Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten - Bachelor Thesis - Autorin: Larissa Bryner - Wüest Partner
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Bachelor Thesis Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten Autorin: Larissa Bryner Referent: Peter Krause (Master of Laws LL.M. (USA)) 1. September 2021
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten eingereicht zur Erlangung des akademischen Grades: Bachelor of Science FH in Wirtschaftsrecht Vertraulich Referent: Peter Krause (Master of Laws LL.M. (USA)) vorgelegt von: Larissa Bryner Culmannstrasse 10 8006 Zürich Tel.: +41 79 151 13 13 E-Mail: larissa.bryner@bluewin.chlarissa Datum der Abgabe: 01. September 2021
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Management Summary Das Thema der geltenden Rechtsgrundlage für Mietzinserlasse aufgrund der im Rahmen der Pandemie erlassenen Betriebsschliessungen besteht seit über einem Jahr. Es gibt verschie- dene Ansätze, die diskutiert werden. Hinzu kommen zusätzliche Einflüsse, Meinungen und Lösungsvorschläge aus der Politik und Wirtschaft. Die effektiven Auswirkungen auf die be- troffenen Geschäfts-Mietzinse sind dabei aktuell schwierig zu beziffern, es fehlt an Vergleichs- und Erfahrungswerten. Die vorliegende Arbeit knüpft somit an ein hochaktuelles Thema an und versucht eine Tendenz in die bisherigen und zukünftigen Entwicklungen, basierend auf den in Frage kommenden Rechtsgrundlagen, aufzuzeigen. Konkret orientiert sich die Arbeit an der Fragestellung „Wie sieht die aktuelle Rechtslage aus und welche Ansprüche können daraus geltend gemacht werden?“. Die Arbeit soll dafür auf folgende Teilfragen Antworten liefern: - Wie hoch ist die effektive Veränderung der Mietzinse im Vergleich zu den vertraglich vereinbarten Mietzinsen? - Was spricht aus Sicht der Eigentümer für oder gegen eine Anpassung des Mietzinses? Welche Erfahrungen lassen sich im Zuge der COVID-19-Pandemie ableiten? - Wie häufig mussten in der Folge Mietverträge vorzeitig aufgelöst werden? Dazu werden die in diesem Kontext diskutierten möglichen Rechtsgrundlagen geprüft und auf ihre Erfolgschancen hin anhand einer Literaturrecherche diskutiert. Die Forschungsfragen ba- sieren einerseits auf einer deskriptiven Datenanalyse von Geschäftsberichten tangierter Im- mobiliengefässe sowie auf der Auswertung dreier Experteninterviews. Die daraus gewonne- nen Informationen wurden mit Studien und wissenschaftlichen Quellen ergänzt, um so mög- lichst aussagekräftige Antworten auf die soeben vorgestellten Forschungsfragen zu erhalten. Nachfolgend werden die wichtigsten Erkenntnisse aus der Arbeit beschrieben: Gesetzliche Grundlagen Als Grundlage für mögliche Mietzinsanpassungen bei Geschäftsmietverträgen wird einerseits die Anwendung von Art. 259d OR, Mietzinsreduktion aufgrund eines Mangels, Art. 119 OR, objektive Unmöglichkeit der Vertragserfüllung und eine nachträgliche Vertragsanpassung nach dem Grundsatz clausula rebus sic stantibus diskutiert. Die Literaturrecherche hat erge- ben, dass die Vertragsanpassung gemäss der clausula rebus die höchsten Erfolgschancen aufweist. Die Experteninterviews bestätigen diese Erkenntnis: Die meisten Mietzinsanpas- sungs-Gesuche basieren auf bilateralen unbürokratischen und kurzfristigen Vereinbarungen. Veränderung der Mietzinse Für die Ermittlung der Veränderung der Mietzinsen wurden 72 Immobilienportfolios mit einem jährlichen Mietertrag von insgesamt 5.5 Milliarden Franken untersucht. Insgesamt haben die Mietzinse der untersuchten Portfolios um 2.6 Prozent oder CHF 145‘700‘000 gegenüber den vertraglich vereinbarten Mietzinse abgenommen. Je nach Art der Immobiliengefässe ist die Covid-Mietausfallrate unterschiedlich ausgeprägt: Bei den Anlagestiftungen beträgt die Verän- derung der untersuchten Portfolios rund 0.7 Prozent oder rund CHF 11 Millionen, bei Immobi- lienfonds sind es 1.6 Prozent, was rund CHF 30 Millionen entspricht und bei Immobiliengesell- schaften 5.4 Prozent resp. rund CHF 104 Millionen. Laut den Experteninterviews wurden pro Mieter bzw. Gesuch durchschnittlich ein bis drei Monatsmieten erlassen. I
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Eigentümerseitige Beweggründe für die Mietzinsanpassungen und Erfahrungen wäh- rend der Pandemie Es wurden vielschichtige Gründe für das Einräumen von Mietzinserlassen genannt. Einerseits sollen drohende Reputationsschäden durch Zeitungsartikel vermieden werden. Andererseits geht es den Vermietern um den Erhalt eines langfristigen Vertragsverhältnisses und die Ver- meidung von Leerständen und die Wiedervermietung zu schlechteren Konditionen. Die Eigen- tümer haben ihre Entscheidungen und in der Folge die Auswirkungen davon gegenüber ihren Stakeholdern zu verantworten. Ein wichtiger Entscheidungsfaktor hinsichtlich einem Entge- genkommen stellen ausserdem die Investitionskosten in Form des Mieterausbaus dar. Um unnötige erneute Umbaukosten aufgrund eines drohenden Konkurses und erneut anfallende Investitionen zu vermeiden, wird eine Einigung mit dem Mieter gesucht. Aus diesen Gründen wurden Mietzinsgesuche oft nicht im Giesskannen-Prinzip, sondern durch individuelle Einzel- fallbeurteilung bearbeitet. Dem vermieterseitigen Entgegenkommen steht oft eine Vertragsver- längerung durch den Mieter gegenüber. Dadurch konnte oft eine Einigung gefunden werden, die für beide Parteien als Win-Win-Situation wahrgenommen wurde. Vorzeitige Vertragsauflösungen als Folge der staatlich verordneten Betriebsschliessun- gen Alle befragten Experten hatten nur vereinzelt von Vertragsauflösungen aufgrund der Pande- mie Kenntnis. In der Regel konnte man den Konkurs durch Entgegenkommen des Vermieters abwenden oder den betroffenen Mietern durch Vertragsübertragung aus der Haftung des Miet- vertrages entlassen. Bei den vereinzelt bekannten Vertragsauflösungen stellte die Pandemie den Treiber, nicht aber den Grund für den Konkurs und damit die vorzeitige Auflösung des Geschäftsmietvertrages dar. Auswirkungen der Pandemie auf zukünftige Vertragsgestaltungen Die Experten sind sich einig, dass die Pandemie sich in der zukünftigen Vertragsgestaltung von Geschäftsmietverträgen auswirken wird oder bereits ausgewirkt hat. Bereits zur Anwen- dung kommt die sogenannte Pandemie-Klausel, welche die Höhe des fälligen Mietzinses wäh- rend einer verordneten Betriebsschliessung regelt. Aufgrund der Verschiebung der Flächen- nachfrage, insbesondere auch von Bürofläche, werden Verträge zukünftig voraussichtlich mit mehr Early-Break-Optionen ausgestattet. Dadurch erhält der Mieter mehr Flexibilität bezüglich der Gestaltung der Vertragslaufzeit und der Vermieter bzw. Eigentümer kann trotzdem lang- jährige Mietverträge abschliessen und alsdann bei Bedarf das Gespräch mit dem Mieter su- chen. Obwohl zukünftig erwartet wird, dass die Early-Break-Option häufiger zur Anwendung kommt, muss diese nicht zwangsläufig auch ausgelöst werden. Schliesslich wird erwartet, dass sich Mietzinszahlungen zukünftig vermehrt nach dem Umsatz richten und somit Umsatz- mieten, mit oder ohne Basismiete, vereinbart werden. Diese Form der Mietzinsbemessung kam teilweise bereits während der Pandemie zum Einsatz. Zwecks Bestimmung der Höhe der Miete wurde die Umsatzmiete jeweils mit dem Umsatz der gleichen Periode aus dem Vorjahr indexiert. Durch den Einsatz der Umsatzmiete erübrigt sich im Falle einer weiteren Betriebs- schliessungen oder weiteren Pandemie die Frage nach dem Mietzinserlass grösstenteils. II
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Inhaltsverzeichnis Management Summary............................................................................................................. I Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................ VI Tabellenverzeichnis ................................................................................................................ VI Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................... VII 1 Einleitung .......................................................................................................................... 8 1.1 Ausgangslage und Relevanz ................................................................................... 8 1.2 Fragestellung und Zielsetzung ................................................................................. 9 1.2.1 Aufbau der Arbeit ................................................................................................. 9 1.2.2 Abgrenzung Geschäftsmieten ............................................................................ 10 1.2.3 Abgrenzung Zeitraum Corona-Pandemie .......................................................... 10 2 Theoretischer Hintergrund .............................................................................................. 12 2.1 Wirtschaftliche Situation und Auswirkungen der Pandemie ................................... 12 2.1.1 Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen in der Schweiz ........................................ 12 2.1.2 Auswirkungen auf den Immobilienmarkt ............................................................ 13 2.1.2.1 Wohnliegenschaften ................................................................................... 13 2.1.2.2 Geschäftsliegenschaften ............................................................................ 14 2.1.2.3 Folgen der Pandemie ................................................................................. 14 2.1.3 Strukturanalyse der Geschäftsmieten ................................................................ 14 2.1.3.1 Auswirkungen auf die Geschäftsmieten ..................................................... 14 2.1.3.2 Umfrage Geschäftsmieter und -vermieter .................................................. 15 2.1.4 Erste Trends zeichnen sich ab ........................................................................... 19 2.2 Offene Rechtsfragen in Bezug auf Mietverhältnisse während der Pandemie ........ 19 2.2.1 Grundlagen der Geschäftsmieten nach Art. 253 ff. OR ..................................... 20 2.2.2 Darlegung der geltenden Rechtsordnung .......................................................... 20 2.2.3 Recht auf Herabsetzung des Mietzinses durch Mangel nach Art. 259d OR ...... 21 2.2.4 Herabsetzungsanspruch aus objektiver Unmöglichkeit nach Art. 119 OR ......... 22 2.2.5 Vertragsanpassung (Clausula rebus sic stantibus) ............................................ 24 2.2.6 Intervention durch den Gesetzgeber .................................................................. 25 2.2.6.1 Covid-19-Geschäftsmietegesetz ................................................................ 25 2.2.6.2 Drei-Drittel-Modell ...................................................................................... 25 2.3 Zusammenfassung ................................................................................................. 26 3 Methodik ......................................................................................................................... 27 III
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner 3.1 Forschungsdesign .................................................................................................. 27 3.1.1 Qualitative Inhaltsanalyse .................................................................................. 27 3.1.2 Die Gütekriterien qualitativer Forschung ............................................................ 28 3.2 Durchführung und Auswertung Geschäftsberichte ................................................ 28 3.2.1 Relevanter Zeitraum ........................................................................................... 29 3.2.2 Relevante Immobilienportfolios nach Anlagetyp ................................................ 29 3.2.3 Relevante Kennzahlen ....................................................................................... 32 3.3 Experteninterviews ................................................................................................. 32 3.3.1 Wahl der Interviewform ...................................................................................... 32 3.3.2 Wahl der Interviewpartner .................................................................................. 33 3.3.3 Durchführung der Experteninterviews ................................................................ 33 4 Auswertung ..................................................................................................................... 35 4.1 Datenstruktur und -auswertung Geschäftsberichte ................................................ 35 4.2 Interpretation der Geschäftsberichte ...................................................................... 36 4.2.1 Verteilung der Mietzinserlasse nach Anlagegefässe ......................................... 37 4.2.2 Verteilung der Mietzinserlasse nach Betroffenheit der Massnahmen ................ 39 4.2.3 Abgrenzung von gewährte Mietzinserlassen und Einbrüchen bei Umsatzmieten 40 4.3 Datenstruktur und -auswertung der Experteninterviews ........................................ 41 4.4 Interpretation der Experteninterviews .................................................................... 41 4.4.1 Veränderung der effektiv bezahlten Mietzinse ................................................... 41 4.4.2 Voraussetzungen für Mietzinsanpassungen ...................................................... 41 4.4.3 Beweggründe der Eigentümer zu Mietzinsentgegenkommen ............................ 42 4.4.4 Vorzeitig aufgelöste Mietverträge ....................................................................... 42 4.4.5 Auswirkung auf zukünftige Vertragsgestaltungen .............................................. 43 5 Diskussion ...................................................................................................................... 44 5.1 Unterschiedliche Ausprägung der Mieterlasse je Anlagevehikel ........................... 45 5.2 Erkenntnisse .......................................................................................................... 46 5.2.1 Veränderung der Mietzinse ................................................................................ 47 5.2.2 Betroffenheit der Mietzinse ................................................................................ 47 5.2.3 Häufigkeit vorzeitig aufgelöster Mietverträge ..................................................... 47 5.2.4 Beweggründe und Erfahrungen aus Eigentümer-/Vermietersicht ...................... 48 6 Fazit ................................................................................................................................ 49 6.1 Handlungsempfehlung für Vermieter und Mieter ................................................... 49 IV
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner 6.1.1 Staffelmiete und Umsatzmiete ........................................................................... 50 6.1.2 Pandemie-Klausel .............................................................................................. 50 6.1.3 Flexible Vertragslaufzeiten ................................................................................. 50 6.2 Ausblick .................................................................................................................. 51 6.2.1 Auswirkungen und Ausblick auf Mietverhältnisse .............................................. 51 6.2.2 Auswirkung und Ausblick auf die Nachfrage von Mietfläche .............................. 51 6.2.3 Auswirkungen und Ausblick auf Mietzinse ......................................................... 52 6.2.4 Auswirkungen und Ausblick auf die zukünftige Vertragsgestaltung ................... 52 6.2.5 Auswirkungen und Ausblick auf den Immobilienmarkt ....................................... 53 Literaturverzeichnis ............................................................................................................... VIII Anhang................................................................................................................................... XII V
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Schwierigkeiten Mietzahlungen im Verlauf der Pandemie (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 18): .......................................................................................................................... 15 Abbildung 2: verspätete Mietzahlungen im Verlauf der Pandemie (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 21) ..................................................................................................................................... 16 Abbildung 3: Mietausfälle im Laufe der Pandemie (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 22) .......... 16 Abbildung 4: verspätete Mietzahlungen im Verlauf der Pandemie nach Sprachregion (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 23) ....................................................................................................... 17 Abbildung 5: Verluste durch verzögerte oder ausbleibende Mietzahlungen seit Beginn Lockdown (Quelle: gfs.bern, 2021, S. 24).............................................................................. 17 Abbildung 6: Entgegenkommen bei Miete durch Vermieter (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 25) ............................................................................................................................................... 18 Abbildung 7: Angebot an Mieter betreffend Entgegenkommen bei Mietzahlung (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 28) ....................................................................................................... 18 Abbildung 8: Mietzinsreduktion während des Lockdowns in Prozent (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 32) ..................................................................................................................................... 19 Abbildung 9: Prozentuale Betroffenheit nach Phase der Einschränkung (Quelle: Monitoring BWO 2, 2021, S.9) ................................................................................................................. 29 Abbildung 10: Geltungsbereich KAG (SVIT Portfolio Management, S. 14). .......................... 31 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Übersicht der Phasen während der Corona-Pandemie (eigene Darstellung) ....... 10 Tabelle 2: Darstellung Stichprobengrösse nach Anlagetyp (eigene Darstellung) .................. 36 Tabelle 3: Übersicht Auswertung und Vergleich (eigene Darstellung)................................... 36 Tabelle 4: Auswertung und Vergleich Immo-AGs (eigene Darstellung)................................. 37 Tabelle 5: Auswertung und Vergleich AST (eigene Darstellung) ........................................... 38 Tabelle 6: Auswertung und Vergleich Immo-Fonds (eigene Darstellung).............................. 39 Tabelle 7: Verteilung Mietzinserlasse nach Betroffenheit Phase 1 - 5 (eigene Darstellung) . 39 Tabelle 8: Verteilung Mietzinserlasse nach Betroffenheit Phase 6 - 10 (eigene Darstellung) 39 VI
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Abkürzungsverzeichnis Abkürzung Bedeutung AG Aktiengesellschaft Art. Artikel AST Anlagestiftung BAG Bundesamt für Gesundheit BGE Bundesgerichtsentscheid BK Berner Kommentar zum Obligationenrecht BSK OR Basler Kommentar zum Obligationenrecht BWO Bundesamt für Wohnungswesen bzw. beziehungsweise CHF Schweizer Franken Covid-19 coronavirus disease 2019 E. Erläuterung EBIT Betriebsgewinnmarge et. al. et alii / und andere f. folgende ff. fortfolgende FINMA Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA Immo-AG Immobilien-Aktiengesellschaft KAG kollektive Kapitalanlage KGAST Konferenz der Geschäftsführer von Anlagestiftungen lit. litera Mia. Milliarden Mio. Millionen MZ Mietzins N Randziffer o.D. ohne Datum OR Obligationenrecht p.a. per annum / pro Jahr PK Pensionskasse ROE Eigenkapitalrendite ROIC Rendite des investierten Kapitals S. Seite SFAMA Swiss Funds & Asset Management Association SICAF Geschlossene kollektive Kapitalanlage SICAV Offene kollektive Kapitalanlage TER ISA (GAV) Betriebsaufwandquote im Verhältnis zum Gesamtvermögen TER ISA (NAV) Betriebsaufwandquote im Verhältnis zum Nettovermögen TER REF Betriebsaufwandquote VVG Versicherungsvertragsgesetz VZÄ Vollzeitäquivalent Z. Zeile z.B. zum Beispiel ZK Zürcher Kommentar zum Obligationenrecht VII
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner 1 Einleitung 1.1 Ausgangslage und Relevanz Obwohl die gesetzliche Grundlage mögliche Mietzinserlasse oder Vertragsanpassungen durch unterschiedliche Gründe (Art. 253 bis 27 lit. c OR) vorsieht, wirft die aktuelle Lage wäh- rend der Corona-Pandemie insbesondere die Frage nach der gesetzlichen Durchsetzbarkeit und Anwendbarkeit solcher Artikel auf die Mietzinsverhältnisse auf. Es existieren mittlerweile zahlreiche Rechtsgutachten über die Handhabung zu Mietzinserlas- sen und alternativen Lösungsansätzen während der Corona-Pandemie. Mit dem Aufsatz „Mie- ten in Zeiten des Coronavirus“ in der Zeitschrift mietrechtspraxis mp fassen die Advokaten1 Lachat und Brutschin die gegenwärtige Rechtslage sowie daraus mögliche Anspruchsgrund- lagen für Mietzinsreduktionen zusammen. Die Beurteilung berücksichtigt die Anwendung von Art. 259 lit. d OR (Lachat & Brutschin, 2020, S. 104). Herabsetzung des Mietzinses, objektive Unmöglichkeit nach Art. 119 OR (S. 120 f.) und eine Vertragsanpassung (clausula rebus sic stantibus) (S. 127). Weitere Rechtsgutachten untersuchen und bestätigen die möglichen Lö- sungsansätze, so zumindest in der Theorie. Der Monitoring-Bericht des Bundes statuiert aber, dass sowohl die Mehrheit der Mieter als auch der Vermieter bis Juni 2020 keine Anfragen zu Mietzinsanpassungen erhalten haben (Monitoring BWO, 2020, S. 16). Nichtsdestotrotz stellte sich die Frage über zukünftige Mietertragsausfälle aufgrund der behördlich angeordneten Be- triebsschliessungen nicht zuletzt bei der Einschätzung und Darstellung von zukünftigen Be- wertungen von Liegenschaften. Es wurden Annahmen getroffen und entsprechend der unge- wissen Entwicklung der Pandemie und damit auch der Wirtschaft Geschäftsliegenschaften konservativer bewertet, um mögliche Ertragsausfälle aufgrund von Mietzinsanpassungen oder Vertragsauflösungen abbilden zu können. Um den Einfluss der Corona-Pandemie auf die Mietverträge besser verstehen zu können, ist es wichtig, den unmittelbaren Effekt auf die Mietzinse zu analysieren. Mithilfe des so gewon- nenen Wissens können die Wirtschaft und der Immobilienmarkt ein möglicher, durch die Krise ausgelösten, Strukturwandel nachvollziehen und verstehen. Mögliche Risiken und dessen Auswirkungen können definiert und zukünftig besser eigeschätzt und abgebildet werden. Zu- dem zeigt die Untersuchung die tatsächliche Anwendbarkeit der dafür vorgesehenen Geset- zesartikel im Praxisbezug auf. Was passiert also mit diesen Geschäftsmietverträgen, wenn der Bundesrat, wie im März 2020 geschehen, die ausserordentliche Lage ausruft und damit Betriebe, die nicht zur Grundversor- gung beitragen, zur vorübergehenden Schliessung zwingt? Die ausserordentliche Lage wurde am 27. April 2020 bzw. 1.März 2021 wieder aufgehoben (Bundesamt für Gesundheit [BAG], 2020) dennoch hatten und haben Betriebe in der Folge weiterhin mit einschneidenden Auflagen und Einschränkungen gegen Umsatzeinbrüche und drohende Konkurse zu kämpfen. Der Bund ist darum bemüht, die wirtschaftlichen Folgen der landesweiten Schliessung und Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie so weit wie 1 Gender-Hinweis Aus aktuellem Anlass ist es der Autorin ein Anliegen, die vorliegende Arbeit geschlechtergerecht und -neutral zu verfassen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird auf die gleichzeitige Verwendung der Sprachformen männlich, weiblich und divers (m/w/d) verzichtet. Sämtliche Perso- nenbezeichnungen und personenbezogene Hauptwörter gelten gleichermassen für alle Geschlechter. Die angewandte Sprachform hat lediglich redaktionelle Gründe und beinhaltet keine Wertung. 8
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner möglich abzufedern. Trotzdem wurden und werden zur Bekämpfung der Pandemie weiterhin Massnahmen im öffentlich-rechtlichen Rahmen in Form von Gesetzen, Verordnungen und Rettungspaketen erlassen und geschnürt (BAG, 2020). Für das Verhältnis zwischen Mietern und Vermietern wurde im Frühjahr 2020 vom Bund eine Task Force „Mietrecht und Corona-Krise“ gebildet, um die Schlüsselakteure (Interessenver- bände der Vermieter und Mieter, Immobilienwirtschaft, Gewerbe und Kantone sowie Städte und Bundesbehörden) an einen Tisch und damit in den Dialog zu bringen (Monitoring BWO, 2020, S. 6). Im Oktober 2020 wurde dazu ein Monitoring-Bericht über die Geschäftsmieten im Auftrag des Bundes veröffentlicht. Aufgrund der Resultate kam der Bundesrat zum Schluss, dass es wenig Hinweise für umfassende und flächendeckende Schwierigkeiten zur Beglei- chung der Geschäftsmieten gab und sah folglich keinen Grund zur Ergreifung von Massnah- men für Mietverhältnisse (S. 4). Dies insbesondere auch deshalb, weil der Bund sich bewusst nicht in die privatrechtlichen Verhältnisse einmischen wollte (S. 7). Seitens Bund hatten Mieter also kaum Hilfe zu erwarten. Nichtsdestotrotz stehen dem Mieter rechtliche Wege offen, um allenfalls Mietzinsanpassungen mit dem Vermieter zu vereinbaren. Welche Grundlagen das sind und in welchem Umfang man sich aufgrund dessen einigen kann, hat diese Arbeit zum Ziel. 1.2 Fragestellung und Zielsetzung Die zentrale Forschungsfrage orientiert sich an der privaten Rechtssetzung bei Geschäftsmie- ten, insbesondere zu Krisenzeiten und lautet „Wie sieht die Rechtslage aus und welche An- sprüche können daraus geltend gemacht werden?“. Daraus ergeben sich folgende Teilfragen: - Frage 1: Wie gross ist die Veränderung der effektiv bezahlten Mietzinse im Vergleich zu den vertraglich vereinbarten Mietzinsen? - Frage 2: Wie häufig mussten Mietverträge vorzeitig gekündigt werden? - Frage 3: Welche Beweggründe haben die Eigentümer für oder gegen die Anwendung von Mietzinsanpassungen? Welche Erfahrungen haben sie im Zuge von COVID-19 gemacht? 1.2.1 Aufbau der Arbeit Die Arbeit ist grundsätzlich in Einleitung, theoretische Grundlagen, Methodik, Auswertung so- wie Ausblick und Diskussion gegliedert. Die Einleitung stellt die thematische Einführung und geht auf die Leit- bzw. Forschungsfragen sowie die Ziele der vorliegenden Arbeit ein. Es folgt eine sachliche und zeitliche Abgrenzung der Ausgangslage. Im Kapitel der theoretischen Grundlagen wird der aktuelle Stand der Pandemie und die in der Lehre und Rechtsprechung diskutierten Rechtsgrundlagen zu möglichen Herabsetzungsansprüchen aus Geschäftsmiet- verträgen handelt. Im anschliessenden Methodenkapitel wird das methodische Vorgehen be- schrieben. Es wird erläutert, wie die qualitative Inhaltsanalyse zur Datenextraktion und das leitfadengeführte Experteninterview zur Beantwortung der Forschungsfragen durchgeführt und ausgewertet wurden. Das vierte Kapitel dieser Arbeit liefert Antworten auf die Fragen nach der Höhe der gewährten Mietzinserlasse und die Beweggründe und Erfahrungen der Vermieter und Eigentümer im Zusammenhang mit der Pandemie. Es wird ausserdem die Frage nach frühzeitigen Beendigungen der Mietverhältnisse aufgrund der Pandemie beantwortet. Im letz- ten Kapitel werden die wichtigsten Erkenntnisse nochmals kurz zusammengefasst und bewer- 9
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner tet. Dabei steht die Frage im Fokus, inwieweit die eingangs gestellten Forschungsfragen be- antwortet werden konnten. Im Fazit werden abschliessend Handlungsempfehlungen ausge- sprochen und im Ausblick Grenzen der vorliegenden Arbeit und etwaige Folgefragen aufgear- beitet. 1.2.2 Abgrenzung Geschäftsmieten Die vorliegende Arbeit untersucht ausschliesslich die Handhabung von Mietzinsanpassungen bei Geschäftsmieten, d.h., bei Mietverträgen mit Gewerbenutzung. Das Bundesgericht defi- niert den Begriff des Geschäftsraumes wie folgt: „Unter Geschäftsraum ist jeder Raum zu ver- stehen, der dem Betrieb eines Gewerbes oder im weiteren Sinne der Ausübung einer berufli- chen Tätigkeit dient…“ (BGE 124 III 108 E. 2b; BGE 118 II 40 E. 4.). Folglich fallen folgende Hauptnutzungen unter den Begriff der Geschäftsräume: - Verkauf - Büro - Gewerbe und Industrie - Gastronomie/Hotel - Gesundheit - Freizeit/Kultur/Bildung - Lager Berücksichtigt werden auch gemischt genutzte Liegenschaften, also zum Beispiel eine Lie- genschaft mit Gewerbeflächen im EG und Wohnungen in den oberen Stockwerken. Die reine Wohnnutzung steht daher nicht im Fokus dieser Arbeit, teilweise wird die Wohnnutzung als Vergleichswert hinzugezogen und beleuchtet. 1.2.3 Abgrenzung Zeitraum Corona-Pandemie Die vorliegende Arbeit richtet ihren Fokus auf die Corona-Pandemie, die bis zum Zeitpunkt der Verfassung im Zeitraum weiter anhält. Die behandelte Thematik stellt damit ein „moving target“ dar. Dies hat zur Folge, dass sich Sachverhalte und Erkenntnisse oder Meinungen immer noch ändern können. Es wird versucht, diesem Umstand im vorliegenden Werk so gewissenhaft und genau wie möglich Rechnung zu tragen. Daher werden die Geschehnisse, die in dieser Arbeit beschrieben werden, jeweils in eine definierte und abgegrenzte Zeitachse eingeordnet. Nachfolgend werden die Phasen der Pandemie und der damit einhergehenden Einschränkun- gen aufgezeigt und definiert. Sie stellen einen direkten Bezugsrahmen für diese Arbeit dar. Sämtliche Kapitel bewegen oder beziehen sich auf diese definierte Zeitachse und Phasen oder die Zeit vor Corona. Tabelle 1: Übersicht der Phasen während der Corona-Pandemie (eigene Darstellung) Phase 1 Phase 2 Phase 3 Phase 4 Phase 5 Phase 6 Phase 7 Phase 8 Phase 9 Phase 10 Start 17.03.20 27.04.20 11.05.20 08.06.20 01.08.20 19.10.20 22.12.20 18.01.21 01.03.21 19.04.21 Ende 26.04.20 10.05.20 07.06.20 31.07.20 18.10.20 21.12.20 17.01.21 28.02.21 18.04.21 31.05.21 10
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Phase 1: 17.03. bis 26.04.20 1. Lockdown; Betriebsschliessungen von Einrichtungen, die nicht der Grundversorgung die- nen, Freizeiteinrichtungen, Fernunterricht in Schulen, Home-Office-Pflicht, Veranstaltungsver- bot, Teilschliessung der Grenzen zu Italien, Deutschland, Österreich und Frankreich Phase 2: 27.04. bis 10.05.20 Erste Lockerungsschritte von bestimmten Läden (Baumärkte, Gärtnereien) und Dienstleister mit persönlicher Erbringung (Coiffeur, Massage, Kosmetik) unter Einhaltung eines Hygiene- Schutzkonzeptes Phase 3: 11.05. bis 07.06.20 Wiedereröffnung von Läden, Märkten, Restaurants und Museen unter Einhaltung eines Hygi- ene-Schutzkonzeptes Phase 4: 08.06. bis 31.07.20 Veranstaltungen mit zuerst 300 Personen und später 1‘000 Personen werden wieder zugelas- sen, Wiedereröffnung von Nachtklubs und Freizeitbetrieben, Grenzöffnungen, Aufhebung Home-Office-Empfehlung, Anordnung der Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr Phase 5: 01.08. bis 18.10.20 Ausweitung der Maskenpflicht gefolgt vom 2. Lockdown mit erneuten Betriebsschliessungen inkl. Freizeiteinrichtungen (Restaurants, Bars, Geschäfte, Märkte, Museen, Bibliotheken, Frei- zeit- und Sportzentren) Phase 6: 19.10. bis 21.12.20 Verlängerung des Lockdowns und Umstellung von Home-Office-Empfehlung auf Home- Pflicht, Ausweitung der Maskenpflicht Phase 7: 22.12. bis 17.01.21 Impfstart mit Personen über 75 Jahre, Bundesrat beschliesst Verlängerung des Lockdowns und weitere Massnahmen Phase 8: 18.01. bis 28.02.21 Neue/strengere Massnahmen treten in Kraft, unter anderem die Umstellung der Home-Office Empfehlung auf Pflicht, Schliessung von Läden des nicht-täglichen Bedarfs Phase 9: 01.03. bis 18.04.21 Wiedereröffnung von Läden, Museen, Bibliotheken, Aussenbereich von Freizeit- und Sportan- lagen Phase 10: 19.04. bis 31.05.21 Öffnung der Restaurantterrassen, kulturelle und sportliche Veranstaltungen mit Einschränkun- gen wieder möglich, Aufhebung Home-Office-Pflicht und Maskenpflicht Aussenbereich (Moni- toring BWO 2, 2021, S. 5); TOP-Medien, 2021; (Der Bundesrat, 2021). 11
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner 2 Theoretischer Hintergrund In diesem Kapitel wird die Schweizer Wirtschaftslage im Allgemeinen und die immobilienwirt- schaftliche Lage im Speziellen während der Pandemie erörtert. Es werden Veränderungen, Folgen und Auswirkungen aufgezeigt, die sich nicht zuletzt als Folgen auch auf die Geschäfts- mietzinse auswirken. Das Kapitel zeigt auf, welche Möglichkeiten den Mietern aufgrund der verordneten Betriebsschliessungen offenstehen und wie die daraus resultierenden Erfolgs- chancen einzuschätzen sind. 2.1 Wirtschaftliche Situation und Auswirkungen der Pandemie 2.1.1 Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen in der Schweiz Zu Beginn der Corona-Pandemie und während des ersten Lockdowns war die Unsicherheit immens und so wurden auch entsprechend pessimistische Prognosen bezüglich der Entwick- lung von Mietausfällen und dem Gewerbesterben veröffentlicht. Dabei war die Einschätzung sowohl von Verbänden, den betroffenen Unternehmen selbst aber auch vom Bund oder unab- hängigen Beratungsunternehmen verhalten. Wirtschaftsentwicklung unter Corona Wüest Partner rechnet zu Beginn der Corona-Krise mit rund 875'000 vollzeitäquivalent Be- schäftigten, die aufgrund der behördlichen Anordnung nicht ihrer gewohnten Beschäftigung nachgehen können. Dies entspricht rund einem Fünftel Gesamtbeschäftigung (in VZÄ) (Schl- äpfer & Schnorf, 2021). Im Nachhinein ist klar: Die Arbeitslosenquote ist gestiegen, die Kurz- arbeit-Gesuche schnellten in die Höhe und verharrten auf einem Rekordhoch. Der Detailhan- del war aufgrund der angeordneten Schliessung stark getroffen und verzeichnete im April ei- nen Rückgang des Umsatzes um 20 Prozent, verglichen zum Vormonat. Kinos, Museen, Bib- liotheken und weitere Betriebe mussten aufgrund der Verordnung schliessen und geschlossen bleiben (regiosuisse, 2021). Auch die Gastronomie wurde hart getroffen und fand sich plötzlich in existentieller Notlage wieder. Zwischen dem 28. Februar und dem 12. März 2020 verzeich- nete die Gastro-Branche allein eine Umsatzeinbusse von CHF 382.2 Mio., was einem Drittel der gewöhnlichen Umsätze entspricht. Der Umsatz der Hotellerie brach gar um 45 Prozent ein, was bis Ende März einem Umsatzrückgang von CHF 450 Mio. entspricht (HotellerieSu- isse, o. D.). Insgesamt waren rund 77 Prozent der Selbständigerwerbenden negativ von der Corona-Krise betroffen, indem sie den Betrieb entweder komplett schliessen mussten oder der Umsatz zurückgegangen oder gar auf null gefallen ist (Deloitte AG, 2020). Erwartete das SECO Anfang 2020 noch ein Wirtschaftswachstum von 1.7 Prozent, sanken die Erwartungen im Mai 2020 auf -6.7 Prozent Wachstum. Zum Vergleich: Während der Finanzkrise im Jahr 2009 betrug der Rückgang der Wachstumsrate «lediglich» -1.9 Prozent (Eliasson, 2020). 12
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Folgen der Pandemie auf dem Arbeitsmarkt Die genannten wirtschaftlichen Folgen aufgrund des Virus zwingen unzählige Unternehmen nicht zuletzt dazu, auf Kurzarbeit oder reduzierte Arbeitszeiten umzustellen, um trotzdem wirt- schaftlich operieren und Arbeitsplätze erhalten zu können. Bei verordneter Kurzarbeit erhält der Beschäftigte für den Arbeitsausfall eine Kurzarbeitsentschädigung in Höhe von 80 Prozent des wegfallenden Lohnes. Die Ausfallstunden werden durch die Arbeitslosenkasse vergütet (Schweizerische Bundeskanzlei Sektion Kommunikation, o. D.). Im Zuge der Pandemie hatte der Bund das Verfahren zur Anmeldung von Kurzarbeit vereinfacht sowie die Bezugsdauer von 12 Monaten auf zuerst 18 Monate und im Juni 2021 auf 24 Monate erhöht (Staatssekre- tariat für Wirtschaft SECO, 2020). Bis Januar 2021 waren oder sind zum Teil immer noch fast zwei Millionen Arbeitnehmer von Kurzarbeit betroffen (Kälin & Bucher, 2021). Veränderungen im Konsum- und Zahlungsverhalten Die Ladenschliessungen und Umstellung auf Kurzarbeit haben sich auch direkt auf das Kon- sum- und Zahlungsverhalten der Schweizer ausgewirkt. Die Möglichkeiten zum Geldausgeben waren während den beiden Lockdowns trotz Onlineshopping schlicht eingeschränkt. Die Cre- dit Suisse hat festgestellt, dass die Sparquote während des ersten Lockdowns fast doppelt so hoch war, wie noch vor den Betriebsschliessungen (Credit Suisse AG, 2021). Die Nachfrage nach der Grundversorgung erhöhte sich stark, da Lebensmittelläden weiter geöffnet blieben und die Bevölkerung viel Zeit zu Hause und allem Anschein nach ins Kochen und Essen in- vestierte. Daneben profitierten auch der Onlinehandel und Direktvertrieb massiv von der Pan- demie. 2020 wuchs der E-Commerce-Konsum in der Schweiz um CHF 2.8 Milliarden und da- mit um 27 Prozent (GFK Switzerland AG, Onlinehandel, Direktvertrieb, 2021). Der Zuwachs verwundert nicht, wurde ab Frühling 2020 fast ausnahmslos alles für den täglichen Bedarf, aber auch für Heim und Hobby online bestellt. So zum Beispiel Alkohol, Kosmetika, Balkon- oder Gartenbepflanzung inkl. Zubehör, Unterhaltungselektronik und -medien bis hin zu Sportequipment und Geräte. Das neue online Konsumverhalten machte sich sodann auch im Zahlverhalten bemerkbar: Bargeld als bis dahin wichtigstes Zahlungsmittel wird in den (Grundversorgungsläden) von Debit- und Kreditkarten und kontaktlosen Zahlungsvarianten wie TWINT verdrängt. 2.1.2 Auswirkungen auf den Immobilienmarkt Der Immobilienmarkt reagiert grundsätzlich zeitversetzt auf Veränderungen, da der Bau von neuen Wohnungen aufgrund gesteigerter Nachfrage nicht von heute auf morgen umgesetzt werden kann. Trotzdem hängen die Auswirkungen der Krise im Immobilienmarkt vor allem von der Nutzung der Liegenschaft ab (Martel, 2020). 2.1.2.1 Wohnliegenschaften Die Rezession hatte einen negativen Effekt auf die Zuwanderung, sodass die Bildung von neuen Haushalten schwächer ausfällt als üblich. Nicht zuletzt bleiben junge Menschen auf- grund der aktuellen Krise vielleicht etwas länger im Elternhaus, als sich direkt eine WG oder eine eigene Wohnung zu suchen. Durch diese Umstände werden leerstehende Wohnungen weniger schnell absorbiert und bleiben länger leer. Durch die tiefere Zuwanderung wird dieser Umstand jedoch neutralisiert, sodass die Leerstandsquote für Mietwohnungen erwartungsge- mäss stabil blieb. Nicht zuletzt sorgt die Möglichkeit der Kurzarbeit dafür, dass Mieter ihren Lohn auch weiterhin erhalten und die Miete dadurch bezahlen können. Die Mietpreise bzw. 13
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Angebotspreise sanken aufgrund der anhaltenden Neubautätigkeit bei gleichzeitig rückläufiger Nachfrage leicht (Wüest Partner, Immo-Monitoring, 2020, S. 30). 2.1.2.2 Geschäftsliegenschaften Auf Geschäftsliegenschaften hatte die Krise einen deutlich stärkeren Einfluss. Durch die Schliessung der Läden und damit einhergehenden Umsatzeinbussen war zu erwarten, dass der Strukturwandel insbesondere im Detailhandel, aber auch bei Büroflächen deutlich mehr Druck aufbaute. Die Nachfrage nach Büroflächen würde aufgrund der Umorganisation ins Home-Office zurückgehen und mehr Gewerbeflächen würden aufgrund von zahlreichen Kon- kursfällen leer stehen, so die allgemeine Erwartung (Eliasson, 2020). 2.1.2.3 Folgen der Pandemie Das Beratungsunternehmen Ernst & Young hat im April 2020 eine Umfrage zu den Auswir- kungen des Coronavirus auf den Immobilienmarkt mit verschiedenen Teilnehmern gemacht. Befragt wurden sowohl institutionelle wie auch private Investoren, Dienstleistungsgesellschaf- ten, Immobilien-AG und Banken und Projektentwickler. Die Teilnehmer der Umfrage standen der Entwicklung des Investmentvolumens kritisch gegenüber. Die Mehrheit der Befragten er- wartetet, dass das Volumen sinkt. Bei einer Umfrage im Oktober 2019 für den Trendbarometer war die Mehrheit der Investoren noch der Meinung, dass das Volumen weiter zunimmt (Ernst & Young, 2020, S 8). Während die befragten Immobilienakteure bei Wohnimmobilien von einer stabilen Preisentwicklung ausgingen (Ernst & Young, 2020, S. 10), wurden im Detailhandel und bei Hotels stark sinkende Preise erwartet (Ernst & Young, 2020, S. 11 f.). Aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie erwartete die Mehrheit der Umfrageteil- nehmer ausserdem, dass Mietzinsausfälle zunehmen werden (Ernst & Young, 2020, S. 14). 2.1.3 Strukturanalyse der Geschäftsmieten Mit der Frage nach der Betroffenheit bei Geschäftsmieten aufgrund des vom Bundesrat ver- ordneten Lockdowns im März 2020 beschäftigte sich auch der Bund selbst und liess daraufhin eine umfassende Strukturanalyse zur Situation der Geschäftsmieten infolge der Covid-19- Pandemie anfertigen. Der Bericht hält fest, dass das jährliche Volumen an fälligen Geschäfts- mieten schätzungsweise 24 Milliarden Franken beträgt und sich auf rund 390’000 Mietverträge verteilt (Monitoring BWO, 2020, S. 10). Betroffen von den Schliessungsmassnahmen während dem Frühling 2020 waren laut einer Einschätzung von Wüest Partner rund 113‘000 Mietver- träge, was 29 Prozent aller Geschäftsmietverträge entspricht. Am stärksten betroffen sind da- bei die Branchen persönliche Dienstleistung (95%), Gastronomie (81%), Beherbergung (61%) und der Detailhandel (58%) (Monitoring BWO, 2020, S. 4). Weiter analysierte Wüest Partner die Mietzinsen vom diesen betroffenen Geschäftsmietverträgen. Zwischen dem 17. März und dem 26. April 2020 beliefen sich die Mietzinse auf monatlich CHF 530 Mio., per Ende Juli, in der 4. Phase des Lockdowns, summiert sich der Betrag auf CHF 1.15 Mia. (Monitoring BWO, 2020, S. 13). 2.1.3.1 Auswirkungen auf die Geschäftsmieten Während des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 herrschten insgesamt die striktesten Mas- snahmen, was sich unmittelbar in der Betroffenheit der Geschäftsmieten auswirkte. Laut dem ersten Monitoring Bericht über Geschäftsmieten vom Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) war rund ein Drittel des gesamten Geschäftsmieten-Mietzinsvolumens damals von den Ein- schränkungen betroffen. Während der ersten Phase bedeutet dies, dass rund 113‘000 der total 14
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner 390‘000 Geschäftsmietverträge betroffen waren. Das entspricht einem Miet- und Pachtzinsvo- lumen von monatlich rund CHF 530 Millionen. Das Gastgewerbe sowie Gewerbe und Verlaufs- flächen waren dabei am stärksten betroffen (2020, S. 11). Im Juni 2021 hat das BWO den zweiten Teil des Monitoring Berichts über Geschäftsmieten veröffentlicht. Der Bericht stellt die Fortsetzung des ersten Berichts, publiziert im Oktober 2020, dar und liefert weitere Erkenntnisse über die Betroffenheit der Geschäftsmieten, insbe- sondere auch während des zweiten Lockdowns vom 18. Januar bis 28. Februar 2021. In dieser Phase waren rund 48‘000 Mietverhältnisse im Umfang von CHF 320 Mio. an Mietzinsvolumen von den Einschränkungen betroffen. Folglich fiel die Betroffenheit an Mietverhältnissen und Mietzinsvolumen gegenüber dem 1. Lockdown zwar kleiner aus, die Betriebe waren insgesamt aber länger von den Einschränkungen betroffen (Monitoring BWO 2, 2021, S. 3). Die erste Phase der Pandemie dauerte 40 Tage, die massnahmenintensiven Phasen 7 bis 9 dauerten zusammen 115 Tage. Weder im ersten noch im zweiten Bericht noch in anderen Quellen gab es Hinweise oder Überlegungen zur Höhe der effektiv erlassenen Mietzinse aufgrund der Be- triebsschliessungen. 2.1.3.2 Umfrage Geschäftsmieter und -vermieter Im zweiten Bericht wurden die aktuellen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung von Ge- schäftsmieter und -vermieter durch das Forschungsinstitut gfs.bern publiziert. Nachfolgend wird auf die Ergebnisse aus der Studie eingegangen. Zwischen April 2020 und Mai 2021 nahmen 1‘728 in der Schweiz ansässige Firmen teil, die direkt von den Betriebsschliessungen betroffen waren. Der Grossteil der Unternehmen (71%) die ihre Geschäftsräume mieten, gab an, 2020 Umsatzeinbussen erfahren zu haben. Bei der Hälfte der befragten Unternehmen betrug die Umsatzeinbusse mehr als 20 Prozent. Noch vor Ausbruch der Pandemie gab die Mehrheit der Mieter an, gar keine Schwierigkeiten hinsichtlich Mietzinszahlungen zu haben (gfs.bern ag, 2021, S. 4). Im Laufe der Pandemie halbierte sich die Zahl der Betroffenen, die gar keine Schwierigkeiten mit der Bezahlung der Miete hatten. Der Anteil an Unternehmern, die bereits vor der Pandemie Mühe hatten, ihre Miete zu bezah- len, hat sich fast vervierfacht (Abbildung 1). Es konnte dabei keine Korrelation zwischen Un- ternehmensgrösse und Ausprägung der Zahlungsschwierigkeit festgestellt werden (S. 17 f.). Abbildung 1: Schwierigkeiten Mietzahlungen im Verlauf der Pandemie (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 18): 15
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Situation der Vermieter Vermieterseitig häuften sich die Meldungen über Probleme bei der Mietzahlung. Die Anzahl Unternehmer, die Geschäftsräume vermieten und mit verspäteten Mietzinszahlungen konfron- tiert wurden, war um 7 Prozentpunkte grösser als noch vor der Pandemie (Abbildung 2). Ein ähnliches Bild zeichnete sich auch bei den Mietausfällen ab (Abbildung 3). Vor dem Lockdown waren 11 Prozent der Vermieter mit Mietausfällen konfrontiert, zwischen dem ersten und zwei- ten Lockdown stieg die Betroffenheit auf 14 Prozent an, seit dem Ende des zweiten Lockdowns liegt der Anteil bei bereits 17 Prozent. Der Anteil ist allerdings auch abhängig von der Sprach- region, so ist es im Tessin bereits vor der Pandemie üblicher, das Geschäftsmieten verspätet beglichen werden (Abbildung 4). Das Zahlungsverhalten und die ausfallenden Mietzinse zäh- len zu den häufigsten Gründe, weshalb die Verluste der Unternehmen seit Juni 2021 deutlich zugenommen haben. Noch vor einem Jahr betrug bei der Mehrheit der Befragten (54%) der Verlust noch maximal CHF 10‘000. Im April 2021 geben die Hälfte der Unternehmen bereits an, dass sie CHF 10‘000 oder mehr an Verlust zu verbuchen hätten (Abbildung 5) (S. 19 ff.). Abbildung 2: verspätete Mietzahlungen im Verlauf der Pandemie (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 21) Abbildung 3: Mietausfälle im Laufe der Pandemie (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 22) 16
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Abbildung 4: verspätete Mietzahlungen im Verlauf der Pandemie nach Sprachregion (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 23) Abbildung 5: Verluste durch verzögerte oder ausbleibende Mietzahlungen seit Beginn Lock- down (Quelle: gfs.bern, 2021, S. 24) Vereinbarung zwischen Mieter und Vermieter Knapp die Hälfte der Mieter gab an, dass sie selbst aktiv wurden und auf die Vermieter hin- sichtlich eines Entgegenkommens zugegangen sind, oder aber vom Vermieter mit einem An- gebot kontaktiert wurden. Von den betroffenen Mietern geben 47 Prozent an, dass sie im Zeit- raum vom Herbst 2020 bis Frühling 2021 hinsichtlich Mietzinsabsprache keinen Kontakt hat- ten. Ein kleiner Anteil (4%) befand sich zum Zeitpunkt der Erhebung in Verhandlungen (Abbil- dung 6). Insgesamt wurde etwa jedes dritte Unternehmen, die Flächen vermieten, zwischen 17
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Herbst 2020 und Frühling 2021 um ein Entgegenkommen der Miete angefragt und ging auch auf die Anfrage ein. Etwas mehr als jeder zehnte Vermieter ist von sich aus aktiv auf die Mieter zugegangen, um ein Angebot zu machen (Abbildung 7) (S. 25 ff.). Das Entgegenkommen, egal ob vom Mieter angefragt oder vom Vermieter ausgehend, ist dabei bei einem Grossteil (65% resp. 77%) der Vereinbarungen an keine Bedingungen geknüpft (S. 29). Falls die Ver- einbarung doch mit Bedingungen verknüpft war, so handelt es sich vermieterseitig um Rabat- tierung der Miete (29%), Allgemeines (21%), Stundungen (16%), Mietzinserlassen (15%), Ver- tragsanpassungen (6%) oder Vereinbarung einer Rückzahlung (4%) oder Anpassung der Miete (1%) (S. 30). Am häufigsten einigte man sich auf eine Mietreduktion (S. 31), welche in der Regel zwischen 21 und 50 Prozent der üblichen Monatsmiete entsprach. In 14 Prozent wurde ein geringerer Erlass ausgehandelt, bei 15 Prozent lag die Reduktion bei einem Umfang der Reduktion bei 51 bis 99 Prozent des Mietzinses. Bei rund 13 Prozent wurde der Mietzins ganz erlassen (Abbildung 8). Es konnte keine Korrelation zwischen Unternehmensgrösse oder Sprachregion und der Höhe der Mietzinsreduktion festgestellt werden (S. 31 f.) Abbildung 6: Entgegenkommen bei Miete durch Vermieter (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 25) Abbildung 7: Angebot an Mieter betreffend Entgegenkommen bei Mietzahlung (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 28) 18
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner Abbildung 8: Mietzinsreduktion während des Lockdowns in Prozent (Quelle: gfs.bern ag, 2021, S. 32) 2.1.4 Erste Trends zeichnen sich ab Gut ein Jahr später, beim Verfassen dieser Arbeit, lassen sich diese Prognosen relativ einfach bestätigen oder widerlegen. Die Preisentwicklung der Wohnliegenschaften bliebt tatsächlich stabil und scheint damit krisenresistent. Die Preisentwicklungen in den betroffenen Branchen, Detailhandel und Beherbergung (Hotel), war dagegen negativ, wenn auch nicht so stark wie angenommen. Auch kam es vermehrt zu Mietzinserlassen, ob und in welchem Umfang diese sich jedoch von den üblichen Mietzinsausfällen unterscheiden, ist Gegenstand dieser Arbeit und wird in Kapitel 4 beantwortet. Zunächst werden im folgenden Abschnitt die gesetzlichen Grundlagen von Mietverträgen und die Anspruchsgrundlage für Mietzinserlasse aufgrund der Covid-Pandemie erläutert. 2.2 Offene Rechtsfragen in Bezug auf Mietverhältnisse während der Pan- demie Mit der Ausrufung der ausserordentlichen Lage durch den Bundesrat und den damit einherge- henden Betriebsschliessungen kam bald die Diskussion über die Handhabung fälliger Miet- zinse auf, die aufgrund der fehlenden Einnahmen nicht mehr bezahlt werden konnten. Je nach Tätigkeit und Möglichkeit des Gewerbes verschob sich das geschäftliche Tun in den Online- shop oder per Lieferdienst nach draussen, so dass personelle Ressourcen weiterhin benötigt und mittels Kurzarbeit auch gehalten werden konnten (näher erläutert in Kapitel 2.1.1). Oft lagen die Gewerbeflächen, insbesondere Verkaufsflächen, dabei aber komplett brach. Es stellte sich daher zunehmend die Frage, was mit den gemieteten aber zwangsläufig ungenutz- ten Gewerbeflächen und dem geschuldeten Mietzins geschehen soll. Zur einfacheren und korrekten Einordnung der Problemstellung und Fragen sollen zunächst die Grundlagen der Miete bzw. Geschäftsmiete erörtert werden. Danach werden die rechtli- chen Eigenschaften von Geschäftsmieten dargelegt, welche im Zusammenhang mit Vertrags- bzw. Mietzinsanpassungen während des Lockdowns von Relevanz sind. 19
Bachelor Thesis „Das Schicksal der Geschäftsmieten in Krisenzeiten“ Larissa Bryner 2.2.1 Grundlagen der Geschäftsmieten nach Art. 253 ff. OR Bei der Miete verpflichtet sich der Vermieter dem Mieter eine bewegliche oder unbewegliche Sache zum Gebrauch zu überlassen und erhält dafür vom Mieter einen Mietzins (Art. 253 OR). Mietverträge bedürfen in der Schweiz im Rahmen der Vertragsfreiheit keine feste Form und können daher auch mündlich abgeschlossen werden. Mietsache Als Mietsache sollte der Vertrag alle gemieteten Räumlichkeiten und deren Nutzung festhalten. Ferner wird auch festgehalten, ob und in welchem Umfang der Mieter einen Anspruch auf Nebenräume (Estriche, Kellerabteile, Parkplätze, Waschküchen) hat und welche diese konkret sind. Mietdauer Nach Art. 255 OR können Mietverträge entweder auf bestimmte oder unbestimmte Zeit abge- schlossen werden. Diese Modalität ist insbesondere bei der Beendigung des Mietverhältnisses wichtig, da bei unbestimmter Dauer eine Kündigung regelmässig notwendig ist, wohingegen bei bestimmter Mietdauer der Mietvertrag per vereinbarte Dauer abläuft. Mietzins Im Mietvertrag werden ausserdem die Höhe des fälligen Mietzinses und der Nebenkosten so- wie die Zahlungsmodalitäten (beispielsweise monatliche oder quartalsweise Bezahlung) be- stimmt. Umsatzmiete Der Mietzins kann ganz oder teilweise als Umsatzmiete entrichtet werden. Dabei hängt die Höhe des Mietzinses vom Umsatz des Betriebes ab. Die Umsatzmiete wird im Gesetz nicht gesondert geregelt. Üblicherweise wird eine feste Basismiete vereinbart, die durch die variable Umsatzmiete ergänzt wird (Attenhofer, 2020). 2.2.2 Darlegung der geltenden Rechtsordnung Schweizer Juristen sind sich uneinig, welche Ansprüche den Mietparteien während den amt- lich angeordneten Betriebsschliessungen zustehen. Aus diesem Grund wurden in diesem Zu- sammenhang verfasste Gutachten analysiert und eingeordnet. Die existierenden Rechtsgut- achten befassten sich dabei insbesondere mit drei Fragen: - Stellte der verordnete Lockdown einen Mangel am Mietobjekt dar, aus dem Ansprüche auf eine Mietzinsreduktion erwachsen oder - führte der Lockdown gar zu einer objektiven Unmöglichkeit der Vertragserfüllung, wodurch eine Kündigung aus wichtigem Grund erfolgen kann oder - die clausula rebus sic stantibus (nachträgliche Vertragsanpassung) geltend gemacht werden könnte. Mögliche Ansprüche resultieren damit aus der (Un-)Möglichkeit der Vertragserfüllung der Miet- sache, einem Mangel am Mietobjekt und einer nachträgliche Vertragsanpassung. Die drei ver- schiedenen Lösungsansätze werden nachfolgend dargelegt, eingeordnet und auf ihre An- wendbarkeit und Erfolgschancen hin kritisch hinterfragt. 20
Sie können auch lesen