Der lange Schatten der Corona-Krise - apoBank

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Der lange Schatten
der Corona-Krise.
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Der lange Schatten der Corona-Krise.

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Die Deutsche Apotheker- und Ärztebank eG (im Folgenden auch apoBank genannt), Düsseldorf, wird beaufsichtigt
durch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), Graurheindorfer Straße 108, 53117 Bonn und Ma-
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Diese Publikation beruht auf von uns nicht überprüfbaren, allgemein zugänglichen Quellen, die wir für zuverlässig hal-
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Nachdruck nur mit Genehmigung der apoBank.

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Auf ein Wort.                                          4
Krisen gelassen meistern.                              6
Kühlen Kopf in allen Marktphasen bewahren.              6
Krisen bedeuten noch lange keinen Totalverlust.         8
Diversifikation kann mehr als man denkt.               10
Wie die Konjunktur die Geldanlage beeinflusst.         12

Die großen Trends.                                     14
Globalisierung im Wandel.                              14
Digitalisierung mit viel Schwung.                      16
Strukturwandel mit neuer Facette.                      18
Verschärfung der Ungleichheit.                         20
Rückkehr des starken Staates.                          22
Staatsschulden und der Pakt mit den Zentralbanken.     24
Europa als Schicksalsgemeinschaft.                     26
Populismus auf Abwegen.                                28

Schlussfolgerungen für Anleger.                        30
Vermögensanlage in der Niedrigzinsepoche.              30
Richtig aufgestellt für die Wachstumsdivergenz.        32
Häusermarkt mit blauem Auge durch die Krise.           34
Nachhaltigkeit für eine nachhaltige Wertentwicklung.   36
Untätigkeit als unterschätztes Risiko.                 38

Das Wichtigste im Überblick.                           40

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Der lange Schatten der Corona-Krise.

Auf ein Wort.
Liebe Leserinnen und Leser,
2020 begann vielversprechend. Vieles deutete auf eine Fortsetzung der
erfreulichen Trends der letzten Jahre in der Wirtschaft und an den Kapital-
märkten hin. Bis plötzlich im Januar, zunächst nur in China, ein mysteriö-
ses Virus für Unruhe sorgte. Ohne Medikation und ohne Präventionsmög-
lichkeit blieb physische Isolation die einzige Prophylaxe und „Therapie“.
Im autoritären, hochgradig organisierten System Chinas ein wohlfeiler An-
satz, der radikal umgesetzt das gewünschte Ergebnis erbrachte. Aber
dann machte sich Corona auf die Reise um die Welt: Eine enorme Heraus-
forderung für nicht zentralistisch organisierte politische Systeme und ein
Super-Gau für die Wirtschaft. Was dann folgte, war die zwangsläufige
Entwicklung, die „Corona-Pandemie“ zum „Wort des Jahres 2020“ werden ließ.
Es ging ans Eingemachte.
Arbeitsteilung, d. h. Spezialisierung und Güteraustausch, ist der Treiber des globalen Wachstums. Wuchs
die Wirtschaft bis weit in die Renaissance nur mit der Bevölkerungsgröße, so trieben erst technischer
Fortschritt und Handel den Wohlstand pro Kopf in höhere Sphären. Die einzig verfügbare „Therapie“ des
Corona-Virus, der Lockdown, ist gleichzeitig der maximale Angriff auf den Wachstumsmotor der Wirt-
schaft.
Seit März befinden wir uns in einer anderen Welt. Die Aktienmärkte brachen ein. Die Rentenmärkte haus-
sierten. Personenbezogene Dienstleistungen verschwanden teils vollständig. Die Industrieproduktion im-
plodierte.
Dann schlug die Stunde der Politik. Waren die Globale Finanzkrise und ihre Folgen noch vorwiegend von
den Zentralbanken bekämpft worden, so traten jetzt auch die Regierungen entschlossen auf den Plan.
Zunächst legten die Zentralbanken Pandemie-Notfallankaufprogramme für Anleihen auf. Parallel sprangen
die Regierungen mit großzügigen nationalen Maßnahmen ein, um den drohenden Einbruch der privatwirt-
schaftlichen Nachfrage abzufedern. Da auch die Steuereinnahmen pandemiebedingt rückläufig waren,
stiegen die Budgetdefizite exorbitant. Das ist bislang kein Problem, denn der Preis der Staatsschulden ist
nach wie vor weltweit vielfach nahe Null und sank sogar noch in Folge des Konjunkturpessimismus, den
die Pandemie auslöste. Fazit heute: Die Rettung der Welt, gefühlt als „free lunch“, Verschuldung zu Null-
kosten und extreme geldpolitische Expansion ohne Inflation.
Corona erweist sich als Beschleuniger des Strukturwandels, zunächst und immer noch vielfach gnadenlos
unser Alltagsleben aus der Balance bringend. Aber jetzt, nachdem der Nebel sich lichtet, nehmen wir
auch Verbesserungen wahr. Ganz offensichtlich verändert sich gerade die Organisation unseres Arbeitsle-
bens durch Digitalisierung. Homeoffice ist nicht nur leichter umsetzbar als gedacht, sondern erlaubt so-
gar Produktivitätsgewinne. Pendelzeiten reduzieren sich, die Verdichtung der teuren Metropolen steigt

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langsamer, gleichzeitig gewinnen die preiswerteren Ränder wieder an Attraktivität. Dabei erlebt der stati-
onäre Einzelhandel eine Zäsur, während digitale Geschäftsmodelle reüssieren.
„Fridays for future“, bis Pandemiebeginn in aller Munde, vordergründig wie wegradiert. Und dann dahinter
Nachhaltigkeit als Outperformer am Aktienmarkt in 2020, gleichzeitig die Karbonökonomie auf dem
Rückzug. Genauso wie die Verweigerer der Komplexität. Auch wenn wir gleichzeitig eine verschärfte Pola-
risierung der politischen Standpunkte beobachten, zeigten sich gerade auch in der Corona-Debatte die
Stärken konzertierten wissenschaftsbasierten Vorgehens, am besten an der Entwicklung eines Impfstof-
fes, der mit globalen Anstrengungen in Rekordzeit gelang. Und mit der Verabschiedung des Corona-Hilfs-
programms in Brüssel wurde auch noch das erste gemeinsame Schuldeninstrument der EU geschaffen,
eine wesentliche Voraussetzung für die zukünftige Stabilität der Europäischen Union.
Heute, neun Monate später, markieren die Aktienmärkte neue Höchststände. Im Ergebnis zeigt sich, dass
die Komplexität der Pandemie, nicht nur als Bedrohung gefühlt, sondern auch als Herausforderung ver-
standen, an vielen Stellen auch Fortschritt für den Menschen bedeutet. Komplexe Krisen sind immer Ka-
talysatoren, nicht eines simplen „entweder-oder“, sondern eines konsequenten und entschlossenen „so-
wohl-als-auch“. Das gilt nicht zuletzt auch in der Vermögensanlage.
Selbstverständlich treiben Megatrends die Kapitalmärkte; aber diese Trends unterliegen dem Wandel.
Wer eingleisig fährt, gerät leicht ins Hintertreffen. Die großen Gewinner der Digitalisierung, allesamt Oli-
gopole, sind in Gefahr nach der Krise durch Wettbewerbspolitik unter Druck zu kommen. Beim Thema
Nachhaltigkeit, noch vor allem mit Klimaschutz gleichgesetzt, wird der Fokus mehr auf starke Institutio-
nen als Treiber nachhaltigen Wachstums gerichtet werden. Und selbst wenn „Gesundheit“ unbestritten
ein Megatrend ist: Wer hatte zu Beginn des Jahres in BioNTech, CureVac oder Moderna investiert? Und
der Megatrend „Demografie“ könnte der noch weit unterschätzte Treiber der nächsten Inflation sein, und
damit für das Ende des „free lunch“ an den Kapitalmärkten sorgen.
Deshalb bietet als Fundament jeder guten Vermögensanlage ein global diversifiziertes Portfolio weiterhin
die beste Voraussetzung zur Teilhabe an den Chancen der Kapitalmärkte. Wie Ihnen das im Schatten der
Corona-Krise in den nächsten Jahren gelingen kann, möchten wir Ihnen im Folgenden näherbringen.
Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre!
Ihr

Dr. Hanno Kühn | Chief Investment Officer | Deutsche Apotheker- und Ärztebank

apobank.de/hausmeinung                                                                                    |5
Der lange Schatten der Corona-Krise - apoBank
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Krisen gelassen meistern.
Kühlen Kopf in allen Marktphasen bewahren.

/ Kursschwankungen lassen keinen Investor kalt.
/ Emotionales Handeln kostet Anleger viel Rendite.
/ Entscheidungen nicht alleine zu treffen, zahlt sich aus.

                                          Typische Anlegerfehler – (k)eine Frage des Timings.
                                              Die steigen weiter!
                                              Das will ich nicht
                                              verpassen.

                                                               Die Kurse werden
                                                               sich schon wieder                                  KURSVERLAUF
                                                               erholen ...
                                                                                      Die Märkte spielen
                                                                                      verrückt! Die Kurse
                                                                                      steigen mitten in
                                                                                      der Krise?

                                                                                                             Alles wieder so teuer!
                                                                                                             Ich warte lieber noch
                                                                                                                     mit dem Kauf!
                              Die Kurse steigen.
                              Zu spät zum Kauf.

                                                                             Jetzt reicht‘s!
                                                                    Wer weiß, wie schlimm
                                                                          das noch wird...
                                                                             Ich verkaufe!                  Quelle: apoBank
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Anfang 2020 hielten die meisten Anleger die Meldungen über ein neuartiges Corona-Virus noch für ne-
bensächlich und das Problem für ein vorwiegend chinesisches. Der DAX markierte sogar am 17. Februar
noch ein neues Allzeithoch. Nach der Ausbreitung des Virus auch in Europa fielen die weltweiten Aktien-
märkte jedoch schlagartig, und viele Anleger versuchten, durch Verkäufe ihre Verluste zu begrenzen. Dies
rächte sich jedoch, als die Kurse genauso plötzlich wieder anstiegen. Das Auf und Ab der Kurse und der
Emotionen trat während der Corona-Pandemie weder zum ersten noch zum letzten Mal auf. Es lohnt da-
her, über das richtige Verhalten in solchen Situationen nachzudenken.
Anleger können in unruhigen Marktphasen leicht in allerlei Fallstricke tappen, wie wir aus der Finanz-
marktforschung und Psychologie wissen. Einer der schwerwiegendsten Fehler ist das sog. „Timing“, also
der Versuch, den richtigen Zeitpunkt zum Kauf und Verkauf abzupassen. Besonders problematisch wird
dies, wenn die Entscheidung letzten Endes spontan aus einem emotionalen Impuls heraus getroffen wird.
In der Regel resultiert das in einem Kauf nahe dem Hochpunkt des Marktes und Verkauf nahe dem Tief-
punkt. Die Kosten dieses Fehlers für Privatanleger haben zahlreiche Studien versucht zu beziffern, mit
Ergebnissen von meist ca. 2 % Renditeverlust pro Jahr. Dies ist natürlich ein Durchschnitt über viele Anle-
ger und Jahre. Wer mitten in der Corona-Krise, als der DAX kurzzeitig 39 % einbüßte, in Panik geriet und
verkaufte, musste deutlich größere Einbußen hinnehmen.
Anleger sollten sich daher weder von steigenden Kursen zum Kauf noch von fallenden Kursen zum Ver-
kauf von Wertpapieren hinreißen lassen. Stattdessen sollte das Wissen um die attraktive, langfristig er-
zielbare Rendite sowie um die bestehenden Risiken das Fundament für eine durchdachte Anlagestrategie
bilden. Mit einer Strategie, die maßgeschneidert zu der individuellen Risikotragfähigkeit passt, kann jede
Marktphase ohne schlaflose Nächte durchlebt werden. Eine professionelle Vermögensverwaltung stellt
bei der Definition einer solchen Strategie eine große Hilfe dar. Auch sorgt sie für Stetigkeit in den Ent-
scheidungen und beugt voreiligem Handeln vor. Die Übernahme von Aufgaben und das damit verbundene
Umschiffen des „psychologischen Risikos“ stellt einen allzu oft übersehenen Vorteil der professionellen
Vermögensverwaltung dar, leistet der Forschung zufolge aber einen entscheidenden Beitrag zum Anlage-
erfolg.

apobank.de/hausmeinung                                                                                   |7
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Krisen gelassen meistern.

Krisen bedeuten noch lange keinen Totalverlust.

/ Angst vor Totalverlust hält Sparer von Aktienanlagen ab.
/ Auch in Krisen erzielen die meisten Unternehmen Profite.
/ Totalverlust bei Diversifikation ist äußerst unwahrscheinlich.

                  Die meisten Unternehmen machen selbst in Krisenzeiten Gewinne.
                                       Anteil der S&P 500 Unternehmen, die Gewinne bzw. Verluste machten

                                                    23 %
                                           machten Verluste

                          7%
            machten Verluste

                                                                   Corona-Krise
                                                                    2. Quartal
                                                                       2020

                               Globale
                             Finanzkrise
                                2009
                                                                          77 %
                                                                          erzielten Gewinne
                                               93 %
                                               erzielten Gewinne
                                                                              Quellen: Datastream, apoBank

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Eine große Sorge, die viele Sparer vor Aktienanlagen zurückschrecken lässt, ist die Angst vor einem mög-
lichen Totalverlust ihres investierten Kapitals. In der Tat ist das Risiko gerade bei Einzeltiteln auch durch-
aus ernst zu nehmen. Doch wie sieht es bei breit gestreuten Aktienportfolien aus?
Die Kursverluste im Zuge der Ausbreitung des Corona-Virus Anfang des Jahres haben bei vielen Anlegern
die Angst vor Aktien nicht gerade gemildert. Ein genauerer Blick auf die fundamentale Lage der Unterneh-
men offenbart jedoch kein Katastrophenszenario. Zur Illustration soll im Folgenden der weltweit meistbe-
achtete Aktienindex dienen, der US-amerikanische Leitindex S&P 500. Jeder Inhaber von Aktien dieser
500 Unternehmen ist auch Miteigentümer der Unternehmen, inklusive deren Fabrikanlagen, Patente und
vielem mehr. Vor allem sind Aktieninhaber zur Beteiligung an den Gewinnen berechtigt, und diese Ge-
winne rissen auch im Jahr der Corona-Krise nicht ab. Selbst im zweiten Quartal 2020, in dem die Corona-
Pandemie und die eingeleiteten Gegenmaßnahmen sich am stärksten in den Unternehmensergebnissen
niederschlugen, konnten 77 % der Unternehmen weiterhin Quartalsgewinne erzielen. Die Profite waren
natürlich bei den meisten, wenn auch nicht allen, niedriger als vor der Krise. Allerdings waren nur 23 %
der Unternehmen in diesem Quartal unprofitabel. Obendrein stiegen die Gewinne im folgenden dritten
Quartal bei den meisten Unternehmen bereits wieder. Auch in anderen Krisen zeigte sich ein solches Bild.
Im Zuge der Globalen Finanzkrise von 2007 bis 2009, die oft als Jahrhundertkrise bezeichnet und mit der
Weltwirtschaftskrise von 1929 verglichen wird, war ein Großteil der börsennotierten Unternehmen weiter-
hin profitabel. Beim S&P 500 lag der Anteil der Unternehmen mit positivem Jahresüberschuss 2009 bei-
spielsweise bei 93 %. Und selbst die wenigen, die keinen Gewinn erwirtschafteten, konnten sich überwie-
gend in den Folgejahren erholen und wieder Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten.
Um historische Fälle für einen Totalverlust breiter Aktienindizes zu finden, muss man lange suchen und
als Beispiel Revolutionen bemühen, welche in umfassenden Enteignungen endeten. Es lässt sich daher
festhalten, dass die Angst vor einem Totalverlust des in Aktien investierten Vermögens zwar beim Halten
von Einzeltiteln durchaus ernst zu nehmen ist. Bei Portfolien aus tausenden, global verstreuten Unterneh-
men sinkt dieses Risiko jedoch ganz erheblich.

apobank.de/hausmeinung                                                                                      |9
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Krisen gelassen meistern.

Diversifikation kann mehr als man denkt.

/ Mit Streuung über viele Aktien fängt Diversifikation erst an.
/ Mischung unterschiedlicher Anlageklassen ist entscheidend.
/ Diversifikation senkt Risiken und erhöht Renditen.

                                                                  Diversifikation als Stütze in der Krise.
                                 Entwicklung seit Jahresanfang (wöchentliche Daten, indexiert: 19.2.2020 = 100)

             110
                                                                                                              Gemischtes
             100                  US-Staatsanleihen                                                           Portfolio

              90
                                                                                                                DAX

              80

              70

              60
              01.2019                                                            02.2020                11.2020

                                                                                                 Quellen: Datastream, apoBank

10 | apoBank Asset Management          Vergangene Wertentwicklung ist kein verlässlicher Indikator für die zukünftige Wertentwicklung.
Die Warnung, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, ist vielen Anlegern bekannt. Weniger bekannt ist, dass
es Wertpapiere gibt, die das Risiko nicht nur verteilen, sondern sogar aktiv abfedern. So steigen die
Preise einiger Anlageklassen in der Regel dann, wenn andere fallen. Dies trägt ungemein zur Stabilität des
Vermögens bei. Beispiele hierfür sind Staatsanleihen von hochentwickelten Ländern wie Deutschland und
den USA, deren Preise in Krisenzeiten oft ansteigen. Daher bleiben diese Titel trotz niedriger Zinsen für
Anleger attraktiv.
Auch in der Corona-Krise funktionierte die Absicherung eines Aktienportfolios durch die Beimischung von
Staatsanleihen. So fiel der Preis des deutschen Leitindex DAX zwischen dem 19. Februar und 18. März
2020 um fast 40 %. In der gleichen Zeit stiegen die Preise von US-Staatsanleihen jedoch, da sie in Krisen-
zeiten von vielen Investoren als sicherer Zufluchtsort gesehen und stark nachgefragt werden. Nachdem
zahlreiche Rettungsmaßnahmen verkündet wurden und sich die Unsicherheit über die weitere Entwick-
lung allmählich legte, waren es andererseits die Aktienkurse, die anstiegen, während die Kurse der
Staatsanleihen nachgaben. Ein Portfolio, welches beide Anlageklassen mischt, ist daher ein ausgezeich-
neter und bewährter Weg, um in stürmischen Zeiten die Wogen im eigenen Portfolio zu glätten. Die ne-
benstehende Abbildung zeigt dies Beispielhaft für ein gemischtes Portfolio, dass zu 60 % in den DAX und
zu 40 % in US-Staatsanleihen investiert.
Bemerkenswerterweise weist ein so gemischtes Portfolio nicht nur ein wesentlich geringeres Risiko auf,
es kann Anlegern sogar eine höhere Rendite bescheren als die einzelnen Bestandteile. Das Ganze ist also
mehr als die Summe der Einzelteile. Dieses kontraintuitive Resultat wird durch ein regelmäßiges soge-
nanntes Rebalancing (Neugewichtung) möglich. Im Beispiel aus der Abbildung wurde eine monatliche
Portfolioanpassung unterstellt, um das Verhältnis von Aktien zu Anleihen konstant zu halten. Dies führt
dazu, dass regelmäßig die Assetklasse verkauft wird, die im Wert gestiegen ist, und jene gekauft wird, de-
ren Preis gefallen ist. In der professionellen Vermögensverwaltung gehört das regelmäßige Rebalancing
zum Standardrepertoire. Dadurch lässt sich das Risiko senken und obendrein meist die Rendite erhöhen.

apobank.de/hausmeinung                                                                                 | 11
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Krisen gelassen meistern.

Wie die Konjunktur die Geldanlage beeinflusst.

/ Konjunktur von morgen gibt Richtung an Finanzmärkten vor.
/ Chancen und Risiken ändern sich im Konjunkturverlauf.
/ Ohne Expertise lässt sich kein optimales Portfolio bauen.

                                                       Aktives Management hat den Dreh raus.

                                       Aufschwung             Boom

                                Deutsche Aktien             Schwellenländer-Aktien
                                Japanische Aktien           Staatsanleihen

                                US-Aktien                   Staatsanleihen
                                Unternehmensanleihen        US-Aktien

                                        Rezession           Abschwung

                                                                                     Quelle: apoBank

12 | apoBank Asset Management
Sowohl die Finanzmärkte als auch die Konjunktur durchlaufen Phasen von Auf- und Abschwüngen, wofür
die Corona-Krise nur das jüngste Beispiel ist, wenn sie auch in ihrer Ursache und Plötzlichkeit außerge-
wöhnlich ist. Eine Analyse der Wirtschaftszyklen zeigt, dass die verschiedenen Anlageklassen je nach
Phase unterschiedlich gut abschneiden.
Beispielsweise erleiden Aktien aus Schwellenländern in Krisenphasen meist besonders starke Verluste.
Dies war auch während der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Rezession der Fall. Andererseits er-
holen sich diese Aktien nach einer Krise dafür meist umso stärker und liefern in dieser Zeit höhere Rendi-
ten. Der Grund für die erhöhten Schwankungen der Schwellenländeraktien liegt unter anderem in der
Konjunktursensibilität vieler dort vertretenen Unternehmen. So findet sich in Schwellenländern beispiels-
weise eine höhere Konzentration von Rohstoffproduzenten. Ein Beispiel für eine Anlageklasse mit den
entgegengesetzten Charakteristika sind Staatsanleihen entwickelter Länder. Diese verzeichnen aufgrund
ihrer Funktion als „sichere Häfen“ gerade in Krisenzeiten starke Nachfrage und somit Kursgewinne. Allge-
mein gesprochen hängt die Performance der verschiedenen Assetklassen also stark von deren spezifi-
schen Charakteristika und der vorherrschenden Marktphase ab. Ausgehend von einem globalen und über
die Assetklassen diversifizierten Portfolio kann die kurz- und mittelfristige Steuerung des Portfolios das
Wissen um die Marktphasen ausnutzen, um Rendite- und Absicherungspotenziale zu heben.
Um vom Marktzyklus zu profitieren, sind allerdings eine laufende Marktbeobachtung, sorgfältige Analyse
sowie viel Know-how und Erfahrung zahlreicher Spezialisten erforderlich. Denn es gilt: Der Finanzmarkt
eilt dem Konjunkturzyklus in aller Regel voraus. Das oft zu beobachtende Verhalten, Aktien während ei-
nes Booms zu kaufen und während einer Krise zu verkaufen, nützt daher nicht. Stattdessen müssen Kauf-
und Verkaufsentscheidungen in Erwartung des weiteren Konjunktur- und Finanzmarktverlaufs sowie unter
Berücksichtigung derzeitiger Marktpreise getroffen werden. Ausgehend von einer langfristig orientierten,
diversifizierten Anlagestrategie kann dann durch die taktische Über- und Untergewichtung der richtigen
Segmente die Rendite eines Portfolios erhöht und das Risiko gesenkt werden.

apobank.de/hausmeinung                                                                                | 13
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.
Globalisierung im Wandel.

/ Pandemie stellt Globalisierung zur Diskussion.
/ In Industrieländern nimmt Globalisierungsfrust weiter zu.
/ Digitalisierung sorgt für neuen Globalisierungsboom.

                 Ist Globalisierung positiv oder negativ für die Entwicklung der Welt?

                                              0%         25%            50%            75%            100%

                                       2018

              Deutschland
                                       2020

                                       2018

                   China
                                       2020

                                              ■ positiv ■ neutral ■ negativ

                                                        Quellen: Umfrage der Bertelsmann-Stiftung (2020), apoBank

14 | apoBank Asset Management
Das Corona-Virus traf die Weltwirtschaft im Frühjahr 2020 gleich in doppelter Weise. Lockdowns rund um
den Globus ließen die Nachfrage nach heimischen und ausländischen Gütern einbrechen, da Geschäfte
geschlossen und Konsumenten zu Hause bleiben sollten. Des Weiteren kam es zu Lieferengpässe in der
Industrie sowie bei medizinischer Ausrüstung und Medikamenten, da in global weitverzweigten Lieferket-
ten das Virus für erhebliche Störungen gesorgt hatte. Schnell sprang auch die Politik auf das Thema an.
Diskussionen um die Rückholung von Produktionsstätten, die Verkürzung von Lieferketten und die Förde-
rung nationaler Industriestandorte begannen. Kurz gesagt: Die Globalisierung stand zur Diskussion.
Doch die geäußerte Kritik an der Globalisierung nimmt nicht im Corona-Virus ihren Ursprung. Vielmehr
steigt die Skepsis gegenüber einer globalisierten Wirtschaft seit mehr als einer Dekade. Mit dem Slogan
„Buy American“ unter der Regierung Obama begann die allmähliche Abkehr vieler Länder von einer die
Globalisierung befürwortenden Politik, die in Trumps Handelskrieg mit China ihre jüngste Zuspitzung
fand. Auch im vom Export stark profitierenden Deutschland ist der Globalisierungsfrust mittlerweile in der
Mehrheit. In einer im Frühjahr 2020 veröffentlichten Bertelsmann-Studie zur weltweiten Einstellung ge-
genüber Globalisierung gaben hierzulande mehr Leute an, über eine negative Einstellung zu verfügen als
über eine positive. Doch nicht überall auf der Welt ist die Skepsis so groß. Gerade in vielen Entwicklungs-
und Schwellenländern, die zuletzt stärker von der Globalisierung profitiert haben, herrscht noch immer
eine positive Einstellung vor. Nimmt jedoch in den Industrieländern die Skepsis weiter überhand, kom-
men auch die weniger entwickelten Länder nicht mehr in den Genuss, die Vorteile des weltweiten Han-
dels für sich zu nutzen. Und auch in den entwickelten Ländern sollte keine Illusion darüber herrschen,
dass eine Rückabwicklung der Globalisierung eher Schaden als Nutzen stiftet.
Doch statt sich vollends im Niedergang zu befinden, eroberte die Globalisierung in anderem Gewand seit
Jahren neues Terrain. Vor allem in Form digitaler Dienstleistungen, die teils unbemerkt von uns mittler-
weile zum Alltag gehören, hat die Globalisierung Raum für weltweite Geschäftsmodelle geschaffen. Sozi-
ale Netzwerke, Internethandel oder digitale Kommunikationssysteme sind aus Beruf und Alltag nicht
mehr wegzudenken. Die Corona-Krise wird diese Form der Globalisierung noch verstärken, denn Home-
office, Online-Konferenzen und Einkaufen von zu Hause sind für viele Menschen noch mehr zum Alltag
geworden.

apobank.de/hausmeinung                                                                                 | 15
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Digitalisierung mit viel Schwung.

/ Pandemie bringt tiefe digitale Gräben ans Licht.
/ Online-Handel lässt stationärem Handel keine Chance.
/ Daten überholen Waren in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.

                                Anteil des Online-Handels an den Einzelhandelsumsätzen.

            20%
                                                                                   China
                                                                                   USA
            15%

            10%

             5%

             0%
                  2000                 2005     2010         2015           2020

                                                                    Quellen: Datastream, apoBank

16 | apoBank Asset Management
Die digitale Plattformökonomie ist für viele Menschen längst kein Neuland mehr und die sog. FAANG-Titel
(Facebook, Apple, Amazon, Netflix, Google) sind mittlerweile Unternehmen von Weltrang. Trotzdem traf
das Corona-Virus Großteile der Geschäftswelt und der Gesellschaft in einer digitalen Frühphase. Erhebun-
gen der Europäischen Investitionsbank belegen, dass hiesige Unternehmen ihren US-Pendants in digitaler
Hinsicht noch immer deutlich hinterherhinken. Der digitale Abstand zwischen den Unternehmen und da-
mit auch die Wettbewerbsfähigkeit sind in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen. Unterneh-
men mussten daher in der Krise teils schmerzlich lernen, wie wichtig eine digitale Infrastruktur heutzu-
tage ist. Auch wenn nicht jede Anwendung der Technik über die Krise hinaus Bestand haben wird, so ge-
nießt das Thema Digitalisierung in der Geschäftswelt mittlerweile höchste Priorität.
Doch auch im Alltag vieler Menschen hat die Corona-Krise digitale Spuren hinterlassen. Der Einkauf von
Möbeln, Kleidung bis zum Abendessen über das Internet wird bei vielen, vor allem jenen, die bisher ent-
sprechende Möglichkeiten nicht nutzten, oft positiv im Gedächtnis bleiben. Der erste Schritt, neue Dinge
auszuprobieren, ist dabei meist der schwierigste. Ist Vertrauen, gerade in digitale Anwendungen, erst ein-
mal gefasst, ist eine fortgesetzte Nutzung oft absehbar. Doch ähnlich wie für die Globalisierung gilt, dass
der digitale Trend kein neuer ist, sondern nur an Tempo gewonnen hat. So steigt beispielsweise der Um-
satz im Online-Handel seit Jahren weltweit deutlich stärker als in jedem anderen Segment. In den USA
verdoppelte sich so der Anteil des Online-Handels am Einzelhandelsgeschäft in den letzten zehn Jahren
von rund 5 % auf über 10 %. Doch alleine die Corona-Krise genügte, um den Anteil binnen nur eines hal-
ben Jahres noch einmal genauso stark auszubauen.
Mit dem weiteren Bedeutungsgewinn der digitalen Wirtschaft zeigt sich, dass auch nach der Krise Daten
physischen Gütern als Quelle von Unternehmenserträgen den Rang ablaufen. Wertschöpfung in Form von
Algorithmen, Datenverarbeitung und -analyse stärkt dabei die Tech-Giganten und jene, die passende Lö-
sungen für digitale Probleme entwickeln. Die dazu notwendige Ressource ist insbesondere Humankapital,
das ebenso wenig physisch greifbar ist wie die Produkte der Digitalwirtschaft selbst.

apobank.de/hausmeinung                                                                                  | 17
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Strukturwandel mit neuer Facette.

/ Dienstleistungssektor bringt Gewinner und Verlierer hervor.
/ Strukturbruch fällt in anderen Ländern deutlicher aus.
/ Verarbeitendes Gewerbe hält sich in der Krise wacker.

                                                               Dienstleistungssektor im Wandel.

                                                                         Anzahl Beschäftigte
                                                              2019             Änderung bis 2021*

                                       Handel, Gastgewerbe    9,4 Mio.                         -224 Tsd.

                                Produzierendes Gewerbe        8,1 Mio.                         -214 Tsd.

                               Sonstige Dienstleistungen      2,6 Mio.                         -111 Tsd.

                                               Baugewerbe     2,1 Mio.                          58 Tsd.

                             Information, Kommunikation       1,2 Mio.                          77 Tsd.

          Öffentl. Verwaltung, Erziehung, Gesundheit         10,6 Mio.                         384 Tsd.

                                                   Gesamt    34,0 Mio.                          -30 Tsd.

                                                                                        Quellen: IAB, apoBank
                                                                                               *Prognose IAB

18 | apoBank Asset Management
Nicht nur die IT-Branche zählt über die Krise hinaus zu den Gewinnern. Die Schwierigkeiten beim Kampf
gegen die Pandemie haben Politik und Gesellschaft vor Augen geführt, welch großen Stellenwert die Ge-
sundheitswirtschaft für die gesamte Volkswirtschaft besitzt. Besonders augenscheinlich wurde dies dort,
wo ein schlecht aufgestelltes Gesundheitswesen an die Überlastungsgrenze kam. Doch auch im Bildungs-
wesen und der staatlichen Verwaltung offenbarte die Pandemie Schwächen und anhaltenden Personalbe-
darf. Der Staat wird gerade dort, wo er als Auftrag- oder Arbeitgeber auftritt, daher zukünftig bemüht
sein, zusätzliche Stellen zu schaffen.
Auch die Branchenverlierer der Corona-Krise lassen sich im Dienstleistungssektor verorten. Denn anders
als in Krisen zuvor, leidet das Verarbeitende Gewerbe verhältnismäßig wenig unter den Auswirkungen.
Zwar sind auch in der Industrie Bremsspuren der konjunkturellen Entwicklung zu beobachten, doch wird
mittelfristig hier der allgemeine Strukturwandel, der bereits vor der Krise einsetzte, größere Auswirkun-
gen entfalten. Mit der Gastronomie, dem Hotelgewerbe sowie der gesamten Freizeitbranche und dem sta-
tionären Einzelhandel sind vor allem beschäftigungsintensive Branchen hart von den Lockdowns getrof-
fen. Regional stehen dabei insbesondere die urbanen Zentren im Fokus, die in den vergangenen Jahren
gegenüber ländlichen Gegenden profitierten. Aufgrund der meist unterdurchschnittlichen Produktivität
wiegt der daraus resultierende BIP-Verlust allerdings weniger stark. Für die deutsche Wirtschaft gilt da-
her, dass die ökonomischen Folgen der Corona-Krise mittelfristig aufgewogen werden können. Projektio-
nen des Instituts für Arbeitsmarktforschung sehen insbesondere durch den Bedeutungsgewinn anderer
Branchen keine allzu großen Folgen für den Arbeitsmarkt.
Doch nicht überall wird der strukturelle Bruch im Dienstleistungssektor so relativ milde ausfallen wie hier-
zulande. Andere Volkswirtschaften, nicht selten im von der Pandemie stärker betroffenen Südeuropa, lei-
den unter den Folgen eines ausbleibenden Tourismus deutlich mehr. Ähnliches gilt für viele Schwellen-
und Entwicklungsländer. Diese Wirtschaften werden daher noch länger mit der Folgenbewältigung der
Krise beschäftigt sein.

apobank.de/hausmeinung                                                                                  | 19
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Verschärfung der Ungleichheit.

/ Ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen steigt.
/ Elitenkritik und Globalisierungsskepsis stärken Populismus.
/ Regierungen reagieren mit höheren Staatsausgaben.

         Der weltweite Anstieg der extremen Armut durch die Corona-Pandemie.
                          Zahl der Menschen mit täglichem Einkommen von weniger als 1,90 US-Dollar (in Mio.)

           750

           700
                       Menschen in                 Nach Corona
                       extremer Armut
           650
                                                                               100 Mio.
                                                                               Menschen rutschen durch die
                                                                               Pandemie in die Armutsfalle.
           600
                                                   Vorkrisen-Trend

           550
                     2015       2016   2017     2018     2019    2020     2021
                                                                                   Quellen: Weltbank, apoBank

20 | apoBank Asset Management
Durch die Corona-Pandemie nimmt die materielle Ungleichheit noch weiter zu. Eine steigende Ungleich-
verteilung von Einkommen und Vermögen lässt sich zwar schon seit mehreren Jahrzehnten in vielen Ge-
sellschaften beobachten, dennoch kommt der pandemiebedingte Anstieg für Experten durchaus überra-
schend. Denn bislang galten neben Kriegen, Revolutionen und Staatszusammenbrüchen vor allem Pande-
mien als die großen Wendepunkte in der Menschheitsgeschichte, die durch massive Umverteilung wieder
eine ausgewogenere Verteilung des materiellen Wohlstands herbeiführten. Dass diese Rechnung diesmal
nicht aufging, verdeutlicht, dass Pandemien lediglich günstige Rahmenbedingungen, aber keine Garantie
für eine große Umverteilung darstellen.
Auch losgelöst von den historischen Erfahrungen erschien ein Rückgang der teils exzessiven Ungleichheit
durch die Corona-Pandemie plausibel. Denn die Pandemie als globaler Gesundheitsschock schert sich
nicht um Landesgrenzen, und das Virus unterscheidet per se nicht zwischen König und Bettler. Trotzdem
lässt sich beobachten, dass die Schwächeren und Benachteiligten stärker unter der Pandemie und ihren
Folgen leiden – gesundheitlich, aber auch ökonomisch. Verdeutlichen lässt sich dies im globalen Kontext
mit der aktuellen Schätzung der Weltbank, wonach alleine wegen der Corona-Pandemie bis Ende 2021
zusätzlich 100 Millionen Menschen über weniger als 1,90 US-Dollar täglich verfügen und somit in die ext-
reme Armut abrutschen. Im Gegensatz dazu steigen die Vermögen der weltweit Reichsten wegen bzw.
trotz der Corona-Krise sogar weiter an. Nach dem jüngsten Milliardärsbericht legte das Gesamtvermögen
der weltweiten Milliardäre 2020 dank der günstigen Entwicklung der Finanzmärkte auf den Rekordwert
von 10,2 Bio. US-Dollar zu.
In ihrer Bedeutsamkeit ist die materielle Ungleichheit in weiten Teilen der Welt schwerlich zu überschät-
zen, denn je weiter die Schere zwischen Armen und Reichen auseinandergeht, desto stärker nehmen
auch die gesellschaftlichen Fliehkräfte zu. In der Folge verschärfen sich Elitenkritik und Globalisierungs-
skepsis, was dem Populismus weiteren Aufwind verleiht. Die etablierten Akteure in Gesellschaft und Poli-
tik schlüpfen notgedrungen in die Rolle der Bewahrer der Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Mittels
höherer Staatsausgaben, insbesondere im Gesundheits- und Sozialbereich, versuchen viele Regierungen,
das Anti-Establishment und die Systemkritiker zu besänftigen. Auch höhere Steuern für Spitzenverdiener
und besonders Vermögende gehen in diese Richtung und lassen sich als quasi-populistische Maßnahme
verstehen, um den Vormarsch des Populismus zu stoppen.

apobank.de/hausmeinung                                                                                  | 21
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Rückkehr des starken Staates.

/ Staaten wenden Wiederholung der Weltwirtschaftskrise ab.
/ Sonderausgabenprogramme laufen noch lange weiter.
/ Regierungen nutzen neue Hebel für politische Zwecke.

                             Staatliche Rettungspakete zur Bekämpfung der Corona-Krise.
                                                                                                 in % des jeweiligen BIP von 2019

            50%

            40%

            30%

            20%

            10%

             0%
                                                              Italien

                                                                                      Portugal

                                                                                                                               USA
                                   Frankreich
                       Belgien

                                                                        Niederlande

                                                                                                                     UK
                                                                                                     Spanien
                                                Deutschland

                        Direkter Fiskalimpuls
                        Stundungen
                        Liquiditätshilfen und Garantien                                                        Quellen: Bruegel, apoBank

22 | apoBank Asset Management
Keine Krise gleicht der anderen. Und tatsächlich unterscheiden sich die Globale Finanzkrise 2008 und die
weltweite Corona-Krise 2020 trotz ihrer zeitlichen Nähe in vielerlei Hinsicht. Insbesondere in Sachen Kri-
senmanagement könnten die Unterschiede kaum auffälliger sein. Denn die Staaten, allen voran in Europa,
handelten angesichts der Bedrohung durch die Pandemie ebenso rasch wie beherzt und füllten damit ver-
antwortungsvoll und kompetent genau die Rolle aus, die sie vor mehr als zehn Jahren unter dem Deck-
mantel der verfehlten und verhängnisvollen Austeritätspolitik noch von sich gewiesen hatten. Nur dem
fein abgestimmten und effektiven Krisenmanagement von staatlicher Fiskalpolitik und Geldpolitik ist es
zu verdanken, dass sich die Corona-Krise im weiteren Verlauf nicht in eine Weltwirtschaftskrise wie vor
rund 100 Jahren auswuchs. Die Lobeshymnen der Wirtschaftsexperten sprechen ebenso wie die Erholung
der globalen Konjunktur und die Rallye an den internationalen Finanzmärkten für sich.
Dass die staatliche Fiskalpolitik in der Corona-Krise nicht bloß viel, sondern zum entscheidenden Zeit-
punkt auch das Richtige getan hat, belegen die vorliegenden Daten. Während der Lockdowns im März
und April, als zahlreiche Volkswirtschaften nahezu zeitgleich und komplett heruntergefahren wurden, hal-
fen Kurzarbeitergeld, Änderungen am Insolvenzrecht, Steuerstundungen sowie Liquiditätshilfen und Kre-
ditgarantien, größere Einschläge am Arbeitsmarkt und eine Pleitewelle zu vermeiden. An fiskalische Mehr-
ausgaben zur Stimulierung der Konjunktur war erst zu denken, als die Lockdowns bereits beendet waren
und das Pandemiegeschehen deutlich nachließ. Die allermeisten staatlichen Sonderausgabenprogramme
zur Bekämpfung der Corona-Krise haben in praktisch allen Ländern entweder noch Bestand oder wurden
bereits verlängert.
Der starke Staat in der Wirtschaft wird nicht nur in Europa von Dauer sein. Selbst in den USA und dem
Vereinigten Königreich, die eigentlich als Verfechter des Laissez-faire gelten, zeichnet sich kein schneller
Rückzug ab. In der Folge werden die jeweiligen Regierungen ihr neu errungenes politisches Kapital nut-
zen, um ihre politische Agenda auch jenseits der parlamentarischen Gesetzgebung zu verwirklichen. Un-
ter diesen veränderten Vorzeichen ist mit einem zusätzlichen Schub für Wirtschaftsbereiche mit besonde-
rer Nähe zu den Kriterien Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung (ESG) zu
rechnen. Die staatliche Präsenz in der Wirtschaft wird aber auch dazu führen, dass Teilbereiche der Wirt-
schaft angesichts der fortschreitenden Großmachtrivalität zwischen den USA und China verstärkt unter
geostrategischen Aspekten betrachtet und gegebenenfalls strenger reguliert werden.

apobank.de/hausmeinung                                                                                  | 23
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Staatsschulden und der Pakt mit den Zentralbanken.

/ Weltweite Staatsverschuldung erreicht neuen Höchststand.
/ Zentralbanken verschaffen Regierungen scheinbar
  unbegrenzte Spielräume in der Fiskalpolitik.

/ Japanifizierung der Weltwirtschaft hält an.

                Historische Staatsverschuldung in Industrie- und Schwellenländern.
                                                                                                   in % des BIP
                                       1. Weltkrieg

                                                       2. Weltkrieg

                                                                                             Finanzkrise

                                                                                                           Pandemie
                                                                                                           Corona-
                                                                                             Globale
           125%

           100%
                                                                      Industrieländer
             75%

             50%

             25%
                                                                      Schwellenländer
               0%
                 1880           1900         1920     1940              1960     1980    2000              2020
                                                                                        Quellen: IWF, apoBank

24 | apoBank Asset Management
Auf die Vollbremsung der Volkswirtschaften im Zuge der Lockdowns im Frühjahr antworteten die Staaten
mit umfangreichen Rettungs- und Konjunkturprogrammen. Die Rückkehr des starken Staates im Verlauf
der Corona-Krise hat jedoch einen ökonomischen Preis. Die Haushaltsdefizite weiteten sich kräftig aus,
und die oftmals schon hohen Staatsverschuldungen wurden noch weiter nach oben getrieben. Dabei
stellte Deutschland keinen Einzelfall dar. In praktisch allen Industrie- und Schwellenländern war der politi-
sche Wille zur Vermeidung einer humanitären Katastrophe vorherrschend und ließ im Eifer des Gefechts
fiskalische Bedenken erst gar nicht aufkommen. Im Ergebnis kletterte die Staatsverschuldung in den In-
dustrie- und Schwellenländern 2020 wegen der Corona-Pandemie auf historische Rekordstände.
Auch wenn die zusätzlichen Staatsschulden unmittelbar durch die Pandemie bedingt wurden, ermöglicht
wurden die fiskalischen Rettungsaktionen erst durch die zuträgliche Geldpolitik der Zentralbanken. Das
Ausreizen verbliebener Spielräume für Leitzinssenkungen und allen voran die Ausweitung der als „quanti-
tative Lockerung“ bezeichneten Wertpapierkaufprogramme sorgten einerseits für niedrige Zinsen und
Renditen sowie andererseits für eine hohe Nachfrage nach Staatspapieren. Somit waren die Vorausset-
zungen für das, was lange Zeit als monetäre Staatsfinanzierung verschrien war, gegeben, und die Ret-
tungsaktion der lädierten Wirtschaft konnte in Gang gesetzt werden.
Diese entscheidende Rolle der Zentralbanken wird auch für den weiteren Verlauf der Staatsschulden be-
stimmend sein. Gerade weil wir von einem Fortbestand des makroökonomischen Umfeldes niedriger In-
flation und verhaltenen Wachstums ausgehen sowie eine Konsolidierung der Staatsfinanzen zum Zwecke
des Schuldenabbaus in den nächsten Jahren für äußerst unwahrscheinlich halten, geraten die Zentralban-
ken unter enormen Zugzwang. Ihre Geldpolitik werden sie auch weiterhin ultra-expansiv ausrichten müs-
sen, um die Finanzierung der Staatsschulden nicht aufs Spiel zu setzen und Finanzstabilitätsrisiken zu be-
feuern. Deshalb erscheinen wichtige Weichen für die kommenden Jahre bereits heute gestellt: niedrige
Leitzinsen und Anleiherenditen, umfangreiche Wertpapierkaufprogramme der Zentralbanken, hohe
Staatsschulden, niedrige Inflation und verhaltenes Wachstum – kurzum, die Japanifizierung weiter Teile
der Weltwirtschaft. Das weithin vernachlässigte Risiko höherer Inflation könnte sich jedoch als Wende-
punkt erweisen und den scheinbaren „free lunch“ der monetären Staatsfinanzierung Lügen strafen.

apobank.de/hausmeinung                                                                                   | 25
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Europa als Schicksalsgemeinschaft.

/ EU und Euroraum gehen institutionell gestärkt aus der Krise.
/ EU-Wiederaufbaufonds treibt europäische Integration voran.
/ Anleger zeigen mehr Zutrauen in das europäische Projekt.

              Wahrscheinlichkeit eines Auseinanderbrechens des Euroraums sowie
         Verlauf italienischer und griechischer Benchmark-Renditen (rechte Achse).
                                                                 rebasiert, 1.1.2012=100

26 | apoBank Asset Management
Europa geht gefestigt aus der Corona-Krise hervor! Die Zukunft der Europäischen Union gerät wegen der
Pandemie nicht in Gefahr! Der Euro wird weiterhin die einzige, gemeinsame offizielle Währung in den Mit-
gliedsländern der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bleiben. Diese klaren Aussagen mögen
auf den ersten Blick etwas überraschen. Denn die Infektionswellen im Frühjahr und Spätherbst schlugen
gerade auf dem Alten Kontinent besonders hart zu. Auch die konjunkturellen Einbrüche infolge der zahl-
reichen Corona-Beschränkungen bis hin zu den landesweiten Lockdowns fielen in den europäischen
Volkswirtschaften vergleichsweise kräftig aus. Zudem ging der europäische Patient nach einem Jahrzehnt
im permanenten Krisenmodus sichtlich angeschlagen in diese gigantische Krise. Dennoch beurteilen wir
die Zukunftsaussichten des europäischen Projektes konstruktiv – sogar positiver als vor Beginn der
Corona-Pandemie.
Unser günstiger Blick auf Europas Zukunft deckt sich mit der Mehrheitsmeinung der Anleger an den Fi-
nanzmärkten. Der dramatische Rückgang der Renditen auf südeuropäische Staatsanleihen in den letzten
Jahren bis auf die derzeitigen historischen Tiefstände belegt dies deutlich. Auch die bei privaten und insti-
tutionellen Anlegern erfragte Einstufung der Wahrscheinlichkeit für ein Auseinanderbrechen des Euro-
raums innerhalb der nächsten zwölf Monate lässt auf dem aktuell niedrigen Niveau keine ernsthaften
Zweifel zu. Woher rührt dieses verblüffende Zutrauen?
Der Optimismus der Investoren speist sich genauso wie unsere Zuversicht aus den erfolgreichen EU-Ver-
handlungen über gemeinsame Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgeschäden der
Corona-Pandemie. Der speziell für diesen Zweck eingerichtete Wiederaufbaufonds in Höhe von 750 Mrd.
Euro stellt neben dem weitere 1,1 Bio. Euro umfassenden Finanzrahmen für den Zeitraum von 2021 bis
2027 ein wuchtiges Instrument zur Krisenbekämpfung dar. Als Meilenstein der wirtschaftlichen Integra-
tion Europas stufen wir die neu geschaffene Möglichkeit der Mittelaufnahme am Kapitalmarkt durch die
Europäische Kommission ein. Gerade angesichts der vormals hartnäckigen Vorbehalte Deutschlands ge-
gen gemeinsame europäische Schulden ist die Schaffung des Wiederaufbaufonds als historischer Durch-
bruch zu werten. Durch den Fonds sehen wir Europas wirtschaftspolitischen Instrumentenkasten nen-
nenswert erweitert und seine Zukunftsfähigkeit entscheidend gestärkt. Zu einem Selbstläufer wird das
europäische Projekt deshalb aber auch weiterhin nicht. Seine größte Bedrohung sehen wir derzeit im Po-
pulismus, der in einzelnen EU-Mitgliedsstaaten bereits Fuß fassen konnten und mittlerweile ganz ohne
Umschweife Brüssel zum Kräftemessen herausfordert.

apobank.de/hausmeinung                                                                                   | 27
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Die großen Trends.

Populismus auf Abwegen.

/ Amtierende Regierungen erfahren große Zustimmung.
/ Uneinheitliche Corona-Statistiken in populistischen Staaten.
/ Etablierte Parteien vermeiden Fehler der Vergangenheit.

                                       Todesfälle durch COVID-19 pro 100 Tsd. Einwohner.

                 100
                                                                           Populistische Regierungen

                  80

                  60

                  40

                  20

                   0
                   03.2020                    06.2020            09.2020                       12.2020

                                                                           Quellen: Datastream, apoBank

28 | apoBank Asset Management
Eine Folge des Zusammenhalts und der gegenseitigen Unterstützung der europäischen Länder in der
Krise war der Zustimmungsgewinn für die amtierenden Regierungsparteien. Der deutliche Stimmenzu-
wachs der großen Koalition in der Sonntagsfrage hierzulande von rund 40 % zum Jahresbeginn auf 50 %
im Herbst bringt dies zum Ausdruck. In einer schweren Krisensituation ist dieser Trend nicht unüblich,
schon gar nicht, wenn die Krise nicht der Regierung zugeschrieben werden kann. In der Corona-Pandemie
kommt hinzu, dass für viele Europäer die Regierungen mit populistischen Politikansätzen, beispielsweise
in den USA oder Brasilen, eher abschreckend wirkten. Ist dies ein Anzeichen, dass der Populismus zum
Krisenverlierer wird, oder bleibt es lediglich ein kurzfristiges Intermezzo?
Ein etwas geweiteter Blick auch auf andere Länder, die landläufig als populistische Hochburgen gelten,
zeigt, dass entsprechenden Parteien in Führungsverantwortung nicht per se ein schlechtes Zeugnis aus-
zustellen ist. Gerade in Osteuropa oder einigen ostasiatischen Staaten reagierten die Regierungen zu-
meist schneller auf die im Frühling heraufziehende Gesundheitskrise und setzten zügig, manchmal sogar
schneller als hierzulande, drastische Präventionsmaßnahmen in Kraft. Die unterdurchschnittlichen Todes-
zahlen in diesen Ländern gaben den Verantwortlichen Recht. Für Länder, in denen sich Regierungen zu-
letzt vermehrt populistischen Strömungen ausgesetzt sahen, resultiert hieraus die Herausforderung, ihren
Terraingewinn zu behaupten. Denn oft sind nicht die Krisen selbst, sondern ihre ungleiche Verteilung der
Lasten Ursache des Erstarkens populistischer Strömungen.
Aus den Entwicklungen der vergangenen Dekade haben viele Regierungen und Institutionen gelernt. Der
gescheiterte Versuch der Krisenbekämpfung durch eine rigide Sparpolitik hat in den südeuropäischen
Ländern für Jahre populistische Parteien gestärkt, was die tatsächliche wirtschaftliche Gesundung der
Länder nicht selten verhinderte. Mit dem Aussetzen der Schuldengrenze in Europa, zwischenstaatlichen
Hilfen ohne Gegenleistung und geläuterten Institutionen wie dem IWF, die zuletzt ideologische Grenzen
überwanden, soll nach der Corona-Krise eine Wiederholung der Fehler aus der Euro- und Staatsschulden-
krise verhindert werden. Die Folge wird ein Bedeutungsgewinn des Staates in nahezu allen Weltregionen
sein, der aber nicht dauerhaft vor populistischen Herausforderungen geschützt ist.

apobank.de/hausmeinung                                                                              | 29
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Schlussfolgerungen für Anleger.
Vermögensanlage in der Niedrigzinsepoche.

/ Anleger müssen sich auf eine Niedrigzinsepoche einstellen.
/ Nur höhere Inflation dürfte langfristig die Wende einläuten.
/ Niedrigzinsepoche ist für Anleger eher Segen als Fluch.

         Marktwert weltweit gehandelter Anleihen mit negativ laufender Rendite.
                                                                                                  in Bio. US-Dollar

          18

          16

          14

          12

          10

            8

            6

            4
           10.2017                          10.2018                        10.2019                       10.2020

                                Quellen: Bloomberg Global Aggregate Negative Yield Debt Market Value Index, apoBank

30 | apoBank Asset Management
Die Niedrigzinsphase der vergangenen Jahre wird durch die Corona-Krise nicht beendet. Vielmehr spre-
chen die zentralen makroökonomischen Faktoren wie verhaltenes Wirtschaftswachstum, schleppende
Produktivitätsentwicklung, niedrige Inflation, hohe Verschuldung und ultra-expansive Geldpolitik für dau-
erhaft niedrige Zinsen und Renditen, also eine ausgedehnte Niedrigzinsepoche. Als Auslöser für die viel-
beschworene Zinswende kommt eigentlich nur eine höhere Inflation infrage, von der wir kurz- bis mittel-
fristig jedoch nicht ausgehen – und auch die Finanzmärkte völlig überrascht wären. Gegen höhere Infla-
tion spricht, dass die in vielen Ländern seit Jahren geringen Teuerungsraten durch die inflationsbremsen-
den Effekte der Corona-Krise noch zusätzlich niedrig gehalten werden. Die langfristigen Auswirkungen der
großen wirtschaftlichen Trends auf die Inflation erlauben dahingegen keine eindeutige Interpretation. Es
ist nicht auszuschließen, dass die ESG-Welle die Inflation antreiben wird. Zudem stehen strukturelle Ver-
schiebungen im globalen Arbeitskräfteangebot bevor, die der Niedriginflation durch Lohndruck ein schlei-
chendes Ende bereiten könnten.
Die schwindende Hoffnung auf wieder steigende Zinsen und Renditen sorgt bei vielen Anlegern für Unver-
ständnis und Unmut, die sich nicht selten in überzogener Kritik an der Geldpolitik der EZB und anderer
Zentralbanken entladen. Doch gerade weil die Zinsen aller Voraussicht nach erst einmal nicht wieder stei-
gen werden, haben Anleger eher Grund zum Jubeln als zum Klagen. Denn in einem Kapitalmarktumfeld
steigender Leitzinsen in Europa und den USA kämen zwangsläufig die Kurse von Bundeswertpapieren und
US-amerikanischen Treasurys unter Verkaufsdruck. Wegen der zentralen Bedeutung des „risikolosen Zin-
ses“ für die Bepreisung sämtlicher Wertpapiere gerieten dann absehbar auch die Kurse von Aktien und
Unternehmensanleihen weltweit in unruhigeres Fahrwasser. Wer also von steigenden Zinsen träumt,
sollte sich des handfesten Risikos eines bösen Erwachens bewusst sein. Unser Basisszenario einer aus-
gedehnten Niedrigzinsepoche ist somit eher ein Segen als ein Fluch für Anleger.
Zweifellos bringt die Niedrigzinsepoche hinsichtlich der Geldanlage die Notwendigkeit eines verbreiterten
Anlagespektrums mit sich. Bei bundesdeutschen Staatsanleihen sind nach unserer Einschätzung derart
niedrige Renditeniveaus erreicht, dass nennenswerte Kurszuwächse äußert unwahrscheinlich sind. Euro-
päische Staatsanleihen könnten angesichts der fortschreitenden politischen und wirtschaftlichen Integra-
tion bei etwas höheren Renditeniveaus noch etwas Potenzial für weitere Kursgewinne bieten. Auch von
US-Staatsanleihen erwarten wir wegen mittelfristiger Renditerückgänge damit einhergehende Kurszu-
wächse. Als ergänzende Bausteine im Depot kommen ausgewählte Schwellenländeranleihen sowie Unter-
nehmensanleihen in Betracht. Doch den vorrangigen Treiber der Wertentwicklung jeder langfristig und
strategisch ausgerichteten, sinnvoll diversifizierten Vermögensanlage sehen wir in den globalen Aktien-
märkten – nach der Corona-Krise sogar noch zwingender als jemals zuvor.

apobank.de/hausmeinung                                                                               | 31
Der lange Schatten der Corona-Krise.

Schlussfolgerungen für Anleger.

Richtig aufgestellt für die Wachstumsdivergenz.

/ Pandemie bringt Gewinner- und Verlierer-Regionen hervor.
/ Heterogenität unter den Schwellenländern nimmt zu.
/ Ostasien und USA wachsen kräftig, Deutschland fällt ab.

                                          Anteile am globalen Wirtschaftswachstum bis 2024.
                                                         Regionale Wachstumsbeiträge laut IWF-Prognosen

                                                                                        Osteuropa
                                                                                           6%
                                                                  Nordamerika
                                                                     12 %                  Afrika
                                                                                           5%
                                       Ostasien
                                        54 %                                           Lateinamerika
                                                                                            4%

                                                                  Mittel- und
                                                                  West-Europa
                                                                     10 %                  Rest

                                                                         Quellen: IWF, Datastream, apoBank

32 | apoBank Asset Management
Die Corona-Krise hat die Unterschiede in den wirtschaftlichen Wachstumsaussichten zwischen den Län-
dern der Welt weiter verstärkt. Die USA konnten beispielsweise ihre Vorreiterrolle bei Themen wie Digita-
lisierung und Pharmazie weiter ausbauen. Auch einige in diesem Bereich zunehmend starke asiatische
Staaten, allen voran China, gehören zu den ökonomischen Gewinnern der Krise. Ein weiterer Unterschei-
dungsfaktor ist der fiskalische Spielraum der nationalen Regierungen oder Staatenverbunde wie der EU.
Denn einige Länder konnten ihre Wirtschaft durch umfassende Hilfsmaßnahmen stabilisieren, während
andere hierfür nicht die notwendige politische Stabilität, das nötige Geld oder den Kapitalmarktzugang
hatten. Zudem dürften der Wohlstand eines Landes und die vorhandene Infrastruktur eine entscheidende
Rolle beim Überwinden der Pandemie spielen, denn der Erwerb von Impfstoffen wird teuer und die Vertei-
lung wird logistisch anspruchsvoll.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) präsentierte in seinem Wirtschaftsausblick vom Oktober 2020
Projektionen für das Wachstum in den nächsten Jahren. Hieraus ergibt sich, dass der Anteil Chinas am
weltweiten Wachstum bis 2024 fast 30 % betragen wird. Auch andere aufstrebende asiatische Volkswirt-
schaften stechen hervor, beispielsweise Indien mit 13 % und Indonesien mit 4 %. Für viele andere Schwel-
len- und Entwicklungsländer, insbesondere in Lateinamerika und Afrika, sind die Aussichten hingegen
weit weniger erfreulich. Auch der deutsche Anteil am zukünftigen Wachstum beträgt lediglich 1,9 %.
Westeuropa kommt zusammengerechnet immerhin auf etwa 10 %, leicht hinter den USA.
Mit den neuen IWF-Projektionen von 2020, welche die Corona-Pandemie berücksichtigen, hat sich der
bereits 2019 erkennbare Trend hin zur Wachstumsdivergenz nochmals verstärkt. Für Anleger gewinnt da-
her die globale Positionierung immer stärker an Bedeutung. Die wichtigste Lektion ist zunächst die Ver-
meidung des „Home Bias“, also der Tendenz, einen übermäßigen Anteil des Vermögens im Heimatland zu
investieren. So liegt der Anteil deutscher Aktien am globalen Kapitalmarkt, gemessen am MSCI All
Country Weltindex, bei unter 3 % und, wie erwähnt, wird weniger als 2 % des zukünftigen Wachstums auf
Deutschland entfallen. Im Kontrast hierzu weisen wissenschaftliche Studien bei deutschen Haushalten
auf einen mit 50 % viel zu hohen Portfolioanteil deutscher Aktien hin. Die zweite Herausforderung besteht
darin, die richtigen Märkte zu finden. Hierbei richten wir unseren Fokus verstärkt auf die USA und die auf-
strebenden asiatischen Märkte.

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