – Familientherapeutische Interventionen sind ein ausser ein kontinuierlicher Übergang des Patienten in die multimoda- ordentlich wichtiger Bestandteil der Behandlung von le Nachbehandlung sichergestellt werden. Der Einbezug «sig- substanzabhängigen Patienten. nifikanter Anderer» in Nachsorge und Rückfallprophylaxe, – Eine allfällige medikamentöse Unterstützung ist sorgfältig seien es drogenfreie Freund*innen, Lehrer oder sorgeberech- zu evaluieren und planen. tigte Erwachsene kann die Effektivität der Intervention in der Realität verbessern. Die Wirksamkeit der Behandlung muss wiederholt durch ob- jektive Befunde, in der Regel mittels Urinkontrollen und Be- Dr. med. Oliver Bilke-Hentsch, Chefarzt Kinder- und Jugendpsychiatrie stimmung der Medikamentenspiegel im Sinne eines therapeu- Dr. med. Raphaela Jülke, Leitende Ärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie tischen drug-monitorings überprüft werden. Im Vorfeld sind Sarah Theiler, Assistenzärztin Kinder- und Jugendpsychiatrie 16
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups Sucht im Alter in Zeiten der Corona-Pandemie Wie hat sich das Konsumverhalten und die Beratung und Therapie der älteren Bevölkerung verändert? Tabak, Alkohol, Medikamente, Online-Medien – die Zahl der Suchtmittel ist gross. Im Alter sind insbe sondere die Medikamente wie auch der Alkohol besonders problematisch, doch auch andere Sucht- mittel wie z. B. Tabak sind präsent. Die vergangenen Monate mit den pandemiebedingten Veränderungen hatten eine Auswirkung auf das allgemeine Suchtverhalten. Übermässiger Alkoholkonsum im fortgeschrittenen Alter erhöht das Risiko für körperliche und psychische Erkrankungen. (Symbolbild) 17
blickwinkel Magazin der lups Im Fokus Die begrenzten Ressourcen werden in der aktuellen Situation noch mehr beschränkt. (Symbolbild) Suchtverhalten steigt in Zeiten für körperliche und psychische Erkrankungen an und Wech- einer Pandemie selwirkungen zwischen dem übermässigen Konsum und die- Etliche Untersuchungen zu diesem Thema wurden gemacht, sen Faktoren nehmen zu. so wurde zum Beispiel der Tabakkonsum während der Pande- mie untersucht (Unisanté und Suchtschweiz, Juli 2020). Wäh- Einschränkungen im Alltag treffen ältere rend viele Raucherinnen und Raucher versuchten ihren Tabak- Menschen in mehrfacher Hinsicht konsum zu senken, haben fast doppelt so viele (15.1 %) ihren Ältere Menschen trifft die Coronakrise besonders hart, schwie- Konsum gesteigert. Die Absicht mit dem Rauchen aufzuhö- rige Lebenssituationen, v. a. Verlusterfahrungen wie Tod einer ren, war v. a. bei Menschen vorhanden, die wegen ihres Tab- nahestehenden Person, Kontaktbeschränkungen oder der akkonsums die negativen Folgen einer Ansteckung fürchteten. Wegfall von Tagesstrukturen können mögliche Gründe sein. Ältere Menschen verfügen oft über ein kleines soziales Netz- Schon Studien im Zusammenhang mit früheren Pandemien werk und haben nur wenige soziale Kontakte, sei es aus Grün- hatten aufgezeigt, dass Probanden, die längere Zeit in Qua- den der Mobilität, der finanziellen Möglichkeiten oder des rantäne gewesen waren, eine höhere Anzahl an Kriterien für immer kleiner werdenden Freundes- und Familienkreises. Die eine Alkoholabhängigkeit erfüllten. Der schädliche Alkohol- Pandemie hat diese begrenzten Ressourcen weiter einge- konsum stieg in den letzten Monaten der Corona-Krise um ein schränkt, viele ältere Menschen verbrachten die meiste Zeit Drittel (Studie des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit alleine zu Hause oder in einer Pflegeeinrichtung. Und selbst in Mannheim, Klinikum Nürnberg, 2020). Vor allem Menschen stationären Einrichtungen wurden Kontakte seltener, Besuche mit einem hohem Stresslevel und einem geringen sozialen waren nicht mehr erlaubt oder eingeschränkt, gemeinsame Status gaben an, in der Krise mehr Alkohol zu trinken. Ver- Essen und Aktivitäten fielen weg, positive Tagesstrukturen lös- mehrte Sorgen, z. B. um die eigene Gesundheit oder die der ten sich auf. Viele ältere Menschen fühlen sich vereinsamt, Familie und weniger Kompensationsmöglichkeiten scheinen sehen keinen Lebenssinn und wenig Perspektive. dazu beizutragen. Für viele Menschen sind Alkohol oder Me- dikamente ein Bewältigungsmechanismus der ihnen hilft Die Sucht ist meist nicht das Hauptproblem, die eigentlichen Ängste, Sorgen und Einsamkeit zu mildern und sich zu ent- Probleme liegen tiefer. Einsamkeit, Hilflosigkeit, Depression spannen. Und vielen Menschen fehlen genügend Gründe um oder Ängste sind oft das Fundament, auf dem die Sucht steht nicht zu trinken. Laut Bundesamt für Statistik steigt der Anteil und dieses wurde in den Zeiten der Pandemie gelegt oder ver- der Personen, die täglich Alkohol trinken mit dem Alter an, stärkt. Der Wegfall der sozialen Kontrolle, z. B. durch die re- über 40 % der Männer und fast 20 % der Frauen über 75 Jah- gelmässigen Familien- oder Arztbesuche, das gemeinsame ren konsumierten schon 2018 täglich Alkohol, es ist davon Jassen mit den Freunden, verschärft das Problem. Wem fällt es auszugehen, dass diese Zahlen weiter angestiegen sind. auf wenn Frau Meier immer stiller wird, häufiger stürzt und sich Gleichzeitig steigt mit dem fortschreitenden Alter das Risiko in ihrem Schlafzimmer die Medikamentenschachteln stapeln; Drop-in 18
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups Digitale Beratungsangebote kommen älteren immobilen Menschen zugute, welche sich bereits mit der «digitalen Welt» auseinander gesetzt haben. (Symbolbild) oder wer bemerkt, dass Herr Müller seit Wochen nicht mehr Die Ambulatorien bieten ihre Dienstleistungen ebenfalls um- die Wohnung verlassen hat, weil er schon am Morgen wegen fassend an. Zwar wurden zeitweise die ambulanten Therapien des Alkohols unsicher auf den Beinen ist? wo immer möglich per Video und Telefon durchgeführt, doch konnten und können Patient*innen denen dies nicht möglich Behandlungsketten und digitale ist, auch weiter eine Behandlung vor Ort in Anspruch nehmen. Dienstleistungen Dies kommt vielen älteren Menschen sehr entgegen, die sich Die Beratungs- und Behandlungskette wurde in den letzten entweder aufgrund gewisser Vorbehalte, fehlender Übung Monaten unterbrochen. Viele ältere Menschen suchten ihren oder auch wegen Hörschwierigkeiten mit diesen Angeboten Hausarzt seltener auf. Sucht- und Beratungsstellen wie auch schwer tun. Aber immer mehr ältere Menschen schätzen diese Selbsthilfegruppen versuchten ihr Angebot so weit als mög- neue Art der «digitalen» Angebote. Für wenig mobile Men- lich aufrechtzuerhalten doch mussten diese zeitweise schlie- schen ist es eine Erleichterung, fallen die Reisewege weg. Einen ssen und konnten ihre Serviceleistungen vorwiegend nur noch deutlichen Anstieg älterer Menschen mit Suchterkrankungen per Telefon oder Chat anbieten. Die Inanspruchnahme von konnten wir bislang in den ambulanten Dienststellen (noch) Telefonstellen und schriftlichen Anfragen hat zwar zugenom- nicht verzeichnen. men, für viele Ältere ist dies jedoch problematisch, insbeson- dere hochaltrige Menschen tun sich mit Online-Angeboten Die Konsilien in den Spitälern und Pflegeheimen nahmen nicht schwer. Für sie sind vor allem der Hausarzt oder die Spitex wie erwartet zu, wenngleich Suchterkrankungen bei älteren wichtige professionelle Ansprechpersonen. Müssen diese ihre Menschen auch dort sehr häufig anzutreffen sind. Vielleicht Dienstleistungen einschränken, fallen für Ältere zentrale Bera- werden die Probleme erst in einigen Monaten offensichtlich. tungsmöglichkeiten und Stützpfeiler weg. Zudem meiden vie- le Menschen Arztpraxen und andere Angebote aus Angst vor Nicht zuletzt ist das Drop-in zu erwähnen, das in seiner uner- einer Ansteckung mit Covid-19. müdlichen Tätigkeit sein Angebot im Rahmen der Pandemie sogar noch ausgebaut hat. Vom Erfolg in der Gassenküche Angebote aufrechterhalten wurde in der letzten Blickwinkel-Ausgabe bereits berichtet; Die Luzerner Psychiatrie hat es in den vergangenen Monaten dieses Erfolgsprojekt kam jungen wie älteren Süchtigen zu geschafft, ihr Angebot für die ältere Bevölkerung aufrechtzu- Gute. erhalten. Auf den Stationen der Alterspsychiatrie wie auch der Akut- und Suchtabteilung werden weiterhin ältere Menschen Marion Reichert Hutzli mit psychischen Problemen aufgenommen. Mit den notwen- Leitende Ärztin, Ambulante Dienste digen Sicherheitsmassnahmen erhalten sie eine professionelle umfassende Behandlung, können wieder eine Tagesstruktur aufbauen und soziale Kontakte erleben. 19
blickwinkel Magazin der lups Im Fokus Joint Master Medizin Der Joint Master Medizin hat im Herbstsemester 2020 erfolgreich gestartet. Pro Jahr nehmen rund 40 Studierende ihr Masterstudium Humanmedizin an der Universität Luzern auf, welches in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich angeboten wird. Die Luzerner Psychiatrie ist zusammen mit dem Luzerner Kantonsspital, der Klinik Hirslanden St. Anna, dem Schweizer Paraplegiker-Zentrum Nottwil und dem Institut für Hausarztmedizin & Community Care Luzern (IHAM&CC Luzern) eines der Lehrspitäler im Rahmen des Joint Master Medizin. 20
blickwinkel Im Fokus Magazin der lups In Kleingruppen werden Themen vertieft Klinische Kurse in der lups Der Studiengang richtet sich vor allem an Studierende, welche Patientinnen- und Patientenkontakte, -beispiele und -berichte. die medizinische Grundversorgung kennenlernen möchten. Die Dozierenden der Luzerner Psychiatrie waren hochmotiviert Die Ausbildung findet primär in der Versorgungsregion Zent- und engagiert. Ihnen gilt ein besonderer Dank. ralschweiz statt. In der praxisbezogenen Ausbildung lernen die Studierenden relevante Krankheitsbilder sowie die Aufga- Wir freuen uns nach diesem erfolgreichen Start auf die zukünf- ben und Rollen von Ärztinnen und Ärzten in der ambulanten tige Entwicklung im Joint Master Medizin und geben unser und stationären Gesundheitsversorgung kennen. Ziel der Aus- Bestes für eine weiterhin erfolgreiche Umsetzung. bildung ist das erfolgreiche Absolvieren der Eidgenössischen Abschlussprüfung, welche Voraussetzung für den Beginn der Dr. med. Julius Kurmann, Klinischer Dozent Joint Master Medizin, ärztlichen Weiterbildung ist. Ehem. Chefarzt Luzerner Psychiatrie Mit dem Themenblock Psyche und Verhalten startete die Luzerner Psychiatrie im Herbstsemester 2020. Die Studierenden nahmen sowohl am interaktiven Kleingruppenunterricht zu verschiede- Joint Master Medizin der nen psychiatrischen Krankheitsbildern und Themen teil, wie Universitäten Luzern und Zürich auch am klinischen Unterricht, der in den verschiedenen Berei- Während dem Bachelorstudium sind die Studie chen der Luzerner Psychiatrie stattfand. Beim interaktiven renden an der Universität Zürich im «Luzerner Kleinunterricht konnten die Studierenden in engem Kontakt Track» immatrikuliert. Einzelne Module und mit den Dozierenden unter anderem durch ihre Fragen ihr Kurse werden dabei bereits in Luzern durchge Wissen vertiefen und auch «praxistauglich» machen. Beim kli- führt, beispielsweise im Bereich der hausärztli nischen Unterricht ging es vor allem um die praktische An- chen und psychiatrischen Grundversorgung. Für wendung des erworbenen Wissens, den Patientenkontakt, das Masterstudium wechseln die Studierenden das Einüben der Rolle als Arzt oder Ärztin und die Auseinander- an die Universität Luzern und bleiben in einem setzung mit dem interprofessionellen Arbeiten und Denken. Mobilitätsstatus an der Universität Zürich immatrikuliert. Der Joint Master Medizin findet Die Studierenden waren sehr motiviert und aktiv. Sie schätz- primär in der Versorgungsregion Zentralschweiz ten vor allem die persönliche Gestaltung des Unterrichts und statt. Rund zwei Drittel der Lehrveranstaltungen die Möglichkeit des direkten Austauschs mit den Dozierenden werden durch die Universität Luzern und ihre sowie das vermittelte Praxiswissen u. a. durch unterschiedliche Partnerinstitutionen durchgeführt. www.unilu.ch/studium/studienangebot/master/gwm/medizin 21
blickwinkel Magazin der lups Im Fokus Joint Master Medizin – studieren in Zeiten von Corona Im Herbstsemester 2020 startete der Joint Master Medizin. Blickwinkel wollte von einem Studierenden wissen, wie die Veranstaltungen wahrgenommen, welche Eindrücke gesammelt wurden und wie der Unterricht in Zeiten von Corona erlebt Alain Styger, Student wurde. 4. Studienjahr Humanmedizin Herr Styger, weshalb haben Sie sich für den Die Bewertung der Veranstaltung Wissens Joint Master Medizin und den «Luzerner Track» anwendung und -transfer durch die entschieden? Studierenden war positiv. Welchen Eindruck Ehrlich gesagt, wusste ich vor meinem Studienbeginn kaum haben Sie insgesamt gewonnen? etwas über den Joint Master Medizin (JMM) und somit war die Die grosse Stärke des Kurses war der interaktive Unterricht in Entscheidung eher eine geografische, da ich im Kanton Zug kleinen Gruppen. Die Arbeitsmotivation war komplett anders wohnhaft bin. als bei Vorlesungen mit mehreren hundert Kommiliton*innen. Während des Unterrichts waren wir direkt aufgefordert mitzu- Nachdem ich mit meinem Studium begonnen hatte, realisierte arbeiten, mitzudenken und das erworbene Wissen auch anzu- ich rasch, dass mir der Schwerpunkt JMM, den die Universität wenden. Luzern für ihre Studierenden vorgesehen hatte, sehr zusagte. Zudem begeisterte mich, dass wir im Master eine kleine, ver- Was gefiel Ihnen besonders gut und welche traute Gruppe sind und somit in einem kleinen Rahmen unter- Herausforderungen gab es? richtet würden. Sehr eindrücklich war die persönliche Vorstellung eines Patienten mit einer Schizophrenie. So gesehen war es eine Erfahrung, Wissen Sie bereits, in welche berufliche welche dem psychiatrischen Alltag am nächsten kam. Fachrichtung es Sie zieht? Diese Frage hat mich während meines Studiums immer wieder Aufgrund der Corona-Lage wurden die Vor beschäftigt. Lange Zeit war ich hin und her gerissen zwischen lesungen digital durchgeführt, während der Hausarztmedizin, Pädiatrie und Psychiatrie. Ich denke, dass ich praxisorientierte Unterricht Wissensanwendung nach diesem Semester mit den Kursen in Psychiatrie meine und -transfer persönlich stattfand. Wie haben bevorzugte Richtung gefunden habe. Es ist aber auch mög- Sie diese Mischform des Unterrichts insgesamt lich, dass sich das nochmals ändern wird. erlebt, wie haben Sie sich motiviert und was haben Sie mitgenommen? Es macht für mich kaum einen Unterschied, ob die Vorlesun- gen im Vorlesungssaal oder digital stattfinden. Beim Wissens transfer hätte ich sicher etwas vermisst, wenn dieser ebenfalls 22
Sie können auch lesen