Change - Bertelsmann Stiftung
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change Das Magazin der Bertelsmann Stiftung > 4/2010 Alle Kids sind VIPs Die Gewinner des Schulwettbewerbs 2010 schwerpunkt: jugend neue stimmen Junge Operntalente Wie wir die Welt bewegen treffen auf Weltstars Jakob-Muth-preis So lernen behinderte und nicht behinderte Eine junge Generation blickt optimistisch nach vorn Kinder erfolgreich miteinander
– Anzeige – – Anzeige – xxxxxxxxxxxxxx › change › 3/2008 xxxxxxxxxxxxxx › change › 3/2008 Seite 1 Seite 1 nen Engagement im Unterricht Engagement lernenlern im Unterricht abhängig Kinder und Jugendliche können sich ganz unabhängig Kinder und Jugendliche können sich ganz una chtigen vom Alter bereits an vielen Stellen und bei wichtigen vom Alter bereits an vielen Stellen und bei wic , sich zu Fragen beteiligen. Wie man lernt zu gestalten, sich zu Fragen beteiligen. Wie man lernt zu gestalten, e drei engagieren und sich einzumischen, zeigen die drei engagieren und sich einzumischen, zeigen die arstufe neuen Arbeitshefte für Grundschule, Sekundarstufe neuen Arbeitshefte für Grundschule, Sekunda men- I und II. Anhand von gesellschaftlichen Themen- I und II. Anhand von gesellschaftlichen Them dem stellungen, wie dem Klima- und Tierschutz, dem stellungen, wie dem Klima- und Tierschutz, d Spaltung Miteinander der Generationen, der sozialer Spaltung Miteinander der Generationen, der sozialer S hüler und den Kinderrechten wird gezeigt, wie Schüler und den Kinderrechten wird gezeigt, wie Sch haft ein- und Schulklassen aktiv in die Zivilgesellschaft ein- und Schulklassen aktiv in die Zivilgesellscha steigen können. steigen können. ge, Die drei Mitmachhefte sind von Dirk Lange, Die drei Mitmachhefte sind von Dirk Lang ldung Professor für Didaktik der Politischen Bildung Professor für Didaktik der Politischen Bild s Unter- an der Leibnitz Universität Hannover, als Unter- an der Leibnitz Universität Hannover, als orden. richtsmaterial entwickelt und verfasst worden. richtsmaterial entwickelt und verfasst wo Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Einmischen. Anpacken. Verändern. Einmischen. Anpacken. Verändern. Ein Arbeitsheft für die Grundschule Ein Arbeitsheft für die Grundschule 64-2 Januar 2011, 120 Seiten, ISBN 978-3-86793-064-2 Januar 2011, 120 Seiten, ISBN 978-3-86793-06 Engagement lokal und global Engagement lokal und global Ein Arbeitsheft für die Sekundarstufe I Ein Arbeitsheft für die Sekundarstufe I 85-7 Januar 2011, 132 Seiten, ISBN 978-3-86793-085-7 Januar 2011, 132 Seiten, ISBN 978-3-86793-08 Zivilgesellschaft gestalten! Zivilgesellschaft gestalten! Ein Arbeitsheft für die Sekundarstufe II Ein Arbeitsheft für die Sekundarstufe II 86-4 Januar 2011, 132 Seiten, ISBN 978-3-86793-086-4 12:07 Januar 2011, 132 Seiten, ISBN 978-3-86793-08 11.03.10 12:07 11.03.10 o Broschur mit CD-ROM, je Ausgabe 12,– Euro BST-0054 Starter-Umschlag- 07.indd 3 Starter-Ums chlag-07.ind d 3 Broschur mit CD-ROM, je Ausgabe 12,– Euro BST-0054 Verlag Bertelsmann Stiftung l Postfach 103 l 33311 Gütersloh Verlag Bertelsmann Stiftung l Postfach 103 l 33311 Gütersloh Bei Interesse an weiteren Publikationen aus dem Verlag: Bei Interesse an weiteren Publikationen aus dem Verlag: mann-stiftung.de www.bertelsmann-stiftung.de/verlag l sabine.reimann@bertelsmann-stiftung.de www.bertelsmann-stiftung.de/verlag l sabine.reimann@bertelsm
change › 4/2010 › editorial Seite 03 Karin Schlautmann Leiterin Kommunikation Edi tor i a l Der Jugend auf der Spur Wie fühlt es sich heute eigentlich an, jung zu sein? Welche Sorgen und Probleme haben Jugendliche? Und welche Träume und Ziele verfolgen sie? Viele Jugendliche sehen positiv in die Zukunft und wollen etwas bewegen und verändern. Das zeigen nicht nur aktuelle Studien, sondern auch wir mit unserer neuen Ausgabe von „change“. Für unser Schwerpunktthema „Jugend“ haben wir viele interessante junge Menschen und Projekte kennengelernt. Herausgekommen ist ein sehr vielschichtiges und manchmal auch widersprüchliches Bild der „jungen Generation“. Verweigerung steht nicht auf ihrer Tagesordnung, eher die Suche nach der Einstiegsluke D ie Jugend in Deutschland hat viele Facetten. Lebensbedingun- gen, Trends und Perspektiven sind sehr unterschiedlich ausge- prägt. Wie lebt es sich zum Beispiel in einer Stadt, in der die meis- fel, trotz Arbeitslosigkeit glauben sie an sich selbst. Wir finden, zu Recht! Lassen Sie sich von der Jugend in Deutschland in unserem Magazin überraschen. ten Einwohner schon nahe am Rentenalter sind? Und wie fühlt sich Das Thema Jugend ist aber diesmal nicht nur Themenschwer- das Leben in einem Ort an, der zu den Zukunftsregionen unseres punkt. Auch zahlreiche Projekte, Aktionen und Wettbewerbe der Landes gehört? Um das herauszufinden, sind wir nach Bitterfeld Bertelsmann Stiftung stehen ganz im Zeichen von Kindern und und Freising gefahren. jungen Menschen. Der „Jakob Muth-Preis für inklusive Schule“ för- Es hat uns auch beschäftigt, wie junge Erwachsene heute in der dert zum Beispiel das gemeinsame Lernen von behinderten und Stadt und auf dem Land leben. Wir trafen Jungbauer Alexander, nicht behinderten Kindern. Oder unser bundesweiter Integrations- der in Ostwestfalen den landwirtschaftlichen Betrieb seiner Eltern wettbewerb „Alle Kids sind VIPs“, auch in diesem Jahr wieder mit übernommen hat und sehr zielstrebig an seiner Zukunft arbeitet. zahlreichen eindrucksvollen Beiträgen und Ideen zum Thema Zu- Foto: arne weychardt. titelfoto: gerhard westrich Und wir besuchten die junge DJane und Musikerin Stini in Berlin – sammenleben. Auf der Siegerehrung tummelten sich viele coole für sie die einzige Stadt in Deutschland, von der aus man die Welt Promis – die Kids waren völlig begeistert und haben gelernt, dass erobern kann. Engagement auch riesig Spaß machen kann. Außerdem haben wir Jugendliche in ganz Deutschland gesucht, die etwas bewegen wollen. Immer auch mit der Frage, was sie selbst Ich wünsche Ihnen viel Spaß beim Lesen. in ihrem Leben schon alles bewegt hat. Wir erhielten spannende Antworten, unter anderem von einem Eistanz-Paar, einem trendi- gen Designer, einem ambitionierten Musterschüler, einem kreati- ven Sprayer und vielen weiteren aktiven Jugendlichen. Antworten, die auch neue Studien und Befragungen untermauern. Die Jugend- Herzlichst, Ihre lichen sind heute nämlich wieder engagierter und politisch inter- essierter als in den vergangenen Jahren. Und, ebenfalls erfreulich: Sie schauen wieder positiv in die Zukunft. Trotz Krise, trotz Zwei-
inhalt › change › 4/2010 04 Seite Profile › Von Forschung (Foto) über Ehrenamt bis zum sportlichen Klassik und Moderne › Breakdance-Gruppe (Foto) oder traditionelle Engagement – was bewegt die Jugend? › Seite 18 Pfadfinder – es geht nur gemeinsam. › Seite 30 Fotos: florian jaenicke, bernd jonkmanns, michael bergmann, arne weychardt, thomas kunsch aktuell › Alt und Jung Seite 42 Wie lebt es sich in einer „jungen“ und wie in einer „alten“ News aus der Stiftung Stadt? Wir schauten in Freising und Bitterfeld nach Seite 06 Reinhard-Mohn-Institut gegründet Daten und Fakten Preisverleihung mit Prominenten Seite 50 Aktuelle Untersuchungen zu jungen Menschen Seite 10 Siegerehrung von „Alle Kids sind VIPs“ in Berlin in Deutschland Interview schwerpunkt: jugend › Seite 52 Detlef D! Soost über das Gefühl, jung zu sein Jugend in Deutschland Jung und berühmt Seite 16 Eine Generation zeigt, was sie kann Seite 54 Sport, Musik, Kultur und Politik – diese Jugendlichen haben es bereits ins Rampenlicht geschafft Gesichter einer Generation Seite 18 Jugend engagiert sich Projekte der Stiftung Klassik und Moderne Seite 56 Jungen Menschen den Weg ebnen Seite 30 Pfadfinder gibt es schon lange. Breakdancer sind eine moderne Alternative. Ein Vergleich Zum Thema: Dr. Brigitte Mohn Seite 58 Teilhabe und Engagement fördern Stadt und Land Seite 36 24 Stunden Alltag eines Jungbauern in Gütersloh und einer DJane in Berlin
change › 4/2010 › inhalt Seite 05 Stadt und Land › Idyllisches Landleben oder Party in der Stadt? Ein Tag Alt und Jung › Unsere Gesellschaft wird immer älter – was bedeutet das für im Leben eines Jungbauern (Foto) und einer DJane. › Seite 36 Jugendliche? Eine Bestandsaufnahme in Bitterfeld und Freising. › Seite 42 stiftung › Neue Stimmen Seite 60 Operntalente trafen sich in Gütersloh zum Meisterkurs Web 2.0 Seite 64 So präsentiert sich die Bertelsmann Stiftung im Internet Jakob-Muth-Preis Seite 66 Gemeinsam lernen: Preisverleihung an Schulen mit inklusivem Unterricht stiftung international › Bericht aus Barcelona Neue Stimmen › Liz Mohn und die Teilnehmer des Meisterkurses „Neue Seite 70 Besuch in Zaragozas neuer Jugendbibliothek Stimmen“ beim Abschlusskonzert in Gütersloh. › Seite 60 Bericht aus Brüssel Seite 72 Aktuelle Studie zu Aus- und Einwanderung in Europa rubriken › Seite 03 Editorial Seite 68 Service: Neuerscheinungen Seite 74 Kolumne: Jan Drees Seite 75 Impressum
aktuell › change › 4/2010 06 Seite gesellschaft bildung Soziales Immer mehr Jugendliche Engagement Die Stadt Magdeburg und ohne Hauptschulabschluss das Land Sachsen-Anhalt Die Chancen von Schülern auf einen Hauptschulabschluss sind kooperieren mit der Bertels- regional sehr unterschiedlich – und damit auch die Aussicht mann Stiftung im Projekt auf eine Lehrstelle. Das zeigt eine Studie des Bildungsforschers „jungbewegt“ Prof. Dr. Klaus Klemm im Auftrag der Bertelsmann Stiftung Ohne Chancen auf dem Arbeitsmarkt: Wer es nicht schafft, die Schule zumindest mit weblinks: www.bertelsmann-stiftung.de/folgekosten dem Hauptschulabschluss abzuschließen, hat es schwer, eine Lehrstelle zu bekommen. Kontakt: Anette Stein Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt anette.stein@bertelsmann-stiftung.de jetzt, dass die Chancen der Schüler auf einen solchen Abschluss regional sehr unter- schiedlich verteilt sind: Während 2008 in interview Mecklenburg-Vorpommern fast 18 Prozent der Schulabgänger ohne Hauptschulab- schluss blieben, waren es in Baden-Würt- Drei Fragen an... temberg nur rund 5,6 Prozent. Insgesamt war der Anteil von Schülern ohne Abschluss … Dr. Jörg Dräger, zuständiges in den östlichen Bundesländern deutlich hö- Vorstandsmitglied für Bildung in her als in den Westländern. Die Studie weist der Bertelsmann Stiftung zudem erstmals auch entsprechende Daten auf Ebene der Kreise aus und stellt dabei ebenfalls gravierende Unterschiede fest. Ihre Untersuchungen zeigen, dass zahlrei- Der Untersuchung zufolge ist die Situation che Jugendliche keinen Schul- oder Berufs- Zur Auftaktveranstaltung begrüßten abschluss schaffen. Was muss sich ändern? Ministerpräsident Wolfgang Böhmer, von Förderschülern besonders alarmierend. Je nach Bundesland erreichen zwischen 57 Wir dürfen nicht zulassen, dass so viele Dr. Brigitte Mohn und Magdeburgs und 97 Prozent von ihnen keinen Haupt- junge Menschen ohne Schulabschluss daste- Oberbürgermeister Lutz Trümper die Gäste in der Landeshauptstadt schulabschluss. Deshalb stammt auch mehr hen – wir brauchen mehr individuelle För- als die Hälfte der Jugendlichen, die 2008 die derung in den Schulen und mehr Chancen Schule ohne Hauptschulabschluss verlassen auf eine anschließende Berufsausbildung. Verantwortung kann man lernen: haben, von Förderschulen. Bei den Hauptschulen ist die Lage dort Kinder und Jugendliche für freiwilliges besonders problematisch, wo die Schüler Engagement zu begeistern, ist das Ziel überwiegend aus sozial schwierigen Milieus der Initiative „jungbewegt – Dein Einsatz stammen. Hier kann das Zusammenlegen zählt“. Das Projekt entwickelt Konzepte unterschiedlich anspruchsvoller Bildungs- für Kitas, Schulen und außerschulische wege weiterhelfen. Diese Schulen brauchen Einrichtungen, um Kindern und Jugend- aber auch dringend zusätzliche Investitio- lichen die Übernahme gesellschaftlicher nen – entsprechend müssen wir die finan- Verantwortung und die Mitgestaltung ziellen Mittel vor allem dort einsetzen, wo des Gemeinwesens zu ermöglichen. die Herausforderungen am größten sind. Dass die dafür entwickelten Ideen funk- Besonders dramatisch ist die Situation an tionieren, belegen internationale Re- den Förderschulen mit ihren fast 500.000 cherchen. Sie werden nun in Magdeburg, Schülern. zwei Berliner Bezirken sowie der Stadt Das Aussortieren und der getrennte Un- Mainz erprobt. Das Projekt kooperiert terricht dieser Kinder und Jugendlichen mit Partnern aus Schule, Kindertages- mit besonderem Förderbedarf führt nur stätten, Zivilgesellschaft und Politik. zu unzureichenden Lernerfolgen. Nötig ist daher der konsequente Umbau in Richtung inklusive Schule. Gemeinsames Lernen auf weblinks: differenzierten Niveaus nützt allen. Starke www.jungbewegt.de Schüler fallen in inklusiven Schulen nicht in Kontakt: Sigrid Meinhold-Hentschel der Leistung ab, erweitern aber ihre sozialen sigrid.meinhold-hentschel@bertelsmann- „Wir brauchen mehr individuelle Kompetenzen. Stärkere Schüler profitieren. stiftung/de Förderung in den Schulen.“ Was ist mit denen, die ihre Schulzeit ohne Dr. Jörg Dräger, Mitglied des Vorstandes der Abschluss beenden? Bertelsmann Stiftung Für sie muss es Nachqualifizierungsangebo- te geben, die jungen Menschen eine Pers- pektive für das weitere Leben eröffnen.
change › 4/2010 › aktuell Seite 07 gesundheit Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss Kita-Broschüre urchschnittswerte in den Bundesländern und Bandbreite der Kreis- D Ergebnisse. Angaben in Prozent, Daten aus dem Jahr 2008 Praxis-Tipps: Pädagogischen Fachkräften bietet das Projekt „Kitas bewegen“ eine zweite Praxisbroschüre mit Empfehlungen 24,0 zur Selbstevaluation von Kita-Teams. Ziel ist 13,5 es, u. a. durch Bestandsauf- 8,4 17,9 7,5 nahmen und Elternbefra- gungen eigenes Handeln zu 6,2 13,3 reflektieren und gemein- DEUTSCHLAND SCHLESWIG-HOLSTEIN sam Ziele für die weitere Arbeit festzulegen. 8,9 10,6 8,2 MECKLENBURG-VORPOMMERN 7,3 HAMBURG 10,6 weblinks: BREMEN 16,2 www.bertelsmann-stiftung.de/kitasbewegen 11,1 12,1 Kontakt: Andrea Engelhardt 7,4 andrea.engelhardt@bertelsmann-stiftung.de 13,8 4,5 6,9 BERLIN 10,6 11,6 6,8 NIEDERSACHSEN 8,0 SACHSEN- ANHALT NORDRHEIN- 4,0 19,1 16,4 WESTFALEN BRANDENBURG integration 11,8 21,4 11,8 9,4 8,5 Faktencheck zum 7,0 3,2 SACHSEN Thema Migration 2,8 7,2 THÜRINGEN Bertelsmann Stiftung: „Deutsch- HESSEN land schafft sich NICHT ab!“ 3,4 Durchschnitt 2008 RHEINLAND- Klärende Fakten zur Integration: Sind Mus- PFALZ niedrigster/höchster lime in religiösen und politischen Fragen 22,4 Wert in den Kreisen wirklich so intolerant, wie es in den letzten des jeweiligen Landes Wochen häufig behauptet wurde? Ist das 6,7 7,6 Klima zwischen Deutschen und Migranten 5,2 10,5 Quelle: tatsächlich so katastrophal? Haben Migran- 6,5 Bertelsmann Stiftung 2010, ten wirklich kein Verhältnis zur Demokra- stiftung (3), arne weychardt 5,6 SAARLAND Berechnungen von Klaus Klemm. tie? Und ist die Integrationspolitik der Ver- 3,0 2,6 Anteile der Schulabgänger ohne gangenheit gescheitert? – Nein, ganz sicher Hauptschulabschluss an der nicht! So heißt die Antwort auf diese und BADEN-WÜRTTEMBERG BAYERN gleichaltrigen Wohnbevölkerung. In Berlin und Hamburg liegen sechs weitere Fragen. Alles Vorurteile, die die Daten nur auf Ebene des das umstrittene Buch von Thilo Sarrazin, Stadtstaates vor. „Deutschland schafft sich ab“, aufgebaut und in die Öffentlichkeit getragen hat. Nach der Veröffentlichung des Buches dieter duneka karte:bertelsmann hat die Bertelsmann Stiftung eine Zusam- Wirksame Bildungsinvestitionen menfassung verschiedener aktueller Studi- Jugendliche ohne en vorgelegt. Dieser „Faktencheck“ prüft die Hauptschulabschluss Analysen – Regionale Trends – Reformansätze gängigen Vorurteile gegenüber Migranten Fotos: bertelsmann stiftung.fotos: Prof. em. Dr. Klaus Klemm Im Auftrag der Bertelsmann Stiftung und kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl Prof. Klaus Klemm die deutschstämmige Bevölkerung als auch im Auftrag der Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) die Migranten selbst die gegenseitigen Be- Jugendliche ohne Hauptschulabschluss ziehungen weitaus positiver beurteilen als Analysen – Regionale Ansätze – Reformansätze Thilo Sarrazin es in seinem Buch darstellt. Download unter: www.bertelsmann-stiftung.de/jugendliche- weblinks: ohne-hauptschulabschluss www.bertelsmann-stiftung.de/faktencheck Kontakt: Ulrich Kober ulrich.kober@bertelsmann-stiftung.de
aktuell › change › 4/2010 08 Seite politik Konferenz für den Frieden Stiftung unterstützt Völkerver- ständigung in der Balkanregion Im Gespräch: In Dubrovnik trafen sich Politiker, Vertreter von Nichtregierungs- organisationen und Experten aus über 20 Ländern und diskutierten, wie die Zusam- menarbeit zwischen den Balkanstaaten weiterentwickelt werden kann. Themen waren die Bewältigung der konfliktreichen Vergangenheit und die Sicherung von Demokratie, Rechtsstaat- stiftung lichkeit und Frieden. „Damit Versöhnung gelingt, braucht es mehr als Politiker ehemals verfeindeter Staaten, die miteinander reden. Versöhnung ist ein Reinhard-Mohn-Institut langer und schwieriger Prozess, der alle Menschen mit einschließen muss“, sagte gegründet Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann Stiftung. Neues Institut an der Universität Witten/Herdecke forscht zu Der kroatische Präsident Ivo Josipovic Unternehmensführung, Corporate Governance und Controlling stellte sich mit seinen Kollegen, dem designierten Präsidenten von Bosnien- Mit der Einrichtung des „Reinhard-Mohn- den prägenden Persönlichkeiten der ersten Herzegowina, Bakir Izetbegovic, und dem Instituts für Unternehmensführung und privaten Hochschule Deutschlands. „Mit Präsidenten Montenegros, Filip Vuja- Corporate Governance“ (RMI) an der seiner großzügigen finanziellen Förderung novic, den Fragen der Teilnehmer. Der Universität Witten/Herdecke würdigt die und durch sein Engagement als langjähriger ehemalige Präsident Polens, Aleksandar Universität ihren langjährigen Mäzen und Vorsitzender des Direktoriums hat Reinhard Kwasniewski, fasste seine Eindrücke Impulsgeber Reinhard Mohn. Der im ver- Mohn maßgeblich zum erfolgreichen Auf- zusammen: „Ich habe gelernt, dass die gangenen Jahr verstorbene Unternehmer bau und zur nationalen und internationalen Länder Südosteuropas lebendige und und Stifter gehörte in der Aufbauphase zu Reputation unserer Hochschule beigetra- starke Zivilgesellschaften haben. Und sie reden über Grenzen hinweg miteinan- der - da sind sie weiter als viele andere Regionen der Welt.“ DEMOGRAPHISCHER WANDEL Slowenien Ljubljana Slowakei Weniger Eltern – weniger Kinder Zagreb Ungarn Kroatien Die Elterngeneration in Deutschland wird bis 2025 um mehr Bosnien und Belgrad als eine Million Menschen schrumpfen fotos: thomas kunsch, marc darchinger. karte: dieter duneka Herzegowina Serbien Sarajevo Ad Bevölkerungsrückgang: Laut „Wegweiser ger Menschen zu einer relativen Konzen- ria ch tis es Montenegro Kosovo Kommune“ der Bertelsmann Stiftung wird tration der Elternjahrgänge in städtischen Italien Me Prishtina er die Elterngeneration (Menschen zwischen Regionen. Dadurch werden sich künftig der Podgoriza Skopje 22 und 35 Jahren) in den kommenden 15 Bevölkerungsrückgang und die Alterung in Tirana Mazedonien den ländlichen Räumen noch verstärken. Jahren erheblich zurückgehen. Während Albanien der Anteil der Elternjahrgänge an der Die jetzt dort ausfallenden Geburten und Gesamtbevölkerung 2006 noch bei 16,8 die weitere Bildungsabwanderung dürften Griechenland nach 2025 zu einem weiteren, starken Prozent (13,79 Millionen) lag, wird er bis Die Balkanregion im Südosten Europas soll 2025 auf 15,7 Prozent (12,64 Millionen) Rückgang der Elternjahrgänge im ländlichen wieder ein Ort des Friedens werden sinken. Dies bedeutet einen Rückgang um Raum führen. 1,15 Millionen Menschen und spielt eine entscheidende Rolle beim fortschreitenden weblinks: Bevölkerungsrückgang in Deutschland. weblinks: www.bertelsmann-stiftung.de/balkankonferenz Der Grund für den Rückgang der Elternjahr- www.bertelsmann-stiftung.de/elterngeneration gänge liegt zum einen in den rückläufigen www.wegweiser-kommune.de Kontakt: Armando Garcia Schmidt armando.garcia.schmidt@bertelsmann- Geburtenzahlen der letzten Jahrzehnte. Au- Kontakt: Carsten Große Starmann stiftung.de ßerdem führt die „Bildungswanderung“ jun- carsten.grosse.starmann@bertelsmann-stiftung.de
change › 4/2010 › aktuell Seite 09 Festakt zur Eröffnung des politik Reinhard-Mohn-Instituts: Dr. Gunter Thielen, Vorstands- vorsitzender der Bertelsmann Bundespräsident Wulff lädt zum BürgerForum Deutschland Stiftung, Liz Mohn, stellvertre- tende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stiftung, Prof. Dr. Michèle Morner, Leiterin des Reinhard-Mohn-Instituts, Modellprojekt mit 10.000 Teilnehmern gestartet und Prof. Dr. Martin Butzlaff, Geschäftsführer der Universität Briefe an Bürgermeister und Landräte: Witten/Herdecke (von links) Alle Städte und Kreise mit mehr als 80.000 Einwohnern bekamen Post von Bundes- präsident Christian Wulff. Sie haben die Möglichkeit, sich an einem neuen Pro- jekt zur Bürgerbeteiligung zu beteiligen. Bundespräsident Wulff: „In 25 Städten und Kreisen unseres Landes haben ab Anfang 2011 jeweils 400 nach dem Zufallsprin- zip eingeladene Bürger die Chance, sich gen“, sagte Prof. Dr. Martin Butzlaff, auf eine neue Weise mit Fragen unseres Geschäftsführer der Universität Witten/ Zusammenlebens auseinanderzusetzen. Herdecke. Die Ideen Reinhard Mohns Dies ist eine große Chance für die politische zur Unternehmenskultur und -führung Meinungsbildung in unserem Land.“ sollen in dem neu gegründeten For- Die Teilnehmer erarbeiten in Veranstaltun- schungsinstitut auf dem neuesten Stand gen und in online geführten Diskussionen der Wissenschaft weiterentwickelt wer- ihr eigenes Regionalprogramm. Im Mittel- den. Mit dem Institut soll darüber hin- punkt steht die Entwicklung von Ideen, um aus eine Plattform geschaffen werden, den Zusammenhalt in unserer vielfältiger die den wissenschaftlichen Austausch werdenden Gesellschaft zu stärken. Partner nationaler und internationaler Experten des Projektes sind die Heinz Nixdorf Stif- aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft tung und die Bertelsmann Stiftung. fördert. Das RMI wird geleitet von Prof. Dr. Michèle Morner. weblinks: Bundespräsident Christian Wulff will Bürger http://www.buergerforum2011.de auf neue Art beteiligen weblinks: Kontakt: Dr. Dominik Hierlemann www.uni-wh.de/wirtschaft/institut-corporate- dominik.hierlemann@bertelsmann-stiftung.de governance wirtschaft führungskräfte aus Großunternehmen. dere Atmosphäre der Alnatura-Märkte aus. Eine ebenso eindeutige Haltung vertritt Dr. Diese Einblicke bildeten die Basis, auf der Führung braucht Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender der Otto-Gruppe. Er sprach sich ausdrücklich für die Teilnehmer der Business Summer School anschließend ihr persönliches Aktions- und Vorbilder einen kooperativen Führungsstil und eine gesunde Fehlerkultur aus. Dr. Wulf Berno- Umsetzungsprogramm für das eigene unmit- telbare Arbeitsumfeld entwickelten. tat, ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Prominente Unternehmensführer E.ON AG, hatte ebenfalls eine Kernbotschaft gaben in der Business Summer an die Teilnehmer: „Anpassungsfähigkeit School ungewöhnliche Einblicke heißt, sich auf neue Aufgaben, Menschen, Kulturen einzulassen – und dabei ein Stück in ihr Führungsverständnis des ‚Deutschen‘ hinter sich zu lassen“. Prof. Dr. Götz Rehn, geschäftsführender Alleinge- Für mehr Offenheit in der Unternehmens- sellschafter Alnatura GmbH, glaubt „an die führung: Petra Hesser, Geschäftsführerin Einsichtsethik des Einzelnen“. Es gelte nicht, IKEA Deutschland, will es jedem ihrer Werte zu vermitteln, sondern Einsichten. Mitarbeiter ermöglichen, der Geschäfts- Alnatura verfolge das Ziel, es dem Mitarbei- leitung ein direktes Feedback zu geben. ter zu ermöglichen, sich selbst zu führen. Dafür ist das E-Mail-Tool „Schreib Petra“ Das hohe Maß an Selbstverantwortung und eingerichtet worden. Die oft auch kritischen Zuwendung zum Kunden mache die beson- Mails erhält sie direkt und beantwortet sie persönlich und schnell. Dieses Angebot sieht sie als Teil ihrer Vorbildfunktion und des weblinks: Führungsverständnisses in ihrem Unter- www.bertelsmann-stiftung.de/bss Dr. Andreas Jacobs, Liz Mohn und nehmen. Das erklärte sie den Teilnehmern Kontakt: Dr. Alexandra Schmied Dr. Wulf Bernotat (v. l.) mit den Teilnehmern der Business Summer School – Nachwuchs- alexandra.schmied@bertelsmann-stiftung.de der Business Summer School
aktuell › change › 4/2010 10 Seite si ege r e h ru ng i n b e r l i n Prominente als Haupt- gewinn Mit vielen prominenten Gästen aus Show und Politik ehrte Liz Mohn in Berlin die neun Siegerprojekte des Integrationswettbewerbs „Alle Kids sind VIPs“ der Bertelsmann Stiftung. Als Gewinne erwarten die Schüler den Besuch ihrer Stars text: Tanja Breukelchen ][ fotos: arne weychardt W ie schafft man es, seine Mitschü- ler besser zu integrieren und gleichzeitig viel voneinander zu lernen? Da gibt es viele Ideen und Möglich- keiten, erfuhr Liz Mohn, stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Bertelsmann Stif- tung, als sie jetzt in Berlin die neun Sieger des bundesweiten Schulwettbewerbs „Alle Kids sind VIPs“ auszeichnete. Vom Thea- terfestival über Musicals, internationale Fußball-Turniere bis hin zu Rap- und Tanz- projekten hatten Kinder und Jugendliche aus ganz Deutschland über 100 Beiträge eingereicht. Ein Beweis, dass Integration in der Praxis funktioniert und nicht nur Stoff für TV-Debatten liefert. Die Ideen der Kids zeigen, dass das Zusammenleben ››
change › 4/2010 › aktuell Seite 11 Gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Vorstandes der Bertelsmann Stiftung, Dr. Gunter Thielen, und der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung, Prof. Maria Böhmer, empfing Liz Mohn (Mitte) die Schüler der ausgezeichneten Projekte
aktuell › change › 4/2010 12 Seite Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Maria Böhmer (Mitte) im Gespräch mit Liz Mohn und Dr. Gunter Thielen und -lernen von Menschen unterschiedli- cher Nationalitäten auch Spaß und Freund- schaft bedeuten kann. „Diese Kinder sind unsere Zukunft“, erklärte Liz Mohn. „Sie alle haben noch ihr ganzes Leben vor sich – und wenn sie dieses Leben in einem friedlichen Miteinander führen, bedeutet das zugleich auch viel mehr Lebensqualität und Lebens- freude.“ Von den Ideen begeistert, überreichte sie die Preise – oder besser: kündigte sie an. Die Band „Culcha Candela“ (oben) setzte sich mit ins Denn bei „Alle Kids sind VIPs“ sind echte Publikum und wartete auf die Siegerehrung, während TV-Moderator Patrice Bouedibela (rechts) schon oben Menschen die Hauptgewinne! Die Sieger- auf der Bühne stand schulen bekommen nämlich prominenten Besuch von Botschaftern, die selbst aus multikulturellen Elternhäusern stammen und Vorbilder für gelungene Integration sind: die Band Culcha Candela, der Fußball- nationalspieler Mario Gomez, die Break- dance-Weltmeister Flying Steps, die Urban Dance-Crew FanatiX, die Schauspieler Susan Sideropoulos und Tayfun Baydar („Gute Zei- ten, schlechte Zeiten“), die Sängerin Jenniffer Kae, der Fernseh-Moderator Daniel Aminati sowie der Comedian Bülent Ceylan. Sie alle haben, genau wie die Kids, eigene Erfahrungen mit dem Thema Integration gemacht und sind zum Teil seit dem Start des Wettbewerbs „Alle Kids sind VIPs“ im Jahr 2008 mit dabei – „weil es mir einen riesigen Spaß macht, diese Jugendlichen zu motivieren“, erklärte Bülent Ceylan. Und für die Tänzer Boo, Fresh-S-Kid, Gun-R, B-Boy Iron-H, L-Cubano und MiX der Fana- ›› Heizten den Siegern musikalisch ein: die Urban-Dance-Crew FanatiX aus Berlin
change › 4/2010 › aktuell Seite 13 Links: TV-Moderator Daniel Aminati freut sich auf „seine“ Sieger- schule, die Geschwister- Scholl-Hauptschule in Röthenbach Links: Jenniffer Kae sang auf der Bühne – und die Oben: Die „Flying Steps“, Kids im Publikum (unten) tobten vor Begeisterung prominente Hauptgewinne der Pestalozzischule aus Ha- gen, zeigten auf der Bühne, was Breakdance-Weltmeister so drauf haben Wer bei „Alle Kids sind VIPs“ gewinnt, muss für ein Autogramm seines Stars nicht lange Schlan- ge stehen – das gibt’s bei der Siegerehrung gleich mal nebenbei, so wie hier von „Culcha Candela“-Star Mr. Reedoo
aktuell › change › 4/2010 14 Seite info > alle kids sind vips Die Gewinner Welcher Botschafter ist wohl unser Hauptgewinn? – Nach der Siegerehrung wussten die Schüler mehr. Jetzt warten sie gespannt auf den Tag, an dem die Stars ihre Schule besuchen Z um zweiten Mal gab die Bertelsmann Stiftung mit ihrem Integrationswett- bewerb „Alle Kids sind VIPs“ Schulen die Möglichkeit, sich mit spannenden Projek- ten zum Thema Integration zu bewerben. Jetzt bekommen die Sieger Besuch von prominenten Botschaftern, die eigene Erfahrung mit Integration haben: Die Band Culcha Candela besucht die Fritz-Karsen-Schule in Berlin. Sie gewan- nen mit dem Rap „Es ist egal“. Comedian Bülent Ceylan ist Gast der Friedensburg Oberschule in Berlin, die ein Geschichtsprojekt über Migration durchgeführt hatte. Susan Sideropoulos ist zu Besuch in der Beruflichen Schule H20, Bramfelder See in Hamburg. Von dort kam das Theater- stück „Naßib“ (Schicksal). Schauspieler Tayfun Baydar besucht das Margaretha-Rothe-Gymnasium in Hamburg, das mit einem „Interkultu- rellen Kompetenzkurs“ und einer „Eine Welt-AG“ Jugendliche integriert. Einen Tanzworkshop mit der „Urban- Dance-Crew FanatiX“ gewann die Geschwister-Scholl-Realschule aus Nürn- Prominente Botschafter wie die Band „Culcha Candela“ (ganz oben, zusammen mit Liz Mohn) berg mit dem Tanzprojekt „Flash Kids“. sind die Hauptgewinne beim Schulwettbewerb „Alle Kids sind VIPs“ Moderator Daniel Aminati besucht das deutsch-türkische Youthical: „Romeo & Julia“ der Geschwister-Scholl-Haupt- schule in Röthenbach. tiX ist das Engagement im Bereich Integ- für die Integration junger Menschen ist: ration ebenfalls sehr wichtig: „Wenn man „Noch immer verlassen junge Migranten Jenniffer Kae fährt zur St. Walburga- Hauptschule nach Meschede, wo 90 nichts für Integration tut, bilden sich Paral- etwa doppelt so häufig die Schule ohne Ab- Jugendliche eine „Neue Weihnachtsge- lelgesellschaften“, erklärt Iron-H. „Jeder, der schluss wie ihre Altersgenossen ohne Mig- schichte für unsere Welt“ aufführen. zu dieser Gesellschaft gehört, muss etwas rationshintergrund. Wettbewerbe wie ‚Alle beitragen. Wenn man sich abkapselt, bringt Kids sind VIPs‘ tragen dazu bei, dass die Die Flying Steps besuchen das Projekt „Meine Freunde, meine Nachbarn“ der das weder Deutschland noch einem selbst Bildungschancen von Kindern und Jugend- Pestalozzischule in Hagen. etwas.“ Für ihn ist es wichtig, sich mit dem lichen aus Zuwandererfamilien in unserem Foto: arne weychardt (rechte seite) Land auseinanderzusetzen, in dem man Land steigen.“ Mario Gomez kickt mit dem Team aller lebt: „Man muss zwischen Heimat und Her- Dr. Gunter Thielen, Vorstandsvorsitzen- weiterführenden Schulen aus Ebersbach. Ihr Projekt: eine „Integrative Fußball- kunft unterscheiden. Wo man jetzt ist und der der Bertelsmann Stiftung, lobte die vie- Schüler-WM“. was man daraus macht, ist wichtig.“ len Beispiele, die zeigen, wie Schüler unter- Auch zahlreiche Gäste aus Politik und schiedlicher Nationen durch persönliches weblink: Gesellschaft waren in Berlin mit dabei. Engagement zusammenwachsen können: www.allekidssindvips.de Darunter die Integrationsbeauftragte der „Wir hoffen, dass andere Schulen diese Pro- Kontakt: Johanna Braun Bundesregierung, Prof. Maria Böhmer, die jekte als Vorbild nehmen, um selbst aktiv johanna.braun@bertelsmann-stiftung.de in ihrer Rede betonte, wie wichtig Bildung zu werden!“ ][
change change › 4/2010 › 4/2010 › schwerpunkt › aktuell Seite 15 Schwerpunkt: jugend ›
schwerpunkt: jugend › change › 4/2010 16 Seite juge n d i n de ut s ch l a n d Gesichter der neuen Generation Sie sind engagiert. Sie wollen etwas bewegen. Sie schauen zuversichtlich nach vorn. Und doch sind sie ganz unterschiedlich. Aktuelle Studien belegen: Jugendliche in Deutschland haben ein positives Bild von der Zukunft, setzen sich ein und wollen etwas bewegen. Wir haben junge Menschen in ganz Deutschland besucht und uns selbst ein Bild gemacht Jugend in Bewegung: Ein junges Eistanzpaar kämpft für die große Karriere. Ein sympathischer Überflieger hofft auf den Nobelpreis. Eine begabte Flötistin möchte anderen Menschen durch ihre Musik eine Gänsehaut verschaffen. Und ein 13-jähri- ger Junge will eine Million Kinder zu Klimabot- schaftern ausbilden. Wir trafen junge Menschen und wollten wissen: Was bewegt eigentlich sie? Perspektiven für Junge: In Bitterfeld altert die Gesellschaft rasant, das Stadtbild ist trist, die Jungen wandern ab. Freising sieht aus wie eine Modellbahnlandschaft, lockt Jugendliche mit Kultur, Kneipen und Studienplätzen. – Wir suchten in beiden Städten nach dem Lebensgefühl der Jugendlichen. Stadt oder Land: Stini, eine DJane aus Berlin. Alexander, ein Jungbauer aus Ostwestfalen. Beide sind 23 Jahre alt. Sie haben früh eine Entscheidung für ihr Leben getroffen, die gegensätzlicher kaum sein kann. Wir haben sie im Alltag begleitet. Zusammen wachsen: Pfadfinder haben strenge Regeln und eine lange Tradition. Breakdancer sind Jugend in modern und immer anders. Trotzdem verbindet sie in ihrem Engagement ein gemeinsames Motiv: Teamgeist!
schwerpunkt: jugend › change › 4/2010 18 Seite Foto: gerhard westrich G es ichte r ei n e r G e n e r ation Jugend in Bewegung Sie setzen sich für andere ein, sind politisch aktiv, sportlich, mutig und kreativ. Wir besuchten Jugendliche in Deutschland und wollten wissen, was sie bewegt Integration Was sie bewegt: „Filme wie ‚Wut‘, Aylin Selcuk (21), Berlin, die Angst machen, weil sie undif- „Deukische Generation“ ferenziert die Türken als die Bö- sen hinstellen, Vorurteile schüren Als Aylin (auf dem Foto mit und Angst machen. Der Film war Lamia, 21, und Can, 15) im Jahr für mich der Auslöser, den Verein 2007 den Verein „DeuKische zu gründen.“ Generation“ gründete, wollte sie Was sie bewegen will: „Wir brau- verbinden! DeuKisch steht für chen Vermittler und eine Politik, das Lebensgefühl türkischstäm- die die sozialen Ungleichheiten in miger Jugendlicher, die in zwei Deutschland nicht noch verschärft. Kulturen und mit zwei Sprachen Trotzdem studiere ich lieber aufgewachsen sind. Aylins Ziel: Zahnmedizin als Politik. Ich glaube Sie möchte durch den Verein die nämlich, dass eines in unserem Interessen von türkischstämmigen Land unterschätzt wird: das Jugendlichen in der Öffentlichkeit Potenzial von zivilgesellschaftli- und gegenüber der Politik vertre- chem Engagement und Ehrenamt. ten und Projekte zur Förderung Menschen, die sich für andere der Integration organisieren. Der einsetzen, können mehr erreichen Verein hat heute 50 aktive und als manche Politiker es tun.“ 100 unterstützende Mitglieder. Info: www.deukischegeneration.de
Foto: florian jaenicke bäume Felix Finkbeiner (13), Paehl (Oberbayern), „Plant for the Planet“ Als er „Plant for the Planet“ starte- te, war Felix neun Jahre alt. Seine Idee: Kinder auf der ganzen Welt sollen Bäume pflanzen und ge- meinsam die Politiker mahnen, ihre Welt nicht aufs Spiel zu setzen. In über 70 Ländern der Erde ist seine Organisation inzwischen aktiv. Und Felix? Der reist zu den Mächtigen dieser Welt, hält Reden auf Konfe- renzen und lädt sogar zu eigenen Pressekonferenzen ein. Was ihn bewegt: „Wir werden all das ausbaden müssen, was die Erwachsenen heute versäumen. Und wenn wir erst anfangen, uns dagegen zu wehren, wenn wir erwachsen sind, ist es garantiert zu spät, um unsere Zukunft zu retten.“ Was er bewegen will: „Wir wollen bis 2020 eine Million Kinder dazu ausbilden, Botschafter für Kli- magerechtigkeit zu werden. Dafür veranstalten wir Akademien, bei denen Kinder andere Kinder ausbilden.“ Info: www.plant-for-the-planet.org Jugend in Individuelle Förderung – individuelle Perspektive > Kinder und Jugendliche sind sehr unterschiedlich. Ihre Talente und Fähigkeiten müssen deshalb früh und gezielt unterstützt werden. Die Ber- telsmann Stiftung engagiert sich deshalb für die individuelle Förderung aller Schüler. Nur so hat jeder die Chance seinen Weg zu finden und zu gehen.
eistanz Was ihn bewegt: „Sotschi 2014 – das Carolina und Daniel Hermann ist unser sportliches Ziel! Und im (22 und 24), Berlin, Eistänzer Leben? Irgendwann glücklich sterben und wissen, dass man alles richtig Auf einem Teich bei Wuppertal fing es gemacht hat.“ an. Dort entdeckten die Geschwister Was sie bewegen will: „Ich möchte als Kinder ihre Liebe zum Eistanz. Seit meine Jugend nutzen, denn in unse- der Saison 2007/2008 laufen sie in rem Alter kann man so viel mehr als der Meisterklasse. 2009 wurden sie nur herumhängen.“ Deutsche Meister, erlebten dann bei Was er bewegen will: „Ich möchte et- was von dem, was ich erfahren habe, Foto: gerhard westrich der Weltmeisterschaft in Turin ein Desaster. Verletzungspech, Zweifel, einer neuen Generation weitergeben. der Umzug nach Berlin. Neustart! Ihr Deshalb möchte ich dem Sport immer Traum: die Olympischen Winterspiele verbunden bleiben, auch in schwie- 2014 im russischen Sotschi. rigen Zeiten. Das Leben ist eben kein Hollywood-Film. Aber man hofft trotz- Was sie bewegt: „Mein Sport! Die Be- dem immer auf ein Happy End.“ wegung auf dem Eis, das Schauspiel, Info: www.hermann-hermann.de die Akrobatik und die Leidenschaft.“
change › 4/2010 › schwerpunkt: jugend Seite 21 kunst Marcel Hennig (18), Berlin, Graffiti-Sprayer Das Gemälde, vor dem er steht, ist nicht von ihm – doch irgendwann einmal so gut zu sein, das ist sein Ziel. Mit dem Sprayen auf legalen Flächen fing Marcel erst Anfang letzten Jahres an. Nach dem Real- schulabschluss lief einiges schief. Aufgeben will er trotzdem nicht. Was ihn bewegt: „Ich möchte end- lich eine Arbeitsstelle bekommen. Vielleicht etwas im Handwerk. Aber mein Traum wäre etwas mit Grafik-Design, mit Kunst, mit Sprayen...“ Was er bewegen will: „Ich möchte so gut sein, dass andere meine Bilder sehen. Ich möchte wahrge- nommen werden. Etwas Schönes machen, etwas, das Sinn hat.“ Foto: gerhard westrich
schwerpunkt: jugend › change › 4/2010 22 Seite Schönheit Dalia Günther (16), Hamburg, Model Im Sommer 2008 schickte eine Freundin von Dalia eine Bewer- bung für sie an Model Management Hamburg. Dalia wusste davon nichts. Heute arbeitet sie für Fir- men wie Strenesse und St. Emilie, ist das aktuelle Kampagnen-Model von Talbot Runhof und lief in die- sem Jahr bei der Berliner Fashion Week. Was sie bewegt: „Das Reisen als Model macht mir wahnsinnig Spaß, und in erster Linie ist es für mich wichtig, an dem was ich tue Freude zu haben und mit den unterschied- lichsten Menschen und Kulturen Erfahrungen zu sammeln. Mode an sich war in meiner Anfangszeit als Model dabei nicht so wichtig, aber von Shooting zu Shooting wird auch dieses immer interessanter, um zu verstehen, wie die Mode- Industrie funktioniert.“ Was sie bewegen will: „Der Spagat zwischen Schule und Modeling ist groß. Ich bemühe mich in beiden Bereichen einen anständigen Job abzuliefern. Für mich ist ganz wichtig, Spaß an beidem zu haben und dabei ich selbst zu bleiben. Anderen jungen Models, die auch in der Schule sind, kann ich nur raten mit klarem Verstand an die Sache zu gehen und die Schule nicht zu vernachlässigen.“ Info: www.model-management.de Foto: axel martens
Politik Michael Adam (25), Bodenmais, Bürgermeister Dass ausgerechnet er der jüngste Bürgermeister Bayerns werden würde und zugleich das bisher jüngste Oberhaupt der Gemein- de Bodenmais (Niederbayern), hatte keiner gedacht. Doch dann schaffte er es 2008 locker ins Amt – obwohl er jung ist, evangelisch, Sozialdemokrat und bekennender Homosexueller. Was ihn bewegt: „Als Kind aus einer Arbeiterfamilie habe ich erlebt, dass es junge Menschen aus bildungsferneren Elternhäu- sern schwerer haben, das Abitur zu machen und zu studieren. Damit konnte ich mich bis heute nicht abfinden.“ Was er bewegen will: „Ich möchte kein Politiker sein, der mit Hochglanzbroschüren für sich Werbung macht. Ich gehe direkt auf die Leute zu, und ich nutze das Web 2.0. Das ist hoffentlich ein Weg, direkt mit den Leuten in Kontakt zu treten. Und die Mails beantwortet kein Pressereferent, sondern ausschließlich ich.“ www.michael-adam.eu foto: florian jaenicke
schwerpunkt: jugend › change › 4/2010 24 Seite Wissenschaft Nikolaus Hildebrand (15), Pöcking, Student Er übersprang vier Klassen, legte mit 14 Jahren ein Traum-Abi (1,1) hin und hat einen Intelligenzquo- tienten von 147. Als „Wunder- kind“ oder „Streber“ möchte sich Nikolaus Hildebrand aber nicht bezeichnen lassen. Denn eigentlich sieht er sich als einen ganz norma- len Jungen. Auch wenn er gerade ein Chemiestudium an der Ludwig- Maximilians-Universität in Mün- chen begonnen hat. Was ihn bewegt: „Ich bin ein Alles- interessierter. Mich bewegt jede meiner vielfältigen Interessen.“ Was er bewegen will: „Ich möchte ein berühmter Forscher werden und durch meine Forschung die Probleme der Menschen lösen.“ Foto: florian jaenicke
change › 4/2010 › schwerpunkt: jugend Seite 25 Ehrenamt Luisa Grosser (18), Dinslaken, Friedensdorf International Nach einem Praktikum vor vier Jahren, blieb Luisa der Arbeit im Friedensdorf treu. Bis heute kümmert sich die Abitu- rientin als Ehrenamtliche um die Kinder aus Krisen- und Kriegsgebieten, denen dort geholfen wird. Was sie bewegt: „Das Glück der Kinder, wenn sie gesund sind und wieder nach Hause dürfen. Außerdem ihr Lebens- mut, den sie trotz Angst und Schmerzen haben.“ Foto: michael bergmann Was sie bewegen will: „Nach dem Abitur möchte ich ein Soziales Jahr in Gha- na machen. Danach werde ich Soziale Arbeit oder Sozialpädagogik studieren – weil ich weiß, wie schön es ist, anderen zu helfen.“ Info: www.friedensdorf.de
schwerpunkt: jugend › change › 4/2010 26 Seite Musik Alina Weidlich (21), Detmold, Flötistin Als Alina von der Erzieherin im Kin- dergarten gefragt wurde, was sie spä- ter einmal werden möchte, sagte sie Flötistin. „Damals war ich drei Jahre alt und spielte noch gar kein Instru- ment.“ – Mit fünf lernte Alina Klavier, zwei Jahre später Flöte, und stand als kleines Mädchen als Solistin mit dem Kinderchor der Komischen Oper Berlin auf der Bühne, später spielte sie im Deutschen Symphonie-Orchester. Sie erhielt zahlreiche Stipendien, gewann zweimal den Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“, war Jungstudentin, machte mit Bestnoten das Abitur und studiert seit 2007 an der Hochschule für Musik in Detmold. Was sie bewegt: „Die Musik! Es ist, als würde man durch sie in eine Aben- teuerwelt abtauchen. Wenn man als Musiker überzeugend sein will, hat man passende Bilder im Kopf. Wenn ich als Flötistin überzeuge, entstehen bei jedem Hörer wiederum ganz eigene Bilder. Insofern ist Musik immer ein ‚maßgeschneidertes‘ Erlebnis. Man taucht in eine perfekte, aufregende Abenteuerwelt ab!“ Was sie bewegen will: „Klassische Musik begeistert, ist mitreißend, löst Blockaden und deckt das ganze Gefühlsspektrum ab. Das braucht viel Mut. Ich möchte den Menschen die Angst und die Unsicherheit nehmen, mit klassischer Musik umzugehen und sie durch technisch und musikalisch hochwertige Kunst dazu bringen, sich darauf einzulassen.“ D ie Jugend ist augenscheinlich eine lend. Deutlich wachsend ist dagegen die Be- Bildung. In keinem Land hängt der Schul- Fotos: axel martens schwierige und nur schwer zu grei- völkerungsgruppe ab 45 Jahren. Die Jugend abschluss nämlich so stark von der sozialen fende Lebensphase. Das fängt schon wird damit nicht gleich zu einer aussterben- Herkunft ab wie in Deutschland. Jugendli- bei der Eingrenzung des Alters an: Nach den Art, verliert aber gesamtgesellschaftlich che, deren Vater keinen oder nur einen ein- deutschem Recht zählen 14- bis 18-Jährige zu an Gewicht. Ob das zu einem Bedeutungs- fachen Bildungsabschluss haben, streben der Gruppe der Jugendlichen, die UN fasst verlust führt, ist noch ungewiss, schließlich nur selten das Abitur oder die Fachhoch- die Altersgruppe von 15 bis 25 Jahre und die braucht eine alternde Gesellschaft die jun- schulreife an (26 Prozent). Bei Jugendlichen aktuelle Shell-Jugendstudie untersucht jun- gen Menschen umso dringender. aus bildungsnahen Elternhäusern ist dieses ge Menschen im Alter von 12 bis 25 Jahren. Verzagt scheint die Jugend aber ange- Ziel mit 77 Prozent fast dreimal so häufig Egal wie weit man die Jugendphase auch sichts des demographischen Wandels nicht ausgeprägt. ausdehnt, die Gruppe der Jugendlichen zu sein. Die Shell-Jugendstudie beschreibt Hauptschüler sehen ihre berufliche Pers- wird auf jeden Fall in den nächsten Jahren die Generation als engagiert, interessiert pektive skeptisch und sehen sich als Verlie- und Jahrzehnten in Deutschland deutlich und mit einem positiven Blick in die Zu- rer beim Einstieg in den Arbeitsmarkt. Die schrumpfen. Von den knapp 82 Millionen kunft. aktuellen Arbeitsmarktzahlen belegen diese Deutschen sind laut Statistischem Bundes- Selbsteinschätzung: Von den rund 377 000 amt noch knapp 11,7 Millionen in der Alters- arbeitslos gemeldeten jungen Menschen Bildung und Beruf gruppe zwischen 12 und 25 Jahren. Noch gut unter 25 Jahren sind 64 Prozent ohne Schul- 14 Prozent der Deutschen gehören damit zu Der Optimismus von Jugendlichen richtet abschluss und 27 Prozent mit Hauptschulab- der jugendlichen Generation – Tendenz fal- sich allerdings stark nach Herkunft und schluss. In einer Ausbildung befinden ››
change › 4/2010 › schwerpunkt: jugend Seite 27 Kreativität André Borchers (24), Hamburg, Designer Als Enkel einer deutschen Lebens- mittelfilialerbin ging André in Bad Oeynhausen zur Schule, frischte in Sydney, Madrid, Barcelona und Mailand seine Fremdsprachen- kenntnisse auf und hat gerade in Hamburg sein Studium zum Design- und Modemanager abge- schlossen. Noch während seines Studiums brachte er eine eigene Shirt-Kollektion heraus – die „Love Collection“. Damit unterstützt er das „Ruanda-Projekt“ der Realschu- le Süd und des Immanuel-Kant- Gymnasiums seiner Heimatstadt. Was ihn bewegt: „Wenn man Menschen, die man liebt, verliert, beispielsweise durch Tod, bewegt mich das. Und es bewegt mich, wenn ich Leute sehe, die nicht für ihre Träume kämpfen. Denn aufge- ben sollte man niemals.“ Was er bewegen möchte: „Ich möchte anderen von meinem Glück etwas abgeben. Durch die Kollektion konnte ich das und habe sogar die erreicht, die am wichtigs- ten sind: Kinder! Denn sie sind die Zukunft jeder Gesellschaft.“ Infos: www.andreborchers.com
schwerpunkt: jugend › change › 4/2010 28 Seite sich nur 16 Prozent ohne Abschluss und 28 Prozent mit Hauptschulabschluss. Die meis- ten Auszubildenden (39 Prozent) haben die Eine Generation unter Druck Mittlere Reife. Allerdings steigt auch hier der Druck: Immer mehr junge Menschen Interview mit Prof. Dr. Klaus Hurrelmann, Sozialwissenschaftler, mit dem Abschluss der Realschule finden Jugendforscher und Leiter der gerade erschienenen Shell-Studie keinen Ausbildungsplatz mehr. Abitur oder Ausbildung werden immer mehr zur Min- destqualifikation für den Arbeitsmarkt und die weitere berufliche Entwicklung. Prof. Dr. Klaus Selbstbestimmung sind deshalb keines- Hurrelmann ist seit Zu den beliebtesten Ausbildungsberu- wegs weg. Es ist dieser Wertemix, der 1979 Professor typisch für die Generation ist. fen zählen bei den weiblichen Jugendlichen an der Universität Kauffrau im Einzelhandel, Bürokauffrau, Bielefeld. Seit seiner Wenn die Orientierung an die eigene Friseurin, Verkäuferin, medizinische Fach- Emeritierung 2009 arbeitet er als Senior Herkunft so stark ist – bleibt dann jeder angestellte und Industriekauffrau. Bei den Professor of Public in seinem sozioökonomischen Umfeld? Männern lagen die Berufe Kaufmann im Health and Education Es sieht so aus. Wir haben den Eindruck Einzelhandel, Koch, Industriemechaniker, an der Hertie School gewonnen, dass sich in der Zeitspanne of Governance in von über acht Jahren die Gruppe, die Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- Berlin wir über die sozioökonomisch niedrigste und Klimatechnik, Elektroniker, Maler und Position bestimmen, weiter entfernt hat Lackierer und Tischler vorn. Neben dem von all den anderen Gruppen. Die Kluft Geschlecht wird die Wahl des Ausbildungs- CHANGE: Kann man Jugend erklären? hat sich spürbar vergrößert. platzes auch durch den Schulabschluss be- Jeder Jugendliche hat je nach sozialer einflusst. Auszubildende mit Hochschul-/ Herkunft, Entwicklung, Region, Einwan- Wie schätzen Sie die Chancen ein, das Fachhochschulreife konzentrieren sich derungsstatus oder Geschlecht einen soziale Millieu zu wechseln? anderen Lebensstil. Die Kunst der Ju- Die Frage kann man nicht pauschal be- eher auf den kaufmännischen Bereich. Bei gendforschung besteht darin, den Kern antworten. Aber man darf vermuten, dass Auszubildenden ohne allgemeinbildenden herauszufinden, der eine Generationen- die Durchlässigkeit in den letzten Jahren Schulabschluss entschieden sich die meis- gestalt identifizierbar werden lässt. keinesfalls gewachsen ist und aus diesem ten für Berufe im Handwerk. Grunde auch die Kluft zugenommen hat. Unter den beliebtesten Studienfächern Wie sieht sie denn dann aus, die aktuel- Im Rahmen der Shell-Studie haben wir ist bei Frauen und Männern die Rechts- le Generation? bemerkt, dass im Unterschied zu 2002 wissenschaft. Auffällig ist nach wie vor Es ist eine pragmatische Generation. Sie ein Angehöriger der stark benachteilig- stellt sich den jeweiligen Verhältnissen ten Gruppe heute viel stärker spürt, wie die Dominanz der Männer in den Fächern und akzeptiert, wie die gesellschaftli- chancenlos er ist. Wenn Jugendliche also Maschinenbau/-wesen, Informatik, Wirt- chen Bedingungen sind. Kein Aufmüp- einmal in einer benachteiligten Position schaftsingenieurwesen, Elektrotechnik/ Elek- fen, kein Protest, sondern das Ziel, ein sind, dann sind sie gewissermaßen darin tronik und Wirtschaftsinformatik, während Teil der Gesellschaft zu sein. Dem stellt eingemauert. Germanistik, Erziehungswissenschaft, An- sie sich oft über Jahre mit großem Opti- glistik/Englisch und Psychologie vor allem mismus. Eine Gratwanderung, die viele Eine Art Teufelskreis. nicht aufrechterhalten können und an Ja, auch das zeigt die Studie. Wenn wir von Frauen studiert werden. Rollenbilder der manche letztlich verzweifeln. dann noch die im Alter darunter liegende, prägen Jugendliche also noch immer ganz methodisch aber ähnlich angelegte World maßgeblich bei der Entscheidung für ihren Also eine Generation unter Druck? Vision Kinderstudie betrachten, die die Berufsweg. Ja, der Druck entsteht auch, weil die Sechs- bis Elfjährigen befragt, bestätigt Mit über 440.000 Erstsemestern in die- Jugendlichen sich an den eigenen sich diese These. Der Prozess des „Abge- sem Jahr erreicht Deutschland einen neuen Eltern und am sozialen Status des hängtseins“ beginnt früh. Da gehen schon Studentenboom. 46 Prozent des Altersjahr- Elternhauses orientieren. Die junge im Grundschulalter die Perspektiven Generation möchte dieses bürgerli- auseinander, welche Schullaufbahn man gangs haben sich für ein Studium entschie- che Leben der Eltern reproduzieren. einschlagen kann. den. Insgesamt sind damit derzeit 2,2 Mil- Konstruktiv und zugleich angepasst ist lionen junge Menschen in Deutschland an diese Jugend. Und sie spürt, dass sie all Welche Einflüsse spielen dabei eine Rolle? einer Hochschule eingeschrieben. das nur mit großen Ungewissheiten und Die Zurücksetzungen, die man erfährt. unter großem Bewährungsdruck auf die Häufig auch ungünstige Einwirkungen Reihe kriegen kann. durch Elternhaus oder Umfeld. Außerdem Familie und Finanzen Entmutigungen, die man in der Schullauf- Was bewegt diese Jugend? bahn einstecken musste. Da kommt es Mehr als 90 Prozent der Jugendlichen geben Dass sie selbst durchkommt. Da ist ein zu einem Aufschaukeln von negativen in der Shell-Jugendstudie an, ein gutes Ver- gewisses Maß an Egozentrik und eine Erlebnissen – und sich da herauszube- hältnis zu ihren Eltern zu haben. Fast Drei- Kosten-Nutzen-Kalkulation im Spiel. Es wegen, ist äußerst schwer. Das wird in viertel (73 Prozent) wollen ihre Kinder später fällt auf, dass alte Werte wie Disziplin, Deutschland noch durch die frühe Auf- so erziehen, wie sie das bei ihren Eltern erlebt Durchhaltevermögen, Leistung, Ordnung teilung in unterschiedliche Schulformen haben. Ein klares Signal, dass der klassische und Sicherheit wieder da sind. Doch unterstrichen. Da kommt ganz klar und die postmaterialistischen Werte wie institutionell zum Ausdruck, wem was Generationskonflikt mit den Eltern heute Lebensgenuss, Spaß am Leben und zugetraut wird. augenscheinlich keine große Rolle spielt. Mehr als ein Drittel der Jugendlichen zwischen 22 und 25 Jahren (38 Prozent) woh-
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