CORONA-PANDEMIE UND ANWALTSCHAFT - AUSWIRKUNGEN UND AKTIVITÄTEN NATIONAL, EUROPÄISCH UND INTERNATIONAL - BRAK ...
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JUNI 2020 · AUSGABE 3/2020 CORONA-PANDEMIE UND ANWALTSCHAFT AUSWIRKUNGEN UND AKTIVITÄTEN NATIONAL, EUROPÄISCH UND INTERNATIONAL beA-Transition: Was ändert sich für Nutzerinnen und Nutzer? Syndikusanwaltschaft: 56 % weiblich – Ein Blick auf die Ursachen Strafverfahren: Forderungen an die deutsche EU-Ratspräsidentschaft Naeblys/shutterstock.com
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EDITORIAL EINE KRISE KANN AUCH GUTES MIT SICH BRINGEN Rechtsanwälte Dr. Michael Weigel und Jan K. Schäfer, LL.M., Frankfurt/Main BRAK-Ausschuss ZPO/GVG Die Corona-Pandemie hat die Diskussion über elek- Der Zugriff auf eine Videokonferenz-Software tronische Medien zur Durchführung mündlicher per Smartphone klingt einfach, kann aber nicht Verhandlungen wieder entfacht. Videokonferen- darüber hinwegtäuschen, dass jedenfalls für eine zen sind in § 128a ZPO bereits vorgesehen, ohne Hauptverhandlung eine gewisse IT-Ausstattung bisher großen Anklang zu finden. Seit Neuestem jenseits einer App erfor- denkt auch der Gesetzgeber über den Einsatz von derlich ist. Auf einem Smartphones mit Videokonferenz-App als Medium Smartphone-Bildschirm für mündliche Verhandlungen nach. erscheinen insofern nur In der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Gespräche über das funktionieren moderne Kommunikationsmethoden Verfahrensmanagement besser als erwartet. Im März gab es wegen Coro- oder Durchlaufterminen na zwei Optionen: auf mündliche Verhandlungen praktikabel, sofern die zunächst zu verzichten, weil grenzüberschreitende Beteiligten vorher wissen, Reisen der Beteiligten nicht mehr möglich waren, worauf sie sich einlassen. oder auf virtuelle Alternativen auszuweichen. Die Dazu müsste das Gericht Schiedsszene entschied sich für letzteres. Viele auch dort zunächst den Schiedsverhandlungen fanden mittlerweile virtuell Gesprächsgegenstand Dr. Michael Weigel statt. Eine Videoübertragung hat zwar nicht die und ggf. durch einen Hin- gleiche Dynamik wie ein physisches Treffen, aber weis gem. § 139 ZPO sei- immerhin können so trotz geschlossener Grenzen ne juristische Einschätzung offenlegen. Diese Idee Verfahren vorangetrieben werden. Hilfreich ist da- findet sich zwar in der höchstrichterlichen Recht- bei, dass im Schiedsbereich die Beteiligten i.d.R. sprechung, aber leider nur wenig in der Praxis. eine gute IT-Ausstattung haben und experimen- Danach könnte man freiwillig ins schriftliche Ver- tierfreudig sind. Im internationalen Bereich sind fahren übergehen oder eine Videokonferenz über Videokonferenzen seit Längerem im Einsatz, etwa größere Monitore versuchen, wenn die Problematik für Zeugenvernehmungen. Bereits 2018 wurde überschaubar ist und nur wenige beteiligt sind. das Seoul-Protokoll erarbeitet mit logistischen und Kleine Schritte, der Einsatz vorhandener Tech- rechtlichen Vorgaben für eine faire virtuelle Beweis- nologien und freiwillige Kooperation aller Prozess- aufnahme. beteiligten sind Basis der Die Corona-Krise beschleunigt diese Entwick- im Schiedsverfahren ge- lung weiter. Sicherlich gibt es im Einzelfall gute fundenen Lösungen. Sie Gründe für das traditionelle Verhandlungsformat. können auch der Video- Die Bemühungen um gleichwertige virtuelle Lösun- Technologie in staatli- gen werden jedoch wohl auch nach der Krise voran- chen Gerichtsverfahren schreiten, um CO2-intensives Reisen, hohe Kosten den Weg ebnen. Für eine für Hotels und Hearing Center und den erhöhten verpflichtende Regelung Zeiteinsatz zu vermeiden. besteht momentan kei- Diese Erfahrungen sollte man auch bei der ne Not, zumal für echte staatlichen Gerichtsbarkeit nutzen. Leider ist die bis- Notfälle mit Beschluss- herige Diskussion hier nur wenig differenziert. Schon verfahren im einstweili- die Ausstattung ist bei der Justiz und den meisten gen Rechtschutz eine Al- Jan K. Schäfer Anwälten eine völlig andere. Eine Abkehr von der ternative zur Verfügung Freiwilligkeit in § 128a ZPO überwindet dies aber steht. Die aktuelle Lage nicht, sondern fordert Abwehrreaktionen heraus. sollten wir als Chance zur freiwilligen konstruktiven Stattdessen sollte man konsensual allgemeinver- Zusammenarbeit nutzen, ganz im Sinne des ame- trägliche Lösungen suchen. Immerhin stehen auch rikanischen Sprichworts „Never get a crisis go to die Prozessparteien unter dem wirtschaftlichen waste.“ Druck, ihre Differenzen ausräumen zu müssen. IMPRESSUM BR AK MAGA ZIN 03/2020 Bundesrechtsanwaltskammer – Körperschaft des öffentlichen Rechts, Littenstraße 9, 10179 Berlin Redaktion: Rechtsanwältin Dr. Tanja Nitschke, Mag. rer. publ. (verantwortlich) Verlag: Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Gustav-Heinemann-Ufer 58, 50968 Köln 3 (ausführliches Impressum unter www.brak.de/fuer-anwaelte/publikationen/brak-mitteilungen-brak-magazin/impressum-und-mediadaten/)
Naeblys/shutterstock.com CORONA – AUSBLICK UND RÜCKBLICK IN ZAHLEN Was keiner für möglich gehalten hätte und was uns doch alle ge- und betroffen hat Rechtsanwältin Stephanie Beyrich, BRAK, Berlin Alles fing Ende 2019 mit Nachrichten aus Wuhan zu Hygienemaßnahmen über berufsrechtliche In- an – und schien so unendlich weit weg. Und doch formationen bis hin zu Übersichten über Landes- konnten wir alle schon im März 2020 nicht mehr verordnungen und einer Rechtsprechungsüber- leugnen, dass es uns auch in Deutschland „erwi- sicht, die wir tagesaktuell gepflegt und aktualisiert schen“ wird: Die Corona-Pandemie. Was mit Ver- haben. Zu Gesetzgebungsvorhaben gaben wir – anstaltungsverboten begann, endete mit bußgeld- auch initiativ – zahlreiche Stellungnahmen ab, um bewehrten Kontaktsperren und Maskenpflicht. die Sicht der Rechtsanwender einzubringen. Wir fanden uns plötzlich wieder in einem cineas- Wir erhielten unzählige E-Mails und Anrufe mit tisch anmutenden Endzeit-Szenario. Nicht wirklich der Bitte um Unterstützung. Das Feedback aus der schön und doch Realität. Doch was bedeutete das Kollegenschaft griffen wir in zahlreichen Schreiben für die Anwaltschaft? Flut von Mandaten oder an Bund und Länder gerne auf und forderten Soli- Existenzbedrohung? Wohl ein wenig von beidem, darität mit der Anwaltschaft, sei es durch Anerken- je nachdem, wie man seinen Tätigkeitsschwer- nung der Systemrelevanz oder Berücksichtigung punkt ausgerichtet hat. bei Soforthilfen. In vielerlei Hinsicht fanden wir Ge- hör, bei anderen Punkten war Ausdauer gefragt. INTERESSENVERTRETUNG 2.0 Für die BRAK bedeutete Corona vor allem eines: DIE CORONA-UMFRAGE Interessenvertretung 2.0 – rund um die Uhr und Um den rechtspolitischen Unterstützungsbedarf auch an Feiertagen. Wir alle wurden überrollt besser ermitteln zu können, führten wir im April von Ereignissen, die sich regelrecht überschlu- eine Umfrage zu den Auswirkungen der Corona- gen. Kolleginnen und Kollegen sahen sich mit Krise auf die Anwaltschaft durch. Der Fragebogen einer Unmenge von Problemstellungen konfron- wurde über 20.000 Mal angeklickt, 14.489 Kolle- tiert und verlangten nach berufsrechtlicher und ginnen und Kollegen haben sich an der Umfrage rechtspolitischer Unterstützung. Die BRAK gab beteiligt, 12.477 von ihnen haben sogar alle elf ihr Bestes, um dem gerecht zu werden. Aufgrund Fragen beantwortet. In vielen Bundesländern ha- des großen Interesses richteten wir die Sondersei- ben sich über 10 % der dort zugelassenen Anwäl- te www.brak.de/corona ein, um alle wichtigen In- tinnen und Anwälte beteiligt. In zwei Ländern lag formationen zusammenzustellen. Von Hinweisen die Beteiligungsquote sogar bei 24 bzw. 21 %. BR AK MAGA ZIN 03/2020 4
Die Auswertung zeigt deutlich, dass die Aktivitä- raum eingegangenen Gebühren erscheint insofern ten der BRAK in den letzten Wochen nicht nur sach- sinnvoll und sachgerecht. Für eine Fristverlänge- gerecht, sondern auch geboten waren. So hatten rung hat sich die BRAK ebenfalls eingesetzt. wir mit Presseerklärungen, Schreiben an die Kanz- lerin, Bundesjustizministerin und alle Länderchefs DIE ANWALTSCHAFT IST SYSTEMRELEVANT! sowie Landesjustiz-, Wirtschafts- und Bildungsmi- Auch hinsichtlich der Frage der Systemrelevanz nister die Systemrelevanz der Anwaltschaft gefor- hat sich der Einsatz der BRAK gelohnt: Über 33 % dert. Es verstand sich von selbst, dass zunächst der Anwälte haben Betreuungsbedarf bezüglich ih- im Wesentlichen Berufe im Gesundheitswesen zur rer Kinder. Bei 15,7 % ist die Betreuung der Kinder kritischen Infrastruktur gerechnet werden mussten. durch den Partner nur teilweise sichergestellt, bei Als elementarer Bestandteil unseres Rechtsstaates 6,1 % ist die Betreuung gar nicht durch den Part- sollte jedoch auch die Anwaltschaft Systemrelevanz ner gewährleistet. 1,9 % sind alleinerziehend und erlangen – gerade auch in Anbetracht des beson- benötigen ebenfalls Unterstützung. Beim verblei- deren Rechtsberatungsbedarfs in Zeiten der Krise. benden Rest, 9,54 %, ist die Betreuung nur dank Wenn sich Rechtsuchende mit Kurzarbeit, Gut- des Partners sichergestellt. Die BRAK ist weiter scheinen für abgesagte Veranstaltungen und Be- am Ball geblieben und hat kritisch beobachtet, ob antragung von Soforthilfen konfrontiert sehen, ist die Forderung nach Nordrhein-Westfalen, Sach- der Anwalt ganz besonders gefragt. Damit er den sen, Rheinland-Pfalz, Mecklenburg-Vorpommern, Zugang zum Recht sichern kann, muss er jedoch Berlin, Bayern und Baden-Württemberg auch in handlungsfähig und einsatzbereit sein und bleiben. weiteren Bundesländern Gehör findet. Zunächst Zwei Drittel aller Anwältinnen und Anwälte schien das nicht der Fall, weshalb die Forderung gaben an, rückläufige Eingangszahlen bei Man- in einzelnen Bundesländern mit weiteren Schrei- daten – und damit im Zweifel einen empfindlichen ben wiederholt wurde. Bis zum Redaktionsschluss Umsatzeinbruch – zu verzeichnen. Naturgemäß konnte erreicht werden, dass auch das Saarland, betraf dies nicht alle Rechtsgebiete. Zum Arbeits- Hessen, Bremen und Schleswig-Holstein nachzie- recht beispielsweise berichteten mir einige Kolle- hen. Positive Signale – zumindest in Form zugesi- gen von erhöhten Mandatsanfragen infolge an- cherter Unterstützung des Anliegens, erreichten geordneter Kurzarbeit. Im Rahmen der Umfrage uns auch aus Niedersachsen und Hamburg. In gaben jedoch lediglich rund 19 % der Befragten Sachsen-Anhalt und Brandenburg waren die An- an, in etwa gleich viele Mandate seit Beginn der wälte bereits systemrelevant. Die Beharrlichkeit Corona-Krise generiert zu haben. 17,36 % der An- der BRAK hat sich insofern bezahlt gemacht. wälte hatten sogar 50 % weniger Mandate als in den letzten sechs Monaten zuvor. 16,96 % haben DIE KRISE ÜBERWINDEN 75 % weniger Mandate und 7,97 % der Teilnehmer Die Selbsteinschätzung der Kolleginnen und Kol- sogar kein einiziges neues Mandat seit Beginn der legen, wann sie mit einer Überwindung der wirt- Corona-Krise zu verzeichnen. Die Anwaltschaft schaftlichen Auswirkungen rechnen, lässt durch- war und ist demzufolge doch recht deutlich von aus Hoffnung aufkeimen: 36,98 % rechnen damit, der Krise betroffen. die wirtschaftlichen Auswirkungen binnen sechs Auch mit ihrer Initiative zur Soforthilfe hat die Monaten überwinden zu können, 23,88 % immer- BRAK richtig gelegen. Insgesamt 44,6 % der Kol- hin binnen eines Jahres und 4,35 % binnen zwei leginnen und Kollegen haben entweder schon Hil- Jahren. Die Anwaltschaft ist daher von der Krise fen beantragt oder gehen davon aus, demnächst mittelfristig recht deutlich betroffen. Sie wird die Soforthilfen beantragen zu müssen. Damit ist fast Krise jedoch – auch aufgrund des sich gerade aus die Hälfte aller Teilnehmer – jetzt oder in Kürze der Krise ergebenden Rechtsberatungsbedarfs – – betroffen. Hinsichtlich der Soforthilfen besteht sicher überstehen. Ob diese Einschätzung richtig jedoch weiterhin das Problem, dass Rechtsanwäl- ist, wird sich in einigen Wochen zeigen. Die BRAK te teilweise (noch) nicht effektiv darlegen können, plant eine weitere Umfrage, um die Situation der dass die vorhandenen Mittel nicht ausreichen, um Kolleginnen und Kollegen auch weiterhin einschät- aktuelle Verbindlichkeiten zu decken. zen und weitere Aktivitäten an deren Bedürfnissen Die BRAK wird sich daher weiterhin dafür ein- ausrichten zu können. setzen, dass die Antragsvoraussetzungen für So- Zu guter Letzt danke ich allen Anwältinnen forthilfen so angepasst werden, dass die konkre- und Anwälten, die uns während der Pandemie mit te Darlegung und Glaubhaftmachung ausreicht, wertvollem Feedback unterstützt haben. Wir sind dass die Aufträge seit der Pandemie im Vergleich auf Sie angewiesen! Ihre durchdachten und kriti- zu den Vormonaten um ein bestimmtes Maß zu- schen Hinweise helfen uns, Ihre Interessen best- rückgegangen sind. Ein Ansetzen am Auftragsvo- möglich zu vertreten. lumen statt an den konkret im Betrachtungszeit- BR AK MAGA ZIN 03/2020 5
COVID-19 UND DIE AUSWIRKUNGEN AUF DIE ANWALTSCHAFT IN EUROPA Rafael Javier Weiske, BRAK, Brüssel Auch Europa muss auf COVID-19 reagieren. Die der Rechtsstaatlichkeit in der EU. Besonders die Foto: artjazz/shutterstock.com Europäischen Institutionen gaben dazu Mitteilun- Notstandsgesetzgebung in Ungarn und die an- gen und Vorschläge heraus und verabschiedeten gedachten Präsidentschaftswahlen in Polen sind legislative Maßnahmen. Die Anwaltschaft in der Gegenstand kritischer Debatten. EU ist derzeit mit ganz unterschiedlichen Auswir- Auch die im Zusammenhang der Corona-Krise kungen konfrontiert. angedachte Bereitstellung von Mobilfunkstand- ortdaten durch Mobilfunkbetreiber wurde disku- EUROPÄISCHE GESETZGEBUNG tiert. Am 17.4.2020 präsentierte die Kommission Sehr schnell wirkten sich die durch das Corona- Schritte und Maßnahmen zur Entwicklung eines virus bedingten allgemeinen Einschränkungen auf gemeinsamen EU-Konzepts für die Nutzung von die praktische europäische Gesetzgebung aus. Mobil-Apps und Daten von mobilen Geräten Denn gerade zu Beginn der Krise sahen sich die durch EU-Mitgliedsstaaten. Für die schrittweise Europäischen Institutionen gezwungen, Sitzungen Rücknahme der Corona-bedingten Notmaßnah- per Video zu übertragen oder abzusagen, auf men bei einem Rückgang der Infektionszahlen Telearbeit umzustellen und zahlreiche Veranstal- präsentierte die Kommission am 26.3.2020 eine tungen abzusagen. Besonders betroffen waren koordinierte „Exit-Strategie“ für die Zeit nach der davon interinstitutionelle Vermittlungsverfahren. Krise. Auch die europäische Justiz passte ihre Arbeits- Was die einzelnen EU-Mitgliedstaaten betrifft, weise an. haben diese entsprechend auch mit nationalen Im Unterschied zu langfristigen, nicht drän- Maßnahmen auf die Corona-Pandemie reagiert. genden allgemeinen Verfahren reagierten die Eu- Vor dem Hintergrund der durch das Coronavirus ropäischen Institutionen jedoch sehr schnell auf verursachten Krise haben einige EU-Mitgliedstaa- die durch das Corona Virus bedingten Entwick- ten beschlossen, den Einsatz von IT-Tools im Jus- lungen. Zunächst wurde mithilfe von zwei neuen tizwesen stärker voranzutreiben. In vielen Staaten Verordnungen der Spielraum in Beihilfevorschrif- besteht die Möglichkeit, Gerichtsverhandlungen ten zur Unterstützung der Wirtschaft erweitert. per Videokonferenz zu übertragen. Die finnischen Die Kommission nahm am 19.3.2020 einen be- Justizbehörden (Gerichte, Staatsanwaltschaften) fristeten Rahmen an, der es den Mitgliedstaaten unterhalten z.B. laut Angabe des Europäischen ermöglicht, den in den Beihilfevorschriften vorge- Justizportals der EU-Kommission sämtliche Kon- sehenen Spielraum in vollem Umfang zu nutzen. takte v.a. auf elektronischem Weg. Andere EU- Am 2.4.2020 verabschiedete die Kommission das Staaten wie Italien setzten zunächst ihre Verfah- 100 Mrd. Euro umfassende Europäische Instru- ren aus. Was die praktische Arbeit von Kanzleien ment für Kurzarbeit (SURE). Kanzleien, die durch in der EU betrifft, wurde in vielen Europäischen die Krise in wirtschaftliche Not geraten sind, kön- Staaten entsprechend der Möglichkeiten auf digi- nen in einzelnen EU-Mitgliedstaaten staatliche tales Arbeiten und Telearbeit umgestellt. Fördergelder in Anspruch nehmen oder auf die Regelungen für Kurzarbeit zurückgreifen, z.B. in AKTUELLE ENTWICKLUNGEN Deutschland oder Österreich. Das Brüsseler Büro der BRAK beobachtet die Ent- wicklungen auf Europäischer Ebene im Zusam- RECHTSSTAATLICHKEIT menhang mit der Corona-Krise sehr intensiv, vor IN DEN MITGLIEDSTAATEN allem, um im Falle von Auswirkungen der legisla- Während viele Initiativen im Bereich von wirt- tiven Maßnahmen auf die Anwaltschaft entspre- schaftlichen Maßnahmen und im Bereich von chend zeitnah reagieren zu können. Zur Nachver- Maßnahmen im Verkehr und im Gesundheits- folgung dieser Entwicklungen auf EU-Ebene hat bereich anzusiedeln sind, gibt es im Zusammen- die BRAK auf ihrer Website www.brak.de/corona hang mit den Notmaßnahmen in den einzelnen einen eigenen Bereich „Corona und Europa“ ein- Mitgliedstaaten auch Debatten um den Zustand gerichtet, der laufend aktualisiert wird. BR AK MAGA ZIN 03/2020 6
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NETZWERKEN IN ZEITEN VON CORONA Rechtsanwältin Swetlana Schaworonkowa, LL.M., BRAK, Berlin Projekte werden abgesagt, Konferenzen verschoben, einen Ausgleich zwischen der öffentlichen Sicher- Ausschüsse arbeiten remote: Das Corona-Virus hat heit und Gesundheit auf der einen Seite und dem Deutschland fest im Griff und stellt sowohl die nati- grundrechtlich geschützten Gut der Privatsphäre onale als auch die internationale Tätigkeit der BRAK und anderen Grundrechten herstellen können. vor beispiellose Herausforderungen. Die interne und Der Runde Tisch war für die Law Society of Hong externe Kommunikation befindet sich in einem Aus- Kong ein voller Erfolg. Über 80 Teilnehmer aus 60 nahmezustand. Wie vielerorts, so wird dieser Aus- verschiedenen Jurisdiktionen schalteten sich aus al- nahmezustand auch hier digital bewältigt. len Teilen der Welt zu. Damit waren während der Internationale Konferenzen, die eigentlich mit digitalen Konferenz wesentlich mehr Organisatio- physischer Präsenz stattgefunden hätten, werden nen präsent als es der Fall gewesen wäre, wenn die in reine Online-Formate umgewandelt. Teilweise Veranstaltung vor Ort in Hong Kong stattgefunden mit einer sehr aufwändigen technischen Umset- hätte. Das liegt vor allem an den ersparten Reise- wegen und -kosten. Auch zeigt es, dass das Bedürf- nis der internationalen Anwaltschaft, sich in den Krisenzeiten auszutauschen ein sehr dringendes ist. ONLINE-VERANSTALTUNGEN DER BRAK Inzwischen bieten fast alle internationalen An- waltsorganisationen Webinare, Runde Tische und Konferenzen digital an, um den internationalen Austausch weiter voranzubringen. Dies gelingt manchen Organisationen sehr gut, andere brau- chen noch Übung. So kommt es schon einmal vor, dass wegen Instabilität der Web-Konferenz-Syste- zung, die man früher vielleicht nur vom jährlich me die Teilnehmer nur in die sprichwörtliche Röhre Bild: Menara Grafis/shutterstock.com stattfindenden Eurovision Song Contest kannte, bei schauen. dem die Sänger ihre Performance aus europäischen Auch die BRAK ist seit mehreren Wochen dabei, Ländern und den Republiken des Südkaukasus alle zwei umfangreiche Online-Veranstaltungen zu kon- an einen zentralen Ort übertragen. Neue, reine zipieren und umzusetzen. Zum einen soll ein inter- Online-Veranstaltungen werden auch fleißig kon- nationaler Runder Tisch der Präsidenten ausgerich- zipiert. Glücklicherweise kann jeder selbst bestim- tet werden, zu dem Kammerpräsidenten aus allen men, wie aufwendig diese Formate sein sollen. Eins Regionen der Welt geladen sind. Zum anderen wird gilt jedoch für alle gleichermaßen: Man muss sich auch eine regionale Präsidentenkonferenz mit den ranhalten, um den Trend nicht zu verpassen. Kammerpräsidenten Nordafrikas stattfinden. Die Herausforderung ist, eine Affinität für das techni- PRESIDENTS‘ ROUNDTABLE OF THE sche Equipment sowie die neuen Konferenz-Syste- LAW SOCIETY OF HONG KONG me zu entwickeln, damit unseren Teilnehmern die Den ersten internationalen Runden Tisch für Präsi- sprichwörtliche Röhre erspart bleibt. denten veranstaltete die Law Society of Hong Kong Hoffentlich kann diese Digitalisierung auch in am 27.4.2020 zum Thema „Resilience through CO- der „Post-Corona-Zeit“ nachhaltig wirken. Zwar VID-19“ via Zoom. Am virtuellen Runden Tisch wur- wird es nach wie vor wichtig sein, Partnerorganisa- den die aktuellen Herausforderungen, Lösungen tionen zu besuchen und auch umfangreiche Rechts- und Chancen erörtert, mit denen die Anwaltschaf- staatsprojekte können noch nicht digital umgesetzt ten in den verschiedenen Rechtsordnungen wäh- werden. Der Austausch im realen Leben wird wei- rend des Verlaufs der Pandemie konfrontiert sind. terhin notwendig sein. Es ist zu hoffen, dass wir aus Für die BRAK sprach Vizepräsident Dr. Christian der extremen Situation und dem faktisch bestehen- Lemke über die Maßnahmen zur Infektionskontrol- den Riesen-Experimentierraum auch Lernerfahrun- le. Beleuchtet wurde vor allem die Frage, wie wir gen generieren können, die uns weiterbringen. BR AK MAGA ZIN 03/2020 8
9½. ST. PETERSBURG INTERNATIONAL LEGAL FORUM Rechtsanwältin Dr. Veronika Horrer, LL.M., BRAK, Berlin Das St. Petersburger International Legal Forum sonders prekär sei. Während der drei Monate vor (ILF) ist eine gemeinsame Initiative des russischen dem Corona-Ausbruch hatten sie bereits weniger Justizministeriums, des Obersten Gerichtes der Einkünfte, weil sie gegen die Pläne der Regierung, Russischen Föderation und des Hermitage-Muse- die anwaltlichen Versorgungswerke aufzulösen, ums. Das Forum wurde 2011 als eine Art „Legal gestreikt hatten. Die Gerichte in Frankreich haben Davos“ ins Leben gerufen, um die Vertreter aller ihre Arbeit fast vollständig eingestellt und die An- Rechtsberufe und Justizministerien sowie Vertre- waltschaft rechnet mit einem großen Rückstau der ter der Rechtswissenschaften weltweit zu einem Verfahren nach Ende der Pandemie. Dialog über aktuelle justiz- und rechtspolitischen In ihrem Vortrag zur Lage in Deutschland Themen zusammenzubringen. Am ILF nehmen mahnte Dr. Sigrid Wienhues, Vorsitzende des jährlich ca. 4.000 Teilnehmer aus über 80 Ländern BRAK-Ausschusses Verwaltungsrecht, dass die von allen Kontinenten teil. Die BRAK leistet seit Anwaltschaften derzeit be- Bestehen des ILF an der Seite ihrer langjährigen sonders wachsam die Ent- Partnerin, der Föderalen Rechtsanwaltskammer wicklungen beobachten und der Russischen Föderation (FRAK), ihren Beitrag sicherstellen müssten, dass zu den wichtigen berufspolitischen Debatten, die ihren Mandanten der Zugang im Rahmen des ILF stattfinden. zum Recht nicht abgeschnit- ten wird. Die Anwaltschaft DAS 9½. FORUM könne akzeptieren, dass der- Das zehnjährige Jubiläum des ILF in diesem Jahr zeit einige Verfahren verscho- wurde wegen der Corona-Pandemie auf 2021 ben werden. Sie könne es aber verschoben. Stattdessen haben sich die Initia- nicht akzeptieren, wenn die toren dazu entschlossen, ein 9½. Forum im On- gesamte Gerichtsbarkeit dicht line-Format auszurichten, um die verschiedenen macht. Insbesondere die Ver- rechtlichen Fragen, die im Zusammenhang mit der waltungsgerichtsbarkeit, die Corona-Pandemie entstanden sind, zu beleuchten. über die Maßnahmen des Staates wacht, muss So wurde vom 10.–12.04.2020 beim ILF u.a. the- handlungsfähig bleiben. Es sei die Aufgabe der matisiert, wie es mit der Gesetzgebung, mit der Anwaltschaft, dass der Rechtstaat in Zeiten der Wahrung der Menschenrechte, mit der Juristen- Pandemie aufrechterhalten bleibt. ausbildung und der rechtlichen und ethischen Ver- Der Präsident der Law Society of England and antwortlichkeit der Massenmedien während der Wales, Simon Davis, berichtete darüber, dass in Corona-Pandemie aussieht. Großbritannien die Krise die Strafverteidiger hart getroffen hat, denn sie sind besonders auf die DIE SITUATION DER ANWALTSCHAFTEN Zahlung von Pflichtverteidigergebühren angewie- Die Anwaltschaft war am ILF mit einer Diskussion sen, die wegen der Krise nur langsam vom Staat zum Thema „Pandemie und Anwaltschaft – wer geleistet werden. Er merkte an, dass die Krise zur gewinnt?“ beteiligt, die von 7.900 Personen online Beschleunigung der Digitalisierung der Arbeit der verfolgt wurde. In seinem Vortrag zur Lage der Anwälte und zum plötzlichen Wegfall der Büro- Anwaltschaft in Russland berichtete Prof. Dr. Yury kratie bei vielen Abläufen im Staat geführt hat. Pilipenko, Präsident der FRAK, über einen Einbruch Er äußerte die Hoffnung, dass diese Neuerungen der Umsatzzahlen in der Anwaltschaft und über dauerhaft bleiben werden. die wachsende Angst der Kollegen, die Pandemie wirtschaftlich nicht zu überstehen. Der russische DAS ERGEBNIS DER DISKUSSION Staat leistete keine finanzielle Unterstützung an Als Ergebnis der Diskussion stand, dass die An- die Anwälte. waltschaften vor den gleichen Problemen in ihren Marie Bonon, Vertreterin des französischen jeweiligen Ländern stehen. Sie verfolgen ihre Auf- Conseil national des Barreaux, berichtete, dass die gabe, den Rechtsstaat in der Krise aufrechtzuer- gegenwärtige Lage der französischen Kollegen be- halten, mit gleicher Vehemenz. BR AK MAGA ZIN 03/2020 9
beA-Betriebs- übergang Was ändert sich für die beA-Anwender? Rechtsanwältin Julia von Seltmann, BRAK, Berlin Zeitgleich mit dem Versand dieser Ausgabe des BRAK- beA-Anwendersupport Magazins hat die BRAK den Wechsel ihres technischen Zu den Aufgaben der neuen Dienstleisterin gehört Dienstleisters für die (Weiter-)Entwicklung und den Be- auch die Unterstützung der beA-Nutzerinnen und trieb des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs -Nutzer bei allen Fragen rund um das beA. Die (beA) vollzogen. Die Wesroc GbR hat im Juni 2020 von Wesroc GbR hat bereits am 2.6.2020 den beA- der Atos Information Technology GmbH die Entwicklung Anwendersupport übernommen. Mit dem Wechsel und den Betrieb des beA sowie den Anwendersupport von Atos auf Wesroc haben sich auch die Kontakt- vollständig übernommen. Der folgende Beitrag gibt ei- daten geändert. nen Überblick über die Vorbereitung und Durchführung des Betriebsübergangs. Er erklärt die neuen Support- Den telefonischen Support erreichen die Anwender wege und gibt einen Ausblick auf die Themen, mit denen seit dem 2.6.2020 von Montag bis Freitag in der Zeit sich die BRAK gemeinsam mit ihrem neuen Dienstleister von 08:00 Uhr bis 20:00 Uhr (bundeseinheitliche künftig befassen wird. Feiertage ausgenommen) unter der folgenden Telefonnummer: 0 30 – 21 78 70 17. Transition Dem Betriebsübergang vorausgegangen war ein Per E-Mail ist der Anwendersupport unter der E-Mail- förmliches Vergabeverfahren, nach dessen Abschluss Adresse servicedesk@beasupport.de erreichbar. im September 2019 die BRAK die Wesroc GbR mit der (Weiter-)Entwicklung und dem Betrieb des beA beauf- Außerdem ist es möglich, im Service-Portal unter tragt hat. An das Vergabeverfahren schloss sich eine der Adresse https://portal.beasupport.de direkt ein knapp zehnmonatige Transitionsphase an, in der sich Ticket für das jeweilige Anliegen zu eröffnen. Wie die Wesroc GbR mit Unterstützung durch die bishe- die Möglichkeit, sich für einen Zugang zum Service- rige Dienstleisterin, die Atos Information Technology Portal zu registrieren, genutzt werden kann, wird auf GmbH, auf die Betriebsübernahme vorbereitet hat. der Seite https://portal.beasupport.de erklärt. In dieser Zeit hat die Wesroc GbR sich mit dem Seit dem 2.6.2020 besteht für den beA-Nutzer Quellcode der Software vertraut gemacht und die Be- auch die Möglichkeit, dass er seinen aktuellen triebsumgebungen mit neuer Hardware komplett neu Bildschirm mit Hilfe der Software TeamViewer mit aufgebaut, getestet und in Betrieb genommen. Eine einem Support-Mitarbeiter teilt. In vielen Fällen ist wesentliche Anforderung der BRAK an die Betriebs- mit einem solchen Remote-Zugriff des Supports eine übernahme war die sichere und verlustfreie Übertra- schnellere Lösung der bestehenden Fragestellung gung aller Daten aus dem alten System in das neue möglich. Der Zugriff auf den Rechner des Anwenders System. Dazu hat die Wesroc GbR in enger Abstim- ist ausschließlich auf die Zeit des Supportanrufs be- mung mit der BRAK-IT ein eigenes Verfahren erarbei- schränkt. Der Anfragende kann den Zugriff jederzeit tet und erprobt, das die sichere und selbstverständlich beenden. Er wird vom Support-Mitarbeiter darauf verschlüsselte Übertragung der vorhandenen Daten hingewiesen, dass eine Beendigung der TeamViewer- mit einer Gesamtgröße von ca. 20 TB erlaubte, ohne Verbindung nicht automatisch das Programm auf dass die Systeme dafür über längere Zeit hätten still- dem Client beendet. Das bedeutet insbesondere, gelegt werden müssen. dass vom Supportgebenden auch weiterhin eine Ver- bindung zum Client aufgebaut werden kann, solange Das Ergebnis einer Sicherheitsüberprüfung beschei- das Programm nicht manuell geschlossen oder der nigt dem System, dass es die Anforderungen an Rechner heruntergefahren wird. Die Supportmitar- einen sicheren Betrieb erfüllt. beiter weisen bei jedem Einsatz des TeamViewers auf BE A – DAS BESONDERE ELEK TRONISCHE ANWALTSPOSTFACH
beA-Nutzung Soforthilfe beA-Karte + Störungen Daten FAQs: Antworten auf viele bereits · beA-Karte bestellen · Erstregistrierung SAFE-ID finden Sie im gestellte Fragen, z.B. passive Nut- · Ersatzkarte bestellen · Mitarbeiter anlegen Bundesweiten Amtlichen zungspflicht · Signaturzertifikat nachladen · Rechtevergabe für Postfächer Anwaltsverzeichnis unter unter https://bea.brak.de · PIN ändern/zurücksetzen · Ich kann mich nicht einloggen www.rechtsanwaltsregister.org · beA-Karte sperren · Sicherheitstoken wird nicht erkannt Anwenderhilfe: Benutzerhandbuch · Kontoverbindung ändern · Kann die Nachricht nicht sehen · E-Mail-Adresse ändern mit Anleitungen zur Nutzung des · Abo kündigen · Fragen zur Client Security · Namen ändern beA (mit Schlagwortsuche) · FAQs unter www.bea.bnotk.de/ · Postfach zurücksetzen · Anschrift ändern unter https://bea-brak.de/xwiki faq.html · Widerruf der Zulassung · Vertretungsregelungen beA-Newsletter: Praktische Tipps und Hintergrundinformationen zur beA-Nutzung Bundesnotarkammer Westernacher Ihre Rechtsanwaltskammer unter www.brak.de/bea-newsletter Kontakt: Kontakt: Korrekturen im Bundesweiten bea@bnotk.de https://portal.beasupport.de Amtlichen Anwaltsverzeichnis beA Schulungen: beA-fit in 3h 0 800 – 35 50 100 servicedesk@beasupport.de Kontakt: (verschiedene Anbieter) (Mo–Fr 8:00–17:00 Uhr) 0 30 – 21 78 70 17 Zuständige RAK unter www.brak.de/rechtsanwaltskammern diesen Umstand hin und bitten explizit um Beendi- Der oben abgebildete Supportwegweiser gibt einen gung nach dem Supportanruf. Bitte denken Sie im schnellen Überblick, welches die richtige Anlaufstelle Interesse der IT-Sicherheit unbedingt daran, das für Fragen und Probleme rund um das beA und den Programm zu schließen. Nähere Informationen zur elektronischen Rechtsverkehr ist. Nutzung des TeamViewers finden sich ebenfalls auf der Seite https://portal.beasupport.de. Weiterentwicklung Die BRAK und die Wesroc GbR haben sich in der Wissensdatenbank Transitionsphase zunächst auf die Übernahme der Die Service-Seite verfügt außerdem über eine Wis- vorhandenen Software und den Aufbau eines siche- sensdatenbank, die Antworten zu den häufig gestell- ren Betriebs konzentriert, um allen Rechtsanwältin- ten Fragen rund um das beA enthält. Diese Wissens- nen und Rechtsanwälten ein zuverlässiges System datenbank pflegt die Wesroc GbR gemeinsam mit zur Verfügung zu stellen. der BRAK laufend. Sie soll als Informationsbasis für alle Fragen rund um das beA dienen. Die mit dem Betriebsübergang zu Ende gegangene Transitionsphase stellt zugleich den Eintritt in eine Datenschutz neue Phase der Weiterentwicklung der beA-Weban- Die Datenschutzvereinbarung auf der Seite https:// wendung dar. service.westernacher.com/external klärt umfassend über die Verarbeitung der personenbezogenen Daten Um die Attraktivität des beA und damit auch des bei Nutzung des beA-Supports per E-Mail und Telefon elektronischen Rechtsverkehrs zu steigern, soll das sowie beim Besuch des beA-Service-Portals auf. beA sukzessive um neue Funktionalitäten erweitert und insgesamt nutzerfreundlicher ausgestaltet Supportwegweiser werden. Dazu gehören z.B. Verbesserungen bei der Nicht alle Fragen können vom technischen Support Darstellung und der Verarbeitung elektronischer beantwortet werden. Insbesondere Fragen rund um Empfangsbekenntnisse, eine vereinfachte Benutzer- die beA-Karten und Software-Zertifikate beantwortet führung durch verständlichere Dialoge, die Überar- die Bundesnotarkammer. Hinweise zu Namens- oder beitung der Oberfläche sowie die mobile Nutzung Adressänderungen bearbeitet die insoweit zuständi- des beA. ge regionale Rechtsanwaltskammer. Sie steht auch für berufsrechtliche Fragestellungen, z.B. zu weiteren Kanzleien, Zweigstellen, Vertreterbestellungen oder eingesetzten Abwicklern zur Verfügung. Weitere Informationen bietet die beA-Informationsseite der BRAK https://bea.brak.de. BE A – DAS BESONDERE ELEK TRONISCHE ANWALTSPOSTFACH
56 % DER SYNDIKUSRECHTSANWÄLTE WEIBLICH Ein Blick auf die Ursachen des Anstiegs Akademische Oberrätin a.D. Ulrike Schultz, Hagen Der Anteil der Syndikusrechtsanwältinnen liegt keit zu bekommen. Bei ihnen gefährden Auszeiten mittlerweile bei fast 56 %. Das entspricht dem durch Mutterschutz oder Elternzeit nicht – wie Anteil der Frauen in der juristischen Ausbildung. bei der Einzelanwältin – die Existenz. In größeren Schon 2017, nach Einführung des Syndikusrechts- Anwalts praxen werden diese Unterbrechungen anwalts im Jahr 2016, waren 54 % davon weib- nach wie vor häufig als unerwünschter Störfaktor lich. Die Zulassungszahlen sind seitdem erheblich angesehen. gestiegen – von 519 (männlich: 438) auf 2.023 Das Einkommen als Freiberuflerin ist volatiler (männlich: 1.608), so die neuen Mitgliederstatis- als bei einer Festanstellung. Syndikusanwälte und tiken der BRAK für 2020. Der Anteil der Anwäl- -anwältinnen verdienen laut Stepstone zwischen tinnen mit Doppelzulassung als Rechtsanwältin 53.400 und 73.100 Euro jährlich, das heißt die und Syndikusanwältin beträgt 44 %. Zahlenmäßig Ausschläge nach unten sind erheblich geringer überwiegen sie mit 6.853 die reinen Syndikus als in der Anwaltschaft, wenn auch nach oben anwältinnen. die Einkommenschancen limitiert sind. Wie viele Beide liegen prozentual weit über dem Wert der Anwältinnen werden aber letztlich wohlver- der Anwältinnen mit Einzelzulassung in anwaltli- dienende Partnerin in einer großen Sozietät? Es cher Praxis von 34 %. Seit Jahren sind hier die Zu- sind immer noch nicht viel mehr als 10 %. Und um lassungszahlen insgesamt rückläufig. Da Neuzu- welchen Preis? Der Stundenlohn, den Anwältinnen lassungen aber zu mehr als 50 % Frauen betrafen, im Schnitt erzielen, war 2019 mit 22,25 Euro fast steigt ihr prozentualer Anteil noch – allerdings nur 30 % niedriger als der ihrer männlichen Kollegen geringfügig. mit 31,32 Euro. Der Gender Pay Gap dürfte im An- gestelltenverhältnis erheblich niedriger sein. WAS SIND DIE URSACHEN? Was sind die Ursachen für diesen Anstieg der Syn- FOLGERUNGEN dikusanwältinnen? Von 2017 bis 2020 hat sich die Erkennbar sind Frauen auch für Unternehmen Anzahl fast vervierfacht, derer mit Doppelzulas- als Mitarbeiterinnen interessant, vor allem sind sung fast verdoppelt. Haben Unternehmen, Ver- sie standorttreuer, weniger an schnellem Stellen- bände, Stiftungen und der öffentliche Dienst mehr wechsel für Karriere interessiert als die männli- Stellen geschaffen? Oder haben sich mehr Haus- chen Kollegen. Deutlich ist, dass Fragen bleiben juristen um eine Zulassung bemüht? Oder findet und viele Einzelheiten ungeklärt sind. Insoweit eine Verlagerung von externer Beratung durch An- sind empirische Untersuchungen wichtig, vor al- waltskanzleien auf In-House-Counsel statt? Woher lem qualitative mit Interviews, um Ursachen und kommt der Trend? Warum ist vor allem für Frauen Motiven der Frauen auf die Spur zu kommen. Das die Tätigkeit als Syndikusanwältin attraktiv? Potenzial der gut ausgebildeten Frauen ist für alle Frauen bevorzugen Angestelltenverhältnisse Bereiche des Rechtsberatungsmarktes unverzicht- (junge Juristinnen zu 70 % im Vergleich zu ihren bar. Um es auszuschöpfen, müssen die Arbeitsbe- männlichen Kollegen mit 40 %), sie gehen gern dingungen stimmen: Flexibilität am Arbeitsplatz, Bild: Nevena Radonja/shutterstock.com auf „Nummer sicher“. Ihre Situation im Freien Möglichkeiten zum Home-Office, Teilzeit, und ein Beruf ist schwieriger als für Männer. Nach wie gutes Betriebsklima – dies gilt für die Anwältin vor ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und letztlich auch ihren männlichen Mitbewerber. vor allem ein Thema für sie, auch wenn heute Männer mehr Wert auf Work-Life-Balance legen als zu Zeiten der klassischen Hausfrauenehe. Im Daten: BRAK, Mitgliederstatistik zum 1.1.2020; Angestelltenverhältnis werden eher vorgegebe- Kilian, Statistisches Jahrbuch der Anwaltschaft; ne Arbeitszeiten eingehalten. Es ist für Syndikus Azur Bewerberumfrage 2018 anwältinnen einfacher, eine definierte Teilzeittätig- BR AK MAGA ZIN 03/2020 12
ES LÄUFT FÜR DEN RECHTSSTAAT Dr. Markus Sehl, Redakteur Legal Tribune Online und freier Journalist, Berlin Die Coronakrise ist für die politische Oppositi- gen mit, so spielen sich neue Lösungsmuster ein: on keine Prime Time. In Krisenzeiten hat sie es Abstandsregeln auf Versammlungen statt Total- schwer, ihre Kritik an der Regierungsarbeit zu verbot, Risikoregeln statt pauschaler Quarantä- formulieren und damit durchzudringen. Vielleicht nepflicht für Rückkehrer aus dem Ausland, diffe- auch deshalb hat die Justiz in den letzten Wochen renzierte Vorschriften für den Mandantenkontakt. eine so sichtbare Rolle als Kontrolleurin eingenom- Staatliche Maßnahmen müssen auch in Ex- men. Sie überprüft Freiheitsbeschränkungen von tremsituationen verhältnismäßig sein und der Familien, Fitnessstudio-Unternehmerinnen, Men- Rechtfertigungsdruck nimmt über die Zeit zu. Ge- schenrechtsaktivisten – am Maßstab des Rechts. richte werden in absehbarer Zeit mit mehr Ruhe Wenn der Kanzleramtschef Helge Braun vor über das Vorgehen in der Coronakrise entschei- einigen Tagen in einem Interview sagt, dass er die den. Sie werden dazu beitragen, diese von uns al- Gleichheitsprüfungen von Lockerungsmaßnah- men durch die Gerichte für eine „Herausforde- rung“ hält, dann hat er streng beim Wort genom- men Recht. Aus Sicht der Exekutive ist die Bindung von Entscheidungen an Recht und Rechtsprechung eine Herausforderung, aber eine selbstverständli- che. Sie ist eine Grundidee des Rechtsstaats. Und Anwältinnen und Anwälte setzen diese Idee Tag für Tag in Bewegung, in den letzten Wochen be- sonders deutlich. Wenn Braun sagt, dass es bei der schrittwei- sen Öffnung nicht immer eine absolute Gleichbe- rechtigung geben kann, dann mag das die Locke- rungsrealität von Greifswald bis Freiburg treffend beschreiben. Das heißt aber nicht, dass nicht Ge- richte genau in dieser Situation berufen wären, len erlebte Extremsituation ein Stück weit zu verar- Foto: Birgit Reitz-Hofmann/shutterstock.com Klagen zu entscheiden und ungerechtfertigte Un- beiten. Nicht alles, was wir solidarisch akzeptiert gleichbehandlungen festzustellen: Zwischen Auto- haben, wird sich nachträglich als rechtmäßig he- häusern, Buchläden und Elektrofachmärkten, und rausstellen. Andererseits wird zu berücksichtigen bei der Schulöffnung zwischen Viert- und Sechst- sein, auf welch unklarer Prognoselage die Exeku- klässlern. Genauso wie sie über die Freiheitsrech- tive Entscheidungen treffen musste. Und es wird te bei Versammlungen und Gottesdiensten zu sich zeigen, welches Arsenal an Infektionsschutz- entscheiden haben. Und Richter und Richterinnen regeln für die Zukunft auf Vorrat gehalten werden entscheiden ja nicht nur „gegen“ die Exekutive darf. oder „pro“ Coronaeindämmungsverordnung, wie Das Vertrauen der Menschen in die Justiz hat Journalisten das gerne zuspitzen, sondern sie des- in der Krise eher zugenommen. Anwältinnen und tillieren neue Lösungsvorschläge. Anwälte werden daran mitarbeiten, eine neue Der Rechtsstaat macht hierbei keine schlech- Normalität zu gestalten. Können Sie sich erinnern, te Figur. Wenn Anwältinnen und Anwälte für De- morgens aufzuwachen und nicht im Modus unge- monstrationen Gerichte einschalten, diese binnen wohnter Einschränkung zu denken: Wie lange blei- weniger Stunden Entscheidungen treffen und Be- be ich im Home-Office, kann ich meine Kinder in hörden sich an diese Entscheidungen halten, ob- die Kita oder Schule bringen, wo ist meine Maske? wohl sie zunächst die Gesundheitsgefahr anders Die Rückkehr zu einem Gefühl der Vor-Corona- gewichtet haben, ist das vor allem ein Zeichen Normalität scheint gerade weit entfernt. Damit dafür, dass trotz der Rhetorik des Ausnahmezu- werden wir uns arrangieren müssen. Wie wir aber stands einiges ziemlich gut läuft. in den nächsten Monaten zusammenleben wer- Durch die Beschäftigung der Gerichte wirken den, wird maßgeblich durch eine aufmerksame Anwältinnen und Anwälte an Kompromisslösun- und kritische Anwaltschaft gestaltet. BR AK MAGA ZIN 03/2020 13
Foto: dominika zara/shutterstock.com (WEITERE) MINDESTSTANDARDS IN DER EU FÜR STRAFVERFAHREN STÄRKEN EUROPA UND DEN RECHTSSTAAT Rechtsanwalt Prof. Dr. Holger Matt, Frankfurt am Main Mitglied im Strafrechtsausschuss der deutschen Anwaltschaft (Strauda) seit 1999 EINFÜHRUNG gleichwohl nicht umsonst, denn der politische und Anlässlich der deutschen Ratspräsidentschaft vor fachliche Boden war bereitet sowohl für eine mu- 13 Jahren veranstaltete das Bundesjustizministeri- tigere Rechtsprechung des EGMR, insbesondere um im Februar 2007 ein internationales Symposi- seit dem Salduz-Urteil vom 27.11.2008 (EGMR, um zu gemeinsamen EU-Standards in Strafverfah- Nr. 36391/02, NJW 2009, 3707) als auch für eine ren, auch die BRAK (in Brüssel) und der DAV (in (neue) politische Idee, welche durch die Schwedi- Frankfurt/Oder) zeigten Flagge mit eigenen, euro- sche Ratspräsidentschaft im Jahr 2009 vollendet paorientierten Veranstaltungen im gemeinsamen wurde: Kampf für bestimmte Verfahrensrechte in der Ein Fahrplan (Roadmap) für bestimmte aus- gesamten EU. Im Rahmen der damals geltenden gewählte Kernthemen („Maßnahmen“) wurde EU-Verträge war das politische Ziel ein Rahmen- einstimmig verabschiedet (ABl. EU v. 4.12.2009 beschluss, „soweit dies zur Verbesserung … (der) C 295/1), welcher schrittweise („step by step ap- Zusammenarbeit erforderlich“ (Art. 31 I lit. c EUV) proach“) in den kommenden Jahren abgearbei- war, und zahlreiche (Fach-)Fragen beschäftigten tet werden sollte und heute zu ganz erheblichen die Praxis, die Wissenschaft und entsprechend die Verbesserungen rechtsstaatlicher Standards in europäische Rechtspolitik (vgl. ausf. Vogel/Matt, Strafverfahren in der gesamten EU geführt hat. StV 2007, 206, 207, 210, 212 ff.). Alle sechs Richtlinien im Bereich der Verfahrens- Das damalige Vorhaben scheiterte politisch rechte, die von 2010 bis 2016 – trotz erheblicher (noch) an sechs widerspenstigen Mitgliedsstaa- Widerstände in einzelnen Mitgliedsländern und ten, angeführt vom Vereinigten Königreich, und intensivster Diskussion über Details auf vielen entgegen der überwältigend positiven Resonanz Anhörungen und im Trilog von Kommission, Euro- der Fachöffentlichkeit (auch in UK, s. etwa House päischem Parlament und Europäischem Rat – im of Lords, zit. in Vogel/Matt, StV 2007, 206, 212 Rahmen der neuen Gesetzgebungsregeln durch Fn. 66) seit der Initiative der Kommission durch ihr den Vertrag von Lissabon von 2007/2009 gelten- Konsultationspapier in 2002 und das Grünbuch des EU-Recht wurden (Richtlinien 2010/64/EU, COM 2003/75 (vgl. bspw. BRAK-Stellungnahme 2012/13/EU, 2013/48/EU, [EU] 2016/343, [EU] [Strauda] v. 13.5.2003). Das Engagement war 2016/800, [EU] 2016/1919), sind zwischenzeitlich BR AK MAGA ZIN 03/2020 14
in nationales Recht umgesetzt worden (vgl. zum päischen Rechtspolitik. Weitere Mindeststandards notwendigen Beitrag der BRAK im Rahmen der sind auch im Hinblick auf künftige Verfahren der nationalen Umsetzung zuletzt zur PKH-Richtlinie Europäischen Staatsanwaltschaft (Verordnung [EU] 2016/1919 die vier Stellungnahmen der BRAK [EU] 2017/1939) dringend erforderlich. [Strauda] 2018/34, 2019/1, 2019/9 und 2019/21). Der CCBE unterstützt das Anliegen, angeführt Dabei werden Mängel im nationalen Umsetzungs- von den künftigen Präsidenten und Strafverteidi- prozess von der Kommission überwacht und gege- gern Margarete von Galen und James MacGuill. benenfalls gerügt. Es bedarf keiner näheren Erläu- Folgende „Measures“ werden angestrebt: terung, dass die Richtlinien auch für die Auslegung A. Mindeststandards für Untersuchungshaft und nationalen Rechts den maßgeblichen Maßstab eine Reform des Europäischen Haftbefehls; bilden (richtlinienkonforme Auslegung; vgl. EuGH B. Mindeststandards in Hauptverhandlungen; [Große Kammer], Urt. v. 24.6.2019 – C-573/17 Rn. C. Zeugenrechte einschließlich Berufsgeheimnis- 53 ff. – Popławski) und im übrigen Art. 267 AEUV trägerschutz; den Rechtsweg zum EuGH eröffnet. D. Zulässigkeit und Verwertung von Beweisen; E. Kompetenzkonflikte und ne bis in idem; PRINZIP DER GEGENSEITIGEN F. Rechtsbehelfe, rechtliches Gehör und Aktenein- ANERKENNUNG sicht; Im Vertrag von Lissabon von 2007/2009 ist das G. Kompensation. Prinzip der gegenseitigen Anerkennung justiziel- ler Entscheidungen in Art. 67 und 82 AEUV end- RECHTSPOLITISCHE UNTERSTÜTZUNG gültig verankert, fortentwickelt seit Maastricht FÜR CCBE UND ECBA 1992/1993, Amsterdam 1997/1999 und dem Rat Im kommenden zweiten Halbjahr 2020 übernimmt in Tampere 1999; im Haager Programm von 2004 Deutschland erneut die Ratspräsidentschaft. wurden erstmals die Verfahrensrechte in Strafver- Die Kommission hatte ihr Arbeitsprogramm vom fahren ausdrücklich hervorgehoben. Es ist heute 29.11.2020 ohne einen neuen Fahrplan für weitere eine Binsenweisheit, dass das Rechtsprinzip der Mindeststandards in Strafverfahren veröffentlicht gegenseitigen Anerkennung nur auf Grundlage (COM [2020] 37). Gleichwohl ist bekannt, dass sich gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten die Fachabteilungen der Kommission intensiv u.a. und ihrer Bürger funktionieren kann und hierfür mit Vorschlägen der ECBA-Initiative Agenda 2020 insbesondere Mindeststandards in Strafverfahren (unterstützt vom CCBE) zu einer neuen Roadmap wichtig sind (s. Erwägungsgrund 8 der Entschlie- befassen und das Europäische Parlament hierfür ßung zur Roadmap 2009, ABl. EU v. 4.12.2009 C ebenfalls offen ist. 295/1). Die aus der Roadmap 2009 umgesetzten Die aktuelle Corona-Pandemie wird zwar auch Maßnahmen – die oben erwähnten sechs Richtli- das politische Programm erheblich beeinflussen nien – haben das gegenseitige Vertrauen zweifel- und die Möglichkeiten geplanter Veranstaltun- los gestärkt, in vielen wichtigen Punkten herrscht gen zu Fachthemen (z.B. zum Strafverfahren) dennoch aus guten Gründen nach wie vor Miss- deutlich einengen. Dies sollte die nationalen An- trauen in das Strafjustizsystem eines anderen waltsverbände (wie BRAK und DAV) nicht davon Mitgliedsstaates (z.B. bei Untersuchungshaft und abhalten, ihre inhaltliche Unterstützung für die Bedingungen in Gefängnissen; vgl. EuGH [Gro- europäischen Anwaltsorganisationen CCBE und ße Kammer], Urt. v. 5.4.2016 – C-404/15 und ECBA sowohl durch schriftliche Stellungnahmen C-659/15 – Aranyosi und Caldararu). zum Themenkomplex Verfahrensrechte (s. DAV- Stellungnahme Nr. 5/20) als auch durch Veran- NEUER FAHRPLAN FÜR WEITERE staltungen nachhaltig zum Ausdruck zu bringen. MINDESTSTANDARDS Nationale Anwaltsverbände sollten auch mit ihren In den Jahren 2017 (s. Matt, Editorial eucrim nationalen Ministerien in einen fachlichen Diskurs 1/2017) und 2018 (s. www.ecba.org) hat die eu- über weitere europarechtliche Mindeststandards ropäische Strafverteidigerorganisation ECBA ihre eintreten, an dessen Ende ein Mehr an Rechts- Initiative Agenda 2020 für eine neue Roadmap staat in der gesamten EU, ein Mehr an gegensei- zu Etablierung von weiteren Mindeststandards tigem Vertrauen innerhalb der EU und insgesamt entwickelt und veröffentlicht. Die Initiative zielt eine Stärkung Europas stehen soll. Im Übrigen ab auf eine Stärkung des gegenseitigen Vertrau- wird die gesamte Anwaltschaft in der EU im Zuge ens innerhalb der EU und somit auf eine Stärkung künftiger Verfahren der Europäischen Staatsan- des Prinzips der gegenseitigen Anerkennung im waltschaft und anderer Entwicklungen immer Rahmen von Art. 82 AEUV. Nur ein Fahrplan für wieder dafür Sorge tragen müssen, dass sich der ein schrittweises Abarbeiten der verschiedenen Rechtsstaat gegenüber staatlichen Übermacht Themenkomplexe („step-by-step-approach“) ver- interessen durchsetzt. spricht realistische Erfolgsaussichten in der euro- BR AK MAGA ZIN 03/2020 15
STEUERLICHE HINWEISE ZU ZUSAMMENSCHLÜSSEN ZU UND VON RECHTSANWALTSSOZIETÄTEN Rechtsanwältin Dr. Ute Lusche, Mitglied im Ausschuss Steuerrecht der BRAK STEUERLICHE FOLGEN AUF DER EBENE Buchwerte auf die Erstellung einer Einbringungs- DER GESELLSCHAFT bilanz verzichten. Bei Zusammenschlüssen zu und von Anwalts Eine Buchwertfortführung ist aber grundsätz- sozietäten sollen regelmäßig die Entstehung von lich nicht zwingend. Die jeweils Einbringenden ha- Gewinnen vermieden und die Buchwerte des bis- ben steuerlich ein Wahlrecht und können das Ver- herigen Betriebsvermögens fortgeführt werden. mögen auch mit einem Wert bis zum jeweiligen Das ermöglicht § 24 UmwStG. Eine Buchwertfort- Verkehrswert der Einzelwirtschaftsgüter anset- führung scheitert allein insoweit, als eine (Teil-) zen. In diesem Fall müssen die Gesellschafter aber Veräußerung stattfindet. Eine (Teil-)Veräußerung zuerst unter Wechsel der Gewinnermittlungsart liegt vor, wenn der Eintretende an den/die Alt eine Eröffnungsbilanz aufstellen. Die aufnehmen- sozien ein Entgelt entrichten muss, oder in den Fäl- de Gesellschaft darf aber anschließend sofort zur len, in denen wesentliche Betriebsgrundlagen der Gewinnermittlung nach § 4 III EStG zurückkehren. Kanzlei des/der Eintretenden zurückbehalten, also bewusst nicht in die neue Sozietät eingebracht STEUERLICHE FOLGEN FÜR DIE werden. GESELLSCHAFTER Ein Einzelanwalt überträgt alle funktional we- Erhalten Altgesellschafter im Zuge des Beitritts sentlichen Betriebsgrundlagen seines Betriebs ge- eines weiteren Anwalts Ausgleichszahlungen oder gen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Beste- sonstige Leistungen, z.B. die Befreiung von einer hen bereits eine oder mehrere Sozietäten, bringen Verbindlichkeit, in ihr Privatvermögen, veräußern die Altgesellschafter ihre ideellen Anteile am Ver- sie Teil-Mitunternehmeranteile und erzielen steu- mögen der jeweiligen Sozietät gegen Gewährung erbare laufende Gewinne gem. § 16 I Nr. 2 EStG. neuer Gesellschaftsrechte in das Betriebsvermö- Für den Neugesellschafter gehört der über sein gen der zivilrechtlich vergrößerten, steuerlich Kapitalkonto an der Gesellschaft hinausgehende aber „fiktiv neuen“ Sozietät ein. Mehrbetrag der Zuzahlung zu seinen Anschaf- Unschädlich ist es, wenn nicht wesentliche Be- fungskosten und ist für ihn in einer Ergänzungs- triebsgrundlagen, wie z.B. schon bestehende For- rechnung/Ergänzungsbilanz abzubilden. derungen gegen Mandanten, nicht eingebracht Häufig kaufen sich Anwälte durch Leistung ei- werden. Eine im Eigentum eines Einzelanwalts ner Einlage in das Gesellschaftsvermögen in eine stehende und von ihm betrieblich genutzte Immo- Sozietät ein und erwerben so eine Beteiligung am bilie muss ebenfalls nicht in das Gesamthands- Gewinn und Verlust und am Vermögen der Kanz- vermögen eingebracht werden. Eine Nutzungs- lei. Obwohl hier die Beteiligung der Altgesellschaf- überlassung reicht aus. Die Immobilie wird dann ter absinkt, liegt keine steuerbare Veräußerung Foto: popartic/shutterstock Sonderbetriebsvermögen dieses Anwalts. Ebenso von Teilunternehmeranteilen gem. § 16 I Nr. 2 ist es gleichgültig, ob der jeweils Einbringende EStG vor. Es findet nur ein Tausch zwischen Altge- seinen Gewinn gem. § 4 III EStG oder durch Bi- sellschaftern und „neuer“ Sozietät statt. Ein Mehr lanzierung ermittelt. Anwälte, die eine Einnahme- betrag der Einlage oberhalb des Kapitalkontos Überschussrechnung erstellen und dies künftig des Erwerbers ist für diesen in einer Ergänzungs- beibehalten wollen, können bei Fortführung der rechnung bzw. Ergänzungsbilanz auszuweisen. Üblich sind auch Fallgestaltungen, in denen der Neugesellschafter einer Gesellschaft ohne Ein- lageleistung beitritt, zu einem geringeren Anteil am Gewinn/Verlust und Vermögen beteiligt wird und sich seine Beteiligung erst nach und nach auf- baut (z.B. Lockstep-Modelle oder Partner-Track- Modelle). Da die Einbringung der Arbeitskraft kein einlagefähiger Vorteil ist, wird steuerlich keine Gegenleistung erbracht und die Altgesellschafter realisieren keinen Veräußerungsgewinn. BR AK MAGA ZIN 03/2020 16
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