Der Traum vom - Ferdinand Schmidt-Kaler
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h a n g e Vi h a n g e Vi XC e XC e F- w F- w PD PD er er ! ! W W O O N N y y bu bu to to k k lic lic C C w w m m w w w w o o .d o .c .d o .c c u -tr a c k c u -tr a c k Der Traum vom Quantencomputer Auf dem Weg zum neuen Wunderrechner wird ein Stein nach dem anderen zur Seite geräumt von CHRISTIAN J. MEIER 60 | bild der wissenschaft 8 2019
h a n g e Vi h a n g e Vi XC e XC e F- w F- w PD PD er er ! ! W W O TECHNIK ZUKUNFT O N N y y bu bu to to k k lic lic C C w w m m w w w w o o .d o .c .d o .c c u -tr a c k c u -tr a c k Bausteine für Quantencomputer: Ferdinand Schmidt-Kaler, Forscher an der Universität Mainz (rechts), mit einer Ionenfalle, in der sich elektrisch geladene Atome einfangen und zum Rechnen nutzen lassen. Links: Illustration von Ionen, die durch Laserpulse verschränkt werden (gelb) und die Plätze tauschen. P er Mausklick schiebt Henri Lehec doppelten, ohne absehbares Ende, erkann- Auch als Teil eines Moleküls lebt das fünf verwaschene Lichtpunkte auf te der Nobelpreisträger ihre Grenzen: Nie Elektron sein Doppelleben als Teilchen einem Computerbildschirm hin würden die Rechner in der Lage sein, Ob- und Welle, umkreist etwa zwei Atome und her, entfernt einen davon und lässt jekte Atom für Atom zu simulieren. Das simultan. Physiker nennen das „Super- einen neuen erscheinen. Der Physiker ist mehr als nur ein theoretisches Pro- position“. sitzt zwischen Vakuumkammern, Ka- blem. Denn virtuelle Experimente mit beln, Lasern, Linsen und Spiegeln in ei- Molekülen oder Kristallen gelten als die Rechner in der Falle nem Labor an der Universität Mainz. Was dritte Säule ihrer Erforschung – neben Weil der Computer beide Varianten be- einem Computerspiel ähnelt, zeigt, wie Theorie und Laborexperiment. rücksichtigen muss, verdoppelt sich der präzise Physiker inzwischen die Welt der Rechenaufwand. Er gerät in die Komple- Quanten kontrollieren können. xitätsfalle. Ein Supercomputer mag noch In Wirklichkeit stupst Lehec per Maus- so leistungsstark sein, um zum Beispiel klick einzelne Kalzium-Ionen umher – Im Quantencomputer ein Molekül mit zig Atomen und Elektro- Teilchen, die nur ein Tausendstel so groß nen simulieren zu können: Ein einziges sind wie ein Virus. Die elektrisch gelade- rechnen die Atome und Elektron mehr würde die bereits ausge- nen Atome schweben in einer der Vaku- Elektronen selbst lastete Rechenpower ein zweites Mal umkammern, gehalten von elektromag- beanspruchen. Derzeit schaffen Super- netischen Feldern. Lehec wirft einzelne Der klassische Rechner ist an die Ge- computer Moleküle mit rund 50 Atomen. Ionen aus dieser „Falle“, lädt neue hinein, setze der klassischen Physik gebunden. Eines mehr wirft sie aus dem Rennen. ordnet die Teilchen zu einer Kette an und Atome und Elektronen, die Bausteine Feynman wollte aus der Not eine Tu- verschiebt diese. von Molekülen, gehorchen dagegen der gend machen: Warum nicht die Atome Und das ist keine Spielerei: Lehecs Quantenmechanik, die eine Art Parallel- und Elektronen selbst rechnen lassen? Illustration: IQOQI/Harald Ritsch (l.); Foto: Thomas Klink für bdw (r.) Chef Ferdinand Schmidt-Kaler nutzt existenz erlaubt: Ein Elektron muss sich Ein solcher „Quantencomputer“ würde die Kalzium-Ionen als Bausteine für einen ebenso wie ein Atom oder Lichtteilchen Fähigkeit zur Superposition von Natur künftigen Quantencomputer. Die Forscher nicht entscheiden, ob es durch einen von aus mitbringen und Information parallel arbeiten an einem von zwei Quanten- zwei Spalten in einem Schirm tritt. Es verarbeiten. Sein kleinster Baustein wäre rechnern mit, mit denen die Europäische nimmt einfach beide Wege gleichzeitig. nicht – wie beim klassischen Rechner – Union die Konkurrenz aus USA und Chi- das Bit, das sich zwischen den Werten „1“ na hinter sich lassen will. und „0“ entscheiden muss, sondern das KOMPAKT „Quantenbit“, kurz „Qubit“, das 0 und 1 Woher kommt die Überlegenheit? simultan speichert. • Die Gesetze der Quantenmechanik Physiker stehen vor der Erfüllung eines Der Quantenrechner beutet eine wei- erlauben Teilchen, gleichzeitig in Traums, den einer ihrer besten Köpfe, mehreren Zuständen zu sein. tere Ressource aus, die nur die Quanten- Richard Feynman, schon in den 1980er- physik bietet: die „Verschränkung“. Zwei Jahren skizzierte. Zu einer Zeit, als Com- • Diese Fähigkeit zur Superposition Qubits, die einmal interagiert haben, sind puter alle zwei Jahre ihre Leistung ver- soll ein Quantencomputer nutzen, um komplexe Aufgaben zu lösen. von da an miteinander verbunden, selbst > • Ein Problem ist noch die Fehleran- fälligkeit des Rechners. 8 2019 bild der wissenschaft | 61
h a n g e Vi h a n g e Vi XC e XC e F- w F- w PD PD er er ! ! W W TECHNIK O ZUKUNFT O N N y y bu bu to to k k lic lic C C w w m m w w w w o o .d o .c .d o .c c u -tr a c k c u -tr a c k wenn sie sich kilometerweit voneinander Ersten sein, die ihn haben. Darüber hi- der Stoß mit einem Luftmolekül macht entfernen. Verändert sich das eine, dann naus blühte die Idee eines digitalen aus dem Qubit ein klassisches Bit, das ändert sich im selben Moment auch das Quantencomputers auf, der sich genauso entweder 0 speichert oder 1. Das lästige andere. Auf diese Weise agieren viele universell programmieren ließe wie ein Phänomen heißt „Dekohärenz“ und führt Qubits als Team, verarbeiten somit die klassischer Computer – mit dem Unter- dazu, dass im Alltag keine Superposition gespeicherten Werte simultan. schied, dass er quasi unendlich viel zu beobachten ist: Keine Katze ist gleich- schneller rechnet. Diese Idee lebt inzwi- zeitig lebendig und tot. Daher ist das Ziel Viel mächtiger als vermutet schen mehr denn je, nicht zuletzt, weil aller Forscher das „lebende Qubit“, wie sie Feynmans vielversprechender Plan ruhte der klassische Rechner an seine Grenzen es nennen: im Grunde etwas Unnatürli- jedoch ein Jahrzehnt im Dornröschen- stößt. Die Tech-Branche sucht daher nach ches, eben wie ein radioaktives Atom, das schlaf. Der rasante Leistungszuwachs man dauerhaft daran hindert zu strahlen. klassischer Rechner machte Alternativen Die Forscher isolieren dazu ihre Qubits zunächst unattraktiv. Doch dann zeigte von allen Umwelteinflüssen, indem sie der US-Mathematiker Peter Shor, dass ein Die Großmächte wollen die sie vor Magnetfeldern abschirmen, sie in Quantencomputer noch viel mächtiger ein möglichst perfektes Vakuum bringen sein würde, als Feynman ahnte. Er entwi- Ersten sein, die einen oder sie auf tiefste Temperaturen abküh- ckelte einen Algorithmus für einen noch Quantencomputer haben len, auf knapp über dem absoluten Null- fiktiven Quantenrechner, der Zahlen im punkt (minus 273 Grad Celsius). Doch Handumdrehen in ihre Primfaktoren zer- dem nächsten großen Ding. Offenbar völlig isolieren darf man die Qubits auch legt. Auf klassischen Rechnern explodiert glauben viele, dieses Ding sei der Quan- wieder nicht, denn der Quantencomputer der Rechenaufwand für eine solche Auf- tencomputer. Doch ihn zu erträumen, ist soll ja Daten aufnehmen und Resultate gabe mit der Größe der zu zerlegenden eine Sache. Ihn zu bauen, eine andere. liefern. Zahl – ähnlich wie für ein wachsendes „Es ist in etwa so, als wollten Sie einen Molekül. Weil ein Tablet Jahrmilliarden radioaktiven Zerfall auf Knopfdruck an- Kniffliger Spagat rechnen würde, ist das „Faktorisierungs- halten“, illustriert Ferdinand Schmidt- Wie der Spagat gelingen soll, wissen die problem“ quasi unknackbar. Es dient der Kaler die Herausforderung. Der Quanten- Physiker noch nicht. Sie testen viele Ar- Sicherheit im Internet, etwa beim On- computer erfordert eine Kontrolle über ten von Qubits: etwa Ionenketten wie in line-Banking, digitalen Signaturen oder die Welt der Quanten, die manche Physi- Mainz, Elektronen in winzigen Käfigen militärischen Geheimnissen. ker für unmöglich halten. Denn Qubits aus Halbleitermaterial, Lichtteilchen, die Mit Shors Arbeit entstanden zwei neue verlieren leicht ihre Superposition. durch mikroskopische Lichtleiter flitzen Motive für die Entwicklung eines Quan- Dazu bedarf es nur einer minimalen oder supraleitende Schleifen, in denen tencomputers: Großmächte wollten die Wechselwirkung mit ihrer Umwelt. Schon Strom simultan rechts und links herum Bits in der Quantenwelt Ein „Bit“ steht in der Informationstechnik üblicherweise für einen von zwei mögli- chen Zuständen: „0“ oder „1“. In der Pra- xis lässt sich das etwa durch die Schalter- stellung eines Transistors („an“ oder „aus“) realisieren – und abstrakt durch einen nach oben oder unten weisenden Pfeil darstellen. In der Quantenmechanik hingegen sind unendlich viele Zustände gleichzeitig möglich. Ein Quanten-Bit bdw-Grafik; Foto rechts: Thomas Klink für bdw oder „Qubit“ kann daher durch einen Pfeil symbolisiert werden, der auf einen Punkt auf der Oberfläche einer Kugel Ein Qubit kann im Prinzip unendlich viel Information tragen, da eine zeigt. Betrachtet man die Kugel als Erd- beliebig große Zahl an Ziffern darstellbar ist. Allerdings: Um die In- ball, so entspricht der Nordpol beispiels- formation abzulesen, muss sie durch eine Messung ermittelt werden. weise dem Zustand „1“, der Südpol dem Dabei verlangen die Gesetze der Quantenmechanik, dass das Ergebnis Zustand „0“. Alle anderen Punkte auf der eine ganze Zahl ist: 0 oder 1. Die Wahrscheinlichkeit für diese beiden Kugeloberfläche sind Überlagerungen Werte ergibt sich aus dem „Breitengrad“ des Qubits – dem Punkt, auf dieser beiden Zustände. den der Pfeil auf der symbolischen Erdkugel zeigt. In diesem Beispiel sind es etwa 70 Prozent für eine 1 und 30 Prozent für eine 0. 62 | bild der wissenschaft 8 2019
h a n g e Vi h a n g e Vi XC e XC e F- w F- w PD PD er er ! ! W W O O N N y y bu bu to to k k lic lic C C w w m m w w w w o o .d o .c .d o .c c u -tr a c k c u -tr a c k Komplexes Wechselspiel aus Licht und Materie: Das Main- zer Team an einem quanten- optischen Experiment. fließt. Jede der Plattformen hat ihre Stär- Millionen von Qubits benötigen. Die For- Dass es dann allerdings schnell auch ken und Schwächen. scher sind dabei, das herauszufinden. 1000 oder 10 000 Qubits werden, glaubt in „Unsere Qubits leben relativ lange, etwa Gibt es clevere Tricks, den Aufwand zu re- der Forschergemeinde niemand. Den- zwei Sekunden“, nennt Schmidt-Kaler duzieren? Wenn ja, dann wäre das so et- noch sprechen viele von einem Wettren- einen Vorteil der Ionenketten. „Um je- was wie ein Transistor für den Quanten- nen um den Quantencomputer. doch mehr als rund tausend Rechen- rechner – eine Basiseinheit, die sich wie schritte ausführen zu können, müssen ein Legobaustein zu beliebig komplexen Wer entwickelt den Superrechner? wir das Qubit noch viel länger am Leben Rechnern erweitern ließe. Der Wettbewerb setzt immense Geldmit- halten“, räumt er ein. Das Rezept: Fehler, Allerdings: Viele Qubits allein ma- tel frei. Die USA und China preschen seit die durch Dekohärenz verursacht wer- chen noch keinen Quantencomputer. Um einigen Jahren vor. Keines der beiden den, rückgängig machen. Länder will dem anderen bei der code- Dazu fügen die Forscher Qubits hinzu, knackenden Wunderwaffe den Vortritt die nicht rechnen, sondern als Sensoren lassen. Und sie wollen den nächsten Coup wirken. Sie spüren, wenn ein rechnendes Eine große Zahl an Qubits in der Computertechnik landen. Sowohl Qubit auf die Umwelt reagiert. Das mel- den sie, und ein Laser gleicht den Fehler allein ergibt noch in den USA als auch in China investieren Staat und Privatwirtschaft Milliarden US- aus. „Das ist harte Physik“, sagt Schmidt- keinen Quantenrechner Dollar. Große Firmen wie Google und IBM Kaler. Er meint: Grundlagenforschung in den USA sowie Alibaba in China haben mit offenem Ausgang. Doch die Wissen- komplizierte Aufgaben zu lösen, müssen erste Prototypen mit Qubits aus supralei- schaftler sind optimistisch, dass es ge- die Teilchen auch miteinander ver- tenden Schleifen gebaut. In den USA gibt lingt. Denn die Fehler können korrigiert schränkt werden. Der Weltrekord liegt es zudem Startup-Unternehmen, ausge- werden, sobald der störende Einfluss der derzeit bei 20 verschränkten Kalzium-Io- stattet mit Hunderten Millionen Dollar Umwelt unter ein gewisses Maß gedrückt nen, aufgestellt von einem Team um Rai- Wagniskapital, die Prototypen betreiben wird, wie theoretische Physiker zeigten. ner Blatt an der Universität Innsbruck. An- und Algorithmen für künftige Quanten- dere Rekordmeldungen, etwa die vom In- rechner entwickeln. Die US-Regierung Tricks gegen zu viel Aufwand ternet-Konzern Google über einen Rech- will nun über eine Milliarde Dollar in eine Unklar ist bislang, wie viele zusätzliche ner mit 72 supraleitenden Qubits, erfül- zehnjährige Nationale Quanten-Initiative Aufpasser-Qubits nötig sind. Der techni- len dieses Kriterium indessen nicht. (National Quantum Initiative) stecken. > sche Aufwand könnte immens sein und Chefentwickler John Martinis will das De- China stellt das noch in den Schatten: ein nützlicher Quantencomputer könnte fizit jedoch binnen Monaten beheben. Zehn Milliarden Dollar pumpt es in ein 8 2019 bild der wissenschaft | 63
h a n g e Vi h a n g e Vi XC e XC e F- w F- w PD PD er er ! ! W W TECHNIK ZUKUNFT O O N N y y bu bu to to k k lic lic C C w w m m w w w w o o .d o .c .d o .c c u -tr a c k c u -tr a c k Quanten-Forschungszentrum in der Nähe supraleitenden Qubits werden mit Mikro- sie kleinere Quantenrechner, die es be- von Shanghai, das 2020 seinen Betrieb wellen gesteuert, deren Zuleitungen in reits als Cloudservice von IBM oder dem aufnehmen soll. Eine der beiden Priori- den Kühlapparat viel Platz benötigen. Es US-Start-up Rigetti gibt, nutzen könnte. täten der Wissenschaftler dort sind müssen platzsparende Leitungen entwi- Denn Quantencomputer könnten die Quantencomputer. Die schillerndste Fi- ckelt werden, um Tausende oder Millio- Wirkstoffsuche beschleunigen. Bislang gur in der chinesischen Quantenfor- nen von Qubits regeln zu können. dauert das Jahre und verschlingt Milliar- schung ist Jan-Wei Pan. Der Physiker hat in Die Wissenschaftler, die an Ionen- denbeträge, weil Tausende potenzielle Europa promoviert und geforscht. Qubits forschen, kämpfen mit einem an- Arzneien im Reagenzglas getestet und per deren Problem: Viel mehr als 20 Qubits Versuch und Irrtum ausgesiebt werden. Wo Europas Stärken liegen lassen sich in einer Ionenkette nicht ver- Mit einem Quantenrechner ließe sich ein Der alte Kontinent ist stark in der Grund- schränken. Will man darüber hinaus, großer Teil der Experimente virtuell aus- lagenforschung zum Quantencomputer. braucht man mehrere Ketten. Um Qubits führen, so die Hoffnung. Da ihm jedoch sowohl das militärische „Auf klassischen Computern ist dies Interesse als auch ambitionierte Digital- nicht möglich, und auch auf bisherigen konzerne fehlen, tut er sich schwer mit Quantenrechnern gelingt es noch nicht“, der Umsetzung. Das soll nun ein von der Quantencomputer könnten sagt Sebastian Zanker vom Karlsruher EU initiiertes Flaggschiff-Projekt für Start-up HQS Quantum Simulations, das Quantentechnologie ändern – mithilfe die Wirkstoffsuche in der für die Pharmaindustrie Algorithmen für von rund einer Milliarde Euro. Ein Teil Medizin stark beschleunigen den Zukunftsrechner entwickelt. Doch davon geht in die Entwicklung von man bräuchte nur wenige Qubits mehr Quantencomputern. Innerhalb weniger in verschiedenen Ketten zu verschrän- sowie eine höhere Lebensdauer der Qubits. Jahre sollen zwei Maschinen mit jeweils ken, sollen einzelne Ionen wie Boten zwi- „Dieser Technologiesprung kann schnell 50 bis 100 Qubit entwickelt werden – schen ihnen reisen. kommen“, sagt der Physiker. Dann wäre die eine mit Ionen-Qubits in Innsbruck, Die Mainzer Physiker bauen eigens Feynmans Traum wahr geworden. Mit die andere mit supraleitenden Schleifen Chips, um die winzigen Kuriere hin ähnlichen Algorithmen wie denen von in Jülich. und her zu rangieren – eine Aufgabe, die HQS ließen sich auch Festkörper simulie- Ein Rechner dieser Größe soll den leis- über die reine Forschung hinausgeht. ren, was zu technischen Durchbrüchen tungsstärksten Supercomputern bei eini- „Wir brauchen dafür Ingenieure“, sagt führen könnte: der Entwicklung eines gen Anwendungen überlegen sein, etwa Schmidt-Kaler. Der Bau eines Quanten- Supraleiters etwa, der bei Raumtempera- bei der Simulation von Molekülen. Doch computers ist ein Großprojekt. Bei dem tur verlustfrei Strom leitet. der Durchbruch wären sie noch nicht. EU-Flaggschiffprojekt sitzen Grundlagen- „Bei den 100 Qubits werden wir eine Weile forscher, Ingenieure und Industrie ge- Auf den Algorithmus kommt es an hängen bleiben“, schätzt Frank Wilhelm- meinsam in einem Boot. Auch die anwen- Quantencomputer sind frei programmier- Mauch von der Universität des Saarlan- dungsorientierte Fraunhofer-Gesellschaft bar. Allerdings sind sie nicht per se des, Leiter eines der beiden Projekte. und Privatfirmen wie der französische IT- schneller. Denn beim Auslesen der Daten Neben Problemen bei der „harten Phy- Dienstleister Atos sind mit dabei. Schon von einem Qubit kommt ein zufälliger sik“ gibt es auch technische Hürden. Die jetzt lotet die Pharmaindustrie aus, wie Wert heraus. Ein Algorithmus muss daher Thomas Klink für bdw (l.); IBM (Mitte); Connie Zhou for IBM (r.) Blick in die Falle: Hier im Vakuum wollen die Wissenschaftler kalte Kalzium-Ionen erforschen. 64 | bild der wissenschaft 8 2019
h a n g e Vi h a n g e Vi XC e XC e F- w F- w PD PD er er ! ! W W O O N N y y bu bu to to k k lic lic C C w w m m w w w w o o .d o .c .d o .c c u -tr a c k c u -tr a c k Links: Das Innenleben eines bei IBM entwickelten Quantencomputers. Rechts: Die IBM-Forscher Hanhee Paik (links) and Sarah Sheldon (rechts) prüfen die Bauteile einer Kühlanlage im J. Watson Research Center bei New York. Eine vielversprechen- de Anwendung von Quantencomputern ist die Entwicklung neuer Medikamente. sicherstellen, dass beim Übergang zum mathematisch zu beweisen, dass keine beschreibt, erklärt die Quantenmechanik klassischen Bit das korrekte Ergebnis an- klassische Software genauso leistungs- den Mikrokosmos der Elementarteilchen. gezeigt wird. Das gelingt nur bei be- stark sein kann. Doch das Mathematik- Bei der Suche nach einer einzigen stimmten Aufgaben. Besonders gut sol- Wunderkind enttäuschte seinen Profes- Theorie, die alles umfasst, könnte den len die künftigen Wunderrechner etwa sor: Inspiriert vom Quantenalgorithmus Forschern eine Analogie zum Prinzip des verborgene Muster in Daten erkennen. Das fand Tang tatsächlich einen klassischen Quantencomputers helfen. So berichtete könnte Finanzmathematikern helfen. Algorithmus, der genauso schnell Emp- der chinesische Theoretische Physiker Eine weitere Stärke der Quantenrechner fehlungen findet. Xiao-Linang Qi, der an der Stanford Uni- sind Optimierungsaufgaben. Diese ver- Das Beispiel zeigt, dass die andere Art, versity in Kalifornien forscht, vor Kur- suchen mit Gegebenem das Bestmögliche mit der Software für Quantencomputer zem im Fachmagazin Nature, dass die zu erreichen, etwa eine stauarme Len- entwickelt wird, sich auf die klassische menschliche Wahrnehmung von Raum kung bei starkem Verkehr. Auch das ma- Softwareproduktion übertragen lässt. und Zeit dem Verfahren zur Korrektur schinelle Lernen, wie es für Bild- und Ähnliches gelang bereits mit einem Opti- von Fehlern beim Rechnen mit ver- Spracherkennung oder andere KI-Anwen- mierungs-Algorithmus. schränkten Qubits entspricht. Die Qubits dungen wichtig ist, könnte mit Quanten- selbst ähneln demnach der Raumzeit als computern effizienter werden, wie erste Das Rätsel von Raum und Zeit Grundpfeiler des Universums. Forschungsergebnisse hoffen lassen. Für Der Bau des Quantencomputers inspiriert Das bedeutet: Selbst, wenn es niemals derlei Aufgaben würden aber 50 oder 100 auch Physiker, die über eines der größten gelingen sollte, einen funktionsfähigen Qubits nicht reichen – es bräuchte Tau- Rätsel ihrer Zunft nachdenken. Es betrifft Quantencomputer zu bauen, könnte die sende, den Aufwand zur Fehlerkorrektur das Wesen von Raum und Zeit, die Albert Erforschung seiner physikalischen nicht mitgerechnet. Einstein zur vierdimensionalen Raum- Grundlagen künftig immerhin das Ver- Doch schon bevor er überhaupt läuft, zeit zusammengefasst hat. Um sie zu ständnis der Wissenschaftler vom Uni- produziert der Quantenrechner Neues. erklären, fehlt den Wissenschaftlern versum ein gutes Stück voranbringen. ■ Im Sommer 2018 sah sich die damals bislang eine einheitliche Theorie. So ste- 18-jährige Ewin Tang an der University of hen Einsteins Allgemeine Relativitäts- Texas in Austin einen neuen Algorithmus theorie und die Quantenmechanik ne- für Quantencomputer an. Der sollte beneinander: Sie sind nicht miteinander CHRISTIAN J. MEIER ist Journalist und Physiker. beispielsweise Empfehlungssysteme be- vereinbar, und ihre Gültigkeit beschränkt Mit „Eine kleine Geschichte schleunigen, die in Online-Shops Pro- sich jeweils auf ein bestimmtes Größen- des Quantencomputers“ hat dukte suchen, die ein Kunde mögen regime: Während die Allgemeine Rela- er ein Buch über die sagen- könnte. Eigentlich lautete Tangs Aufgabe, tivitätstheorie das All als großes Ganzes hafte Maschine verfasst. 8 2019 bild der wissenschaft | 65
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