"Design ist unsichtbar" - Thema: Design - HeidelbergCement
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Klassikstadt, Frankfurt am Main ie un s auf der a n gen w Besu en S ch Fe uch1t n d e. i n l ä EPF30.6. - 2.7 , Freige . 2 0 1 vom n d 604 Sta CemFlow® – es gibt keinen schöneren Grund Der Zementfließestrich für höchste Ansprüche CemFlow – der naturbelassene oder eingefärbte Zementfließestrich mit polierter oder geschliffener Oberfläche – ist der Baustoff für Individualisten. Er bildet die perfekte Basis vom Nassraum bis zum Designboden. Mit CemFlow entstehen exklusive und ebene Oberflächen von unvergleichlicher Intensität und Qualität. www.heidelberger-beton.de
context 2/2011 Editorial Liebe Leserin, lieber Leser, „Wer aber will sagen, was Schönheit ist?“ Dieses Zitat von Peter Behrens, dem führen- den Vertreter des modernen Industriedesigns, beschreibt ein Dilemma, dem wir jeden Tag ausgesetzt sind. Auf kaum eine Frage gibt es so viele Antworten, die keine sind. Die Geschmäcker, so heißt es, sind schließlich verschieden. Und auch ein gutes und teures Design ist nicht zwangsläufig schön, denn bisweilen steht Design für etwas, was uns eigentlich nicht gefällt: Oberflächlichkeit oder überflüs- sige Verzierung. Dabei haben Designer die schwierige Aufgabe, Neues zu denken, ohne den Ursprung zu verlieren. Bei Design-Klassikern, wie dem Kaffeehausstuhl von Thonet, dem Sturm- feuerzeug Zippo und Billy, dem Ikea-Kultregal, ist dies zweifelsohne gelungen. Stets auf der Gratwanderung zwischen Technik und Form, Funktionalität und Schönheit, Luxus und Gebrauch haben alle Produkte eines gemeinsam: ihre Einzigartigkeit. Dennoch er- scheint ihr Design nicht vordergründig – eher unsichtbar. Das ist die Kunst: Dingen ein markantes Gesicht verleihen und sie trotzdem unangestrengt wirken lassen. Seriös aber nicht langweilig. Glaubwürdig, stark und gleichzeitig sympathisch. Ein gutes Design funktioniert so gut, dass wir vergessen, welch kreativer Aufwand betrieben wurde, um es zu erstellen. Und: Design funktioniert auch hervorragend mit Beton. Der Baustoff hat wohl endgül- tig sein graues Image abgelegt. Durch seine vielfältigen Eigenschaften ist es heute mög- lich, Beton und andere zementgebundene Baustoffe auf unterschiedlichste Art optisch zu gestalten. Mit der entsprechenden Bearbeitung entsteht ein moderner, zeitloser und langlebiger Design-Boden. So, wie der geschliffene Zementfließestrich CemFlow im Einrichtungshaus Art Tisch in Landau (S. 22), auf dem sich exklusives Möbeldesign von seiner besten Seite zeigen kann. Lesen Sie außerdem, wie eine Garage aus Beton dem Auto die Schau stiehlt (S. 36) und ein geglätteter Nass-Spritzbeton optimale Bedin- gungen für akrobatische Skateboarder bietet (S. 28). Angemessenen Platz für neue Ideen und Designs bieten die neuen Atelierhäuser im ArtistsVillage in Berlin (S. 20). Die großzügigen Kalksandstein-Häuser sind durch ihre eigenständige Architektursprache wie geschaffen für Kreative und mittlerweile auch ein Erfolgskonzept auf dem hart umkämpften Berliner Immobilienmarkt. Haben Sie sich mal Gedanken über Ihre Einrichtung gemacht? Sofa ist nicht gleich Sofa und Teekessel nicht gleich Teekessel. Ab Seite 8 erfahren Sie, dass die Dinge, mit denen wir unsere vier Wände ausstatten, immer auch eine latente Aussage zu unserer Le- benseinstellung erkennen lassen. Gerhard Seitz General Manager Deutschland 3
context 2/2011 Panorama Beton ist ein Baustoff, der zu außergewöhnlichen Entwürfen anregt. Entspannung pur bietet die Wanne aus Sichtbeton. 4
context 2/2011 Inhalt Thema: Design „Design ist unsichtbar“ 14 22 24 Thema Produkte und Projekte 8 Wandel in Wellen Wie sich das Wohndesign über die Jahrzehnte verändert. Und warum. Wohnen am Wasser Künstlerkolonie ArtistsVillage Berlin Gegenentwurf Muji Anti-Branding als erfolgreiches Branding 22 Boden im Blickpunkt Fließestrich für modernes Einrichtungshaus Stark! Strahlend! Großzügig! Gespräch mit Eckart Maise, Chief Design Officer bei Vitra 24 BUGA zeigt nach vorn Neues Entree für Ehrenbreitstein Klare Linie in Sichtbeton Das Gemeinsame und das Trennende one room house Über die Schnittstellen von Planen, Bauen und Produktgestaltung 6
context 2/2011 Inhalt Neben einer wandelbaren Ästhetik sind es vor allem die nicht sichtbaren Qualitäten, Nutzen 1 und Funktionstüchtigkeit, die gutes Design ausmachen. 30 34 36 Markt und Umwelt Kunden und Partner 30 Mit Karacho in die Kurve Skateparks in Neumünster, Kiel und Heidelberg 36 Schwäbische Spezialitäten Design-Garagen und andere Highlights aus Beton 34 Spanisches Juwel Kulturzentrum Oscar Niemeyer Service 03 Editorial 04 Panorama 06 Inhalt 39 Tipps und Termine 39 Impressum 7
context 2/2011 Design Wandel in Wellen Wie sich das Wohndesign über die Jahrzehnte verändert. Und warum. Eigentlich sind es nur Gegenstände. Das Sofa, der Tisch, die Leuchte. Doch die Dinge, mit denen wir unsere vier Wände einrichten, treffen immer auch eine latente Aussage, erzählen von ihrer Entstehungszeit und lassen deren typische Geistes- haltung erkennen. 50er unbeschwert, „Øresund“ von Børge Mogensen frei, leicht Nierentisch U nd damit verraten sie auch ein wenig über ihren Besitzer: Bevorzugt er beispielsweise die stren- gen Formen des Bauhauses oder die wilden der Sieb- und stehen auf langen Beinen, was dem Möbel einen schwebenden Charakter verleiht. Bisweilen stellen sich die Beine sogar schräg und lassen den Schrank zigerjahre? Möbel erzählen Romane. Grund genug, regelrecht durchs Wohnzimmer tanzen. Inbegriff je- sich einmal genauer mit dem Wohndesign zu be- ner Jahre aber ist der Nierentisch mit seiner weichen schäftigen und einen Blick auf seine wechselvolle Ge- organischen Gestalt, die so gar nichts mehr von der schichte zu werfen. humorlosen Kolossalstrenge der jüngsten Vergan- Beginnen wir in der Wirtschaftswunderzeit der Fünf- genheit erkennen lässt. Sein Design spiegelt die Hei- zigerjahre. Die Wohnstuben durchweht ein frischer terkeit jener Jahre wider, ihre Unbeschwertheit – Wind, der alles vergessen machen soll, was auch nur auch im ganz wörtlichen Sinne. Seine vollkommen im Geringsten an die gerade erst überwundene Nazi- freie Form, die geometrische Ordnungen hinter sich zeit erinnern könnte. Auf deren Monumentalität ant- lässt, ist nicht zuletzt auch ein Abbild der wiederge- worten die Fünfziger mit graziler Leichtigkeit und wonnenen politischen Freiheit in der jungen Bundes- schlanken Formen. Schränke etwa lasten nicht mehr republik. felsenschwer auf dem Boden, sondern lösen sich ab 8
context 2/2011 Design I rgendwann hatte man dann genug von der Ver- spieltheit, die ja immer auch einen Hauch mo- discher Oberflächlichkeit verströmt, und wurde et- was ernster. Ungefähr ab den frühen Sechzigern knüpft das Design wieder an die Bauhaus-Tradition 60er form follows an. Funktionalität und Rationalität rücken in den Mit- telpunkt, Designer versuchen, objektive, wissen- schaftliche Kriterien einfließen zu lassen. Nicht etwa als großer Wurf eines schöpferischen Genies entste- function hen die Formen, sondern als Ergebnis von Forschung und beharrlicher Arbeit. Besonders gut lässt sich das Leitbild der rationalen Stringenz an den Phono-Mö- „TP 1“ von Dieter Rams beln, Plattenspielern und Radios ablesen, die Dieter Rams und Hans Gugelot für die Firma Braun gestal- ten. Schon Produktnamen wie „TP 1“ oder „T 1000“ sprechen in ihrer trockenen Sachlichkeit Bände. Nichts an den Geräten ist überflüssig, jedes Detail ist durchdacht und lässt sich begründen. Kein Zufall, dass sich gerade in dieser Zeit bei Einrichtungen und Produkten der Systemgedanke durchsetzt. Möbel werden aufeinander abgestimmt, damit sie zueinan- der passen und sich gegenseitig ergänzen. Oder sie werden als erweiterbare Module konzipiert. Die ers- ten Schrankwände ziehen in die Wohnzimmer ein, und in der Küche lässt sich das Geschirr „TC 100“ „606“ Regalsystem von Dieter Rams perfekt stapeln. Alles ist praktisch und durchdacht. Aber auch ein wenig nüchtern. N eben die kultivierte Aufgeräumtheit treten bald frechere, mutigere Entwürfe. Die Zeiten der Stu- dentenrevolte und der sexuellen Revolution schlagen sich auch im Design nieder. 1969 führt der Italiener Joe Colombo etwa einen „Central Living Block“ vor, 70er eine rosarote Liegelandschaft wie aus einem James- Bond-Film. Noch deutlicher wird Colombos Lands- mann Gaetano Pesce: Sein Sessel „Up-5 Donna“ weckt mit weichen Rundungen Assoziationen an ei- frech, mutig, nen nackten Frauenkörper. Einem anderen Phäno- men jener Jahre verleiht der Däne Verner Panton bunt Ausdruck – die Wohnlandschaft „Visiona II“ von 1970 scheint mit ihrer psychedelischen Farben- und Formenvielfalt unmittelbar einem LSD-Rausch zu entspringen. Doch kein Möbel bringt den Geist der Achtundsechziger so präzise auf den Punkt wie „Sac- „Blow“ von De Pas | D‘Urbino | Lomazzi co“: ein Sessel eigentlich, doch eine komplette „Sacco“ von Gatti | Paolini | Teodoro Kampfansage an den guten Geschmack des Esta- blishments. Die Sitzgelegenheit besteht aus nichts als stellung entwickelt. Sie ebnen dem Pop Design den einem Sack mit aufgeschäumten Polystyrol-Kügel- Weg. Der Sessel „Blow“ etwa, aus durchsichtigen chen. Er lässt keine definierbare Form erkennen, weil eingefärbten PVC-Planen zusammengeschweißt, er sich immer dem Körper des Sitzenden anpasst; lässt sich wie eine Luftmatratze aufpumpen. Das zum züchtigen Sitzen lädt „Sacco“ wirklich nicht ein. Wohndesign ist nun endgültig bunt geworden – im Für viele Designer wird Kunststoff zum Material der wörtlichen wie im übertragenen Sinne. So pluralis- Wahl. Die Industrie hat neue Kunststoffarten und tisch wie die Gesellschaft zeigt sich auch die Gestal- Verarbeitungstechniken für eine kostengünstige Her- tung der Einrichtungsgegenstände. 9
context 2/2011 Design 80er dekorativ, D as Pop Design legt das Fundament für die Post- moderne, die den Achtzigerjahren wichtige Im- pulse gibt. Auch sie stellt die Grundsätze der Moderne ironisch infrage, allerdings gepaart mit einer kleinen Portion Snobismus. Zunächst einmal rebelliert sie gegen die rationale Sachlichkeit und führt wieder dekorative Elemente ein, wobei sie sich nicht nur aus ver- gangenen Stilepochen von Klassizismus bis Art déco bedient, sondern sich auch von Op-Art und Compu- terbildern beeinflussen lässt. Die Möbel zeigen Ober- flächen aus wild gemusterten Laminaten; die biswei- len schrillen Entwürfe für Keramik, Silber und Leuchten werden meist in Kleinserie oder gar in limi- tierter Auflage hergestellt und sind entsprechend teu- er. Dass viele Produkte dadurch einer kleinen Elite vorbehalten bleiben, stört nicht allzu sehr, da man ja die Moderne ablehnt, die immer auch einen sozialen, „Sella“ von egalitären Ansatz verfolgte. Zum kostspieligen Acces- Achille Castiglioni soire, das in jede Yuppie-Wohnung gehört, avanciert der Wasserkessel, den der Amerikaner Michael Gra- ves 1984 für Alessi entwirft. Sobald das Wasser kocht, Teekessel von Michael Graves beginnt ein kleiner Kunststoffvogel zu pfeifen, der auf dem Ausguss sitzt. Genau dieses Moment der Ironie ist es, das viele Entwürfe der Postmoderne ausmacht. U nd wieder setzt eine Gegenbewegung ein, als man des notorisch gut gelaunten Designs über- drüssig wird – so wie die Heiterkeit der Fünfzigerjahre werden auch die Designerscherze der Postmoderne 90er allmählich von einer ernsthafteren Gestaltung abge- löst. Ab Mitte der Neunzigerjahre lässt sich ein Hang zu einer „Neuen Einfachheit“ beobachten, der bis heute anhält. Auf die enervierende Bilderflut des Me- ruhig, klar, dienzeitalters, auf Hektik und Lärm reagiert man mit reduziert dem Rückzug in ein extrem ruhig, klar und reduziert gestaltetes Zuhause. Die Einrichtungsgegenstände geben sich zurückhaltend und schnörkellos. Hat sich das Möbel in der Postmoderne noch als additive Fü- gung verschiedenartiger Einzelelemente präsentiert, so kommt es nun als homogene Großform daher – einfach, doch alles andere als billig: Meist bezieht es seinen Reiz aus hochwertigen natürlichen Materi- alien, die präzise verarbeitet sind. Die sachliche Gestalt resultiert dabei nicht – wie in den Sechzigerjahren – aus Überlegungen zur Funkti- on, sondern ist Selbstzweck, der der Funktion auch mal entgegensteht. Das Bett „SL02 MO“ etwa lässt durch seine streng orthogonale Linienführung das Puristenherz höher schlagen, doch wehe dem, der sich an den wunderbar präzisen, doch gleichzeitig messerscharfen Kanten bei einem nächtlichen Toilet- tengang im Halbschlaf den Fuß stößt. „SL02 MO“ von Philipp Mainzer 1010
context 2/2011 Design Aus der „schubLaden“-Kollektion von Franziska Wodicka „spler“ von Ramon Zangger Zukunft Heute parallele Strömungen Öko, Retro, Ornamente U nd wie wird das Wohndesign von morgen aussehen? Angesichts einer sich immer stärker ausdifferenzie- renden Gesellschaft werden bei der Gestaltung von Möbeln und Interieurs wohl weiterhin sehr viele Strömungen neben- N eben die Neue Einfachheit treten seit einigen Jahren andere Strömungen wie das Öko- oder das Retro-Design. Auch das Ornament kehrt zurück, einander existieren. Die Antriebskräfte für Veränderungen aber sind immer die gleichen: Neue Formen ergeben sich aus gewandelten Lebensverhältnissen, einem geänderten Zeit- nachdem es dem Wiener Architekten Adolf Loos mit geist, neu entwickelten Werkstoffen oder innovativen Bear- seiner Streitschrift „Ornament und Verbrechen“ vor beitungstechniken. Auch in fünfzig Jahren. rund hundert Jahren gelungen war, dekorative Ele- mente für Jahrzehnte nahezu vollständig aus dem In- Text von Christian Schönwetter terieur zu verbannen. Bauhaus und Neue Sachlichkeit definierten sich wesentlich über ihren Ornamentver- zicht, seither galt das Ornament – sieht man einmal Diesen Zwerg will keiner haben von der Postmoderne ab – als nicht salonfähig. War Der Begriff Plagiat hat Konjunktur: Angelehnt an das es früher verpönt, weil es entweder besonderen lateinische Wort „plagium“ ist allerdings nicht mehr handwerklichen Aufwand erforderte und damit als „Menschenraub“ gemeint, sondern vielmehr das uner- Luxus galt oder weil die industrielle Massenprodukti- laubte und nicht gekennzeichnete Kopieren und Imi- on es durch endlose Wiederholung entwertete, so tieren von Druckschriften oder Produkten. Heute wer- hat sich die Situation inzwischen grundlegend ge- den von Armaturen bis zu Werkbänken, von wandelt. Heute stehen ganz neue technische Mög- Armbanduhren bis zu Korkenziehern viele erfolgreiche lichkeiten zur Verfügung – das Ornament wird er- Designs nahezu identisch nachgemacht und dem Ver- schwinglich. Computergesteuerte CNC-Fräsen oder braucher in meist minderer Qualität ange- das Lasersintern erlauben, auch Verzierungen indivi- dreht. Seit 35 Jahren stellt der Negativ- duell anzufertigen. Hundert verschiedene Formen zu preis Plagiarius diesen Ideenklau ins www.plagiarius.com erzeugen, kostet beim Einsatz dieser Techniken kaum rechte Licht. Jedes Jahr kürt eine Jury mehr als hundert gleiche Formen. Die Verzierungs- aus Vertretern der unterschiedlichsten gegner sehen sich ihrer wichtigsten Argumente be- Bereiche, aus Design, Rechtsschutz, raubt. So nimmt es nicht wunder, dass Entwürfe wie Wirtschaft und Verbänden, besonders der Schrank „spler“ entstehen, bei dem der Schwei- dreiste Fälle im Rahmen der Frankfur- zer Ramon Zangger ein aufwendiges Rosettenmotiv ter Messe „Ambiente“. se aus der Holztür herausgefräst hat. 11
context 2/2011 Design Gegenentwurf Muji Anti-Branding als erfolgreiches Branding Der von Naoto Fukasawa ent- worfene CD-Player ist ein arche- typisches Mujiprodukt: Minimal die äußere Erscheinung, intuitiv weil selbsterklärend die Bedie- nung. Eine Zugschnur startet die CD und ist gleichzeitig Stromka- bel. Die simple, quadratische Box erhielt mehrere Designpreise. J apan zu Beginn der Achtziger. Die Folgen der Öl- krise sind überwunden, die ökonomischen Brem- sen gelöst. Das Inselreich dominiert mit seiner Halb- leiterindustrie den globalen Markt für elektronische Geräte. Die „Japan AG“ befindet sich in scheinbar grenzenlosem Steigflug. Früher als in den meisten anderen vergleichbaren Industriestaaten zeichnet sich hier eine starke Bereitschaft zur Mobilität ab, weg vom Land, hin in die urbanen Ballungszentren. In deren Folge gedeihen auch die Pluralisierung der Öffentlichkeit und eine – bis heute – starke Mittel- klassegesellschaft. Alles scheint in Bewegung, mach- bar, greifbar, käuflich. Tokio, der kontrastreiche, wirt- schaftliche und kreative Motor des Landes, wächst enorm und erstrahlt mehr denn je in Neon, Glanz und Glamour. Internationale Marken etablieren sich schnell und erfolgreich, indem sie den von der neuen Hektik des Alltags gestressten japanischen Urbanites Der japanische Design-Kon- idealisierte Bedürfnisse und Fluchten versprechen. zern Muji nutzt die Kanji-Folge: Louis Vuitton ist ein glänzendes Beispiel. Obwohl die mujirushi = no brand und ry- Luxusmarke bereits seit 1980 erfolgreich auf dem ohin = good or superior pro- Markt ist, bringt Japan mit seinen lediglich 120 Milli- duct für seinen Namen. Wörtlich bedeutet das: onen Einwohnern auch dreißig Jahre später – noch N o-Bra nd-Superior-Ite ms. immer und trotz schleppender Wirtschaftsentwick- Umgangssprachlich verkürzen lung – mehr als dreißig Prozent des globalen Um- viele Japaner einfach auf Muji. satzes. Vor diesem Stimmungshoch von Überfluss, Massenproduktion, Massenkonsum und Massen- 12
context 2/2011 Design wohlstand erscheint ebenfalls 1980 in verschiedenen Man arbeitet dabei mit japanischen und internatio- Medien aus dem Nichts ein inhaltlich wie gestalte- nalen Topdesignern zusammen, darunter Naoto Fu- risch radikaler Gegenentwurf. Er sollte den Grund- kasawa, Kenya Hara und Jasper Morrison. Kenya stock legen zu einem der inzwischen erfolgreichsten Hara und Naoto Fukasawa entwerfen zugleich die und größten Designunternehmen Japans. Eine nüch- strategische Gesamtausrichtung des Produktportfo- tern gestaltete Anzeige, sparsamst illustriert einzig lios. Konsequent der Unternehmensstrategie ent- durch den Umriss einer Hand, darin in japanischen sprechend, tauchen die Namen der Designer nie wer- Lettern sinngemäß die Aussage: „Günstiger, und bewirksam auf. Laut eigenem Credo möchte man, zwar aus einem ganz bestimmten Grund“. Im Hinter- dass die Kunden die Produkte eben nicht wegen ei- grund der Anzeige auf drei klein und eng beschrie- ner bestimmten Marke oder eines Namens, sondern benen Spalten vierzig Produkte, knapp und nüchtern ausschließlich wegen ihrer Funktion und ihres Ge- gelistet und in Funktion, Preis und Material beschrie- brauchswerts kaufen. ben. Der asketische Charakter der Annonce definiert Das Unternehmen besitzt inzwischen Dependan- einen Meilenstein in der Art, wie um Konsumenten cen in fast allen Metropolen der Welt. Bisher aller- geworben wird, und steht auch dreißig Jahre nach dings gibt es nur in Japan das gesamte Produktport- der Unternehmensgründung unverändert für Mujis folio. Damit erschließt sich auch nur dort, wie Credo und Strategie. Der saturierten Warenwelt wird umfassend und strategisch überlegen Muji aufge- damit eine Antithese gegenübergestellt, die ihre Pro- stellt ist. Zu Beginn der Neunziger diskutierte man in dukte über eine bildlich wie wörtlich transparente Europa den Begriff des Cocooning, den Rückzug in Haltung anbietet. Zielsetzung war und ist es, dem die eigenen Wände. Muji wird diesem Lebensstil ge- Kunden – zu Beginn nur in Japan, inzwischen in welt- recht. In seinen größten Filialen – in Tokio beispiels- weit 18 Ländern, wie China, Italien und Irland – weise – gibt es nach dem One-Stop-Prinzip alles für schnörkellose und funktionale Gebrauchs- und All- den täglichen materiellen Bedarf. Zu vielen Pro- tagsgegenstände zu offerieren, die perfekt abge- dukten gibt es gut gemachte Publikationen, die zum stimmt sind auf die fundamentalen Bedürfnisse eines kreativen Umgang mit dem Produkt und den Ingredi- modernen, aber hektischen Lebensstils. Inspiration, enzien anregen sollen. Einmal jährlich schreibt Muji Material, Produktion kamen von Beginn an aus der einen ambitionierten Designwettbewerb zu einer be- ganzen Welt, man verstand und versteht sich als Glo- stimmten Fragestellung aus. Und inzwischen bietet bal Player. Gleichzeitig kommuniziert das schlichte Muji auch ein modular konfigurier- und erweiter- Erscheinungsbild von Produkt und zugehöriger Prä- bares Fertighaus an. Wer die ganzheitliche Strategie sentation, dass der Kunde hier nicht für den Namen, des Unternehmens und damit die kongeniale Verzah- die Marke oder teure Kampagnen bezahlt, sondern nung der schlüssigen Bedarfsdeckung durch alle Pro- einzig für das Produkt, seine nutzbringende Funkti- duktsparten studieren möchte, kommt nicht umhin, on, Eigenschaft und Qualität. dies direkt in Japan in einem der dortigen Geschäfte Die Produkte werden dabei so minimal und zu tun. Nur so lässt sich die gesamte und stetig wach- schlicht wie nur irgend möglich verpackt. Die Farbpa- sende Palette studieren. Jeder neue Geschäftsbereich lette pendelt, damals wie heute, nahezu ausschließ- profitiert dabei vom guten Namen und der Vertrau- lich zwischen trendresistentem Weiß und zurückhal- enswürdigkeit, die man mit Muji verbindet. Die tendem naturfarbenem Ecru. Nichtmarke ist zur erfolgreichen Marke geworden. Die Farbe Weiß – Shiro – wird in Japan sinnbildlich Jan Geipel assoziiert mit Behältnis, Gefäß oder Grundlage, wie einem unbeschriebenen Bogen Papier, den es mit LeseTIPPs Fantasie und Inhalt zu füllen gilt. Muji bietet eine Muji – Jasper Morrison, Naoto Fukasawa, große Fülle an Behältern an, die sich individuell, nach Kenya Hara, Rizzoli New York, 2010 eigenem Bedürfnis und Vorstellungsvermögen ver- wenden lassen. Designing Design – Kenya Hara, Inzwischen fasst der Produktkatalog annähernd Lars Müller Publishers, 2011 7.000 Produkte, darunter gleich eine ganze Reihe Designikonen, die in ihrer überzeugenden und intui- tiven Schlichtheit das Zeug zum Klassiker haben. www.muji.de 13
context 2/2011 Design Stark! Strahlend! Großzügig! Gespräch mit Eckart Maise, Chief Design Officer des Möbelherstellers Vitra context: Herr Maise, Sie sind verantwortlich für Es fällt auf, dass die Marke Vitra nicht für einen das Design des Möbelherstellers Vitra: eine Marke einheitlichen, durchgängigen Stil steht, sondern dass mit weltweitem Ansehen. Das Unternehmen ist stolz das Produktportfolio des Unternehmens sich als eine auf die Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen, muntere Collage präsentiert: komponiert aus Design- durchweg sehr renommierten Designern. Ich erlaube „Klassikern“ und neuen, frischen, innovativen Mö- mir deshalb den Vergleich mit einem vielstimmigen beln. Wie verhalten sich Ihre Kunden zu dieser stili- Klangkörper – welche Rolle nehmen Sie da ein? Sind stischen Vielfalt? Sie Dirigent? Erster Geiger? Aufnahmeleiter? Vitra bedient unterschiedliche Kundengruppen: Pro- Maise: Primär wohl Aufnahmeleiter, manchmal auch fessionelle Einrichter, die geeignetes Mobiliar für Bü- Hausmeister. Wir verstehen unsere Designer als Au- ros und öffentliche Institutionen suchen, und Privat- toren. Meine Rolle ist die des Design-Managers. Ich kunden, die ihre Lebenswelten nach eigenem bin seit 16 Jahren bei Vitra tätig, von Hause aus aber Geschmack und Stilempfinden gestalten wollen. Ent- kein Designer, sondern Ökonom. Der Design-Mana- scheidungen im „Office-Segment“ werden zum Bei- ger setzt Ziele in der Produktentwicklung, gibt die spiel sehr rational getroffen, gemäß den Kriterien, Richtung vor, formuliert die Aufgaben und packt sie wie etwa Büroarbeit strukturiert ist oder wie die Be- in Briefings. Ich steuere Prozesse, die sich bis zur wegungsmuster von Kundenströmen in öffentlichen Markteinführung eines Möbels über drei oder vier Bereichen organisiert sind. Da Jahre erstrecken. Das heißt, ich achte auf terminge- geht es immer um klare Anfor- „ … Ästhetik und rechte Fortschritte der Entwicklung und die Kosten. derungen, definierte Leistungs- Wirkung dürfen profile und entsprechende Pro- sich nicht schnell Wie ist der Designprozess bei Vitra strukturiert? blemlösungen. abnutzen.“ Unsere Designer sind externe Partner; intern arbeiten Im Privatbereich macht es jeder komplementär unsere Konstrukteure an den Pro- Kunde so, wie es ihm gefällt. In diesem „Home-Seg- jekten. Die Produktentwicklung ist immer ein ge- ment“ kooperiert Vitra mit Partnern im Fachhandel. meinsamer, integrierter Prozess. Die Kooperation Der führt selbst mehrere Marken in seinem Sortiment zwischen den Designern und dem Unternehmen ist – auch dort herrscht also das Collage-Prinzip. Privat- sehr eng, angefangen bei der Formulierung einer kunden suchen ausdrucksstarke Objekte, die aber Idee bis hin zur Produktabnahme. Es bedarf inten- auch Komfort bieten müssen. Der Privatkunde möch- siver Dialoge, vieler Versuche und Fehlschläge, bis in te sich lange an einem von ihm ausgewählten Möbel Optimierungsprozessen schrittweise ein Produkt ent- erfreuen können. Seine Ästhetik und Wirkung dürfen steht, das trägt, das unsere Ansprüche erfüllt. sich nicht schnell abnutzen, es soll dauerhaft und lan- 14
context 2/2011 Design ge „strahlen“ können. Entsprechend robust und Austausch untereinander ist nicht mehr ritualisiert, langlebig muss deshalb auch die Beschaffenheit des sondern informell und entspannt. Darauf hat Vitra Materials und der Konstruktion sein. All das erwarten mit neuen Produkten reagiert, etwa mit dem „Alcove unsere Kunden, und wir versuchen, diese Erwar- Highback Sofa“ der Gebrüder Bouroullec aus Frank- tungen auch zu erfüllen. reich: Damit lässt sich eine Koje konfigurieren, die eine lockere, akustisch abgeschirmte, nicht konfron- Hochglanzmagazine führen ihren Lesern in ho- tative Variante von Besprechungen ermöglicht. hen Auflagen vor, wie fabelhaft das Leben in einem toll eingerichteten Haus oder in einer wunderschö- Über Jahrzehnte hinweg herrschte in der Büro- nen Stadtwohnung sein kann. Die eigenen vier Wän- möbel-Branche der Systemgedanke. Wird dieses de sind oft weniger attraktiv. Kann man sich mit Konzept jetzt aufgeknackt? schönen Möbeln und Accessoires über solche – Büros sind ein Kostenfaktor, neue Konzepte sollen manchmal krassen – Differenzen hinwegtrösten? An- dazu beitragen, Räume effizienter zu nutzen und ders formuliert – ist gutes, nobles Design imstande, Platz zu sparen; Standardisierung ist nach wie vor ein eine als unzulänglich und unbefriedigend empfun- Thema. Aber es bildet sich eine neue Balance: Flexib- dene räumliche Wohnsituation zu „heilen“? lere Raumkonzepte werden er- Das Bild von der heilenden Kraft des Designs finde gänzt durch Signale der Wert- „Flexiblere Raumkonzepte ich sehr passend. Ein Möbel von Charles Eames wirkt schätzung, die Unternehmen werden ergänzt durch in der Tat sehr positiv auf sein Umfeld ein und prägt an ihre Belegschaften aussen- Signale der Wertschät- es mit. Bei Vitra achten wir darauf, dass Möbel einen den. Das heißt, Arbeitsplätze zung.“ starken Charakter haben, dass sie selbstbewusst sind, werden neu definiert, komfor- sich andererseits aber auch bestens mit ihrer Umge- tabler ausgestattet und abwechslungsreicher organi- bung vertragen und diese aufwerten. Sie wirken als siert. Dazu gehören eben auch Elemente des Wohn- starke Einzelstücke, die in einer Wohn-Collage zu tra- lichen. genden Elementen, zu Kraftzentren werden. Im Ide- Das Gespräch führte Christian Marquart alfall bringen sie einen Raum zum Strahlen, ohne dass andere Möbel plötzlich schlecht aussehen. Un- ser Ziel ist, einem Vitra-Möbel immer so etwas wie Generosität, Großzügigkeit mit auf den Weg zu ge- ben. In den letzten Jahren hat sich die Arbeitswelt der Eckart Maise ist seit Sommer 2010 Chief Design postindustriellen Gesellschaft sehr stark gewandelt. Officer und Mitglied des Vitra Group Immer mehr Menschen arbeiten mehr oder minder Managements. Der studierte Be- selbstständig in und an zeitlich begrenzten Projekten: triebswirt stieg 1995 im Vitra Muse- nicht mehr als feste Angestellte in einem Büro, son- um ein und war dort für den Pro- duktbereich und den Verlag dern sehr häufig zu Hause. Dort wird die Vermi- zuständig. Er baute unter anderem schung von Arbeits- und Wohnwelt manifest. Bedeu- die Miniatures Collection auf und ist tet das auch für das Produktportfolio von Vitra, dass jetzt als Chief Design Officer für Pro- das Home- und das Office-Segment irgendwie deut- duktentwicklung, Marketing und Kommunikation aller Vitra-Produkt- licher aufeinander abzustimmen, zu harmonisieren linien verantwortllich. Der Schwer- sind? punkt seiner Tätigkeit liegt auf der Diese Bereiche sind bei uns nie ganz getrennt gewe- Zusammenarbeit mit zeitgenös- sen. Tatsächlich gibt es eine Tendenz, diese Trennung sischen Designern und der Pflege der Vitra Classics. aufzugeben, sie weniger stark zu leben. Auch wir nehmen die durch neue Technologien beförderte Entwicklung auf, Arbeitsprozesse zu flexibilisieren, auch in räumlicher Hinsicht. Heute verbringen Mitar- beiter weniger Zeit an ihrem festen Arbeitsplatz, sie bewegen sich in unterschiedlichen Szenarien; der www.vitra.com 15
context 2/2011 Design Das Gemeinsame und das Trennende Über die Schnittstellen von Planen, Bauen und Produktgestaltung „Design ist unsichtbar!“ Legendär dieser Satz des unverges- senen Theoretikers und hochschullehrers Lucius burckhardt (1925 – 2003), der sich – von haus aus Ökonom und Soziologe – ein fruchtbares Leben lang mit Fragen und Problemen der Gestaltung beschäftigte. Aber warum soll Design unsichtbar sein? Wenn etwas auffällt, dann doch wohl ein besonders gut und/oder originell gestalteter Gegenstand: ein nobles haus, ein tolles Auto, ein dekoratives Gefäß oder ein elektronisches Gerät in eleganter Form! 16
context 2/2011 Design G utes Design ist unübersehbar, weil uns gutes Design ziemlich selten begegnet, verglichen mit schlechtem oder mit dem sehr verbreiteten Null-De- dung klares Denken, Gespür für Materialien und eine sichere Hand im Umgang mit Werkzeugen und Tech- niken vermittelt wurde. sign; das ist nicht einmal eine Frage des Geschmacks. Berührungspunkte zwischen Architektur und De- Dennoch hatte Lucius Burckhardt recht mit seiner Be- sign existieren also immer noch reichlich, denn es hauptung, Design sei unsichtbar: denn gemeint wa- geht in beiden Disziplinen um die Wechselwirkung ren damit jene Qualitäten eines Gegenstands, die von Raum und Objekten in ihrem Umfeld. Parallel letztlich seinen Nutzen und seine Gebrauchstüchtig- aber auch um all das, was vornehm mit „Schnittstel- keit gewährleisten. Das Design eines ICE-Triebwa- lenproblemen“ umschrieben wird. Häufig wird – in gens ist nicht übel; aber wie eindrücklich ist das, den Sphären der Wissenschaften, der Hochschulen, wenn dieser Hochgeschwindigkeitszug eher zu selten in der Wirtschaft – von der Notwendigkeit „interdis- fährt und sich immer wieder verspä- ziplinärer“ Kooperation gesprochen, tet? Hinter einem gut gestalteten „Design ist unsichtbar“ von den Vorteilen „integrierter“ Ent- Schienenfahrzeug steht also – schein- wicklung und Planung oder eben von bar abgelöst vom Zug – der Fahrplan. Mit dessen den höheren Qualitäten eines „integralen Designs“. „Design“, eng verknüpft mit seiner Zuverlässigkeit, Aber mit der Bereitschaft und Fähigkeit von Ex- steht und fällt die Faszinationskraft der Eisenbahn perten, über ihre jeweiligen Fachgebiete hinaus mit schlechthin. Ähnlich verhält es sich mit der Anmu- anderen Experten intensiv zusammenzuarbeiten und tung von Bauten: Schönheit und Komfort, Ästhetik Ziele ganzheitlich zu verfolgen und zu realisieren, ist und Nützlichkeit kommen oft nicht hinreichend zur es in der Regel noch nicht besonders weit her. Der Deckung. wechselseitige Austausch von Wissen, Ideen und Er- Design ist älter als der Beruf des Designers. Lange fahrungen in kreativen Prozessen ist fast überall Pro- vor den Designern waren es vor allem Architekten gramm, wird aber in den dafür gebildeten Teams und Ingenieure, die den Dingen ihre Form gaben; da- nicht selten unterlaufen durch individuelle Schwä- vor waren es ambitionierte Handwerker. Auch heute chen wie Eitelkeit, Engstirnigkeit, Egoismus und, vor noch lassen Architekten sich nicht lange bitten, wenn allem, mangelnde Neugier. In der Praxis funktioniert man sie auffordert, etwa ein Möbel zu entwerfen. Teamarbeit immer noch am besten innerhalb der her- Denn sie können das nicht schlechter als gelernte De- gebrachten Grenzen einer Fachdisziplin – und mit signer – vor allem wenn ihnen an einer guten Hoch- einem Moderator, der auch mal als Zuchtmeister auf- schule erfolgreich „Grundlagen des Entwerfens“ bei- zutreten weiß. Über solche Probleme wird allerdings gebracht wurden. Jene Grundkurse, die künftige nicht gerne gesprochen. Baumeister, Innenarchitekten und Industriedesigner Genau deshalb aber hält sich so hartnäckig das (früher: „Formgeber“) zu absolvieren haben, ähneln Klischee, Design „spreche“ für sich und „erkläre sich im Prinzip immer noch jenen legendären „Bauhaus“- selbst“, notabene auch die Architektur. Unterstützt Kursen, in denen Studenten vor jeder Spezialausbil- und bestätigt wird diese Perspektive nicht zuletzt 17
context 2/2011 Design Architekt – Ludwig Mies van der Rohe Deutscher Pavillon in Barcelona Barcelona-Sessel durch die Art und Weise, wie gehobene Alltagspro- tekten darauf zu trainieren, die Forderungen ihrer dukte und Bauten von Herstellern und Projektent- Auftraggeber jeweils präzise aufzunehmen und um- wicklern – im Handel respektive im Immobiliensektor – zusetzen – oder im Gegenteil vielleicht auch mal als präsentiert und vermarktet werden: Da hat man oft unangemessen zurückzuweisen. Das absatzorien- den Eindruck, ein Maximum an Kreativität werde tierte Produktmanagement der Auftraggeberseite aufgeboten, um Produkten und Immobilien eine setzt gewöhnlich die markantesten Rahmenbedin- überraschende, aufregende, das Gefühl anspre- gungen jedes Projekts – auch und gerade für Desi- chende Gestalt oder Fassade mit auf den Weg zu ge- gner und Architekten. Aber erst im praktischen Be- ben. Gleichzeitig scheint sich aber der Aufwand in rufsalltag lernen die meisten Vertreter beider engen Grenzen zu halten, mit dem versucht wird, sie Disziplinen dann über die Jahre, sich flexibel auf dy- im Kern wirklich intelligent zu entwerfen im Sinne namisch sich wandelnde Produktionsprozesse und von Funktionalität, Haltbarkeit und Materialität. -techniken einzustellen und erst recht auf die jeweils Konsumenten im Segment „Lifestyle“ werden dahinter stehende Logik samt Kosten- und Preis- konfrontiert mit Produkten, die in der Mehrzahl eine struktur: Über diesen Bestand an Wissen, Praxis und naive Freude an netten, schrägen, jedenfalls dekora- kreativem Spielraum verfügen Architekten und Desi- tiven Dingen wecken sollen. Ge- gner dann gleichermaßen. „Design ist nicht nur nährt wird dieser Verdacht durch Design ist nicht nur unsichtbar. Man kann mit gu- unsichtbar“ die Raffinesse, wie diese Produkte ten Gründen aber behaupten, der Anteil des Unsicht- in Ausstellungen oder Prospekten inszeniert werden: baren wachse sowohl in der Architektur wie auch im als künstlerische Objekte, als glatte, minimalistische Industrie- und Produktdesign; und das gewaltig, in Skulpturen, als scheinbar „exklusive“ Wohn- oder Riesenschritten. Vor dem Hintergrund aktueller He- Bürowelten, in deren Sphäre der sogenannte Stil rausforderungen – drohender Klimawandel, die Ver- mehr zählt als die Frage, ob inhaltliche Anforde- knappung beziehungsweise Verteuerung von Roh- rungen und Erwartungen der Nutzer bedient werden. stoffen, der globale Imperativ effizienter Kaum ein Designlehrer oder Architekturprofessor Industrieproduktion – werden innovative Features in hat bisher gründlich untersucht, welche Rolle eigent- und an zeitgenössischer Architektur und in tech- lich das Produktmanagement in seiner Disziplin spielt nischen Produkten einerseits immer wichtiger, ande- – und wie Lehrpläne vielleicht entsprechend zu ge- rerseits immer unauffälliger. Sie können gar nicht stalten sind, um angehende Designer und Archi- mehr formbestimmend sein, da viele Funktionen als 18
context 2/2011 Design Designer – Werner Aisslinger Level 34 Loftcube ”Es ist schwieriger, einen guten Stuhl zu bauen als einen Wolkenkratzer”, miniaturisierte Aggregate in herkömmlich gestaltete legt der Zitatenschatz Ludwig Mies van der Rohe Bauelemente integriert werden, nicht zuletzt dank (*1886 in Aachen; † 1969 in Chicago) in den Mund. dem Einsatz von Mikro- und Nanotechnologien, zum Er gilt als einer jener Architekten, die das Metier des Beispiel beim energetisch optimierten Fassadenbau. Baumeisters ebenso beherrschten wie das Gestalten Künftig wird es wohl drei Sorten von Designern von Möbeln. Den Barcelona-Sessel hat Mies eigens und Architekten geben: solche, die für die „inneren für den von ihm entworfenen deutschen Pavillon der Werte“ eines Gebäudes oder eines Produkts zustän- Weltausstellung 1929 in Barcelona kreiert. Er dürfte dig sind; andere, die im traditionellen Sinn für eine heute zu den bekanntesten Möbelklassikern gehö- ansprechende äußere Erscheinung sorgen; und eine ren. Im Gegenzug wagen sich deutlich weniger De- dritte Gruppe, die sich darum kümmert, eine immer signer an den Bau von Häusern. Einer von ihnen, komplexer angelegte Regelungs- und Steuerungs- der 1964 in Nördlingen geborene Werner Aisslinger, technik mit einer Benutzeroberfläche auszustatten, hat mit seinem ”Loftcube” eine modulare Einheit als die auch dann noch funktionieren soll, wenn eine mobile Wohnbox geschaffen. Sie dient als temporä- dramatisch überalterte, zerstreute Gesellschaft sich rer Raum oder der Erweiterung. Professor Aisslinger an eben den Steuerungselementen zu schaffen lehrt seit 1998 Produktdesign an der Hochschule für macht, die ihren Alltag in der richtigen Balance halten Gestaltung in Karlsruhe. Mit seinen Hightech-Sitz- soll. möbeln und anderen innovativen Produkten gewinnt Unsere Lebenswelt von morgen wird sich wohl in der Berliner Designer immer wieder internationale einer weitläufig vernetzten Welt von Rechnern voll- Auszeichnungen. se www.aisslinger.de ziehen: wenn man so will, in einem begehbaren Rie- sencomputer, der gebaute „Software-Architektur“ in Lesetipp Städte verwandelt. Das Verschwimmen von echter und virtueller Realität konnten die Alten von über- Mies und das neue Wohnen. Räume, Möbel, Fotografie. Helmut Reuter, Birgit Schulte, Hatje Cantz, Ostfildern 2008 morgen übrigens vorgestern schon trainieren: in Sci- ence-Fiction-Filmen, die schon fast vergessenen sind („Die Welt am Draht“) oder immer noch recht frisch wirken („Matrix“). Christian Marquart www.designlexikon.net 19
context 2/2011 Produkte und Projekte Es darf ruhig ein bisschen großzügiger sein. Die Bauten haben durchgängig drei Meter hohe Wohnräume und einen bis zu sechs Meter hohen Atelierraum. bAUGRUPPE ARTiSTSViLLAGE STRALAU beyer-Schubert Architekten haben sich auf das bauen mit baugruppen spezialisiert. Für das Stralauer Projekt schlossen sich die bauherren auf initiative der Architekten jeweils in einer Planungsgemeinschaft als GbR zusammen. im ArtistsVillage wurden die einzelnen bauherren innerhalb der Gruppen individuell betreut und erhielten, je nach persönlichen Anforderungen, ganz spezifische Ausbauten. Die individuali- tät reicht von der geplanten nutzung zum Arbeiten oder Wohnen über die unterschiedliche Raumauftei- lung bis hin zur spezifischen Materialität der Oberflächen. in baugruppen ist der Planungs- und betreu- ungsprozess für Architekten relativ aufwendig. Für die bauherren reduziert die direkte Zusammenarbeit mit den Architekten jedoch die baukosten, da die Gewinnmarge für den investor entfällt. Die Qualität der bauten hängt in hohem Maße von den Architekten und deren Führungsqualität ab, da gute Gestaltung nicht per Abstimmung zu erreichen ist. 20
context 2/2011 Produkte und Projekte Wohnen am Wasser Künstlerkolonie ArtistsVillage Berlin Bauhaus, Neue Sachlichkeit oder Klassische Moderne: Die Atelierhäuser in der Rummelsburger Bucht wecken Assoziationen mit der frühen Avant- garde der Architektur. Zugeschnitten auf eine kreative Klientel werden nun – auf Initiative von Beyer-Schubert Architekten – auch ein dritter und vierter Bauabschnitt mit Kalksandstein realisiert. F rühmorgens am Ostkreuz, eine abgerissene Brü- cke wird erneuert: Umleitung. Offensichtlich ge- hörte das Nadelöhr zur Halbinsel Stralau nicht zu den neu interpretiert. Eine Architektur, wie geschaffen für kreative Leute – und, wie sich herausgestellt hat, ein Erfolgskonzept auf dem hart umkämpften Berliner Berliner Infrastrukturmaßnahmen der ersten Stunde. Immobilienmarkt. Dabei hat sich die idyllische Landzunge längst zu ei- Als kostengünstiger und rationeller Wandbaustoff ner der begehrten Wohnlagen der Hauptstadt ent- für das Village bot sich Kalksandstein von Heidelber- wickelt. ger Kalksandstein an. „Wir haben schon mehrere Aus der typischen Bebauung der vergangenen Bauvorhaben mit Kalksandstein realisiert und sehr fünfzehn Jahre, aus nicht immer einfallsreichen Rei- gute Erfahrungen damit gemacht“, resümiert Archi- henhäusern und Stadtvillen, ragen von weitem die tektin Katrin Schubert ihre Wahl. Es sind die sehr gu- Atelierhäuser der Berliner Architekten Katrin Schu- ten bauphysikalischen Eigenschaften wie Schall- und bert und Matthias Beyer heraus. Die Häuser am öf- Brandschutz sowie die wirtschaftlichen Bautech- fentlichen Wanderuferweg und die Endhäuser zur niken, die einen kostengünstigen Rohbau auf hohem öffentlichen Straße „Alt-Stralau“ wurden, einem Qualitätsniveau sicherstellen. Auch die beiden bereits städtebaulichen Gesamtkonzept folgend, vierge- fertigen Bauabschnitte in Stralau geben ihr recht: schossig überhöht. Alle dazwischen liegenden Mittel- „Die geplanten Haustrennwände aus KS-Mauerwerk häuser realisierten die Architekten dreigeschossig mit haben sich absolut bewährt.“ Insgesamt konzipierten Dachterrasse. Viele der Häuser haben einen freien die Architekten für alle beteiligten Firmen ein Takt- Wasserblick auf die Rummelsburger Bucht. Nicht nur verfahren, das eine möglichst lückenlose aufeinan- die Lage ist perfekt. Erinnerungen an herausragende derfolgende Bearbeitung der Abschnitte erlaubt. In- Architekten werden wach und sind gewollt. Etwa an zwischen sind 16 Atelierhäuser bezogen. Weitere Bruno Taut (1880 – 1938), der mit seinen intensiv neun Häuser befinden sich im Innenausbau, die letz- leuchtenden Putzfassaden auch in Berlin Maßstäbe ten neun Häuser im Rohbau. Verkauft sind bereits setzte, oder an die avantgardistische Reduktion der alle. Bernd Niebuhr/se Formensprache des österreichischen Architekten und Architekturtheoretikers Adolf Loos (1870 – 1933), der als einer der Pioniere der Moderne in der mittel- europäischen Architektur gilt. undine.hornung@heidelbergcement.com Wechselweise mit weißer und schwarzer Fassade www.heidelberger-kalksandstein.de präsentiert sich das ArtistsVillage mit jeweils schwar- www.beyer-schubert.de zen und weißen Fensterprofilen und vielfach unter- teilten Atelierfenstern. Diese ziehen sich über zwei Objektsteckbrief Etagen und zeichnen dort einen großzügigen Raum Projekt: ArtistsVillage Stralau, Berlin, 34 Wohnhäuser ab, genutzt als Atelier, Werkraum oder Loft. Mit ih- Architekt: Beyer-Schubert Architekten, Berlin ren strengen Baukörpern und der extremen Farbge- Bauherren: private Baugruppen bung folgen die rund 200 Quadratmeter großen Produkt: Kalksandstein für alle Haustrennwände, Bausy- Häuser formal der sachlichen Tradition, ohne sie zu stem KS-QUADRO von Heidelberger Kalksandstein imitieren. Eine eigenständige Architektursprache, die Lieferwerk: Herzfelde mit einer neuen Einfachheit und Klarheit den Funkti- Bauunternehmen: Brauer Baugesellschaft mbH & Co.KG onalismus zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts Fertigstellung: letzter Bauabschnitt 2012 21
context 2/2011 Produkte und Projekte CemFlow ist ein zementgebundener, faserarmierter Fließ- estrich. Er überzeugt durch hervorragende Produkteigen- schaften. CemFlow wird im Werk computergesteuert herge- stellt und einbaufertig zur Baustelle transportiert. Dort fördern Fließestrichpumpen den Estrich in der exakten Menge direkt zum Einbauort. Boden im Blickpunkt Fließestrich für modernes Einrichtungshaus Ob Mode, Einrichtung oder der neue Wagen: Modernes Design möchte man gerne präsentieren. Auf dem elegant geschliffenen Zementfließestrich CemFlow im Einrichtungshaus Art Tisch in Landau zeigt sich Möbeldesign von seiner besten Seite. 22
context 2/2011 Produkte und Projekte J eder Dritte fragt: Was ist das für ein Boden?“ Ei- gentlich gehört der Fußboden nicht zu den Gegen- ständen, die Uli Weigel und Klaus Fichtenkamm, In- Für die Präsentation der Einrichtung ist der ge- schliffene Fließestrich, eine Art hellgrauer Natur- terrazzo, sehr stimmig. „Wir haben uns von Heidel- haber des Einrichtungshauses Art Tisch, anbieten. In berger Fließestrich Eppelheim beraten lassen und ihrem neuen Showroom verkaufen sie hochwertige Musterflächen gesehen. Der Rheinkies als Körnung Möbel vom Klassiker bis zum neuesten Design. Doch bringt eine lebhafte Anmutung, die für mich gut zur immer wieder zieht der über 450 Quadratmeter Umgebung passt und die auch eine Verbindung des große, weitläufige Fußboden das Augenmerk der Ladens nach draußen, zur Queich, schafft. Dennoch Kunden auf sich – und damit weg von den präsen- wirkt der Boden ruhig und ist passend für die Möbe- tierten Sofas, Tischen und Stühlen hin zur edlen grau- lausstellung“, meint Architekt Thorsten Arnold, der en Fläche, auf der sie präsentiert werden. Was die sich im Vorfeld auch mit den späteren Ladeninhabern Begehrlichkeiten weckt, ist ein geschliffener Estrich, abgestimmt hat. Der Bodenaufbau ist klassisch; zwi- der sich über die gesamte Verkaufsfläche erstreckt. schen Betondecke und Estrich liegt die Dämmung. „Wir haben so einen Fußboden erstmals im unlängst Die Fußbodenheizung sowie Ver- und Entsorgungs- fertiggestellten VitraHaus der Schweizer Architekten leitungen sind vom Fließestrich vollkommen hohl- und Designer Herzog & de Meuron auf dem Vitra raumfrei ummantelt. Bodentanks, etwa für Steckdo- Campus (vgl. context Seite 14) in Weil am Rhein ge- sen oder Küchenanschlüsse, waren im Vorfeld sehen“, erinnern sich die Händler modernen Möbel- eingeplant und wurden ausgespart. Als zementge- designs. Auch Architekt Thorsten Arnold erinnert sich bundener Estrich der Wahl kam CemFlow zum Ein- an den Eindruck, den dieser Boden dort auf ihn ge- satz, der in kurzer Arbeitszeit vom Estrichleger ratio- macht hat: „In der Verkaufsetage unseres neuen nell mit 65 Millimeter Aufbau eingebracht werden Wohn- und Geschäftshauses wollten wir einen zem- konnte. Schließlich wurde der elegante Estrich noch entgebundenen Fließestrich mit genau dieser Optik geschliffen und vergütet. „Die Möbel kommen gut realisieren.“ Sein Architekturbüro hat das vierge- zur Geltung“, meint Klaus Fichtenkamm von Art schossige Gebäude in der Landauer Innenstadt als Tisch, „der schöne, glatte und neutrale Boden ist zeitgemäßen städtischen Bau mit moderner Putz- auch gut zu handhaben.“ Nicht zuletzt darum macht und Glasfassade konzipiert. Alle vierzehn großen es ihm nichts aus, wenn wieder einmal das Verkaufs- Wohneinheiten waren schon vor der Fertigstellung gespräch vom Sessel zum Boden abschweift. se verkauft. Die Lage ist gut. Innerstädtisch am Grüngürtel des Objektsteckbrief Ostparks gelegen, mit der Queich, einem kleinen Projekt: Art Tisch creative einrichtungen, Verkaufsraum Flüsschen vor der Tür, das im Pfälzer Wald entspringt Bauherr: AP Projektentwickung GmbH und in den Rhein mündet. Und für Art Tisch ist die Architekt: Arnold Architekten, Landau moderne Ladenetage mit der siebzig Meter langen, Estrichleger: Bast-Estriche, Steinfeld/Pfalz transparenten Schaufensterfront wie geschaffen. Mit Produkt: CemFlow-Zementfließestrich CT C30 F5, 50 m2 seinen Betonstützen und den offen verlegten Instal- Lieferwerk: Heidelberger Fließestrich Südwest GmbH, lationen zeigt das Einrichtungshaus für Marken des Werk Walldorf hochwertigen Segments eine technische Anmutung, Jahr der Fertigstellung: 2010 die zum Stil des Ladens passt. Hatte man früher keine Schaufenster, so bietet das Geschäft am Boulevard nun die perfekte Verbindung von Innen und Außen michael.brunn@heidelberger-beton.de und entspricht den ästhetischen Vorstellungen an- andreas.schaefer@heidelberger-beton.de spruchsvoller Kunden, die sich dort gerne beraten thorsten.arnold@architekten-arnold.de lassen, sei es beim Kauf einer privaten Couch oder www.arttisch.de bei der Ausstattung von Unternehmen oder Instituti- onen. Als exklusiver Anbieter in Landau akquiriert Art Tisch die Kunden größtenteils aus der Region, gute Beratung führt aber auch dann und wann zu Aufträ- gen aus Paris oder Davos. 23
context 2/2011 Produkte und Projekte 24
context 2/2011 Produkte und Projekte BUGA zeigt nach vorn Neues Entree für Ehrenbreitstein Am Rand des neuen Weges zur Koblenzer Festung Ehrenbreitstein empfängt ein modernes Eingangsge- bäude aus edlem Sichtbeton die Besucher. Zur Bundes- gartenschau 2011 fertigge- stellt, besticht der vorgela- gerte Empfang durch vornehme Zurückhaltung. 25
context 2/2011 Produkte und Projekte In Form und Farbe korrespondiert der graue Betonquader mit der Landschaft des BUGA-Geländes. eine neue Eingangssituation geschaffen werden. Aus einem Wettbewerb gingen die Architekten und Mu- seumsgestalter HG Merz aus Stuttgart, die inzwi- schen ein modernes Eingangsgebäude realisiert haben, sowie TOPOTEK 1 aus Berlin als Sieger hervor. Hoch über dem Mittelrheintal unterstreichen die jungen Landschaftsarchitekten mit ihrem Park die landschaftshistorische und topologische Sonderstel- lung der Festung: Sie haben ein begehbares Gesamt- kunstwerk geschaffen, das auch über die Garten- schau hinaus mehr Lebens- und Aufenthaltsqualität verspricht. Moderner Auftakt und Ausgangspunkt des BU- GA-Besuchs auf dem Plateau ist das vorgelagerte so- litäre Entree-Gebäude von HG Merz, das durch den Wechsel von Sichtbetonflächen und Glas eine span- nungsreiche Architektur bietet. Für diese vom Budget der Bundesgartenschau Koblenz 2011 GmbH unab- hängige Landesmaßnahme standen 42,5 Millionen Euro zur Verfügung. Das Sichtbetongebäude, ein an den Hang modellierter Bau mit weit auskragendem Dach, öffnet sich für die vom Parkplatz oder der Seil- bahn kommenden Besucher ebenerdig mit einem B is in den Herbst hinein zieht die Bundesgarten- schau 2011 in Koblenz als erste BUGA in Rhein- land-Pfalz Millionen Besucher an. Sicher, eine Gar- verglasten Kiosk für den Ticketverkauf. Daneben bie- tet eine Ausstellungsfläche, die ebenfalls über ihre ganze Breite verglast ist, Raum für erste Informati- tenschau will auch heute mit blühenden Gärten onen. Hangabwärts verfügt das Gebäude über ein überzeugen. In ihrer langjährigen Vorbereitungszeit Untergeschoss für die Technik. Dort stehen die Pum- schafft die alle zwei Jahre stattfindende Ausstellung pen für die Zisternen sowie die komplette Pumpstati- aber auch Strukturen, die über den Tag hinaus für die on für eine Geothermieanlage, die einen Teil der Fes- Region und das Land infrastrukturelle Maßstäbe set- tung heizt. Bis zu 140 Meter tief reichen die Boh- zen. Das gilt für die Anlage einer nachhaltigen Land- rungen für diese Anlage. schaftsarchitektur ebenso wie für Bauten, die eigens Bewusst haben die Architekten den Bau an der lin- zur BUGA renoviert oder neu gebaut werden. ken Hangkante des Plateaus und damit am Rand des So wurde auch die Festung Ehrenbreitstein hoch Weges zur Festung angeordnet. So bleibt – wie in über dem Rheintal unter Denkmalaspekten für die früheren Zeiten zur Verteidigung erforderlich – der heutige Nutzung ertüchtigt. Denn das Vorgelände Platz der einstigen Angriffsfront vor der Festung, das der Festung und Teile des Festungsgeländes gehören Glacis, erhalten. Gerade diese Lage war für die Planer neben den Ausstellungsbereichen „Kurfürstliches jedoch eine Herausforderung: Der abschüssige Bau- Schloss“ und „Blumenhof am Deutschen Eck“ zur grund stellte sich als sehr schwierig heraus. Große BUGA-Veranstaltungsfläche. Erschlossen werden das Teile des äußeren Festungsbereichs bestehen aus Kulturdenkmal und die Parkanlagen überwiegend dem Schutt früherer Jahrhunderte, sind Abbruchma- von Norden aus; spätestens zur BUGA sollte hier also terial der ursprünglichen, von französischen Revoluti- 26
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