Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können - Labor 28

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Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können - Labor 28
# 64 medizinisches versorgungszentrum labor 28 DEZEMBER 2020

Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf,
den wir gemeinsam meistern können
dr. med. michael müller

In unserer letzten Ausgabe haben wir ein       flächendeckend ausbreitend, erscheint das       IN DIESER AUSGABE
erstes Zwischenfazit zur Entwicklung der       Fazit noch ebenso aktuell wie wichtig. Es
SARS-CoV-2-Pandemie und deren Aus-             wird immer deutlicher, dass die Eindäm-         Die COVID-19-Pandemie:
wirkungen gezogen. Es lautete: „Die in         mung der Pandemie einer gemeinsamen             Ein Marathonlauf, den wir
der Intensität und den allgemeinen sowie in    und nachhaltigen Kraftanstrengung von           gemeinsam meistern können....................... 1
unserer Arbeitswelt spürbaren Auswirkun-       uns allen bedarf. Wir sind sowohl als Indi-     SARS-CoV-2-Diagnostik
gen nicht vorhersehbare und einschätzbare      viduen wie als Gemeinschaft gefragt, ob als     Der Ct-Wert bei PCR-Untersuchungen:
SARS-CoV-2-Epidemie zeigt uns, dass wir        Bürgerin oder Bürger oder als Beschäftigte      Mythos und Fakten.......................................... 3
mit auf Vertrauen und eigenem Zutrauen         im Gesundheitswesen.
                                                                                               COVID-19: Einfluss auf
ausgerichteter Zusammenarbeit und Fokus-             Wir spüren im Labor die Auswirkun-
                                                                                               labormedizinische Messgrößen ................. 5
sierung auf das Wesentliche die Herausfor-     gen der seit Monaten andauernden konti-
derungen gut meistern können. Dabei hat        nuierlichen Belastung auf Höchstniveau.         Wirksamkeit und muskelassoziierte
sich herausgestellt, dass die menschlichen     Mittlerweile wurden im Labor 28 fast            Nebenwirkungen von Statinen..................... 6
Faktoren, eine positive Einstellung, eine      200.000 SARS-CoV-2-PCR-Untersuchun-             Erhöhte Pankreasenzyme ohne
auf die Stärken jeder Person ausgerichtete     gen und ca. 15.000 Antikörperbestimmun-         erkennbare Pankreaserkrankung ............... 8
Strategie unter Bewahrung von Humor und        gen durchgeführt. Die jetzt wieder deutlich     Der besondere (Hämoglobinopathie-) Fall:
Freude an der täglichen Arbeit wichtig sind.   steigende Zahl an Neuinfektionen hatte          Kombination aus α- und
Wir sind auch dankbar dafür, dass wir für      sich schon seit einigen Wochen in der zu-       β-Strukturvariante ........................................... 9
unsere Arbeit und unser Engagement so au-      nehmenden Positivrate bei den PCR-Tests
                                                                                               Diffuser Haarausfall und
ßerordentlich viel Anerkennung und Wert-       abgezeichnet. Das gesamte Team im Labor
                                                                                               androgenetische Alopezie ..........................10
schätzung erfahren haben. Auch das hilft,      28 und insbesondere die Kolleginnen und
weiterhin alle Kräfte für die anstehende       Kollegen in der Molekularbiologie stehen        CXCL13-Bestimmung im Liquor–
Zeit zu mobilisieren und für eine gute Ver-    seit März vor der großen und eher noch          Biomarker bei früher Neuroborreliose ....11
sorgung zu bündeln.“                           wachsenden Herausforderung, alle PCR-
      Sechs Monate später, mitten in der       Befunde immer so rasch wie möglich zu           STETS AKTUELL: Die Laborinformationen
sich mit deutlich steigenden Infektionszah-    erstellen und neben den tausenden SARS-         und Diagnostischen Pfade von Labor 28
len wieder sehr dynamisch entwickelnden        CoV-2-PCR-Untersuchungen auch noch die
Pandemie, zunächst in den Ballungsräumen,      allgemeine Routine im Labor zu bewältigen.          www.labor28.de/fachinformationen
wie auch hier in Berlin, und dann sich rasch                  Lesen Sie weiter auf Seite 2 >

                                                                                                                         magazin 12/2020 | 1
Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können - Labor 28
Die COVID-19-Pandemie:
Ein Marathonlauf, den wir
gemeinsam meistern können
     > Fortsetzung von Seite 1

       Die stetig steigende Zahl an SARS-                                                        SARS-CoV-2-Testungen sind ein
CoV-2-PCR-Anforderungen, der Aufbau                                                        wichtiges Mittel zur besseren Einschätzung
und die Installation der für die Bewälti-                                                  und Eindämmung der COVID-19-Pande-
gung dieser enormen Probenzahl notwen-                                                     mie. Das RKI weist darauf hin, dass es nicht
digen neuen Gerätesysteme und auch die                                                     möglich ist, alle COVID-19-Erkrankungen
Einarbeitung der neu hinzugekommenen               Anfang November hat das RKI (Ro-        in Deutschland durch Testungen zu bestä-
Kolleginnen und Kollegen war und ist eine    bert Koch-Institut) die Kriterien für die     tigen. Mit Bedacht und unter Berücksich-
große Aufgabe, der sich alle mit uneinge-    SARS-CoV-2-Diagnostik nochmals ange-          tigung der Nationalen Teststrategie sowie
schränkt hoher Motivation stellen. Auch      passt und auf die jetzt beginnende Erkäl-     der aktualisierten Testkriterien des RKI,
in den anderen Bereichen, wie dem Pro-       tungs- und Grippesaison abgestimmt. Da-       helfen SARS-CoV-2-Tests, schwere Ver-
beneingang mit der Probenverteilung und      mit trägt das RKI einerseits der bundeswei-   läufe ebenso wie Ausbrüche zu verhin-
der Datenerfassung, besteht seit Beginn      ten Überlastung der fachärztlichen Labore     dern und die Erkrankungsfälle mit Kontakt
der COVID-19-Pandemie eine marathon-         durch eine zu große Zahl auch anlassloser     zu vulnerablen Gruppen möglichst früh
artige Dauerbelastung. Mit der Einstellung   PCR-Untersuchungen Rechnung und be-           zu identifizieren, um die Verbreitung von
weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter    rücksichtigt andererseits, dass es bei meh-   SARS-CoV-2 einzudämmen.
wurden die Teams verstärkt, um dem ste-      reren Millionen Erkrankten pro Woche                Zur Umsetzung, auch in der Kom-
tig steigenden Bedarf Rechnung zu tragen.    nicht möglich wäre, allen Patienten mit       munikation mit besorgten Bürgerinnen
      All diese Maßnahmen konnten nicht      Erkältungskrankheiten eine PCR-Unter-         und Bürgern, sind große gemeinsame
verhindern, dass wir seit dem Ende der       suchung zur Verfügung zu stellen. Die         Kraftanstrengungen zu bewältigen. Wie
Sommerferien mit den überwiesenen PCR-       SARS-CoV-2-Antigentests sind hier, bei        bisher werden wir hierzu unseren Beitrag
Anforderungen stets oberhalb der täg-        aller Vorsicht und Einschränkung wegen        leisten und alles uns Mögliche und Leist-
lich verfügbaren Kapazität an SARS-CoV-      der im Vergleich zur PCR doch geringeren      bare unternehmen. Wir werden außerdem
2-PCR-Anforderungen lagen – bei steigen-     Sensitivität, für bestimmte Fragestellungen   nicht müde, neben der höchstmöglichen
der Tendenz. Mit vereinten Kräften und       eine wichtige Entlastung. Wir arbeiten in-    Reduzierung von Kontakten im privaten
enormen täglichen Anstrengungen, auch        tensiv an deren Einführung.                   und beruflichen Umfeld, auch immer und
an Sonn- und Feiertagen, war es dennoch                                                    immer wieder für die Einhaltung der wich-
möglich, die Untersuchungszeit vom Pro-                                                    tigsten täglichen Empfehlungen zu werben:
beneingang bis zur Befundübermittlung im                                                   Abstand halten, Hygieneempfehlungen be-
idealen Zeitfenster von 24 Stunden zu hal-                                                 folgen, Alltagsmasken tragen, Warn-App
ten. Seit Ende Oktober ist dies nicht mehr                                                 nutzen und Ergebnisse mitteilen sowie
möglich, da entgegen der Bitte um die Fo-                                                  verstärktes Lüften in Innenräumen. S
kussierung der Testungen auf die Natio-
nale Teststrategie des BMG (Bundesminis-
terium für Gesundheit) und Beachtung der
dort empfohlenen Priorisierung bei Eng-
pässen die Anforderungszahlen weiterhin
stiegen.

2 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können - Labor 28
SARS-CoV-2-Diagnostik – Was ist der aktuelle Stand des Wissens?

Der Ct-Wert bei PCR-Untersuchungen:
Mythos und Fakten
Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist eine Labormethode, die auf den qualitativen Nachweis von
Erregern ausgerichtet ist. Im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie entstand die Idee, die qualitative in
eine quantitative Methode umzuwandeln: Anhand der nachgewiesenen Nukleinsäure-Menge könne
man möglicherweise Informationen über die Kontagiosität einer positiv getesteten Person erhalten.

Prof. Dr. med. Ralf Ignatius

In der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie
wurden bislang nahezu alle, seit vielen Jah-
ren akzeptierten Qualitätsstandards etab-
lierter, mikrobiologischer Untersuchungs-
methoden immer wieder von den Medien,
Laien und auch Entscheidungsträgern im
Gesundheitsbereich hinterfragt oder in ei-
nem bestimmten Interesse anders interpre-
tiert. So entstand u. a. auch die zunächst
nachvollziehbare Idee, mittels PCR, einer
auf den qualitativen Nachweis von Erre-
gern ausgerichteten Labormethode, an-
hand der möglicherweise nachgewiesenen
Nukleinsäure-Menge die Information zu
gewinnen, ob jemand mit einem positiven
PCR-Ergebnis (noch) kontagiös, d. h. an-
steckend für seine Mitmenschen ist oder
nicht. Man wollte also die per se qualitative
in eine quantitative Methode umwandeln.
Worauf beruht diese Überlegung?
       Eine PCR besteht zunächst aus der
Extraktion der erregerspezifischen Nuklein-           Aus PCR-Nachweisen vieler anderer              Die Ausgangsmenge der erregerspe-
säure (DNA oder RNA), bei einem RNA-            Erreger wissen wir schon lange, dass die       zifischen Nukleinsäre eines Patienten hängt
haltigen Erreger wie SARS-CoV-2 dann            PCR-Positivität aufgrund der hohen Sensi-      ganz wesentlich von seinem individuellen
auf einer Transkription der RNA in DNA,         tivität der Methode nur bedingt eine Aus-      Infektionsstadium sowie der Präanalytik
und anschließend aus einer zyklischen Ver-      sage über die Kontagiosität der Patienten      der Untersuchung ab. So nimmt die Erre-
mehrung erregerspezifischer DNA-Frag-           zulässt. Daher gilt grundsätzlich, dass je-    gerlast zu Beginn einer jeglichen Infektion
mente (Amplifikation) bis zu einer DNA-         mand solange kontagiös ist, wie es die epi-    zu, erreicht ein Plateau und nimmt dann
Menge, die ein positives, meist fluores-        demiologische Studienlage für den jewei-       wieder ab. Daneben wird ein nur flüchtig
zierendes Signal ergibt (Detektion). Die        ligen Erreger gezeigt hat, beispielsweise      durchgeführter Rachenabstrich immer we-
Anzahl der hierfür erforderlichen PCR-          48 Stunden nach Sistieren der Symptoma-        niger SARS-CoV-2-RNA ergeben als ein
Zyklen (Cycle threshhold, Ct-Wert) ist im       tik bei Norovirus- und anderen gastro-         lege artis durchgeführter nasopharynge-
Reaktionsprotokoll ablesbar. Je weniger         intestinalen Infektionen. Bei keinem vor       aler Abstrich (und vice versa). Bei SARS-
Zyklen für das Erreichen eines positiven        SARS-CoV-2 beschriebenen Erreger ist           CoV-2 kommt hinzu, dass der Erreger sich
Signals erforderlich sind, desto mehr Nu-       man von diesem Grundprinzip abgewi-            zunächst im oberen Respirationstrakt ver-
kleinsäure lag im Ausgangmaterial vor. So-      chen und hat z. B. vor der Entisolierung der   mehrt, anschließend jedoch die hauptsäch-
mit mag es naheliegen, auch aus den ge-         Patienten eine zweite PCR-Untersuchung         liche Vermehrung auch im unteren Respi-
messenen Ct-Werten Schlussfolgerungen           und eine Einschätzung des Ct-Werts der         rationstrakt stattfinden kann.
zu ziehen. Warum sollte man das dennoch         durchgeführten Untersuchung gefordert.
nur sehr eingeschränkt tun?                     Warum ist das sinnvoll?                                      Lesen Sie weiter auf Seite 4 >

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Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können - Labor 28
Der Ct-Wert bei PCR-Untersuchungen:
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                                                                                                                                                                                                                                                                                  10

OVID-19: Entlassungskriterien aus der Isolierung                                                                                                                                                                                                                                   0
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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               ≤ 1–5 y           6–10 y       11–18 y
 ientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           Gennachweis pro Altersgruppe

         Das bedeutet, dass eine mittels PCR nachge-                    Leider wurde diese Information re-                                                                                                                                                                                                                                                                            Abbildung 1: Altersabhängiger „dual target“
         wiesene, relativ niedrige Erregermenge im lativ unkritisch nun dazu so verstanden                                                                                                                                                                                                                                                                                          Nachweis des E- bzw. orf1-Gens bei Kindern ≤ 18
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                     Jahren (n=93) zwischen März und Juni 2020
                                                Isolierung und verwendet, dass wir im Labor von Ge-
         oberen Respirationstrakt nicht ausschließt,
         dass   Patienten ggf. erhebliche Erregermen-
           Bei schwerem                           Bei leichtem sundheitsämtern, Bei  Einsendern      und mittler-
                                                                                        asymptomatischer
         gen aus den unteren Atemwegen COVID-19-Verlauf
         COVID-19-Verlauf                       aushusten. weile auch Patienten            über den Ct-Wert
                                                                                     SARS-CoV-2-Infektion
   (mit Sauerstoffbedürftigkeit)         (ohne Sauerstoffbedürftigkeit)
                 Dennoch hat das Robert Koch-Insti- der jeweiligen PCR-Untersuchungen be-
         tut (RKI) in seinen Bemerkungen zur In- fragt werden, in der Vorstellung, hiervon                                                                                                                                                                                                    Bedeutet das, dass diese Kinder zum
         terpretation von Laborergebnissen auf sei- im Einzelfall, auch durch Vergleich mit                                                                                                                                                                                            Zeitpunkt der Diagnostik nicht kontagiös
         ner Homepage für eine der mittlerweile Entisolierung    Ct-Werten aus Untersuchungen bei einem                                                                                                                                                                                waren, oder die Abstriche evtl. falsch ab-
         etablierten PCR-Methoden veröffentlicht, anderen Labor, konkret auf die Kontagio-                                                                                                                                                                                             genommen wurden, oder bei Kindern evtl.
         Mind. 48 Stunden                       Mind. 48 Stunden                      Frühestens 10 Tage
         dass bei einem
        Symptomfreiheit (1)     Ct-Wert von ≥Symptomfreiheit
                                                31 bis 34 (1)sität schließennach zu Erstnachweis
                                                                                      können. Allerdings
                                                                                                  des Erregers mit                                                                                                                                                                     grundsätzlich relativ wenig Virus im Naso-
         wahrscheinlich nicht von vermehrungsfä- welcher Konsequenz?
               PLUS                                  PLUS                                                                                                                                                                                                                              pharynxbereich nachweisbar ist? Niemand
        Frühestens 10 Tage                     Frühestens 10 Tage
         higem
       nach        SARS-CoV-2 in der untersuchten
            Symptombeginn                     nach Symptombeginn        Wir im Labor 28 haben im Rahmen                                                                                                                                                                                kann diese Fragen momentan sicher be-
         Probe    auszugehen ist, verweist aber auch einer wissenschaftlichen Auswertung un-
               PLUS                                                                                                                                                                                                                                                                    antworten. Aus all diesen Gründen emp-
      PCR-Untersuchung (2)
         hier zu Recht sehr auf die begrenzte Aus- serer eigenen Daten gesehen, dass bei mehr                                                                                                                                                                                          fiehlt das RKI auch nur für Bewohner von
    siehesagefähigkeit     und ursächliche siehe
          „Wichtige Hinweise“              Limitationen          als 50 % der Kinder
                                                 „Wichtige Hinweise“              siehe≤„Wichtige
                                                                                        18 Jahren     bei Erstdiag-
                                                                                                  Hinweise“                                                                                                                                                                            Altenpflegeeinrichtungen sowie für hospi-
         wie den großen Einfluss von Infektionssta- nose (Untersuchungsmaterial trockener Ab-                                                                                                                                                                                          talisierte Patienten mit Sauerstoffbedürf-
         dium und Präanalytik auf die Interpreta- strichtupfer aus dem Nasen- und/oder Ra-                                                                                                                                                                                             tigkeit die Heranziehung des Ct-Werts als
         tion der Ergebnisse.                                    chenraum) ein Ct-Wert ≥ 30 vorlag (Abb. 1).                                                                                                                                                                           weiteres Kriterium im Rahmen des Entiso-
                                                                                                    Wichtige Hinweise                                                                                                                                                                  lierungsmanagements (Abb. 2).
ne zeitlich verlängerte Ausscheidung von vermeh-                             (1) Symptomfreiheit
                                                                                                                                                                                                                                                                                              Sämtliche ambulant geführten Pati-
 ngsfähigem Virus kann bestehen bei Patienten                                Nachhaltige Besserung der akuten COVID-19-Symptomatik                                                                                                                                                     enten sollten dagegen unabhängig davon,
  t angeborenen   oder erworbenen
               COVID-19:                 Immundefekten
                            Entlassungskriterien          aus der Isolierung gemäß ärztlicher Beurteilung.
  er unter immunsupprimierender          Therapie.
               Orientierungshilfe für Ärztinnen          Hier
                                                  und Ärzte                                                                                                                                                                                                                            ob initial Symptome oder keine Symptome
 uss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen, ggf. mit Hilfe einer               (2) PCR-Untersuchung                                                                                                                                                                                      vorlagen, ohne erneute PCR-Untersu-
rusanzucht. Weiterhin können schwere               Krankheitsverläufe        Zusätzlich zu beiden zeitlichen Kriterien ist zur Entisolierung
                           Bei schwerem
                                           Isolierung
  t einer länger andauernden Virusausscheidung einhergehen. bei schwerem Verlauf und bei Bewohnern von Altenpflegeein-
                                                                        Bei leichtem                             Bei asymptomatischer
                                                                                                                                                                                                                                                                                       chung entisoliert bzw. aus der Quarantäne
                                                                                                                                                                                                                                                                                       entlassen werden.
                          COVID-19-Verlauf                            COVID-19-Verlauf                           SARS-CoV-2-Infektion
                    (mit Sauerstoffbedürftigkeit)
                                                                             richtungen ein negatives PCR-Resultat erforderlich. Alternativ
                                                                (ohne Sauerstoffbedürftigkeit)
                                                                                                                                                                                                                                                                                        Impressum: Robert Koch-Institut, ibbs@rki.de; Grafi k: Goebel-Groener.de; Stand: 17.07.2020, DOI:10.25646/6957.2

 edizinisches Personal                                                       kann in Abhängigkeit von den spezifischen Testbedingungen
                                           Entisolierung                     ein Ct-Wert >30 als Kriterium herangezogen werden, der nach                                                                                                                                                      Gemeinsam kann die Pandemiebe-
ur Entisolierung und Aufhebung des Tätigkeitsverbots von
                         Mind. 48 Stunden

 edizinischem Personal gelten dieselben oben genannten
                        Symptomfreiheit (1)
                              PLUS
                                                                             bisherigen Erfahrungen mit einem Verlust der Anzüchtbarkeit
                                                                       Mind. 48 Stunden
                                                                      Symptomfreiheit (1)
                                                                            PLUS
                                                                                                                   Frühestens 10 Tage
                                                                                                             nach Erstnachweis des Erregers
                                                                                                                                                                                                                                                                                       wältigung nur gelingen, wenn wir unter
                                                                             einhergeht. Achtung: Ct-Werte variieren in Abhängigkeit von
                                                                                                                                                                                                                                                                                       anderem auf unsinnige Laboruntersuchun-
                        Frühestens 10 Tage                            Frühestens 10 Tage
 iterien. Immunsupprimierte Personen müssen im Einzelfall
                       nach Symptombeginn                            nach Symptombeginn

                                                                             Abstrichqualität und Testdetails. Angaben zur Vergleichbarkeit
                              PLUS

 urteilt werden. In Situationen mit akutem Personalmangel
                       PCR-Untersuchung (2)

                     siehe „Wichtige Hinweise“

 nn bei leichtem Verlauf eine Verkürzung der 10-tägigen                      und Interpretation von Ct-Werten sind unter
                                                                  siehe „Wichtige Hinweise“                    siehe „Wichtige Hinweise“
                                                                                                                                                                                                                                                                                       gen verzichten, und dazu zählen auch Wie-
                                                                             www.rki.de/covid-19-diagnostik zu finden.
olationsdauer im Einzelfall erwogen werden – nach
                                       Wichtige Hinweise
 reichen von 48 Stunden Symptomfreiheit und                                  Die PCR-Untersuchung basiert mindestens auf                                                                                                                                                               derholungsuntersuchungen von ambulan-
                Eine zeitlich verlängerte Ausscheidung von vermeh-

  rliegen von zwei negativen PCR-Untersuchungen
                rungsfähigem Virus kann bestehen bei Patienten
                mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten
                                                                             zwei zeitgleich durchgeführten Abstrichen:
                                                                                 (1) Symptomfreiheit
                                                                                 Nachhaltige Besserung der akuten COVID-19-Symptomatik
                                                                                                                                                                                                                                                                                       ten, PCR-positiven Patienten! Das bedeu-
                                                                             einem oropharyngealen und einem nasopharyn-
                                                                                 gemäß ärztlicher Beurteilung.
                oder unter immunsupprimierender Therapie. Hier
   Abstand von mindestens 24 Stunden.
                                                                                                                                                                                                                                                                                       tet, alle PCR-positiven Patienten sollten
                muss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen, ggf. mit Hilfe einer   (2) PCR-Untersuchung
                Virusanzucht. Weiterhin können schwere Krankheitsverläufe
                mit einer länger andauernden Virusausscheidung einhergehen.  gealen Abstrich. Möglich ist die Überführung zweier Abstrich-
                                                                                 Zusätzlich zu beiden zeitlichen Kriterien ist zur Entisolierung
                                                                                 bei schwerem Verlauf und bei Bewohnern von Altenpflegeein-
                                                                                 richtungen ein negatives PCR-Resultat erforderlich. Alternativ

  wohner von Altenpflegeeinrichtungen                                        tupfer in dasselbe Transportmedium oder Abnahme beider                                                                                                                                                    in die angeordnete Isolierung gehen (un-
                                                                                                                                                    Impressum: Robert Koch-Institut, ibbs@rki.de; Grafi k: Goebel-Groener.de; Stand: 17.07.2020, DOI:10.25646/6957.2

                Medizinisches Personal                                           kann in Abhängigkeit von den spezifischen Testbedingungen
                Zur Entisolierung und Aufhebung des Tätigkeitsverbots von        ein Ct-Wert >30 als Kriterium herangezogen werden, der nach
                                                                                 bisherigen Erfahrungen mit einem Verlust der Anzüchtbarkeit

ur Entisolierung von Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen Abstriche mit demselben Abstrichtupfer (zunächst oropharyn-
                medizinischem Personal gelten dieselben oben genannten
                Kriterien. Immunsupprimierte Personen müssen im Einzelfall       einhergeht. Achtung: Ct-Werte variieren in Abhängigkeit von

                                                                                                                                                                                                                                                                                       abhängig vom Ct-Wert der PCR-Unter-
                beurteilt werden. In Situationen mit akutem Personalmangel       Abstrichqualität und Testdetails. Angaben zur Vergleichbarkeit
                kann bei leichtem Verlauf eine Verkürzung der 10-tägigen
  unabhängig von der Krankheitsschwere immer eine PCR-
                Isolationsdauer im Einzelfall erwogen werden – nach          geal, dann nasopharyngeal).
                                                                                 und Interpretation von Ct-Werten sind unter
                                                                                 www.rki.de/covid-19-diagnostik zu finden.
                                                                                 Die PCR-Untersuchung basiert mindestens auf
                Erreichen von 48 Stunden Symptomfreiheit und

                                                                                                                                                                                                                                                                                       suchung!) und hieraus nach RKI-Schema
                                                                                 zwei zeitgleich durchgeführten Abstrichen:
ntersuchung notwendig, siehe unter (2).
                Vorliegen von zwei negativen PCR-Untersuchungen
                im Abstand von mindestens 24 Stunden.                            einem oropharyngealen und einem nasopharyn-

                Bewohner von Altenpflegeeinrichtungen
                                                                                 gealen Abstrich. Möglich ist die Überführung zweier Abstrich-
                                                                                 tupfer in dasselbe Transportmedium oder Abnahme beider            Die Abweichung von diesen Kriterien kann im Einzelfall in
                                                                                                                                                                                                                                                                                       entlassen werden. S
                                                                                 Abstriche mit demselben Abstrichtupfer (zunächst oropharyn-
                                                                                                                                                   enger Absprache zwischen Klinik, Labor und Gesundheitsamt
                Zur Entisolierung von Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen
                                                                                 geal, dann nasopharyngeal).
nschlussisolierung
                ist unabhängig von der Krankheitsschwere immer eine PCR-
                Untersuchung notwendig, siehe unter (2).
                                                                                 Die Abweichung von diesen Kriterien kann im Einzelfall in
                Anschlussisolierung                                              enger Absprache zwischen Klinik, Labor und Gesundheitsamt
                                                                                                                                                   erfolgen.
  i Erreichen einer Entlassungs-/Verlegungsfähig-
                Bei Erreichen einer Entlassungs-/Verlegungsfähig-
                keit aus dem Krankenhaus vor Entisolierung kann
                                                                                 erfolgen.

                                                                                 Länderspezifische Regelungen können abweichen und sind

 it aus dem Krankenhaus vor Entisolierung kann
                individuell eine Anschlussisolierung vorgenommen
                werden im häuslichen Umfeld bzw. einer geeigneten Einrichtung.
                                                                                 zu beachten.
                                                                                                                                                   Länderspezifische Regelungen können abweichen und sind
dividuell eine Anschlussisolierung vorgenommen                                                                                                            Abbildung 2. Robert Koch-Institut, COVID-19-Entlassungskriterien aus der Isolierung
                                                                                                                                                   zu beachten.
erden im häuslichen Umfeld bzw. einer geeigneten Einrichtung.                                                                                             www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Entlassmanagement.html

         4 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
COVID-19: Einfluss auf
labormedizinische Messgrößen
Bei Patienten mit COVID-19 kann es zu typischen Veränderung von Laborwerten kommen.
In einem kürzlich publizierten Übersichtsartikel sind diese Veränderungen zusammengefasst.

Dr. med. Hans-Ulrich Altenkirch

Ÿ Als typisch für COVID-19 gelten die drei             K L I N I S C H-C H E M I S C H E M E S S G R Ö S S E N
  Messgrößen CRP ↑, LDH ↑ und Lympho-
                                                       CRP                             ↑    Bei viralen Infektionen in 90 % der Fälle
  zytenzahl ↓.
                                                                                            erhöht, oft 20–80 mg/l. Entsprechend ist die
Ÿ In vielen Studien wird gezeigt, dass D-                                                   Blutsenkungsgeschwindigkeit verlängert.
  Dimer der signifikanteste Marker für die
                                                       Procalcitonin                   ↑    Erhöht bei 10 % der COVID-19-Fälle, nur bei schwerem
  Schwere der Erkrankung und das Risiko
                                                                                            Verlauf; ggf. Hinweis auf bakterielle Superinfektion
  für Mortalität ist.
                                                       LDH                             ↑    In schweren Fällen > 245 U/l, nach > 14 Tagen
Ÿ Veränderungen von Laborparametern
                                                                                            abfallend. Weiter ansteigende Werte sprechen
  finden meist erst ab dem 7. bis 14. Tag
                                                                                            für einen ungünstigen Verlauf.
  der Infektion statt. In den Tabellen wer-
   den die wichtigsten Veränderungen be-               GPT (ALT)                       ↑    Sowohl GPT als auch GOT und Gesamtbilirubin
                                                                                            können erhöht sein.
   schrieben.
                                                       Kreatinin und Harnstoff         ↑    Erhöht nach ca. 10 Tagen, prognostisch ungünstig
                                                       hs Troponin T                   ↑    Erhöht bei kardialer Beteiligung
P R O F I L F Ü R E R WA C H S E N E
PAT I E N T E N M I T G E S I C H E RT E R             Ferritin                        ↑    Bisweilen exzessiv erhöhte Werte, für die
DIAGNOSE                                                                                    Longitudinalbewertung ohne Benefit
                                                       Albumin                         ↓    Abfallende Werte, da negatives Akute-Phase-Protein
Bei Patienten mit gesicherter Diagnose
wird folgendes Profil vorgeschlagen: Na,
K, Glukose, Kreatinin, GPT (ALT), LDH,                 BLUTBILD
CK, Bili ges., CRP, großes Blutbild, Quick,            Leukopenie                           Unter 4 G/L bei 20 % bis 30 % der Patienten
PTT sowie bedarfsgerecht Troponin T und/
                                                       Leukozytose                          Über 10 G/L spricht eher für schweren Verlauf
oder D-Dimer. Für stationäre Patienten
bietet sich zusätzlich Harnstoff und Pro-              Neutrophilie                         Über 4 G/L spricht eher für schweren Verlauf

calcitonin an.                                         Lymphopenie                          < 1 G/L ist häufig (80 %) und typisch für COVID-19.
                                                                                            Bei schweren Verläufen ist die prozentuale
                                                                                            Lymphozytenzahl auf < 15 % verringert und bei
PROFIL FÜR KINDER                                                                           gleichzeitiger Leukozytose ein besserer
                                                                                            Verlaufsparameter als die Lymphozytenzahl.
Bei Kindern werden aufgrund des gutar-
tigeren Verlaufs die Bestimmungen von                  Eosinopenie                          Bei fehlender Lymphopenie findet sich häufig eine
                                                                                            Eosinopenie.
CRP, LDH und großem Blutbild als aus-
reichend angesehen. Bei Frage bakterielle              Thrombozyten                         Sind nicht typisch verändert, meist eher niedrig,
Superinfektion ist zusätzlich Procalcito-                                                   Riesenplättchen, selten Thrombozytosen
nin sinnvoll. Die LDH ist in einem Viertel
der Fälle erhöht auf > 325 U/l, das CRP ist            H Ä M O S TA S E O LO G I E
meist unauffällig. S                                   D-Dimer                              Bei schwerem Verlauf > 500 µg/L. Bereits in den ersten
                                                                                       ↑
                                                                                            Tagen deutlich ansteigende Werte sind prognostisch
                                                                                            ungünstig (Ausdruck der Hyperkoagulation). Es wird
Literatur:                                                                                  vorgeschlagen, D-Dimer auch in der Verlaufskontrolle
1. S. Letíca de Oliveria Toledo et al. COVID-19: Re-                                        bei ambulanten Patienten zu verwenden.
    view und hematologic impact, Clin Chem Acta
    510 (2020):170-176                                 Quick %                         ↓    Bei schwerem Verlauf abfallende Werte
2. Rundbrief der DGKL von Prof. N. von Ahsen vom       PTT                             ↑
    7.04.2020: „Interpretationshilfe zu Laborwerten
    bei der COVID-19 Erkrankung“

                                                                                                                               magazin 12/2020 | 5
Wirksamkeit und muskelassoziierte
        Nebenwirkungen von Statinen
        Statine sind Lipidsenker der ersten Wahl zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen.
        Sie gehören zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamenten. Ihr therapeutischer
        Haupteffekt beruht auf der Hemmung des Leberenzyms HMGCR (HMG-CoA-Reduktase
        = Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase). Die dadurch verminderte endogene
        Cholesterinbiosynthese führt zu einer kompensatorisch vermehrten Expression von
        hepatischen LDL-Rezeptoren. Infolge dessen wird mehr LDL-Cholesterin gebunden,
        in die Zelle aufgenommen und die Menge des zirkulierenden LDL-Cholesterins sinkt.

        Dr. med. Antje Hohmann da Silva

        Eine Statin-Monotherapie erreicht, in Abhängigkeit       weisen ein erhöhtes Risiko für eine statinassoziierte
        von der Wirkstärke, eine Senkung des LDL-Choleste-       Myopathie auf. Eine molekulargenetische Risikoab-
        rins um bis zu 60 %. Triglyzeride werden um 10–20 %      klärung kann insbesondere vor Beginn einer hoch-
        reduziert, HDL-Cholesterin gering erhöht und Lipo-       dosierten Simvastatin-Therapie sinnvoll sein. Zudem
        protein (a) bleibt unbeeinflusst.                        stehen Genotyp-abhängige Dosierungsempfehlungen
              Trotz der generellen guten Verträglichkeit von     hinsichtlich einer Dosisreduktion oder einer Alterna-
        Statinen zählen Myalgien zu den wichtigsten mus-         tivmedikation zur Verfügung.
        kelassoziierten Nebenwirkungen (5–10 % der Patien-             Die klinische Präsentation bei SAMS reicht von
        ten) und führen vielfach zum Absetzen der Medika-        einer isolierten asymptomatischen CK-Erhöhung bis
        tion. Treten myalgische Beschwerden in zeitlichem        hin zu Myalgie, Myopathie, Myonekrose und selten
        Zusammenhang mit dem Beginn einer Statinbehand-          einer Rhabdomyolyse als schwerste Komplikation, bei
        lung (typischerweise innerhalb von 3 Monaten) auf        der 10- bis 50-fache Erhöhungen der Creatinkinase
        und verschwinden nach Absetzen der Medikation (ty-       (CK) gemessen werden und die Gefahr eines lebens-
        pischerweise innerhalb von 2 Wochen), so besteht der     bedrohlichen akuten Nierenversagens besteht. Bei Pa-
        Verdacht auf statinassoziierte muskuläre Symptome        tienten, die tolerierbare Muskelsymptome oder keine
        (SAMS). Etwa 0,1 % der Patienten sind von einer sta-     Symptome und eine CK unter dem 10-fachen der obe-
        tinassoziierten Myopathie betroffen. Der pathophysio-    ren Norm aufweisen, kann eine Statintherapie in glei-
        logische Mechanismus der Myotoxizität ist nicht ge-      cher oder reduzierter Dosis unter Kontrollen fortge-
        nau geklärt, wobei u. a. die Erniedrigung von Coenzym    führt werden.
        Q10 aufgrund seines gemeinsamen Synthesewegs mit               Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)
        Cholesterin diskutiert wird.                             sieht zur Abklärung von Myalgien zunächst die Anam-
              Zu den Risikofaktoren für das Auftreten von        nese, neurologische Untersuchung, laborchemische
        SAMS zählen eine hohe Statin-Dosis und verschie-         Basisdiagnostik [großes Blutbild, CRP und Blutsen-
        dene konstitutionelle Faktoren, wie z. B. höheres Le-    kung (BSG), CK, ggf. auch Myoglobin, Leberenzyme
        bensalter, weibliches Geschlecht, geringer BMI oder      und Elektrolyte (Na, K, Ca)] sowie die Elektromyogra-
        Komorbiditäten wie Nierenfunktionsstörungen, Dia-        phie (EMG) vor.
        betes mellitus oder Vitamin D-Mangel. Auch Kome-               Von Laborseite erlaubt die CK-Bestimmung ei-
        dikationen können die Pharmakokinetik und demzu-         nen einfachen und schnellen Überblick über das Aus-
        folge die Plasmakonzentration der Statine beeinflussen   maß des Muskelfaseruntergangs, sie gibt aber keinen
        und das entsprechende Risiko erhöhen.                    Hinweis auf die zugrundeliegende Erkrankung. Die
              Das SLCO1B1-Gen kodiert für ein Transport-         CK-Erhöhung sollte mindestens einmal bestätigt wer-
        protein, das auch an der Aufnahme von Statinen in        den, wobei auf körperliche Schonung vor der Untersu-
        die Zelle beteiligt ist. SLCO1B1-Genpolymorphismen       chung geachtet werden muss. Im Allgemeinen gilt die
        sind mit einer reduzierten Aktivität des Transporters    Faustregel, dass eine mehr als 10-fache CK-Erhöhung
        assoziiert. Träger der wichtigsten Variante c.521T > C   stark auf eine primär myogene Ursache hindeutet, bei

6 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
manchen Myopathien die CK jedoch auch unauffällig
 sein kann. Besteht differenzialdiagnostisch der Ver-
 dacht auf eine immunvermittelte Myopathie, wie z. B.
 Dermatomyositis, Polymyositis, Einschlusskörpermy-
 ositis (IBM), Overlap-Myositis oder Interstitielle My-
 ositis, so kann die Untersuchung von Myositis-spezifi-
 schen Autoantikörpern helfen, das Krankheitsbild näher
 zuzuordnen.
        Eine Sonderstellung bei statinassoziierter Myo-
 toxizität nimmt die immunvermittelte nekrotisierende
 Myopathie (IMNM) ein. Sie präsentiert sich klinisch
 mit einer sich langsam entwickelnden, symmetrischen,
 proximalen und beinbetonten Muskelschwäche und
 ist stark mit der Ausbildung von Autoantikörpern ge-
 gen HMG-CoA-Reduktase assoziiert.
        Auch wenn diese AAK als Biomarker der IMNM
 gelten, bleibt ihre genaue Pathogenese unklar. Dabei
 spielt das HLA-II-Allel DRB1*11:01 eine Rolle als Er-
 krankungs-Risikofaktor. Histologisch findet sich ein
 Mischbild aus nekrotisierender und in geringerem
 Maße entzündlicher Myopathie. Die CK ist in der Re-
 gel sehr stark erhöht und liegt bei 90 % der Patienten
 bei > 2000 IU/l. Trotz Absetzen des Statins kann es zu
 einer weiteren Progredienz der Beschwerden kommen.
 Schmerzen sind nicht obligat. Diese Form der Myopa-
 thie kann auch Jahre nach Exposition mit einem Sta-
 tin auftreten und bedarf einer immunsuppressiven/
-modulierenden Therapie. Auch Patienten ohne vorhe-
 rige Statinexposition entwickeln teilweise AAK gegen
 HMGCR. In diesem Fall sollte eine Tumorsuche erfol-
 gen.
        Möglicherweise ist auch eine autoimmune Trig-
 gerung über eine Diät mit statinhaltigen Nahrungs-
 mitteln (z. B. Austernseitlinge, Soja oder roter Reis),
 die vor allem in asiatischen Ländern verzehrt werden,
 möglich.
        Neben den AAK gegen HMG-CoA-Reduktase
 gibt es auch solche gegen das Signal Recognition Par-
 ticle (SRP), die sich allerdings eher bei IMNM-Formen
 ohne Statinkontakt nachweisen lassen. S

Literatur:
1. Weingärtner O et al. Kommentar zu den Leitlinien (2019) der ESC/EAS zur Diagnostik und
    Therapie der Dyslipidämien. Kardiologe 2020 14:256–266
2. Schneider I, Zierz S. Statinassoziierte Muskelsymptome und Statinmyopathie. Neurologie up2date 2019; 2:71–86
3. Heuß D. S1-Leitlinie: Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien.
    Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. DGNeurologie 3 2020
4. Clinical Pathway – Abklärung von Myalgien. DGN 2020
5. Ramsey LB et al. The Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium Guideline for SLCO1B1
    and Simvastatin-Induced Myopathy: 2014 Update. Clin Pharmacol Ther. 2014 Oct; 96(4):423–8

                                                                                                                  magazin 12/2020 | 7
Erhöhte Pankreasenzyme ohne
        erkennbare Pankreaserkrankung

        Bestimmungsmethoden für die Serumamylase und -lipase stehen seit fast einem
        Jahrhundert zur Verfügung. Beide Enzyme sind für die differenzialdiagnostische
        Abklärung der Verdachtsdiagnose einer akuten Pankreatitis bzw. eines akuten
        Schubs einer chronischen Pankreatitis geeignet.

        Dr. med. Lars Templin

        Ein 3-fach erhöhter Enzymwert unterstützt eine solche
        Verdachtsdiagnose mit hoher Sicherheit, eine geringere
        Enzymerhöhung schließt sie aber keinesfalls aus. Der
        Schweregrad einer akuten Pankreatitis ist unabhängig
        von dem Ausmaß der Enzymerhöhung. Ein akuter, so-
        gar nekrotisierender Schub einer chronischen Pankrea-
        titis kann ohne jegliche Enzymerhöhung ablaufen.
               In einer prospektiven Untersuchung fanden sich
        Amylase- und/oder Lipaseerhöhungen bei 140 (8 %) von                     Insbesondere bei asymptomatischen Patienten
        1.756 stationär aufgenommenen Patienten ohne zu-                   sollte auch der Nachweis bzw. Ausschluss einer Mak-
        nächst erkennbare Pankreaserkrankungen. Eingehende                 roamylasämie und Makrolipasämie z. B. mittels Gel-
        Untersuchungen bei 87 dieser 140 Patienten zeigten in              chromatographie erfolgen. Bei 0,4 Prozent der Bevöl-
        10 Fällen (11 %) Veränderungen, die keiner Therapie                kerung bindet sich die Amylase oder Lipase an ein Ma-
        bedurften (bei 4 Patienten eine schmerzlose Pankreatitis           kroglobulin der IgG- oder IgA-Gruppe. Folge dieser
        und bei 6 Patienten eine oder mehrere kleine Zysten).              Komplexbildung ist, dass weder das Amylase- noch das
               Verschiedene Organe synthetisieren in unter-                Lipasemolekül über den Urin ausgeschieden werden
        schiedlichem Maße die Amylase. Lipase wird außerhalb               können. Eine Makroamylasämie findet sich bei rund
        der Bauchspeicheldrüse vor allem im Magenfundus syn-               fünf Prozent aller asymptomatischen Patienten mit ei-
        thetisiert. Es gibt zahlreiche Erkrankungen pankreas-              ner Hyperamylasämie. Im Unterschied zu einer Pank-
        naher und -ferner Organe, bei denen ein oder beide                 reatitis ist die Ausscheidung der Enzyme im Urin nor-
        Enzyme erhöht gefunden werden, ohne dass klinisch                  mal oder sogar erniedrigt. Letztlich sind Makroamy-
        eine Pankreaserkrankung vorliegt.                                  lasämie und Makrolipasämie ohne Krankheitswert, so
               Hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Referenz-             dass keine weiterführende Diagnostik erforderlich ist.
        bereiche für beide Pankreasenzyme die Messwerte von                Ist eine Makroamylasämie bzw. Makrolipasämie aus-
        95 % der gesunden Bevölkerung umfassen. Die unse-                  geschlossen, sollte auch an eine familiäre idiopathische
        lektive Bestimmung der Amylase oder Lipase wird                    Hyperamylasämie/Hyperlipasämie gedacht werden.
        daher schon bei jeder 20. Person mit „gesundem“                    Dabei handelt es sich um eine gutartige, vermutlich
        Pankreas einen „pathologisch“ erhöhten Wert zeigen.                autosomal-dominant vererbte Anomalie, die klinisch
               Pankreatogene und nicht pankreatogene Ursachen              vollkommen inapparent bleibt und deshalb weder ei-
        einer Hyperamylasämie und/oder Hyperlipasämie sind                 ner weiteren Diagnostik noch Therapie bedarf.
        sehr vielfältig und erfordern unterschiedliche Diagno-                   Zusammengefasst sollten Pankreasenzyme nur
        sestrategien (Sonographie, ggf. MRT). Die Ursachen                 bei klinischem Verdacht auf eine akute oder einen
        reichen von Pankreas-, Speicheldrüsen-, Magen-Darm-,               akuten Schub einer chronischen Pankreatitis bestimmt
        Leber- und Gallenwegserkrankungen über gynäkologi-                 werden. Sie sind keinesfalls routinemäßig bei im Hin-
        sche Erkrankungen und Tumore bis hin zur diabeti-                  blick auf die Bauchspeicheldrüse asymptomatischen
        schen Ketoazidose.                                                 Patienten zu veranlassen. S

         Literatur (diese Seite)
        1. Lankisch PG, Doobe C, Finger T et al. Hyperamylasaemia and/                 Literatur (Seite 9)
           or hyperlipasaemia: incidence and underlying causes in hos-                1. Steinberg, Martin H. Disorders of hemoglobin:
           pitalized patients with non-pancreatic diseases. Scand J Gas-                 genetics, pathophysiology, and clinical management.
           troenterol 2009                                                               2nd ed. Cambridge University Press, New York 2009

8 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Der besondere (Hämoglobinopathie-) Fall:
Kombination aus α- und β-Strukturvariante
Hämoglobin-Strukturvarianten werden überwiegend durch Veränderungen der β-Kette des Hämoglobins
verursacht (z. B. HbS). Deutlicher seltener sind Strukturvarianten, bei denen die α-Kette eine veränderte
Proteinsequenz aufweist. Aufgrund ihrer Seltenheit und ihrer häufig fehlenden klinischen Relevanz fristen
α-Varianten ein Nischendasein. Nachfolgend stellen wir einen spannenden Fall vor, bei dem sowohl eine
Variante der α- als auch der β-Kette vorliegt und so zu interessanten (labormedizinischen) Befunden führt.

Dr. med. Lukas Wagner
                                                                                                                                                        Parameter                        Pat.           Ref.-Ber.

                                                                 HbA (α2β2)
„Ich glaube, die Elpho ist kaputt!“, sagte die

                                                                              HbG (αG2β2)
                                                                                                                                                        Leukozyten [G/l ]                 3,9            3,6–10,2
 MTLA scherzhaft, als sie die Kurve der Hb-
                                                                                                                                                        Erythrozyten [T/l ]           5,3 (↑)            3,9–5,15

                                                                                                                    „HbGS“ (αG2βS2)
                                                                                            HbS (α2βS2)
 Elektrophorese einer Patientin aus Nigeria
                                                                                                                                                        Hämoglobin [g/dl ]               13,2           12,0–15,4
 sah. In der Tat unterschied sich diese Kurve
                                                                                                                                                        Hämatokrit [%]                   39,4           35,5–45,0
 deutlich von denjenigen, die wir sonst zu
                                                                                                                                                        MCH [pg]                     24,9 (↓)           27,0–33,5
 Gesicht bekommen (Abb. 1). Auch in der
                                                                                                                                                        MCHC [g/dl ]                     33,5           31,5–36,0

                                                                                                                                      „HbG2“ (α 2δ2)
 Wiederholung bestätigte sich der Befund.                                                                 HbA2 (α2δ2)

                                                                                                                                       G
                                                                                                                                                        MCV [fl ]                    74,3 (↓)           80,0–99,0
        Üblicherweise dominiert beim Erwach-
                                                                                                                                                        RDW [%]                          13,9                < 15
 senen HbA mit > 95 % deutlich. Im vorlie-
                                                                                                                                                        Thrombozyten [G/l ]              153            150–370
 genden Fall zeigten sich neben HbA jedoch
 drei weitere Varianten, die in relevantem           Abbildung 1: Hb-Elektrophorese der Patientin                                                                   Tabelle 1: Blutbild der Patientin
 Maße vorlagen. Nebenbefundlich fielen zwei
 deutlich kleinere Fraktionen auf, von denen      zwei gleichartigen, nicht-α-Ketten kombi-                                                            Hinzu kommen bei der Patientin die jewei-
 eine mit HbA2 vereinbar war. Wie aber            nieren (siehe auch Labor 28-Magazin #63,                                                             ligen Zwillinge: HbG (αG2β2), „HbGS“ (αG2βS2)
 lassen sich die insgesamt sechs vorliegen-       06 /2020). Physiologischerweise finden sich                                                          und „HbG2“ (αG2δ2).
 den Fraktionen erklären?                         beim Erwachsenen HbA (α2β2), HbA2 (α2δ2)                                                                   Unsere Verdachtsdiagnose einer
        Die mit Abstand häufigsten Struktur-      und in Spuren HbF (α2γ2). Beim isolierten                                                            Kombination aus HbG und HbS konnte bei
 varianten sind durch veränderte β-Ketten         Vorliegen einer β-Variante (βV) kommt nur                                                            unseren humangenetischen Kollegen im
 verursacht (β-Varianten), sodass sehr wahr-      eine Fraktion hinzu (α2βV2). Da die α-Kette                                                          Labor Lademannbogen durch den jeweils
 scheinlich auch in diesem Fall eine β-Vari-      an allen Hämoglobinen beteiligt ist, ent-                                                            heterozygoten Nachweis der Mutation
 ante vorlag. Und tatsächlich zeigte eine der     steht bei Vorliegen einer α-Variante von                                                             c.207C > G (p.Asn69Lys, HbG Philadelphia)
 Fraktionen ein für HbS-typisches Wande-          jeder Fraktion ein „Zwilling“ mit der je-                                                            am HBA-Lokus sowie der HBB-Mutation
 rungsverhalten. Da HbA nachweisbar war,          weiligen α-Variante. Beim isolierten Vor-                                                            c.20A>T (p.Glu7Val, HbS-Allel) bestätigt
 konnte es sich nicht um eine Kombination         liegen einer α-Variante (αV) entsteht daher                                                          werden. Nebenbefundlich zeigte sich die
 zweier β-Varianten handeln, sodass wir           der HbA-Zwilling (αV2β2) und ein HbA2-                                                               Deletion –a3.7 heterozygot am HBA-Lokus,
 eine HbS-Heterozygotie vermuteten.               Zwilling (αV2δ2). Letzteres erklärt die dia-                                                         die häufig mit HbG assoziiert ist und kli-
        Bei einer „reinen“ HbS-Heterozygo-        gnostisch wichtige Spaltung des HbA2. Der                                                            nisch zu einer α-Thalassämia minima führt,
 tie zeigen sich insgesamt drei Fraktionen:       HbF-Zwilling (αV2γ2) ist bei Erwachsenen                                                             was die bei der Patientin vorliegende Mik-
 HbA, HbS und HbA2 (sowie ggf. etwas HbF).        üblicherweise zu gering, um erkannt zu                                                               rozytose und Hypochromasie mit reaktiver
 Ist es Zufall, dass wir doppelt so viele Frak-   werden bzw. wird überlagert.                                                                         Erythrozytose erklärt (Tab. 1).
 tionen bei der Patientin finden konnten?               Bei der Patientin führt das kombinierte                                                              Das jeweils isolierte Vorliegen einer
 Wie so häufig, fand sich ein wichtiger Hin-      Vorliegen von α- und β-Variante dazu, dass                                                           HbG- oder HbS-Heterozygotie ist ohne we-
 weis im „Kleingedruckten“ – eine Spaltung        die drei, bei einer reinen HbS-Heterozygo-                                                           sentliche klinische Relevanz. Zum kombi-
 des HbA2 ist ein typischer Hinweis auf das       tie vorliegenden, Fraktionen jeweils einen                                                           nierten Vorliegen finden sich in der Litera-
 Vorliegen einer Variante der α-Kette (α-         Zwilling erhalten und insgesamt sechs Frak-                                                          tur u. a. aufgrund der Seltenheit lediglich
 Variante). Die Annahme eines kombinier-          tionen nachgewiesen werden könnten. Aus                                                              Einzelfallberichte. Aus pathophysiologischen
 ten Vorliegens einer α- und eine β-Variante      Gründen der (geographischen) Prävalenz                                                               Überlegungen und unter Berücksichtigung
 kann die vorliegende Kombination schlüs-         und des Wanderungsverhaltens bestand                                                                 der Klinik der Patientin (Blutbild, > 40 Jahre,
 sig erklären: Hämoglobine bestehen aus           bei uns der Verdacht auf das Vorliegen der                                                           keine wesentlichen Symptome) ist erfreuli-
 Heterotetrameren. Jenseits der Embryo-           α-Variante HbG (αG). Drei der Fraktionen                                                             cherweise nicht mit relevanten klinischen
 nalperiode bestehen die menschlichen Hä-         konnten wir bei der Patientin bereits zuord-                                                         Folgen dieser komplexen Hämoglobino-
 moglobine aus zwei α-Ketten, die sich mit        nen: HbA (α2β2), HbS (α2βS2) und HbA2 (α2δ2).                                                        pathie-Kombination zu rechnen. S

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Diffuser Haarausfall und
androgenetische Alopezie
Wenn Menschen verstärkten Haarausfall haben, kann ein Leidensdruck entstehen
und Ärzte werden nach diagnostischen Möglichkeiten zur Abklärung gefragt.

Birgit Hollenhorst

Laut Definition liegt ein verstärkter Haar-               Die häufigste Form des Haarausfalls,         keine erhöhten Serum-Androgenspiegel ge-
ausfall dann vor, wenn täglich und regelmä-        die androgenetische Alopezie (AGA), be-             messen. Bei der androgenetischen Alopezie
ßig deutlich mehr als 100 Haare ausfallen.         ruht auf einer genetischen Veranlagung.             reagieren oft einige Haarfollikel empfind-
Dabei können auch die Jahreszeit und die           Sie betrifft im Laufe des Lebens etwa jeden         licher auf die Androgene. Als Ursache der
Haarwaschgewohnheiten eine Rolle spielen.          zweiten Mann (ab dem 70. Lebensjahr eher            Überempfindlichkeit können Haarfollikel
Im Spätsommer und Herbst verliert der              80 % der Männer) und ca. jede fünfte Frau.          in genetisch prädisponierten Kopfhautare-
Mensch die meisten Haare. Bei einer Haar-          Die Veranlagung kann durch beide Eltern-            alen z. B. eine erhöhte Anzahl an Rezepto-
wäsche pro Woche gehen deutlich mehr               teile vererbt werden. Aktuell geht man von          ren (x-chromosomal vererbt, s. o.) für das
Haare verloren als bei täglicher Haarwä-           einem polygenen Erbgang aus. Das einzige            hier wirksame Androgen Dihydrotestoste-
sche. Daher sollte ggf. eine möglichst ob-         Gen, das sicher an der AGA beteiligt ist, ist       ron (DHT) haben. DHT wird am Haarfol-
jektive Zählung der verlorenen Haare über          das auf dem X-Chromosom gelegene And-               likel durch das Enzym 5-alpha-Reduktase
einen Zeitraum erfolgen.                           rogenrezeptor-Gen. Da jedoch der Beitrag            aus Testosteron gebildet. Eine vermehrte
      Der aktive Vorgang des Haarausfalls          der verschiedenen Genorte zur Entstehung            Aktivität des Enzyms kann die Konzentra-
wird als Effluvium capillorum bezeichnet.          des Haarausfalls unterschiedlich ausgeprägt         tion von DHT an den Haarfollikeln erhö-
Sind die Haare bereits sichtbar ausgedünnt         ist, ist eine routinemäßige genetische Ana-         hen und so zu einer AGA führen.
oder finden sich kahle Stellen auf der Kopf-       lyse derzeit nicht praktikabel.                           Bei der Frau katalysiert das Enzym
haut oder an anderen behaarten Körper-                    Das männliche Muster der andro-              Aromatase die Umwandlung von Andro-
stellen, spricht man von Alopezie. Zur Ab-         genetischen Alopezie zeigt sich durch Bil-          genen in Östrogene. Eine verminderte Ak-
klärung des verstärkten Haarausfalls gehört        dung von sogenannten Geheimratsecken                tivität der Aromatase kann zu erhöhten
die Anamnese, die den Beginn und Verlauf           an der Stirn-Haar-Grenze sowie durch                Androgen-Konzentrationen an den Haar-
des Haarausfalls, die Frage nach Medika-           lichte bis kahle Stellen am oberen Hinter-          follikeln führen. Während und nach dem
menten (viele gängige Medikamente kön-             kopf (Tonsur) und ein mögliches Zusam-              Klimakterium der Frau und bei genetischer
nen als Nebenwirkung Haarausfall ver-              menfließen bis hin zur Glatze. Oft bleibt           Disposition kann ein Ungleichgewicht
ursachen, z. B. Statine, ß-Blocker) inklu-         am unteren Hinterkopf und über den Oh-              zwischen den weiblichen und männlichen
sive Beginn, Wechsel oder Unterbrechung            ren ein Haarkranz erhalten. Das weibliche           Geschlechtshormonen zugunsten der An-
von oralen Kontrazeptiva bei der Frau und          Muster zeigt dagegen dünne und weniger              drogene zu einem androgenetischen Haar-
schwere Erkrankungen bis zu einem Zeit-            Haare im Mittelscheitelbereich, die Kopf-           ausfall führen.
raum von 4 bis 6 Monaten vor Beginn des            haut schimmert hier durch, die Haarlinie                   Zur Laboranalytik eignet sich neben
Haarausfalls umfassen sollte. Fragen zu Er-        an der Stirn bleibt meist erhalten. Mit der         der Basisdiagnostik zum diffusen Haaraus-
nährungsgewohnheiten (bspw. extreme                Zunahme des Haarausfalls bei Frauen fal-            fall (TSH, Ferritin, CRP, Selen, Zink, Bio-
Diäten) sowie bei der Frau zu einer kürzli-        len die Haare entlang des Mittelscheitels           tin, HbA1c, ANA, ggf. 25-OH-Vitamin D,
chen Geburt oder Zyklusunregelmäßigkei-            vermehrt aus und eine Dreiecksform zur              Folsäure und Vitamin B12) bei der Frau
ten können bei der Abklärung helfen.               Stirn hin verbreitert kann entstehen. Ins-          zum Ausschluss einer Hyperandrogenämie
      Die Inspektion der Haare kann typi-          gesamt verkürzt sich bei der androgeneti-           die Bestimmung der Androgene zum Zyk-
sche Verteilungsmuster des Haarausfalls            schen Alopezie die Wachstumsphase der               lusbeginn (Testosteron mit SHBG (zur Be-
zeigen und zwischen vernarbender oder              Haare, die Haare werden dünner (Miniatu-            rechnung des freien Testosterons), DHT,
nicht-vernarbender Alopezie unterschei-            risierung der Haarfollikel) und fallen eher         DHEA-S, Androstendion) sowie die Be-
den. Das Trichogramm als standardisierte           aus. Je später der Haarausfall einsetzt, desto      stimmung von 17-OH-Progesteron (V.a.
Untersuchung von 50 bis 100 ausgezupf-             langsamer verläuft er in der Regel.                 Androgenitales Syndrom, ggf. genetische
ten Haaren aus in der Regel zwei Kopfhaar-                Hyperandrogenämie kann eine Ursa-            Analyse) und Oestradiol sowie FSH (V.a.
regionen erweitert die Diagnostik.                 che der AGA sein. Häufig werden jedoch              Östrogendefizit, Klimakterium). S

Literatur
1. Wolff H. Diagnostik und Therapie von Effluvium und Alopezie, MMW-Fortschr.Med.Nr.3/2013 (155. Jg.) 53–58
2. Lutz G. Alopecia androgenetica der Frau. Ästhetische Dermatologie & Kosmetologie 05; 2018, 32–44

10 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Neuroborreliose
CXCL13-Bestimmung im Liquor –
Biomarker bei früher Neuroborreliose
Die frühe Neuroborreliose ist nach dem Erythema migrans die zweithäufigste Manifestation
einer Borrelieninfektion (Erythema migrans 95,4 %, frühe Neuroborreliose 3,3 % der Fälle).
Sie führt meist zu einer Meningoradikulitis (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom).

Dr. med. Antje-Beate Molz

Die radikulären, oft nächtlich verstärkten Schmerzen                borrelienspezifische Antikörper frei mit der Konse-
treten im Schnitt 4–6 (1–18) Wochen nach dem Zecken-                quenz eines erhöhten AI. Das heißt, erhöhte CXCL13-
stich bzw. dem Erythema migrans auf und werden                      Konzentrationen sind im Liquor schon vor der Pleo-
nicht selten von neurologischen Ausfällen wie Paresen               zytose und der intrathekalen Antikörpersynthese de-
und Sensibilitätsstörungen begleitet. Hirnnervenaus-                tektierbar. Die Sensitivität liegt bei 100 % im Vergleich
fälle finden sich bei ca. 60 % der Patienten mit akuter             zu 89 % bei Vorliegen einer Pleozytose mit erhöhtem
Neuroborreliose.                                                    Borrelien-AI. Der negative prädiktive Wert beträgt
       Die Labordiagnose erfolgt durch parallele Unter-             100 %, d. h. eine nicht erhöhte CXCL13-Konzentra-
suchung von Liquor und Serum. Eine alleinige Serum-                 tion schließt eine Neuroborreliose aus!
untersuchung ist bei Verdacht auf Neuroborreliose                         Erhöhte CXCL13-Konzentrationen im Liquor
nicht ausreichend und kann initial sogar noch unauf-                werden auch bei anderen ZNS-Erkrankungen gefun-
fällig sein. Typische Liquorbefunde sind:                           den (Neurolues, ZNS-Lymphome, tuberkulöse Me-
                                                                    ningitis, HIV-Meningitis, Kryptokokkenmeningitis),
Ÿ Lymphozytäre Pleozytose mit reaktiven B-Lympho-
                                                                    hier meist in nicht so hoher Konzentration. Diese Er-
  zyten
                                                                    krankungen sind jedoch sehr selten und gehören nicht
Ÿ Erhöhung des Gesamteiweißes und des Albumins
                                                                    zu den typischen Differenzialdiagnosen einer Neuro-
  im Liquor (Schrankenstörung)
                                                                    borreliose. Die Spezifität von CXCL13 liegt daher bei
Ÿ Intrathekale Immunglobulinsynthese: IgM findet
                                                                    99 %. Zudem kann CXCL13 zur Verlaufskontrolle nach
  sich bei früher Manifestation in über 80 % der Fälle,
                                                                    Therapie verwendet werden, da die Konzentration un-
  IgG in ca. 60 %. Intrathekales IgA findet sich selte-
                                                                    ter suffizienter Antibiotikatherapie rasch abfällt (im
  ner und eher bei später Neuroborreliose
                                                                    Gegensatz zum AI). Das bedeutet aber auch, dass die
Ÿ Nachweis einer borrelienspezifischen intrathekalen
                                                                    Sensitivität bei antibiotisch vorbehandelten Patienten
  Antikörpersynthese (erhöhter Antikörperindex [AI])
                                                                    deutlich abnimmt! CXCL13-Bestimmungen aus dem
      Eine akute Neuroborreliose gilt als gesichert,                peripheren Blut sind nicht sinnvoll.
wenn neben den typischen Symptomen eine lympho-
zytäre Pleozytose zusammen mit einem erhöhten bor-                   Fazit: Die Bestimmung von CXCL13 im Liquor unbe-
relienspezifischen Antikörper-Index gefunden wird.                   handelter Patienten mit V. a. akute Neuroborreliose ist
Bei früh eingeleiteter Diagnostik kann es jedoch vor-                ratsam
kommen, dass noch keine Antikörper nachweisbar
                                                                    Ÿ bei typischer Klinik aber fehlender Pleozytose und/
sind. Zudem gibt es auch sehr selten Fälle mit initial
                                                                      oder unauffälligem Antikörperindex
noch unauffälliger Liquor-Zellzahl. Auch bleibt ein er-
                                                                    Ÿ bei atypischen Symptomen aber erhöhtem Antikör-
höhter Antikörperindex oft über Jahre bestehen und
                                                                      perindex (DD „Liquornarbe“ bei Zustand nach Neu-
beweist alleine noch keine akute Neuroborreliose.
                                                                      roborreliose)
      Das Chemokin CXCL13 ist hier als ergänzender
                                                                    Ÿ zum sicheren Ausschluss einer Neuroborreliose
Biomarker sehr hilfreich. Es wird von Monozyten se-
                                                                    Ÿ zur Therapieverlaufsbeurteilung
zerniert, sobald diese mit Oberflächenproteinen von
Borrelia burgdorferi interagieren, und lockt B-Lympho-               Es muss bedacht werden, dass CXCL13 auch bei ande-
zyten an. Nach Reifung zu Plasmazellen setzen diese                  ren ZNS-Erkrankungen nachweisbar sein kann. S

 Literatur
 1. Rauer S, Kastenbauer S et al. Neuroborreliose. S3-Leitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.),
     Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien
 2. Rupprecht TA, Lechner C, Tumani H, Fingerle V. CXCL13 als Biomarker der akuten Neuroborreliose.
     Überprüfung des prädiktiven Wertes in der klinischen Routine. Nervenarzt 2014, 85:459–464

                                                                                                                      magazin 12/2020 | 11
Das Labor 28-Magazin ist eine Publikation der
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Dr. med. Michael Müller (Geschäftsführer)

Ausgabe: Dezember 2020

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