Bürger*innenbrief - Linksfraktion-hamburg.de
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Bürger*innenbrief 20. Mai 2020 Abgeordnete der Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft Corona-Kommission +++ Wohnmisere +++ Bildungsungerechtigkeit & Inklusion +++ Fahrradstadt? +++ Lampedusa-Zelt Liebe Leserinnen und Leser, Hintergrund: Bio-Wochenmarkt in St. Georg, 20.3.2020 Fotos: Michael Joho die letzte Ausgabe des »BürgerInnenbriefes« war ja neben der Zweigliedrigkeit im Hamburger Schulwesen als entscheidend Coronakrise und einigen stadtentwicklungspolitischen As- für die soziale Ungleichheit und die Benachteiligung von Fa- pekten vor allem dem Abschied von Christiane Schneider als milien mit geringem Einkommen und mangelndem Zugang Mitherausgeberin und innenpolitischer Sprecherin der Links- zu den Bildungsreichtümern unserer Gesellschaft. Natür- fraktion gewidmet. Diese Ausgabe geht mit einigen Verände- lich werden allgemeine Entwicklungen in unserer Stadt und rungen einher, nicht unbedingt ein Neustart, doch eine Zä- die von Heike Sudmann weiterhin verantwortete Stadtentwi- sur, die sich im Erscheinungsbild unseres monatlichen »BB«, cklungs-, Wohnungs- und Verkehrspolitik ihren Stellenwert wie wir ihn bisweilen liebevoll nennen, niederschlagen wird. im BB behalten. Und auch Christiane Schneider wird uns, An die Seite von Heike Sudmann tritt als Mitherausgebe- wenn auch seltener, mit Artikeln zur Innen- und Justizpolitik rin Sabine Boeddinghaus, die neben ihrer Rolle als Co-Frak- in Hamburg versorgen. tionsvorsitzende auch als Fachsprecherin der Linksfraktion Zum äußeren Erscheinungsbild gehört auch eine genderge- für die Bereiche Schule, Bildung, Jugend und Familie fungiert. rechte Schreibweise. Als vor gut zwölf Jahren der erste »Bürg- Und an deren Seite wird sich neben Michael Joho, dem Refe- erInnenbrief« noch unter Joachim Bischoffs Ägide erschie- renten von Heike Sudmann, nun auch Hanno Plass einbrin- nen ist, waren wir mit dem großen »I« vergleichsweise mit gen, der Referent von Sabine Boeddinghaus. Den Aufgaben- vorne, inzwischen scheinen wir damit aber ein wenig ins Hin- bereichen entsprechend werden wir also im BB ein größeres tertreffen geraten zu sein. Auch wenn wir unter uns Vieren Augenmerk auf die schul- und bildungspolitischen Entwick- nicht völlig einig sind, haben wir uns für einen sichtbaren lungen richten. Die »neuen« Themen dürften längst nicht Einschnitt entschieden: Aus dem »BürgerInnenbrief« wird mit nur die unmittelbar betroffenen Gruppen – vor allem Eltern, dieser Nummer der »Bürger*innenbrief«. Schüler*innen und Lehrer*innen – interessieren, wir wol- Mit Beiträgen vorrangig zur Coronakrise, zur Bildungs-, len sie auch als Ausdruck gesellschaftspolitisch widerstrei- Wohnungs- und Stadtenwicklungspolitik starten wir unsere tender (Klassen-)Interessen verstanden sehen. Erinnert sei erste gemeinsame Ausgabe. Und wie immer sind uns Beiträge in diesem Zusammenhang nur an den leider verloren gegan- der Leser*innen sehr willkommen. genen Volksentscheid für eine einheitliche, sechsjährige Pri- Sabine Boeddinghaus und Heike Sudmann, marstufe 2010; bis heute gilt die vorerst erhalten gebliebene Hanno Plass und Michael Joho Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 2 Die Krise gemeinsam bewältigen Sabine Boeddinghaus über eine Corona-Kommission zur Sicherstellung von Demokratie und Beteiligung Lange geschlossen: Spielplätze (Foto: Michael Joho) Wir erinnern uns, DIE LINKE erhielt bei der letzten Bürger- Mit Verabschiedung der Senatsdrucksache zur Aussetzung schaftswahl, die gefühlt in einer anderen Welt liegt, 9,1%. der Schuldenbremse hat die Bürgerschaft sogar »eine Natur- Übersetzt in Fraktionsstärke bedeuten sie 13 Abgeordnete, katastrophe« festgestellt. Sicher ist, dass die Covid-19-Epide- eine gute Mischung aus fünf »neuen« und acht »alten« Abge- mie eine schwere Krise für unser soziales, gesellschaftliches ordneten. und wirtschaftliches Leben ausgelöst hat, deren Folgen für Niemand von uns konnte auch nur ahnen, dass unser er- viele Existenz bedrohend, Angst machend und zutiefst ver- stes Treffen kurz vor den Frühjahrsferien für viele Wochen unsichernd sind und unüberschaubare und zum jetzigen Zeit- das letzte live und in Farbe bleiben sollte. Kein leichter Start punkt schwer einzuschätzende Auswirkungen auf unser wei- für eine neue Fraktion, deren künftige Zusammenarbeit teres Zusammenleben nach sich ziehen werden. und gemeinsame Planung der politischen Arbeit selbstver- Wir haben viele Tote zu beklagen und sind mit einem ständlich von regelmäßigem Austausch und notwendigen sich rapide verbreitenden Virus konfrontiert, dessen Wir- Diskussionen lebt. Seither läuft unsere gesamte Kommunika- kungsweise und Bekämpfung noch relativ wenig erforscht tion über Telefon- bzw. Videokonferenzen, eine Erfahrung der ist. Daher gab es eine breit getragene Akzeptanz – sowohl im besonderen Art. Ich hätte es nie für möglich gehalten, wie Parlament als auch in der Hamburger Bevölkerung – der zahl- schmerzhaft ich den unmittelbaren Blickkontakt und das Mi- reichen Maßnahmen, die unser öffentliches Leben, Arbeiten nenspiel meiner Genoss*innen vermissen würde und wie ent- und schulisches Lernen nahezu auf Null gesetzt, Grundrechte scheidend sie für eine vertrauensstiftende Arbeit sind. eingeschränkt und unser privates Umfeld massiv reduziert Der unbedingte Infektionsschutz machte auch der Partei haben. Erklärtes Ziel all dieser Maßnahmen war und ist es, einen gewaltigen Strich durch die Rechnung: So musste näm- unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten und daher die lich der für Anfang Mai geplante Parteitag mit einer gründ- Kurve neuer Infektionen möglichst flach zu halten. lichen Wahl(kampf)auswertung und Neuwahl des Landes- Die Corona-Krise offenbart aber auch eine Krise unseres vorstandes in den Oktober verschoben werden. Auch für überwiegend privatisierten Gesundheitssystems, getrimmt die Fraktion mussten wir uns auf wesentliche Aufgabe kon- auf Fallpauschalen und hohe Renditeerwartung und damit zentrieren, etwa die Verteilung der Zuständigkeiten auf die einhergehender unzulänglicher Ausstattung und Pflegebedin- neuen Fachsprecher*innen oder die Entscheidung über un- gungen. ser zukünftiges Stellentableau. Die Corona-Krise verschärft die soziale Spaltung in der Zentral für unsere neue Fraktion war und ist aber die poli- Stadt. Ihre verheerenden Folgen treffen diejenigen Menschen tische Auseinandersetzung mit dem neuen Virus. Die Bundes- besonders hart, die bereits auf besondere Unterstützung an- kanzlerin Angela Merkel sprach in Bezug auf den Ausbruch gewiesen sind, und die Familien, die sich mit ihren Kindern in des Corona-Virus Covid-19 von »der schlimmsten Katastro- beengten Wohn- und prekären Lebensverhältnissen befinden. phe für unser Land seit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges«. Ganz besonders deutlich werden diese sozialen Divergenzen Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 3 im sogenannten Homeschooling und den eingeschränkten auch, einen Vorschlag für ein Präventionsprogramm in An- Angeboten in Kitas und Jugendhilfeeinrichtungen. betracht möglicher zukünftiger Krisen ähnlichen Ausmaßes Verständlich ist daher der Ruf nach baldigen Lockerungen vorzulegen. der Schul- und Kitaschließungen, der Kontaktverbote und Der Antrag wurde einstimmig an den von der Bürgerschaft vieler weiterer sportlicher und kultureller Angebote bis eingesetzten, aber eben nur aus Abgeordneten bestehenden hin zur Wiederaufnahme der Arbeit, des Betriebes, des Ge- Corona-Sonderausschuss überwiesen. Ich bin sehr gespannt, schäftes u.v.m. Umso verantwortungsvoller und besonnener welches Schicksal ihn dort ereilen wird…! – in einem sehr reflektierten Abwägungsprozess zwischen Als LINKE müssen wir konstatieren, dass auch wir in die- Gesundheitsschutz und Wahrung der Freiheits- und Grund- ser Krise mehr Fragen als Antworten haben bzw. uns längst rechte – müssen diese beschlossen und umgesetzt werden. nicht in allen aufgeworfenen Fragestellungen und Bewertun- Angesichts der beschriebenen Größe des Problems reicht gen einzelner Maßnahmen einig sind. Breiter Konsens be- es eben nicht aus, dass der Senat allein die nächsten Entschei- steht aber darin, dass wir eine große Verantwortung dafür dungen darüber trifft, welche Exitstrategie die richtige ist haben, dass die soziale Spaltung in unserer Stadt nicht noch und welche Maßnahmen sinnvoll erscheinen, um sukzessive krasser wird, nicht die Ärmsten, sondern die Vermögenden aus der Krise herauszufinden. durch eine einmalige Vermögensabgabe die Lasten der Krise Die Opposition der demokratischen, in der Bürgerschaft schultern müssen und das offensichtliche Versagen eines vertretenen Parteien hat bisher nach der Maxime »Krisen- neoliberalen, privatisierten und durchökonomisierten Ge- bewältigung durch gemeinsame Verantwortung«, trotz ein- meinwesens glasklar analysiert und daraus die notwendigen zelner Vorbehalte und Bedenken, die vom Senat getroffenen Konsequenzen gezogen werden müssen. Ein »Weiter-So-Zu- Entscheidungen in Form der etlichen Allgemeinverfügungen rück-In-Eine-Neue-Normalität« wird es mit den LINKEN nicht mitgetragen. Sie verzichtete weitgehend auf ihr Recht, An- geben. Die Bewältigung der Krise muss verbunden werden fragen an den Senat zu richten (über das Verhalten der AfD mit einem sozial-ökologischen und gerechten solidarischen ist einiges im letzten »Bürger*innenbrief« zu lesen), und hat Gesellschaftsmodell, der Stärkung der sozialen Infrastruktur dem Senatsantrag auf Aussetzung der Schuldenbremse zuge- und einer angemessen ausgestatteten öffentlichen Daseins- stimmt, obwohl es keine parlamentarische Beratung gab und vorsorge in allen Lebensbereichen. Daran arbeiten wir! der zeitliche Vorlauf sehr überschaubar war. Das kann aber kein Dauerzustand werden. Im Gegenteil, die wirksame und nachhaltige Bewältigung dieser Krise braucht mehr Demo- kratie und nicht weniger. Und da die Corona-Krise nahezu jeden einzelnen Hambur- ger und jede einzelne Hamburgerin betrifft und alle gemein- sam an einer guten Lösung mitarbeiten müssen, braucht der Senat ein zusätzliches Gremium, in dem sowohl er als auch die Opposition, aber auch Vertreter*innen aus Wissenschaft und der Zivilgesellschaft zusammenkommen, um gemeinsam über die folgenschweren Auswirkungen der Krise zu beraten und sich an tragbaren und vertretbaren Bewältigungsstrate- gien zu beteiligen. Daher haben wir einen entsprechenden Antrag in die Bür- gerschaft eingebracht, der den Senat auffordert, eine Coro- na-Kommission ins Leben zu rufen, die zusammengesetzt ist aus Vertreter*innen des Senats, der Regierungs- und Oppo- sitionsfraktionen, aus der Wissenschaft und der Zivilgesell- schaft. Dazu gehören Vertretungen der Geistes-, Rechts- und Naturwissenschaften und aus Gewerkschaften, Kammern, Ar- beitgeber*innenverbänden, Umweltverbänden, Wohlfahrts- verbänden, Interessensvertretungen (Pflegebündnis) und mi- grantischen Selbstorganisationen. Sie soll mindestens zweimal pro Monat tagen und hat die Aufgabe, auf Grundlage valider Daten und wissenschaftlicher Erkenntnisse kurz-, mittel- und langfristige Strategien und Foto: Michael Joho Maßnahmen zur wirksamen und nachhaltigen Bewältigung dieser Krise zu erarbeiten. Darüber hinaus wird sie beauf- tragt, in eingehender Analyse der Krise Konsequenzen aus dieser zu ziehen und daraus ableitend Vorschläge für nachge- lagerte politische Entscheidungen zu erarbeiten. Dazu gehört Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 4 Die Wohnmisere wird sich weiter verschärfen Michael Joho über Auswirkungen der Corona-Krise Foto: Michael Joho 1. Dimensionen der Betroffenheit durch die u.a. einen Rückgang der Bautätigkeit, was die Probleme auf Coronakrise dem Wohnungsmarkt verschärfen würde.6 Infolge der Um- Unabhängig von der Zahl der mit dem Covid-19-Virus infi- satzeinbrüche ab dem 11.3. (dem Ausgangspunkt für Laden- zierten und der daran oder damit verstorbenen Menschen und Einrichtungsschließungen usw.) sind alleine bis zum (und das waren laut Senatsangaben vom 17. Mai 5.029 po- 7.4. rund 36.000 Anträge auf Coronasoforthilfe eingegangen. sitiv getestete und 232 verstorbene Personen)1 haben wir es »Zwei Drittel der Antragsteller seien Solo-Selbstständige«, so kurz- und mittelfristig mit einer enormen sozialen Herausfor- Finanzsenator Andreas Dressel. »Es gehe unter anderem um derung zu tun. mehr als 6.000 Künstler, etwa 3.300 Gastronomiebetriebe Besonders betroffen sind seit Anbeginn der Pandemie vor und fast 3.000 Einzelhandelsgeschäfte.«7 Am 4.5. twitterte Fi- allem Menschen in prekären Verhältnissen, also die mindes- nanzsenator Andreas Dressel diese Daten: »Bis heute Nach- tens 2.000 Obdachlosen ohne jegliche persönliche Rückzugs- mittag hat unsere Förderbank IFB 382.266.978 € bewilligt möglichkeit und die rund 31.500 Wohnungslosen, die unter (entspricht 39.486 Anträgen). Von den 54.840 Anträgen sind teilweise höchst beengten Verhältnissen leben müssen. Nicht aktuell noch 15.354 in der Prüfung. Registrierte Antragstel- zufällig hatte »fördern & wohnen« schon im März 2020 prog- ler 76.315.«8 Am 18.5. gab der Senat diese Zahlen bekannt: nostiziert, dass die Corona-Infektionsrate auf mindestens 20% »Bis heute konnten über 47.000 Anträge bearbeitet und aus- (= 6.300 Infizierte) hinauslaufen könnte.2 Ähnliche Dimensi- gezahlt werden. Über 440 Mio. Euro an Fördergeldern wur- onen zeichnen sich im Übrigen für stationäre Einrichtungen den ausgezahlt und damit die Menschen und Unternehmen ab. Dass »inzwischen jedes fünfte Pflegeheim der Stadt Covid- der Stadt unterstützt. Die Summe der Bewilligungen liegt be- 19-Erkrankte hat, besorgt die Gesundheitssenatorin«, berich- reits bei über 460 Mio. Euro, davon über 278 Mio. Euro aus tete Die Welt Mitte April.3 Zwei Wochen später waren bereits Bundesmitteln (60%) und über 185 Mio. Euro aus Landesmit- »mehr als 300 Infektionsfälle aus Hamburgs Pflegeheimen be- teln (40%). Ein Großteil der Anträge kommt von Solo-Selbstän- kannt«.4 Laut Erhebung des Robert Koch-Instituts von Anfang digen (rd. 68%) und Kleinstunternehmen mit einer Größe von Mai sind von den etwa 7.000 Coronatoten deutschlandweit 1-5 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (rd. 23%). Bei der Bran- mindestens ein Drittel in Pflegeheimen und anderen Betreu- ungseinrichtungen verstorben.5 Die Wohnverhältnisse sind 1 Senatsmitteilung vom 17.5.2020. 2 F & w fördern und wohnen AöR (Hrsg.): Pandemieplan. Hamburg, März also ein entscheidender Faktor für die Ausbreitung der Co- 2020. S. 11. ronapandemie. 3 Die Welt online vom 14.4.2020. Doch wir sind erst am Anfang der sozialen Krise, auch der 4 NDR vom 27.4.2020. schweren Rezession, die sich nach übereinstimmender Mei- 5 NDR Nord online vom 6.5.2020. 6 Joachim Bischoff/Bernhard Müller: »The Great Lockdown«. In: Sozialis- nung abzeichnet. Joachim Bischoff und Bernhard Müller spre- mus.de, Hamburg, Nr. 5/2020, S. 7 u. 9. chen bereits vom »schlimmsten wirtschaftlichen Abschwung 7 NDR vom 8.4.2020. seit der Großen Depression« ab 1929 und prognostizieren 8 Twittermeldung von Andreas Dressel vom 4.5.2020. Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 5 chenzuordnung liegen die Bereiche Kreativwirtschaft/Kunst/ Kultur (rd. 10.400 Anträge) und Gastronomie (rd. 5300 An- träge) vorne.«9 Die Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt sind fatal: Ende April 2020 gab es in Hamburg 77.518 (= 7,3%) gemeldete Ar- beitslose, knapp 11.000 mehr als im Monat zuvor und fast 15.000 mehr als im Vergleichsmonat April 2019.10 Die Ar- beitslosigkeit hat damit den höchsten Stand seit zehn Jah- ren erreicht.11 Dramatisch angestiegen ist zudem die Zahl der Foto: Michael Joho Kurzarbeiter*innen, sie lag Ende April bei mehr als 60.000.12 Laut Information der Agentur für Arbeit hat bis Ende des Mo- nats aber bereits ein Drittel aller hiesigen Unternehmen (= 19.235) für 272.900 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte (= 26,9%) Kurzarbeit angemeldet.13 Laut Ausführungen von So- zialsenatorin Melanie Leonhard hätten bis Mitte Mai bereits 19.235 Firmen Kurzarbeit angemeldet, mehr als 14.000 Men- von den anderen Bewohner*innen getrennt werden kön- schen müssten krisenbedingt HartzIV beantragen, darunter nen); etliche Freiberufler*innen und Soloselbständige, bei denen n für mehrere tausend, womöglich einige zehntausend (Solo-) das Kurzarbeitergeld nicht reicht.14 Da die angemeldete Kurz- Selbständige wenigstens enorme Einkommensverluste ein- arbeit nicht annähernd ausgeschöpft wird, ergeben sich die getreten sind, die auch die Begleichung der Wohnkosten wahren Kurzarbeitszahlen erst in den kommenden Monaten. infrage stellen; Nichtsdestoweniger, die Konsequenzen für zehntausende n für viele zehntausend Kurzarbeiter*innen in den kom- Beschäftigte sind einschneidend: Wer in die Kurzarbeit menden Wochen und für 10.000 bis 40.000 zusätzliche Er- rutscht, erhält kurzfristig nur 60% des pauschalierten Netto- werbslose womöglich über das Jahresende hinaus Mieter- entgelts ausgezahlt, mit Kindern 67%. Die gleichen Werte gel- leichterungen und Wohnraumschutz realisiert werden, die ten auch für Empfänger*innen von Arbeitslosengeld. Wir ha- den betroffenen Haushalten das eigene Dach über dem ben es also kurzfristig mit mehreren zehntausend Menschen Kopf sichern; zu tun, die womöglich über etliche Monate mit 60 bzw. 67% n für eine noch unbekannte Zahl von selbst nutzenden Ei- ihres letzten Nettolohnes auskommen müssen. gentumswohnungsbesitzer*innen, die infolge der Corona- Auch die am 22. April beschlossenen Erhöhungen des krise die Kredite nicht mehr bedienen können, ebenfalls Kurzarbeitsgeldes15 auf 70/77% nach dem vierten bzw. der Wohnraum gesichert wird. 80/87% nach dem 7. Monat – und alles begrenzt bis maxi- In den folgenden Abschnitten erfolgt eine Konzentration vor- mal zum 31. Dezember 2020 – werden die sozialen Belastun- rangig auf die Lage der Wohnungsmieter*innen. gen nicht wirklich abfedern. Und die langfristigen Auswir- kungen sind derzeit noch gar nicht absehbar. Pessimistische 2. Wohnungspolitische Maßnahmen von Bundes Prognosen von Hamburger Experten des Euler-Hermes-Kre- regierung und Senat ditversicherers sagen eine »riesige Insolvenzwelle vorher«,16 Naturgemäß standen und stehen bei einer Pandemie vorran- und der Direktor des Hamburger Wirtschaftsforschungsinsti- gig gesundheitspolitische und medizinische Maßnahmen im tuts (HWWI), Henning Völpel, hält »es nicht für unrealistisch Mittelpunkt. Die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkun- (…), dass wir in diesem Jahr noch mehr als 100.000 Arbeits- gen der Coronakrise auf die sozialen Verhältnisse, den Ar- lose in Hamburg haben werden«.17 beitsplatz und das Grundrecht auf Wohnen sind allerdings Mit Blick auf die Wohnungspolitik und vor allem die von für große Teile der Bevölkerung ebenfalls von existenzieller der Coronakrise betroffenen Menschen heißt das bisher Aus- Bedeutung.18 geführte zusammengefasst, dass 9 Pressemitteilung der Behörde für Wirtschaft, Verkehr und Innovation vom n für mindestens 2.000 Obdachlose, die auf der Straße über- 18.5.2020: www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/13920902/2020-05-18-bw- leben müssen, schnellstmöglich temporäre Unterbrin- vi-corona-schutzschirm/ gungskapazitäten vonnöten sind, da dauerhafter Wohn- 10 Hamburger Abendblatt vom 2./3.5.2020. raum nicht so schnell zu finden ist; 11 NDR vom 30.4.2020. 12 Hamburger Abendblatt vom 25./26.4.2020. n für rund 31.500, teilweise zusammengepferchte, der In- 13 Hamburger Morgenpost vom 30.4.2020. fektion weitgehend schutzlos ausgelieferte Wohnungslose 14 NDR vom 14.5.2020. schnellstmöglich vernünftiger Wohnraum zur Verfügung 15 Pressemitteilung des Bundesfinanzministeriums vom 23.4.2020. gestellt werden muss; 16 Hamburger Morgenpost vom 12.5.2020. 17 Hamburger Abendblatt vom 2./3.5.2020. n für die rund 16.300 Menschen, die vollstationär in Al- 18 Die Belege für die nachfolgenden Ausführungen sind meinen Papieren ten- und Pflegeheimen leben (Ende 2017), geprüft werden »Auswirkungen und Forderungen im Bereich Wohnen« vom 6.4.2020 sowie muss, ob und wie ggfs. die Unterbringungsverhältnisse zu der Materialiensammlung »Zur Wohnungspolitik in der Coronakrise« vom verbessern sind (indem z.B. Covid-19-Erkrankte verlässlich 5.5.2020 zu entnehmen. Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 6 Der Hamburger Senat und die Bundesregierung haben re- Zusammengefasst bedeuten diese Verordnungen, Gesetze lativ schnell mit Maßnahmen zur temporären Entspannung und Appelle, dass im Zuge der Coronabetroffenheit seit Mitte, auf dem Wohnungsmarkt beigetragen: spätestens Ende März n So kündigte die Behörde für Stadtentwicklung und Woh- n keine Mieterhöhungen mehr stattfinden sollten, weder bei nen (BSW) am 18.3. an, für Wohnungs- und Gewerbemie- der SAGA noch der übrigen Wohnungswirtschaft; ter*innen der SAGA Stundungsvereinbarungen und Mie- n Stundungs-, Kündigungs- und Räumungsverfahren sowie terhöhungen zunächst bis Ende April auszusetzen, fristlose Sperren aller Art ausgesetzt sein dürften; Kündigungen und Zwangsräumungen sollten »vermieden« n Einkommensverluste und Zahlungsprobleme für einen werden. Zeitraum von bis zu sechs Monaten in Hamburg durch die n Die Justizbehörde erklärte am 20.3., dass Zwangsräu- Übernahme der Mietkosten staatlich ausgeglichen werden mungen und Stromsperren bis auf weiteres ausgesetzt können; seien. Am selben Tag erklärte die Umweltbehörde für die n säumige Mietzahlungen auf Bundesebene keineswegs auf- städtischen Strom-, Wasser- und Gasunternehmen, vorerst gehoben, sondern nur – spätestens bis zum 30.6.2022 – auf- keine Sperren oder Mahnverfahren zu betreiben. geschoben sind und mit bis zu 4% verzinst werden können. n Die BSW appellierte am 27.3. zusammen mit dem Bündnis für Wohnen an die gesamte Wohnungswirtschaft, auf Mie- 3. Die realen Wohnungsprobleme von Betroffenen der terhöhungen während der Krise zu verzichten und Miet- Coronakrise stundungen problemlos zu ermöglichen. Es gibt Hinweise, dass private Hauseigentümer*innen auch n Auf Bundesebene wurde auf die prekäre Situation mit dem in diesen Wochen nicht auf Mieterhöhungen verzichten. Doch am 27.3. im Bundesgesetzblatt veröffentlichten »Gesetz zur die »Hamburger Morgenpost« berichtete am 25.4. vermutlich Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, auch über einen Einzelfall: die Verwaltungsfirma Gladigau Insolvenz- und Strafverfahrensrecht« reagiert. Im Art. 240, Immobilien und einige mit ihr verbundene, anonyme Eigen- § 2, wird fixiert, dass Mieter*innen zwischen dem 1.4. und tümer*innen, die ihren Mieter*innen in insgesamt 95 Woh- dem 30.6.2020 »nicht allein« wegen ausbleibender Mietzah- nungen die Miete im Mai erlassen würden (für einige Woh- lung gekündigt werden können, »sofern die Nichtleistung nungen galt das wohl schon vorher). auf den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie beruht«. Die SAGA hat bis Ende März 2020 allmonatlich Mieterhö- Zahlungsrückstände bis zum 30.6.2022 berechtigen nicht hungsverlangen jeweils an einige tausend ihrer Mieter*innen zur Kündigung, sie können jedoch mit bis zu 4% verzinst verschickt. Die im Januar verschickten Erhöhungen sollen be- werden. Diese Regelungen gelten nur für Verträge, die vor stehen bleiben, die ab Februar verschickten Erhöhungen sol- dem 8.3.2020 abgeschlossen wurden. Sollte sich der Zeit- len vorerst bis Anfang Juli ausgesetzt werden. Die SAGA plant raum als zu kurz erweisen, kann die Aussetzung der Miet- in diesem Jahr noch für 1.800 Wohnungen die Mieten mit Wir- zahlung evtl. noch bis Ende Juli 2021 erweitert werden. kung ab Oktober 2020 zu erhöhen.19 n Die BASFI (Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Inte- Per Pressemitteilung vom 17.4. hat der »Verband norddeut- gration ) erklärte am 30.3., dass bei in Not geratenen Per- scher Wohnungsunternehmen« (VNW) für seine 383 Woh- sonen (Jobverlust, Insolvenz usw.), die kein Arbeitslosen-, nungsgenossenschaften und -gesellschaften mit rund 738.000 Kurzarbeiter- bzw. Wohngeld beziehen, ohne weitere Prü- Wohnungen und ca. 1,5 Mio. Mieter*innen in Hamburg, Schles- fung der Wohnungsgröße und der Vermögensverhältnisse wig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern erklärt, dass bis- (erklärt werden muss lediglich, dass das Eigentum »nicht her nur »in 2.490 Fällen die Wohnungsmieten als Folge der erheblich« ist) die Miete für bis zu sechs Monate übernom- Corona-Pandemie ausgefallen« seien. Auf der Basis einer Um- men wird. Der Antrag auf existenzsichernde Leistungen frage unter 1.003 Mieter*innen bezifferte »Haus & Grund« ge- nach SGBII oder SGBXII muss unter Verweis auf die Coro- nau eine Woche später den Anteil der Mieter*innen, die we- naauswirkungen zwischen dem 1.3. und dem 30.6.2020 ge- gen der Coronakrise ihre Miete nicht mehr zahlen könnten, stellt werden. Nach einem halben Jahr können dann wie- mit 6,9%; 17,6% der Befragten könnten »noch nicht abschätzen, der Kostensenkungsverfahren eingeleitet werden. ob sie ihre Miete weiterhin zahlen können«. Am 14.5. teilte n Eine weitere Regelung des vom Bundestag am 25.3. beschlos- der VNW in einer Pressemitteilung mit, dass vier von fünf der senen »Sozialschutz-Pakets« (Bundestags-Drs. 19/18107) angeschlossenen Unternehmen »wegen der Corona-Pandemie sieht baurechtliche Vereinfachungen vor: »Baugesetzbuch in ihrem Geschäftsbetrieb beeinträchtigt« seien, vor allem mit und Infektionsschutzgesetz. Angesichts des ›möglichen und Blick auf Verzögerungen bei Bauvorhaben. erforderlichenfalls sehr rasch zu deckenden Bedarfs an wei- Laut bundesweitem Wohn-Indexwert sind die Neuvertrags- teren Räumlichkeiten‹ zur Versorgung von mit dem Corona- mieten in Hamburg im I. Quartal 2020 gegenüber dem Vor- virus Sars-CoV-2 infizierten oder möglicherweise infizierten jahresquartal um 2,6% auf 10,70 €/qm gestiegen (im Bundes- Personen werden im notwendigen Umfang und zeitlich be- durchschnitt um 0,6%, in Berlin minus 1,9%). So das Ergebnis fristet Abweichungen von bauplanungsrechtlichen Vorga- des Instituts »Forschung+Beratung« (F+B) laut Pressemittei- ben und Standards des Baugesetzbuchs ermöglicht. Damit soll einem akuten Bedarf in der gebotenen Eile Rechnung 19 Laut Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion vom getragen werden können.« 15.5.2020 (Drs. 22/190). Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 7 lung vom 27.4. Wegen des knappen Erhebungszeitraumes (I. Die im Abschnitt 3 gelieferten Erklärungen, auf Mieterhö- Quartal) ist die Untersuchung hinsichtlich der Auswirkungen hungen, Strom-, Gas- und Wassersperren, Stundungs-, Kündi- der Coronakrise ab Mitte März sicher mit Vorbehalt zu be- gungs- und Räumungsverfahren usw. in den Zeiten der Coro- trachten: Von der 10. Kalenderwoche/KW (2. bis 8.3.) bis zur napandemie zu verzichten, sind positive Zeichen. Allerdings 15. KW (6. bis 12.4.) nahm die Zahl der neu annoncierten Miet- tauchen diesbezüglich zwei grundlegende Probleme auf: Zum wohnungen signifikant um 38% ab. Im Zeitraum 10. KW bis einen sind mit diesen hehren Ansagen keine Prüfungen vor zur 16. KW (13. bis 19.4.) blieben die Durchschnittsmieten neu allem im privatwirtschaftlichen Bereich verbunden, die für angebotener Mietwohnungen weitestgehend gleich, mit einem eine komplette Durchsetzung z.B. beim Verzicht auf Mieterhö- kleinen Ausschlag nach unten (in Hamburg von 14,70 €/qm in hungen Sorge tragen würden. Zum anderen, und dies dürfte der 10. KW auf 14,46 €/qm in der 16. KW; im Durchschnitt der in der nächsten Zeit noch viel bedeutender sein, sind die oben sieben Wochen waren es 14,51 €/qm). Von Anfang März bis angeführten Maßnahmen grundsätzlich befristet und haben Anfang Mai 2020 sind die Mieten in Hamburg im Schnitt um meist eine mehrmonatige Laufzeit, auch wenn es verschie- ein Prozent gestiegen.20 Zugleich haben wir es gerade in Ham- dentlich heißt, diese unter Umständen zu verlängern. Vorüber burg weiter mit einem erheblichen Wohnungsmangel vor al- gehend eine Mieterhöhung auszusetzen und bestenfalls die lem im günstigen Preissegment zu tun. Für den Hamburger Erhöhungssumme den Mieter*innen für einige Monate gut- Mietervereinschef Chychla (Mopo online, 15.4.2020) bleibt zuschreiben, wie es ausgerechnet die SAGA praktiziert, geht der »Mietmarkt extrem angespannt«. Ob insgesamt für 2020 an den Problemen von tausenden Haushalten vorbei. Denn ein leichter Anstieg der Mieten erwartet werden kann21 oder die finanziellen Engpässe und Folgen von massenhafter Kurz- die Krise, gar eine anhaltende Rezession, für leicht sinkende arbeit und Arbeitslosigkeit, von mangelnden Aufträgen bei Preise sorgt,22 bleibt gegenwärtig noch offen. Soloselbständigen und massiven Umsatzverlusten bei Laden- Der Senat weigerte sich im März/April beharrlich, mas- inhaber*innen sind nicht mit dem (erklärten) Ende der Coro- senhaft leerstehende Hotelzimmer zur temporären Unterbrin- nakrise aus der Welt geschafft, sondern sie werden sich über gung von Obdachlosen anzumieten. Was Rot-Grün offenbar Wochen und Monate auftürmen und für nicht rückzahlbare nicht kann oder will, machte das Hamburger Unternehmen Kosten- und Schuldenberge sorgen. Von daher: Reemtsma Cigarettenfabrik GmbH durch eine Großspende n Für das ganze Jahr 2020 sollten sämtliche Vermieter*innen von 300.000 € zumindest für rund 250 Obdachlose mög- auf eine Mieterhöhung verzichten, allen voran die SAGA. lich. Immerhin hat der Senat Ende März das Winternotpro- Im Bündnis für das Wohnen kann auf die private Woh- gramm als »Notunterbringungs- und Versorgungsprogramm« nungswirtschaft eingewirkt werden, allerdings muss die bis Ende Juli verlängert und um eine Notunterkunft für 50 Umsetzung auch kontrolliert werden. Frauen erweitert. Auch sind weitere Duschmöglichkeiten in n Kündigungen coronabetroffener, in finanzielle Schwierig- einem Schwimmbad geschaffen worden. keiten geratener Wohn- und Gewerbemieter*innen sollen mindestens bis Jahresende 2020 grundsätzlich unterblei- 4. Alternative wohnungspolitische Forderungen ben, im Einzelfall bis zur Überwindung der prekären Lage. Grundsätzlich ist anzustreben, dass in der anhaltenden Krise n Mit dem Deutschen Mieterbund ist auf Bundesebene zu (und unmittelbar danach) niemand sein Zuhause oder die fordern, dass die Nachzahlung ausgefallener Mieten vor wirtschaftliche Existenzgrundlage verlieren darf. Oberste Juni 2022 nicht nur vor einer fristlosen, sondern auch vor Ziele linker Wohnungspolitik in der Coronakrise sollten da- einer ordentlichen Kündigung schützt. Verzugszinsen sol- her sein, len nicht erhoben werden, der Kündigungszeitraum auf n das Grund- und Menschenrecht auf Wohnen und die Siche- mindestens sechs, besser zwölf Monate verlängert werden. rung des Wohnraumes einzufordern, genauer: auf eine ei- n Wichtig wäre für die in finanzielle Bredouillen geratenen gene Wohnung, gerade in einer solchen Zeit der Pandemie, Mieter*innen von Wohnraum oder Gewerbeflächen die in der das Zuhause den sichersten Schutz vor einer Anste- Möglichkeit zu schaffen, auch längerfristig auf zinsfreie ckung bietet; Kredite zurückgreifen zu können, um daraus nicht zuletzt n Obdachlose kurzfristig sicher und individuell unterzubrin- sich anhäufende Miet- und Nebenkosten bestreiten zu kön- gen; nen. Vonnöten sind ein Moratorium für Hypothekenzah- n Obdachlose und Wohnungslose, die in besonders engen lungen für selbstnutzende Wohnungseigentümer*innen Unterkünften leben, schnellstens zu verteilen bzw. mit ver- und bei Bedarf zinslose Überbrückungskredite, nicht zu- nünftigem Wohnraum zu versorgen; letzt für Wohnungsgenossenschaften, die ihre Kredite co- n gefährdete Wohnungsmieter*innen kurz- und mittelfri- rona- bzw. mietausfallbedingt nicht mehr bedienen kön- stig zu entlasten (Mietübernahme, Verzicht auf Mieterhö- nen oder sonstwie in Zahlungsschwierigkeiten geraten. hungen, Stundung von Nebenkosten usw.) und grundsätz- n Infolge der Coronapandemie entstandene Probleme (Kurz- lich den Wohnungsverlust zu verhindern; arbeit, Arbeitslosigkeit) und Einkommensverluste sollen n bei der Finanzierung der Corona-Hilfspakete im Allge- meinen und der wohnungspolitischen Maßnahmen im 20 Hamburger Abendblatt vom 14.5.2020. Besonderen die Vermögenden und natürlich auch die 21 Hamburger Morgenpost online vom 15.4.2020. Immobilienwirtschaft heranzuziehen. 22 Der Spiegel online vom 20.4.2020. Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 8 hinsichtlich der Sicherung des Wohnraumes dahingehend gelöst werden, dass etwaige Mietschulden erlassen bzw. Um »Klimagerechte Mobilität für alle« geht es in einem auch über einen längeren Zeitraum als sechs Monate hin neuen AttacBasisText aus dem VSA: Verlag. Auf 96 Seiten aus übernommen werden. Vergleichbares muss auch für liefert er »Rüstzeug für eine konsequente Verkehrswende: Strom-, Gas- und Wasserrechnungen gelten. Um den Klimakollaps zu verhindern und gleichzeitig allen n Auch für kleine, inhabergeführte Läden und für Soloselb- Menschen Mobilität zu ermöglichen, muss motorisierter ständige muss die bisher im Rahmen der Coronasoforthilfe Individualverkehr radikal verringert, Fuß- und Radverkehr gewährte Unterstützung verlängert bzw. aufgestockt wer- sowie das Angebot von Bus und Bahn schnell und umfas- den, um die wirtschaftliche Existenz dieser Menschen und send ausgebaut und für alle erschwinglich werden.« Die damit letztlich auch ihre Wohnung zu sichern. Autoren engagieren sich in der Attac-Kampagne »einfach Besonders betroffene gesellschaftliche Gruppen bedürfen in umsteigen – Klimagerechte Mobilität für alle«. Krisenzeiten des besonderen Schutzes. Dies gilt für alle dieje- nigen, die entweder gänzlich ohne ein eigenes Zuhause aus- AttacBasisTexte AttacBasisTexte 57 45 Hendrik Auhagen/Thomas kommen oder in eng gedrängten Sammelunterkünften woh- Eberhardt-Köster/Achim Hendrik Auhagen / Thomas Eberhardt-Köster / nen müssen. Die wichtigsten Forderungen seien hier nur kurz Achim Heier / Mark Herterich / Hermann Mahler / Volker Röske / Carl Waßmuth/Winfried Wolf Heier/Mark Herterich/ Hermann Mahler/Volker noch einmal erwähnt: Klimagerechte Röske/Carl Waßmuth/ n Obdach- und Wohnungslose sollen schnellstens in (leeren) Wohnungen untergebracht werden! Mobilität für alle Winfried Wolf Verkehr der Zukunft n Sammelunterkünfte sind schnellstmöglich aufzulösen! nicht den Konzernen überlassen Klimagerechte n Leerstehende Wohnungen und illegal genutzte »Ferien- VSA: Mobilität für alle wohnungen« sollen im Hinblick auf deren Zweckentfrem- Verkehr der Zukunft nicht dung und die allgemeine Notlage akquiriert werden. den Konzernen überlassen Die Freie und Hansestadt Hamburg muss alles tun, einem et- AttacBasisTexte 57 waigen Rückgang der Bautätigkeit entgegenzuwirken und 96 Seiten | April 2020 | die Anzahl sowie den Anteil der Sozialwohnungen – vorran- EUR 7.00 gig der SAGA und der Genossenschaften – sukzessive auszu- ISBN 978-3-96488-048-2 bauen. Mietpreis- und Belegungsbindungen sind nachhaltig auszudehnen, um den anwachsenden Anteil an Haushalten Ein Auszug: »Verkehrspolitik war in Deutschland jahrzehn- mit geringem Einkommen dauerhaft mit bezahlbarem Wohn- telang nichts anderes als Verkaufspolitik für die Autoindus- raum zu versorgen. Dem anhaltenden Mietenwahnsinn ist trie. Autobahnen und Schnellstraßen wurden ausgebaut, mit einem Mietendeckel Einhalt zu bieten, wie es Berlin seit Zugverbindungen stillgelegt. Stadtentwicklung orientierte einigen Monaten erfolgreich vormacht. sich an den Bedürfnissen des wachsenden PKW-Verkehrs. Die entscheidende Frage der weiteren Zukunft wird sein, Güterverkehr wurde systematisch von der Schiene auf die wer denn die Kosten für die enormen Hilfs- und Unterstüt- Straße verlegt. zungsprogramme zahlen wird. Zunächst einmal ist die ge- Diese Politik stößt an ihre Grenzen und trifft auf brei- genwärtige Krise ein Lehrbeispiel dafür, dass die sogenannte tere Proteste. Mit diesem Basistext werden die Positionen Schuldenbremse aus der Hamburgischen Landesverfassung und Forderungen von Attac ergänzt und vertieft. Die Er- wieder verschwinden muss, sie behindert allgemein die nöti- fahrungen aus 20 Jahren Globalisierungskritik und sozia- gen öffentlichen Investitionen, erst recht in Zeiten der Krise. ler Bewegung haben gezeigt, dass ohne ein Aufbrechen Die Übernahme von coronabedingt entstandenen Miet- der herrschenden wachstums-, konkurrenz- und profitge- schulden beim Wohnraum sollen nicht alleine vom Staat, triebenen kapitalistischen Wirtschaftsweise grundlegende also von uns Steuerzahler*innen, geschultert werden. Viel- gesellschaftliche Veränderungen nicht möglich sind. Zen- mehr müssen auch die Vermögenden mit einer Sonderabgabe trale Akteure in dieser Wirtschaft sind Konzerne. Konse- und die in den letzten Jahren üppige Gewinne verzeichnende quent emanzipatorische Verkehrspolitik muss also den Wohnungswirtschaft herangezogen werden. Zu begrüßen ist Einfluss der Konzerne und der mit ihr verflochtenen Lobby die Initiative von 157 Wissenschaftler*innen, die Ende März zurückdrängen. in ihrem Aufruf »Immobilienwirtschaft an den Kosten der Co- Dazu hat Attac die Kampagne ›einfach.umsteigen – rona-Krise beteiligen«23 den Vorschlag unterbreitet haben, ein Klimagerechte Mobilität für alle‹ gestartet, in der die Au- sofortiges Moratorium von Kündigungen, Zwangsräumungen, toren engagiert sind. In der neuen breiten Bewegung für Mieterhöhungen, Energie- und Wassersperren für Wohn- und eine umgehende Verkehrswende müssen alle relevanten Gewerbemieter*innen zu verhängen und für einen von der zivilgesellschaftlichen Akteure an einem Strang ziehen: Immobilienwirtschaft gespeisten Hilfsfonds für in Not gera- Klimagerechtigkeits- und globalisierungskritische Bewe- tene Vermieter*innen zu unterstützen. gung, umwelt- und verkehrspolitische Verbände, Parteien, Gewerkschaften und aktivistische Gruppen.« 23 https://zeitschrift-suburban.de/sys/index.php/suburban/announce- Im Buchhandel oder bei www.vsa-verlag.de ment/view/72 Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 9 Corona, Krise und Bildungsungerechtigkeit Von Sabine Boeddinghaus und Hanno Plass Homework (Foto: Dean Shareski, flickr/CC BY-NC 2.0) Für einen ersten Eindruck unserer Arbeit im Bildungsbe- nen eigenen Arbeitsplatz verfügen. Wenn mensch allein die reich wollen wir eine Zustandsbeschreibung der Lage unter Zahlen derer als Grundlage nimmt, denen in Hamburg Mit- Corona-Bedingungen in zwei Teilen skizzieren. In dieser Aus- tel aus dem »Bildungs- und Teilhabepaket« der Bundesregie- gabe des »Bürger*innenbriefes« (BB) richten wir unser Augen- rung zustehen, sprechen wir von knapp 40.000 schulpflichti- merk auf die Entwicklung vom Tag des Lockdowns bis zu den gen Kindern. Maiferien und im zweiten Teil – im nächsten BB im Juni – be- Die soziale Problemlage war also von Beginn der Schul- schäftigen wir uns mit dem Protest gegen die aktuellen Um- schließung an enorm. Corona legt den Finger in die Wunden und Zustände in den Schulen und den Elternhäusern und die unseres Schulsystems, das es bis jetzt nicht vermag, die Bil- (einsamen) Entscheidungen der Behörde für Schule und Be- dungsungerechtigkeit zu kompensieren. Neben vielem an- rufsbildung (BSB). deren ist dies ein seit 20 Jahren in jeder PISA-Studie wie- Seit dem 16. März ruht der reguläre Schulbetrieb in Ham- derkehrender Befund für Deutschland: In keinem anderen burg. Zuerst verlängerte die BSB die Ferien für zwei Wochen, europäischen Land ist der Bildungserfolg so eng an die sozi- dann führte sie den »Fernunterricht« für die über 200.000 ale Herkunft gebunden wie hier. Schüler*innen ein. Dieser Zustand hält nun seit zwei Mo- Auf dem Boden eines sowieso schon ungerechten Bildungs- naten an. Es ist nicht abzusehen, wann ein regulärer Schul- systems, das die soziale Herkunft überbetont, beschleunigte betrieb wieder aufgenommen wird. Schulsenator Ties Rabe die Schulschließung genau diesen Effekt. In vielen Elternhäu- stellt in Aussicht, dass der Fernunterricht Schüler*innen, sern lässt es sich noch schlechter lernen als in der Schule, Lehrkräfte und Eltern auch nach dem Sommer noch lange be- sind die Schüler*innen noch stärker abhängig von der päda schäftigen wird. gogisch-emotionalen Förderung und materiellen Ausstattung Mit einem Schlag waren die Schulen geschlossen, Schü- ihrer Elternhäuser. Die BSB gestand erst – aber immerhin – ler*innen und ihre Eltern mussten sich im Homeschooling nach einigen Wochen ein, dass ungefähr ein Drittel der Ham- und Homeoffice organisieren, Lehrer*innen waren angehal- burger Schüler*innen vom digitalen Fernunterricht abge- ten, freiwillige Lernangebote für ihre Schüler*innen zu ent- hängt sei. Jede*r dritte Schüler*in! wickeln. Der Zugang zu digitalen Endgeräten, Computern, Mit Blick auf die im März noch bevorstehenden Abschluss- Laptops oder Tablets wurde essentiell, um neben zweidimen- prüfungen gingen Schüler*innen bundesweit auf die Barrika- sionalen Aufgabenzetteln teilzuhaben an den Versuchen von den, starteten Online-Petitionen und reichten Eingaben ein, Lehrer*innen, einen lebendigen Unterricht durch Videokon- allesamt im selben Tenor und mit denselben Forderungen: ferenzen zu ersetzen. Angesichts des Ausnahmezustands durch den Corona-Virus Schnell wurde klar: Wer nicht über die technische Aus- und der daraus resultierenden Belastungen sei es unverant- stattung verfügt, ist außen vor. Ausgeschlossen sind auch die wortlich, die Prüfungen wie gehabt beizubehalten. Schüler*innen, die nicht über ausreichende Kompetenzen in Der Schulsenator rechtfertigte seinen harten Kurs damit, der digitalen Welt verfügen. Ebenso trifft der Ausschluss die- dass seine Entscheidungen mit der Kultusministerkonferenz jenigen, die nicht über eine ruhige Lernumgebung oder ei- (KMK) abgestimmt seien und ein einheitliches Vorgehen der Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 10 Länder widerspiegelten. Doch Hamburg ist beispielsweise che zu ermöglichen – dies sind vier Schultage. Inhaltlich soll das einzige Land, das ausdrücklich die Leistungen der Kin- dabei der Fernunterricht vor- und nachbereitet werden. Die der und Jugendlichen im »Fernunterricht« in die Notenbil- Hauptlast tragen somit weiter die Elternhäuser. Und die Per- dung dieses Schuljahres einbezieht. Alle anderen Länder be- spektive ist, dass der Fernunterricht auch nach dem Sommer werten den Fernunterricht nicht oder unter der Maßgabe, weitergehen wird. dass die Schüler*innen sich verbessern können. Die KMK be- Nur jetzt dämmert es endlich auch der BSB, dass es im zog sich in ihren Empfehlungen zu den schrittweisen Öffnun- Fernunterricht zu großen Schwankungen in den erbrachten gen der Schulen auf ein Papier der wissenschaftlichen Aka- Leistungen kommt; sie kündigt daher »Qualitätsstandards« demie Leopoldina. Doch KMK bzw. Hamburger BSB weichen an. Wer diese primär umzusetzen hat, ist klar: die Eltern. Aus von der Leopoldina in einem wesentlichen Punkt ab. Die Wis- ihrer mehrfachen Belastung als Arbeitnehmer*innen, Eltern senschaftler*innen empfahlen nämlich, die Schulen nach und nun auch noch Quasi-Pädagog*innen werden sie vor- dem Gesichtspunkt der pädagogischen Bedürftigkeit zu öff- erst nicht entlassen. Aber wer hat sie gefragt? Niemand. Und nen, also von niedrigen Jahrgängen aufsteigend, um Kindern wer zollt ihnen Dank oder Respekt – ebenfalls niemand, auch Begleitung, Betreuung und ein gemeinsames Lernumfeld zu nicht der Schulsenator, der vor den Osterferien noch jubi- geben. Ältere Schüler*innen könnten eher aus der Ferne ler- lierte, »man« habe es »den Kritikern« der Digitalkompetenzen nen. Der Grundschulverband hatte den sozialen Aspekt als von Lehrkräften richtig »gezeigt«. Als ob dies ein hinreichen- zentrales Kriterium für die Schulöffnungen genannt. In Ham- der Beleg wäre für die qualitative und gerechte Ausgestaltung burg wurde aber alle Pädagogik über Bord geworfen und die des Unterrichts an Hamburger Schulen. Zumindest seitens Schulöffnung allein nach Leistungskriterien entschieden – der Lehrerschaft hört man, was auch der Senator eingesteht: zuerst sollten die Abschluss- und Übergangsklassen kommen. Die städtische Schulplattform Eduport, die durch das Privat- Die BSB wird versuchen, im Nachgang zu den erzwunge- unternehmen Dataport bereitgestellt und gepflegt wird, ist es nen Prüfungen zum Ersten Schulabschluss, dem Mittleren sicher nicht. Nachdem die Lehrkräfte und Eltern die Arbeit Schulabschluss und dem Abitur das Märchen einer erfolg- gemacht haben, stellt der Schulsenator sich auf ihre Schul- reich vollzogenen schulischen Normalität in einer krisenhaf- tern. Denn deutlich wurde nicht zuletzt durch die Klage der ten, zutiefst verstörenden Situation zu erzählen. Zum Glück Vereinigung der Hamburger Gymnasialschulleitungen, dass sind die ersten Klagen in Vorbereitung und wir werden erle- wir es in der Corona-Krise mit einem Totalausfall der verant- ben, dass die behördlichen pädagogischen Fehlentscheidun- wortlichen Behörde zu tun haben, sowohl in der Übernahme gen durch Gerichte korrigiert werden. von Verantwortung als auch der Leitung und Entscheidung Pünktlich zu den Mai-Ferien folgte die Ankündigung der über Angelegenheiten der Bildung im Sinne der Schüler*in- BSB, bis zum Sommer jedem Kind einen Tag Schule pro Wo- nen und Lehrkräfte. Bäm! Tipps und Termine Auch wenn die ersten Einrichtungen wie z.B. Museen ihre Türen wieder geöffnet haben, ist die Zahl der Ver- anstaltungen doch noch immer recht überschaubar, da etliche Kulturstätten wie beispielsweise Theater coro- nabedingt weiterhin geschlossen bleiben. Also gibt es auch in diesem »Bürger*innenbrief« wenig Termine, aber immerhin einige Hinweise zu Neuerscheinungen u.ä. Verweisen wir gleich mal auf den neuen, Mitte Mai publizierten Immobilien- marktbericht Hamburg 2020. Das 148 Seiten starke Material wird alljährlich vom Gutachterausschuss für Grundstückswerte in Hamburg erarbeitet und versammelt alle wichtigen Daten zu Grundstücksverkäufen, zu den Umsätzen und Preisen bei Wohn- und Wirtschaftsimmobilien. Auch wenn es weniger direkt um Mieten geht, lassen sich aus der Datensammlung doch einige Schlussfol- gerungen ziehen. Nehmen wir nur mal diesen Passus aus der Pressemitteilung (PM) des Senats vom 14. Mai: »Bei Eigentumswohnungen lagen die Preise 2019 rund 8% über dem Niveau des Vorjahres. Eine Neubauwohnung in mittlerer Lage mit Fahrstuhl und Einbauküche kostete rund 6.100 Euro pro m² Wohnfläche.« Die PM gibt es hier: www.hamburg.de/bsw/13914312/2020-05-14-bsw-im- mobilienmarktbericht-2020/. Der Immobilienmarktbericht selbst (und auch frühere Jahrgänge) ist an dieser Stelle zu finden: www.hamburg.de/bsw/grund stueckswerte/7937012/immobilienwerte/ Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
Sudmann/Boeddinghaus, Fraktion DIE LINKE. in der Hamburgischen Bürgerschaft | Bürger*innenbrief 20.5.2020 Seite 11 Vom 17. bis 19. Mai fand in der Fux-Kaserne in Altona das 6. Bundesweite Recht-auf-Stadt-Forum »online und dezentral« statt. Zweieinhalb Tage wurde zu verschiedenen Themen, insbesondere auch zur Wohnungs- und Mietenproblematik diskutiert. Einen Einblick vermitteln zwei jeweils gut zweistündige Youtube-Videos unter www.youtube.com/watch?v=HguFh800fFs und www.youtube.com/watch?v=ZaY0Sc4Yuf4. Aus einer der Arbeitsgruppen – einem Workshop des Aktionsbündnisses gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn – ist der Vorschlag erwachsen, am 20. Juni einen bundesweiten Aktionstag durchzuführen. In möglichst vielen Städ- ten sollen für diesen Tag Kundgebungen etwa unter dem Motto »Mietenerlass jetzt! Wir zahlen nicht für Eure Krise« oder »Weniger Einkommen? Weniger Miete!« organisiert werden. Pünktlich zum Recht auf Stadt Forum 2020 ist die dritte Ausga- be der Zeitschrift »Común« erschienen, bisher allerdings erst in elektronischer Form (www.comun-magazin.org). Wer die Print- version bevorzugt, meldet sich hier: info@comun-magazin.org, eine Spende von 6 bis 8 Euro wäre klasse. »In Común #3 werfen wir auch Schlaglichter auf stadtpolitische Interventionen und solidarische Praxen in Zeiten von Corona. Vor allem aber versam- meln wir hier wieder Beiträge zu stadtpolitischen Themen und aus Recht auf Stadt-Bewegungen quer durch die Republik und über Deutschland und Europa hinaus, die vor oder mit Beginn der Corona-Krise verfasst wurden, sich also nicht unmittelbar darauf beziehen. Im Schwerpunkt geht es um eine ganz andere Form von #NachbarschaftsChallenge, nämlich um die Frage, wie wider- ständige Nachbarschaften Stadt mitgestalten und verändern.« Hinsichtlich der mittlerweile Barrierefreie Bahnhöfe barrierefreien Bahnhöfe Stufenfrei erreichbare Bahnsteige pro Bundesland, in Prozent, Stand: 2.12.2019 nimmt Hamburg nach wie 96,8 94,7 vor einen der mittleren Plätze 92,5 91,4 91,2 87,9 85,2 85,2 83,7 83,5 82,6 im bundesweiten Vergleich 81,0 80,7 79,9 ein. Laut Erhebung des ge- 74,9 73,9 71,4 meinnützigen Verkehrsbünd- nisses Allianz pro Schiene sind hier mit Stand vom 2. Dezember 2019 85,2% aller Bahnsteige stufen- frei erreichbar. Der Bundes- durchschnitt liegt bei 83,5%, lst ig- n en m rg- g be - en rg alt tfa in- en lz rn en n d m en rli ur ge lan ch - a bu ye hs s tt hs m nh hs ss Ho esw es e Pf om bu ein n rg len Be tte Bad rc de nb rin ni W rdrh ar er e Ba m He c c d- A rp en Br du Bun sa de Sa Sa n- ü hl Ha weit vorne rangiert Berlin lan Th Vo eckl No er an Sc se ein ed Br ch M ür Ni Rh Sa W Quelle: Allianz pro Schiene | 05/2020 | mit Material von Deutscher Bundestag (BT-Drs. 19/18841) mit 94,7%, am Ende das Lizenz: Nutzung frei für redaktionelle Zwecke unter Nennung der Allianz pro Schiene Saarland mit 71,4% (www. allianz-pro-schiene.de/presse/pressemitteilungen/viele-bahnhoefe-machen-es-rollstuhlfahrern-schwer/). In einer Onlinekonferenz am Mittwoch, den 27. Mai (16.00 bis 17.30 Uhr), wollen die Patriotische Gesellschaft, die Evangelische Akademie der Nordkirche und die Initiative Hamburg entfesseln das bereits seit längerem betriebene Projekt Alt- stadt für Alle! voranbringen. Der interaktive Workshop dient in Coronazeiten ohne Möglichkeiten des direkten Miteinanders dazu, umsetzbare Vorschläge für den bevorstehenden Sommer zu entwickeln und den inneren Stadtraum weiterhin mit innovativen Ideen zu beleben. Für die Teilnahme an der Videokonferenz bitte rechtzeitig hier melden: https://crm.patriotische-gesellschaft.de/de/civicrm/ event/register?reset=1&id=389 Heike Sudmann (Tel. 040 / 42 831 2250 | heike.sudmann@linksfraktion-hamburg.de) | Sabine Boeddinghaus ( 040 / 303 948 74 | sabine.boeddinghaus@linksfraktion-hamburg.de) | Mitglieder der Hamburgischen Bürgerschaft | Rathausmarkt 1 | 20095 Hamburg
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