Context - HeidelbergCement
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Von der Dressur des Augenblicks Die Lust am Inszenieren context Vorhang auf! Villa M in Berlin-Grunewald Ein Stern geht auf Haus der Astronomie in Heidelberg Das Magazin von HeidelbergCement • Ausgabe 4 • 2011 • 6 € Thema: Inszenierung Ins rechte Licht gerückt
„Schnelle Lieferung? – Geht klar!“ Wir liefern Zuverlässigkeit Hand in Hand arbeiten. So muss es sein. So erleben uns auch unsere Kunden jeden Tag. Denn wir wissen, was wir aneinander haben. Der Kunde schätzt unsere Qualität, den exzellenten Lieferservice und die Kompetenz rund um unsere Produkte. Und wir erfreuen uns an der Ideenvielfalt und dem Anspruchsdenken unserer Kunden. Ein Job, der uns immer wieder Spaß macht. Heidelberger Beton – Kompetenz aus dem Fahrmischer www.heidelberger-beton.de
context 4/2011 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, „Spot an, Kamera läuft!“ – das gilt längst nicht mehr nur für Medienprofis. Nahezu je- der kann heute zum Star werden, zumindest für wenige Minuten. Für manche lautet die Devise gar: Lebe so, als ob die Kamera permanent laufen würde. Wie wir die Bühne unseres Alltags betreten, ob beruflich oder privat, bestimmen wir dabei selbst: Sei es mit ausgefeilter Rhetorik, ausgeprägter Mimik und Gestik, zielsicherem Humor oder guter Kleidung. Wer sich gekonnt inszeniert, ist erfolgreich – soweit die gängige Annahme. Es stellt sich aber die Frage: Wie weit kann und darf Inszenierung gehen? Der Psychoanalytiker und Sozialphilosoph Erich Fromm schrieb, dass wir nur dann zu einem glücklichen und erfüllten Leben finden, wenn wir authentisch sind – mit eigenen Entscheidungen und nicht nur mit erfüllten Erwartungen von außen. Das „Echte“, das „Originale“, das „Unverfälschte“, das „Ungekünstelte“ zieht uns an. Und es gibt Si- cherheit. Aus diesem Grunde spielt Ausgewogenheit und Authentizität bei Inszenie- rungen eine bedeutende Rolle. Übertreibungen, Widersprüchlichkeiten oder leere Ver- sprechen machen misstrauisch und führen das Gegenteil der beabsichtigten Wirkung herbei. Das gilt in allen Bereichen des Lebens; für Privatpersonen, aber auch für Institu- tionen, Produkte und Unternehmen. Ich bin überzeugt: Richtig dosiert kann Inszenierung in all ihren Facetten förderlich sein und Gutes bewirken. Im Idealfall wirkt eine gelungene Inszenierung ganz subtil und unaufdringlich: Ab Seite 14 lesen Sie etwa, wie Supermärkte ihre Waren – mit bewusst eingesetztem Licht, besonderer Musik und ausgesuchten Aromen – so geschickt prä- sentieren, dass bei uns Kunden die Kauflust gesteigert wird. Auch ein charakteristisches Logo, eine prägnante Hausfarbe oder eine besondere Strategie können dazu beitragen, das Bild eines Unternehmens in der Öffentlichkeit positiv zu prägen – wie zum Beispiel das des Bauunternehmens Wolff & Müller. Die Stuttgarter Firma beweist mit einer neu- en Firmenphilosophie Mut, denn sie hat als erstes Bauunternehmen Deutschlands er- folgreich auf Ökostrom umgestellt und baut gänzlich CO²-neutral (S. 36). Auch Beton kann sich gekonnt in Szene setzen: Das spektakuläre „Haus der Astronomie“ in Heidel- berg ist der Form und Dynamik einer Spiralgalaxie nachempfunden (S. 30). Das ganze ABC seines Könnens zeigt Beton außerdem auf den 12 Motiven des Fotokalenders „Beton / concrete 2012“ von Steffen Fuchs (S. 38). Ob avantgardistisch oder zeitlos: Beton ist von A bis Z der Baustoff unserer Zeit. Auch eine Publikation wie context lebt von Inszenierung und erscheint in ihrem Auftritt nicht willkürlich. Auf den kommenden 36 Seiten haben wir für Sie, liebe Leser, Text und Bild spannend im Wechselspiel arrangiert und Architektur, neue Wohnkonzepte, Pro- dukte sowie Kunden und Partner optimal in Szene gesetzt. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine interessante, kurzweilige Lektüre und schon heute frohe Festtage und alles Gute für 2012. Christian Knell General Manager Deutschland 3
context 4/2011 Inhalt Thema: Inszenierung Ins rechte Licht gerückt 14 24 30 Thema Produkte und Projekte 8 Von der Dressur des Augenblicks Die Lust am Inszenieren 18 Filmreife Inszenierung Hochschule und Museum unter einem Dach 14 Ich glaub’, ich steh’ im Wald! Wie der Handel seine Kunden (ver-)führt 22 Täuschend echt Eisbärenanlage im Tierpark Hellabrunn 16 Spot an, Kamera ab! Unternehmen auf den Bühnen des Alltags 24 Vorhang auf! Villa M in Berlin-Grunewald 28 Auf dem Sonnendeck Kluge Konzepte für den Wohnungsmarkt 30 Ein Stern geht auf Haus der Astronomie in Heidelberg 6
context 4/2011 Inhalt Meister Lampe in winterlichem Ambiente: Manchmal fallen sogar Ostern und Weihnachten 1 auf einen Tag – dank cleverer Inszenierung. 34 36 Markt und Umwelt Kunden und Partner 34 Blickfang in Weiß Rehabilitationszentrum in den Niederlanden 36 Bauen mit Begeisterung Wolff & Müller Stuttgart 38 Avantgardistisch bis zeitlos: Beton Foto-Kalender Beton / concrete 2012 Service 03 Editorial 04 Panorama 06 Inhalt 39 Tipps und Termine 39 Impressum 7
context 4/2011 Inszenierung Amorphe Architektur: Auf der Expo 2010 in Shanghai thematisiert der Britische Pavillon die botanischen Res- sourcen der Welt. 8
context 4/2011 Inszenierung Von der Dressur des Augenblicks Die Lust am Inszenieren Was haben Lady Gaga und Architekten gemein? Auf den ersten Blick nicht viel. Beide verbindet aber der Drang zum Inszenieren. Und je mehr sich unsere kommunikations- und mediengetrie- bene Gesellschaft mitteilen will und sich Individuen, Marken und ganze Städte in Szene setzen, desto größer wird die Relevanz des Inszenierens. 9
context 4/2011 Inszenierung A rchitektur und Inszenierung sind sich schon im- mer viel näher als mancher denken mag. Abge- sehen von der Frage der Funktionalität, die Architek- ter aller anderen Kirchen ist und sie daher Kolonna- den haben muss, die wie mit mütterlich ausgebreiteten Armen die Katholiken aufnehmen, um sie in ihrem tur leisten muss, spielt die Inszenierung von Räumen Glauben zu bestärken, die Irrgläubigen, um sie der und Atmosphären in der gesamten Architekturge- Kirche zuzuführen und die Ungläubigen, um sie im schichte eine zentrale Rolle. Seit jeher wurden und wahren Glauben zu erleuchten“. Bernini zeigt also, werden Themen gestaltet und neu in Szene gesetzt. wie mit gestalterischen Mitteln räumliche Wirkung Das Züricher Büro Holzer Kobler Architekturen erzeugt werden kann. Und diese hohe Kunst der schreibt etwa in seinem Buch „Mise en scène“: „Wir Rauminszenierung ist weitaus komplexer als die unterscheiden deshalb nicht zwischen Architektur kurzweilige Kostüm- und Bühnenshow einer Lady und Inszenierung, da sich beides gegenseitig Gaga. bedingt. Wir glauben auch nicht, dass Architektur Inszenierung sein Gesellschaftliche Relevanz kann, sondern ge- Seit dem Barock haben sich nicht nur die Gesell- Bühnenbild Schneekönigin, hen davon aus, schaft, sondern selbstverständlich auch die Wahr- FriedrichstadtPalast, Berlin dass Architektur In- nehmung und die Vermittlung von Architektur ge- (2010) szenierung ist.“ wandelt. Ganze Städte werden heute von Diese innige Be- Marketingabteilungen „gebrandet“, inszeniert und Die Suche eines mutigen Mädchens nach ih- rem besten Freund führte als multimediale ziehung zwischen vermarktet. Stadtplanung ist teilweise schon fast mit Kinderrevue die Theaterbesucher im Berli- beiden Disziplinen „Setdesign“ gleichzusetzen. Man denke hier nur an ner FriedrichstadtPalast zu herrlichen Orten lässt sich gut an das Guggenheim-Museum in Bilbao. Bevor Frank O. voll schauriger Eindrücke. Dabei waren die einer ganzen Epo- Gehry 1997 die baskische Stadt mit seinem dekons- Anforderungen an das Bühnenbild hoch: Ge- che ablesen: Um truktivistischen Gebäude prägte, war sie bei weitem rade weil der FriedrichstadtPalast mit über eine Steigerung der nicht so bekannt, und heute steht das Museum schon 280 jungen Darstellern das größte Kinder- Raumwirkung auf fast als Synonym für Bilbao. Solch gebaute Identi- und Jugendensemble Deutschlands besitzt den Menschen zu täten haben sich in den letzten Jahren als „Corpo- und als Europas größte Bühne gilt, sollte sich erreichen, setzten rate Architecture“ im architektonischen Sprachge- das Bühnenbild nicht in seinen Details ver- die Baumeister des brauch etabliert. lieren. Entwickelt wurde die überraschend Barocks schwingen- Aber der Begriff des Inszenierens – des In-Szene- anders gestaltete Inszenierung in Kooperati- de konkave und Setzens – ist vor allem ein Begriff aus der Theater- on mit dem Masterstudiengang Bühnen- konvexe Formen welt. Schon die griechische „skene“ (Träger des Büh- bild_Szenischer Raum der Technischen Uni- ein, übertrumpften nenbilds) eines antiken Amphitheaters ermöglichte versität Berlin. sich mit Kuppeln, immer komplexere Verwandlungen und Auftritte. Gestaltung: Kaspar Haessig, Studiengang Säulengruppen, Eine Inszenierung kann also einer künstlerischen, mit Bühnenbild_Szenischer Raum, TU Berlin Giebeln und Fens- räumlichen Mitteln erreichten Interpretation einer www.tu-buehnenbild.de terbekrönungen, Handlung gleichgesetzt werden – und zwar nicht nur verzierten alles mit im Theater. reichem ornamen- Diese Ausgestaltung des Raums als Kommunikati- talem Schmuck und erreichten so einen Eindruck onsraum, als Erlebnisraum hat in den letzten Jahren von Kraft und Bewegung. Dabei ordneten sich die immer mehr an wirtschaftlicher Bedeutung gewon- Einzel-elemente wie Lichtführung, Malerei, Skulptur nen und dadurch die Nachfrage und die Komplexität und Plastik stets dem architektonischen Gesamt- der gestalterischen Aufgaben gesteigert. Kein Wun- kunstwerk unter. der also, dass sich das Wissen um das Inszenieren als Ein beeindruckendes Beispiel dieser hohen Gestal- eigenständige Gestaltungsdisziplin etabliert. Meist tungskunst ist der Petersplatz in Rom, zwischen 1656 wird sie als Szenografie – der Lehre beziehungsweise und 1667 erschaffen von Gian Lorenzo Bernini. Der der Kunst von Inszenierung im Raum – beschrieben. Platz mit der Form einer Ellipse, der auf zwei Seiten Uwe R. Brückner, Professor für Ausstellungsge- von Säulengängen eingeschlossen ist, wurde so ge- staltung und Szenografie an der Hochschule für Ge- formt, weil „(...) die Kirche Petri sozusagen die Mut- staltung und Kunst Basel und Kopf des Stuttgarter 10
context 4/2011 Inszenierung Inszenierung im Schaufenster. Gestaltung des italienischen Waren- hauskonzerns La Rinascente, Palermo (2010). Ateliers Brückner bezeichnet Szenografie treffend setzten sich über 200 Nationen in Szene und gaben „als die Kunst von der Dressur des Augenblicks“. Für dafür über 58 Milliarden Dollar aus – wohlgemerkt ihn ist „Szenografie nicht nur eine junge, sondern vor für eine temporäre Inszenierung! In bleibender Erin- allem auch eine generalistische, multidisziplinäre und nerung blieb – abgesehen vom Chinesischen Pavillon damit integrative Gestaltungsdisziplin, die sich genre- mit seinen gigantischen Ausmaßen – der Britische Pa- und formatübergreifend zeigt. Sie ist ein narratives villon, entworfen vom Londoner Heatherwick Studio. Gestaltungsmedium, das mit den szenischen Mitteln Die räumlich erfahrbare Ausstellung von über des Theaters, der Oper und des Films, der Perfor- 200.000 verschiedenen Pflanzensamen thematisierte mance und Installationskunst neue, meist betretbare, die botanischen Ressourcen der Welt. Tausende sie- physisch erlebbare Rezeptionsräume generieren beneinhalb Meter lange Acrylstäbe, in die die Samen kann. So ermöglicht szenografisches Gestalten den eingebettet waren, formten eine Art gigantische und dynamischen Umgang mit Raum, das Choreogra- begehbare Pusteblume. phieren von Raum und die Choreographie von Zum „State of the Art“ beim Inszenieren gehört Raumabfolgen. Die Szenografie ist Kombination und seit Jahren auch der vermehrte Einsatz von Medien Zusammenspiel verschiedener Medien im Raum, und – auch hier zeigte die Expo in Shanghai, was derzeit gelungene Szenografie ermöglicht die Darstellung möglich ist: Für den Pavillon des chinesischen Energie- von »Content« im Kontext: Sie ist ein gebautes, be- lieferanten State Grid entwarf das Stuttgarter Atelier gehbares, dreidimensionales Erlebnis von Inhalten, Brückner eine „Magic Box“. Nicht nur, dass der Ku- ein Raum gewordenes und Raum generierendes bus von außen mit einer Medienfassade bestückt war, Selbstverständnis, und sie ist vor allem immanente auch im Inneren umspielte den Besucher auf allen Botschaft ihrer Autoren und Auftraggeber.“ sechs Flächen ein enges LED-Raster mit über 16 Mil- lionen Pixeln und ließ ihn Teil der Medieninstallation Erzählende Räume werden. In fünf Kapiteln wurde er auf eine siebenmi- Welch gewaltige Dimensionen Rauminszenierungen nütige, multidimensionale Reise mitgenommen, die annehmen können, zeigte die letztjährige Expo in teils in abstrakten, teils in konkreten Bildern einen Shanghai. Bei der bisher größten Weltausstellung narrativen Bogen aus der Entstehung von Energie 11
context 4/2011 Inszenierung Moderne Raum- installationen im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich von 1897. über deren Distribution bis hin zu Fragen der Nach- Eine mystische Atmosphäre mit realen Mitteln er- haltigkeit spannte. schuf auch das Schweizer Atelier OÏ für seine früh- Die „Brutstätten“ für den Ideenreichtum finden lingshafte Rauminstallation „Les Danseuses“ auf der sich jedoch nicht nur in den großen und prestige- diesjährigen Mailänder Möbelmesse. Zum Spiel aus trächtigen Inszenierungen, sondern zeigen sich auch Farben und Klängen bewegten sich an Deckenventi- auf anderen, vielfältigen (Kreativ-)Bühnen der Welt. latoren montierte Lampenschirme in einer festen Vorreiter sind etwa die Bereiche Events, Mode, Thea- Choreographie. Durch den Luftwiderstand, Verände- ter und Kunst. rungen der Rotationsgeschwindigkeit und das defi- „Unglaublich! Fantastisch! Atemberaubend!“ – nierte Unterbrechungsprinzip bildeten sich verschie- das war die einhellige Meinung der Besucher nach der denartige Wellen im Stoff, die ähnlich wie bei den Präsentation der Diesel „Liquid Space“-Modekollekti- wirbelnden Röcken von Flamenco-Tänzerinnen ei- on während der Pitti Immagine Uomo n. 72 im ehe- nen hypnotisierenden Effekt auf den Betrachter er- maligen Zollamt Dogana. Bei dieser Modenschau in zielten. Die Installation erinnerte aber auch an Florenz erschienen wie aus dem Nichts blau leuchten- Derwische, eine muslimisch-asketische Ordensge- de Wesen: Ein riesiger, dreidimensionaler, prähisto- meinschaft, die sich zu heiliger Musik in religiöse risch anmutender Fisch erweckte den Eindruck, durch Ekstase tanzt. Dieses mystische Phänomen zu erfor- die Luft zu schwimmen, ein Model zu verfolgen und schen, war das Ziel der Schweizer Gestalter. es schließlich zu umfließen. Ein Zaubertrick? Nein, Es müssen aber nicht immer digitale Inszenie- Hightech: Hier kam eine holographische Projektion, rungen sein, die den Betrachter faszinieren: Ganz die vom dänischen Büro viZoo entwickelt wurde, zum ohne Bewegung und Medientechnik kam eine Instal- Einsatz und versetzte Models wie Zuschauer in eine lation in Palermo aus, bei der die französischen Krea- traumähnliche Laufsteg-Inszenierung. tiven von Le Creative Sweatshop fünf Schaufenster 12
context 4/2011 Inszenierung eines Luxuskaufhauses als farbenprächtige Kulissen bis zum Lichtdesign reichen die benötigten Fähig- in Szene setzten – aber nicht allein mit luxuriösen keiten. Szenografisch oder inszenatorisch zu arbeiten Kleidern, Taschen oder Schuhen der Saison, im Ge- und zu denken heißt auch, vielfältig zu agieren: Es genteil: Diese schienen nebensächlich zu sein. Die werden Ausstellungen inszeniert, Events choreogra- Hauptrolle spielten vielmehr aufwendige Papier- phiert, Expo-Pavillons und Messestände konzipiert installationen. Kontrastreich zur weißen Fassade in- und Theaterbühnen bespielt. Und das oft ohne szenierten die beiden Gestalter Mathieu Missiaen feste disziplinäre Zuschreibung, aber in der festen und Julien Morin die Fenster: In jedem der fünf Prä- Überzeugung, sentationsräume befand sich eine eigene mono- dass zwischen Ausstellung RE: generation, Coper- chrome Papierwelt – in Grün, Gelb, Blau, Violett und unterschiedlich nicus Science Centre, Gold. Dabei wirkten die Schaufenster wie Schmuck- eingesetzten Warschau (2011) kästen, in denen sich surreal anmutende Szenen ab- szenografischen spielten. Einzelkompeten- In dem im Frühjahr eröffneten Science Center in zen insgesamt Warschau erhalten Jugendliche zwischen 17 Wohin geht die Reise? enge Verwandt- und 25 Antworten auf brennende Fragen zur ei- Als Auftraggeber für Inszenierungen fungieren seit schaftsverhält- genen Persönlichkeit, zu Gefühlen und der Welt einigen Jahren vermehrt Museen, Science Center nisse bestehen. um sie herum. Konzipiert hat die Ausstellungs- und andere Institutionen, deren Auftrag die Wissens- Wo sich bis jetzt gestaltung für diese eher ungewöhnliche Ziel- gruppe die Berliner Agentur Archimedes. Auf vermittlung ist. Gerade in diesem Bereich beweist die klassischerweise über 1.000 Quadratmetern werden die jungen Szenografie mit ihrem Wissen um das „räumliche ein ganzer Strauß Besucher nicht nur über klassische Wissen- Geschichtenerzählen“ ihr Können. Es gibt kaum eigenständiger schaftsthemen informiert, die Herausforderung mehr ein Museum, das für die Konzeption einer Aus- Professionen für die Gestalter bestand eher darin, „neben den stellung keinen Ausstellungsgestalter oder Szeno- darbot, sehen immer faszinierenden Themen der Naturwissen- grafen engagiert. Das Büro Holzer Kobler Architek- wir heute ein schaften auch psychologische und soziologische turen hat etwa das in die Jahre gekommene praktisches Zu- Erkenntnisse zu vermitteln“, so Agenturleiter Landesmuseum der Schweiz in Zürich entstaubt und sammenwach- Jörg Schmidtsiefen. mal mit provokanten, mal mit amüsanten, aber im- sen szenografi- mer mit atmosphärischen Raumbildern geschafft, die scher Künste. Gestaltung: Archimedes, Berlin Entdeckungs- und Entdeckerlust beim Besucher zu Ihre performa- www.archimedes-exhibitions.de wecken. Und wenn das ein Museum vermag, hat es tiven Auftritte eines seiner wichtigsten Aufgaben neben dem Sam- und temporäre meln, Bewahren und Forschen erfüllt: als Ort der Prä- Raumgestaltung lassen Zuschauer oder Besucher sentation, der Unterhaltung und Bildung zu dienen. nicht außen vor, sondern beziehen sie als „Akteure“ So installierten Barbara Holzer und Tristan Kobler mit ein. etwa in der Ruhmeshalle eine hölzerne Rampenkons- Und wer nun Lust hat, sich im Gestaltungsfeld der truktion, die dem Besucher die Entwicklung der „Erzählenden Räume“ als Akteur zu betätigen bezie- Schweizer Politik näherbringt. Dieser 85 Meter lange hungsweise sich in diesem Bereich aus- oder weiter- Aufgang erlaubt dem Besucher immer neue Ein- und zubilden, der findet europaweit bereits über 20 Stu- Ausblicke in den 17 Meter hohen Raum und bricht diengänge: sei es „Szenografie“ in Dortmund, Basel, zugleich mit der pseudosakralen Architektur der alt- Karlsruhe oder Zürich, „Ausstellungsdesign“ in Düs- ehrwürdigen Halle. Seitlich an der Rampenkonstruk- seldorf, „Kommunikation im Raum“ in Mainz, „Sze- tion dreht sich gemächlich das Mythenrad, das die nischer Raum“ in Berlin und und und ... typischen Motive der Nation, wie Wilhelm Tell oder Rainer Häupl Heidi, in Szene setzt. „Inszenierer“ arbeiten selten allein, zu umfang- reich sind die beteiligten Gewerke und Disziplinen. Vom Storyboard-Schreiben über die Medientechnik www.plotmag.com 13
context 4/2011 Inszenierung Ich glaub’, ich steh’ im Wald! Wie der Handel seine Kunden (ver-)führt Der Geruch von Moos umgibt mich, eine leichte Feuchtigkeit. Süßlich riecht es, nach Nadelbäumen und unberührter Natur. Ich fühle mich wohl, will alles um mich herum aufsaugen. Ein Holzfäller will ich sein, ein Lum- berjack in der unendlichen Weite der kanadischen Wälder. Bis ich feststel- le, dass ich gar keine Kettensäge kaufen will. E s ist eine gelungene Inszenierung, der ich beinahe zum Opfer gefallen wäre. Denn Ort der Hand- lung ist nicht Palmquist, Ontario – sondern ein Bau- gentlich war ich losgezogen, einen Eimer Farbe zu kaufen, bevor ich den schier unstillbaren Drang zum Erwerb einer Motorsäge verspürte. Aber was hat markt am Rande einer süddeutschen Kleinstadt. Ei- dieses Verlangen in mir ausgelöst? 14
context 4/2011 Inszenierung Eine perfekt arrangierte Aktionsfläche hat mich in positiv bewerteten Stimulus, zum Beispiel einem Mu- ihren Bann gezogen. Rund drei mal drei Meter Fläche sikstück, eine mentale Verbindung zwischen beiden haben es geschafft, meine volle Aufmerksamkeit auf Reizen entstehen lässt und damit das Produkt eben- sich zu ziehen. Gut gestaltet, nicht als nüchterne An- falls positiv bewertet wird.“ Ich höre, also kauf’ ich. sammlung von Produkten, sondern als kleine, duf- Ähnlich verhält es sich mit Duftmarketing: Im tende Erlebniswelt mit Baumstämmen, Moos, Erde – Rahmen einer Studie hat die Forschungsgruppe Kon- und kleinen Stofftieren. Und natürlich den Ket- sum und Verhalten an der Universität Paderborn he- tensägen. Ein komponiertes Stück „Natur“ inmitten rausgefunden, dass der Einsatz von Düften im Ver- einer ansonsten nüchtern anmutenden, zweckopti- kaufsraum die durchschnittliche Aufenthaltsdauer mierten Ladenausstattung aus Stahlregalen und der Kunden um über 15 Prozent steigert, die Kaufbe- Steinfußboden. reitschaft um rund 14 Prozent erhöht und Impuls- Was für größere Filialisten schon lange gang und käufe fördert. Aber Vorsicht: Wer es in Sachen Duft gäbe ist, ist auch für den kleinen Einzelhändler zum übertreibt oder gar auf das falsche Bouquet setzt, Muss geworden – nicht zuletzt, um im Wettbewerb dem wird das Gegenteil widerfahren. Kürzere Ver- gegen die täglich stärker werdende Online-Konkur- weildauer und geringere Kaufbereitschaft sind die renz zu bestehen. Eine gute Inszenierung von Akti- Folge. Im Klartext: Die Kunden bleiben draußen. onsware ist Nahrung für die Augen und Balsam für Doch selbst dort gibt es gute Chancen, Kunden die Seele – und gilt gerne als „Königsdisziplin“ der anzusprechen und auf Waren und Dienstleistungen Verkaufsförderer. aufmerksam zu machen: Vom Schaufenster ist die Doch um Produkte ansprechend zu präsentieren, Rede. Seit gut zweihundert Jahren wird es genutzt, Kunden zu mehr „Wohlbefinden“ zu verhelfen und und doch zählt es zu den wenigen Bereichen der Ver- sie damit schlussendlich zu mehr Absatz und Umsatz kaufsförderung, deren Wirkung noch nicht ausführ- zu bewegen, gibt es zunächst zahlreiche andere An- lich wissenschaftlich untersucht wurde. Einzelne Stu- sätze. Das beginnt bei den Grundlagen der Ladenein- dien zeigen, dass erstaunliche 40 Prozent der Kon- richtung, wie beispielsweise der Gestaltung von sumenten gezielt nach Schaufensterauslagen ein- Laufwegen und Aufmerksamkeitszonen oder der kaufen – ein gewaltiges Potenzial, das hinter so man- Warenanordnung in den unterschiedlichen Regalzo- cher Glasscheibe schlummert und mit Farben, Licht- nen. Nach wie vor gilt: Die Sichtzone ist der stärkste, effekten, typographischen Akzenten und adäquater die Reckzone (über 170 Zentimeter) der schwächste Angebotsdarstellung (re-)aktiviert werden will. Umsatzbringer. „Landmarkierungen“, also einfach zu An Möglichkeiten scheint es also nicht zu man- erfassende Navigationshilfen und Leitsysteme, sind geln. Bleibt die Frage: Was tun, um Kunden anzu- insbesondere im großflächigen Handel hilfreich; ge- ziehen und zu begeistern? Für die perfekte Insze- zielte (und richtige) Beleuchtung setzt auch schwäche- nierung gibt es kein Patentrezept, vielmehr ist re Produkte oder dunklere Verkaufsbereiche ins rech- „Shakespear‘sches Marketing“ gefordert: Shakes- te Licht. Aber wie gesagt: Das sind die Grundlagen. peare setzte seine Dramen in Szene, die Darsteller Interessanter wird es, wenn man einen Blick auf gingen anschließend durch die Besucherreihen und die Emotions- und Wahrnehmungssysteme des Kun- erbaten ihr Salär. Hatte es den Zuschauern gefallen, den wirft. Worauf reagiert das menschliche Auge, bekamen sie viel, gefiel es nicht, gingen sie mitunter wie verlaufen Blickstrecken, wohin orientiert sich der leer aus. Shakespeare passte seine Stücke daraufhin Kunde? Nach rechts, ist die einfache Antwort. In der an und „optimierte“ somit den Ertrag. Ähnlich ver- Tat: Kunden haben einen Rechtsdrall und bevorzu- hält es sich heute mit der Inszenierung im Laden: Tes- gen Waren, die sich auf dieser Seite befinden. ten, Auswerten und Optimieren sind Prozessschritte, Gezielte Raumbeschallung? Auch sie ist ein wich- die immer und immer wieder durchgeführt werden tiges Element in der Ladengestaltung. „Multisensori- sollten. Damit Ihre Kunden nicht im Wald stehen – elle Ansprache“ nennt das der Experte, die Wissen- sondern sich so fühlen! Andreas Schöning schaft beschreibt den Einsatz von Musik so: „Das Paradigma der klassischen Konditionierung postu- liert, dass das zeitliche und räumliche Zusammentref- fen eines Produktes (neutraler Stimulus) mit einem www.handelswissen.de 15
context 4/2011 Inszenierung Spot an, Kamera ab! Unternehmen auf den Bühnen des Alltags Sich in Szene setzen, sich inszenieren – wie geht das? Muss das sein? Wer macht das? Inszenieren ist eine Vokabel aus dem thea- ter, aber längst hat sie die Welt der Unter- nehmen erobert. Die Märkte sind die Büh- nen des Wirtschaftslebens, dessen Führungskräfte seine prominentesten Darsteller. Inszeniert werden in den Medien und auf Messen Marken, Unternehmen und Produkte; manchmal auch „Unternehmens- kultur“. A uf der Bühne geht es um Kunst. Jeder weiß, dass da keine echten Könige und Schurken, Walküren oder Hexen auftreten, sondern Schauspieler oder tisches Auftreten trainieren muss? Glaubwürdigkeit, Vertrauen, Führungsstärke – alles Theater? Natürlich nicht. Wer da Nachholbedarf hat, dem fehlt manch- Sänger. In der Wirtschaft geht es um Grundbedürf- mal nur etwas Rhetorik und eine lebhaftere Körper- nisse des Alltagslebens, um Existenzsicherung, Kom- sprache. Beides lässt sich lernen. fort, Wohlstand. Wenn im Theater eine Inszenierung „Management by Shakespeare“ – so lautet Carl misslingt, ist das ärgerlich; scheiternde Firmen sind Philip von Maldeghems Coaching-Offerte. Der ge- für die Betroffenen katastrophal. Dennoch gibt es lernte Jurist ist Intendant des Landestheaters Salz- Gemeinsamkeiten. Auf der Bühne und im Unterneh- burg. Als Leiter einer Stuttgarter Bühne adaptierte er men ist die Performance entscheidend. Wer eine Rol- 2002 eine Idee aus England: Mit Stoffen der Klassiker le spielt, muss dies hier wie dort glaubwürdig tun, um sollen Führungskräfte unter Anleitung von Theater- erfolgreich zu sein. profis ihre Wahrnehmung, ihre nonverbale Kommu- Authentisch sein und gleichzeitig interessant: nikation, Teamfähigkeit und Leitungskompetenz ver- Wem das gelingt, dem bescheinigt man „Präsenz“, bessern. „Themen, aus denen Dramen, Tragödien Charisma light. Präsenz fasziniert, weckt Aufmerk- und Komödien gemacht sind, werden tagtäglich samkeit. Präsenz ist ein ebenso knappes Gut wie Auf- auch in der Arbeitswelt und auf allen Führungsebe- merksamkeit. Unsere arbeitsteilige Gesellschaft lebt nen eines Unternehmens verhandelt“, sagt er. von Spezialisten. Die mögen sich in Expertenzirkeln Lernen also von Bühnenrollen? Julius Caesar „of- profilieren; aber schaffen sie das auch jenseits ihres fenbart Führung durch Überzeugung“, Richard III. Fachgebiets, im Konzern, in der Öffentlichkeit? „verteidigt Titel und Position“? Othello dagegen hat Entscheider in der Wirtschaft spüren bisweilen ein leider „keinen Sinn für Kommunikation“. Klienten Defizit an Charisma und suchen den Rat von Thea- können wählen zwischen Einzel-Coaching und lo- terleuten, um sich und ihre Anliegen besser darstel- ckeren Incentive-Workshops für Gruppen. len, ihre Persönlichkeit spannender inszenieren zu Aber die eher theaterferne Konkurrenz in der Be- können. Wie überzeugend ist jemand, der authen- raterbranche schläft nicht. Auch sie macht sich stark 16
context 4/2011 Inszenierung für eine auf Human Resources basierende (Selbst-) Inszenierung der Unternehmenswelt. Geworben wird mit gleichklingenden Schlagworten: „So werden Sie eine Marke!“ Im Bayerischen schickt man Füh- rungskräfte mit Lamas auf Trekking-Touren in die Berge, denn diese Tiere werden sensationell störrisch, wenn man nicht lernt, sensibel auf sie einzugehen – so wie später dann, hoffentlich, im Büro auf Mitar- beiter und Kunden. Nicht übersehen sollte man jene Hochseilgärten, wo man hangelnd und strampelnd übt, zum künftigen Wohl der Firma Körpergefühl, Selbstvertrauen und Teamgeist zu entwickeln; am Abend geht es dann bei Tisch im Tagungshotel noch um „Richtig essen im Job“. Geschliffene Manieren der Mitarbeiter heben das Ansehen ihrer Firma überall auf der Welt. Interkultu- relle Kompetenz ist wichtig. Aber wie nachhaltig sind Incentive Workshops, die ostentativ den Zusammen- halt von Projektteams zelebrieren? Je ausgeprägter die Dynamik einer Firma, desto schneller werden sich ihre Strukturen wandeln – ihr Erscheinungsbild gerät ins Flimmern. Wer also an der Spitze eines Unterneh- mens dessen Selbstinszenierung plant und von Ex- perten der Darstellenden Künste ins Bild setzen lässt, wird sich vielleicht lieber nicht auf die Lehren der Klassiker Shakespeare, Goethe oder Sophokles ver- lassen. Sondern eher den Spieß umdrehen – und das Geschäftsfeld der eigenen Firma zum Gegenstand eines spannenden Gegenwartsstücks machen. Diesen Weg wählte man in Karlsruhe, als das Bun- desverfassungsgericht im Herbst 2011 seinen 60. „Geburtstag“ beging: keine Firma – aber rund 80 Millionen Stakeholder machen es zu einer der wich- tigsten Institutionen der Republik. Gemeinsam mit dem Badischen Staatstheater lud das Verfassungsge- richt die Theatertruppe „Rimini Protokoll“ ein, zum Jubiläum ein Stück aufzuführen, dessen Akteure Karlsruher Bürger sein mussten und dessen moti- visches Repertoire aus den Stoffen „Demokratie“, „Recht“ und „Unrecht“ bestand. Das Ergebnis: die Inszenierung „100 Prozent Karlsruhe“. Sie fand große Resonanz in den Medien. Und das Image des Verfassungsgerichts? Obwohl es doch „nur“ die Grundrechte schützen soll, gilt es plötzlich als innovativ und unkonventionell! Christian Marquart Vorhang auf! Wie präsentieren sich Unternehmen erfolgreich auf der Bühne der Wirtschaftswelt? www.mbys.de 17
context 4/2011 Produkte und Projekte Filmreife Inszenierung Hochschule und Museum in München unter einem Dach Die hochschule für Fernsehen und Film (hFF) und das Staatliche Museum Ägyptischer kunst München präsentieren sich vis-à-vis der Alten Pinakothek in prominenter Münchner Lage. Peter Böhm Architekten aus köln realisierten das massive Sockelgeschoss des beeindruckenden Bauwerks mit einer künstlerisch anmutenden Schichtung aus dezent eingefärbtem Beton. Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst München ist wie eine Ausgrabungsstätte unter dem wiesenbe- deckten Vorplatz ver- graben. 18
context 4/2011 Produkte und Projekte Einzig das extrover- tierte Foyer durch- E bricht den ockerfar- s ist einer jener strahlenden Tage, an dem der neten Peter Böhm Architekten den Eingang in die benen Sichtbeton- Himmel über München sein schönstes bayerisches Fernseh- und Filmhochschule im Osten an und jenen sockel. Es lädt auch Blau zeigt. Der Gang durch die Maxvorstadt zeigt zum Museum im Westen. das öffentliche Architektur vom Feinsten. Hier im neuen Münch- Auch das Publikum ist zum Besuch der Filmhoch- Publikum in die Film- ner Kunstareal steht das Museum Brandhorst von schule geladen. Viele der Einrichtungen, etwa Kino- hochschule ein. In der Portalscheibe aus Sauerbruch Hutton mit seiner bemerkenswerten säle, Cafeteria oder Bibliothek, sind kontinuierlich Sichtbeton befindet Sammlung direkt neben der Pinakothek der Moderne oder bei Veranstaltungen und Festen zugänglich. Fol- sich der schmale Zu- von Stefan Braunfels Architekten. Nun ergänzt ein gerichtig öffneten die Architekten den ansonsten ge- gang zum Museum weiterer beispielhafter Bau die außerordentliche städ- schlossenen Betonsockel mit einem verglasten Foyer. Ägyptischer Kunst. tebauliche Situation: Nach einem Wettbewerbserfolg So setzt sich der öffentliche Raum vor dem extrover- hat der Kölner Architekt Peter Böhm binnen weniger tierten Eingang im Gebäude fort. Im Gegensatz hier- Jahre einen Entwurf realisiert, der zwei kulturell be- zu sind die Studios im geschützten Betonsockel ange- deutende Einrichtungen vereint: Die neue Hochschule ordnet, um konzentriertes Arbeiten zu gewährleisten. für Fernsehen und Film (HFF) und das Staatliche Mu- In den gläsernen Obergeschossen sind Büros, kleinere seum Ägyptischer Kunst München sind in zwei Ge- Seminarräume und die Postproduktion untergebracht. bäuden unter einem Dach angeordnet. Die horizon- Drei Dinge fallen vor Ort spontan ins Auge: Junge tale Zweiteilung des Riegels, ein ockerfarbener Leute strömen ins Foyer. An anderer Stelle führt eine Sichtbetonsockel und eine gläserne Überbauung, breite Treppe zu einem schmalen Zugang in einer rie- scheint dies auch formal anzudeuten; im Inneren sind sigen Portalscheibe aus Sichtbeton. Und schließlich die Funktionen jedoch überraschend anders verteilt. beugt sich eine überdimensionierte Statue gewagt Mit seinen Dimensionen von 150 mal 18,5 mal 20 nach vorne. Beim Anblick der roten Stange drängt Metern nimmt das Bauwerk zunächst Bezug auf die sich die Frage auf: Musste die Figur damit stabilisiert Proportion der Alten Pinakothek. So hat der Bau von werden oder schaut sie mit dieser seltsamen Sehhilfe Leo von Klenze genau 175 Jahre nach seiner Eröff- in den Untergrund? Die Interpretation von Kunst nung wieder ein Pendant. Es genügt – anders als die kann so einfach sein: Tatsächlich haben die Kölner mühsam entfernten Überreste des Bunkers im Bau- Architekten das Museum für Ägyptische Kunst wie grund – nun auch inhaltlich den kulturellen Ansprü- eine Ausgrabungsstätte unter dem wiesenbedeckten chen des historischen Gegenübers. Entsprechend den Vorplatz vergraben. Sprich: Alle Ausstellungsräume seitlichen Betonungen der Alten Pinakothek mit ihren liegen komplett unter der Freifläche vor der Film- platzbegrenzenden Risaliten und Baumalleen ord- hochschule. Und obwohl sie unterirdisch angeordnet 19
context 4/2011 Produkte und Projekte sind, scheint man, gleichsam beim Hinabsteigen, zum Licht zu kommen. Hier unten gelang es, für die In der Maxvorstadt wird der Nachwuchs für den altägyptischen Exponate adäquate Räume zu schaf- roten Teppich fit gemacht. Die Münchner Hoch- fen, die ihrem Rang als Bestandteil der Weltkunst schule für Fernsehen und Film hat schon manchen entsprechen. Der versenkte, zweigeschossige Licht- Oscar-Preisträger ausgebildet. hof wird von seitlich einflutendem Tageslicht erhellt, kleine Räume wechseln mit großen sakral anmu- tenden Hallen ab. An keiner Stelle wirkt die moderne Architektur mit ihren klaren Sichtbetonwänden ägyp- tisch, gleichwohl fasziniert das Gefühl, sich wie in Tempelräumen oder Königsgräbern zu bewegen. „Keine alltägliche Bauaufgabe, eher ein Unikat, etwas Einmaliges“ – so beschreibt Bernd Rösch, der für das Bauunternehmen Leonhard Weiss den ge- samten Rohbau als Oberbauleiter betreut hat, die Er- fahrung. Für den prominenten Standort mit seiner Außenwirkung hatten Peter Böhm Architekten eine Betonfassade vorgeschlagen, die einer archaischen Außenwand nahe kommt. Allein Form und gläserner Aufbau schreiben das Bauwerk der heutigen Zeit zu. Aber es ist kein römischer Stampfbeton hier verarbei- tet worden. Vielmehr haben die Betonbauer nach Vorgabe der Architekten „die einzelnen Schichten des Stahlbetonbaus geradezu provoziert“, so Bernd Rösch. „Jede Schichtung – pro Tag ein Meter in der Höhe – war bis auf wenige Zentimeter präzise vorge- geben, jede farbig leicht variierende Lage wurde frisch in frisch ineinander betoniert.“ Aufgrund ihrer unterschiedlichen Schattierung erzielen die einzelnen Betonierabschnitte insgesamt eine ästhetische Wir- kung, die dem Sichtbeton einen geradezu künstle- rischen Auftritt verschafft. Quarzporphyr in 8 bis 16 Millimeter Größe trägt als gebrochenes Material ne- ben Sand und Kies zur Farbgebung bei. Außerdem wurden behutsam rote und ockerfarbene Pigmente dosiert; den gewünschten Schichtenaufbau hatte man im Vorfeld anhand von Musterplatten angenä- hert. So fertigte man die raffinierte Tragschale mittels durchdachter Betonage aus einem konventionellen Transportbeton C30/37, produziert mit Zement aus Burglengenfeld von HeidelbergCement. Die massiven 45, teilweise bis zu 70 Zentimeter dicken Sichtbeton- fassaden wirken experimentell, wurden aber weitest- gehend innerhalb des Teams der Architekten, Beton- produzenten und Rohbauer abgestimmt. Durch die abschließende Oberflächenbehandlung der Fassaden mittels Stocken – einer Technik, wie sie Steinmetze ausführen – erhielt das authentische Gebäude seinen eindrücklich haptischen Charakter. se 20
context 4/2011 Produkte und Projekte Durch einen Lichthof werden die unterirdischen Hallen des Staatlichen Museums Ägyptischer Kunst München erhellt. Erst ab 2013 wird hier das Museum ständig geöffnet sein. StAMPFBetOn Für Gottfried und Peter Böhm ist Stampfbeton kein novum. Inspiriert durch deren technik realisierte Peter Zumthor die hofmauer der kolumba kapelle in köln ebenfalls in dieser Art. Seither ist Stampfbeton wieder im Ge- spräch. Legendär ist römischer Stampfbeton. Mit Opus caementitium gefertigte Bauwerke, wie das Pantheon in Rom, stehen bis heute. Objektsteckbrief hierfür wurde unbewehrter Stampfbeton in Projekt: Hochschule für Fernsehen und Film, München sehr steifer konsistenz geschichtet und mittels Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, München Stampfen verdichtet. Bauherr: Freistaat Bayern, Bay. Staatsministerium In der neuzeit entstanden ab der zweiten hälf- Wissenschaft, Forschung und Kunst te des 19. Jahrhunderts unbewehrte Gewölbe- Architekt: Peter Böhm Architekten, Köln brücken aus diesem Werkstoff. In kempten Ausführung: Leonhard Weiss Ingenieurbau, Göppingen führen die beiden größten Stampfbetonbrü- Betonproduzent: Berger Beton GmbH, Passau cken der Welt noch immer über die Iller. Zement: HeidelbergCement, Lieferwerk Burglengenfeld Beim modernen Stahlbetonbau in München Preis: 99,4 Mio. EUR gelang die klassische Anmutung des Schich- Fertigstellung: 2011 tenaufbaus à la Stampfbeton durch zeitgemäße Verfahren mit fließfähigem transportbeton. Im b.roesch@leonhard-weiss.com tierpark hellabrunn (siehe Seite 22) jedoch wurde ein äußerst strenger Beton nach rö- andrea.bartels@peterboehm-architekten.de mischer Art manuell aufeinandergeschichtet, www.peterboehm-architekten.de um die Optik natürlicher Felsformationen zu www.hff-muc.de erwirken. www.aegyptisches-museum-muenchen.de 21
context 4/2011 Produkte und Projekte Giovanna und Yoghi, die Eisbären von Hellabrunn, genießen die wiedereröffnete Fels- und Eislandschaft. Täuschend echt Eisbärenanlage im Tierpark Hellabrunn Im tierpark hellabrunn wirkt eine künstliche Anlage aus Beton wie eine natürliche Felslandschaft aus nagelfluh. Die erweiterung und Umgestaltung des eisbärengeheges ließ sich mit transport- und Stampfbeton von heidelberger Beton täuschend echt gestalten. E isbären sind nun mal keine Beton-Fans. Wenn schon nicht am Nordpol, halten sie sich lieber in einer felsigen Steppe als vor glatten Wänden auf. Mit stimmte man die Gestaltung des neuen Freigeländes ganz auf diese Gesteinsart ab. Für eine massive Sichtbarriere vor den rückwär- einer neu gestalteten Naturlandschaft kam der Tier- tigen Sicherungseinrichtungen entwickelte ein Team park Hellabrunn in München den Bedürfnissen der um das Landschaftsarchitekturbüro Teutsch Ritz Reb- Tiere entgegen und ließ das bestehende Ressort re- mann in enger Absprache mit Dr. Robert Lukas von novieren. Die bisherige Eisbärenanlage im Münchner der BLG Betonlieferungsgesellschaft eine innovative Tierpark stammt aus dem Jahr 1975 und war als Teil Lösung: Mit Hilfe von Stampfbeton nach römischem des Polariums nach Plänen des ortsansässigen Archi- Vorbild ließ sich die gewünschte Optik realisieren. Für tekturbüros Peter Lanz entstanden. Die Gestaltung ein möglichst natürliches Resultat fanden im Vorfeld der künstlichen Fels- und Eislandschaft aus Beton gemeinsam mit der Betotech München Laborver- sollte in ihrer Kantigkeit an die kristalline Struktur der suche zur Einstellung der Eigenschaften sowie zur Eisberge in der Arktis und Antarktis erinnern. Das ur- Einfärbung mit Pigmenten statt. Insgesamt lieferte sprüngliche Gehege wies eine Größe von 960 Qua- die BLG München rund 50 Kubikmeter erdfeuchten dratmetern inklusive der Wasserflächen und Mutter- Stampfbeton. Dieser wurde vor Ort nochmals im Kind-Gehege auf. Nun verfügt die stark erweiterte Freifallmischer aufgemischt und mit Farbpigmenten Anlage über fast dreimal so viel Fläche. Die neue Eis- in jeweils unterschiedlichen Dosiermengen einge- bärendomäne, die ebenfalls von Lanz Architekten färbt. Der Stampfbeton wurde schichtweise in die entworfen wurde, gliedert sich in die bisherige Fels- Schalung eingebracht und mit Hilfe von Stampfern und Eislandschaft sowie in die neu angelegte Tundra verdichtet. Aufgrund der Strenge des Stampfbetons und Taiga mit flachem Bachlauf und Naturboden auf. konnte die Mauer zeitnah wieder ausgeschalt wer- Verbindendes Element zwischen beiden Bereichen ist den, so dass die noch weiche und plastische Betono- eine Felsenhöhle mit Unterwassereinsicht sowie das berfläche weitermodelliert werden konnte. Obwohl neu errichtete Mutter-Kind-Haus mit Wurfboxen für der größte Anteil mit seiner 32er-Körnung bereits die Nachzucht. einem groben Korn entsprach, wurden einzelne grö- Ein zoologischer Garten muss Anforderungen an ßere Kiesel und natürliche Gesteinsbrocken von Na- eine moderne Tierhaltung erfüllen. Bei einer Sanie- gelfluh nach Augenmaß platziert und fixiert. Nach rung ist auch das Erscheinungsbild Thema, denn ein Erreichen der gewünschten Festigkeit wurde die natürlicher Auftritt kommt den geänderten Sehge- Steinoberfläche mit Brechstangen, Hämmern und wohnheiten der Besucher entgegen. So entschied Wasserstrahl nochmals bearbeitet und freigelegt. Die man sich in München, auf die geologische Situation auf diese Weise entstandenen Gesteinsschichten äh- an der Hangkante der Isar einzugehen und die Bau- neln einem bewitterten Nagelfluh so überzeugend, ten in Nagelfluh-Optik auszuführen. Außerdem dass der Tierpark Hellabrunn inzwischen Stampfbe- 22
context 4/2011 Produkte und Projekte ton auch an anderen Stellen für die Modellierung des Objektsteckbrief Gesteins einsetzt. Projekt: Polarium – Eisbärenanlage Das Mutter-Kind-Haus und die Umgestaltung Bauherr: Münchner Tierpark Hellabrunn AG der Fels- und Eislandschaft wurden in Transportbe- Architekten: Lanz Architekten + Generalplaner, München ton ausgeführt. Für die äußere, sichtbare Schicht Teutsch Ritz Rebmann Landschaftsarchitekten, München stellte man mit Silikonabformpaste eigens den Ab- Ausführung: Hans Holzner Baugesellschaft mbH, Rosen- heim; NATCON Nature Construction Sima GmbH & Co. druck einer rund 50 Quadratmeter großen Nagel- KG, Villach, Österreich fluh-Formation bei Salzburg her; daraus wurden Beratung: Dr. Robert Lukas, BLG Betonlieferungsgesell- dann wiederum wiederverwertbare, flexible Scha- schaft mbH, München lungen für die Produktion dünner Glasfaserbeton- Rüdiger Schemm, BetonMarketing Süd GmbH Paneele. Via Computer- und detailgenauer Tonmo- Betonlieferant: BLG Transportbeton GmbH & Co. KG, delle im Maßstab 1:25 entstand die exakte München, eine Beteiligung der Heidelberger Beton GmbH Komposition der neuen Anlage. Vor Ort wurden an- Betonlabor: Betotech München GmbH & Co. KG Bau- stofftechnisches Labor, München, eine Beteiligung der schließend die Glasfaserbeton-Paneele vor die be- Heidelberger Beton GmbH stehenden Betonrückwände, Gebäude und das Produkte: 50 Kubikmeter erdfeuchter Stampfbeton; neue Mutter-Kind-Haus montiert. In die Hohlräume Transportbeton Festigkeitsklasse C8/10 bis C35/45, zwischen Paneele und Bestand flossen rund 150 Ku- 1.400 Kubikmeter; Leichtbeton, Festigkeitsklasse bikmeter Leichtbeton. Für diese Variante entschied LC25/28, 150 Kubikmeter man sich, weil der Schalungsdruck in den dünnen Glasfaserbeton-Paneelen nicht zu groß werden r.schemm@betonmarketing.de durfte. Täuschend echte Unregelmäßigkeiten und robert.lukas@heidelbergcement.com die natürlichen Witterungsspuren erhielt die Ober- www.blg-beton.de fläche abschließend durch eine Schicht aus minera- www.betotech.de lischen Farben. www.tierpark-hellabrunn.de se www.lanz-architekten.de 23
context 4/2011 Produkte und Projekte Vorhang auf! Villa M in Berlin-Grunewald In Form und Ausrichtung reagiert ein markantes Wohnhaus im Berliner Villenviertel Grunewald auf seine besondere Lage. Die außergewöhnliche Architektur der Berliner Architekten HSH Hoyer Schindele Hirschmüller entspricht der privaten Nutzung ebenso wie gesellschaftlicher Performance. 24 100 250 500
context 4/2011 Produkte und Projekte Der stützenfreie Wohnraum erstreckt sich über mehrere Knickebenen bis in den Dachraum. D as Viertel ist voller Reminiszenzen. Die Tänzerin Isadora Duncan hat hier gelebt, ebenso wie der Bankier und Mäzen Felix Koenigs. Die Schriftsteller lichen Projektes. So zieht sich das Nebeneinander von Präsenz und Privatem, von Auftritt und Zurückgezo- genheit wie ein roter Faden durch das Gebäude. Walter Benjamin und Ingeborg Bachmann wohnten in Schon das Grundstück ist Herausforderung und Grunewald, wie auch der Maler Lyonel Feininger oder gleichzeitig Ausgangspunkt einer markanten Form- die Schauspielerin Romy Schneider. Seit um 1889 im gebung: Da die Gartenfassade nach Norden weist, Forst Grunewald eine Villenkolonie entstanden ist, optimierten die Planer den gesamten Baukörper gehört der exklusive Ortsteil im Westen von Berlin- durch eine dreidimensionale Verformung, so dass die Charlottenburg zum begehrtesten Domizil schil- Eigenverschattung des Gartens minimiert wird. HSH lernder Persönlichkeiten aus Kultur, Politik, Wirtschaft Architektur schuf mit großzügiger Verglasung einen und Finanzwelt. Anziehungspunkt ist die attraktive fließenden Übergang nach draußen und führte mit Lage bei rascher Erreichbarkeit von quirliger Metro- diesem Kunstgriff ein Optimum an Tageslicht in das pole und ruhiger Natur. Wer hier, am Sitz zahlreicher Haus. Durch Struktur und Art der Materialien inter- Botschaften und Residenzen, umgeben von viel Grün, pretierten die Architekten die umgebende Natur. So eines der begehrten Grundstücke erwirbt, hat Beson- wurde das Betondach, ein dreidimensionales Dach- deres im Sinn. So knüpft auch die Villa M, ein privates faltwerk, mit grünem Tartan überzogen. Nun verbin- Wohnhaus, an das Vorhandene an und erzählt auf det die Farbigkeit der Flüssigabdichtung das Haus mit dieser Grundlage eine ganz eigene Geschichte. Wie es der Topographie. Die Fassade zeigt speziell gefertigte dem Selbstverständnis der Architekten von HSH Ar- Fliesen aus Feinsteinzeug, deren gekantete Struktur chitektur entspricht, bilden der Ort und all seine an durch die bewusste Drehung partieller Abschnitte be- ihn gebundenen Informationen neben dem Anspruch tont wird. Ihr Schattenwurf verstärkt den Eindruck des Bauherrn den Ausgangspunkt des außergewöhn- grafisch stilisierter Zapfen. 25
context 4/2011 Produkte und Projekte Die markant geformte Villa M bezieht sich gestalterisch auf die vorgefundene Topogra- phie in Berlin-Grunewald. Im Innern bildeten die Architekten eine Art Patio mit aufschiebbarer Verglasung. Je nach Wetterlage wird der Außenraum so selbst Teil der Wohnung. Im Erdgeschoss und in der ersten Etage fügen sich die halböffentlichen Aufenthaltsräume – Medienraum mit Heimkino, Bar und integriertes Schwimmbad – zu Küche, Wohnraum und Musiklounge. Wie eine große Bühne bietet das offene Haus Bewohnern und Besuchern ein Podium auf verschiedenen Ebenen, auf dem sich das Leben in all seinen Facetten abspie- len kann. Bei Bedarf, etwa dem Wunsch nach Abge- schiedenheit, lassen sich Bereiche durch geschossho- he Vorhänge abtrennen. In der oberen Etage liegen die privaten Räume mit den Kinderzimmern und den Bädern. On Top liegt auch das Schlafzimmer, das mit seiner gesamten Kubatur über den Baukörper hi- nausragt und sich mit einer verglasten Wand dem Garten zuwendet. Die expressive Formensprache der Villa M mit auskragenden Gebäudeteilen und weitgehend stüt- zenfreien Raumfolgen ließ sich nachhaltig und sicher mit Ortbeton planen und umsetzen. Aufgrund der Komplexität des Entwurfs stellte der Rohbau bereits eine Herausforderung dar. Für Mirko Matheuszik, Bauleiter von der Horst Kasimir Bauunternehmung aus Berlin, war dieser Villenbau eines seiner bislang 26
context 4/2011 Produkte und Projekte anspruchsvollsten Bauvorhaben: „Bei diesem Roh- Beton in Zusammenarbeit mit Heidelberger Beton bau gab es kaum einen rechten Winkel, alle Wände exakt so zu bestimmen, dass er dünn genug war, waren geknickt und gefaltet.“ So wurde die Träger- um ihn durch die Schlauchpumpe befördern zu kön- schalung für die Betonflächen individuell angepasst. nen, dabei wegen der geneigten Flächen jedoch Geneigte Flächen mussten teilweise abgedeckelt be- nicht zu fließfähig. toniert werden. Vom dreidimensionalen Modell und „Besonders gelungen finde ich die Kassettende- dem zweidimensionalen Plan mussten die Eckpunkte cke aus Sichtbeton im Untergeschoss“, resümiert in den Luftraum übertragen werden. „Wo ist der Bauleiter Mirko Matheuszik. Diese spannt sich direkt Knick in drei Metern Höhe? Oft bestimmte unser Po- neben der Garage über die Halle für die Oldtimer- lier den Punkt treffsicher im freien Raum“, erinnert Sammlung. Nicht wie ein Kellergeschoss, eher wie sich Bauleiter Matheuszik. Rund um das an den eine unterirdische Galerie wirkt dieser Raum, für den Wohnraum angrenzende Schwimmbassin wurde die eigens Kästen als glatte Deckenschalung gefertigt umfangreiche Pooltechnik einbetoniert. Auch die In- wurden. Mit gutem Erfolg: Obwohl keine Sichtbe- tegration der Fußbodenheizung und der Einbau der tonklasse vorgegeben war, gelang den Rohbauern Wandheizung, die als Betonkernaktivierung in ver- ein Highlight, das nur noch durch das Bullauge von schiedenen Außenwänden zum Wohlbefinden in den den Automobilen direkt in den Pool hinein getoppt Räumen beiträgt, erforderte Know-how und präzises wird. se Arbeiten. Die Herausforderung bestand darin, den Objektsteckbrief STRUKTURIERTE BETONFLÄCHEN Projekt: Villa M, Wohnhaus, Berlin-Grunewald Bauherr: privat Architekt: HSH Hoyer Schindele Hirschmüller BDA Ar- chitektur, Berlin Entwurf: Harald Schindele, Markus Hirschmüller Projektleitung Ausführungsplanung: Ariane Wiegner; Team: Lutz Tinius, Ines Wegner, David Ruic, Michael Kohl, Tai Schomaker, Nora Bräkow, Peter Madundo Bauleitung: Sedeño Architekten BDA, Berlin Die besondere Kunst des Betonierens ge- Bauunternehmen: Horst Kasimir Bauunternehmung lang den Rohbauern bei der Ausformung GmbH, Berlin verschiedener Sichtbetonflächen. Um etwa Betonlieferwerk: Heidelberger Beton GmbH Gebiet Ber- die Rampe für die Fahrzeuge in das Souter- lin-Brandenburg, Hauptlieferwerk Potsdam rain zu ermöglichen, erforderte das Nach- Beton: 650 m³ Transportbeton, davon ca. 350 m³ Per- bargrundstück die Sicherung mittels Stütz- macrete, 70 m³ Permacrete in der Konsistenz F4 für die Wand in Bambusstruktur mauer. Diese wurde gartenseitig in Sicht- Zement: HeidelbergCement, Zementwerk Königs betonqualität ausgeführt und zeigt im Wusterhausen Garten der Villa M eine außergewöhnliche BGF: 589 m² Bambusstruktur. Mit Hilfe von Strukturma- Realisierung: 2010 - 2011 trizen lassen sich mit Transportbeton auf diese Weise hochwertige Sichtbetonflächen in unterschiedlichsten Varianten realisie- h.schindele@HSHarchitektur.de ren, von floral bis schraffiert, von grafisch ingo.vollbrecht@heidelberger-beton.de bis ornamental. www.HSHarchitektur.de www.kasimir-bau.de 27
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