Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können - Labor 28
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# 64 medizinisches versorgungszentrum labor 28 DEZEMBER 2020 Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können dr. med. michael müller In unserer letzten Ausgabe haben wir ein flächendeckend ausbreitend, erscheint das IN DIESER AUSGABE erstes Zwischenfazit zur Entwicklung der Fazit noch ebenso aktuell wie wichtig. Es SARS-CoV-2-Pandemie und deren Aus- wird immer deutlicher, dass die Eindäm- Die COVID-19-Pandemie: wirkungen gezogen. Es lautete: „Die in mung der Pandemie einer gemeinsamen Ein Marathonlauf, den wir der Intensität und den allgemeinen sowie in und nachhaltigen Kraftanstrengung von gemeinsam meistern können....................... 1 unserer Arbeitswelt spürbaren Auswirkun- uns allen bedarf. Wir sind sowohl als Indi- SARS-CoV-2-Diagnostik gen nicht vorhersehbare und einschätzbare viduen wie als Gemeinschaft gefragt, ob als Der Ct-Wert bei PCR-Untersuchungen: SARS-CoV-2-Epidemie zeigt uns, dass wir Bürgerin oder Bürger oder als Beschäftigte Mythos und Fakten.......................................... 3 mit auf Vertrauen und eigenem Zutrauen im Gesundheitswesen. COVID-19: Einfluss auf ausgerichteter Zusammenarbeit und Fokus- Wir spüren im Labor die Auswirkun- labormedizinische Messgrößen ................. 5 sierung auf das Wesentliche die Herausfor- gen der seit Monaten andauernden konti- derungen gut meistern können. Dabei hat nuierlichen Belastung auf Höchstniveau. Wirksamkeit und muskelassoziierte sich herausgestellt, dass die menschlichen Mittlerweile wurden im Labor 28 fast Nebenwirkungen von Statinen..................... 6 Faktoren, eine positive Einstellung, eine 200.000 SARS-CoV-2-PCR-Untersuchun- Erhöhte Pankreasenzyme ohne auf die Stärken jeder Person ausgerichtete gen und ca. 15.000 Antikörperbestimmun- erkennbare Pankreaserkrankung ............... 8 Strategie unter Bewahrung von Humor und gen durchgeführt. Die jetzt wieder deutlich Der besondere (Hämoglobinopathie-) Fall: Freude an der täglichen Arbeit wichtig sind. steigende Zahl an Neuinfektionen hatte Kombination aus α- und Wir sind auch dankbar dafür, dass wir für sich schon seit einigen Wochen in der zu- β-Strukturvariante ........................................... 9 unsere Arbeit und unser Engagement so au- nehmenden Positivrate bei den PCR-Tests Diffuser Haarausfall und ßerordentlich viel Anerkennung und Wert- abgezeichnet. Das gesamte Team im Labor androgenetische Alopezie ..........................10 schätzung erfahren haben. Auch das hilft, 28 und insbesondere die Kolleginnen und weiterhin alle Kräfte für die anstehende Kollegen in der Molekularbiologie stehen CXCL13-Bestimmung im Liquor– Zeit zu mobilisieren und für eine gute Ver- seit März vor der großen und eher noch Biomarker bei früher Neuroborreliose ....11 sorgung zu bündeln.“ wachsenden Herausforderung, alle PCR- Sechs Monate später, mitten in der Befunde immer so rasch wie möglich zu STETS AKTUELL: Die Laborinformationen sich mit deutlich steigenden Infektionszah- erstellen und neben den tausenden SARS- und Diagnostischen Pfade von Labor 28 len wieder sehr dynamisch entwickelnden CoV-2-PCR-Untersuchungen auch noch die Pandemie, zunächst in den Ballungsräumen, allgemeine Routine im Labor zu bewältigen. www.labor28.de/fachinformationen wie auch hier in Berlin, und dann sich rasch Lesen Sie weiter auf Seite 2 > magazin 12/2020 | 1
Die COVID-19-Pandemie: Ein Marathonlauf, den wir gemeinsam meistern können > Fortsetzung von Seite 1 Die stetig steigende Zahl an SARS- SARS-CoV-2-Testungen sind ein CoV-2-PCR-Anforderungen, der Aufbau wichtiges Mittel zur besseren Einschätzung und die Installation der für die Bewälti- und Eindämmung der COVID-19-Pande- gung dieser enormen Probenzahl notwen- mie. Das RKI weist darauf hin, dass es nicht digen neuen Gerätesysteme und auch die möglich ist, alle COVID-19-Erkrankungen Einarbeitung der neu hinzugekommenen Anfang November hat das RKI (Ro- in Deutschland durch Testungen zu bestä- Kolleginnen und Kollegen war und ist eine bert Koch-Institut) die Kriterien für die tigen. Mit Bedacht und unter Berücksich- große Aufgabe, der sich alle mit uneinge- SARS-CoV-2-Diagnostik nochmals ange- tigung der Nationalen Teststrategie sowie schränkt hoher Motivation stellen. Auch passt und auf die jetzt beginnende Erkäl- der aktualisierten Testkriterien des RKI, in den anderen Bereichen, wie dem Pro- tungs- und Grippesaison abgestimmt. Da- helfen SARS-CoV-2-Tests, schwere Ver- beneingang mit der Probenverteilung und mit trägt das RKI einerseits der bundeswei- läufe ebenso wie Ausbrüche zu verhin- der Datenerfassung, besteht seit Beginn ten Überlastung der fachärztlichen Labore dern und die Erkrankungsfälle mit Kontakt der COVID-19-Pandemie eine marathon- durch eine zu große Zahl auch anlassloser zu vulnerablen Gruppen möglichst früh artige Dauerbelastung. Mit der Einstellung PCR-Untersuchungen Rechnung und be- zu identifizieren, um die Verbreitung von weiterer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rücksichtigt andererseits, dass es bei meh- SARS-CoV-2 einzudämmen. wurden die Teams verstärkt, um dem ste- reren Millionen Erkrankten pro Woche Zur Umsetzung, auch in der Kom- tig steigenden Bedarf Rechnung zu tragen. nicht möglich wäre, allen Patienten mit munikation mit besorgten Bürgerinnen All diese Maßnahmen konnten nicht Erkältungskrankheiten eine PCR-Unter- und Bürgern, sind große gemeinsame verhindern, dass wir seit dem Ende der suchung zur Verfügung zu stellen. Die Kraftanstrengungen zu bewältigen. Wie Sommerferien mit den überwiesenen PCR- SARS-CoV-2-Antigentests sind hier, bei bisher werden wir hierzu unseren Beitrag Anforderungen stets oberhalb der täg- aller Vorsicht und Einschränkung wegen leisten und alles uns Mögliche und Leist- lich verfügbaren Kapazität an SARS-CoV- der im Vergleich zur PCR doch geringeren bare unternehmen. Wir werden außerdem 2-PCR-Anforderungen lagen – bei steigen- Sensitivität, für bestimmte Fragestellungen nicht müde, neben der höchstmöglichen der Tendenz. Mit vereinten Kräften und eine wichtige Entlastung. Wir arbeiten in- Reduzierung von Kontakten im privaten enormen täglichen Anstrengungen, auch tensiv an deren Einführung. und beruflichen Umfeld, auch immer und an Sonn- und Feiertagen, war es dennoch immer wieder für die Einhaltung der wich- möglich, die Untersuchungszeit vom Pro- tigsten täglichen Empfehlungen zu werben: beneingang bis zur Befundübermittlung im Abstand halten, Hygieneempfehlungen be- idealen Zeitfenster von 24 Stunden zu hal- folgen, Alltagsmasken tragen, Warn-App ten. Seit Ende Oktober ist dies nicht mehr nutzen und Ergebnisse mitteilen sowie möglich, da entgegen der Bitte um die Fo- verstärktes Lüften in Innenräumen. S kussierung der Testungen auf die Natio- nale Teststrategie des BMG (Bundesminis- terium für Gesundheit) und Beachtung der dort empfohlenen Priorisierung bei Eng- pässen die Anforderungszahlen weiterhin stiegen. 2 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
SARS-CoV-2-Diagnostik – Was ist der aktuelle Stand des Wissens? Der Ct-Wert bei PCR-Untersuchungen: Mythos und Fakten Die Polymerase-Kettenreaktion (PCR) ist eine Labormethode, die auf den qualitativen Nachweis von Erregern ausgerichtet ist. Im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie entstand die Idee, die qualitative in eine quantitative Methode umzuwandeln: Anhand der nachgewiesenen Nukleinsäure-Menge könne man möglicherweise Informationen über die Kontagiosität einer positiv getesteten Person erhalten. Prof. Dr. med. Ralf Ignatius In der aktuellen SARS-CoV-2-Pandemie wurden bislang nahezu alle, seit vielen Jah- ren akzeptierten Qualitätsstandards etab- lierter, mikrobiologischer Untersuchungs- methoden immer wieder von den Medien, Laien und auch Entscheidungsträgern im Gesundheitsbereich hinterfragt oder in ei- nem bestimmten Interesse anders interpre- tiert. So entstand u. a. auch die zunächst nachvollziehbare Idee, mittels PCR, einer auf den qualitativen Nachweis von Erre- gern ausgerichteten Labormethode, an- hand der möglicherweise nachgewiesenen Nukleinsäure-Menge die Information zu gewinnen, ob jemand mit einem positiven PCR-Ergebnis (noch) kontagiös, d. h. an- steckend für seine Mitmenschen ist oder nicht. Man wollte also die per se qualitative in eine quantitative Methode umwandeln. Worauf beruht diese Überlegung? Eine PCR besteht zunächst aus der Extraktion der erregerspezifischen Nuklein- Aus PCR-Nachweisen vieler anderer Die Ausgangsmenge der erregerspe- säure (DNA oder RNA), bei einem RNA- Erreger wissen wir schon lange, dass die zifischen Nukleinsäre eines Patienten hängt haltigen Erreger wie SARS-CoV-2 dann PCR-Positivität aufgrund der hohen Sensi- ganz wesentlich von seinem individuellen auf einer Transkription der RNA in DNA, tivität der Methode nur bedingt eine Aus- Infektionsstadium sowie der Präanalytik und anschließend aus einer zyklischen Ver- sage über die Kontagiosität der Patienten der Untersuchung ab. So nimmt die Erre- mehrung erregerspezifischer DNA-Frag- zulässt. Daher gilt grundsätzlich, dass je- gerlast zu Beginn einer jeglichen Infektion mente (Amplifikation) bis zu einer DNA- mand solange kontagiös ist, wie es die epi- zu, erreicht ein Plateau und nimmt dann Menge, die ein positives, meist fluores- demiologische Studienlage für den jewei- wieder ab. Daneben wird ein nur flüchtig zierendes Signal ergibt (Detektion). Die ligen Erreger gezeigt hat, beispielsweise durchgeführter Rachenabstrich immer we- Anzahl der hierfür erforderlichen PCR- 48 Stunden nach Sistieren der Symptoma- niger SARS-CoV-2-RNA ergeben als ein Zyklen (Cycle threshhold, Ct-Wert) ist im tik bei Norovirus- und anderen gastro- lege artis durchgeführter nasopharynge- Reaktionsprotokoll ablesbar. Je weniger intestinalen Infektionen. Bei keinem vor aler Abstrich (und vice versa). Bei SARS- Zyklen für das Erreichen eines positiven SARS-CoV-2 beschriebenen Erreger ist CoV-2 kommt hinzu, dass der Erreger sich Signals erforderlich sind, desto mehr Nu- man von diesem Grundprinzip abgewi- zunächst im oberen Respirationstrakt ver- kleinsäure lag im Ausgangmaterial vor. So- chen und hat z. B. vor der Entisolierung der mehrt, anschließend jedoch die hauptsäch- mit mag es naheliegen, auch aus den ge- Patienten eine zweite PCR-Untersuchung liche Vermehrung auch im unteren Respi- messenen Ct-Werten Schlussfolgerungen und eine Einschätzung des Ct-Werts der rationstrakt stattfinden kann. zu ziehen. Warum sollte man das dennoch durchgeführten Untersuchung gefordert. nur sehr eingeschränkt tun? Warum ist das sinnvoll? Lesen Sie weiter auf Seite 4 > magazin 12/2020 | 3
Der Ct-Wert bei PCR-Untersuchungen: Mythos und Fakten 40 > Fortsetzung von Seite 3 30 Ct-Werte 20 10 OVID-19: Entlassungskriterien aus der Isolierung 0 E orf 1 E orf 1 E orf 1 ≤ 1–5 y 6–10 y 11–18 y ientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte Gennachweis pro Altersgruppe Das bedeutet, dass eine mittels PCR nachge- Leider wurde diese Information re- Abbildung 1: Altersabhängiger „dual target“ wiesene, relativ niedrige Erregermenge im lativ unkritisch nun dazu so verstanden Nachweis des E- bzw. orf1-Gens bei Kindern ≤ 18 Jahren (n=93) zwischen März und Juni 2020 Isolierung und verwendet, dass wir im Labor von Ge- oberen Respirationstrakt nicht ausschließt, dass Patienten ggf. erhebliche Erregermen- Bei schwerem Bei leichtem sundheitsämtern, Bei Einsendern und mittler- asymptomatischer gen aus den unteren Atemwegen COVID-19-Verlauf COVID-19-Verlauf aushusten. weile auch Patienten über den Ct-Wert SARS-CoV-2-Infektion (mit Sauerstoffbedürftigkeit) (ohne Sauerstoffbedürftigkeit) Dennoch hat das Robert Koch-Insti- der jeweiligen PCR-Untersuchungen be- tut (RKI) in seinen Bemerkungen zur In- fragt werden, in der Vorstellung, hiervon Bedeutet das, dass diese Kinder zum terpretation von Laborergebnissen auf sei- im Einzelfall, auch durch Vergleich mit Zeitpunkt der Diagnostik nicht kontagiös ner Homepage für eine der mittlerweile Entisolierung Ct-Werten aus Untersuchungen bei einem waren, oder die Abstriche evtl. falsch ab- etablierten PCR-Methoden veröffentlicht, anderen Labor, konkret auf die Kontagio- genommen wurden, oder bei Kindern evtl. Mind. 48 Stunden Mind. 48 Stunden Frühestens 10 Tage dass bei einem Symptomfreiheit (1) Ct-Wert von ≥Symptomfreiheit 31 bis 34 (1)sität schließennach zu Erstnachweis können. Allerdings des Erregers mit grundsätzlich relativ wenig Virus im Naso- wahrscheinlich nicht von vermehrungsfä- welcher Konsequenz? PLUS PLUS pharynxbereich nachweisbar ist? Niemand Frühestens 10 Tage Frühestens 10 Tage higem nach SARS-CoV-2 in der untersuchten Symptombeginn nach Symptombeginn Wir im Labor 28 haben im Rahmen kann diese Fragen momentan sicher be- Probe auszugehen ist, verweist aber auch einer wissenschaftlichen Auswertung un- PLUS antworten. Aus all diesen Gründen emp- PCR-Untersuchung (2) hier zu Recht sehr auf die begrenzte Aus- serer eigenen Daten gesehen, dass bei mehr fiehlt das RKI auch nur für Bewohner von siehesagefähigkeit und ursächliche siehe „Wichtige Hinweise“ Limitationen als 50 % der Kinder „Wichtige Hinweise“ siehe≤„Wichtige 18 Jahren bei Erstdiag- Hinweise“ Altenpflegeeinrichtungen sowie für hospi- wie den großen Einfluss von Infektionssta- nose (Untersuchungsmaterial trockener Ab- talisierte Patienten mit Sauerstoffbedürf- dium und Präanalytik auf die Interpreta- strichtupfer aus dem Nasen- und/oder Ra- tigkeit die Heranziehung des Ct-Werts als tion der Ergebnisse. chenraum) ein Ct-Wert ≥ 30 vorlag (Abb. 1). weiteres Kriterium im Rahmen des Entiso- Wichtige Hinweise lierungsmanagements (Abb. 2). ne zeitlich verlängerte Ausscheidung von vermeh- (1) Symptomfreiheit Sämtliche ambulant geführten Pati- ngsfähigem Virus kann bestehen bei Patienten Nachhaltige Besserung der akuten COVID-19-Symptomatik enten sollten dagegen unabhängig davon, t angeborenen oder erworbenen COVID-19: Immundefekten Entlassungskriterien aus der Isolierung gemäß ärztlicher Beurteilung. er unter immunsupprimierender Therapie. Orientierungshilfe für Ärztinnen Hier und Ärzte ob initial Symptome oder keine Symptome uss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen, ggf. mit Hilfe einer (2) PCR-Untersuchung vorlagen, ohne erneute PCR-Untersu- rusanzucht. Weiterhin können schwere Krankheitsverläufe Zusätzlich zu beiden zeitlichen Kriterien ist zur Entisolierung Bei schwerem Isolierung t einer länger andauernden Virusausscheidung einhergehen. bei schwerem Verlauf und bei Bewohnern von Altenpflegeein- Bei leichtem Bei asymptomatischer chung entisoliert bzw. aus der Quarantäne entlassen werden. COVID-19-Verlauf COVID-19-Verlauf SARS-CoV-2-Infektion (mit Sauerstoffbedürftigkeit) richtungen ein negatives PCR-Resultat erforderlich. Alternativ (ohne Sauerstoffbedürftigkeit) Impressum: Robert Koch-Institut, ibbs@rki.de; Grafi k: Goebel-Groener.de; Stand: 17.07.2020, DOI:10.25646/6957.2 edizinisches Personal kann in Abhängigkeit von den spezifischen Testbedingungen Entisolierung ein Ct-Wert >30 als Kriterium herangezogen werden, der nach Gemeinsam kann die Pandemiebe- ur Entisolierung und Aufhebung des Tätigkeitsverbots von Mind. 48 Stunden edizinischem Personal gelten dieselben oben genannten Symptomfreiheit (1) PLUS bisherigen Erfahrungen mit einem Verlust der Anzüchtbarkeit Mind. 48 Stunden Symptomfreiheit (1) PLUS Frühestens 10 Tage nach Erstnachweis des Erregers wältigung nur gelingen, wenn wir unter einhergeht. Achtung: Ct-Werte variieren in Abhängigkeit von anderem auf unsinnige Laboruntersuchun- Frühestens 10 Tage Frühestens 10 Tage iterien. Immunsupprimierte Personen müssen im Einzelfall nach Symptombeginn nach Symptombeginn Abstrichqualität und Testdetails. Angaben zur Vergleichbarkeit PLUS urteilt werden. In Situationen mit akutem Personalmangel PCR-Untersuchung (2) siehe „Wichtige Hinweise“ nn bei leichtem Verlauf eine Verkürzung der 10-tägigen und Interpretation von Ct-Werten sind unter siehe „Wichtige Hinweise“ siehe „Wichtige Hinweise“ gen verzichten, und dazu zählen auch Wie- www.rki.de/covid-19-diagnostik zu finden. olationsdauer im Einzelfall erwogen werden – nach Wichtige Hinweise reichen von 48 Stunden Symptomfreiheit und Die PCR-Untersuchung basiert mindestens auf derholungsuntersuchungen von ambulan- Eine zeitlich verlängerte Ausscheidung von vermeh- rliegen von zwei negativen PCR-Untersuchungen rungsfähigem Virus kann bestehen bei Patienten mit angeborenen oder erworbenen Immundefekten zwei zeitgleich durchgeführten Abstrichen: (1) Symptomfreiheit Nachhaltige Besserung der akuten COVID-19-Symptomatik ten, PCR-positiven Patienten! Das bedeu- einem oropharyngealen und einem nasopharyn- gemäß ärztlicher Beurteilung. oder unter immunsupprimierender Therapie. Hier Abstand von mindestens 24 Stunden. tet, alle PCR-positiven Patienten sollten muss eine Einzelfallbeurteilung erfolgen, ggf. mit Hilfe einer (2) PCR-Untersuchung Virusanzucht. Weiterhin können schwere Krankheitsverläufe mit einer länger andauernden Virusausscheidung einhergehen. gealen Abstrich. Möglich ist die Überführung zweier Abstrich- Zusätzlich zu beiden zeitlichen Kriterien ist zur Entisolierung bei schwerem Verlauf und bei Bewohnern von Altenpflegeein- richtungen ein negatives PCR-Resultat erforderlich. Alternativ wohner von Altenpflegeeinrichtungen tupfer in dasselbe Transportmedium oder Abnahme beider in die angeordnete Isolierung gehen (un- Impressum: Robert Koch-Institut, ibbs@rki.de; Grafi k: Goebel-Groener.de; Stand: 17.07.2020, DOI:10.25646/6957.2 Medizinisches Personal kann in Abhängigkeit von den spezifischen Testbedingungen Zur Entisolierung und Aufhebung des Tätigkeitsverbots von ein Ct-Wert >30 als Kriterium herangezogen werden, der nach bisherigen Erfahrungen mit einem Verlust der Anzüchtbarkeit ur Entisolierung von Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen Abstriche mit demselben Abstrichtupfer (zunächst oropharyn- medizinischem Personal gelten dieselben oben genannten Kriterien. Immunsupprimierte Personen müssen im Einzelfall einhergeht. Achtung: Ct-Werte variieren in Abhängigkeit von abhängig vom Ct-Wert der PCR-Unter- beurteilt werden. In Situationen mit akutem Personalmangel Abstrichqualität und Testdetails. Angaben zur Vergleichbarkeit kann bei leichtem Verlauf eine Verkürzung der 10-tägigen unabhängig von der Krankheitsschwere immer eine PCR- Isolationsdauer im Einzelfall erwogen werden – nach geal, dann nasopharyngeal). und Interpretation von Ct-Werten sind unter www.rki.de/covid-19-diagnostik zu finden. Die PCR-Untersuchung basiert mindestens auf Erreichen von 48 Stunden Symptomfreiheit und suchung!) und hieraus nach RKI-Schema zwei zeitgleich durchgeführten Abstrichen: ntersuchung notwendig, siehe unter (2). Vorliegen von zwei negativen PCR-Untersuchungen im Abstand von mindestens 24 Stunden. einem oropharyngealen und einem nasopharyn- Bewohner von Altenpflegeeinrichtungen gealen Abstrich. Möglich ist die Überführung zweier Abstrich- tupfer in dasselbe Transportmedium oder Abnahme beider Die Abweichung von diesen Kriterien kann im Einzelfall in entlassen werden. S Abstriche mit demselben Abstrichtupfer (zunächst oropharyn- enger Absprache zwischen Klinik, Labor und Gesundheitsamt Zur Entisolierung von Bewohnern von Altenpflegeeinrichtungen geal, dann nasopharyngeal). nschlussisolierung ist unabhängig von der Krankheitsschwere immer eine PCR- Untersuchung notwendig, siehe unter (2). Die Abweichung von diesen Kriterien kann im Einzelfall in Anschlussisolierung enger Absprache zwischen Klinik, Labor und Gesundheitsamt erfolgen. i Erreichen einer Entlassungs-/Verlegungsfähig- Bei Erreichen einer Entlassungs-/Verlegungsfähig- keit aus dem Krankenhaus vor Entisolierung kann erfolgen. Länderspezifische Regelungen können abweichen und sind it aus dem Krankenhaus vor Entisolierung kann individuell eine Anschlussisolierung vorgenommen werden im häuslichen Umfeld bzw. einer geeigneten Einrichtung. zu beachten. Länderspezifische Regelungen können abweichen und sind dividuell eine Anschlussisolierung vorgenommen Abbildung 2. Robert Koch-Institut, COVID-19-Entlassungskriterien aus der Isolierung zu beachten. erden im häuslichen Umfeld bzw. einer geeigneten Einrichtung. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Entlassmanagement.html 4 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
COVID-19: Einfluss auf labormedizinische Messgrößen Bei Patienten mit COVID-19 kann es zu typischen Veränderung von Laborwerten kommen. In einem kürzlich publizierten Übersichtsartikel sind diese Veränderungen zusammengefasst. Dr. med. Hans-Ulrich Altenkirch Als typisch für COVID-19 gelten die drei K L I N I S C H-C H E M I S C H E M E S S G R Ö S S E N Messgrößen CRP ↑, LDH ↑ und Lympho- CRP ↑ Bei viralen Infektionen in 90 % der Fälle zytenzahl ↓. erhöht, oft 20–80 mg/l. Entsprechend ist die In vielen Studien wird gezeigt, dass D- Blutsenkungsgeschwindigkeit verlängert. Dimer der signifikanteste Marker für die Procalcitonin ↑ Erhöht bei 10 % der COVID-19-Fälle, nur bei schwerem Schwere der Erkrankung und das Risiko Verlauf; ggf. Hinweis auf bakterielle Superinfektion für Mortalität ist. LDH ↑ In schweren Fällen > 245 U/l, nach > 14 Tagen Veränderungen von Laborparametern abfallend. Weiter ansteigende Werte sprechen finden meist erst ab dem 7. bis 14. Tag für einen ungünstigen Verlauf. der Infektion statt. In den Tabellen wer- den die wichtigsten Veränderungen be- GPT (ALT) ↑ Sowohl GPT als auch GOT und Gesamtbilirubin können erhöht sein. schrieben. Kreatinin und Harnstoff ↑ Erhöht nach ca. 10 Tagen, prognostisch ungünstig hs Troponin T ↑ Erhöht bei kardialer Beteiligung P R O F I L F Ü R E R WA C H S E N E PAT I E N T E N M I T G E S I C H E RT E R Ferritin ↑ Bisweilen exzessiv erhöhte Werte, für die DIAGNOSE Longitudinalbewertung ohne Benefit Albumin ↓ Abfallende Werte, da negatives Akute-Phase-Protein Bei Patienten mit gesicherter Diagnose wird folgendes Profil vorgeschlagen: Na, K, Glukose, Kreatinin, GPT (ALT), LDH, BLUTBILD CK, Bili ges., CRP, großes Blutbild, Quick, Leukopenie Unter 4 G/L bei 20 % bis 30 % der Patienten PTT sowie bedarfsgerecht Troponin T und/ Leukozytose Über 10 G/L spricht eher für schweren Verlauf oder D-Dimer. Für stationäre Patienten bietet sich zusätzlich Harnstoff und Pro- Neutrophilie Über 4 G/L spricht eher für schweren Verlauf calcitonin an. Lymphopenie < 1 G/L ist häufig (80 %) und typisch für COVID-19. Bei schweren Verläufen ist die prozentuale Lymphozytenzahl auf < 15 % verringert und bei PROFIL FÜR KINDER gleichzeitiger Leukozytose ein besserer Verlaufsparameter als die Lymphozytenzahl. Bei Kindern werden aufgrund des gutar- tigeren Verlaufs die Bestimmungen von Eosinopenie Bei fehlender Lymphopenie findet sich häufig eine Eosinopenie. CRP, LDH und großem Blutbild als aus- reichend angesehen. Bei Frage bakterielle Thrombozyten Sind nicht typisch verändert, meist eher niedrig, Superinfektion ist zusätzlich Procalcito- Riesenplättchen, selten Thrombozytosen nin sinnvoll. Die LDH ist in einem Viertel der Fälle erhöht auf > 325 U/l, das CRP ist H Ä M O S TA S E O LO G I E meist unauffällig. S D-Dimer Bei schwerem Verlauf > 500 µg/L. Bereits in den ersten ↑ Tagen deutlich ansteigende Werte sind prognostisch ungünstig (Ausdruck der Hyperkoagulation). Es wird Literatur: vorgeschlagen, D-Dimer auch in der Verlaufskontrolle 1. S. Letíca de Oliveria Toledo et al. COVID-19: Re- bei ambulanten Patienten zu verwenden. view und hematologic impact, Clin Chem Acta 510 (2020):170-176 Quick % ↓ Bei schwerem Verlauf abfallende Werte 2. Rundbrief der DGKL von Prof. N. von Ahsen vom PTT ↑ 7.04.2020: „Interpretationshilfe zu Laborwerten bei der COVID-19 Erkrankung“ magazin 12/2020 | 5
Wirksamkeit und muskelassoziierte Nebenwirkungen von Statinen Statine sind Lipidsenker der ersten Wahl zur Prävention von kardiovaskulären Erkrankungen. Sie gehören zu den weltweit am häufigsten eingesetzten Medikamenten. Ihr therapeutischer Haupteffekt beruht auf der Hemmung des Leberenzyms HMGCR (HMG-CoA-Reduktase = Hydroxy-3-Methylglutaryl-Coenzym-A-Reduktase). Die dadurch verminderte endogene Cholesterinbiosynthese führt zu einer kompensatorisch vermehrten Expression von hepatischen LDL-Rezeptoren. Infolge dessen wird mehr LDL-Cholesterin gebunden, in die Zelle aufgenommen und die Menge des zirkulierenden LDL-Cholesterins sinkt. Dr. med. Antje Hohmann da Silva Eine Statin-Monotherapie erreicht, in Abhängigkeit weisen ein erhöhtes Risiko für eine statinassoziierte von der Wirkstärke, eine Senkung des LDL-Choleste- Myopathie auf. Eine molekulargenetische Risikoab- rins um bis zu 60 %. Triglyzeride werden um 10–20 % klärung kann insbesondere vor Beginn einer hoch- reduziert, HDL-Cholesterin gering erhöht und Lipo- dosierten Simvastatin-Therapie sinnvoll sein. Zudem protein (a) bleibt unbeeinflusst. stehen Genotyp-abhängige Dosierungsempfehlungen Trotz der generellen guten Verträglichkeit von hinsichtlich einer Dosisreduktion oder einer Alterna- Statinen zählen Myalgien zu den wichtigsten mus- tivmedikation zur Verfügung. kelassoziierten Nebenwirkungen (5–10 % der Patien- Die klinische Präsentation bei SAMS reicht von ten) und führen vielfach zum Absetzen der Medika- einer isolierten asymptomatischen CK-Erhöhung bis tion. Treten myalgische Beschwerden in zeitlichem hin zu Myalgie, Myopathie, Myonekrose und selten Zusammenhang mit dem Beginn einer Statinbehand- einer Rhabdomyolyse als schwerste Komplikation, bei lung (typischerweise innerhalb von 3 Monaten) auf der 10- bis 50-fache Erhöhungen der Creatinkinase und verschwinden nach Absetzen der Medikation (ty- (CK) gemessen werden und die Gefahr eines lebens- pischerweise innerhalb von 2 Wochen), so besteht der bedrohlichen akuten Nierenversagens besteht. Bei Pa- Verdacht auf statinassoziierte muskuläre Symptome tienten, die tolerierbare Muskelsymptome oder keine (SAMS). Etwa 0,1 % der Patienten sind von einer sta- Symptome und eine CK unter dem 10-fachen der obe- tinassoziierten Myopathie betroffen. Der pathophysio- ren Norm aufweisen, kann eine Statintherapie in glei- logische Mechanismus der Myotoxizität ist nicht ge- cher oder reduzierter Dosis unter Kontrollen fortge- nau geklärt, wobei u. a. die Erniedrigung von Coenzym führt werden. Q10 aufgrund seines gemeinsamen Synthesewegs mit Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) Cholesterin diskutiert wird. sieht zur Abklärung von Myalgien zunächst die Anam- Zu den Risikofaktoren für das Auftreten von nese, neurologische Untersuchung, laborchemische SAMS zählen eine hohe Statin-Dosis und verschie- Basisdiagnostik [großes Blutbild, CRP und Blutsen- dene konstitutionelle Faktoren, wie z. B. höheres Le- kung (BSG), CK, ggf. auch Myoglobin, Leberenzyme bensalter, weibliches Geschlecht, geringer BMI oder und Elektrolyte (Na, K, Ca)] sowie die Elektromyogra- Komorbiditäten wie Nierenfunktionsstörungen, Dia- phie (EMG) vor. betes mellitus oder Vitamin D-Mangel. Auch Kome- Von Laborseite erlaubt die CK-Bestimmung ei- dikationen können die Pharmakokinetik und demzu- nen einfachen und schnellen Überblick über das Aus- folge die Plasmakonzentration der Statine beeinflussen maß des Muskelfaseruntergangs, sie gibt aber keinen und das entsprechende Risiko erhöhen. Hinweis auf die zugrundeliegende Erkrankung. Die Das SLCO1B1-Gen kodiert für ein Transport- CK-Erhöhung sollte mindestens einmal bestätigt wer- protein, das auch an der Aufnahme von Statinen in den, wobei auf körperliche Schonung vor der Untersu- die Zelle beteiligt ist. SLCO1B1-Genpolymorphismen chung geachtet werden muss. Im Allgemeinen gilt die sind mit einer reduzierten Aktivität des Transporters Faustregel, dass eine mehr als 10-fache CK-Erhöhung assoziiert. Träger der wichtigsten Variante c.521T > C stark auf eine primär myogene Ursache hindeutet, bei 6 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
manchen Myopathien die CK jedoch auch unauffällig sein kann. Besteht differenzialdiagnostisch der Ver- dacht auf eine immunvermittelte Myopathie, wie z. B. Dermatomyositis, Polymyositis, Einschlusskörpermy- ositis (IBM), Overlap-Myositis oder Interstitielle My- ositis, so kann die Untersuchung von Myositis-spezifi- schen Autoantikörpern helfen, das Krankheitsbild näher zuzuordnen. Eine Sonderstellung bei statinassoziierter Myo- toxizität nimmt die immunvermittelte nekrotisierende Myopathie (IMNM) ein. Sie präsentiert sich klinisch mit einer sich langsam entwickelnden, symmetrischen, proximalen und beinbetonten Muskelschwäche und ist stark mit der Ausbildung von Autoantikörpern ge- gen HMG-CoA-Reduktase assoziiert. Auch wenn diese AAK als Biomarker der IMNM gelten, bleibt ihre genaue Pathogenese unklar. Dabei spielt das HLA-II-Allel DRB1*11:01 eine Rolle als Er- krankungs-Risikofaktor. Histologisch findet sich ein Mischbild aus nekrotisierender und in geringerem Maße entzündlicher Myopathie. Die CK ist in der Re- gel sehr stark erhöht und liegt bei 90 % der Patienten bei > 2000 IU/l. Trotz Absetzen des Statins kann es zu einer weiteren Progredienz der Beschwerden kommen. Schmerzen sind nicht obligat. Diese Form der Myopa- thie kann auch Jahre nach Exposition mit einem Sta- tin auftreten und bedarf einer immunsuppressiven/ -modulierenden Therapie. Auch Patienten ohne vorhe- rige Statinexposition entwickeln teilweise AAK gegen HMGCR. In diesem Fall sollte eine Tumorsuche erfol- gen. Möglicherweise ist auch eine autoimmune Trig- gerung über eine Diät mit statinhaltigen Nahrungs- mitteln (z. B. Austernseitlinge, Soja oder roter Reis), die vor allem in asiatischen Ländern verzehrt werden, möglich. Neben den AAK gegen HMG-CoA-Reduktase gibt es auch solche gegen das Signal Recognition Par- ticle (SRP), die sich allerdings eher bei IMNM-Formen ohne Statinkontakt nachweisen lassen. S Literatur: 1. Weingärtner O et al. Kommentar zu den Leitlinien (2019) der ESC/EAS zur Diagnostik und Therapie der Dyslipidämien. Kardiologe 2020 14:256–266 2. Schneider I, Zierz S. Statinassoziierte Muskelsymptome und Statinmyopathie. Neurologie up2date 2019; 2:71–86 3. Heuß D. S1-Leitlinie: Diagnostik und Differenzialdiagnose bei Myalgien. Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. DGNeurologie 3 2020 4. Clinical Pathway – Abklärung von Myalgien. DGN 2020 5. Ramsey LB et al. The Clinical Pharmacogenetics Implementation Consortium Guideline for SLCO1B1 and Simvastatin-Induced Myopathy: 2014 Update. Clin Pharmacol Ther. 2014 Oct; 96(4):423–8 magazin 12/2020 | 7
Erhöhte Pankreasenzyme ohne erkennbare Pankreaserkrankung Bestimmungsmethoden für die Serumamylase und -lipase stehen seit fast einem Jahrhundert zur Verfügung. Beide Enzyme sind für die differenzialdiagnostische Abklärung der Verdachtsdiagnose einer akuten Pankreatitis bzw. eines akuten Schubs einer chronischen Pankreatitis geeignet. Dr. med. Lars Templin Ein 3-fach erhöhter Enzymwert unterstützt eine solche Verdachtsdiagnose mit hoher Sicherheit, eine geringere Enzymerhöhung schließt sie aber keinesfalls aus. Der Schweregrad einer akuten Pankreatitis ist unabhängig von dem Ausmaß der Enzymerhöhung. Ein akuter, so- gar nekrotisierender Schub einer chronischen Pankrea- titis kann ohne jegliche Enzymerhöhung ablaufen. In einer prospektiven Untersuchung fanden sich Amylase- und/oder Lipaseerhöhungen bei 140 (8 %) von Insbesondere bei asymptomatischen Patienten 1.756 stationär aufgenommenen Patienten ohne zu- sollte auch der Nachweis bzw. Ausschluss einer Mak- nächst erkennbare Pankreaserkrankungen. Eingehende roamylasämie und Makrolipasämie z. B. mittels Gel- Untersuchungen bei 87 dieser 140 Patienten zeigten in chromatographie erfolgen. Bei 0,4 Prozent der Bevöl- 10 Fällen (11 %) Veränderungen, die keiner Therapie kerung bindet sich die Amylase oder Lipase an ein Ma- bedurften (bei 4 Patienten eine schmerzlose Pankreatitis kroglobulin der IgG- oder IgA-Gruppe. Folge dieser und bei 6 Patienten eine oder mehrere kleine Zysten). Komplexbildung ist, dass weder das Amylase- noch das Verschiedene Organe synthetisieren in unter- Lipasemolekül über den Urin ausgeschieden werden schiedlichem Maße die Amylase. Lipase wird außerhalb können. Eine Makroamylasämie findet sich bei rund der Bauchspeicheldrüse vor allem im Magenfundus syn- fünf Prozent aller asymptomatischen Patienten mit ei- thetisiert. Es gibt zahlreiche Erkrankungen pankreas- ner Hyperamylasämie. Im Unterschied zu einer Pank- naher und -ferner Organe, bei denen ein oder beide reatitis ist die Ausscheidung der Enzyme im Urin nor- Enzyme erhöht gefunden werden, ohne dass klinisch mal oder sogar erniedrigt. Letztlich sind Makroamy- eine Pankreaserkrankung vorliegt. lasämie und Makrolipasämie ohne Krankheitswert, so Hervorzuheben ist ebenfalls, dass die Referenz- dass keine weiterführende Diagnostik erforderlich ist. bereiche für beide Pankreasenzyme die Messwerte von Ist eine Makroamylasämie bzw. Makrolipasämie aus- 95 % der gesunden Bevölkerung umfassen. Die unse- geschlossen, sollte auch an eine familiäre idiopathische lektive Bestimmung der Amylase oder Lipase wird Hyperamylasämie/Hyperlipasämie gedacht werden. daher schon bei jeder 20. Person mit „gesundem“ Dabei handelt es sich um eine gutartige, vermutlich Pankreas einen „pathologisch“ erhöhten Wert zeigen. autosomal-dominant vererbte Anomalie, die klinisch Pankreatogene und nicht pankreatogene Ursachen vollkommen inapparent bleibt und deshalb weder ei- einer Hyperamylasämie und/oder Hyperlipasämie sind ner weiteren Diagnostik noch Therapie bedarf. sehr vielfältig und erfordern unterschiedliche Diagno- Zusammengefasst sollten Pankreasenzyme nur sestrategien (Sonographie, ggf. MRT). Die Ursachen bei klinischem Verdacht auf eine akute oder einen reichen von Pankreas-, Speicheldrüsen-, Magen-Darm-, akuten Schub einer chronischen Pankreatitis bestimmt Leber- und Gallenwegserkrankungen über gynäkologi- werden. Sie sind keinesfalls routinemäßig bei im Hin- sche Erkrankungen und Tumore bis hin zur diabeti- blick auf die Bauchspeicheldrüse asymptomatischen schen Ketoazidose. Patienten zu veranlassen. S Literatur (diese Seite) 1. Lankisch PG, Doobe C, Finger T et al. Hyperamylasaemia and/ Literatur (Seite 9) or hyperlipasaemia: incidence and underlying causes in hos- 1. Steinberg, Martin H. Disorders of hemoglobin: pitalized patients with non-pancreatic diseases. Scand J Gas- genetics, pathophysiology, and clinical management. troenterol 2009 2nd ed. Cambridge University Press, New York 2009 8 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Der besondere (Hämoglobinopathie-) Fall: Kombination aus α- und β-Strukturvariante Hämoglobin-Strukturvarianten werden überwiegend durch Veränderungen der β-Kette des Hämoglobins verursacht (z. B. HbS). Deutlicher seltener sind Strukturvarianten, bei denen die α-Kette eine veränderte Proteinsequenz aufweist. Aufgrund ihrer Seltenheit und ihrer häufig fehlenden klinischen Relevanz fristen α-Varianten ein Nischendasein. Nachfolgend stellen wir einen spannenden Fall vor, bei dem sowohl eine Variante der α- als auch der β-Kette vorliegt und so zu interessanten (labormedizinischen) Befunden führt. Dr. med. Lukas Wagner Parameter Pat. Ref.-Ber. HbA (α2β2) „Ich glaube, die Elpho ist kaputt!“, sagte die HbG (αG2β2) Leukozyten [G/l ] 3,9 3,6–10,2 MTLA scherzhaft, als sie die Kurve der Hb- Erythrozyten [T/l ] 5,3 (↑) 3,9–5,15 „HbGS“ (αG2βS2) HbS (α2βS2) Elektrophorese einer Patientin aus Nigeria Hämoglobin [g/dl ] 13,2 12,0–15,4 sah. In der Tat unterschied sich diese Kurve Hämatokrit [%] 39,4 35,5–45,0 deutlich von denjenigen, die wir sonst zu MCH [pg] 24,9 (↓) 27,0–33,5 Gesicht bekommen (Abb. 1). Auch in der MCHC [g/dl ] 33,5 31,5–36,0 „HbG2“ (α 2δ2) Wiederholung bestätigte sich der Befund. HbA2 (α2δ2) G MCV [fl ] 74,3 (↓) 80,0–99,0 Üblicherweise dominiert beim Erwach- RDW [%] 13,9 < 15 senen HbA mit > 95 % deutlich. Im vorlie- Thrombozyten [G/l ] 153 150–370 genden Fall zeigten sich neben HbA jedoch drei weitere Varianten, die in relevantem Abbildung 1: Hb-Elektrophorese der Patientin Tabelle 1: Blutbild der Patientin Maße vorlagen. Nebenbefundlich fielen zwei deutlich kleinere Fraktionen auf, von denen zwei gleichartigen, nicht-α-Ketten kombi- Hinzu kommen bei der Patientin die jewei- eine mit HbA2 vereinbar war. Wie aber nieren (siehe auch Labor 28-Magazin #63, ligen Zwillinge: HbG (αG2β2), „HbGS“ (αG2βS2) lassen sich die insgesamt sechs vorliegen- 06 /2020). Physiologischerweise finden sich und „HbG2“ (αG2δ2). den Fraktionen erklären? beim Erwachsenen HbA (α2β2), HbA2 (α2δ2) Unsere Verdachtsdiagnose einer Die mit Abstand häufigsten Struktur- und in Spuren HbF (α2γ2). Beim isolierten Kombination aus HbG und HbS konnte bei varianten sind durch veränderte β-Ketten Vorliegen einer β-Variante (βV) kommt nur unseren humangenetischen Kollegen im verursacht (β-Varianten), sodass sehr wahr- eine Fraktion hinzu (α2βV2). Da die α-Kette Labor Lademannbogen durch den jeweils scheinlich auch in diesem Fall eine β-Vari- an allen Hämoglobinen beteiligt ist, ent- heterozygoten Nachweis der Mutation ante vorlag. Und tatsächlich zeigte eine der steht bei Vorliegen einer α-Variante von c.207C > G (p.Asn69Lys, HbG Philadelphia) Fraktionen ein für HbS-typisches Wande- jeder Fraktion ein „Zwilling“ mit der je- am HBA-Lokus sowie der HBB-Mutation rungsverhalten. Da HbA nachweisbar war, weiligen α-Variante. Beim isolierten Vor- c.20A>T (p.Glu7Val, HbS-Allel) bestätigt konnte es sich nicht um eine Kombination liegen einer α-Variante (αV) entsteht daher werden. Nebenbefundlich zeigte sich die zweier β-Varianten handeln, sodass wir der HbA-Zwilling (αV2β2) und ein HbA2- Deletion –a3.7 heterozygot am HBA-Lokus, eine HbS-Heterozygotie vermuteten. Zwilling (αV2δ2). Letzteres erklärt die dia- die häufig mit HbG assoziiert ist und kli- Bei einer „reinen“ HbS-Heterozygo- gnostisch wichtige Spaltung des HbA2. Der nisch zu einer α-Thalassämia minima führt, tie zeigen sich insgesamt drei Fraktionen: HbF-Zwilling (αV2γ2) ist bei Erwachsenen was die bei der Patientin vorliegende Mik- HbA, HbS und HbA2 (sowie ggf. etwas HbF). üblicherweise zu gering, um erkannt zu rozytose und Hypochromasie mit reaktiver Ist es Zufall, dass wir doppelt so viele Frak- werden bzw. wird überlagert. Erythrozytose erklärt (Tab. 1). tionen bei der Patientin finden konnten? Bei der Patientin führt das kombinierte Das jeweils isolierte Vorliegen einer Wie so häufig, fand sich ein wichtiger Hin- Vorliegen von α- und β-Variante dazu, dass HbG- oder HbS-Heterozygotie ist ohne we- weis im „Kleingedruckten“ – eine Spaltung die drei, bei einer reinen HbS-Heterozygo- sentliche klinische Relevanz. Zum kombi- des HbA2 ist ein typischer Hinweis auf das tie vorliegenden, Fraktionen jeweils einen nierten Vorliegen finden sich in der Litera- Vorliegen einer Variante der α-Kette (α- Zwilling erhalten und insgesamt sechs Frak- tur u. a. aufgrund der Seltenheit lediglich Variante). Die Annahme eines kombinier- tionen nachgewiesen werden könnten. Aus Einzelfallberichte. Aus pathophysiologischen ten Vorliegens einer α- und eine β-Variante Gründen der (geographischen) Prävalenz Überlegungen und unter Berücksichtigung kann die vorliegende Kombination schlüs- und des Wanderungsverhaltens bestand der Klinik der Patientin (Blutbild, > 40 Jahre, sig erklären: Hämoglobine bestehen aus bei uns der Verdacht auf das Vorliegen der keine wesentlichen Symptome) ist erfreuli- Heterotetrameren. Jenseits der Embryo- α-Variante HbG (αG). Drei der Fraktionen cherweise nicht mit relevanten klinischen nalperiode bestehen die menschlichen Hä- konnten wir bei der Patientin bereits zuord- Folgen dieser komplexen Hämoglobino- moglobine aus zwei α-Ketten, die sich mit nen: HbA (α2β2), HbS (α2βS2) und HbA2 (α2δ2). pathie-Kombination zu rechnen. S magazin 12/2020 | 9
Diffuser Haarausfall und androgenetische Alopezie Wenn Menschen verstärkten Haarausfall haben, kann ein Leidensdruck entstehen und Ärzte werden nach diagnostischen Möglichkeiten zur Abklärung gefragt. Birgit Hollenhorst Laut Definition liegt ein verstärkter Haar- Die häufigste Form des Haarausfalls, keine erhöhten Serum-Androgenspiegel ge- ausfall dann vor, wenn täglich und regelmä- die androgenetische Alopezie (AGA), be- messen. Bei der androgenetischen Alopezie ßig deutlich mehr als 100 Haare ausfallen. ruht auf einer genetischen Veranlagung. reagieren oft einige Haarfollikel empfind- Dabei können auch die Jahreszeit und die Sie betrifft im Laufe des Lebens etwa jeden licher auf die Androgene. Als Ursache der Haarwaschgewohnheiten eine Rolle spielen. zweiten Mann (ab dem 70. Lebensjahr eher Überempfindlichkeit können Haarfollikel Im Spätsommer und Herbst verliert der 80 % der Männer) und ca. jede fünfte Frau. in genetisch prädisponierten Kopfhautare- Mensch die meisten Haare. Bei einer Haar- Die Veranlagung kann durch beide Eltern- alen z. B. eine erhöhte Anzahl an Rezepto- wäsche pro Woche gehen deutlich mehr teile vererbt werden. Aktuell geht man von ren (x-chromosomal vererbt, s. o.) für das Haare verloren als bei täglicher Haarwä- einem polygenen Erbgang aus. Das einzige hier wirksame Androgen Dihydrotestoste- sche. Daher sollte ggf. eine möglichst ob- Gen, das sicher an der AGA beteiligt ist, ist ron (DHT) haben. DHT wird am Haarfol- jektive Zählung der verlorenen Haare über das auf dem X-Chromosom gelegene And- likel durch das Enzym 5-alpha-Reduktase einen Zeitraum erfolgen. rogenrezeptor-Gen. Da jedoch der Beitrag aus Testosteron gebildet. Eine vermehrte Der aktive Vorgang des Haarausfalls der verschiedenen Genorte zur Entstehung Aktivität des Enzyms kann die Konzentra- wird als Effluvium capillorum bezeichnet. des Haarausfalls unterschiedlich ausgeprägt tion von DHT an den Haarfollikeln erhö- Sind die Haare bereits sichtbar ausgedünnt ist, ist eine routinemäßige genetische Ana- hen und so zu einer AGA führen. oder finden sich kahle Stellen auf der Kopf- lyse derzeit nicht praktikabel. Bei der Frau katalysiert das Enzym haut oder an anderen behaarten Körper- Das männliche Muster der andro- Aromatase die Umwandlung von Andro- stellen, spricht man von Alopezie. Zur Ab- genetischen Alopezie zeigt sich durch Bil- genen in Östrogene. Eine verminderte Ak- klärung des verstärkten Haarausfalls gehört dung von sogenannten Geheimratsecken tivität der Aromatase kann zu erhöhten die Anamnese, die den Beginn und Verlauf an der Stirn-Haar-Grenze sowie durch Androgen-Konzentrationen an den Haar- des Haarausfalls, die Frage nach Medika- lichte bis kahle Stellen am oberen Hinter- follikeln führen. Während und nach dem menten (viele gängige Medikamente kön- kopf (Tonsur) und ein mögliches Zusam- Klimakterium der Frau und bei genetischer nen als Nebenwirkung Haarausfall ver- menfließen bis hin zur Glatze. Oft bleibt Disposition kann ein Ungleichgewicht ursachen, z. B. Statine, ß-Blocker) inklu- am unteren Hinterkopf und über den Oh- zwischen den weiblichen und männlichen sive Beginn, Wechsel oder Unterbrechung ren ein Haarkranz erhalten. Das weibliche Geschlechtshormonen zugunsten der An- von oralen Kontrazeptiva bei der Frau und Muster zeigt dagegen dünne und weniger drogene zu einem androgenetischen Haar- schwere Erkrankungen bis zu einem Zeit- Haare im Mittelscheitelbereich, die Kopf- ausfall führen. raum von 4 bis 6 Monaten vor Beginn des haut schimmert hier durch, die Haarlinie Zur Laboranalytik eignet sich neben Haarausfalls umfassen sollte. Fragen zu Er- an der Stirn bleibt meist erhalten. Mit der der Basisdiagnostik zum diffusen Haaraus- nährungsgewohnheiten (bspw. extreme Zunahme des Haarausfalls bei Frauen fal- fall (TSH, Ferritin, CRP, Selen, Zink, Bio- Diäten) sowie bei der Frau zu einer kürzli- len die Haare entlang des Mittelscheitels tin, HbA1c, ANA, ggf. 25-OH-Vitamin D, chen Geburt oder Zyklusunregelmäßigkei- vermehrt aus und eine Dreiecksform zur Folsäure und Vitamin B12) bei der Frau ten können bei der Abklärung helfen. Stirn hin verbreitert kann entstehen. Ins- zum Ausschluss einer Hyperandrogenämie Die Inspektion der Haare kann typi- gesamt verkürzt sich bei der androgeneti- die Bestimmung der Androgene zum Zyk- sche Verteilungsmuster des Haarausfalls schen Alopezie die Wachstumsphase der lusbeginn (Testosteron mit SHBG (zur Be- zeigen und zwischen vernarbender oder Haare, die Haare werden dünner (Miniatu- rechnung des freien Testosterons), DHT, nicht-vernarbender Alopezie unterschei- risierung der Haarfollikel) und fallen eher DHEA-S, Androstendion) sowie die Be- den. Das Trichogramm als standardisierte aus. Je später der Haarausfall einsetzt, desto stimmung von 17-OH-Progesteron (V.a. Untersuchung von 50 bis 100 ausgezupf- langsamer verläuft er in der Regel. Androgenitales Syndrom, ggf. genetische ten Haaren aus in der Regel zwei Kopfhaar- Hyperandrogenämie kann eine Ursa- Analyse) und Oestradiol sowie FSH (V.a. regionen erweitert die Diagnostik. che der AGA sein. Häufig werden jedoch Östrogendefizit, Klimakterium). S Literatur 1. Wolff H. Diagnostik und Therapie von Effluvium und Alopezie, MMW-Fortschr.Med.Nr.3/2013 (155. Jg.) 53–58 2. Lutz G. Alopecia androgenetica der Frau. Ästhetische Dermatologie & Kosmetologie 05; 2018, 32–44 10 | medizinisches versorgungszentrum labor 28
Neuroborreliose CXCL13-Bestimmung im Liquor – Biomarker bei früher Neuroborreliose Die frühe Neuroborreliose ist nach dem Erythema migrans die zweithäufigste Manifestation einer Borrelieninfektion (Erythema migrans 95,4 %, frühe Neuroborreliose 3,3 % der Fälle). Sie führt meist zu einer Meningoradikulitis (Garin-Bujadoux-Bannwarth-Syndrom). Dr. med. Antje-Beate Molz Die radikulären, oft nächtlich verstärkten Schmerzen borrelienspezifische Antikörper frei mit der Konse- treten im Schnitt 4–6 (1–18) Wochen nach dem Zecken- quenz eines erhöhten AI. Das heißt, erhöhte CXCL13- stich bzw. dem Erythema migrans auf und werden Konzentrationen sind im Liquor schon vor der Pleo- nicht selten von neurologischen Ausfällen wie Paresen zytose und der intrathekalen Antikörpersynthese de- und Sensibilitätsstörungen begleitet. Hirnnervenaus- tektierbar. Die Sensitivität liegt bei 100 % im Vergleich fälle finden sich bei ca. 60 % der Patienten mit akuter zu 89 % bei Vorliegen einer Pleozytose mit erhöhtem Neuroborreliose. Borrelien-AI. Der negative prädiktive Wert beträgt Die Labordiagnose erfolgt durch parallele Unter- 100 %, d. h. eine nicht erhöhte CXCL13-Konzentra- suchung von Liquor und Serum. Eine alleinige Serum- tion schließt eine Neuroborreliose aus! untersuchung ist bei Verdacht auf Neuroborreliose Erhöhte CXCL13-Konzentrationen im Liquor nicht ausreichend und kann initial sogar noch unauf- werden auch bei anderen ZNS-Erkrankungen gefun- fällig sein. Typische Liquorbefunde sind: den (Neurolues, ZNS-Lymphome, tuberkulöse Me- ningitis, HIV-Meningitis, Kryptokokkenmeningitis), Lymphozytäre Pleozytose mit reaktiven B-Lympho- hier meist in nicht so hoher Konzentration. Diese Er- zyten krankungen sind jedoch sehr selten und gehören nicht Erhöhung des Gesamteiweißes und des Albumins zu den typischen Differenzialdiagnosen einer Neuro- im Liquor (Schrankenstörung) borreliose. Die Spezifität von CXCL13 liegt daher bei Intrathekale Immunglobulinsynthese: IgM findet 99 %. Zudem kann CXCL13 zur Verlaufskontrolle nach sich bei früher Manifestation in über 80 % der Fälle, Therapie verwendet werden, da die Konzentration un- IgG in ca. 60 %. Intrathekales IgA findet sich selte- ter suffizienter Antibiotikatherapie rasch abfällt (im ner und eher bei später Neuroborreliose Gegensatz zum AI). Das bedeutet aber auch, dass die Nachweis einer borrelienspezifischen intrathekalen Sensitivität bei antibiotisch vorbehandelten Patienten Antikörpersynthese (erhöhter Antikörperindex [AI]) deutlich abnimmt! CXCL13-Bestimmungen aus dem Eine akute Neuroborreliose gilt als gesichert, peripheren Blut sind nicht sinnvoll. wenn neben den typischen Symptomen eine lympho- zytäre Pleozytose zusammen mit einem erhöhten bor- Fazit: Die Bestimmung von CXCL13 im Liquor unbe- relienspezifischen Antikörper-Index gefunden wird. handelter Patienten mit V. a. akute Neuroborreliose ist Bei früh eingeleiteter Diagnostik kann es jedoch vor- ratsam kommen, dass noch keine Antikörper nachweisbar bei typischer Klinik aber fehlender Pleozytose und/ sind. Zudem gibt es auch sehr selten Fälle mit initial oder unauffälligem Antikörperindex noch unauffälliger Liquor-Zellzahl. Auch bleibt ein er- bei atypischen Symptomen aber erhöhtem Antikör- höhter Antikörperindex oft über Jahre bestehen und perindex (DD „Liquornarbe“ bei Zustand nach Neu- beweist alleine noch keine akute Neuroborreliose. roborreliose) Das Chemokin CXCL13 ist hier als ergänzender zum sicheren Ausschluss einer Neuroborreliose Biomarker sehr hilfreich. Es wird von Monozyten se- zur Therapieverlaufsbeurteilung zerniert, sobald diese mit Oberflächenproteinen von Borrelia burgdorferi interagieren, und lockt B-Lympho- Es muss bedacht werden, dass CXCL13 auch bei ande- zyten an. Nach Reifung zu Plasmazellen setzen diese ren ZNS-Erkrankungen nachweisbar sein kann. S Literatur 1. Rauer S, Kastenbauer S et al. Neuroborreliose. S3-Leitlinie, 2018; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. Online: www.dgn.org/leitlinien 2. Rupprecht TA, Lechner C, Tumani H, Fingerle V. CXCL13 als Biomarker der akuten Neuroborreliose. Überprüfung des prädiktiven Wertes in der klinischen Routine. Nervenarzt 2014, 85:459–464 magazin 12/2020 | 11
Das Labor 28-Magazin ist eine Publikation der Labor 28 Management GmbH Mecklenburgische Str. 28 14197 Berlin Tel.: 030 82093-330 Fax: 030 82093-301 info@labor28.de www.labor28.de Verantwortlich für den Inhalt: Dr. med. Michael Müller (Geschäftsführer) Ausgabe: Dezember 2020 Gedruckt auf 100 % Altpapier aus verantwortungsvoller Waldwirtschaft
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