CHIRURGIE - im Fokus KONGRESS-HIGHLIGHTS 2019 - Berufsverband der Deutschen Chirurgen
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CHIRURGIE PA S S I O N PA N O R A M A SEIN HERZ SCHLÄGT im Fokus WEITER. KONGRESS- IRGENDWO HIGHLIGHTS 2019 06 | II | 2019 MITGLIEDERZEITSCHRIFT: DEUTSCHE GESELLSCHAFT FÜR CHIRURGIE BERUFSVERBAND DER DEUTSCHEN CHIRURGEN
IMPRESSUM HERAUSGEBER Deutsche Gesellschaft für Chirurgie e.V. Berufsverband der Deutschen Chirurgen e.V. DGCH Präsident: Prof. Dr. med. Matthias Anthuber Vizepräsidenten: Prof. Dr. med. Jörg Fuchs, Prof. Dr. med. Thomas Schmitz-Rixen, Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Michael Ehrenfeld Generalsekretär: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer Schatzmeister: Prof. Dr. med. Jens Werner 10 26 BDC Präsident: Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer V.i.S.d.P. Vizepräsidenten: Dr. med. Peter Kalbe, Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg Justitiar: Dr. jur. Jörg Heberer, Berlin/München Geschäftsführerin: Dr. med. Friederike Burgdorf INHALT REDAKTION Prof. Dr. med. Dr. h.c. Hans-Joachim Meyer (V.i.S.d.P.) Dr. med. Jörg-Andreas Rüggeberg (dr.rueggeberg@t- online.de) 1 EDITORIAL Dr. med. Friederike Burgdorf 1 Drei Monate im Amt – Es gibt viel zu tun F. Burgdorf Katrin Kammerer (Tel.: +49 (0) 30 28004-202 | passion_chirurgie@bdc.de) 2 im Fokus Julia Weilbach VERLAG schaefermueller publishing GmbH UNSERE KONGRESSE: ALLE JAHRE Ifenpfad 2-4, 12107 Berlin WIEDER H.-J. Meyer info@schaefermueller.de | Tel. +49 (0)30 76180 625 DESIGN Nina Maria Küchler, Berlin 6 SCHAUFENSTER ANZEIGEN Sabine Bugla PassionChirurgie@t-online.de 10 CHIRURGIE +49 (0) 5632 966147 10 Akute Cholezystitis: Leitliniengerechte Therapie ABBILDUNGSHINWEISE C. N. Gutt Cover-Foto von siraanamwong, Teaserfotos von iStock oder 18 CME Artikel: Aktualisierte KRINKO-Empfehlung von den Autoren. zur Prävention postoperativer Wundinfektionen ERSCHEINUNGSWEISE UND BEZUG: (Stand 2018) P. Kalbe, J. Seifert + Passion Chirurgie erscheint monatlich als elektronische Ausgabe (eMagazin via BDC|Mobile App über Apple AppStore oder GooglePlay) und quartalsweise als gedruckte Zeitschriftenausgabe (IVW-Mitgliedschaft). 24 CHIRURGIE 24 Hospitation HERNIENSCHULE: 1 Tag, 7 Patienten, 5 Techniken J. Weilbach Der Bezug ist im Mitgliedsbeitrag des Berufsverbandes 26 Webinar-Termin im Juni 2019: S3-Leitlinie der Deutschen Chirurgen e.V. und der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e.V. enthalten und den „Magenkarzinom“ Mitgliedern vorbehalten. 27 Umfrage Silver Worker 2018: Generation „Active Auflösung Bilderrätsel 3|QI|2019: Retirement“ M. Geiger, C. J. Krones Gelenkmaus 30 Safety Clip: Teile und (be)herrsche! Wie EIGENTÜMER UND COPYRIGHT: Wissensmanagement Patientenrisiken reduzieren hilft © BDC-Service GmbH | Luisenstraße 58/59, 10117 Berlin V. Triphaus GERICHTSSTAND UND ERFÜLLUNGSORT: BERLIN 36 Praxistipps zum Hygienemanagement unter Berücksichtigung der neuen KRINKO-Empfehlungen ISSN 2194-5586 für niedergelassene Operateure S. Franke BDC IM WEB 2.0:
5 Inha lt 103 138 40 Hygiene-Tipp: Periphere Venenkatheter 88 Ausschreibung Preise und Stipendien 2020 42 Personalia 90 Rezension: Überliefertes, Erlebtes und Erkenntnisse 44 Haftung wegen Lebenserhaltung durch künstliche W. Hartel Ernährung? J. Heberer 91 Japanische Ösophagus-Chirurgie A. Sakaki 47 Fragen und Antworten zu Scheidung und Immobilien 94 Nachruf zum Tod von Prof. Gangaly Diallo E. Fleschutz, J. Heberer H. Mothes, M. Richter-Turtur 50 F&A: Verbot bestimmter Eingriffe aufgrund 95 Rekrutierende multizentrische chirurgische Studien Personalmangels J. Heberer in Deutschland S. Tenckhoff 99 Spendenaufruf und Bausteine Langenbeck-Virchow- 51 GESUNDHEITSPOLITIK Haus 102 DGCH-Präsidium ab 1. März 2019 51 Spahn bringt Gesundheitspolitik dauerhaft in die Schlagzeilen H.-J. Meyer 55 Chirurgie – Attraktivitätswandel durch Lehrwandel? 107 INTERN J. Schmidt, S. Hartmann 107 BDC 58 BDC|Pressemitteilungen 107 Bundeskongress Chirurgie: Update Niederlassung J. Weilbach 59 INTERN 109 Protokoll der BDC-Mitgliederversammlung 2019 59 DGCH 111 Das Referat „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ J.-A. Rüggeberg, H.-J. Meyer 59 Kommentar des Generalsekretärs 112 Das Referat „Medizinische Dokumentation, Klinik- 63 Nachlese Chirurgenkongress 2019 und Leistungsmanagement“ T. Auhuber 64 Präsidentenrede anlässlich des 136. Kongresses der 116 BDC|News Deutschen Gesellschaft für Chirurgie M. Anthuber 122 Veranstaltungshinweise 71 Bildergalerie zur Eröffnungsveranstaltung 123 Lifestyle-Angebote im Juni 2019 74 Ehrungen, Preisverleihungen und Vergabe von Stipendien 76 Wahl des Präsidenten 2021/2022 124 PANORAMA 78 Impressionen vom DGCH-Kongress 2019 124 Sein Herz schlägt weiter. Irgendwo J. Lauter 83 Organspendelauf – ein voller Erfolg! 129 Bilderrätsel M.-T. Kügler, T. Kügler 84 Einladung zum 137. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie T. Schmitz-Rixen 86 Protokoll der DGCH-Mitgliederversammlung 2019 PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
59 INTERN DGCH AUS DER Kommentar des DGCH Generalsekretärs Sehr geehrte Frau Kollegin, ARZTZAHLEN IN DEUTSCHLAND sehr geehrter Herr Kollege, Die alljährlich von verschiedensten Insti- mit Rückblick auf den 136. Kongress der Deut- tutionen und Selbstverwaltungsorganen schen Gesellschaft für Chirurgie in München publizierten Kennzahlen und Analysen im hat George Orwell sicherlich mit seiner Aus- Gesundheitswesen werden jeweils mit ent- sage Recht: „Die Zeit verläuft nicht schnel- sprechender Spannung erwartet, zeigen dann ler als früher, aber wir laufen eiliger an ihr allerdings auch erheblichen Interpretations- vorbei!“, denn die Vorbereitungen für den spielraum. Nach Angaben der Bundesärzte- Prof. Dr. med. Dr. h.c. nächstjährigen Kongress, den DCK 2020 in kammer (BÄK) waren zum 31. Dezember 2018 Hans-Joachim Meyer Berlin, haben bereits begonnen. DCK steht als insgesamt 394.402 Ärztinnen und Ärzte berufs- Generalsekretär der Akronym für den Terminus: Deutscher Chir- tätig, was einer Zunahme von 1,9 % gegenüber Deutschen Gesellschaft für Chirurgie e.V. (DGCH) urgenkongress, wie er als Markenzeichen der 2017 entspricht. Die Zahl der berufstätigen Luisenstr. 58/59 Deutschen Gesellschaft für Chirurgie auch Ärztinnen stieg erneut an und macht jetzt 10117 Berlin international bekannt und durch einstimmi- einen Anteil von 47,2 % aus. Während 115.466 h-jmeyer@dgch.de gen Beschluss des geschäftsführenden- wie Mediziner keine Gebietsbezeichnung erworben auch des Gesamtvorstands eingeführt worden haben, folgen dann die Innere- und Allgemein- Präsident des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen e.V. (BDC) ist. Wie schon in dem vorliegenden Editorial medizin mit 54.982 und 43.697 Ärzten. Die Chi- praesident@bdc.de ausgeführt, ist es mir ein besonderes Anliegen, rurgie nimmt unter den Gebietsbezeichnungen Herrn Professor M. Anthuber und seinem Team mit 37.853 Chirurgen und Orthopäden Platz drei noch einmal für den erneut außerordentlich ein, dies entspricht einem Anstieg von 2,3 % erfolgreichen Kongressverlauf ganz herzlich gegenüber dem Vorjahr. Die aktuelle Statistik zu gratulieren. Die Auswahl der verschiedenen zeigt ferner auf, dass der Anteil der im Kranken- Sitzungsthemen in Kooperation mit den ande- haus tätigen Ärzte mit 51,4 % fast unverändert ren Fachgesellschaften hat hohe Akzeptanz geblieben ist, während bei den niedergelas- finden können und der Kongress war von einer senen Kollegen eine Reduktion von 0,7 % auf freundschaftlichen und entspannten Atmo- 117.472 Ärzte zu verzeichnen ist. Dabei ist wei- sphäre geprägt, wie viele Besucher bestätigt terhin ein zunehmender Trend zur Anstellung haben. Ein besonderes Highlight stellte auch in der ambulanten Medizin zu verzeichnen, der Organspendelauf mit dem Motto „Lau- denn bei einer Zunahme von 10,6 % im Ver- fen rettet Leben“ dar. Die Stimmung war wie gleich zum Vorjahr beträgt die Zahl der ange- auf dem Gesellschaftsabend hervorragend. stellten Ärzte nun 39.816 und hat sich somit seit Nochmals also vielen Dank an unseren dies- 1996 fast versechsfacht. Trotz der erneut leich- jährigen Präsidenten und sein Kongressteam, ten Zunahme der Arztzahlen im Jahr 2018 wird besonders auch unter dem Aspekt, dass die diese Entwicklung nach Einschätzung des noch Durchführung eines solch großen Kongresses amtierenden Bundesärztekammer Präsidenten durch die allgemeinen Entwicklungen und ver- F.U. Montgomery nicht als ausreichend angese- schiedenster, teilweise restriktiver Vorgaben, hen. Trotz ansteigender „Kopfzahlen“ kann der besonders auch durch die eigenen Selbstver- zu erwartende Behandlungsbedarf aufgrund waltungsorgane, sicherlich nicht einfacher des demographischen Wandels zukünftig nicht geworden ist. ausreichend abgedeckt werden, wobei vor PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
60 INTERN DGCH allem der Anteil der teilzeitbeschäftigten Ärzte die Unfallchirurgie und Orthopädie beteiligt, Einführung eines Patientensicherheitsbeauf- genauso wie auch die Forderung nach einer danach die Hausärzte und Allgemeinchirur- tragten in allen Einrichtungen des Gesund- adäquaten Work-Life-Balance zu berücksichti- gen in der Niederlassung bzw. Allgemeinchi- heitswesens, was bereits auch in Hessen als gen sind. Eindeutig ist die Forderung von Mont- rurgie und Innere Medizin im Krankenhaus. erstes Bundesland angekündigt worden ist. gomery, besonders auch an die Politik, die Zahl Gerade in der Unfallchirurgie und Orthopädie der Studienplätze zu erhöhen, auch deshalb, kommt es aufgrund der perioperativen bildge- GESUNDHEITSPOLITIK weil die Zahl der Medizinstudierenden in den benden Untersuchungsverfahren am ehesten letzten Jahren insgesamt rückläufig gewesen zu Behandlungsfehlervorwürfen, besonders Auf die Aktivitäten des nunmehr seit 14 ist. Bei einem solchen Anliegen ist allerdings zu bei Eingriffen wegen Gelenksarthrose, Ober- Monaten im Amt befindlichen, mehr als eifri- berücksichtigen, dass positive Auswirkungen schenkelfrakturen und Bandscheibenschäden. gen und dabei ungeduldigen Gesundheitsmi- auf das Gesundheitswesen durch gesteigerte Als eine mögliche Gefahrenquelle für einen nisters Jens Spahn ist an dieser Stelle schon Arztzahlen frühestens in zehn Jahren zu erwar- Behandlungsfehler wird auch der Zeit- und Per- mehrfach eingegangen worden. Zweifelsfrei ten sind. Mit länderspezifischen Unterschie- sonalmangel in Kliniken und Praxen angeführt. werden von ihm eine Vielzahl von Missstän- den versorgt derzeit ein berufstätiger Arzt in den im Gesundheitswesen aufgezeigt und Deutschland durchschnittlich 211 Einwohner in Die Krankenkassen mit ihren medizinischen mögliche Veränderungen angestoßen, aller- unserem Land. Nach verschiedenen Berichten Diensten (MDK) haben mit 14.133 vermuteten dings kann man sich nicht des Eindrucks der Global Burden of Diseases zählt Deutsch- Behandlungsfehlern einen leichten Anstieg zu erwehren, dass wir uns zunehmend auf land damit weltweit zu den 15 Ländern mit der verzeichnen. In 71,7 % der untersuchten Fälle dem Weg in eine dirigistische Staatsmedi- größten Anzahl von Ärzten, Pflegekräften und konnte kein Fehler nachgewiesen werden und zin befinden, da die angeblich so geschätz- Hebammen, was sich besonders bei den Pfle- in weiteren 3,6 % hatte ein Behandlungsfeh- ten Selbstverwaltungsorgane im Fokus der gekräften aber in praxi, trotz aller Bemühungen ler zu keinem Schaden geführt. In 3.497 Fällen Reformen stehen und teilweise der Versuch vonseiten der Politik, deutlich anders darstellt. (24,7 %) konnte hingegen ein Fehler erkannt unternommen wird, ureigene ärztliche Tätig- Weiterhin werden aufgrund des Mangels an werden, der in 2.799 Fällen für den erlitte- keiten in andere Berufe zu verlagern, wie z. Pflegekräften ganze Stationen in den Kranken- nen Schaden ursächlich verantwortlich war. B. bei der Hebammenausbildung oder neuen häusern geschlossen, wobei sich die Situation Insgesamt richtet sich ein Drittel der Unter- Kompetenzen für die Physiotherapeuten. bei weiterer Einführung von Pflegepersonalun- suchungen gegen niedergelassene Ärzte, die Gerade die Selbstverwaltungen einschließ- tergrenzen sicherlich nicht verbessern wird. anderen gegen Krankenhäuser. Am häufigs- lich des gemeinsamen Bundesausschusses ten wurden Vorwürfe bei durchgeführten (G-BA) arbeiten angeblich zu langsam und BEHANDLUNGSFEHLERVORWÜRFE Operationen erhoben. 31 % der Fälle betrafen sind zu bürokratielastig, wobei auch die Ver- die Orthopädie und Unfallchirurgie, 13 % die waltungsräte in den Krankenkassen nicht Zu etwaig vermuteten Behandlungsfehlern Innere- und Allgemeinmedizin und 9 % die ausgenommen werden. Die Vielzahl der vor- liegen jetzt sowohl Erhebungen der Gutach- Allgemeinchirurgie. Auch die Pflege war mit gelegten Reformentwürfe, ihre kurzfristigen terkommissionen und Schlichtungsstelle 794 fehlerhaften Behandlungen aufgeführt, Veränderungen und partiellen Verlagerungen der Ärztekammern wie auch die Begutach- vor allem wegen ausgeprägter Decubiti wäh- in andere Gesetzesvorlagen sind kaum noch tungsstatistik des medizinischen Dienstes rend des stationären Aufenthalts. Insgesamt nachvollziehbar. Die Gestaltung von Refor- der Krankenversicherung (MDK) vor. Bei den kam es bei 880 Patienten zu dauerhaften mentwürfen wird dabei bereits als „Gesetz- Ärztekammern war die Zahl der Anträge wei- Beeinträchtigungen und in 107 Fällen verlief gebung auf dem Flur“ bezeichnet und von ter um 2,3 % gesunken, wobei es in 5.972 der Behandlungsfehler letal. Auch wenn die manchem als reiner Aktionismus empfunden. Fällen zu einem Abschluss in der Beurteilung sogenannte Dunkelziffer bei diesen Analy- Der Koalitionspartner in Person von Karl Lau- gekommen ist. In 69 % aller untersuchten Fälle sen nicht exakt festzustellen ist, sollten nach terbach unterstützt weitgehend die Gesetzes wurde kein Fehler festgestellt und in weiteren Meinung des MDK vor allem die Vorwürfe produktion am Fließband und kündigt bis 6 % wurde zwar ein Fehler erkannt, der jedoch der Never-Event-Liste, wie zurückgelassene zum Sommer die Vorlage von weiteren zwölf nicht kausal mit dem Antrag in Zusammen- Fremdkörper, Operationen am falschen Kör- Gesetzen an. Dass sich unter einer solchen hang stand. In 1.499 Fällen (25 %) wurde ein perteil oder die Durchführung falscher Ope- Gesetzgebungswelle sicherlich auch solche Behandlungsfehler bestätigt. In Relation zu rationen weiter gesenkt werden, z. B. durch mit einem primär positiven Ansatz befinden, der Gesamtzahl der stationär und ambulant zunehmenden Einsatz von Checklisten, Feh- wie die zweite Änderung zum Transplanta- behandelten Patienten ist somit erneut von lermeldesystemen und Qualitätssicherungs- tionsgesetz oder das Pflegepersonal-Stär- einem nachgewiesenen Fehler im Promille- maßnahmen bei offener Kommunikation. kungsgesetz, steht außer Frage, trotzdem bereich auszugehen. Insgesamt kam es in 127 Auch wenn generell die erhobenen Daten sollten die resultierenden finanziellen Mehr- Fällen zu einem schweren Dauerschaden und bereits einen ersten Schritt für einen effekti- ausgaben nicht völlig unberücksichtigt blei- 88 Patienten verstarben nach einem Behand- veren Patientenschutz darstellen können, for- ben. Nach bisherigen ersten Schätzungen des lungsfehler. Sowohl im niedergelassenen wie dert das Aktionsbündnis Patientensicherheit Ministeriums ist mit einem zweistelligen Mil- auch stationären Bereich waren am häufigsten (APS) organisatorische Veränderungen durch liardenbetrag zu rechnen. Exemplarisch seien P A S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
61 INTERN DGCH aus der Flut der Referentenentwürfe nachfol- dann bis Ende 2020 insgesamt 90 Kodierungs- 2020 statt 1 % nun eine Honorarkürzung von gend zwei Beispiele angeführt. empfehlungen definiert werden, die allerdings 2,5 %. Die Krankenkassen begrüßen insgesamt noch festgelegt werden müssen. Dabei soll es das Gesetz, auch unter dem Aspekt, dass Kran- MDK-REFORMGESETZ den Krankenkassen auch untersagt werden, kenhäuser, Apotheken, Pflegeeinrichtungen Rückforderungen mit Vergütungsansprüchen und Therapeuten an die Telematikinfrastruktur Eine Stärkung des medizinischen Dienstes der der Krankenhäuser aufzurechnen. Außerdem angeschlossen werden können. Prompt kam Krankenkassen war bereits im Koalitionsver- soll durch die Deutsche Krankenhausgesell- von der DKG die Forderung, die Kliniken mit trag vorgesehen; deshalb soll auch ein radi- schaft (DKG), die Kassenärztliche Bundesver- einem Sonderprogramm des Bundes in Höhe kaler Umbau dieser Institution vorgenommen einigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband von 1 Milliarde Euro pro Jahr zu unterstützen; werden. Geplant ist die Einrichtung von eigen- der Katalog ambulanter Operationen und außerdem sei ein Digitalisierungszuschlag in ständigen Körperschaften des öffentlichen stations- ersetzender Eingriffe erweitert wer- Höhe von 2 % auf alle Rechnungen notwen- Rechts in jedem Bundesland mit dem Namen den, die dann keiner Prüfung durch den MD dig, denn bekanntermaßen ist Digitalisierung „Medizinischer Dienst (MD)“. Auch der Medi- unterliegen. Die geplante Reform ist sicherlich nicht zum Nulltarif zu bekommen. Bei aller zinische Dienst des GKV-Spitzenverbandes zu begrüßen, da die Abhängigkeit des MD von Faszination der Digitalisierung hat das Bundes- (MDS) soll unter dem Namen „Medizinischer den Krankenkassen entfällt, die Neutralität amt für Sicherheit in der Informationstechnik Dienst Bund“ (MD Bund) organisatorisch in gesteigert und der Verwaltungsaufwand für allerdings vor möglichen Sicherheitslücken mit gleicher Weise verändert werden. Die förderale die Kliniken deutlich reduziert werden kann. Bedrohung des Arztgeheimnisses gewarnt. Bei und bestehende Struktur bleibt also erhalten, der Notwendigkeit und den sicherlich mögli- jedoch jetzt unabhängig vom GKV-Spitzen- DIGITALE VERSORGUNG-GESETZ (DVG) chen Vorteilen einer neuen Technologie ergibt verband oder den Landesverbänden der Kran- sich nun die Frage, ob ein Gesetz, das mit kenkassen. Die Aufsicht wird dabei von den Getreu dem Motto „schneller, besser, digitaler“ Volldampf umgesetzt wird, in dem möglicher- Bundesländern wahrgenommen, um damit hat der Gesundheitsminister am 15. Mai 2019 weise Schnelligkeit vor Sicherheit steht und die Unabhängigkeit dieser Einrichtungen zu einen 83 Seiten umfassenden Entwurf für eine zudem den Leistungserbringern mit Sanktio- verstärken. Kassenvertreter sollen zukünftig bessere Versorgung durch Digitalisierung und nen gedroht wird, der Gestaltung des digitalen nicht mehr in den Verwaltungsrat wählbar Intervention vorgelegt. Im Mittelpunkt steht Wandels im Gesundheitswesen wirklich dient. sein, sondern sollen von den Bundesländern natürlich die Einführung einer elektronischen Dies auch bei einem möglichen Strukturwan- unter Berücksichtigung von anderen Organisa- Patientenakte, auf die die Versicherten ab del in der Krankenhausversorgung unter dem tionen und Vertretern aus den Ärztekammern Januar 2021 im Rahmen der vertragsärztlichen Aspekt „Qualität und Mindestmengen“, denn benannt werden. Vor allem soll die Effizienz Versorgung Anspruch haben. Dabei soll die zu diesem Thema bemüht der Minister bereits und Effektivität der Krankenhausabrech- KBV die Verhandlungen mit den Kostenträgern jetzt schon die „Spahnsche Empirie“, nach der nungsprüfungen verbessert werden, denn von über die Vergütung zur Einrichtung und Pflege die Qualität bei komplexen operativen Eingrif- 2014 bis 2018 waren die Überprüfungen von der Akte führen. Außerdem soll sie die Anfor- fen in high-volume Krankenhäusern besser 1,9 Millionen auf 2,6 Millionen Fälle angestie- derungen zur Gewährleistung der IT-Sicherheit sein soll. gen. Die Prüfquoten sollen von der Anzahl der in einer Richtlinie festlegen. Die Telemedizin korrekten Abrechnungen abhängig gemacht soll weiter gestärkt und extrabudgetär vergü- Bei dem aufgezeigten Szenario bleibt also werden; dafür werden im ersten Quartal 2020 tet werden. Der Arzt kann Gesundheitsapps nur abzuwarten, welche weiteren Reformen, zehn Prozent der Rechnungen pro Kranken- auf Kosten der gesetzlichen Krankenkassen Gesetzesentwürfe und Regularien in unse- haus geprüft werden können. Diese Daten der verordnen, so zum Beispiel Tagebücher für rem Gesundheitswesen, besonders auch bei Überprüfungen führen dann zur Berechnung Patienten mit Diabetes oder Hypertonie. Pra- einer etwaig möglichen Kabinettsumbildung, der zukünftigen Prüfquote durch den MD. Zur xisinhabern, die noch nicht an die Telematik- zukünftig zu erwarten sind. Beseitigung strittiger Kodierungsfragen sollen infrastruktur angebunden sind, drohe ab März PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
63 INTERN DGCH Nachlese Chirurgenkongress 2019 BEITRÄGE 64 PRÄSIDENTENREDE ANLÄSSLICH DES 136. DGCH-KONGRESSES 71 BILDERGALERIE ZUR ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG 74 EHRUNGEN, PREISVERLEIHUNGEN UND VERGABE VON STIPENDIEN 76 WAHL DES PRÄSIDENTEN 2021/2022 78 IMPRESSIONEN VOM DGCH-KONGRESS 2019 83 ORGANSPENDELAUF – EIN VOLLER ERFOLG! 84 EINLADUNG ZUM 137. KONGRESS DER DEUTSCHEN GESELLSCHAFT FÜR CHIRURGIE 86 PROTOKOLL DER DGCH-MITGLIEDERVERSAMMLUNG 2019 88 AUSSCHREIBUNG PREISE UND STIPENDIEN 2020 PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
64 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE Präsidentenrede anlässlich des 136. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine sehr passen möchte. Wobei auf hoher See im verehrten Damen und Herren, übertragenen Sinne diese drei Elemente wohl auch tragende Tugenden sind, um unbescha- „Volle Kraft voraus – mit Herz, Hand und det wieder Land zu erreichen. Verstand!“ Mancher erkennt im ersten Teil dieses Mottos nur ein maritimes Kommando, Wofür steht: Volle Kraft voraus? Als Kom- zu dem der zweite Teil – Herz, Hand und mando in der Schifffahrt nur für die Richtung Verstand – auf den ersten Blick so gar nicht und die Energie, mit der man sich bewegen möchte. In der Chirurgie, und das nicht erst seit heute, für viel mehr als das: es steht für Zuversicht, für Zielorientierung und für UND SO MUSS DENN DER ARZT SEIN LEBEN energiegeladene, furcht- und bedingungs- LANG HERZ UND HAND, VERSTAND UND lose Handlungsbereitschaft. Aber um von Nicht-Chirurgen nicht falsch verstanden zu CHARAKTER FORTBILDEN, DAMIT ER EIN werden: es geht nicht um Imponiergehabe GANZES WERDE UND ALS SOLCHER DEM und Selbstgefälligkeit sowie unreflektier- tes Herausfordern des Schicksals zu Lasten KRANKEN GEGENÜBERTRETEN KANN, DER anderer. SELBST ALS GANZER GENOMMEN WERDEN WILL.“ Dies soll durch den zweiten Teil des Mottos zum Ausdruck gebracht werden: Zielgerich- tetes Handeln im engeren Sinne, wenn wir Hand an den Patienten legen, aber auch im P A S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
65 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE übertragenen Sinne: das differenzierende werden? Sie werden mir zustimmen, dass Abwägen in der Indikationsstellung, getragen man davon nicht ausgehen darf! Der Weg des von Empathie und Erfahrung auf der Grund- Fortschritts in der Medizin im Allgemeinen lage von Wissen und Vernunft. und der Chirurgie im Besonderen ist gepflas- tert mit Brüchen mit der Tradition, dem ver- Empathie bedeutet in diesem Zusammen- meintlichen Goldstandard. hang nicht nur Mitgefühl, sondern in einem umfassenden humanistischen Verständnis Schon der nächste Patient, der uns gegen- „Herzensbildung“ in einer segensreichen Ver- übertritt, kann der sein, bei dem wir auf der Prof. Dr. med. Matthias Anthuber bindung mit Wissen, Können und Verstand. Suche nach einer wirksamen Therapieoption Präsident der DGCH 2018/2019 Das sich Einfühlen in die Situation dessen, innerhalb der gültigen Leitlinien an Gren- Universitätsklinikum Augsburg der uns als Patient gegenübertritt und unsere zen stoßen. Sind dann schon unumstößlich Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie Hilfe erwartet: Einfühlen in die für ihn unbe- die Zeichen auf Rückzug und Resignation Stenglinstr. 2 kannte und bedrohliche Lebenssituation des gesetzt? Natürlich nicht, denn sonst hätte es 86156 Augsburg Krankseins, Verstehen wie dadurch seine in der Medizin über die vergangenen 150 Jahre Matthias.Anthuber@uk-augsburg.de familiäre und berufliche Komfortzone aufbre- nicht diese gewaltigen Fortschritte gegeben. chen und aus den Fugen zu geraten drohen. Es gab immer wieder Grenzgänger – oder nen- Wir nehmen die Position des mitfühlenden nen wir sie Freigeister – die in der scheinbaren und gleichzeitig kundigen Ratgebers ein, um Ausweglosigkeit die große Chance erkannt entlang von Leitlinien moduliert durch den haben. Die Chance dem individuellen Pati- eigenen Erfahrungsschatz – und das halte entenschicksal gerade durch Abweichen vom ich persönlich für besonders wichtig – Thera- gültigen Standard eine Wendung zum Guten pieempfehlungen auszusprechen. Therapie- zu geben. empfehlungen wie wir sie auch ohne jegliche Abstriche für den eigenen Angehörigen wäh- Beispielhaft nennen möchte ich die erste len würden. Nierentransplantation 1954, durchgeführt als Lebendspende bei eineiigen Zwillingen. Herz und Verstand gebieten es uns dabei Wie mutig, aber auch überzeugt von seinen vollkommen unbeeinflusst zu bleiben von manuellen Fähigkeiten als Chirurg und sei- Überlegungen, welche die Interessen Dritter nem fundierten Wissen muss Joseph Murray bedienen und materieller Natur sind oder der in Boston gewesen sein? Und wie überzeu- Selbstprofilierung dienen. Herz und Verstand gend gegenüber dem Spender und Empfän- gebieten uns dabei aber auch immer und ger, den Zwillingsbrüdern Richard und Ronald immer wieder an Grenzen und sogar darüber Herrick, dass sie gemeinsam, Chirurg, Spen- hinaus zu gehen. der und Patient diesen Schritt erfolgreich gehen konnten? Der Lohn für den Patienten Leitlinien sind nichts anderes als der Behand- war ein Überlebensgewinn von fast 10 Jah- lungskorridor definiert durch das aktuelle ren, der verdiente Lohn für Joseph Murray der Wissen und die Bewertung durch Experten. Nobelpreis 1990. Aber kann man dadurch tatsächlich jedem einzelnen Krankheitsfall im Sinne der heute Aber vergleichbar Revolutionäres hat in allen geforderten personalisierten Medizin gerecht chirurgischen Fachdisziplinen stattgefunden. PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
66 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE Die Etablierung der Osteosynthesetechniken Jahren den Krebs besiegt haben werden. mehr als ein Durchlauferhitzer auf dem Weg und Endoprothetik in Unfallchirurgie und Liebe Frau Staatssekretärin Weiss, das ist eine zu einer außeruniversitären Leitungsfunk- Orthopädie, die endovaskulären OP-Verfah- mutige Einschätzung von der Spitze Ihres tion. Dazu kommt noch, dass wir unsere ren in der Gefäßchirurgie, die ersten Lungen- Hauses. Und obwohl ich mich selbst zu den Besten immer wieder an amerikanische operationen in der Thoraxchirurgie, die ersten unerschütterlichen Optimisten zähle, möchte Arbeitsgruppen verlieren, weil im Land der Herzoperationen an der Herz-Lungen-Ma- ich hier den eben zitierten Johann Wolfgang unbegrenzten Möglichkeiten eben auch die schine in der Herzchirurgie, die Tumorope- von Goethe aus seinem „Faust“ noch einmal wissenschaftlichen Entfaltungsmöglichkei- rationen in der hinteren Schädelgrube in der bemühen: „Die Botschaft hör‘ ich wohl, allein ten andere sind. Neurochirurgie, die Rekonstruktionsope- mir fehlt der Glaube!“ rationen bei neonatalen Missbildungen in Gerade unter den derzeitigen Umständen, der Kinderchirurgie und die tagesfüllenden Wenn wir ernsthaft dieses Ziel erreichen wol- diesem „Brain Drain“ auf Neudeutsch, muss komplexen Tumoroperationen mit Rekon- len, dann nur, wenn wir einen fundamentalen man sich Sorgen um eine im internationalen struktionen von beeindruckender Ästhetik System- und Mentalitätswechsel vollzie- Vergleich konkurrenzfähige Forschung und und Funktionalität in der MKG-Chirurgie. hen und, wenn von staatlicher Seite deutlich Wissenschaft machen. Die optimistische Grundeinstellung und der mehr in Voraussetzungen und Bedingungen mutige Blick des Chirurgen nach vorne haben für nachhaltige Forschungsaktivitäten inves- Hans Detlev Saeger hat in einem Beitrag seit jeher dem therapeutischen Nihilismus tiert wird. Leider haben wir in unserem Land 2016 in der Zeitschrift der „Klinikarzt“ die in scheinbar auswegloser Situation die Stirn nicht eine privat getragene wissenschaftliche Probleme in Deutschland treffsicher auf den geboten. Förderkultur wie in den USA, wo jenseits Punkt gebracht: restriktive Personal- und staatlicher Unterstützung dankbare Patien- Finanzierungsausstattung, zunehmende Das Unvollkommene zu vervollkommnen ten und Großfirmen über Stiftungen Millio- inhaltliche, zeitliche und finanzielle Anforde- ist Bestandteil unserer „chirurgischen DNA“. nen von Dollar in die medizinische Forschung rungen an gute Wissenschaft und schließlich Nach Niederlagen sich wieder aufzuraffen, pumpen. Sie mögen mir die nachfolgende zu geringes Interesse des Nachwuchses an das ist die intrinsische Motivation des akade- Aussage zu den Verhältnissen in den USA chirurgischer Forschung! mischen Chirurgen und Wissenschaftlers und verzeihen: nicht viel, was derzeit aus den USA das nicht stillstehend wollende Schwungrad kommt, ist nachahmenswert, vertrauenswür- Unser letztjähriger Präsident, Jörg Fuchs, hat seiner Berufung: volle Kraft voraus – mit Herz, dig oder gar zukunftsweisend! Aber in Bezug mit immensen Anstrengungen das „Fortune“- Hand und Verstand, um jenseits des Wissens auf Forschungsförderung sind und waren uns Förderprogramm entwickelt, das es jungen von heute manchmal auch auf wilder und die Amerikaner immer voraus. Chirurginnen und Chirurgen in Zukunft gefährlicher Fahrt, aber niemals blind, ver- ermöglichen soll mit innovativen Projekten antwortungslos und selbstgefällig sich neue Aber unabhängig von der Finanzierungs- wissenschaftlich an den Start zu gehen. Aber Erkenntnishorizonte zum Wohle des Patien- situation bewegen sich Chefchirurgen in es braucht noch viel mehr als das, um als ten zu erschließen. amerikanischen Top-Einrichtungen nicht in wissenschaftliche Fachgesellschaften wieder einem nur annähernd vergleichbar engen dorthin zu kommen, wo wir in den ersten 30 Und neu ist dieser Ansatz auch nicht wirk- Korsett von DRG-Erlösen und persönlicher Jahren des letzten Jahrhunderts waren, näm- lich, hat denn schon Johann Wolfgang von Leistungserbringung. Verbringt ein chirurgi- lich an der Spitze! Goethe Ende des 18. Jahrhunderts Folgendes scher Lehrstuhlinhaber in Deutschland pro an den Arzt Christoph Wilhelm von Hufeland Arbeitswoche 20 und mehr Stunden im OP, Aber wir brauchen nicht irgendeine chirur- geschrieben. Ich zitiere: „Und so muss denn sind es bei seinem amerikanischen Kolle- gische Forschung. Wir benötigen seriöse der Arzt sein Leben lang Herz und Hand, Ver- gen gerade einmal fünf, manchmal vielleicht Forschung in relevanten Fragestellungen. stand und Charakter fortbilden, damit er ein auch acht, aber bestimmt nicht mehr als Das derzeitige Bewertungssystem von Ganzes werde und als solcher dem Kranken zehn Stunden. In unserem System erschöp- publikatorischer Qualität und Aktivität ist gegenübertreten kann, der selbst als Ganzer fen wir uns im Hamsterrad der klinischen überkommen. genommen werden will.“ Leistungserbringung. Durch das Internet wird die wissenschaft- Unser Gesundheitsminister Jens Spahn hat Für einen Großteil des akademischen Nach- liche Welt geflutet mit Fake Science. Täg- Ende Januar erklärt, dass wir in 10 bis 20 wuchses ist die Zeit in der Uniklinik nicht lich erreichen einen 10, manchmal 20 P A S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
67 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE Email-Aufforderungen mit der Anrede: „Gree- knowledge. Now it’s to get a publication – Die Quoten- und Kriterienvielfalt im nun vor- tings of the day!“ Man wird aufgefordert „pubcoin“ if you will!” liegenden reformierten Gesetzentwurf soll in Zeitschriften mit klingenden englischen dazu führen, dass zukünftig bei der Auswahl Bezeichnungen zu publizieren, in Editorial Drummond Rennie und Annette Flanagin neben kognitiven Kompetenzen auch prakti- Boards mitzuarbeiten oder Vorträge auf haben bereits 1994 Vergleichbares zum Aus- sche und sozialkommunikative Fähigkeiten internationalen Konferenzen zu halten. Ein druck gebracht. Ich zitiere: „…scholarly pub- berücksichtigt werden. Das ist mehr als wün- perfides, allein profitorientiertes und nicht lications have become the coins academics schenswert! Aber klar ist auch, dass unter den der seriösen Wissenschaft verpflichtetes must use to get through the tollgates on their neuen Regelungen auch wieder nur einer von Geschäftsmodell greift hier Raum wie ein Flä- way to academic promotion!“ Also wissen- fünf Bewerbern den erhofften Studienplatz chenbrand! Es nimmt im wahrsten Sinne des schaftliche Publikationen sind zu Münzen, erhalten wird. Und maximal 10% von diesen Wortes den Druck auf, für eine akademisch zu einer Währung verkommen, mit denen kommen am Ende in der Chirurgie an! erfolgreiche Karriere publizieren zu müssen. Forscher sich ihren Weg durch die Mautstel- Die Welt der Open Access Journals ist mitt- len auf dem Weg ihrer akademischen Karriere Es ist sehr begrüßenswert, dass die Politik lerweile voll von diesen inhaltsleeren, betrü- ebnen! erkannt hat, dass es der Vielfalt des ärztlichen gerischen und für die Betreiber lukrativen Berufs entsprechend auch ein differenzierte- Machenschaften. Der Verlag „Omics Online Ich denke Sie stimmen mit mir überein, dass res Auswahlverfahren geben sollte. Es muss Publishing“ mit Sitz im indischen Hydera- wir im Sinne einer hochwertigen Wissen- ja das Spektrum vom Amts- und Betriebs- bad hat allein im Jahre 2016 über 10 Millionen schaft hier einen Bereinigungsprozess und arzt über den Haus- und Facharzt bis zum Euro Umsatz mit Open Access Publikationen einen Paradigmenwechsel anstoßen müssen, Lehrstuhlinhaber und hochkarätigen For- erzielt. Ohne den von angesehenen Journalen um Grundlagen unseres Wissens und tat- scher abgedeckt werden. Sonst können glei- und mit namhaften Wissenschaftlern durch- sächlichen Erkenntnisgewinn zu schützen. chermaßen die Patientenversorgung in allen geführten Begutachtungsprozess vergiften Sektoren und die national und international diese Publikationen die wissenschaftliche Das Bild des Arztes und, wie ich meine, auch konkurrenzfähige Forschung und Wissen- Landschaft. sein Selbstverständnis hat sich verändert. schaft nicht ausreichend bedient werden. Und das führt mich zu einem Thema, das Publizieren muss mehr sein als Impact-Punkte mich seit Jahren bewegt: den Zugang zum Sie mögen mir die nachfolgende Feststellung sammeln, muss mehr sein als akademische Medizinstudium! verzeihen: aber ein Großteil derer, die diesen Eitelkeiten zu befriedigen. Ich appelliere an Saal füllen, Sie, die Sie hier sitzen, hätte nach Sie und Ihre Führungsqualitäten, dem wis- Seit Jahrzehnten ist für die Studien- heute gängigen Kriterien vermutlich niemals senschaftlichen Nachwuchs Hilfe und Rat zu platzzuteilung und die Auswahl über die einen Zugang zum Medizinstudium erhalten! geben, um gute Forschung auch dort zu plat- Universitäten eine zahlendefinierte Zulas- Aber waren und sind es nicht Sie, die in den zieren, wo sie hingehört: in anerkannte peer sungsbegrenzung orientiert an der Abi- vergangenen Jahrzehnten mit ihren Visionen reviewed, nationale und internationale Zeit- turdurchschnittsnote das entscheidende und Leistungen die Chirurgie in ihrer Vielge- schriften oder Open Access Journale. Kriterium. Das Stichwort lautet: Studierfä- staltigkeit in unserem Land erfolgreich entwi- higkeit! Im Wintersemester 2017/18 haben ckelt haben? In diesem Zusammenhang möchte ich auf sich 43.000 junge Menschen auf 9.200 einen Vorschlag hinweisen, der erstmals Studienplätze beworben. Mittlerweile sind Mir bereitet einfach Sorge, dass wir im jetzi- von dem australischen Schriftsteller Michael wir für die primäre Berücksichtigung bei gen und zukünftigen System zu vielen jungen McGirr geäußert und zuletzt von Brian Mar- einer Abiturbestennote zwischen 1,0 und 1,2 Menschen mit herausragenden sozialen und tinson von der University of Minnesota im angelangt. Für die Einladung zum Auswahl- handwerklichen Fähigkeiten den Zugang zur Oktober 2017 in der Zeitschrift „Nature“ wie- gespräch an einer Universität darf der Abi- Medizin und zur Chirurgie verwehren. Anpa- der aufgegriffen wurde: ein Publikationslimit turschnitt auch „schlechter“ sein. Aber mit ckenden Bastlern und Schraubern bei den für Wörter! Jeder hat ein begrenztes Kontin- einem Notendurchschnitt über 1,6 ist man Jungs, und phantasievollen, künstlerisch gent an Wörtern! Brian Martinson schreibt. in der derzeit gültigen Regelung – bei Lichte begabten Mädchen. Jungen Menschen, die im Ich zitiere: „The purpose of authorship has betrachtet – nahezu chancenlos. Hormonsturm der Pubertät – frei nach dem shifted. Once, its primarily role was to share Motto: „Volle Pulle, Richtung egal!“ – etwas PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
68 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE die Orientierung verloren haben und ihr intel- Augen im Zustand größter Erschöpfung durch sein können. Frans de Waal, ein holländischer lektuelles Potenzial zu gegebener Zeit nicht Klinikflure schleichen soll. Aber wir haben Ethnologe und ausgewiesener Affenexperte – ausschöpfen können. damals in der Notaufnahme, am Krankenbett ja, Sie haben richtig gehört, ein Affenexperte und im OP in drei bis vier Jahren das erlebt, – untersuchte das Sozialverhalten von Ärzten Warum machen wir es nicht wie die Franzo- was die heutige Generation in sechs Jahren an im OP mit Methoden aus der Primatenfor- sen? Dort kann sich jeder unabhängig von der klinischer Erfahrung sammeln kann. schung, die gut auf den Menschen übertrag- Schulnote für das Medizinstudium bewerben. bar sind. In ausschließlich männlichen Teams Nach einem einjährigen Grundstudium in Ich möchte auch nicht so weit gehen zu kommt es zu deutlich mehr Konflikten: medizinrelevanten Fächern, wo auch Sozi- behaupten, dass der Beruf des Chirurgen Anschreien, Bloßstellen und Ignorieren sind alkompetenz und emotionale Intelligenz auf dem besten Weg ist als simpler „Job“ die beliebtesten Strategien, um sich Respekt gefordert sind, folgen sehr anspruchsvolle wahrgenommen zu werden. Dazu erlebe zu verschaffen. Arbeiten dieselben Chirur- Prüfungen. Mit einer Bestehensquote von ich tagtäglich viel zu viele hoch motivierte, gen mit Frauen zusammen, ändert sich das maximal 20 % wird gnadenlos die Spreu vom begeisterungsfähige und empathische Mit- Verhalten dramatisch: es wird mehr erklärt, Weizen getrennt. Mit diesem System könnten arbeiter! Aber es ist doch mit Händen zu mehr gelobt und sich mehr bedankt! Also, die auch in Deutschland die pubertätsgeschädig- greifen, dass regelmäßig Versorgungslücken Zeit der unnahbaren Silberrückengorillas in ten Spätzünder eine Chance erhalten. Müss- entstehen, der behandlungsbedürftige Pati- testosterondurchwirkten männlichen Teams ten sich aber mit Blut, Schweiß und Tränen ent aus dem Fokus gerät. Es ruft die Stechuhr ist vorbei! Keine Hahnenkämpfe mehr im OP, – anders ist es kaum vorstellbar – durch das und es drohen Arbeitszeitüberschreitungen! weil darunter auch die Qualität der Zusam- erste und auch die Folgejahre kämpfen. Aber Das Herz des Assistenten sagt: „Ich müsste menarbeit und damit das Operationsergebnis dann können sie in welcher Fachrichtung der eigentlich bleiben, um die Versorgung auf- leiden! Medizin auch immer zu guten Ärztinnen und recht zu erhalten“, der Verstand gebietet die Ärzten heranreifen. Klinik zu verlassen. Und noch ein interessanter Aspekt in Bezug auf operative Qualität, der eine Theorie Was macht eigentlich eine gute Chirurgin, Die Empathie läuft Gefahr als Opfer starrer abseits der Bedeutung gemischt geschlecht- einen guten Chirurgen aus? Und wieder gesetzlicher Vorschriften auf der Strecke zu licher Teams aufgreift: Rene Proyer vom komme ich auf das Kongressmotto zurück: bleiben. Und das in Zeiten eines galoppieren- Institut für Psychologie der Universität Hal- Es sind Herz, Hand und Verstand! Aber dieser den Fachkräftemangels außerhalb der urba- le-Wittenberg konnte feststellen, dass ein Dreiklang entwickelt sich erst unter wohlwol- nen Ballungszentren. entspannter Umgang miteinander, also auch lender und fachlich kompetenter Führung in bei OP-Teams, von Vorteil ist. Salopp ausge- den Jahren der Weiterbildung. Ich habe diese Wir Chirurgen sind anders, und werden auch drückt: Spaßvögel im OP scheinen für uner- Jahre als sehr lehrreich, aber auch hart erlebt. so von Kollegen anderer Disziplinen wahrge- wartete Situationen besser gerüstet zu sein, An manchen Tagen als Grenzerfahrungen nommen. Das gilt auch noch heute, obwohl verdanken ihrer Verspieltheit den Zugang zu am Rande der psychischen und physischen die Zahl derer, die in Führungspositionen unkonventionellen Lösungen und stecken Belastbarkeit. 80 Wochenarbeitsstunden unnahbar und cholerisch mit harter Hand Stress besser weg. Bitte verstehen Sie mich waren die Regel und nicht etwa die Aus- geführt haben, signifikant abgenommen hat. nicht falsch: das ist jetzt kein Plädoyer für nahme. Aber die Lernmöglichkeiten in prak- Auch in der Chirurgie hat sich über die letzten humoristische, patientengefährdende Ver- tischen und theoretischen Dingen, in Breite zwei Jahrzehnte ein kommunikativer und anstaltungen im OP! Aber doch ein Hinweis und Tiefe waren durch die Informationsdichte kooperativer Führungsstil Bahn gebrochen. dafür, dass ein freundlicher und entspannter und die intensiven Herausforderungen im Ich meine, dass diese Entwicklung notwendig Umgang miteinander, gerade dann, wenn wahrsten Sinne des Wortes überwältigend. und sinnvoll war, um den chirurgischen Nach- es schwierig wird, Quelle von gegenseitiger wuchs zu erreichen und schließlich zu gewin- Inspiration, konstruktiver Kooperation und Die europäische Arbeitszeitrichtlinie hat vie- nen. In diesem Zusammenhang erlaube ich adäquater Problemlösung sein kann. les verändert, leider nicht nur die Arbeitszeit, mir auf aktuelle Forschungsarbeiten aus sondern, wie ich meine auch, die Mentalität. der Sozialpsychologie hinzuweisen. Diese Und hier schließt sich dann wieder der Kreis Ich möchte nicht falsch verstanden werden, machen unmissverständlich klar, in welcher zum Selektionsprozess für das Medizinstu- dass auch heute noch, so wie wir früher, der Zusammensetzung und mit welcher Stim- dium, aber wohlgemerkt ohne den Abitur- Weiterbildungsassistent mit halonierten mungslage chirurgische Teams erfolgreich besten pauschal eine gewisse Entspanntheit P A S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
69 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE abzusprechen. Wir müssen auch jenen die und umfassenden Informationsinitiativen der Richter das Urteil, und niemand sonst! Chance geben, die jenseits von bestechen- gelingt, den Hebel umzulegen. Vielleicht Wir dürfen nicht zulassen, dass Krankenge- dem intellektuellem Scharfsinn Kraft ihres haben wir auch den falschen und einen zu schichten mit komplexen Verläufen in soge- ausgeglichenen Gemüts, ihrer Verspieltheit negativ besetzten Begriff gewählt und sollten nannten aufklärerischen TV-Sendungen von und einer gewissen Lockerheit Menschen besser von einer „Erklärungslösung“ spre- selbst ernannten Experten öffentlich bewer- bewegen. chen. Einer Lösung, getragen von der freien tet werden. Entscheidung und vom unbedingten Willen In diesem Jahr haben wir sehr viel Zeit und zur Solidarität über den eigenen Tod hinaus! Und schließlich zum Ärzte- und Pflegeman- Energie in die Weiterentwicklung des Organ- gel: bei kritischer Betrachtung der Kranken- spendelaufs gesteckt. Wir wollen mit dieser Sie werden bemerkt haben, dass ich bisher hausdichte in unserem Land und vor allem Initiative aufrütteln, denn die Organspende noch kein Wort über die Digitalisierung ver- in den Großstädten muss die Frage erlaubt ist und bleibt ein Sorgenkind in unserem loren habe. Auch dieser Kongress widmet sein, ob wir alle diese Kliniken brauchen, die Land. Wir hinken unseren Partnerländern im sich in einigen Sitzungen dem revolutionären oftmals nur einen Steinwurf voneinander Eurotransplant-System und auch außerhalb Einfluss von Bits und Bites auf die Medizin entfernt sind und jeweils das gleiche Leis- weit hinterher. Die kürzlich gesetzlich auf den von heute und morgen. Ich glaube, dass wir tungsspektrum vorhalten. Und wir müssen Weg gebrachten Verbesserungen der Arbeits- nicht die leiseste Ahnung davon haben, wie uns fragen, ob nicht dadurch in Wahrheit nur situation der Transplantationsbeauftragten die Medizin in Diagnostik und Therapie in 100 ein relativer Ärztemangel besteht. Eine Frage, in den Krankenhäusern, die Optimierung der Jahren aussehen wird. Wird es noch Krank- der wir uns, so wir Versorgungsqualität, Bei- Finanzierung durch eine Grund- und Leis- heiten geben? Ich vermute „Ja“! Wird es noch tragsstabilität und medizinischen Fortschritt tungspauschale und die Einrichtung eines Ärzte aus Fleisch und Blut geben? Ich hoffe wünschen, unbedingt widmen müssen! flächendeckenden neurologischen Konsi- „Ja“! Denn man kann es sich schlechterdings liardienstes für die Hirntoddiagnostik sind nicht oder noch nicht vorstellen, dass Pati- Im Lichte dessen beklagen wir vermutlich wichtig und gut. Aber das ist nicht einmal der enten in ihrer körperlichen und seelischen auch nur einen relativen Mangel an Pflegeper- halbe Weg! Auch in Deutschland brauchen wir Hilfsbedürftigkeit in pseudoemotionalen sonal. Aber, abgesehen davon: lassen sie uns die Widerspruchslösung. Wir sind umzingelt Robotniks den Halt finden, den sie brauchen. gemeinsam alles tun, damit der Pflegeberuf von Ländern, in denen diese Regelung getra- Das Wissen und Können, das tröstende Wort wieder die angemessene ideelle und mate- gen von der breiten Zustimmung der Bevöl- aus menschlichem Mund und die helfende rielle Anerkennung erfährt. Früher war die kerung erfolgreich praktiziert wird. Weniger Hand eines empathischen Arztes mögen hof- Krankenschwester eine hoch angesehe Posi- als ein Prozent der Menschen in diesen Län- fentlich für alle Zeiten das Maß aller Dinge in tion im gesamtgesellschaftlichen Gefüge. dern entscheiden sich aktiv gegen die Organ- der Patientenbehandlung sein. Heute scheint die examinierte Pflegekraft zu spende. Die Diskussion in unserem Land wird einem unbedeutenden Rädchen im Maschi- von den Gegnern mit Argumenten und Begrif- Lassen Sie mich noch einige wenige Worte nenraum sozial erwünschter Leistungserbrin- fen geführt, die einen daran zweifeln lassen, zum Thema Kollegialität und Mangel an ger verkommen zu sein. Es ist eine Schande! ob eine sachliche Aufklärung überhaupt ärztlichem und Pflegepersonal verlieren! Der Die Pflegenden brauchen mehr Anerkennung gewünscht wird. Es fallen Worte wie Organ- Umgang miteinander, in welcher Situation und müssen besser bezahlt werden und es abgabepflicht, Zwang zur Organspende oder auch immer, muss geprägt sein von gegen- steht uns als Chirurgen gut an, auch dafür zu auch der Staat beraubt den Einzelnen seiner seitigem Respekt. Auch wenn Journalisten kämpfen! Entscheidungsfreiheit und vergreift sich an und Boulevard-Magazine nach medizinischen dessen körperlicher Unversehrtheit nach dem Skandalen lechzen: trotz Meinungsfreiheit Nun komme ich zum Schluss und werfe dabei Tod. Ich verstehe es nicht! Ist es nicht so, dass hat nach moralischen Kriterien kein Arzt das einen Blick zurück auf meine eigene chirur- sich auch unter den Bedingungen der Wider- Recht die Indikationsstellung eines anderen gische Laufbahn. Fasziniert, aber nicht im spruchslösung jeder frei dazu positionieren Kollegen zur OP und Patientenverläufe vor Ansatz gedrängt von meinem Vater, der chi- kann? Man muss nur Stellung beziehen: Ja laufender Kamera zu bewerten. Wenn denn rurgischer Chefarzt in einem kleinen Kreis- oder Nein! kritische Bewertungen irgendwohin gehören, krankenhaus in Niederbayern war, gab es für dann nur in einen geordneten Gerichtspro- mich nur eine berufliche Option: Chirurg! Wir können nur hoffen, dass es über die zess und in die Wahrnehmung der Rolle als Geleitet von seinem Vorbild an Disziplin, und Zeit mit nachhaltigem politischen Willen Sachverständiger. Aber auch da spricht nur nie endender Einsatz- und Lernbereitschaft PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
70 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 PRÄSIDENTENREDE habe ich mich auf diesen Weg gemacht. Ich für ehrliches und solides wissenschaftliches möchte allen Kolleginnen und Kollegen, danke meinen Chefs, den Professoren Wer- Arbeiten. egal in welchem medizinischen Fachgebiet ner Klinner, Georg Heberer und Friedrich Wil- sie Führungsverantwortung übernommen helm Schildberg für die erfüllenden Jahre in Nach nun über 33 Jahren in der Chirurgie bin haben, raten, immer dafür zu sorgen, dass sie der Weiterbildung am Klinikum Großhadern. ich erstaunt, welche Metamorphose man so nah am Patienten dranbleiben, wie mög- Ganz besonders bedanken möchte ich mich durchläuft und wie man – mit Herz, Hand lich, und immer noch als hoch kompetenter aber bei Prof. Bernhard Kemkes, meinem und Verstand – darum kämpfen muss, sich Arzt ihres Fachs und nicht nur als Medizinma- Oberarzt in meinen ersten beiden Jahren in das Kleinod der chirurgischen Kernkompe- nager wahrgenommen werden. der Herzchirurgie, der mich mit unerschütter- tenz zu bewahren. Man mutiert über die Jahre lichem Vertrauen gefordert und gefördert hat. zu einer hybriden Mischung aus Chirurg, Ganz zum Schluss möchte ich meinen ver- Er war ein Künstler an Nadelhalter und Pin- Budgetverwalter, Personalhalbchef, Konfe- storbenen Eltern, meinen beiden Brüdern zette, ausgestattet mit traumwandlerischer renzclown, kinnkantigem Planungsgodzilla Felix und Christoph, meinen Handballmann- Sicherheit und bestechender Antizipation. und geschmeidigem Motivationskünstler. schaften aus vergangenen Tagen und vor Ganz besonders danken möchte ich schließ- Mancher würde sagen zu einem Fabelwesen, allem meiner Frau Ute, und unseren Kindern lich Prof. Karl-Walter Jauch. Er ist mein vis- einem bayerischen Wolpertinger oder der Benjamin, Carolin und Vincent danken. Für die zeralchirurgischer Lehrer, mein Mentor, mein sagenumwobenen eierlegenden Wollmilch- stets zugewandte, fördernde und liebevolle Freund! Er hat mir chirurgisch und administ- sau. Der ursprüngliche Phänotyp des Chir- Begleitung durch die Jahre. Sie alle waren für rativ das Rüstzeug für eine Leitungsposition urgen ist manchmal nur mehr schemenhaft mich auf diesem Weg immer wieder die letzte mitgegeben. Und er hat mich für die akade- erkennbar. Deshalb danke ich allen meinen tragfähige Brücke der Selbstvergewisserung mische Chirurgie begeistert, die mich zu Prof. Kolleginnen und Kollegen, die mir über die für zwei Dinge: dass meine Bestimmung in Konrad Meßmer am Institut für Chirurgische Jahre mit traumwandlerischer Sicherheit der Chirurgie liegt, die von Zuwendung zum Forschung der LMU München führte. Ihm, immer wieder den Spiegel in einem so güns- Kranken und bedingungslosem Teamgeist und meinem Doktorvater, Prof. Ernst Pöp- tigen Winkel vorgehalten haben und noch geprägt ist und dass man sich selbst nie zu pel, Emeritus für Medizinische Psychologie vorhalten, dass ich mich selbst noch immer wichtig nehmen darf! an der LMU, verdanke ich die Grundlagen und vor allem als Chirurg erkenne. Und ich P A S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
71 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 BILDERGALERIE ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG BILDERGALERIE* ZUR ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG Grußwort BMG: Sabine Weiss, MdB und Parla- Geschäftsführender Vorstand der DGCH mentarische Staatssekretärin beim Bundesmi- Grußwort BÄK: Präsident nister für Gesundheit Prof. Dr. F. U. Montgomery Grußwort DGCH: Präsident der DGCH Grußwort DGAV: Präsident der DGAV Grußwort DGKCH: Präsident der DGKCH Prof. Dr. M. Anthuber Prof. Dr. J. C. Kalff Prof. Dr. Dr. P.P. Schmittenbecher Augsburger Domsingknaben Oman Surgical Society Grußwort Oman Surgical Society: Präsidentin Dr. Z. Al Balushi, MD, FRCSC * © alle Bilder: DGCH PA S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
72 INTERN DGCH CHIRURGENKONGRESS 2019 BILDERGALERIE ERÖFFNUNGSVERANSTALTUNG Verleihung Ehrenmitgliedschaft: Verleihung Ehrenmitgliedschaft: Verleihung Ehrenmitgliedschaft: Prof. Dr. K. Ivanov Prof. Dr. W. J. Pories Prof. Dr. H. van Aken Senator: Prof. Dr. P.-M. Vogt Werner Körte-Medaille Gold: Prof. Dr. H. Feußner Werner Körte-Medaille Silber: Dr. T. Meinert Siegel der DGCH: Dr. J.A. Rüggeberg Urkunde der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: Urkunde der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie: Takeda Pharma Vertrieb GmbH & Co. KG Intuitive Surgical Deutschland GmbH P A S S I O N C H I R U R G I E 0 6 | II | 2 0 1 9
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