Das Magazin der Solothurner Wirtschaft - wirtschaftsflash
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Das Magazin der Solothurner Wirtschaft 3 | Juli 2021 | 42. Jahrgang Verträge Wer exportiert, muss gut beraten sein Rahmenabkommen Wird der Export zum grossen Hürdenlauf? kgv und SOHK Wirtschaft und Gesellschaft müssen näher rücken Unternehmerpreis 2022 Sinnvoll in die Zukunft investieren Kantonal-Solothurnischer Gewerbeverband
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Editorial | Inhalt Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 3 Globalisierung nicht gefährdet Im Frühjahr 2020 geschah das Undenkbare. Zur Eindämmung des Coronavirus schlossen viele Länder ihre Grenzen. Die Warenausfuhren aus dem Kanton Solothurn gingen um über 10 Prozent zurück. Panik machte sich breit. Die Politik, die Bevölke- rung und die Wirtschaft machten sich Sorgen über unterbrochene Lieferketten. Geg- ner von offenen Märkten riefen das Ende der Globalisierung aus. Doch schon bald zeigte sich, wie rasch und flexibel die globalen Märkte auf Krisen reagieren können. Trotz anfänglichen Schwierigkeiten und bis heute bestehenden Hürden etablierte sich der internationale Warenaustausch schnell wieder. Die befürchteten Engpässe blie- ben mehrheitlich aus. Die Industrie befindet sich inzwischen wieder auf Wachstums- kurs. Das Gewerbe entpuppte sich mit Ausnahme der behördlich geschlossenen Betriebe als Fels in der Brandung. Der freie Markt machte das, was er am besten kann. Er organisierte den Austausch von Gütern und Dienstleistungen und stellte das Gleichgewicht wieder her. Lesen Sie in dieser Ausgabe, wie die Solothurner Export Daniel Probst Direktor Solothurner industrie die Krise bisher gemeistert hat und wie die Spitzen der beiden Wirtschafts- Handelskammer verbände die künftigen Herausforderungen gemeinsamen anpacken wollen. Export reWork | SUVA Umfrage Arbeitsunfähigkeit 04 Bei der Auslandsnachfrage im Kanton Solothurn hat sich in den letzten Monaten eine Aufwärts- tendenz eingestellt. Doch wie geht es der exportierenden 26 Langwierige Krankheiten oder Unfälle können den Wiedereinstieg in den Arbeitsalltag erschweren. Um das zu verhindern, ist eine gute Kommunikation auf allen Ebe- Solothurner Industrie? Unterschiedlich, von leicht rückgän- nen essenziell. Kurt Jäggi, Leiter Human Resources der Glutz gig bis stark wachsend, zeigt eine Umfrage. AG kennt die Faktoren, um die Rückkehr zu erleichtern. Rahmenabkommen-Aus economiesuisse 08 Die schrittweise Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie wirkt sich positiv auf die Weltwirtschaft aus. Was das Rahmenabkommen-Aus für die Wirtschaft be- 12 | Grössenverhältnis: Konzerne und KMU 20 | Solothurner Unternehmerpreis 2022 22 | In Szene gesetzt: Industrienacht Solothurn deutet, sagt Christoph Mäder, Präsident von economiesuisse. 24 | Nachhaltige Zahlen: Ökobilanz 28 | Gewerbekongress kgv: ein hochkarätiger Event 29 | Tag des Gründens und der Startups Rechtliche Hürden 30 | FHNW: CAS Reputationsmanagement 32 | Schafft Raum: Technologiezentrum Witterswil Jean-Claude Cattin 34 | Impressum | kurz & informativ 10 Die Verwendung von Musterverträgen ist unter kei- nen Umständen ratsam. Jean-Claude Cattin kennt als Wirtschaftsanwalt die Fallstricke für KMU, die exportie- ren. Jeder Vertrag sei ein Einzelfall, betont der Anwalt. Gesprächsrunde Export: Im schweizerischen Aus- senhandel setzte sich die Export Verbandsspitzen Bilder Adobe Stock | HO erholung im ersten Quartal 2021 14 Die Präsidien der SOHK und des kgv sind neu be- setzt. An einem Round Table haben die Verbands- spitzen über ihre Zusammenarbeit und über das Verhältnis fort. Dank diesem dritten Quar- talsplus in Folge haben die Expor- te das Niveau vor Ausbruch der Titelbild von Gesellschaft und Wirtschaft diskutiert. Corona-Pandemie überschritten.
Export | Umfrage Kanton Solothurn Bild Adobe Stock Nach deutlichen Rückgängen im vergangenen Jahr wurde im ersten Quartal 2021 ein leichter Exportanstieg festgestellt. Solothurner Exportumfrage Im schweizerischen Aussenhandel setzte sich die Exporterholung im ersten Quartal 2021 mit + 4,8 Prozent fort. Dank diesem dritten Quartalsplus in Folge haben die Exporte wieder das Niveau vor Ausbruch der Corona-Pandemie überschritten. Wie sich im Kanton Solothurn der Export entwickelt und was das Rahmenabkommen-Aus auslöst, zeigt eine Umfrage. Simone Leitner und Christine Künzler Die Exporte wuchsen gesamtschweize- Elektronik (+ 5,8 Prozent; + 422 Millio- Warenexporten. Nach deutlichen Rück- risch im ersten Quartal 2021 saisonberei- nen Franken) sowie jene von Metallen gängen im vergangenen Jahr – die Solo- nigt um 4,8 Prozent oder 2,7 Milliarden (+ 9,3 Prozent; + 299 Millionen Franken) thurner Warenexporte gingen 2020 um Franken (real: + 4,9 Prozent). Damit wie- setzten ihren Wachstumskurs im ersten rund 15 Prozent zurück – konnte im sen sie das dritte Quartalsplus in Folge Quartal 2021 fort. Der Versand von Uh- ersten Quartal 2021 ein leichter Anstieg aus. Mit 58,1 Milliarden Franken über- ren zeigte ebenfalls eine Steigerung festgestellt werden. Die Auslandsnach- schritten sie den Stand vor der Corona- (+ 4,0 Prozent oder 206 Millionen Fran- frage wurde dabei einerseits durch die Pandemie und verzeichneten zugleich ken); mit 5,3 Milliarden Franken näherte wieder anziehende Weltwirtschaft und sogar den zweithöchsten vierteljährlichen sich dieser wieder den Quartalsumsät- andererseits dank einer leichten Ab- Exportwert. Der Exportanstieg stützte zen der Branche in den ergebnisstarken schwächung des Schweizer Frankens sich im Wesentlichen auf vier Sparten, Jahren 2018 / 19. gestärkt. Doch wie geht es der expor- die allesamt das Vor-Corona-Niveau wie- tierenden Solothurner Industrie? Un- der übertrafen. Mehr als die Hälfte der Auch bei der Auslandsnachfrage im Kan- terschiedlich, von leicht rückgängig bis Zunahme entfiel auf chemisch-pharma- ton Solothurn hat sich in den letzten stark wachsend: «2020 verzeichnete zeutische Produkte (+ 1,4 Milliarden Monaten eine Aufwärtstendenz einge- JURA ein starkes Wachstum. Mit 448 000 Franken). Hier verzeichneten alle grossen stellt. Dies spiegelt sich einerseits in den Einheiten konnten wir im vergangenen Segmente ein Plus – das höchste dabei Umfragewerten des Solothurner Wirt- Jahr 50 000 Vollautomaten mehr als die Medikamente (+ 1,2 Milliarden Fran- schaftsbarometers wider, andererseits im Vorjahr verkaufen. Das Wachstum ken). Die Ausfuhren von Maschinen und aber auch in den Kennzahlen zu den stammt aus dem Haushaltsbereich, der
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 5 ternehmerinnen und Unternehmer nicht gangenen Geschäftsjahr in der Schweiz vor grossen Herausforderungen gefeit. über 100 neue Stellen geschaffen.» Nur Vor allem die Engpässe in der Lieferkette bei den Schweizer Software-Spezialisten und Preissteigerungen sind sorgenerre- hapert es: «Deshalb haben wir einen gend. Emanuel Probst von JURA bringt Software-Hub in Barcelona aufgebaut.» die Situation auf den Punkt: «Die Knapp- Ypsomed beschäftigt heute in diesem heit von Rohstoffen und der Mangel an Bereich bereits über 200 Mitarbeitende. Transportkapazität wirkt sich negativ auf die Herstell- und Logistikkosten aus.» Auch Claudio Penna von HAKAMA be- mängelt die Verfügbarkeit. Und Sven Friesecke von Comax erklärt, dass das Unternehmen reagiert und das Kompo- «Ich hoffe auf nenten- und Warenlager wertmässig um Einigung mit etwa 50 % aufgestockt habe. «Dies, um unsere Kunden weiterhin innert vernünf- der EU.» tiger Frist beliefern zu können», so Sven Friesecke. Eine weitere Herausforderung Emanuel Probst | CEO JURA spricht Daniel Graf von Nachbur an: Elektroapparate AG «Krankheitsbedingte Vakanzen unserer Mitarbeitenden hindern uns, volle Leis- tung zu fahren. Verunsicherung und Miss- gunst gegenüber der Pandemie zerren an den Kräften vieler Kolleginnen und Kol- Doch das grosse Reizthema für die Ex- einen Rückgang im Officebereich mehr legen, Führungspersonen werden da- portunternehmen liegt auf der Hand: als zu kompensieren vermochte», sagt durch mehr beansprucht.» Simon Michel Die Schweizer Regierung brach die Ver- Emanuel Probst, CEO JURA Elektroap erläutert, dass sich Ypsomed in Zukunft handlungen mit der EU ab. Aber wie parate AG mit Hauptsitz in Niederbuch noch globaler aufstellen werde, also de- gross sind die Sorgen darob wirklich? siten. Bei der HAKAMA AG in Bättwil zentraler. «Wir stellen aufgrund der Co- «Sehr gross!», betont Emanuel Probst hingegen sei der Export leicht rückläufig. ronakrise eine Teil-Entglobalisierung fest, und findet klare Worte: «JURA erzielt Aber lediglich, weil das Unternehmen in welche uns zwingt, mittelfristig näher gut 60 Prozent der Absatzleistung in der der Schweiz zweistellige Wachstums zum Kunden zu rücken. Gerade in der EU. Für uns sind offene Märkte und klar raten verzeichnet. «Der Export macht bei Gesundheitsversorgung sehen wir eine geregelte Verhältnisse mit unseren uns rund 10 % aus», erklärt CEO Claudio zunehmende Tendenz zur Selbstversor- Hauptabsatzmärkten eminent wichtig. Penna. «Dieses Wachstum ist von Kun- gung.» Ein positives Fazit zieht Michel Ich hoffe deshalb sehr, dass wir trotzdem den in der Schweiz mit sehr hohem Ex- bei den Fachkräften. «Wir haben im ver- eine Einigung mit der EU erzielen.» Kei- portanteil angetrieben.» Ganze 10 Pro- zent Exporteinbusse musste die Comax Industrielle Signaltechnik AG in Laupers- dorf verschmerzen. «Zudem wurden ei- nige bereits bestehende Aufträge einge- Schweizer Exportzahlen froren, sprich die Auslieferung der Waren 20 erfolgt verzögert», zieht Geschäftsführer Sven Friesecke Bilanz. Doch aktuell spüre die Comax eine leichte Besserung der 10 Lage. Von geringen Verschiebungen im Export durch die Pandemie spricht der 0 CEO der Nachbur AG mit Sitz Holder- bank, Daniel Graf und fügt an, dass die -10 Jahre 2019 und 2020 in etwa dieselben Exportraten verzeichneten. Nicht stark von der Pandemie betroffen ist Ypso- -20 med. CEO Simon Michel hält fest: «Un- sere Injektions- und Infusionssysteme für -30 die Verabreichung von flüssigen Medika- menten sind systemrelevant. Unsere glo- -40 bale Lieferbereitschaft konnte jederzeit Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 Q2 Q3 Q4 Q1 aufrechterhalten werden.» 2018 2019 2020 2021 Trotz der recht positiven Exportentwick- Quelle: Eidgenössische Zollverwaltung lung im Kanton Solothurn sind die Un- Bemerkung: Veränderung gegenüber dem Vorjahresquartal in Prozent
Export | Umfrage Kanton Solothurn nerlei Verständnis für den Verhand nik AG fest. Diesen Aussagen schliesst Penna von HAKAMA ist klar, dass für lungsabbruch kann Sven Friesecke auf sich Daniel Graf an und doppelt nach. regulatorische Fragen schnell Lösungen bringen. Er sei von den involvierten «Unklarheit ist im internationalen Ge- gefunden werden müssen. «Wir sind in Bundesräten enttäuscht. «Da die Konse- schäft das Schlechteste. Bereits melden der Medtech-Branche als Zulieferer tätig quenzen der gescheiterten Verhandlun- erste Schweizer Kunden von uns, dass und sind besorgt, wie unsere Kunden gen aktuell noch nicht vollständig abzu- sie für Medizinal-Produkte als Drittstaat davon betroffen sind – und wir eventuell sehen sind, herrscht bei uns entspre- keine Marktzulassung mehr haben. Das anschliessend auch.» chende Unsicherheit über die weitere wird für uns bedeuten, dass wir von die- Entwicklung. Einzig der Umstand, dass sen Kunden sicherlich weniger Bestellun- «Die Schweiz ist keine Insel. Unser Land wir in einem Nischenmarkt tätig sind, gen erhalten werden. Weiter haben wir verdient zwei von drei Franken im Ex- sprich unsere Produkte nicht einfach im Juni einen mittleren fünfstelligen Auf- port. Ein Franken kommt aus der EU», austauschbar sind, führt zu einer gewis- trag eines deutschen Kunden nicht er- zeigt Simon Michel die Fakten auf. Ypso- sen Gelassenheit», hält der Geschäfts- halten, weil wir als Schweizer Lieferant med selber exportiert deutlich über 90 % führer der Comax Industrielle Signaltech- ein Drittstaat sind.» Auch für Claudio der hergestellten Produkte. «Wir haben uns intensiv mit dem Rahmenabkommen auseinandergesetzt. Die Mehrkosten für Lohnschutz und Sozialhilfe stehen in kei- nem Verhältnis zum angerichteten Scha- Exportexperten den. Das Abkommen hätte uns zudem jederzeit das Recht gegeben, eine neue Regelung aus der EU via unseren Gesetz- Die Solothurner Handelskammer unterstützt kantonale gebungsprozess abzulehnen.» Michel Unternehmen bei Exportfragen. Sei es die allgemeine Be- bedauert, dass der Bundesrat die Stim- ratung, die Vermittlung von Kontakten oder die Ausstel- mung im Land nicht drehen konnte. lung der nötigen Dokumente – die SOHK informiert über Doch aus allen Wolken gefallen ist der aktuelle Entwicklungen im Aussenhandel und führt infor- CEO von Ypsomed nicht: «Wir hielten mative Länderdokumentationen. sls dieses Szenario bereits vor drei Jahren als möglich, weshalb wir alle Produkte neu Dienstleistungen: in Deutschland zugelassen haben.» Das • Unterstützung beim Erstellen der Exportdokumente + hat das Unternehmen einmalig rund 10 Zollformalitäten Millionen Franken gekostet. «Wir haben • Basisinformationen zu Exportfragen zudem Gesellschaften in der EU gegrün- • Vermittlung von Experten det, die auch in Zukunft den nahtlosen Ex- • Durch die Partnerschaft mit «Switzerland Global Enter- port ermöglichen werden.» Die Schweiz prise S-GE» kann die SOHK auf weitere Fachkräfte im ist aus Sicht der Medizintechnik seit dem In- und Ausland zurückgreifen 26. Mai 2021 ein Drittstaat. Die Ypsomed • Export-Seminare hat sich darauf vorbereitet. «Langfristig • Länderdokumentation der Solothurner Handelskammer kostet uns das 1 bis 2 % Marge. Das ist bedauerlich. Diese Gelder hätten wir lie- www.sohk.ch | export@sohk.ch ber in Forschung und Innovation ge- steckt», findet der Unternehmer und Politiker deutliche Worte. < Anzeige CAS Reputationsmanagement Konzepte – Instrumente – Erfolgsfaktoren 5.11.2021 Nächster Start: nlass: 24.8.2021 Nächster Info-A fhnw.ch/wirtschaft/ reputationsmanagement
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 7 Unsere Business-Angebote – clever, modern und auf Ihre Bedürfnisse ausgerichtet Ob Sie auf die modernste Cloud-Telefonie setzen, das Beste aus Ihrer bestehenden Telefonanlage Weitere Vorteile der herausholen oder von blitzschnellem Internet mit Business-Produkte: hohen Bandbreiten profitieren möchten: Die Business-Produkte von Quickline / GAW bieten • Proaktive Kontaktauf- eine passgenaue Lösung für jedes Unternehmen nahme bei geplanten und für jedes Budget. Wartungsarbeiten Basis-Startpaket für CHF 70.–/Mt. • Separate Support-Hotline bei GAW und Quickline mit Inbegriffen sind Internet mit 50 Mbit /s, drei Servicestufen Business-Support 24 / 7 und ein Sprachkanal mit Minutentarif. • Zahlungskonditionen: 45 anstelle von 30 Tagen Das Basis-Startpaket kann durch weitere Optionen individuell ergänzt werden, z.B. schnel- • Vergünstigungen bei leres Internet, weitere Sprachkanäle, Telefon- Mobile-Abos anlage, Mobile-Abos oder interaktives TV. Sind Sie interessiert und Unser Business-Kundenberater möchten mehr erfahren? Philipp Schwab freut sich, von www.ga-weissenstein.ch/unsere- business-produkte Ihnen zu hören. Erreichbar unter 032 9 429 413 oder philipp.schwab@ga-weissenstein.ch GA Weissenstein GmbH I Weissensteinstrasse 1 I 4503 Solothurn
Export | Rahmenabkommen Handelsbarrieren? Die schrittweise Rückkehr zur Normalität nach der Pandemie wirkt sich positiv auf die Weltwirtschaft aus. Laut dem Wirtschaftsverband economiesuisse dürfte das BIP im laufenden Jahr um 3,4 Prozent zulegen. Christoph Mäder, Präsident von economiesuisse äussert sich zum Rahmenabkommen-Aus. Interview Simone Leitner Etwa die Hälfte aller Exporte aus windbar sind diese Handelsbarrieren Schweizer Exporteure von Medizinpro- der Schweiz geht in die EU. Doch nicht, aber sie verschärfen die Wettbe- dukten in die EU neu eine zweite Zerti- nun wurde das Rahmenabkommen werbssituation für Schweizer Unterneh- fizierung für den europäischen Markt mit der EU beerdigt. Zeichnen sich men in der EU. vornehmen und sie müssen eine stän bereits unüberwindbare Handels- dige Vertretung in der EU haben. Der barrieren ab? Der Versuch, rund 120 bilaterale Branchenverband Swiss Medtech rech- Ich möchte betonen, dass die bilatera- Verträge über Wirtschaftsbezie- net für die rund 350 betroffenen Schwei- len Abkommen auch ohne Rahmenab- hungen in einem Abkommen zu zer Unternehmen mit einmaligen Kos- kommen bestehen bleiben. Im Bereich bündeln, ist gescheitert. Dabei wäre ten von 110 Millionen Franken und jähr- des Land- und Luftverkehrs, der Perso- es auch um die Modernisierung der lich wiederkehrenden Kosten von etwa nenfreizügigkeit oder beim vereinfach- laufenden Verträge gegangen. Was 75 Millionen Franken für die Einrichtung ten Zollverfahren an den EU-Grenzen passiert mit den alten Verträgen? einer EU-Vertretung. Dieselben Regeln sind derzeit keine negativen Auswirkun- Das Rahmenabkommen hätte lediglich gelten auch für den Import von Medi- gen erkennbar. Anders sieht es beim fünf Binnenmarktabkommen umfasst: zinprodukten aus der EU in die Schweiz. Abkommen über den Abbau der techni- das Freizügigkeitsabkommen, das Luft- Aber auch andere Branchen sind betrof- schen Handelshemmnisse MRA aus, das und das Landverkehrsabkommen, das fen: Zurzeit wird in der EU die Maschi- für die Exportwirtschaft sehr wichtig Abkommen über landwirtschaftliche nenrichtlinie durch eine Maschinenver- ist. Dank diesem Abkommen können Produkte und eben das MRA. Seit 2018 ordnung ersetzt. Sollte diese nicht in Schweizer Unternehmen ihre Produkte will die EU nach eigenen Aussagen ohne das MRA überführt werden können, ohne zusätzliche administrative Hürden ein Rahmenabkommen keine neuen müssen die meisten Schweizer Maschi- in der EU auf den Markt bringen. Weil Marktzugangsabkommen mit der Schweiz nenhersteller voraussichtlich ab 2026 die EU das MRA aber nicht mehr aktua- abschliessen und die bestehenden Ab- ihre Produkte zu den Vorschriften für lisieren will, zeichnen sich neue Han- kommen nicht mehr aktualisieren. Es sei Drittstaaten in den EU-Markt exportie- delshürden ab. Konkret geht es um hö- denn, sie hat ein überwiegendes eige- ren. Und schliesslich wird voraussicht- here administrative Hürden und damit nes Interesse daran. Wenn die beste- lich ab 2022 die Medikamentengesetz- verbundenen höheren Kosten. Unüber- henden Abkommen nicht mehr aktuali- gebung der EU revidiert. Auch diese ist siert werden, verlieren sie langsam und im MRA geregelt. Sollte diese Revision stetig an Bedeutung für die Schweizer spätestens ab 2028 in Kraft treten, wür- Unternehmen. den für pharmazeutische Produkte eben- falls die Einfuhrbestimmungen für Dritt- Die bilateralen Verträge gel- staaten gelten. ten zwar weiterhin. In wel- chen Branchen ist das Tages- Zur Abfederung negativer Konse- geschäft trotzdem empfind- quenzen hat der Bundesrat seit län- lich gefährdet? gerer Zeit begonnen, Auffangmass- Dies gilt sicher für die Medizi- nahmen zu planen. Im Bereich der naltechnik-Branche. Seit dem Medizinprodukte hat er für den Fall 26. Mai 2021 gilt in der EU der Nichtaktualisierung des MRA- eine neue Medizinprodukte- Kapitels bereits unilaterale Mass- Verordnung. Diese konnte we- nahmen beschlossen. Reicht das? gen der Blockade durch die EU Solche Massnahmen sind sicher ein gu- nicht in das MRA aufgenommen ter Ansatz, sie werden die negativen werden. Damit Auswirkungen aber nicht vollumfäng- müssen lich ausgleichen können. Langfristig Bild HO sind Gegenmassnahmen, die beide Sei- ten wirtschaftlich belasten, kontrapro- Christoph Mäder, Präsident economiesuisse.
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 9 duktiv und stärken lediglich andere zieren und neue Absatzmärkte ausserhalb men. Das wegen der Einspeisung von Wirtschaftsräume wie Asien oder Nord- der EU suchen. Dazu gehören auch mehr Strom aus erneuerbaren Quellen wie amerika. Freihandelsabkommen mit Drittstaaten, Wind und Sonne instabilere europäische zum Beispiel mit den Mercosur-Staaten, Stromnetz braucht abrufbare Stromreser- Ist die Schweizer Wirtschaft gegen- um den Marktzugang für unsere Unter- ven. Die Schweizer Stauseen könnten im über der EU stark in die Rolle des Bitt- nehmen ausserhalb der EU zu verbessern. europäischen Stromnetz diese wichtige stellers geraten? Ausgleichsfunktion übernehmen. Für die Schweizer Wirtschaft war Europa Die EU hat immer wieder erklärt, dass schon immer der eigentliche «Heim- sie ohne institutionelles Abkommen Es steht viel auf dem Spiel. Machen markt». Noch immer gehen knapp 50 % keine neuen Marktzugangsabkom- Sie sich Sorgen? der exportierten Produkte in die EU. Soll- men abschliessen will. Was heisst das Die gegenseitigen wirtschaftlichen Inte ten sich die Zugangsbedingungen zum genau? ressen bleiben auch ohne Rahmenabkom- wichtigsten Exportmarkt verschlechtern, Ganz so apodiktisch, wie die EU-Kommis- men bestehen. Es muss deshalb auch im wird sich die Schweizer Wirtschaft ent- sion dies zurzeit sagt, ist ihr Verhalten Interesse beider Handelspartner liegen, sprechend anpassen: Durch Verlagerung nicht. So haben die Schweiz und die EU praktikable Lösungen zum Vorteil beider von Produktionsstätten aus der Schweiz in erst letztes Jahr ihre Emissionshandelssys- Seiten zu finden. Bis solche auf dem Tisch die EU und durch neue Partnerschaften teme miteinander verknüpft, weil beide liegen, können wir die Zeit sinnvoll nutzen mit EU-Unternehmen. Ausserdem muss Seiten ein Interesse daran haben. Von be- und die Rahmenbedingungen für Unter- die Exportwirtschaft sich weiter diversifi- sonderer Bedeutung ist ein Stromabkom- nehmen im eigenen Land verbessern. < Anzeige Gold glänzt nicht mehr Die kräftige Erholung der weltweiten zinsen steigen. Unterstützt wird diese Ten- Realzinsen und ein sinkender Goldpreis be- Volkswirtschaften von der Corona-Delle denz durch die florierende Wirtschaft und obachtet werden. Der erwartete Anstieg führt zu einem Inflationsschub. Dieser wird einem daraus folgenden leichten Anstieg der Realverzinsung dürfte in nächster Zeit von der Verknappung einzelner Rohstoffe der langfristigen Zinsen. Was hat dies aber den Glanz des Goldes trüben. Es ist des- und Güter angeheizt. Die Notenbanken er- nun mit dem Goldpreis zu tun? halb Zeit, sich Gedanken zu machen, wie achten die aktuelle Teuerung als temporär man mit Goldanlagen umgehen möchte. und erwarten in den nächsten Monaten Betrachtet man die Entwicklung der Real- Dabei sollten die Faktoren Rendite und Ri- wieder eine leicht sinkende Tendenz. Sie zinsen in den USA im Vergleich zum Gold- sikodiversifikation sowie die persönlichen sehen derzeit keinen Handlungsbedarf bei preis in USD, stellt man fest, dass sich Bedürfnisse berücksichtigt werden. den Leitzinsen. Die Realzinsen notieren diese fast entgegengesetzt entwickeln. noch deutlich im negativen Bereich. Sollte Exemplarisch zu sehen in der Periode von Stefan Kappeler sich, wie von den Notenbanken erwartet, Mitte 2018 bis Mitte 2020, in welcher die Berater Private Banking die Teuerung auf einem Niveau von ca. Realzinsen sanken und der Goldpreis stieg. Regiobank Solothurn AG 2.0 – 2.5 % einpendeln, werden die Real- Umgekehrt konnte 2013 ein Anstieg der
Export | Jean-Claude Cattin Bilder Adobe Stock | HO Wo liegen die häufigsten rechtlichen Fallstricke für ein KMU, das exportiert? Musterverträge nicht ratsam Die Verwendung von Musterverträgen ist unter keinen Umständen ratsam. Jean-Claude Cattin kennt als Wirtschaftsanwalt die rechtlichen Fallstricke für KMU, die exportieren. Jeder Vertrag sei ein Einzelfall und sollte individuell redigiert werden, betont der Anwalt. Interview Simone Leitner Wo liegen die häufigsten recht Können Sie zentrale Punkte nen- lichen Fallstricke für ein KMU, das n en? exportiert? Zentrale Punkte sind vor allem Spezifi- In Vertragsverhandlungen ist auf die kation, Bestellung, Lieferung / Verzug, konkrete Interessenlage, die jeweilige Prüfungs- und Rügeobliegenheit des Verhandlungsmacht sowie die Dauer Empfängers, Preisfestsetzung und Zah- und Qualität der Vertragsbeziehung lungsmodalitäten sowie Gewährleis- Rücksicht zu nehmen. Dabei gilt es, die tungen und Garantien. Hinzu kommen wesentlichen Vertragspunkte zu identi- oft Mindestbestellmengen und Liefer- fizieren und zu priorisieren. Anschlies- garantien. Wesentlich ist auch die Dau- send kann bei der Ausformulierung von er und Aufhebung des Vertrages sowie den wichtigsten Grundsätzen ins Detail die Folgen der Vertragsbeendigung (Rück- gegangen werden, woraus sich erfah- abwicklung, Nach- und Ersatzlieferungs- rungsgemäss weitere Fragen ergeben, anspruch, Lagerrückkauf, nachvertrag welche einer klaren Regelung bedürfen. liche Geheimhaltung und Konkurren- Ein guter Vertrag bildet das zwischen zierung). Jeder Vertrag ist ein Einzelfall den Parteien erzielte Verhandlungser- und sollte daher individuell redigiert gebnis vollständig und korrekt ab und werden. Die Verwendung von Muster- wird durch beide Parteien als ausgewo- Verträgen ist unter keinen Umständen gen und fair beurteilt. ratsam.
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 11 Bei der Aufnahme einer neuen Ge- dingten Wahrung der Interessen seines figes Eskalationsverfahren. Primär soll schäftsbeziehung kommen oft Ge- Klienten nicht mehr nachkommen kann. die Pflicht zu gegenseitigen, bilateralen heimhaltungsvereinbarungen – Non- Letztlich befasst man sich als Anwalt Verhandlungen im Vertrag statuiert wer- Disclosure Agreements (NDA) – zum und gerade als Wirtschaftsanwalt mehr den. Führen diese zu keiner Einigung, Einsatz. Ist nun ein Wirtschaftsan- oder weniger täglich mit «heissen Eisen». empfehle ich die Durchführung einer Wirt- walt unerlässlich für ein KMU, das Wer also damit Probleme hat, ist im fal- schaftsmediation durch fachlich qualifi- exportieren will? schen Beruf beziehungsweise im falschen zierte, erfahrene und sprachlich versierte Es ist immer sorgfältig zu prüfen, wer Bereich. internationale Mediatoren. Letztlich kön- im Rahmen einer Vertragsbeziehung nen die Parteien eine Schiedsklausel wem gegenüber welche Informationen Was ist bezüglich Rechtswahl und vereinbaren. In diesem Fall entscheiden offenlegt und inwiefern diese als ver- Gerichtsstand zu beachten? nicht staatliche Gerichte, sondern pri- traulich zu klassifizieren sind oder gar Exportierende Schweizer Firmen erbrin- vate Schiedsgerichte über die Differen- der strikten Geheimhaltung unterliegen. gen den charakteristischen Teil der ver- zen. Die Schweiz ist ein eigentlicher Hub Bei eingetragenen Immaterialgüteran traglich geschuldeten Leistung. Ent- für internationale Schiedsgerichtsbarkeit, sprüchen wie Patente, Marken, Design, sprechend gilt es, das schweizerische weshalb ich die Anwendbarkeit der soge- Modelle etc. ergibt sich der Schutz be- Recht als das auf die konkrete Vertrags- nannten «Swiss Arbitration Rules» emp- reits aus dem Gesetz. Dennoch emp- beziehung anzuwendende Recht fest- fehle. Falls das Transaktionsvolumen sehr fiehlt sich eine darüber hinausgehende zulegen. Üblicherweise ist dabei das gross ist, kann auch eine ICC-Arbitration Regelung im Vertrag. Für rechtlich nicht Bundesgesetz über das internationale gemäss den Regeln der internationalen geschützte geheimnisrelevante Informa Privatrecht (IPRG) sowie das UN-Über- Handelskammer vereinbart werden. tionen wie Know-how, Fabrikationsver- einkommen über Verträge über den in- Schiedsgerichte sind gut, schnell, aber in fahren, Rezepturen und Anwendungen ternationalen Warenkauf (CISG) auszu- aller Regel teuer. Andere Vorteile – wie ist es unabdingbar, eine strenge Ge- schliessen und von der Wahl eines etwa die hohe Vertraulichkeit – wiegen heimhaltung zu statuieren. Dazu gehört anderen, ausländischen Rechts oder gar die Kostennachteile jedoch auf. neben der Identifikation der geheimhal- supranationaler Handelsbräuche abzu- tungsrelevanten Informationen eine Be- sehen. Mit derselben Begründung ist Gibt es weitere wertvolle Tipps, die schränkung des Adressatenkreises so- der Sitz der schweizerischen Firma als es zu beachten gilt? wie ein scharfer Sanktionsmechanismus. Erfüllungsort und ordentlicher Gerichts- Natürlich ist es unerlässlich, Verträge von NDA‘s sind keine Selbstläufer und sollten stand zu vereinbaren. Einfach fällt die bedeutendem Interesse oder mit hohen im Einzelfall genau überlegt und ausfor- Argumentation in jenen Kantonen, wel- Haftungsrisiken durch spezialisierte Wirt muliert werden. che für vertragliche Beziehungen unter schaftsanwälte aufsetzen resp. überprü- Firmen spezielle Handelsgerichte einge- fen zu lassen. Dabei stellt sich immer die Es gibt Unternehmen, die keine Ex- richtet haben. Es sind dies die Kantone Frage, wer den Erstentwurf vorlegt. In portbewilligung vom SECO erteilt Zürich, Bern, Aargau und St. Gallen. aller Regel wird dies der Besteller sein. bekommen und beispielsweise mit Generell aber geniesst die schweize Dies gilt umso mehr, wenn es sich dabei Ihrer Hilfe gegen den Entscheid kla- rische Gerichtsbarkeit einen guten Ruf, um einen grösseren Konzern oder global gen. Sind das heisse Eisen für Sie als gilt als fachlich kompetent und unab- tätige Unternehmen handelt. Nebst allen Anwalt? hängig. rechtlichen Anforderungen sollte immer Bei diesen Exportgütern handelt es sich auch auf kulturelle Unterschiede Rück- primär um Rüstungsgüter, um Güter, Braucht es bei Streitigkeiten die Ge- sicht genommen werden. Vertragsver- die für die Entwicklung, Herstellung richte oder stehen andere Möglich- handlungen oder im schlimmsten Fall oder Verbreitung von Massenvernich- keiten zur Verfügung? Vergleichsgespräche mit chinesischen, tungswaffen eingesetzt werden könn- Gerade für internationale Handelsbezie- arabischen, indischen oder amerikani- ten sowie um Güter, die der Herstellung hungen eignen sich sogenannte «Alter- schen Firmen folgen anderen Gesetzmäs- von konventionellen Waffen dienen native Dispute Resolution»-Methoden. sigkeiten als wir es im kontinentaleuro könnten. Es handelt sich dabei also stets Ich empfehle in aller Regel ein mehrstu- päischen Raum gewohnt sind. < um umstrittene Exportgüter, welche na- tionalen oder auch internationalen Ge- setzen, Verordnungen und Richtlinien unterliegen. All diese rechtlichen Vorga- ben gilt es stets zu beachten. Wird eine Ausfuhrbewilligung durch das SECO un- rechtmässig verweigert, empfiehlt es Jean-Claude Cattin sich dagegen vorzugehen. Natürlich be- wegt man sich dabei als Anwalt in ei- nem kontroversen Gebiet. Letztlich Jean-Claude Cattin ist als Wirtschaftsanwalt vorwiegend in steht aber das berechtigte Interesse des den Bereichen Handels-, Vertrags- und Gesellschaftsrecht Klienten im Vordergrund. Ist dem An- tätig. Die Kanzlei KSCP betreut in Olten, Solothurn und Gren- walt nicht wohl bei der Sache, sollte er chen sowohl nationale als auch internationale Mandate. sls das Mandat besser nicht annehmen, da er unter diesen Umständen der unbe-
Export | Konzerne und KMU Bilder Adobe Stock Die Hälfte der Wertschöpfung des Güterhandels wird von Grossunternehmen erwirtschaftet. Vielfalt ist das Kapital Über 99 Prozent aller Unternehmen in der Schweiz sind KMU. Trotzdem sind in der Schweiz überproportional viele Weltkonzerne ansässig. Wie wirkt sich das Grössenverhältnis auf die Zusammenarbeit von KMU und Grossunternehmen aus? Simone Leitner Die Zahlen, die das Bundesamt für Statis- der Exporte und 35 % der Importe) sowie zwei Drittel (68,4 %) der Beschäftigten tik BFS Ende 2020 veröffentlichte, zeigen die kleinen Unternehmen und die Mikro im marktwirtschaftlichen Sektor aus. Mit die Tendenz: Die Schweizer KMU werden unternehmen. Werden alle Grössenklas- Ausnahme der Mikrounternehmen sind kleiner und die Konzerne grösser. Als sen gemeinsam betrachtet, schlagen sich im Aussenhandel tätige Unternehmen kleines Land im Herzen Europas ist die die KMU betreffend Export- und Import- und Beschäftigte in allen Grössenklassen Schweiz mit zunehmend globalisierten volumen (54 % bzw. 42 %) recht gut. Zwi- in der Mehrheit, wobei Grossunterneh- Wertschöpfungsketten konfrontiert. Die schen der Unternehmensgrösse und dem men vorwiegend im Export oder Import Fragmentierung der Produktionstätigkeit Wert der Importe und Exporte von Gü- von Gütern tätig sind (92,9 % bzw. wird stark von den multinationalen Un- tern besteht ein direkter Zusammenhang: 96,5 %). Aus der Erhebung des BFS wird ternehmensgruppen beeinflusst. Zu die- Je mehr Beschäftigte ein Unternehmen deutlich, dass zwischen der Unterneh- sem Zweck wurden die Daten der Eid hat, desto grösser ist sein Anteil am Gü- mensgrösse und der Teilnahme am Güter- genössischen Zollverwaltung EZV her- teraussenhandel. aussenhandel ein positiver Zusammen- angezogen. Damit lassen sich die im hang besteht. Güteraussenhandel tätigen Unternehmen Um die Rolle der KMU beim Handel mit identifizieren. dem Ausland detailliert zu untersuchen, Die Konzerne bringen die Schweiz voran. müssen auch die Merkmale der Import- Sie sorgen für viele Arbeitsplätze, tragen Die Hälfte der Wertschöpfung des Güter- und Exportunternehmen, unabhängig massgeblich zum Bruttoinlandprodukt handels zwischen der Schweiz und dem von den absoluten Transaktionsbeträgen, bei und sind wichtige Steuerzahler. Als Ausland wird von Grossunternehmen er- berücksichtigt werden. Knapp ein Viertel Motor der Binnenwirtschaft sind sie Auf- wirtschaftet. Sie generieren 58 % des Ex- der Schweizer Unternehmen (24,3 %) ist traggeber für lokale KMU und schaffen ports und 46 % des Imports. Dahinter im Aussenhandel tätig und exportiert Gü- so indirekt viele weitere Jobs in der folgen die mittleren Unternehmen (33 % ter. Diese Unternehmen machen mehr als Schweiz. Für den stv. Direktor des Schwei-
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 13 zerischen Gewerbeverbandes sgv, Henri Auch das sei eine gute Nachricht, «denn que Schneider, ist diese Aussage zu ein- genau das macht die Schweiz zur wettbe- seitig: «Die Wertschöpfungskette durch- werbsfähigsten Wirtschaft der Welt – ge- läuft mehrere Schritte. Grosse geben mäss verschiedenen Rankings», freut sich Aufträge an KMU und KMU geben Auf- der stv. Direktor des sgv. < träge an Grossunternehmen. Es ist gar nicht möglich auseinanderzuhalten, wie sich diese Flüsse verhalten.» Das sei gut so, denn es zeige deutlich: Klein und Gross wirtschaften zusammen. Als ab soluten Unsinn, bezeichnet Henrique Schneider die Aussage, dass KMU vor allem in der Binnenwirtschaft tätig seien. «Etwa die Hälfte des Schweizer Aussen- handels wird von KMU erbracht – gemäss den Zahlen der Zollverwaltung.» Hen- rique Schneider lässt eine Abhängigkeit der KMU von Grossunternehmen nicht uneingeschränkt gelten: Es gehe um Er- gänzung, Kooperation und Wettbewerb. «KMU und Konzerne ergänzen einander, zum Beispiel wenn sie in der gleichen Wertschöpfungskette als Zulieferer und Auftraggeber miteinander verkehren.» Doch sie machen sich auch gegenseitig Wettbewerb. KMU und Konzerne über- bieten sich in Innovation und Agilität. Anzeige Anzeigen Jetzt mehr erfahren: / baloise.ch Baloise Life Advice: Die individuelle anlegen Anlageberatung für Ihre Lebensziele.
Round Table | Verbandsspitzen Diskutierten in der Villa Serdang: Andreas Gasche, Geschäftsführer kgv (vorne) und Rolf Riechsteiner (hinten), Präsident SOHK; Spitzen Zusammenarbeit Die Präsidien des kgv und der SOHK sind neu besetzt. Die Verbandsspitzen sind an einen Tisch gesessen und haben über sich, die Zusammenarbeit und den Kanton Solothurn diskutiert. Und über das Verhältnis von Gesellschaft und Wirtschaft. Interview Simone Leitner | Bilder Roy Matter Die Präsidien des Kantonal-Solo- einen Schritt weiterbringen, beziehungs- Das ist ein wichtiges Ziel, doch zurzeit thurnischen Gewerbeverbandes kgv weise konkurrenzfähiger gestalten und sind wir noch weit davon entfernt. Wir und der Solothurner Handelskam- weiterentwickeln. müssen in allen Bereichen in diese Rich- mer SOHK sind neu besetzt. Wie tung arbeiten. Mit 99 Prozent KMU sind hoch sind die Erwartungen? Ist denn eine Verbesserung nötig? Unternehmungen mit weniger als 250 Pia Stebler, Präsidentin kgv: Ich Daniel Probst, Direktor SOHK: Der Mitarbeitenden gemeint. Wenn man un- möchte, dass das Gewerbe und die KMU Kanton Solothurn kann sich strukturell sere Struktur betrachtet, haben wir vor im Kanton Solothurn weiterhin eine star- noch verbessern. Wir sind im schweizwei- allem 1 bis 50 Mitarbeitende, was 98 ke Stimme in der Politik und in der Ge- ten Vergleich eher strukturschwach. Wir Prozent oder 97,5 Prozent von sämt sellschaft haben. Der Kanton Solothurn haben vor allem in wertschöpfungsin- lichen Unternehmungen sind. Wir sind ist ein typischer KMU-Kanton, 99 % aller tensiven Branchen wie in der Informa ein KMU-, aber auch ein Zulieferer-Kan- Unternehmen sind KMU. Wenn es ihnen tionstechnologie und Life Science noch ton und da ist eine florierende Export- gut geht, dann geht es auch unserer Be- Potenzial. Deshalb ist es wichtig, dass wirtschaft enorm wichtig. Sie ist der völkerung gut – und dazu möchte ich beide Wirtschaftsverbände am selben Motor, durch den unsere Gewerbler beitragen. Strick ziehen und zusammen mit der Po- existieren, liefern und leben können. Rolf Riechsteiner, Präsident SOHK: litik und dem Kanton an den Standort- Ich erwarte eine florierende Wirtschaft, faktoren arbeiten. Und es ist auch wich- In den letzten Monaten hat die dass wir auf einander achtgeben und gut tig, dass wir den Kanton Solothurn be- Pandemie Wirtschaft, Politik und zusammenarbeiten. Sei dies innerhalb züglich Steuerkraft von hinten ins vor Gesellschaft dominiert. Hat sich die der Wirtschaftsverbände aber auch mit dere Drittel bringen. Mittelfeld ist Pflicht, Zusammenarbeit zwischen der Ge- der Regierung und unseren Verwaltun- das vordere Drittel sollte unser Ziel sein. schäftsführung und den Präsidenten gen. So, dass wir den Kanton Solothurn Andreas Gasche, Geschäftsführer kgv: verändert?
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 15 KMU Frauen SO. Das ist für mich noch gewöhnungsbedürftig. Rolf Riechsteiner, Ihre Wahl zum Präsidenten wurde medial nicht be- gleitet. Ziehen Sie die Fäden im Hin- tergrund? Rolf Riechsteiner: Bei uns steht der Präsident tatsächlich im Hintergrund und dies soll auch so bleiben. Wir sind so auf- gestellt, dass der Direktor nach aussen auftritt. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns gut absprechen, uns austauschen und ein gemeinsames Ziel verfolgen. Wir müssen nicht immer gleicher Meinung sein. Aber wir sollten am selben Strick ziehen. Sehr wichtig für meine Aufgabe als Präsident ist mein breites geschäft liches und persönliches Beziehungsnetz. Und wie ergänzen Sie sich mit dem neuen Präsidenten? Daniel Probst: Wie Rolf Riechsteiner Daniel Probst, Direktor SOHK und Pia Stebler, Präsidentin kgv. gesagt hat, ist es wichtig, dass der Präsi- dent im Kanton Solothurn gut vernetzt ist. Das ist bei Rolf Riechsteiner sehr stark der Fall. Wir ergänzen uns perfekt. Daniel Probst: Rückblickend auf die ein Kurzarbeitsformular gesehen. Alles Ich bin nahe bei unseren Mitgliedern. Zusammenarbeit mit dem abgetretenen Aspekte und Fragestellungen, die uns in Als Kantonsrat habe ich zudem gute Präsidenten Hansjörg Stöckli hat die der Geschäftsstelle wichtig waren und Kontakte in die Politik und zur Verwal- Pandemie an der Zusammenarbeit nicht die wir auch rasch beantworten konn- tung. Dort knüpft Rolf Riechsteiner an: viel oder nichts geändert. Als Geschäfts- ten. Der Draht zur Politik war essenziell. Auch er hat gute Kontakte zur Verwal- stelle sind wir auch während der Corona Unser Zentralvorstand, eine Art Verwal- tung und ist durch seine berufliche Tä- krise auf die Bedürfnisse und Anliegen tungsrat für mich, tagt zehnmal pro tigkeit stark in den Gemeinden präsent – unserer Mitglieder eingegangen. Mit Jahr, fast monatlich. Und die Präsiden- das ist für die Handelskammer wichtig. dem Präsidenten stimme ich wichtige tenkonferenz tagt viermal im Jahr. So Und natürlich hat auch er die Nähe zu Entscheide meistens telefonisch ab und haben wir per se schon einen engen den Unternehmungen. treffe ihn zusammen mit den Vizepräsi- Kontakt mit dem Zentralvorstand und denten vor den Vorstandssitzungen – dem Präsidium. Und beim kgv, wie sieht die Rollen- dreimal im Jahr. Das blieb alles gleich. teilung aus? Pia Stebler, Sie waren während Co- Andreas Gasche: Diese ist grundsätz- Der kgv hat fast wöchentlich seinen rona als Präsidentin der KMU Frauen lich sehr ähnlich wie bei der Handels- Mitgliedern die neuen Corona-Mass- SO aktiv. Sehen Sie Parallelen zu kammer. Alles Operative liegt bei mir. In nahmen schriftlich kommuniziert. Ihrer neuen Aufgabe? vielen Fällen sind wir das Sprachrohr Dort hat der Präsident auch immer Pia Stebler: Die Aufgabe bleibt ähnlich. zum Gewerbe und treten auch nach unterschrieben. Haben Sie eng zu- Als Präsidentin der KMU Frauen SO habe aussen auf. Nur sind wir kleinräumiger, sammengearbeitet? ich für die KMU Frauen gekämpft und vielleicht hemdsärmeliger. Andreas Gasche: Wir haben sehr viel damit indirekt natürlich auch für die zusammengearbeitet, da viele unserer KMU Männer. Die Probleme, die Andreas Sie sagen «hemdsärmelig», doch Sie Mitglieder direkt Betroffene waren. Viele Gasche angesprochen hat, waren ja für sind beide Akademiker … unserer Betriebe wurden geschlossen, Frauen und Männer die gleichen. Wir Andreas Gasche: Ich kann seit 25 Jah- wieder geöffnet und wieder geschlos- haben viele Newsletter geschrieben und ren gut mit meiner Kundschaft umge- sen. Da gab es auch viele politische Fra- dabei eng mit dem kgv und der SOHK hen und auch auf sie zugehen – ohne gen. Zwischen Christian Werner als Prä- zusammengearbeitet. Daniel Probst und dass ich mich verstellen muss. Das ist sident sowie Kantonsrat und mir als ich sind auch gemeinsam im Wirtschafts- wichtig, denn sonst würde ich nicht ak- Geschäftsführer wurden viele Fragen beirat und waren so an der Front, wenn zeptiert. abgesprochen. Es brauchte eine politi- es um die kantonale Umsetzung von sche Stimme. Es sind viele neue Fragen Massnahmen ging. Es wird sich also nicht Und wie viel Aufsehen erregt Ihr aufgetaucht, beispielsweise das Thema so viel ändern. Das öffentliche Interesse Doktortitel, Pia Stebler? Kurzarbeit. 90 Prozent der Betriebe, die an der kgv-Präsidentin ist aber bedeu- Pia Stebler: Mein Doktortitel war tat- geschlossen wurden, haben noch nie tend höher als an der Präsidentin der sächlich ein Thema während meiner
Round Table | Verbandsspitzen Der neue Präsident und die neue Präsidentin freuen sich auf einen guten und professionellen Austausch. Kandidatur für das Präsidium. Die Frage allen Arbeitnehmenden im Kanton. Zu- Kann die Zusammenarbeit zwischen tauchte auf, ob ich trotz dieses Titels sammen mit dem kgv repräsentieren wir kgv und Handelskammer noch opti- denn auch mit Gewerblern sprechen rund 50 000 Arbeitnehmende. Zusam- miert werden? kann. Ja, ich kann! Ich habe nicht zwei men mit den fünf regionalen Industrie- Rolf Riechsteiner: Wir haben einen sehr linke Hände und kann auch ein Bier aus und Handelsvereinen, den regionalen guten und professionellen Austausch mit der Flasche trinken. Ich bin zwar Akade- Gewerbe- und Branchenverbände sind dem kgv – ich kann es beurteilen, weil ich mikerin, aber seit rund 25 Jahren nicht wir eine gewichtige Stimme. Deshalb schon länger im Vorstand bin. Auch bei mehr in der Wissenschaft, sondern in haben wir auch die Möglichkeit, Ein- politischen Themen funktioniert die Zu- der Praxis tätig. Das Volkwirtschaftsstu- fluss zu nehmen – und das machen wir sammenarbeit bestens. Den Austausch, dium ist ein solides und gutes Funda- auch. das Brainstorming und den Gegenpol zu ment, prägend für mich sind aber die haben, ist wichtig. Diskussionen können späteren Berufserfahrungen. Gibt es inhaltliche Unterschiede? intern geführt, intern ausgelotet und auf Andreas Gasche: Wir haben struktu- den Punkt gebracht werden, um extern Wie unterscheidet sich die Mitglieder relle Unterschiede. Daniel Probst hat mit Stärke auftreten zu können. Und das struktur der beiden Verbände? Einzelfirmen, wir haben Vereine und ist mein Ziel, dies mit der neuen Zu- Daniel Probst: Wir haben rund 500 Verbände. Berufsverbände mit all ihren sammensetzung weiterführen zu können. Mitglieder. Vom kgv unterschiedet uns, Mitgliedern stärken unsere Position. dass bei uns neben kleinen und mittle- Zum Beispiel, wenn wir mit dem Amt Für innovative Projekte wie die Nacht ren Unternehmen vor allem auch grös- für Wirtschaft und Arbeit Diskussionen der Solothurner Industrie, das Weis- sere, exportorientierte Unternehmen haben. Wir wissen, dass die Berufsver- senstein-Forum, tunSolothurn, wie Mitglied sind. Sowie Zulieferer dieser bände hinter uns stehen. In einigen po- wichtig ist dabei die Unterstützung Exportfirmen und auch jene, welche litischen Fragen sind wir eher hetero- des Präsidenten? sich als Teil dieser Wertschöpfungs gen. Wir haben nur einen kleinen Anteil Daniel Probst: Grössere Projekte lassen kette verstehen. Die Mitgliedfirmen der an Einzelmitgliedern wie Banken, Versi- wir durch den Vorstand genehmigen. Handelskammer sind mit einer Durch- cherungen, Treuhänder oder Rechtsan- Wichtig ist, dass von Anfang an das Prä- schnittsgrösse von 67 Mitarbeitenden wälte. Inhaltlich sind wir ganz klar eine sidium dahintersteht. So ist die Chance rund acht Mal grösser als im kantona- Binnenmarkt-Organisation, die wenig mit gross, dass auch der Vorstand bereit ist, len Durchschnitt. Es ist aber nicht so, Export-Fragen zu tun hat. Das unter- auf die Pläne einzugehen. Wichtig ist, dass wir nur grosse Firmen haben. Gut scheidet uns inhaltlich von der Handels- dass die Projekte und Aktivitäten den 70 Prozent unserer Mitglieder beschäf- kammer. Mit rund 80 Prozent Kleinstbe- Mitgliedern dienen und dass wir die Fi- tigen 1 bis 49 Mitarbeitende, weitere trieben, die einen bis fünf Mitarbeitende nanzen im Griff haben. 22 Prozent haben 50 bis 249 Beschäftig haben, ist es unsere Pflicht, beispiels- te. Wir haben also auch Klein- und Kleinst- weise auch Dienstleistungen auf die Bei welchen Themen und Projekten firmen, die das Netzwerk der Handels- Beine zu stellen, wie die Pensionskasse ist es unerlässlich, die Präsidentin mit kammer sehr schätzen. Insgesamt be- für einen Alleinunternehmer und Ähn ins Boot zu holen? schäftigen unsere Firmen 32 000 Mitar- liches. Das ist etwas, was Daniel Probst Pia Stebler: Natürlich wenn es um stra beitende, das sind rund 22 Prozent von weniger braucht. tegische Ausrichtungen geht, wie neue
Wirtschaftsflash | Juli 2021 | Seite 17 Grossprojekte, welche auch etwas kosten Millionenpotenzial an Investitionen für partner. Im Moment sehe ich keinen oder um Kooperationen. Aber auch, die Sanierung von Gebäuden. Der Nach- Plan B oder C. Im Moment ist nur klar, wenn es um die Verfassung von Vernehm- holbedarf ist extrem hoch. Und das wie- was wir nicht haben. Nun ist das ganze lassungsantworten und Abstimmungspa- derum ist eine grosse Chance für das Land gefordert – die Wirtschaft, Politik rolen geht. Gerade beim CO2-Gesetz war Gewerbe. Vor allem, sollte die Baukon- und Gesellschaft, um die Situation zu die Haltung des Gewerbes nicht eindeu- junktur in Zukunft eventuell einmal ins klären und die Verhältnisse wieder zu tig. Wir kamen im Falle vom CO2-Gesetz Straucheln kommen. stabilisieren. Derzeit erodieren die bila- zum Schluss, dass wir das Geschäft im Rolf Riechsteiner: Wir haben ein riesi- teralen Verträge. Die oft hoch gelobte Zentralvorstand traktandieren und da- ges Potenzial beim Unterhalt und bei Schweizer Stabilität, die sich positiv auf nach sogar der Präsidentenkonferenz vor- Erneuerungen von Infrastrukturen. Das die Planungs- und Investitionssicherheit legen. Es gilt immer die Interessen aller Niveau in der Schweiz ist sehr hoch und in der Wirtschaft auswirkt, ist am Wan- Mitglieder unter einen Hut zu bringen. Da muss erhalten, erweitert und ausgebaut ken. Daran kann niemand ein Interesse muss man ein Gspüri dafür haben. werden. Klar ist auch, wer investiert, haben, da es sich negativ auf unseren muss auch Geld verdienen. Deshalb ist Wohlstand auswirkt. Die Medizinaltech- Das heisst, Sie müssen bei Ihrer hete es wichtig, dass die Politik klare und nik ist schon betroffen. Der Maschinenin- rogenen Struktur eher den Mittel- tragbare Voraussetzungen und Bedin- dustrie ist als nächstes dran, danach folgt weg suchen? gungen für die Wirtschaft schafft. Un- die Überarbeitung der EU-Bauprodukte- Pia Stebler: Oft ist es eindeutig. Aber ternehmen können selbst wirtschaften, verordnung. Zudem brauchen wir drin- das CO2-Gesetz war schon eine Vorlage, sind innovativ und setzen selber um. gend ein Stromabkommen und weiterhin bei der die Meinungen im Gewerbe weit Voraussetzung ist einzig, dass nicht zu den Zugang zum europäischen Forschungs auseinander gingen. viele staatliche Eingriffe die Wirtschaft netzwerk. Andreas Gasche: Beim Co2-Gesetz behindern. waren wir wirklich gespalten. Wir haben Andreas Gasche: Ich denke es gibt Wie sieht es mit der Altersvorsorge dies nie inhaltlich diskutiert, sondern durchaus noch andere explosive Themen. aus? einen strategischen Entscheid gefällt – Einerseits die kantonale Steuer- und Daniel Probst: Das ist das zweite grosse und Stimmfreigabe beschlossen. Finanzpolitik, die uns weiterhin beschäf- nationale Thema. Unsere Dachverbände, Pia Stebler: Das war die Empfehlung tigen wird. Sicher auch etliche Themen economiesuisse und der Schweizerische des Zentralvorstands. Entschieden hat auf nationaler Ebene, wie das Verhältnis Arbeitgeberverband, nehmen dabei die dann die Präsidentenkonferenz. zur EU. Und es gibt neben der Krise wich- Interessen der Arbeitgebenden wahr. Andreas Gasche: Genau, wenn das Duo tige Geschäfte, die wieder in Angriff Wir haben heute schon hohe Lohnne- gut funktioniert und geschlossen auftritt, genommen werden müssen – auf kanto- benkosten und es werden immer mehr. dann werden die Geschäfte auch durch- naler und nationaler Ebene. Auf Kantonsebene haben im Moment Fi- gebracht. nanzthemen eine hohe Priorität. Weil un- Welche Themen sind derzeit pen- ser Kanton strukturschwach ist und wir Welches sind die explosiven Themen, dent? deshalb eine hohe Steuerbelastung haben, Klimaschutz? Daniel Probst: Viele (lacht). Auf natio- wollen wir diese für Privatpersonen sen- Andreas Gasche: Die ganze Klimapoli- naler Ebene ist es sicher das Verhältnis ken. Wir kommen deshalb in den nächsten tik ist ein grosses Thema. Es geht um ein zu Europa, unserem wichtigsten Handels Jahren nicht daran vorbei, uns mit Sparen «Die ganze Klimapolitik ist ein grosses Thema», sagt Andreas Gasche.
Round Table | Verbandsspitzen Daniel Probst betont: «Die nächsten schädlichen, oft moralisierenden Initiativen rollen bereits auf uns zu.» und Verzicht zu beschäftigen. Neben den mieren und wie wir dann schlussendlich alten, Sklaven- oder Kinderarbeit tole h Energie- und Klimathemen glaube ich, abstimmen, ist teilweise 180 Grad kon- rieren, die der Abzocke und dem Boni- dass die Raumplanung immer wichtiger trär. Das funktioniert so nicht. Dies ist Exzess beschuldigt werden. Dabei han- wird. Der Boden ist knappes Gut. vielen Menschen nicht bewusst. All die delt es sich doch nicht um «unsere» Un- Annehmlichkeiten die wir geniessen ternehmen. Aber durch diese negative Welches Thema brennt bei der Raum- sind nur mit einer gesunden Wirtschaft Medienpräsenz wird zuweilen die ganze planung? möglich. Und diese muss sich entwickeln Wirtschaft in einen Topf geworfen. Mit Rolf Riechsteiner: Im Grunde genom- können, braucht Freiheit und keine Über- passenden Massnahmen sollten wir der men ist es unsere Gesellschaft, sind es regulierungen. Wie wir leben und wie Bevölkerung «unsere» Unternehmen wie- unsere gesellschaftlichen Veränderungen, wir uns politisch äussern ist nicht kon- der näherbringen. Veranschaulichen, wie welche die Raumplanung prägen. Alle gruent. unsere Wirtschaft wirklich funktioniert. haben Ansprüche an Raum. Beispiels Wir sind eine kleinräumige Gesellschaft weise die Verkehrsinfrastruktur in unseren Ist die Bevölkerung gegen die Wirt- und sollten uns öffnen, das Gespräch Zentrumsregionen macht es deutlich: schaft? suchen – auch zu Kritikerinnen und Kri Bahnlinien und Bahnhöfe werden ausge- Andreas Gasche: Man versteht sich tikern. baut, wir reden von ÖV-Drehscheiben, nicht mehr. Was wir in der Wirtschaft welche wiederum einen grossen Druck machen und umsetzen, wird vielfach Oder eben via Politik? auf den umgebenden Siedlungsraum nicht mehr verstanden. Dies hat in der Daniel Probst: Es ist wichtig, dass wir ausüben. Die Siedlungen werden ver- Vergangenheit zugenommen. Vielleicht Vertreterinnen und Vertreter in der Poli- dichtet, sie wachsen. Was wiederum For- fehlt das Interesse. Vielleicht wird auch tik haben. Vom Gewerbe, von der Indus- derungen nach mehr Raum auslöst. Und der Wirtschaft für gewisse Entwicklun- trie, vom Handel und von den Dienstleis- am Ende des Tages wird der Raum nicht gen der Umwelt die Schuld gegeben. Es tungsunternehmen. Ich bin schon lange grösser. Die Schweiz ist so gross wie sie scheint, als ob die Menschen nicht mehr in der Politik und ich merke, dass ein ist. wissen, was die Wirtschaft alles für die Durchschnittspolitiker – ich meine dies Umwelt macht. Das macht mir Sorgen. nicht abwertend und ich überspitze auch Ist denn dieses Verständnis von Um- Man muss sensibilisieren. Wir versuchen ein wenig – wenn er von Wirtschaft welt und Wirtschaft überhaupt vor- es damit, dass wir zweimal im Jahr sämt- spricht, eigentlich den stationären Einzel- handen? liche Haushalte mit unserem SO Magazin handel meint. Wird über Wirtschafts- Rolf Riechsteiner: Das Verständnis ist bedienen. politik gesprochen, dann geht es ums nicht vorhanden. Wir als Gesellschaft Pia Stebler: Ich sehe einen Zusammen- «Lädelisterben» und um genügend Park- «predigen Wasser und trinken Wein». hang zur Medienberichterstattung: Oft plätze, und nicht etwa um das Verhältnis Wenn wir überlegen, wie wir uns im All- wird von Negativbeispielen berichtet, zu Europa, um den Zugang zum euro tag verhalten, wie wir wohnen und ar- beispielsweise von Grosskonzernen, wel- päischen Forschungsprogramm oder um beiten, wie wir uns bewegen und konsu- che Umweltschutzbedingungen nicht ein- Stromabkommen.
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