Dialog - Wir sind gut. Oder? Im Fokus: Qualität im Gesundheitswesen - CSS Dialog
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Kein Spitzenplatz für Ärzte und Spitäler Seite 4 as Qualitätsgesetz des Bundesrates – Anspruch D und Wirkung Seite 8 dialog im Wir sind gut. Oder? Im Fokus: Qualität im Gesundheitswesen Ausgabe 1 / 2014
Echo Wladimir Iljitsch Lenin Klasse statt Schweizerische Akademie Masse der Medizinischen Wissenschaften «Wieder und wieder bitte ich: Non multa, Studien? Wo? sed multum. Weniger Zahlen, aber gescheitere.» russischer Politiker und Revolutionsführer (1870–1924) «Für zahlreiche seit langem etablierte medizinische Verfahren gibt es keine Studien, die einen Nutzen nachweisen konnten.» Positionspapier «Nachhaltige Medizin», Felix Schneuwly, Head of Public Affairs Comparis Dezember 2012 Leistung zählt (nicht) «Es werden keine Spitäler oder Arztpraxen geschlossen, wenn deren Leistungen ungenügend sind.» Handelszeitung, 7. Mai 2013 Heinz Locher, Gesundheitsökonom Dunkelkammer Bundesrat «Bislang aber haben Spitäler und Ärzte die Veröffentlichung Wettbewerb? von Qualitätsdaten erfolgreich verhindert. Das Gesundheits- wesen ist die Dunkelkammer Fehlanzeige! der Nation.» Neue Luzerner Zeitung, 18. August 2014 «Es fehlt ein echter Qualitätswettbewerb, der sich positiv auf die Behandlungsqualität und die Kosten auswirkt.» Bericht «Gesundheit 2020» des Bundesrates
Editorial/Inhalt Folgen Sie uns auf Twitter: twitter.com/CSSPolitik Sind wir die Riccarda Schaller ist Leiterin Besten? Gesundheitspolitik der CSS riccarda.schaller@css.ch Inhaltsverzeichnis «Schon wieder ein neues Magazin», mögen Sie vielleicht denken. «Aber was für eines», entgegne ich. Denn mit der neuen 4 Qualität im Gesundheitswesen Publikation «im dialog» möchte sich die CSS nicht einfach in eine Kein Spitzenplatz für Ärzte und Spitäler lange Liste von Gesundheitspublikationen einreihen. Viel- 7 Standpunkt mehr will sie – wie der Titel schon sagt – dazu beitragen, dass «CSS hat jedes Interesse an Qualität» zentrale Themen des Schweizer Gesundheitswesens aus verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet und vor allem auch disku- 8 Hintergrund tiert werden. In die Tiefe gehen statt bloss an der Oberfläche Das Qualitätsgesetz des Bundesrates – kratzen – das ist unser Anspruch. Anspruch und Wirkung 10 Praxis Die erste Ausgabe widmen wir dem Thema Qualität, sozusagen Was bringt die Veröffentlichung von dem Herzstück eines jeden Gesundheitssystems. Die Schweiz Qualitätsindikatoren wirklich? habe das beste Gesundheitswesen der Welt, wird oft und gerne betont. Aber wie steht es wirklich um die Qualität? Ist sie Die andere Sicht 11 mess- und vergleichbar? Und wie steht es um die Transparenz? Du bist, was du isst Auf diese und weitere Fragestellungen gehen wir auf den 12 Im Gespräch folgenden Seiten ein. Die gesundheitspolitische Diskussion in der «Am liebsten hätte ich eine Art Schweiz beschränkt sich allzu oft nur auf die Kostenfrage. TripAdvisor für Spitäler» Und die Krankenversicherungen sind in der Grundversicherung Persönlich 16 verpflichtet, die Leistungen zu bezahlen – auch wenn die Warum sind zufriedene Patienten notwendige Qualität nicht in jedem Fall transparent ausgewiesen so wichtig? wird. Gerade in einem System, wo (sehr) viele Anbieter das Gleiche machen, müsste aber die Qualität zu einem entscheiden- 18 Santé! den Wettbewerbsfaktor werden. Und Wettbewerb könnte «Ein Akt der Solidarität» mithelfen, dass sich die Kostenspirale im Gesundheitswesen etwas 19 Wissenschaft langsamer dreht. Klinisches Risikomanagement in Schweizer Spitälern Ich wünsche Ihnen viel Lesespass mit unserer neuen Publikation. Impressum Erscheint dreimal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Herausgeber: CSS Versicherung, Tribschenstrasse 21, CH-6002 Luzern, E-Mail: dialog@css.ch, Internet: www.css.ch, Chefredaktion: Riccarda Schaller, Roland Hügi; Redaktionelle Mitarbeit, Produktion und Grafik: Infel Corporate Media, Claudia Sebald (Text) und Franziska Neugebauer (Art Direction) | Bildnachweis: zVg, Keystone / Gaëtan Bally, Zeljko Gataric, Grafilu, iStock/inakiantonama, getty/Simon Greenwood | Lithos: n c ag, 8902 Urdorf | Druck: Kromer Print AG, 5600 Lenzburg. Diese Publikation wird vollständig aus Mitteln aus dem Zusatzversicherungsgeschäft (VVG) finanziert. im dialog 1/2014 3
Qualität im Gesundheitswesen Mit der Qualität der medizinischen Behandlung in der Schweiz hapert es gewaltig. Es geht um Tausende von vermeidbaren Todesfällen und Zehntausende von Komplikationen. Die Reaktion von Spitälern, Ärzten und Behörden ist lau. Von Urs P. Gasche Kein Spitzenplatz für Ärzte und Spitäler N ach einem Flugzeugabsturz oder Zug- Medikamente gleichzeitig einnehmen. Über 5000 von unglück überbieten sich die Schlag- ihnen sterben jährlich an einem gefährlichen Arznei- zeilen. Ursachen werden untersucht mix, schätzt Gerd Kullak, Professor für klinische Phar- und Sicherheitsvorkehrungen ver- makologie am Universitätsspital Zürich. stärkt. Solche Ereignisse nehmen wir Nicht immer bestimmt das effektive Leiden, wel- als grössere Gefahr wahr als Risiken, che Untersuchungen, Diagnosen und Behandlungen die ihre Opfer «nur» im Laufe der Zeit fordern, wie folgen, sondern die zufällige Wahl des Arztes. Mit dem in Spitälern und Arztpraxen. Jedes Jahr sterben rund gleichen Hautleiden ging eine Tessiner Patientin ge- 5000 Menschen wegen eines Fehlers in einem Akut- mäss der Konsumentenzeitschrift «Scelgo Io» nach- spital. Dazu kommen über 120 000 Patienten, die im einander zu zehn dortigen Dermatologen: Drei haben Spital einen gesundheitlichen Schaden erleiden, noch- Schuppen untersucht, zwei Blut- und Allergietests mals operiert oder nachbehandelt werden müssen. gemacht, einer hat einen Pilz diagnostiziert und eine Pilzsalbe verschrieben, einer hat eine Narbensalbe ver- «Die Hälfte der Schäden wäre vermeidbar» schrieben und vier andere eine befeuchtende Crème. Schuld an dieser hohen Opferzahl sind Infektionen, die Ein weiterer hat zusätzlich ein Eisenpräparat verordnet. man im Spital aufliest, Behandlungsfehler, unzweck- In einem Operationssaal landen Patienten häufi- mässige Medikation, falsche oder verspätete Diag- ger, wenn viele Arztpraxen mit Chirurgen in der Nähe nosen sowie Fehler in der Pflege. Den Ernst der Lage sind. Tessiner wurden vergleichsweise selten am Her- fasst das Bundesamt für Gesundheit (BAG) wie folgt zen operiert. Seit aber Kardiologen und Herzchirur- zusammen: «Jeder zehnte Spitalpatient erleidet ei- gen 1999 ein Herzzentrum eröffneten, sind Eingriffe nen gesundheitlichen Schaden und am Herzen – mit all ihren Ri- die Hälfte dieser Schäden wäre ver- siken – im Tessin viel häufi- meidbar.» Das sind 2000 bis 3000 ger als in den meisten andern Todesfälle und rund 60 000 Scha- In Kürze Kantonen – ohne einen er- densfälle, die jedes Jahr verhindert wiesenen Nutzen. Im Kanton werden könnten. Über diese vielen • Jeder zehnte Spitalpatient Freiburg haben fast doppelt so Opfer gibt es keine Schlagzeilen, erleidet einen gesundheit- viele 60-jährige Frauen keine keinen öffentlichen Druck. Deshalb lichen Schaden, und Gebärmutter mehr als im Kan- tun Politiker, Behörden und Spital- die Hälfte dieser Schäden ton Graubünden. verantwortliche zu wenig, um die wäre vermeidbar. Sicherheit zu verbessern. «Kaum ein gleichwertiges • Obwohl er dies könnte, Gesundheitssystem» Risiken auch ausserhalb der verlangt der Bundesrat Unser Land leistet sich die teu- Spitäler erste Gesundheitsversorgung keine systematischen Zu weiteren Schäden kommt es Europas, aber nicht die beste. in Arztpraxen oder Pflegeheimen. wissenschaftlichen Wer daran verdient, verbreitet An fünf von hundert Spitaleinwei- Kontrollen zur Sicherung aus dem hohlen Bauch her- sungen sind falsch verschriebene der Qualität. aus, die Schweiz sei spitze. Die Medikamente schuld. Abrechnun- Zürcher Chefärzte-Gesellschaft gen von Krankenkassen zeigen, dass • Streben diverse europäi- rechtfertigte die hohen Kosten 150 000 Patienten mehr als zwanzig sche Länder die beste mit «einem der besten, wenn Qualität an, streitet man bei uns vor allem um die 4 im dialog 1/2014 Kosten.
Qualität im Gesundheitswesen Zu viele Spitäler mit zu wenig Übung 1 versitätsspital), Anz. 5 Zentrumsversorgung Zentrumsversorgung (Niveau 4), Anz. 32 (Niveau 5), Anz. 33 (Niveau 3), Anz. 21 (Niveau 2), Anz. 25 Grundversorgung Grundversorgung Grundversorgung Allgemeinspital, Allgemeinspital, Allgemeinspital, Allgemeinspital, Allgemeinspital, Spezialkliniken, (Niveau 1, Uni- 2 Anzahl Fälle Anz. 35 3 4 3 7 7 Schlaganfall alle 5 13 15 18 3 093 Formen, Alter 45–64 9 14 21 32 1 1 3 2 4 Operative Entfernung der 12 Gallenblase (ohne Tumor) 5 18 13 12 11 20 11 531 24 18 7 1 1 1 3 5 6 4 22 8 Operative Entfernung 9 7 der Schilddrüse 5 15 3 400 22 26 13 21 1 2 2 3 4 Laparoskopische/vaginale OP 2 3 12 bei Gebärmutterentfernungen 5 10 16 9 22 7 511 (ohne Plastik) 21 17 18 4 1 2 2 2 22 3 7 Entfernung der weiblichen 11 Brust bei Brustkrebs 5 10 11 15 11 20 7 469 20 18 9 1 11 4 2 3 3 4 3 10 6 Entfernung der Prostata über die Harnröhre (TUR) 5 18 4 25 9 993 17 6 22 16 11 1 22 Erstimplantation eines 11 12 künstlichen Hüftgelenks (TEP, nicht bei Frakturen) 4 23 21 21 7 3 14 14 17 452 7 2 5 11 1 3 2 11 16 902 Erstimplantation eines 13 15 14 21 6 künstlichen Kniegelenks (TEP) 21 4 23 7 2 4 2 4 4 5 2 9 18 240 2 13 12 2 16 OP an der Wirbelsäule 5 10 17 2 5 25 8 5 2 2 1 1 3 1 1 2 4 7 6 Schenkelhalsfraktur, 2 13 11 9 1 144 Alter 85–89 19 2 17 25 28 Anzahl Spitäler mit mindestens einem Fall pro Woche (≥52 Fälle) Anzahl Spitäler mit weniger als einem Fall pro Woche (12–51 Fälle) Anzahl Spitäler mit weniger als einem Fall pro Monat (
Qualität im Gesundheitswesen Grund, weshalb es in den Niederlanden im Verhältnis zur Bevölkerung nur ein Viertel so viele Spitäler braucht wie in der Schweiz. Niederländerinnen und Niederlän- In der Schweiz der müssen weniger häufig ins Spital, werden seltener sterben jedes Jahr operiert und gehen entsprechend weniger Risiken ein. 5000 Menschen Lebenserwartung und Gesundheitszustand vergleich- wegen eines Fehlers barer sozialer Schichten sind identisch. in einem Akutspital. Schweiz schlechter als Nachbarländer In der Schweiz kommt es zu vielen Überbehandlungen ohne Nutzen. Und während ihrer Zeit im Spital sind Pa- tientinnen und Patienten grösseren Risiken ausgesetzt. Es kommt bei uns häufiger zu Infektionen als in den Nie- derlanden, in Deutschland oder Frankreich. Jedes Jahr 15 000 könnte man rund 600 Todesfälle und 15 000 Infektions- Infektionserkrankungen erkrankungen vermeiden, wenn in Operationssälen mi- liessen sich mit nimale hygienische Standards eingehalten würden. Das besseren hygienischen Standards geht aus einer Erhebung von Swissnoso hervor, einer vermeiden. Gruppe von leitenden Hygiene- und Infektionsspezia- listen. Bei den insgesamt rund 9700 jährlichen Darm- operationen käme es zu fast 400 Infektionen weniger, wenn die Behandlungsqualität in der Schweiz so gut nicht dem besten Gesundheitssystem der Welt». Sie wäre wie in Deutschland, und sogar zu fast 500 we- meinten wohl das Angebot: Laut OECD gibt es bei uns niger, wenn die Qualität auf dem Niveau französischer pro Einwohner ein Viertel mehr berufstätige Ärzte als Spitäler wäre. Bei diesen Werten handle es sich um eine in andern Industrieländern und einen Rekord an hoch- «robuste statistische Aussage», erklärte Swissnoso. technischen Apparaten wie MRI, CT u.a. Versagen der Bundesbehörden Ärzte verdienen an unnötigen Behandlungen Das Risiko für Infektionen, für ungeplante Nachbehand- Patientinnen und Patienten interessiert etwas anderes: lungen oder Medikamentenfehler kann im einen Spital Wie rasch und dauerhaft werden sie wieder gesund, fünfmal grösser sein als in einem andern, doch wir wis- oder wie gut bekommen sie ihre chronischen Krank- sen nicht in welchem. Denn Behandlungsresultate wer- heiten in den Griff. Die meisten Ärzte tun ihr Bestes, den noch immer nicht vergleichbar erhoben, und dort, doch ihre Einkommen hängen davon ab, wie häufig sie wo sie es wurden, wie bei den Infektionen, erfuhr die Untersuche machen lassen, behandeln und operieren. Öffentlichkeit die Zahlen der einzelnen Spitäler nicht. Unnötige Diagnosetests, Behandlungen und sogar Umfassende Daten über Behandlungsergebnisse Komplikationen erhöhen den Kontostand der Ärzte. sollten längst im Internet zugänglich sein. Das Kran- Umgekehrt kommen gute Ärzte, die nur das Sinnvol- kenversicherungsgesetz (KVG) gab dem Bundesrat le machen und damit Erfolg haben, finanziell schlecht 1996 die Kompetenz, «systematische wissenschaftli- weg. In den meisten andern Ländern sind Spezialärzte che Kontrollen zur Sicherung der Qualität» durchzu- nach ihrer Präsenzzeit bezahlt. Am Aufklären einer Pa- führen. Für diese Kontrollen hätte er einheitlich erfass- tientin über Nutzen und Risiken eines Eingriffs verdie- te Daten über die Behandlungsergebnisse einfordern nen sie gleich viel wie am Operieren. können. Seit 2009 sind die Spitäler sogar verpflichtet, Die falschen Anreize bleiben bei uns tabu, auch bei den Spitälern. Deren Ertragsrechnung sieht besser aus, wenn sie kompliziertere Diagnosen stellen als nötig Wer am System verdient, be- und wenn sie aufwändiger behandeln und eilig ope- hauptet aus dem hohlen rieren statt abwarten. Und weil Fallpauschalen nur die Spitalkosten decken, haben die Spitäler kein Interesse Bauch, die Schweiz sei spitze. daran, das Genesen der Patienten nach Austritt weiter- zuverfolgen. Deshalb wird nicht transparent, welche Statistiken zur Überwachung der Qualität zu liefern. Spitäler die Patienten am besten behandeln. Doch trotz rund 5000 Menschen, die jedes Jahr in Anders in den Niederlanden: Dort umfassen die einem Akutspital wegen eines Fehlers sterben, und Fallpauschalen alle Kosten – auch nach dem Spital- trotz mindestens 120 000 Behandelten, die einen ge- austritt – bis zur endgültigen Genesung. Die Spitäler sundheitlichen Schaden erleiden, hatte der Bundesrat haben ein Interesse daran, dass ihre Patienten bald nicht den Mut, sich gegen die Lobbys der Spitäler und wieder fit sind, und kümmern sich um die beste Nach- Ärzte durchzusetzen und vergleichbare Daten zu ver- behandlung oder die beste Reha. Die endgültigen Be- langen. Das ist kein gutes Omen für die, welche mit handlungsresultate werden erfasst und verglichen. Sol- einer Einheitskasse auf mehr Staatsmedizin setzen. Ein che Patientendaten besitzt in der Schweiz nur die Suva. regulierter Wettbewerb wie in den Niederlanden wür- Sie könnte ohne weiteres bekannt machen, welche Be- de die Qualität schneller verbessern. Dazu müssten die handlungsteams in welchen Spitälern die Unfallpatien- Kassen über die Vertragsfreiheit verfügen. ten am erfolgreichsten behandeln. Doch aus politischer Rücksicht wertet die Suva ihre Zahlen nicht aus. Sie Nicht einmal vergleichbare Fallzahlen habe «keinen Auftrag des Gesetzgebers», redet sie sich Wenn Chirurgen und Spitalteams eine bestimm- heraus. Die unterschiedlichen Anreizsysteme sind ein te Operation nur selten durchführen und zu wenig 6 im dialog 1/2014
Standpunkt Das Schweizer Gesundheitswesen braucht einen Kulturwandel: Die Qualität muss zu einem zentralen Faktor werden. «CSS hat jedes Interesse an Qualität» Es scheint, als hätten viele Akteure im der Leistungserbringer verantwortlich Gesundheitswesen Angst vor dem Thema ist, direkten Einfluss nehmen zu können. Qualität. Gilt dies auch für die CSS? Trotzdem bewirkt das Interesse der Kran- Hinter der Intransparenz bezüglich Qualität kenversicherung an Qualitätsindikatoren Dr. Christian Affolter ist steht in erster Linie ein kulturelles Problem: und deren Messung bei der Ärzteschaft Verantwortlicher Public Affairs die Angst vor Transparenz des eigenen eine zunehmende Auseinandersetzung Tarifstrukturen der CSS Schaffens oder die Angst vor Missbrauch mit Qualitätsfragen. christian.affolter@css.ch von Qualitätskriterien für das Durchsetzen von preislichen, politischen und struktu- Es wird immer wieder von unnötigen rellen Massnahmen. Es braucht also einen Behandlungen gesprochen, die viel kos- raschen Kulturwandel: Qualität muss ein ten und schlimmstenfalls den Patienten zentraler Faktor werden im Schweizer Ge- schaden. Wie geht die CSS damit um? sundheitswesen. Die CSS hat alles Interesse Überversorgung und nicht indizierte daran. Denn gute Behandlungsqualität Behandlungen sind bezüglich Risiken und wirkt sich unmittelbar auf die Patienten und Kosten problematisch und das Resultat letztlich auch positiv auf die Gesundheits- falscher Anreize. Wer mehr macht, be- kosten und damit auf die Prämien aus. kommt mehr Geld. Wer schlechte Qualität abliefert, wird nicht diskriminiert. Und Welchen Beitrag leistet die CSS, um die auch Patienten sind nicht ganz unschul- Qualität der medizinischen Behandlun- dig, denn oft werden Behandlungen ohne gen für ihre Versicherten zu verbessern? zwingende Indikation schlicht verlangt. Im Schweizer Gesundheitswesen herrscht Die CSS setzt sich für die Patienten ein: die freie Wahl, und die Grundversiche- Die verhandelten Tarife und Verträge rung muss letztlich qualitätsunabhängig sollen Qualität und nicht Menge belohnen, die Kosten übernehmen. Deshalb ist es Leistungen sollen breit auf ihren Nutzen für eine Krankenversicherung schwierig, überprüft werden, und Zweitmeinungen auf die Behandlungsqualität, für die allein zu Eingriffen werden unterstützt. Übung haben, kann dies zu Nachoperationen, Nach- 38 Spitäler diese Operation weniger als zehnmal pro blutungen, Wundinfektionen oder im schlimmsten Fall Jahr durch. Insgesamt verteilten sich 3400 Operatio- zum Tod führen. Bereits vor Jahren stellte das «British nen auf 98 Spitäler (siehe Grafik Seite 5). Medical Journal» fest, dass es für etliche Operationen nicht nur einen «Chirurgen, der viel operiert», sondern Nulltoleranz auch ein «Spital, das viel operiert» brauche, um Risiken Vor sieben Jahren startete Schottland ein nationales zu verringern. In den Niederlanden müssen Kranken- Programm, um «alle vermeidbaren Ärzte- und Spital- kassen Operationen nicht zahlen, wenn sie ein Spital fehler auszurotten». Bis 2015 sollen nur noch 5 von zu selten durchführt. Das war ein wirksamer Anreiz für 100 Patienten im Spital zu Schaden kommen – halb die Spitäler, sich zu spezialisieren. so viele wie in der Schweiz. Während Schottland und In der Schweiz verlangte der Bundesrat bisher nicht andere Länder die beste Qualität anstreben, streitet einmal, dass die Zahl der Operationen pro Spital erho- man bei uns vor allem um die Kosten. Doch Spitäler, ben wird. Das BAG vergleicht die Fallzahlen einzelner Ärzte und Behörden dürfen nicht mehr tolerieren, dass Spitäler mit denen ganzer Spitalgruppen. Die Zahlen es bei Behandlungen zu so vielen vermeidbaren Ver- sind trotzdem alarmierend genug. Zwei Beispiele: letzten und Todesfällen kommt. Wie nach Abstürzen Entfernen der Bauchspeicheldrüse: In der Deutsch- von Flugzeugen muss aus Fehlern gelernt werden. schweiz führten 19 Spitäler oder Spitalgruppen die- Nur freiwillige Datenerhebungen, Rücksichtnahmen sen heiklen Eingriff im Jahr 2012 weniger als zehnmal und Verschweigen unter dem Deckmantel des Daten- durch. Insgesamt verteilten sich 700 Operationen auf schutzes sind verantwortungslos. über 50 Spitäler. Teilweise oder ganze Entfernung der Schilddrüse: Diese Operation birgt das Risiko der Ver- letzung eines oder beider Nerven des Stimmbandes. Je nach Spital kann das Risiko 1:50 oder 1:200 sein, — Urs P. Gasche ist ein auf Gesundheitsfragen spezialisier- wie ausländische Zahlen zeigen. Im Jahr 2012 führten ter Publizist und Redaktor bei Infosperber.ch. im dialog 1/2014 7
Hintergrund Mit einem neuen Gesetz will der Bundesrat die Qualität im Gesundheits- wesen optimieren. Ein Vorschlag mit grossem Potenzial oder doch eher Wunschtraum? Eine Kurzanalyse. Von Matthias Schenker Das Qualitätsgesetz des Bundesrates – Anspruch und Wirkung häufig an Transparenz aufgrund fehlender Vergleich- barkeit oder mangelnden Willens zur Veröffentlichung. Dabei müssten gerade im Gesundheitswesen transpa- Matthias Schenker rente Qualitätsdaten eine zentrale Rolle spielen. ist stellvertretender Leiter Gesundheitspolitik der CSS Grundlage für nachhaltigen Wettbewerb matthias.schenker@css.ch Klar ist also: Es braucht transparente, aussagekräftige und vergleichende Daten über die Qualität von Leis- B tungen. Sie bilden die Grundlage für einen fundierten Entscheid von Patientinnen und Patienten, wenn es ei der Lebenserwartung und weiteren um die Wahl eines Leistungserbringers und das Ein- Messwerten des Gesundheitszustandes verständnis für oder gegen eine Behandlung geht. belegt die Schweiz weltweit einen Spit- Aber auch Leistungserbringer und Versicherer sind zenplatz. Dies zeigen unter anderem die auf Qualitätsdaten angewiesen. Nur so können sie ge- Zahlen der OECD. Haben wir dies der me- meinsam eine faire und wirtschaftliche Abgeltung der dizinischen und pflegerischen Qualität im schweizeri- Leistungen vereinbaren. Denn in einem nachhaltigen schen Gesundheitswesen zu verdanken? Die Vermu- Wettbewerb sollten sich die erstatteten Preise nicht tung liegt nahe – die Beweisführung aber ist schwierig. nur an einem Kosten-, sondern auch an einem Qua- litätsbenchmark orientieren. Fehlende Daten, mangelnde Transparenz Um eine solche Aussage zu stützen, bräuchte es kon- Ziele des Bundesrates unbestritten krete Daten zur Outcome-Qualität der erbrachten me- Aufgrund der bestehenden Defizite hat der Bundesrat dizinischen Leistungen. Zwar existieren (seit kurzem) das Bundesgesetz über das Zentrum für Qualität in entsprechende Daten in einzelnen Leistungsberei- der obligatorischen Krankenpflegeversicherung in die chen – unter anderem dank des Nationalen Vereins für Vernehmlassung geschickt. Das Parlament wird sich Qualitätsentwicklung in Spitälern und Kliniken (ANQ). voraussichtlich 2015 mit der Vorlage befassen. Die im Trotzdem gleicht die Suche nach Qualitätsangaben Vernehmlassungsentwurf formulierten Ziele sind fol- in weiten Teilen des schweizerischen Gesundheits- gerichtig. Unter anderem fordert der Bundesrat in der wesens – insbesondere im ambulanten Bereich – der Grundversicherung eine «Förderung der Transparenz Wanderung durch eine Datenwüste. Es existieren ent- in Bezug auf die Qualität und den zweckmässigen weder keine Qualitätsdaten und falls doch, mangelt es Einsatz der Leistungen». Auch die Förderung der Pa- 8 im dialog 1/2014
Hintergrund Das Qualitätsgesetz alleine garantiert noch lange nicht, dass sich die hohen Ansprüche an die Qualität in der Wirklichkeit widerspiegeln. tientensicherheit und die Bereitstellung von systema- de Institution. Schlagen sich die vom Zentrum erarbei- tischen wissenschaftlichen Grundlagen zur Bewertung teten Grundlagen bezüglich Qualität und Bewertung von Gesundheitstechnologien machen Sinn. Denn von Gesundheitstechnologien nicht in der Praxis der gerade im Bereich der konsequenten Beurteilung der Vertragspartner und des BAG nieder, werden die Ziele Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit des Gesetzes nicht erreicht. medizinischer Leistungen hat auch die Politik grosse In der Verantwortung stehen also sowohl Leis- Defizite festgestellt.* tungserbringer als auch Versicherer und BAG. Sie alle müssen die erarbeiteten Grundlagen verbind- Zentrum allein reicht nicht aus lich in ihre operative Tätigkeit einfliessen lassen. Die Aufgaben und Ziele des geplanten Qualitätszen- Das Zentrum kann und soll also nur unterstützend trums sind im Gesetz also klar definiert und entspre- wirken. Es macht deshalb Sinn, die erwähnten An- chen einem grossen Bedürfnis. Allerdings werden die spruchsgruppen bereits frühzeitig in die Arbeiten des Zielsetzungen mit den Tätigkeiten des neuen Quali- Zentrums einzube- tätszentrums alleine unerreichbar bleiben. Dies liegt ziehen. Dadurch er- nicht am geplanten Zentrum oder an dessen Aufgaben. höhen sich dessen Die Anspruchsgruppen Grund ist vielmehr, dass sich mit dem neuen Gesetz Akzeptanz und die müssen frühzeitig nichts an der heutigen Kompetenzverteilung ändert. Wirkung seiner Ak- Bezüglich Qualität sind nach wie vor die Leistungser- tivitäten. Zwingend mitarbeiten können. bringer gefordert, ent- ist auch eine paritä- sprechende Indikatoren tische Finanzierung des Zentrums. Nicht allein die In Kürze zu erarbeiten und deren Prämienzahlenden sollen die Kosten tragen, sondern Überprüfung mit den auch die in der Verantwortung stehenden Institutio- • Die Ziele des Gesetzes Vertragspartnern, sprich nen – zumindest in Bezug auf die Grundlagenarbeiten sind folgerichtig. den Versicherern, zu zur Qualität. Die Bewertung von Gesundheitstechnolo- vereinbaren. Wenn es gien soll wie vorgeschlagen eine vom Bund finanzierte • Das Qualitätszentrum um die Bewirtschaftung Aufgabe bleiben. kann die Ziele nicht alleine von Leistungen zulasten erreichen. der Grundversicherung geht, bleibt das Bun- * GPK-N, Inspektion «Bestimmung und Überprüfung desamt für Gesundheit ärztlicher Leistungen in der obligatorischen Kranken- • Leistungserbringer und (BAG) die entscheiden- pflegeversicherung». Brief an den Bundesrat, 26.1.2009 Versicherer müssen deshalb die erarbeiteten Grundlagen umsetzen. im dialog 1/2014 9
Praxis Die Erhebung von Qualitätsdaten im schweizerischen Gesundheitssystem ist vordringlich. Doch ohne entsprechende Rahmenbedingungen besteht die Gefahr eines nicht interpretierbaren Datenfriedhofs. Von Michael Schlander Was bringt die Veröffentlichung von Qualitätsindikatoren wirklich? G emäss «NZZ» vom 23. Juli 2009 weiss im schweizerischen Gesundheitssystem «die eine Hand […] nicht, was die andere tut». Gefragt ist deshalb grösstmögliche Trans- parenz. Geschehen soll das durch die Erhebung und Veröffentlichung geeigneter Qualitätsin- dikatoren. Dabei ist Qualitätssicherung im Schweizer Ge- Erfahrungen in anderen Ländern zeigen aber, dass diese überwiegend Faktoren wie Erreichbarkeit und Hotelleis- tungen als Entscheidungsgrundlage für die Wahl eines Spitals verwenden. Andere Adressaten sind Zuweiser, Krankenhäuser, Kostenträger sowie Legislative und Exe- kutive. Sie sind für Entscheide auf verlässliche Daten angewiesen. Es stellt sich das Problem der Fehlanreize sundheitswesen kein neues Thema und bereits seit 1996 und der Manipulationsmöglichkeiten; Stichworte sind in KVG und KVV verankert. Seit 2009 sind Leistungser- etwa zu frühe Entlassungen zur Reduktion von berichts- bringer verpflichtet, «den zuständigen Bundesbehörden pflichtiger Letalität und Komplikationen, Verlegung von die Daten bekannt zu geben, die benötigt werden, um die Hochrisikopatienten, Unterlassung riskanter, obgleich Anwendung dieses Gesetzes über die Wirtschaftlichkeit indizierter Prozeduren, Reduktion der Behandlung bis und Qualität der Leistungen zu überwachen». Ebenfalls hin zur Datenmanipulation. 2009 hat die SAMW (Akademie für medizinische Wissen- schaften) eine Stellungnahme zur «Erhebung, Analyse Wettbewerb um bestmögliche Qualität und Veröffentlichung von Daten über die medizinische Zentral ist die Idee vom Wettbewerb um bestmögliche Behandlungsqualität» herausgegeben. Qualität, der letztlich zu ergebnisorientierten Vergü- tungsmodellen führt. Praktische Erfahrungen mit ent- Gefahr eines Datenfriedhofs sprechenden Modellen liegen vor allem aus den USA Qualitätssicherung besteht wesentlich aus Soll-Ist-Ver- und England vor. Die Datenlage zu den Effekten ist in- gleichen; ohne eine Bezugsnorm führt die Erhebung ternational unübersichtlich und hat wiederholt zu der von Qualitätsindikatoren zu einem nicht interpretierba- Schlussfolgerung veranlasst, dass die Veröffentlichung ren Datenfriedhof. Deshalb ist es grundsätzlich richtig, von Qualitätsdaten keine nachweisbaren positiven Fol- dass der Bund die Schaffung eines «Zentrums für Quali- gen habe und folglich der Qualitätswettbewerb ins- tät in der OKP» vorbereitet, dem auch die Zuständigkeit gesamt nicht trage. «Pay for Performance» geht noch für Health Technology Assessments (HTAs) zugewiesen einen Schritt über den Qualitätswettbewerb hinaus, in- werden soll. Denn nur bestmöglich faktenbasierte Stan- dem statt bloss immaterieller auch finanzielle Anreize dards sind geeignet, als Bausteine einer nachhaltigen zur Verbesserung von Qualitätsindikatoren gesetzt wer- Qualitätssteigerung und -sicherung im Gesundheits- den. Auch hier ist die Datenlage heterogen. Anders aus- wesen zu dienen. Doch der Bund will mehr, nämlich die gedrückt, entspricht der Stand der internationalen wis- «Förderung der Transparenz in Bezug auf die Qualität senschaftlichen Erkenntnisse zugunsten der Wirkungen und den zweckmässigen Einsatz der Leistungen». von veröffentlichten Qualitätsindikatoren (noch) nicht Damit stellt sich die Frage, wer von Transparenz pro- den anerkannten Standards der evidenzbasierten Me- fitiert. Zunächst wird man wohl an die Patienten denken. dizin. Das sollte nicht davon abhalten, bestehende Chancen zur Qualitätssicherung im Gesundheitswe- sen auszuschöpfen. Es sollte aber zu einer realistischen Einschätzung des Potenzials beitragen, um späteren Enttäuschungen aufgrund überzogener Erwartungen vorzubeugen. Die Sicherstellung der Qualität in der — Der Arzt und Wirtschaftswissenschaftler Professor Leistungserbringung Dr. med. Michael Schlander, MBA, ist Gesundheitsöko- nom an der Universität Heidelberg und der Hoch- ist bereits seit 1996 schule für Wirtschaft sowie Gründungsvorsitzender des im Gesetz verankert. gemeinnützigen Institute for Innovation & Valuation in Health Care (InnoValHC) in Wiesbaden. 10 im dialog 1/2014
Die andere Sicht Gut kochen hat mit Können zu tun. Eine erfolgreiche Köchin muss ohne Zweifel alle Regeln der Kochkunst beherrschen. Das allein reicht aber bei Weitem nicht aus – doch was ist das Geheimnis von Haute Cuisine? Und warum zahlt sich Qualität aus? Von Irma Dütsch Du bist, was du isst F ür ein exzellentes Gericht braucht es mehr ger, der Käser, der Weinbauer sind ebenso wichtig für als nur ein gutes Rezept. Kochen ist Lei- qualitativ hochstehende Gerichte. Sie alle haben ein denschaft, benötigt Liebe, Zeit und Geduld. grosses Wissen, von dem wir Köche profitieren. Dieser Dasselbe gilt für das Essen. Wer sich kei- Wissensaustausch und die Auseinandersetzung mit lo- ne Zeit nimmt und nur Fertigprodukte isst, kalen Produkten bedingen freilich Zeit – aber Qualität weiss gar nicht mehr, wie richtiges Essen schmeckt. kennt keine Eile. Dabei gibt es doch nichts Wichtigeres als qualitatives, In meinem Metier erlebt man die Qualitätsprü- wohlschmeckendes Essen. Denn die Nahrungsmit- fung unmittelbar: Wenn der Gast die Rechnung zahlt, tel führen wir unseren Körpern zu, sie sind in unseren merken wir sehr genau, ob er gerne zahlt. Und es gibt Körpern. Somit bist du tatsächlich, was du isst. nichts Schöneres als zufriedene Gäste. Dazu müssen Für eine ausgezeichnete Küche sind verschiedene Preis und Qualität übereinstimmen. Ich frage meine Faktoren entscheidend: das Produkt, die Art zu ko- Köche oft: «Würdest du für das Gericht, das du ge- chen, das Abschmecken, die Aromen. Und vor allem rade an den Tisch schickst, eine Köchin, die fähig ist, aus diesen Komponenten diesen Preis bezahlen?» Als eine harmonische Kreation zu schaffen. Aber auch gute Köchin muss man Kon- Kochen ist Wissen. Dinge, die vermeintlich nichts mit Kochen zu tun ha- takt zu seinen Gästen haben. Kunstfertigkeit. ben, sind für eine «Haute Cuisine» wichtig. So hat die Sie müssen spüren, dass sie Art, wie man als Gast begrüsst wird, wie der Tisch de- uns wichtig sind. Auch das Eine Vision. Kochen koriert ist und welche Gläser aufgetischt sind, Einfluss ist ein Qualitätsmerkmal. Wir ist Persönlichkeit. auf die Qualität. Dazu gehört auch, wie die Speisen auf müssen unsere Gäste gern dem Teller angerichtet sind – denn unser Auge isst haben und alles transparent machen. Nicht nur woher mit. Kurz: Einer der Schlüssel für eine ausgezeichnete die Produkte stammen, sondern auch unsere Persön- Küche liegt in den Details. lichkeit. Dies schafft Vertrauen. Denn wie gesagt: Es Ein weiteres Schlüsselmoment sind die Zutaten. Ein gibt nichts Intimeres als Nahrung. Du bist, was du isst. Gericht ist nur so gut wie die Qualität seiner einzelnen Komponenten. Sinnvollerweise wählen wir saisonale Produkte, die frisch sind und im ei- genen Land wachsen. Die Schweiz — Irma Dütsch gehört zur absoluten hat glücklicherweise vier Jahres- In Kürze Spitzenklasse der Schweizer Köche. zeiten. Wenn der Frühling kommt, Sie wuchs als jüngstes Kind einer • Verlieren Sie nie die Bauernfamilie in Gruyères auf. Bereits freuen wir uns auf Spargeln, Bär- Details aus dem Blick. als kleines Mädchen wollte sie lauch und Erdbeeren. Doch wer hat Erst die Summe der Köchin werden – und erlernte als eine im Sommer schon Lust auf Sauer- der ersten Schweizerinnen den Einzelteile macht das kraut, Safran und Scampi? Im Win- Kochberuf. Für ihre Kochkunst wurde ter aber ist das ein hervorragendes Ganze aus. Irma Dütsch unter anderem mit Gericht. Eine gute Köchin lässt sich einem Michelin-Stern und von Gault- von den lokalen Märkten und dem • Qualität benötigt Millau mit 18 Punkten ausgezeich- Wissen – viel Wissen – net. Während 30 Jahren führte sie zu- Angebot inspirieren. So trifft sie erst sammen mit ihrem Mann das noch auf ihre Lieferanten und Pro- und Zeit. Restaurant Fletschhorn in Saas-Fee. duzenten. Dieser persönliche Kon- Heute arbeitet sie als Beraterin, takt ist essenziell, denn der Metz- • Qualität ist kein über- Autorin und Gastköchin. flüssiger Luxus, son- dern zahlt sich aus. im dialog 1/2014 11
Im Gespräch Braucht es in Qualitätsfragen mehr Transparenz? Über diese Frage debattieren der Luzerner Gesundheitsdirektor Guido Graf und Nello Castelli, Generalsekretär des Genolier Swiss Medical Network. Interview Patrick Rohr «Am liebsten hätte ich eine Art TripAdvisor für Spitäler» Vorweg, damit wir vom Gleichen reden: Das klingt überzeugend! Nur ist das Wie definieren Sie, Herr Castelli, als Problem, dass der Patient, die Patientin Leistungserbringer und Sie, Herr Graf, heute nicht weiss, was gemessen und als Leistungseinkäufer den Begriff verglichen wird. Es gibt diesbezüglich «Qualität»? keine Transparenz! Guido Graf (GG): «Unter Qualität in der NC: «Es gibt Transparenz, aber es stimmt, Medizin verstehe ich nichts anderes, als für die Patienten sind die Resultate ich auch zum Beispiel unter Qualität schwer zu evaluieren. Man spricht zum beim Autokauf verstehe: Die gewünschte Beispiel von ISO-Zertifizierungen, aber Leistung muss gut erbracht werden, das sagt den meisten Patienten nicht viel. und das Resultat muss messbar sein. Wie Wir sind der Meinung, dass ein Label im Sport, da ist klar messbar, wer der wie ‹Swiss Leading Hospitals› oder viel- Beste ist. Und deshalb kann man verglei- leicht eine Genolier-interne und -externe chen.» unabhängige Zertifizierung erfolgreicher Nello Castelli (NC): «Das sehe ich auch sein könnten.» — Guido Graf, Regierungsrat (CVP) des so. Die Qualität muss auch in der Medizin messbar sein, denn die Gesundheit ist Aber das würde ja nicht mehr Vergleichs- Kantons Luzern, seit 2010 Vorsteher des Gesundheits- und Sozialdepar- das Wichtigste für den Menschen, also möglichkeiten bringen. tements. Davor war der gelernte muss man die Qualität nach klaren NC: «Wahrscheinlich nicht, das stimmt. Bautechniker und diplomierte Ver- Vorgaben eruieren können.» Deshalb dürfen wir nicht nur Prozesse und bands-/NPO-Manager Unternehmer. Strukturen bewerten, sondern müssen auch die Ergebnisse betrachten. Und das ist der Teil, der schwierig ist.» Warum? NC: «Es gibt von den Ärzten einen grossen Widerstand dagegen. Als Direktionsmit- glied der Genolier-Gruppe finde ich aller- dings, solche Messungen und Vergleiche sollten möglich sein und publik gemacht werden. Am liebsten hätte ich eine Art TripAdvisor für Spitäler. Bis in einigen Jah- ren sollte jeder Patient und jede Patien- tin ganz einfach herausfinden können, wie hoch die Garantie für die Qualität in die- sem oder jenem Spital ist.» Das überrascht mich jetzt! Sie scheitern mit diesem Anspruch an den Ärzten? NC: «Ja. Und ich sage das ganz generell für alle Ärzte, nicht nur für unsere. Natür- lich ist die Evaluation der medizinischen 12 im dialog 1/2014
Im Gespräch — Nello Castelli, Gene- ralsekretär des Genolier Swiss Medical Network. Bis 2013 war der Jurist stv. Geschäftsführer bei der Vereinigung Schwei- zerischer Privatbankiers und Direktionsmitglied bei santésuisse. Leistungen nicht einfach, aber sie ist vermeiden. In diesem Punkt müssen wir immer verbessern, und vielleicht müsste möglich. Die Equam-Stiftung in Basel uns noch etwas bewegen.» man das Thema am besten national an- macht sie zum Beispiel bereits.» gehen.» Allerdings! Das Bundesamt für Gesund- Herr Graf, wir hören hier ein klares heit spricht konkret von jährlich 5000 Das ist der Punkt: Seit 2012 haben wir die Statement von einem Leistungs- Todesfällen und 120 000 Schadensfällen freie Spitalwahl. Es nützt wenig, wenn erbringer. Sehen Sie das als Leistungs- in Schweizer Spitälern. Und es sagt ich weiss, dass Regierungsrat Graf im Kan- einkäufer gleich? auch, dass mehr Transparenz zu einer ton Luzern ganz genau hinschaut, aber GG: «Ich übernehme in diesem Bereich Reduktion von etwa der Hälfte dieser es im Nachbarkanton möglicherweise ja eine andere Rolle, ich übernehme die Fälle führen würde. ganz anders läuft. Aufsicht über die Spitäler, welche auf der GG: «Bei uns im Kanton müssen alle Lis- GG: «Richtig, es gibt Qualitätskriterien, Spitalliste sind.» tenspitäler dem Verein ANQ ange- die für alle gleich sein sollten und die man schlossen sein, dem nationalen Verein für offen auf den Tisch legen sollte.» Dann müssten Sie ja umso mehr ein Qualitätsentwicklung in Spitälern hohes Interesse an möglichst grosser und Kliniken. Die Erhebungen des ANQ Zum Beispiel? Transparenz haben. kann man miteinander vergleichen. GG: «Die ‹blutige Entlassung›, also wenn GG: «Ja, dieses Interesse habe ich auch. Ausserdem verlange ich von unseren ein Patient oder eine Patientin zu früh Aber ich muss Ihnen auch sagen, dass Spitälern jährlich die Beschwerden aus dem Spital entlassen wird. Das will ja ich denke, dass die Qualität in unseren der Patienten. Wenn es da Punkte gibt, die auch das Spital nicht, sonst gibt es Spitälern im Vergleich zu unseren die Qualität betreffen, kann ich rea- eine sogenannte ‹Garantiearbeit› – das Nachbarländern nicht schlechter ist. Aber gieren. Ich stelle in dieser Beziehung bei heisst, der Patient kommt zurück ins natürlich, was wir vermeiden können – unseren Spitälern eine grosse Offen- Spital, und dieses bekommt dafür keine Todesfälle, Schadensfälle –, müssen wir heit fest. Aber klar, Qualität kann man neue Pauschale.» im dialog 1/2014 13
Im Gespräch Aber ist nicht genau das das Problem? anderes Spital. Der Wettbewerb bietet im Jahr durchführen. So gesehen sagt Mit der Fallpauschale wird jeder bereits genug Anreiz für gute Qualität.» die Liste wenig aus über die Qualität. vergleichbare Fall gleich abgegolten, Bräuchte es nicht viel mehr spezialisierte egal, wie die Qualität ist. Müsste Moment, das scheint mir jetzt doch Zentren, damit der Patient wirklich auf die der Preis nicht viel eher ein Abbild der etwas gar einfach: Wenn etwas schief- Qualität vertrauen kann? Qualität sein, damit die Spitäler geht, kann sich der Patient für ein GG: «In der hoch spezialisierten Medizin auch wirklich einen Anreiz haben, gute anderes Spital entscheiden – er hat ja wurde schon sehr viel zusammen- Qualität zu liefern? die Wahl? Damit stellen Sie sich gelegt. Aber ich bin mit Ihnen einig, dass NC: «Diesen Anreiz haben wir doch eben doch gegen mehr Transparenz! wir hier Nachholbedarf haben. Es ist heute schon. Der Patient kann frei ent- GG: «Herr Rohr, jetzt hören Sie mal: klar, dass jemand, der zwei oder drei Fälle scheiden, in welches Spital er gehen Glauben Sie, ein Spital ist auf der Spital- im Jahr behandelt, nicht die gleiche will. Und er wählt das Spital, das die beste liste, wenn es die Qualität nicht sicher- Qualität bieten kann wie jemand, der für Qualität liefert. Aber es ist schon klar, stellen kann? Wenn es eine Gefahr gibt für 50 Fälle zuständig ist. Doch die Zu- um wirklich entscheiden zu können, die Patienten, nehme ich dieses Spital sammenarbeit unter den Spitälern funktio- bräuchte er mehr Transparenz.» von der Spitalliste oder schliesse es. Hier GG: «Nehmen wir zum Beispiel an, hat die Aufsicht eine Verantwortung, jemand geht bei uns im Kanton Luzern und der Patient muss darauf vertrauen, ins Kantonsspital und wird zu früh dass wir diese wahrnehmen.» «Der Wettbewerb bie- entlassen. Dieser Patient will dann sicher tet bereits genug Anreiz nicht mehr zurück ins Kantonsspital. Auf die Liste kommen aber auch Spitäler, Wer nicht zufrieden ist mit einer Leistung, die in einem bestimmten Bereich für gute Qualität.» der sucht sich beim nächsten Mal ein höchstens ein bis zwei Operationen Guido Graf 14 im dialog 1/2014
Im Gespräch niert in diesem Bereich schon heute. Sie, dass das Qualitätszentrum eine Ver- lieber. Einerseits würden wir Aufwände Die Kantone Luzern und Nidwalden tau- besserung bringen könnte? einsparen, andererseits hätte es auch schen zum Beispiel Spezialisten aus. GG: «Das sehe ich auf jeden Fall so, und der Patient etwas einfacher, wenn er ver- Aber das ist erst der Anfang, da wird sich ich unterstütze dieses Zentrum daher gleichen möchte.» noch einiges bewegen.» auch. Mir ist aber wichtig, dass die Kanto- ne und vor allem auch die Medizin in Das müssten Sie doch unterstützen, Herr Herr Graf, mir fällt auf, dass Sie das den Prozess eingebunden werden.» Castelli? bestehende System verteidigen. Hat das NC: «Nein. Ich mache gerne den Ver- auch mit der schwierigen Rolle zu Was könnte das Qualitätszentrum gleich mit anderen Bereichen, in denen es tun, in der Sie sich befinden? Der Kanton denn an Verbesserungen gegenüber einen Wettbewerb gibt. Ich kaufe zum ist einerseits Leistungseinkäufer und heute bringen? Beispiel gern Biogemüse. Da habe ich die Aufsichtsorgan – und auf der anderen GG: «Wir haben 26 Kantone und gleich Wahl zwischen verschiedenen Labels, Seite auch Leistungserbringer. viele Systeme für die Qualitätssicherung. das finde ich gut.» Können Sie da überhaupt ein Interesse an Wenn das künftig jemand zentral be- vollständiger Transparenz haben? wirtschaftet und laufend weiterentwickelt, Sie plädieren für völlige Transparenz – GG: «In meinem früheren Leben war ich ist das eine grosse Unterstützung für und sagen gleichzeitig, dass Sie einen Unternehmer. Als ich vor bald fünf die Kantone.» Wettbewerb wie bei den Biolabels Jahren in die Regierung kam, sagte ich: begrüssen würden? Gerade die Biolabels Bei mir haben alle die gleich langen Herr Castelli, sehen Sie das gleich? sind für mich etwas vom Intranspa- Spiesse. Das Luzerner Kantonsspital ist NC: «Nein, ich bin total gegen das natio- rentesten, als Kunde weiss ich nicht, wer eine eigene Firma mit einem eigenen nale Qualitätszentrum.» hinter welchem Label und wofür Spitalrat. Es hat von uns einen Leistungs- welches Label steht. auftrag wie ein privates Spital auch. Im Wie bitte? NC: «Wenn wir keinen Wettbewerb haben, Gegenzug erhalten die privaten Spitäler NC: «Ja, weil man in diesem Vorschlag wie sollen wir dann die Ärzte motivie- die gleichen gemeinwirtschaftlichen Qualität und Wirtschaftlichkeit vermischt. ren, sich für mehr Transparenz einzuset- Leistungen wie das Kantonsspital. Ich Wir haben doch schon heute genügend zen? Wenn es nur eine nationale Stelle mache ja auch keine Bettenplanung, Qualitätskriterien und Möglichkeiten, die gibt, gibt es keinen Wettbewerb und folg- wie das einige Kantone machen, sondern Qualität zu messen. Das ist nicht das lich nicht mehr Transparenz. Wir brauchen ich will wirklich den Wettbewerb Problem. Das Qualitätszentrum ist höchs- den Wettbewerb, auch bei der Qualitäts- spielen lassen. Und damit habe ich tens ein Schritt Richtung Verstaatli- messung.» früher als Unternehmer und auch jetzt als chung, es bringt nicht mehr Transparenz.» Gesundheitsdirektor gute Erfahrungen GG: «Aber, Herr Castelli, schauen wir gemacht.» uns doch einmal die heutige Situation an. — Wir haben viele verschiedene Quali- Herr Castelli, denken Sie als Leistungser- tätssysteme: den ANQ, das Medical Board Patrick Rohr, Journalist, Fotograf und Kom- bringer, dass die Kantone diese Doppel- in Zürich, die ISO-Standards etc. Sie munikationsberater. Bis 2007 Moderator und rolle glaubhaft wahrnehmen können? haben ja selber gesagt, dass der Patient Redaktor beim Schweizer Fernsehen (u.a. NC: «Ich bin mit der Einstellung von Herrn das gar nicht verstehen kann. Da wäre «Arena», «Quer»). Autor von drei Kommunika- Regierungsrat Graf sehr zufrieden. mir ein nationales Qualitätszentrum viel tionsratgebern. Mich freut zu hören, dass er das Gesund- heitswesen als Unternehmer anschaut und den Wettbewerb spielen lässt. Genau so sollte es auch mit den Qualitäts- kriterien sein. Denn schliesslich liegt es in unserem Interesse als Unterneh- mer, gute Qualität zu bieten, denn wenn die Leistungen schlecht sind, wird niemand zu uns kommen. Das Problem der Rolle des Kantons besteht in der unterschiedlichen Praxis zwischen den Kantonen. In der Romandie sieht man oft, dass einige Ihrer Kollegen, Herr Graf, sagen: Als Regierungsrat bin ich der Chef des Kantonsspitals, also entscheide ich für mein Spital! Das führt zu Protektionismus und verhindert den Wettbewerb. Und dann hat der Patient gar keine freie Wahl.» Künftig soll die Qualitätssicherung nicht mehr nur Sache der Kantone, sondern auch des Bundes sein. Der Bundesrat hat ein Gesetz für ein nationales Quali- tätszentrum in Auftrag gegeben, welches das Parlament voraussichtlich im Frühling 2015 behandeln wird. Denken im dialog 1/2014 15
Persönlich 60 95%-Konfidenz- 55 signifikant höher als «Spital Schweiz»: 5 Spitäler höher als «Spital Schweiz»: 19 Spitäler intervall Mittel- 50 gleich wie «Spital Schweiz»: 1 Spital wert tiefer als «Spital Schweiz»: 25 Spitäler 45 signifikant tiefer als «Spital Schweiz»: 3 Spitäler 40 Prozent 35 30 25 20 15 10 5 Ospedale della Beata Vergine Mendrisio Spital Thun Ospedale San Giovanni Bellinzona Kantonsspital Graubünden Spital Bülach Kantonsspital Nidwalden Ospedale La Carità Locarno Kantonsspital Obwalden Ospedale Civico Lugano Spital Herisau Spital Zollikerberg Kantonales Spital Appenzell Kantonsspital Fribourg Spital Limmattal Spital Wil Hôpital de Morges Spital Grabs Spital Wetzikon St. Claraspital Basel Spital Schwyz Kantonsspital Winterthur Zieglerspital Bern Spital Interlaken Kantonsspital Uri Kantonsspital Glarus Spital Zofingen Kantonsspital Münsterlingen Spital Sion-Sitten Kantonsspital Frauenfeld «Spital Schweiz» Spital Männedorf Spital Uster Stadtspital Waid Zürich Hôpital de Pourtalès Neuchâtel Spitalzentrum Biel-Bienne Kantonsspital Schaffhausen Kantonsspital Luzern Kantonsspital Aarau Hôpital de La Chaux-de-Fonds Kantonsspital St. Gallen Zuger Kantonsspital Kantonsspital Bruderholz Universitätsspital Basel Bürgerspital Solothurn Stadtspital Triemli Zürich Kantonsspital Olten Kantonsspital Baden Tiefenauspital Bern Inselspital Bern Spital Sursee-Wolhusen Kantonsspital Liestal Universitätsspital Zürich CHUV Lausanne Hôpitaux Universitaires de Genève Spitalranking 2007 von Comparis: Kombinierte Wiedereintritts-, Infektions- und Fehlerrate. Comparis möchte die Zufriedenheit von Patienten systematisch messen. Damit erhielte die Diskussion über Qualität in den Spitälern neuen Auftrieb. Von Felix Schneuwly Warum sind zufriedene Patienten so wichtig? W er den Wettbewerb um medizini- sche Qualität gewinnen will, darf eines nicht aus den Augen ver- lieren: die zufriedenen Patienten. Die Tarifpartner dürfen also in ih- ren Verhandlungen über die Vergütung medizinischer Leistungen nicht nur auf die Kosten fokussieren. Auch zinischer Qualität wichtig, die Patientenzufriedenheit (PaZu) systematisch zu messen und transparent zu machen. PaZu-Daten sind eine wichtige Vorausset- zung, damit die freie Arzt- und Spitalwahl nicht bloss auf blindem Vertrauen basiert. Der Vergleichsdienst Comparis möchte daher künftig gemeinsam mit den Krankenversicherern Patienten nach ihrem Klinikauf- das Preis-Leistungs-Verhältnis muss eine Rolle spielen. enthalt anonym befragen. Die jetzige Vergütungspraxis lässt nämlich ausser Acht, dass die Qualität der medizinischen Leistungen nicht Ranking sorgte für Aufsehen bei jedem Leistungserbringer und zu jedem Zeitpunkt Bereits 2007 hatte Comparis mit einem Spitalver- die gleiche ist. Darum ist es für die Bewertung medi- gleich (vgl. Abbildung oben) für Aufsehen gesorgt und 16 im dialog 1/2014
Persönlich die Ärzte sowie die Spitäler provoziert. Trotz massiver nem zertifizierten Lettershop die Angaben liefern, Kritik am Studiendesign und an der Aussagekraft der welche Versicherten kürzlich im Spital waren und den publizierten Infektions-, Rehospitalisations- und Feh- PaZu-Fragebogen per Post oder elektronisch erhalten lerraten gelang es mit diesem Spitalranking, auf die sollen. Comparis bekommt vom Lettershop für jeden «Dunkelkammer» Qualität aufmerksam zu machen Empfänger eine ID-Nummer. So bleibt die Anonymi- und positive Entwicklungen anzustossen. tät der Patienten gesichert. Gleichzeitig kann so einer Selbstverständlich können Laien nicht beurteilen, Person X via Lettershop eine Erinnerung geschickt ob eine Operation fachlich korrekt und nach dem werden, falls diese den Fragebogen noch nicht aus- neusten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse gefüllt hat. durchgeführt wurde. Aber sie können sehr wohl be- Comparis wertet die PaZu-Daten für die teilneh- urteilen, ob die ihnen in Aussicht gestellten Behand- menden Versicherer, für den PaZu-Vergleich, für die lungsziele erreicht, ihre Anliegen ernst genommen Versorgungsforschung sowie und ihre Fragen beantwortet worden sind. Genauso für die Öffentlichkeit aus. Auf können sie berichten, ob sie ihre Krankengeschichte dem PaZu-Rechner kann mehrmals erzählen mussten oder Untersuchungen also jeder Patient vor einer Patienten können mehrmals durchgeführt wurden, weil der Informati- Operation sehen, wie zufrie- beurteilen, ob die onsfluss zwischen Hausarzt und Spital oder im Spital den die bisher operierten Pa- nicht klappte. tienten in einem Spital waren. Behandlungsziele Ein wissenschaftlicher Beirat erreicht wurden. Zufriedenheit systematisch erfassen wird dafür sorgen, dass PaZu An diesen Punkten setzt Comparis an. Die PaZu soll nach State of the Art konzi- künftig nicht nur in einer einmaligen Umfrage gemes- piert, durchgeführt und weiterentwickelt wird, wie es sen werden, sondern mit einer systematischen, von vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) verlangt wird. Leistungserbringern und Versicherern unabhängigen Das eigens ausgefertigte Konzept erfüllt die Anforde- Befragung der Patienten nach Spitalaufenthalten. Die rungen des Datenschutzes. Ergebnisse der Umfrage unterstützen Patienten bei Die Verhandlungen mit den Krankenversicherern einer fundierten freien Arzt- oder Spitalwahl. Denn zu laufen bereits. Sobald die entsprechenden Verträge wissen, in welchem Spital und bei welchem Operati- unterzeichnet sind, wird der Beirat aktiv, und der Auf- onsteam die Patienten mit der Operation des Meniskus bau von PaZu kann beginnen. Die ersten Befragungen zufrieden sind, ist für Patienten ebenso wichtig wie die sollen nach jetzigem Stand bereits im kommenden Empfehlung des Hausarztes. Jahr durchgeführt werden. Die ersten Ergebnisse wer- PaZu-Daten sind aber nicht nur für Patienten hilf- den publiziert, sobald genügend Daten vorliegen, um reich, sondern auch für Versicherer und Leistungs- statistisch signifikante Aussagen machen zu können. erbringer. Spitäler können sich dank dieser Informa- tionen in den Tarifverhandlungen mit den Kassen in Auswertung bestimmten Leistungsbereichen von der Konkurrenz Patientenzufriedenheit im Vergleich abheben. Den Versicherern wiederum dienen PaZu- Krankenversicherer Daten bei den Vertragsverhandlungen mit den Spi- Patienten tälern und bei der Unterstützung und Beratung ihrer (Namen und Kunden, damit diese im Krankheitsfall die besten me- 4 1 Adressen) dizinischen Angebote wählen können. Solide Basis für Wettbewerb Das Vergütungssystem mit Fallpauschalpreisen nach comparis.ch Lettershop SwissDRG ermöglicht ebenso eine Risikoadjustierung der PaZu wie Mortalitäts-, Infektions- und Fehlerda- ten. Dadurch werden Spitäler mit den eher schweren Krankheitsfällen nicht benachteiligt. Zusammen mit einem morbiditätsorientierten Risikoausgleich ist das eine solide Basis für einen Wettbewerb unter Versiche- 3 2 rern und unter Spitälern. Fragebogen, Sie kommen auf diese Fragebogen Login-Anleitung (ID), Patient/-in Begleitbrief, ausfüllen und per Post In Kürze Weise weg vom Kosten- senden oder Fragebogen Antwortcouvert runter-Fokus, hin zum online ausfüllen • Comparis will mit Kran- besten Preis-Leistungs- kenversicherern Patienten Verhältnis. PaZu-Daten anonym und systema- werden selbstverständ- tisch befragen. lich auch der Versor- gungsforschung zur Ver- — Felix Schneuwly, Berufslehre als Sanitärinstallateur, • Ziel: Wettbewerb weg fügung gestellt. Studium in Psychologie, Berufsberatung und Jour- vom Kosten-runter-Fokus, Comparis möchte nalistik sowie berufsbegleitendes Nachdiplomstudi- PaZu-Umfragen im Auf- um in Business and Administration (Executive MBA). hin zum Preis-Leistungs- trag der Krankenversi- Tätigkeit in verschiedenen Verbänden des Sozial- und Verhältnis. cherer durchführen. Da- Gesundheitswesens, u.a. als Leiter Politik und Kom- zu würden die teilneh- munikation bei santésuisse und seit 2012 Head of • Ergebnisse sollen die menden Versicherer ei- Public Affairs der comparis.ch AG. Patienten bei fundierter Arzt- und Spitalwahl unterstützen. im dialog 1/2014 17
Sie können auch lesen