Die große gier Für Rohstoffe müssen Menschen weichen - Adoptiert: So nah, so fremd - AK-Rohstoffe
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Bulletin der Christlichen Initiative Romero 3/2010 Bulletin der Christlichen Initiative Romero 4 | 2005 El salvador Adoptiert: So nah, so fremd Die große Gier Für Rohstoffe müssen Menschen weichen
EDITORIAL Liebe Leserinnen, liebe Leser, liebe Freundinnen und Freunde! E s war für uns ein ereignisreicher Zürich mit einem Arbeitsschwerpunkt Sommer. Und das nicht nur, weil auf Unternehmensverantwortung in der unsere Kampagne zu Arbeitsbe- Bekleidungsindustrie, wollte nicht von dingungen in der Produktion von Out- Weltrettung sprechen, machte aber deut- door-Bekleidung wochenlang für Schlag- lich, dass der Kauf sozial und ökologisch zeilen gesorgt hat. Parallel zur Berlin Fa- nachhaltiger Textilien ein Beitrag zur shion Week fand im Juli die internatio- Verbesserung der Lebensbedingungen nale Modemesse thekey.to statt. Die von Menschen weltweit sei. Christliche Initiative Romero war Spon- Deutlich wurde nicht zuletzt aber sorin des dreitätigen Ereignisses zu As- auch, dass bewussteres Konsumverhal- pekten grüner Mode, nachhaltigen Life- ten allein nicht ausreicht. Besonders styles und alternativer Kultur. Stermanns betonte, dass Konsumen- Auf dem abwechslungsreichen Pro- tInnen politisch aktiver sein und ihre gramm der thekey.to standen unter an- Macht gezielt nutzen sollten, um Druck derem eine Modenschau, auf der zahl- auf Firmen auszuüben – gleichsam als reiche namhafte DesignerInnen der Bestätigung dessen, was wir in der Aus- ökologischen Modewelt vertreten wa- gabe 1/2010 von presente zum Thema ren, aber auch eine Podiumsdiskussion „Ethischer Konsum“ geschrieben hat- mit dem provokativen Titel „Mit grüner ten. Mode retten wir die Welt“. Das Sympo- Die aktuelle Ausgabe von presente rückt sium wurde gemeinsam von thekey.to die Rohstoffstrategien Deutschlands und und der Christlichen Initiative Romero Europas in den Mittelpunkt – und zeigt veranstaltet. auf, welche Konsequenzen diese Politik Die Leitfrage, ob man mit grüner für die Länder Mittelamerikas hat. Da- Mode die Welt retten könne, sorgte im von, dass es höchste Zeit für eine alter- Publikum für gespanntes Zuhören. native Rohstoffstrategie von unten sei, Während Philipp Gloeckler, Geschäfts- schreibt hierbei unser Gastautor Peter führer eines Online-Marktplatzes für Fuchs im Eröffnungsbeitrag. Die verhee- nachhaltige Produkte, sie mit einem renden Folgen der offiziellen Ressour- klaren Nein beantwortete, stellte Robert cenpolitik, aufgefächert in den Folgetex- Hertel, Geschäftsführer des Hanftextili- ten, geben ihm nur allzu recht. enherstellers HempAge, fest, dass grüne Mode durch das Vermeiden von Pesti- Eine anregende Lektüre wünscht ziden sogar Menschenleben rette. Mark Stermanns, Dozent an der Universität Ihr CIR-Team 2 Presente september 2010
INHALT Thema 25 Albrecht Schwarzkopf 4 4 Peter Fuchs Quelle des Geldes – und Globaler Wettlauf des Streits Die Rohstoffstrategie Deutsch- Wo Öl sprudelt, hat es die Ökolo- lands und der EU gie nicht leicht: Über die Konzes- 8 Alexander Debusman sionsverlängerung eines Ölfeldes im Nationalpark Laguna del Tigre des lebens nicht sicher Bergbau in Mexiko: Die üblen Machenschaften von Fortuna Infodienst Silver 27 Sandra Dusch Silva Die toten klagen an 11 Ulf Baumgärtner Der Elektronikriese Foxconn, ein 8 Land des Goldes Zur Kasse bitte: El Salvador wird Partner der Metro-Gruppe, tritt von einem kanadischen Minenun- Arbeitsrechte mit Füßen ternehmen verklagt 29 Johanna Fincke 15 Albrecht Schwarzkopf Schweigen im Ein täuschendes Metall Beschaffungswald Gold weckt die Gier: Im Hochland Der Wille ist da, aber an der Um- Guatemalas wird Gold abgebaut. setzung hapert es. Eine Umfrage Auf Kosten Indigener. hat ergeben: Faire Beschaffung steht oft nur auf dem Papier. Mittelamerika Über uns 11 20 Thomas Krämer-Broscheit 33 Dr. Thomas Bröcheler neues leben Finanzbericht 2009 Es geht auch anders: Selbstbe- Die Christliche Initiative Romero stimmt arbeiten in Nicaragua in Zahlen 22 André Hagel weil vieles noch so Rubriken schwer wiegt Jordan Anderson lernt seine Mut- 34 über uns 22 ter kennen. Nach 21 Jahren. 35 Bestellschein Herausgeberin: Beirat: Christliche Initiative Johann Baptist Metz, Impressum Romero (CIR) Helmut Frenz, Breul 23 Norbert Greinacher D-48143 Münster Druck: Kleyer-Druck, Tel.: 02 51-89 503 September 2010 Fax: 02 51-82 541 Layout: Johanna Fincke cir@ci-romero.de Titelbild: Bernd 25 www.ci-romero.de Eidenmüller / FIAN Redaktion: Jolanta Cabanski, Thomas Krämer-Broscheit, Johanna Fincke, Albrecht Spenden an die CIR Schwarzkopf, Maik Pflaum, Konto 3 11 22 00 Sandra Dusch Silva, André DKM Darlehnskasse Münster Hagel (V.i.S.d.P.), Kirsten Clodi- BLZ 400 602 65 us, Thomas Adisorn, Joana Eink IBAN DE67 4006 0265 0003 1122 00 Presente September 2010 3
thema Rohstoffe Globaler Wettlauf Das Thema Ressourcen steht auf der politischen Agenda ganz oben. Wie sehen die Rohstoffstrategien Deutschlands und der EU aus? Welche Ziele werden angestrebt? Und was bedeutet dies für Mittela- merika? Text: Peter Fuchs R ohstoffe sind wieder begehrt. Plötz- des Reiches der Mitte rufen auch hier- lich scheinen sie nicht mehr un- zulande IndustrievertreterInnen nach endlich und billig. Sondern knapp, mehr staatlicher Rohstoffpolitik. Bun- teuer und umkämpft. BörsianerInnen deskanzlerin Angela Merkel (CDU) und starten Rallyes auf Gold, Weizen, Uran Wirtschaftsminister Rainer Brüderle oder seltene Metalle. Medien berichten (FDP) unterstreichen immer wieder ihre von Lithium-Funden in Bolivien oder über rohstoffpolitische Unterstützung der In- wiedergefundene US-Verzeichnisse zum dustriewünsche. Und sie drängen auf Fotos: Alberto Gonzales/ Flickr.com, Alberto Quiñones/ Flickr.com Rohstoffreichtum Afghanistans. Und im- EU-Ebene zu einem gemeinsamen roh- stoffpolitischen Vorgehen. Auch in der entwick- lungspolitischen Szene rückt das Thema wieder nach oben. Im Herbst dieses Jahres wollen deutsche Nicht- m e r regierungsorganisationen w i e d e r erstmals gemeinsame Eckpunkte „Nein zum taucht als einer alternativen Rohstoffstrate- Bergbau“: S c h lü s s e l - gie vorstellen. Zu Recht! An vielen Protest gegen land des Orten der Welt, dort wo der Roh- Konzernvor- derzeitigen stoffabbau stattfindet, ist die enorme haben We t t l au f e s Bedeutung des Themas sowieso nie um Rohstoffe vergessen worden. Hier ist die soziale, eine große, meist ökologische und ökonomische Brisanz sehr bedrohlich der Ressourcenwirtschaft alltägliche dargestellte Macht Realität. Denn allzu häufig bringt der auf: China. Rohstoffsektor den Menschen vor Ort Angesichts der erbärmliche Arbeitsbedingungen, Ar- entschlossenen mut, Vertreibung, Krankheit, Konflikte Ressourcenpolitik – bisweilen sogar den Tod. Nur wenige, 4 Presente September 2010
Rohstoffe Thema meist noch weit entfernt beheimatete wichtiger Rohstoffexporteur. Dage- Der Goldrausch hat multinationale Unternehmen werden gen ist Deutschland als rohstoffarmes Geschichte: Mine reich. Die GigantInnen unter den Roh- Land und High-Tech-Standort stark in Mexiko stoffkonzernen kommen dabei nicht von Importen abhängig, nicht nur bei aus Deutschland – sie sind eher aus Energierohstoffen, sondern auch bei England, Australien, Kanada, Brasilien, nichtenergetischen Rohstoffen wie Me- den USA, der Schweiz, Russland oder tallen. (…) In Lateinamerika finden sich eben China. große Vorkommen an mineralischen Rohstoffen wie Eisen, Kupfer, Zinn Die Suche nach Rohstoffen und Lithium. So sind Chile und Peru Wie aber sehen vor diesem Hinter- die weltweit größten Produzenten von grund die Rohstoffstrategien Deutsch- Kupfer. Knapp 60 Prozent der weltwei- lands und der Europäischen Union aus? ten Produktion von Lithium, das für die Welche Ziele werden angestrebt? Wel- Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus che Akteure prägen die Agenda? Und zum Beispiel für Elektroautos wichtig was bedeutet dies für die Beziehungen ist, kommt aus Lateinamerika. (…) Zu- zu Latein- und Mittelamerika? dem wird die Rolle Lateinamerikas bei Die Bundesregierung hat ihren der Versorgung der Weltmärkte mit Ansatz im August 2010 bei der Vor- Erdöl und Erdgas weiter zunehmen. (…) stellung einer Konzeption für Latein- Die Sicherung der Rohstoffversorgung amerika und die Karibik in folgende liegt in Deutschland ebenso wie in den Worte gefasst: „Lateinamerika ist ein anderen europäischen Industrieländern Presente September 2010 5
thema Rohstoffe Entwicklungsländern zu bekämpfen. Im Kern aber geht es der deutschen Außenwirtschaftspolitik um Freihandel mit Rohstoffen und um das Wiederein- treten deutscher InvestorInnen in die Ressourcengewinnung. Verbindliche Vorgaben für Rohstoff- konzerne hinsichtlich der sozialen, menschen- und arbeitsrechtlichen, ökologischen und ökonomischen Di- mension ihres Agierens haben dabei genauso wenig Platz wie der jüngst vorgetragene, von Wirtschaftsminister Brüderle aber gleich scharf zurückge- wiesene EU-Vorschlag zur Einführung einer Rohstoffsteuer. Der Überkonsum und ungerechte, weil nicht globalisier- bare Ressourcenhunger Europas wird „Sehr gut, mein primär in der Eigenverantwortung der kein bisschen in Frage gestellt. Lieber. Und wo Privatwirtschaft. Die Bundesregierung investierenen wir fördert die Industrie bei ihrem Enga- Der BDI mischt mit nun?“: Karikatur gement in Lateinamerika durch breite Dem Bundesverband der Deutschen von Amigos de Unterstützung und Flankierung im Industrie (BDI) wurde auf dessen Roh- Tierra, Mexiko Rahmen der Außenwirtschaftspolitik.“ stoffkongressen 2005 und 2007 von Die Bundesregierung, heißt es in dem Kanzlerin Merkel die enge Zusammen- Papier weiter, „begleitet konkrete Vor- arbeit zugesichert. Gemeinsam wurde haben der Industrie beim Zugang zu bis 2007 das Papier „Elemente einer Rohstoffen in Lateinamerika und leistet deutschen Rohstoffstrategie“ erarbei- – soweit möglich – einzelfallbezogene tet. Für dessen praktische Umsetzung Unterstützung“. Auch setze sie sich „für wurde unter anderem der Interministe- den Abbau von Barrieren beim Zugang rielle Ausschuss Rohstoffe unter Feder- zu Rohstoffen ein, um funktionierende führung des Bundeswirtschaftsministe- Märkte und Wettbewerb zu garantie- riums eingerichtet, an dem auch der ren“. Als Beispiele für solche Barrieren BDI regelmäßig mitwirkt. Im Herbst sieht die schwarz-gelbe Regierung „auf 2010 soll auf einem Kongress der Indus- Seiten Lateinamerikas Exportsteuern, trie die weiter ausgearbeitete deutsche auf Seiten der EU hohe Außenzölle für Rohstoffstrategie vorgestellt werden. nachwachsende Rohstoffe“. Bei all dem gilt: Eine aktive Beteiligung Zwar spricht die Regierung zudem von Nichtregierungsorganisationen von der Umweltverträglichkeit und wird vom Wirtschaftsministerium und Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung der Wirtschaft entschieden abgelehnt. und unterstützt die Extractive Indus- Schließlich, so die Begründung, gehe tries Transparency Initiative (EITI). es um Industriepolitik. Letztere wurde 2003 auf dem G8-Gipfel Nicht anders das Bild auf Europae- in Évian-les-Bains ins Leben gerufen, bene: EU-Vizepräsident Günter Ver- um die Korruption in rohstoffreichen heugen (SPD) stellte im November 6 Presente September 2010
Rohstoffe Thema Die Kehrseite des Goldes: Anti-Mi- nen-Plakat aus Costa Rica zum EU-Mittelamerika-Ab- kommen im Mai dieses Jah- res berichtete die europäische Generaldirektion Handel in ihrem jüngsten Fortschrittsbe- richt zur Umsetzung der EU- Rohstoffstrategie dann auch zufrieden, das Abkommen ent- halte „ein generelles Verbot von Exportsteuern“; nur bei einigen Agrarexportsteuern Guatema- las und Costa Ricas seien noch Übergangsfristen eingeräumt worden. Freihandelsstrategien Fazit: Der Wettlauf der groß- 2008 die Raw-Materials-Strategie der en Volkswirtschaften um Ressourcen ver- EU vor, die ebenfalls den „diskriminie- schärft sich. Deutschland und die Euro- rungsfreien Zugang zu Rohstoffen auf päische Union haben zusammen mit der dem Weltmarkt“ – sprich: Freihandel mit Wirtschaft Rohstoffstrategien entwickelt Ressourcen – als einen wichtigen Grund- und drängen außenwirtschaftspolitisch pfeiler nennt. Zuvor hatte bereits 2006 – auch gegenüber Mittelamerika – auf die Bundesregierung eine stärkere Be- immer mehr Freihandel mit Ressourcen. rücksichtigung industrieller Rohstoffinte- Wirkliche zivilgesellschaftliche oder par- ressen im Rahmen der handelspolitischen lamentarische Beteiligung findet nicht EU-Strategie „Global Europe“ durchge- statt. Entwicklungspolitische, menschen- setzt. Diese wird bis Ende 2010 überarbei- und arbeitsrechtliche, soziale sowie öko- tet, und dem Vernehmen nach wird gera- logische Interessen bleiben marginal. de auch der Ressourcenaspekt nun noch Höchste Zeit also für eine alternative höher gewichtet werden als bisher. Rohstoffstrategie von unten. Ein zentrales Instrument zur Durch- setzung europäischer Rohstoffinteressen Peter Fuchs ist Vorstand von PowerShift. sind dabei die neuen bilateralen Freihan- Die Organisation setzt sich für eine öko- delsabkommen. Mit diesen versucht die logisch-solidarische Energie- und Welt- wirtschaft ein. Infos hierzu gibt es unter EU weitreichende „WTO plus“-Ergebnisse www.power-shift.de. Das in dem Beitrag etwa mit Korea, Indien, Peru, Kolumbien angeführte Regierungspapier findet sich und auch Mittelamerika festzuschreiben. unter www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/ Über den Abschluss der Verhandlungen Infoservice/Broschueren/LAK-Konzept.pdf. Presente September 2010 7
thema Rohstoffe Des Lebens nicht sicher Im mexikanischen Oaxaca spaltet ein Goldbergbau-Vorhaben eine Gemeinde. GegnerInnen des Projektes geraten unter Druck – und in Lebensgefahr. So auch katholische Befreiungstheologen, die sich auf die Seite der Betroffenen gestellt haben. Text: Alexander Debusman Dass im Kampf um Minenprojekte Men- projekte und im Kampf für die Rechte Indigener schenleben mitunter wenig gelten, ist seit dem einen Namen gemacht. Das Menschenrechts- vergangenen Sommer aus El Salvador nur allzu zentrum Bartolomé Carrasco Briseño (BARC) Fotos: soupshow, Indymedia Chiapas, Revoluciona bekannt. Doch auch andern- fürchtet um ihre Sicherheit. orts ist es gefährlich, gegen Tag und Nacht bebte Die Tortur von Padre Martín Octa- entsprechende Vorhaben Stel- der Boden, in den vio García Ortiz nahm hierbei am 19. lung zu beziehen: Im Konflikt Häusern enststanden Juni dieses Jahres in dem Dorf San zwischen multinationalen Risse, Brunnen José del Progreso ihren Anfang, als Bergbaukonzernen und der versiegten. er entführt und misshandelt wurde. indigenen Bevölkerung im Stunden zuvor waren in der Nähe mexikanischen Oaxaca, welcher sich an dem in des Ortes bei einem Zusammenstoß zwischen der Region geplanten Goldbergbau entzündet BefürworterInnen und GegnerInnen der ka- hat, sind zwei katholische Befreiungstheologen nadischen Goldmine Fortuna Silver/Cuscatlán ins Kreuzfeuer geraten. In dem südlichen me- zwei Personen getötet und mehrere verletzt xikanischen Bundesstaat veranstalten die Berg- worden. Der Bürgermeister Oscar Venancio baulobby und Mitglieder der ausgehenden Re- Martínez Rivera und sein Mitarbeiter Félix Mi- gierung von Gouverneur Ulises Ruiz mit Hilfe sael Hernández, die beide für das Minenunter- der von ihnen kontrollierten Medien eine Hetz- nehmen arbeiteten, waren erschossen worden, jagd auf die beiden Pastoren Martín Octavio als Einheimische versuchten, den Abtransport García Ortiz und Wilfrido Mayrén Peláez. Die von Kies für den Ausbau einer Straße zu verhin- beiden haben sich im Widerstand gegen Minen- dern. Zwei Stunden später wurde Padre Martín 8 Presente September 2010
Die Bevölkerung Oaxacas protestiert: LehrerInnen für die Freilas- sung politischer Gefangener, Bauern mit Macheten gegen das Mi- nenunternehmen Fortuna Silver. Der mexikanische Staat reagiert mit Spaltung und Repression. auf seinem Weg zur Messe von Leuten aus der inhaberInnen Land abgekauft und sich so für 30 Gruppe um den Bürgermeister gekidnappt, Jahre die Nutzungsrechte für 200 Hektar Land brutal geschlagen und bis in die Nacht hinein gesichert. Die Rechtmäßigkeit ist äußerst zwei- misshandelt. felhaft, da die Gemeindeversammlung einer Privatisierung ihrer kommunalen Besitztümer Parteiliche Polizei nie zugestimmt hat und die einzelnen Parzellen Die Staatspolizei erreichte am Abend den Ort daher noch unveräußerliches Gemeindeland San José und fahndete nach den an der Schieße- darstellen. 2008 wurde die Mine von dem in rei Beteiligten. Dabei wurde Padre Martín zwar Vancouver ansässigen multinationalen Konzern gefunden – aber nicht etwa befreit, sondern zu- Fortuna Silver aufgekauft, der seither aggressiv sammen mit neun weiteren MinengegnerInnen die Vorbereitungen für den Mitte nächsten Jah- festgenommen und nach Oaxaca gebracht. res vorgesehenen Goldabbau vorantreibt. Das Nach 12 Tagen Haft wurde er auf Druck des Management des Konzerns, der auch an der Menschenrechtszentrums BARC freigelassen. Frankfurter Börse notiert ist und einen bedeu- Der Widerstand gegen die 50 Kilometer tenden Anteil deutscher InvestorInnen hat, ist südlich von Oaxaca-Stadt gelegene Gold- und fest in den Händen der kanadisch-peruanischen Silbermine begann vor zwei Jahren, als die Ex- Oligarchenfamilie Ganoza-Durant. plosionen unterirdischer Sprengarbeiten die Be- wohnerInnen der umliegenden zapotekischen Blockade mit Gewalt geräumt Gemeinden aus dem Schlaf rissen. Tag und Alarmiert wegen der drohenden Vergiftung Nacht bebte der Boden, in den Häusern ent- ihres Grundwassers durch die geplante Gold- standen Risse, Brunnen versiegten. Mit Hilfe gewinnung, besetzten im März 2009 rund 100 eines bestehenden Netzwerks um Padre Martín Familien aus den umliegenden Gemeinden begannen sich die Betroffenen zu organisieren. die Mine und legten für knapp zwei Monate Bereits 2005 hatte das kanadische Bergbau- die Spreng- und Bohrarbeiten lahm. Zwei Mo- unternehmen Continuum Resources in San nate später räumten 1000 PolizistInnen unter José del Progreso Bodenproben vorgenommen, Schlagstockeinsatz die Blockaden der Besetze- Schürferlaubnisse beantragt, einigen Parzellen- rInnen. Presente September 2010 9
thema Rohstoffe Inzwischen gelang es der Minengesellschaft mit Hilfe von Repression, Bestechungsgeldern und einer Reihe von absurden Arbeitsbeschaf- fungsmaßnahmen, ein Drittel der Bewohne- rInnen San Josés auf ihre Seite zu bekommen und die Gemeinde zu spalten. In den vergangenen Monaten spitzten sich die Ereignisse zu. Der mexikanische Präsident Calderón reiste im Mai dieses Jahres nach Kanada und versicherte dort den VertreterInnen von In- dustrie und Regierung, dass er für die in Mexiko getätigten Investitionen im Bergbausektor garan- ür ein Land tiere. Nach seiner Rückkehr kam es an mehreren n g f nu mexikanischen Minenstandorten zur Eskalation s Hoff atisierte leuchtetdor von Konflikten. Auch in San José del Progreso e traum agung b El Salva gab es vermehrt Auseinandersetzungen, bis hin stt für zu jenen Ereignissen vom 19. Juni. Herbpektiven Fortuna Silver profitiert Pers Von der Eskalation im Tal von Ocotlán profi- tiert der multinationale Minenkonzern Fortuna El Salvador zählt zu den gewalttätigsten Silver am meisten, denn eine durch Konflikte ge- Ländern der Erde. Welche Handlungs- spaltene Bevölkerung leistet weniger Widerstand. räume hat die linke Regierung Funes im Am 4. Juli wäre eigentlich der Bürgermeister von Kampf gegen Gewalt, Korruption und San José durch Neuwahl ausgetauscht worden, Armut? Wo sieht die salvadorianische was die Situation voraussichtlich erst einmal Zivilgesellschaft Wege aus der Gewalt- entschärft hätte. Aufgrund des Konflikts wurden spirale? die Kommunalwahlen für diesen Distrikt aber bis auf weiteres abgesagt. Stattdessen wird wohl Hierum dreht sich am 2. und 3. Oktober noch ein vom derzeitigen Gouverneur Ulises die Herbsttagung der Christlichen Initiati- Ruiz ernannter Verwalter eingesetzt werden. Die ve Romero in Kooperation mit der Akade- Staatspolizei patrouilliert in den Straßen von San mie Franz-Hitze-Haus in Münster. Unter José und in den Gemeinden der Umgebung. Padre Martín, der regelmäßig anonyme Mord- dem Motto „El Salvador zwischen Auf- drohungen erhält, seit er die MinengegnerInnen bruch und Gewalt – 30 Jahre nach der Er- in San José zu unterstützen begann, ist aufgrund mordung von Erzbischof Romero“ be- der akuten Gefährdung nicht wieder in seine Ge- leuchten ReferentInnen aus Deutschland meinde zurückgekehrt. Er lebt seither im Exil. und El Salvador die Situation in dem mit- telamerikanischen Land. Hierbei schlagen sie eine Brücke zu Oscar Romero, der wei- Alexander Debusman ist freier Journalist. Er terhin die Hoffnung auf eine bessere Zu- hält sich derzeit in Mexiko auf. Der hier ge- kunft des traumatisierten Landes symbo- kürzt wiedergegebene Beitrag ist vollständig lisiert. in dem Lateinamerika-Nachrichtendienst poo- nal erschienen (www.npla.de/de/poonal/2959- Das Programm ist im CIR-Büro erhältlich. konflikt-um-goldmine-muendet-in-hetzjagd- Hier ist auch eine Anmeldung möglich. auf-befreiungstheologen). 10 Presente September 2010
Rohstoffe Thema Land des Goldes Umweltzerstö- rung, soweit das Auge reicht: Mi- In El Salvador sorgen Minenprojekte für Proteste. Auch der Staat nen in Zentrala- selbst wehrt sich gegen ausländische Konzerne, die vor internatio- merika nale Gerichte ziehen, wenn man sich ihrer Zudringlichkeit nicht willfährig unterwirft. Text: Ulf Baumgärtner W er von der Schmuckstadt der vom mexikanischen Bundesstaat Santa Rosa de Lima, dem San Luis Potosí bis nach Panama reicht. ostsalvadorianischen Pforz- Allein im kleinen salvadorianischen heim, nach Norden fährt, stößt irgend- Abschnitt dieser mesoamerikanischen wann auf eine riesige Kirche auf freiem Ader wurden vor allem von 1999 bis Gelände – die „Goldkirche“ von Copetil- 2004 unter der ARENA-Regierung Fotos: André Hagel, james Rodriguez los. Der Beiname von Santa Rosa, die Francisco Flores’ 29 Explorationskon- Kirche und Menschen, die auf der Su- zessionen vergeben. Als der Goldpreis che nach Resten des Edelmetalls unter zu Beginn des neuen Jahrtausends Lebensgefahr in die alten Stollen krie- wieder anzog – seit 2001 hat er sich fast chen, legen Zeugnis ab vom histo- verdreifacht –, aktivierten die überwie- rischen Goldbergbau in den Provinzen gend kanadischen und US-amerika- Morazán und La Unión. Der „alte“ Berg- nischen Bergbauunternehmen ihre bau wurde in den Jahren zwischen 1980 Konzessionen. und 1990 weitgehend aufgegeben, weil Im Unterschied zum historischen die internationalen Goldpreise damals Goldabbau ginge es bei der Ausbeu- sanken und die Kosten zu hoch wur- tung des aus dem Weltall erspähten den. Dann wurde per Satellit ein Gürtel Reichtums um niedrige Konzentrati- edelmetallhaltigen Gesteins entdeckt, onen von zwei bis fünf Prozent. Hierfür Presente September 2010 11
thema Rohstoffe eignet sich jenes Verfahren am besten, in diesem Jahr die EU-Kommission auf- das man in den Bergbauwissenschaften gefordert, die Zyanid-Wäsche vollständig Raubbau nennt und das auch als Tage- zu verbieten. bau bekannt ist. Dabei werden die Edel- Die Versauerung des Flüsschens San metalle mit Zyanid ausgewaschen. Um Sebastián im salvadorianischen La Uni- eine Unze Gold zu bekommen, werden ón, verursacht durch den Eintrag von 20 Tonnen Geröll und Erde mit Zyanid, Schwermetallen wie Blei, Kupfer, Ei- das in über 1000 Liter Wasser pro Mi- sen, Zink und Nickel aus der Goldmi- nute gelöst ist, ausgewaschen. Zurück ne der US-amerikanischen Commerce bleiben große Mengen von Giftbrühe, Group, ist derweil in mehreren Untersu- die in Auffangbecken „gelagert“ wer- chungen nachgewiesen worden. Ebenso den. Vergiftete Gesteins- und Erdmas- ihr ursächlicher Zusammenhang mit sen, aus denen mit Schwermetallen Krankheiten wie Anämie, Haut- und Au- belastetes Wasser sickert… genentzündungen, Niereninsuffizienz und Gedächtnisschwund bei Menschen, Tödliches Zyanid die das belastete Wasser trinken. Die Brisanz dessen ist auch in Euro- In den zerklüfteten Nordprovinzen pa bekannt: Als vor einiger Zeit ein Zy- El Salvadors, wo die Goldlegende ihren anid-Auffangbecken im rumänischen Anfang nahm, liegt das neue Konzessi- Baia Mare brach, ergossen sich 100.000 onsgebiet „El Dorado“ der kanadischen Kubikmeter verseuchtes Wasser in die Pacific Rim, genauer gesagt im Munizip Theiß, den zweitlängsten Nebenfluss San Isidro, das zum Departement Caba- der Donau. Das Europaparlament hat ñas gehört. Die Gebiete der Commerce Gegen die Projekte des Todes IPES, das Permakulturinstitut schen zu zerstören drohen, mit El Salvadors, stemmt sich ent- Schulungen zur „Permakultur“. schieden gegen die „Projekte Damit ist eine schonende, öko- des Todes“, wie sie die Betrof- logische Landwirtschaft ge- fenen nennen: große Staudäm- meint, die auf dem überlieferten me zur Stromerzeugung und Wissen vieler Generationen auf- Minen, um Bodenschätze aus- baut. Die Kleinbauern und -bäu- zubeuten – zum Nutzen weni- erinnen lernen Methoden ken- ger. IPES kombiniert den poli- nen, die sie befähigen, im Ein- tischen Kampf gegen diese klang mit der Natur zu arbeiten Vorhaben, die die Natur und – zugunsten von Mensch und den Lebensraum vieler Men- Umwelt. Fotos: XXXXX stichwort »IPES« Helfen Sie mit Ihrer Spende! 12 Presente September 2010
Rohstoffe Thema Group befinden sich in San Sebastián, vestitions- im Departement La Unión. In diesen konflikten Landstrichen leben vor allem Arme. (ICSID), Besonders in San Isidro ist der lokale das bei Widerstand heftig, und auf nationaler der Welt- Ebene hat sich längst der „Nationale bank an- Runde Tisch gegen den Metallbergbau“ gesiedelt gebildet. Das weltweit gewachsene Um- ist. In- weltbewusstsein, das in Kämpfen gegen zwischen Großprojekte wie Wasser- und Atom- hat sich kraftwerke, Autobahnen, Wasserstra- das drei- ßen und eben auch gegen den Tagebau köpfige zur Tat schreitet, hat dazu beigetragen, Schieds- dass San Isidro und San Sebastián zu gericht Brennpunkten jüngerer Auseinander- konsti- setzungen geworden sind. Inzwischen tuiert, sind nicht nur soziale Gruppen und Ende Juli Nichtregierungsorganisationen einhel- haben die lig gegen die Minenprojekte, sondern Verhand- ebenso Intellektuelle, KünstlerInnen, lungen Glaubensgemeinschaften und sogar begonnen. Zielvorgabe Profit: die katholische Kirche. Bereits die Das ICSID ist ein wesentlicher Be- Goldsucher der letzte, von 2004 bis 2009 amtierende standteil der Freihandelsverträge, wel- Pacific Rim bei der ARENA-Regierung unter Tony Saca che seit dem 1994 in Kraft getretenen Arbeit hat keine neuen Explorations- und erst Prototyp NAFTA – Beteiligte: Kanada, recht keine Abbaukonzessionen erteilt. USA und Mexiko – Lateinamerika wie Und auch die neue FMLN-Regierung ein Spinnennetz überzogen haben. Die- unter Mauricio Funes hat sich beeilt zu se Verträge erlauben es transnationalen erklären, es werde keine weiteren Ex- Unternehmen, nicht nur Schadenser- plorationskonzessionen geben. satz für getätigte, sondern auch für ge- Fotos: André Hagel, Pacific Rim Mining Corp. plante Investitionen einzuklagen, wenn Schadensersatz für zum Beispiel eine Bergbaukonzession Pacific Rim aus Gründen des Umweltschutzes zu- Die Explorationskonzession der rückgezogen wird. Für El Salvador ist Commerce Group stammt bereits von jener unter dem Kürzel CAFTA-DR 1986. Im Jahr 1999 stellte das Unter- firmierende, seit 2004 gültige Freihan- nehmen seine Operationen ein, bean- delsvertrag zwischen den USA, Mittel- tragte und bekam aber 2004 eine neue amerika und der Dominikanischen Re- Abbaukonzession, und zwar für 30 Jah- publik bindend. re. Der wachsende Widerstand gegen Im älteren Streit zwischen der kana- den Raubbau veranlasste die Regierung dischen Pacific Rim und El Salvador hat Saca, diese Konzession zurückzuzie- das zuständige ICSID-Schiedsgericht hen. Darauf ging der Konzern mit ei- Anfang August den Antrag des Staates ner 100 Millionen US-Dollar schweren abgelehnt, die Schadensersatzklage Schadensersatzklage vor das Internatio- auf 77 Millionen Dollar als willkürlich nale Zentrum für Schlichtungen bei In- zurückzuweisen. Die Rechtsvertrete- Presente September 2010 13
thema rohstoffe Das Gebaren der rInnen El Salvadors hatten nicht in Ab- dem vergangenen Jahr aber nicht mehr Pacific Rim Mi- rede gestellt, dass das Unternehmen nur um einen Rechtsstreit: Zwischen Juni ning Corporation seinerzeit eine Explorationslizenz be- und Dezember 2009 wurden vier Gegene- schürt den Zorn kommen hat, wohl aber, dass die Erlaub- rInnen des Metallbergbaus umgebracht. vieler Salvadoria- nis zu Probeschürfungen automatisch Nur im Fall der Ermordung Marcelo Ri- nerInnen... eine Abbaukonzession nach sich ziehen veras (siehe presente 3/2009), Aktivist des muss. El Salvador argumentierte ferner, Umweltkomitees von Cabañas, das neben dass der Mutterkonzern in diesem Fall dem Lokalsender Radio Victoria den Wi- kanadisch und deshalb nicht CAFTA- derstand gegen das Pacific-Rim-Projekt DR-relevant sei, auch dass die klagende trägt, hat ein Gerichtsverfahren begon- Tochterfirma Pacific Rim Cayman erst nen. KennerInnen der Vorgeschichte ge- 2007 ihren Sitz von den britischen Cay- hen davon aus, dass der Bergbaukonzern man-Inseln in den US-Bundesstaat Ne- nicht direkt „eingegriffen“ hat, sondern vada verlegt habe, als der Konflikt bereits es sich vielmehr um eine Auseinander- ausgebrochen war. Schließlich machte setzung zwischen BefürworterInnen und der Staat geltend, dass von einer even- GegnerInnen der Mine handelt. tuellen Schadensersatzsumme die Ko- sten jenes Schadens abgezogen werden Runder Tisch will Gesetz müssten, den die Mine ihrerseits verur- Auch wenn der direkte Widerstand sacht hat, indem sie Oberflächen- und ungebrochen bleibt, haben die beiden Grundwasser sowie Böden verseuchte – ICSID-Verfahren den Konflikt auf eine und damit die Gesundheit der Bevölke- andere Ebene gehoben. Der Runde Tisch rung schädigte. Das Schiedsgericht hat wiederum mobilisiert für ein Gesetz. Mit den Wahrheitsgehalt der Einlassungen dessen Hilfe soll dem Zyanid-Bergbau El Salvadors nicht bestritten, aber erklärt, vollständig ein Ende bereitet werden. dass sie in dem angelaufenen Verfahren Ulf Baumgärtner ist Mitarbeiter der sal- nicht zulässig seien. vadorianischen Nichtregierungsorgani- Das Verfahren Pacific Rim vs. El Salva- sation Pro Búsqueda de Niñas y Niños dor geht weiter. In San Isidro geht es seit Desaparecidos. Er lebt in San Salvador. 14 Presente September 2010
Rohstoffe Thema Ein täuschendes Metall Gold weckt die Gier: In der Hochlandregion von San Marcos in Guatemala werden auf Kosten Indigener und ihrer Umwelt Schätze gehoben. Nach einer Verfügung der Interamerikanischen Menschenrechtkommission schöpfen die Betroffenen wieder Hoffnung. Text: Albrecht Schwarzkopf (CIR) W er die Berge der SchatzsucherInnen bestätigt für sie keine Rolle. Für Monse- Schweiz mag, wird sehen: Der Preis liegt mittler- ñor Ramazzini und die Comisi- sich auch in denen weile bei 1250 Dollar. Dies auch on Pastoral por Paz y Ecología Guatemalas wohlfühlen. Berge bedingt durch die Finanzkrise, (COPAE) seiner Diözese, die hüten Geheimnisse, die die alle FinanzbankerInnen sich gegen das Marlin-Projekt manchmal gelüftet werden… ungeachtet der von ihnen so sträuben, ist Letzteres dagegen Offensichtlich hatte die Mon- hoch gepriesenen Hedge- und eine harte Nuss. Ihr Kampf ge- tana Exploradora S.A. – eine gen die Goldmine in der Sierra Aktiengesellschaft, die zu der ist offensichtlich gefährlich: im kanadischen Vancouver Bereits 2009 gab es einen Fotos: Photocase.Com, Programa Laboral de Desarrollo(PLADES) beheimateten Goldcorp Inc. Anschlag auf Anti-Mi- gehört – Wind davon be- nen-AktivistInnen. Am kommen, dass es in der 7. Juli dieses Jahres Diözese von Bischof drangen abends um Alvaro Ramazzini in halb acht zwei un- San Marcos nicht nur bekannte Männer in Geheimnisse zu lüften, das Haus von Diodo- sondern auch Schät- ra Hernández, einer ze zu heben gibt. Sie führenden Vertrete- suchte in den hochge- rin der Bewegung ge- legenen Gemeinden San gen die Marlin-Mine, Miguel Ixtahuacán und Si- ein. Hernández lebt in pakapa – und wurde fündig: San Miguel Ixtahuacán. Gold. Die Eindringlinge schossen Seither hebt das Unterneh- ihr in das rechte Auge. Nach men diesen Schatz im Tagebau We c h - dem umgehenden Transport in der Bergbaumine Marlin. selkurs-Fonds mit ihren eige- in ein Krankenhaus und einer Das Timing war perfekt: 2005, nen Wertmitteln nach dem Operation am 11. Juli ist ihr Zu- nachdem die Montana Explo- Crash in goldene Sachwerte stand stabil, auch wenn die Fol- radora die Konzession von der flüchten ließ. gen des Schusses noch nicht guatemaltekischen Regierung Den so eklatant gescheiterten absehbar sind. erhalten hatte, lag der Goldpreis FinanzexpertInnen ist ihre ei- Nach jahrelangem Kampf bei etwa 400 Dollar je Fein- gene Absicherung wichtig, die gegen das Mega-Bergbaupro- unze. Heute können sich die Folgen des Schürfens spielen jekt haben die indianischen Presente September 2010 15
thema Rohstoffe Gemeinschaften von Sipakapa das Vorhaben und fordert des- mie-Unternehmen hergestellt und San Miguel Ixtahuacán sen Einstellung, ebenso die wird, blieb nach dem Besuch seit dem 20. Mai dieses Jahres Friedensnobelpreisträgerin Ri- aber untätig. wieder Hoffnung geschöpft: goberta Menchú. Eine aktuelle Wasseranaly- Die Interamerikanische Men- „Die Mine braucht über se der COPAE in der Diözese schenrechtskommission hat 40.000 Liter Wasser pro Stun- San Marcos stellt grundsätzlich einstweilige Verfügungen zu- de – im Vergleich zu einer fest, dass einige der Flüsse im gunsten der Gemeinschaften durchschnittlichen Bauern- Goldminengebiet bereits zuvor erlassen und den Stopp der familie, die Zugang zu zirka unter Wassermangel gelitten Goldcorp-Bergbauaktivitäten in 70 Liter Wasser pro Tag hat, hätten. Schon dieser Umstand, der Marlin-Mine angeordnet. vorausgesetzt, sie hat einen so sollte man meinen, hätte bei Das Goldminenprojekt, das Wasseranschluss“, stellt der- einer seriösen Planung des Pro- angeblich den Gemeinden weil Juan José Monterroso vom jektes berücksichtigt werden Fotos: Sebastian Rötters (FIAN), James Rodriguez Wohlstand und Arbeitsplätze Movimiento de Trabajadores müssen. Weiterhin stellt die bringen sollte, wurde durch del Campo zu möglichen Fol- Kommission im Hinblick auf einen Kredit der International gen des Projektes fest. Die die drei untersuchten Orte des Finance Corporation (IFC), Bewegung der Landarbeite- Flusslaufes, an denen sie Was- dem unternehmerischen Arm rInnen ist Projektpartnerin der serproben entnahm, fest, dass der Weltbank, in Höhe von Christlichen Initiative Rome- sie mit Metallen und Nitraten 45 Millionen US-Dollar finan- ro. Bereits im Februar 2005 belastet seien, und zwar unter- ziert. Die Gemeinden selbst, sprach die CIR zusammen mit halb der Mine Marlin. Ebenso verschiedene soziale Bewe- Monseñor Ramazzini im Bun- zeigt COPAE auf, dass diese gungen und die katholische desministerium für wirtschaft- Werte Grenzwerte überstei- Kirche – Letztere angeführt liche Zusammenarbeit vor, da gen, welche die Weltbank für von Monseñor Ramazzini – die beim Goldwaschen hoch in Minenprojekte vorgeschrieben leisten bis heute heftigen Wi- den Bergen gebrauchte Zyanid- hat. Darüber hinaus liegen die derstand. Neben dem Bischof lauge das Wassersystem weiter ermittelten Werte jenseits von von San Marcos kritisiert auch unten bedroht. Das Ministe- der US-Umweltbehörde und der Vorsitzende der guatemal- rium in Berlin dürfte gewusst dem guatemaltekischen Um- tekischen Bischofskonferenz, haben, dass Zyanid auch von weltministerium festgesetzter Erzbischof Rodolfo Quezada, den großen deutschen Che- Grenzen. 16 Presente September 2010
Rohstoffe Thema Gold auf Kosten von Menschen: Die Marlin-Mine in Guatemala (links) und von den negativen Fol- gen des Bergbaus betroffene Frau Die BewohnerInnen der lehnt, ähnlich die Gemeinde- sten, um sich als jemand zu Hochlandregion von San Mar- abstimmung in San Miguel fühlen. Und jene, die damit in cos sind arme Leute, sie spre- Ixtahuacán. Ruhe leben konnten. Das Gold chen die indianische Sprache Fernando Suazo, ein guate- war schon immer Komplize Mam und bekommen wenig maltekischer Kommentator, der Ersteren: Sie brauchen es, von dem Glanz des Goldes zu schreibt zu den Vorgängen: um sich der Illusion hingeben sehen. Deshalb sind sie gegen „Wie das Gold und das Wasser zu können, sie seien mehr und die Mine: Bei einer Befragung gab es auch schon immer zwei- besser als die anderen. Denn im Juni 2005 haben 97 Prozent erlei Sorten von Menschen: Gold ist vor allem eines: ein der BewohnerInnen von Sipa- jene, erkrankt an alten Frustra- täuschendes Metall.“ kapa das Marlin-Projekt abge- tionen, die sie bezwingen mus- Gold in San Marcos nutzt Bauern nichts Die CIR unterstützt in San Marcos die Bewe- Projekt und wissen uns der Unterstützung gung von ArbeiterInnen und Bauern (MTC). von Monseñor Ramazzini gewiss. Wenn die Juan José Monterroso vom MTC beschreibt, CIR uns unterstützen kann, können wir un- dass der Goldabbau für die Montana von Ge- sere Chancen gegen das Vorhaben verbes- winn ist, nicht aber für die Bauern der Gegend: sern.“ Die CIR bittet um Unterstützung. Das Wasser ist verschmutzt. Viele Wohn- häuser haben Risse aufgrund des Bergbaus. Die grundlegenden öffentlichen Dienstlei- stungen in der Hochlandgemeinden werden nicht angeboten. So ist die Ausbildung vieler Kinder aus der Region denkbar schlecht. Des- halb hat das MTC eine Fortbildungsstätte er- öffnet, um den Kindern ein Fortkommen zu ermöglichen. Wir organisieren mit anderen zusammen eine Gegenöffentlichkeit zu dem stichwort »Gegen Goldabbau« Der Mensch ist mehr Wert als Gold! Presente September 2010 17
CIR-Projekte Frauen | Soforthilfe | Arbeitsbedingungen | Arbeitende Kinder | Nicaragua Wasser ist Leben L a Cuculmeca, eine PartnerInnenorga- die Wasserressourcen zu privatisieren. Der nisation der Christlichen Initiative Ro- bedeutende Apanas-Stausee für die Wasser- mero mit Sitz in Jinotega, fördert seit versorgung befindet sich inmitten von Ge- 1990 den nachhaltigen Umgang mit der meinden des Departments Jinotega. Um den Umwelt und die Beteiligung der Gemeinden Privatisierungsversuchen entgegenzusteu- an ihrer eigenen Entwicklung. ern, haben sich Trinkwasser- und Hygiene- In Nicaragua gibt es seit 1991 Versuche, komitees gegründet, bestehend aus Frauen und Männern, die von den Gemeinden demokratisch gewählt wurden. Ihr Ziel ist es, durch öffentlichen Druck und in Koordination mit Verwaltungsinstanzen die Wasserversorgung der ländlichen Haushalte zu sichern und Krankheiten durch verunreinigtes Wasser entgegen- zuwirken. Mittlerweile gibt es ein großes Netzwerk aus Komitees, das für den Bau von Brunnen und Wasserpumpen sowie für den Trinkwasserzugang von über ei- ner Million NicaraguanerInnen sorgt. La Cuculmeca möchte die Komitee- mitglieder in vier ländlichen Gemeinden des Departments durch Workshops zur Selbstverwaltung und politischen Ein- flussnahme fördern. Auf diese Weise soll die wichtige Organisierung der selbstver- walteten Komitees bestärkt werden. Hier- für bitten wir um Ihre Unterstützung. Spendenstichwort »Wasserkomitee« Grundsätze unserer Projektarbeit Mit Ihrer Spende kann die Christliche Initiative Romero e.V. Selbstorganisation stärken und ProjektpartnerInnen unterstützen, die sich einsetzen für Rechte durchsetzen die Selbstbestimmung von Frauen Achtung und Organisation arbeitender Kinder menschenwürdige Arbeitsbedingungen die Ökologie die politische Stärkung der Zivilgesellschaft die Achtung und Selbstbestimmung indigener Bevölkerung. 18 presente September 2010
Menschenrechte | Theologie | Indigene Völker | Lokale Entwicklung | Kampagnen guatemala El Salvador Keine Gewalt! Von Frau zu Frau D F ie indianische Aso- UNDAHMER, die Orga- ciacion Femenina nisation der Basisgemein- para el Desarrollo den, schult an sieben Or- de Sacatepéquez (AFEDES) ten 100 Frauen im Gesund- hat ihren Sitz in Santiago heitsbereich und Umwelt- Sacatepéquez, einer Ge- schutz, in politischer Bildung meinde, in der es viel Ge- und Formen alternativen Wirt- walt – auch gegen Frauen schaftens. „Wir Frauen wurden – gibt. Die Gewalt macht seit ewigen Zeiten als ein We- auch vor Familien nicht sen gesehen, das nur dazu da halt. ist, um zu dienen. Man verletzt Amarilis Guarach, Vor- unsere Rechte, man tritt unse- sitzende von AFEDES, ist re Würde mit Füßen. Und zu- bekümmert, dass es so viel meist rauben uns all diese Un- Zeit braucht, patriarchale gerechtigkeiten auch noch die Strukturen aufzubrechen: Stimme“, so das Resümee ei- „Wir brauchen einen Schub, ner Kursteilnehmerin. damit die Stimme von uns indianischen Frauen Die Frauen geben das erworbene Wissen gehört wird.“ an ihre Nachbarinnen weiter. Schritt für AFEDES vergibt Mikrokredite an indianische Schritt entwickeln sich somit die persön- Frauen, um ihnen mehr wirtschaftliche Sou- lichen Fähigkeiten und das Bewusstsein. veränität zu geben. Gleichzeitig werden Kurse Die Frauen werden zu Akteurinnen, mi- durchgeführt, damit die Frauen Selbstbewusst- schen sich ein – und gestalten so das Leben sein lernen, um sich besser in ihren Familien in den Gemeinden neu. behaupten zu können. Wenn Sie CEBES/FUNDAHMER dabei Damit AFEDES wirksam für die wirtschaft- unterstützen wollen, bitten wir um Ihre lichen und politischen Rechte der Kaqchiquel- Spende. Frauen eintreten kann, bitten wir um Spenden. Spendenstichwort Spendenstichwort »maya-Frauen« »Fundamehr« Unsere Projekte stehen für Wege zu mehr Gerechtigkeit, zukunftsfähiger Ent- SPENDENKONTO wicklung und kultureller Vielfalt und Toleranz. Wenn nötig, leistet die CIR in Mit- telamerika auch Notfall- und Katastrophenhilfe. Gemeinsam mit unseren Pro- Bitte unterstützen Sie jektpartnerInnen sind wir für Planung, Durchführung und korrekten Einsatz der unsere PartnerInnen in Gelder verantwortlich. Um unseren PartnerInnen langfristige Perspektiven geben Mittelamerika zu können, sind wir auf Ihre Spenden ebenso angewiesen wie auf Zuwendungen mit einer Spende. der Europäischen Union, des Weltgebetstags der Frauen oder des BMZ, des Ka- tholischen Fonds und des Ausschusses für entwicklungsbezogene Bildung und Konto 3 11 22 00 Publizistik (ABP) sowie auf Spenden aus Kirchen- und Pfarrgemeinden, Schulen Darlehnskasse Münster und Eine-Welt-Läden. BLZ 400 602 65
Infodienst Soziale Verantwortung konkret Neues Leben Selbstbestimmt arbeiten, unter fairen Bedingungen produzieren – eine nicaragu- anische Näh-Kooperative, die über den Status einer Freihandelszone verfügt, stellt einen Modellfall für das Textilgewerbe dar. Doch die Arbeit hier bleibt eine tägliche Herausforderung. Text: Thomas krämer-broscheit (CIR) A ls der Hurrikan Mitch 1998 eine Spur losenquote auf. Das Leben kocht hier auf Spar- der Verwüstung durch Mittelamerika flamme. Um ihre Familien durchzubringen, se- zieht, stehen unzählige Menschen auch hen sich viele Frauen der Siedlung gezwungen, in Nicaragua unvermittelt vor dem Nichts. So in Textilfabriken, sogenannten Maquilas, unter beispielsweise BewohnerInnen Managuas, die menschenunwürdigen Bedingungen für große nach Nueva Vida, einer Siedlung der nahen Bekleidungskonzerne zu arbeiten. Stadt Ciudad Sandino, umgesiedelt werden. Nu- So trostlos die Situation für die Betroffenen eva Vida: Der Name mag für die Neuankömm- ist, sie bildet in jenem Katastrophenjahr doch den Anfang zu etwas wirklich Neuem: zu einer linge wie bittere Ironie klingen. Ihr neues Le- ben steht auf denkbar unsicherer Grundlage. Freihandelszone, deren Vorteile endlich einmal Ciudad Sandino, benannt nach dem nicaragua- nicht internationalen Konzernen, sondern den nischen Guerillaführer und Volksheld Augusto Arbeiterinnen selbst zugute kommen. César Sandino, weist eine extrem hohe Arbeits- Im Rahmen einer Kooperation des US-ame- rikanischen Entwicklungspro- COMAMUNVI-Frauen besuchen jektes Center for Development in Central America mit dem Öko- Deutschland Bekleidungsanbieter Maggie’s Maria Elena Medina Vallejos und Sulema Mena Garay von Organics entsteht die Idee einer der Frauenkooperative COMAMUNVI wollen sich während Näh-Kooperative. Ziel: Möglichst einer Europareise mit Menschen austauschen, für die viele Frauen in Nueva Vida sol- ethische Prinzipien und faire Arbeitsbedingungen ein wich- len eine Alternative zur Arbeit in tiges Kriterium beim Einkauf sind. Gleichzeitig soll disku- Maquilas erhalten. tiert werden: Welche Perspektiven haben Alternativen jen- Die Frauen machen sich an die seits der Konkurrenzwirtschaft? Können durch den Kauf Arbeit. In Eigenregie errichten von Produkten aus Kooperativen Arbeitsplätze in Ländern sie ein Fabrikgebäude. Über zwei des Südens nachhaltig gefördert werden? Jahre verbringen sie 20 Stunden in der Woche damit, Zement zu Foto: Zündstoff Stationen der Reise: 2.11. Hannover; 3.11. Freiburg; 5.11. mischen und zu schaufeln. Nach- mittags verdienen sie sich ihren Karlsruhe; 7.11. Trier; 8.11. Münster; 10.11. Hamburg; 11.11. Lebensunterhalt als Straßenver- Lüneburg; 12.11. Berlin käuferinnen. Im Frühjahr 2001 Weitere Informationen unter www.ci-romero.de schließlich steht die Fabrikhalle. Es ist die offizielle Geburtsstun- 20
Eine Freihandelszone mit Vorteilen für die ArbeiterInnen: die Kooperative Nueva Vida Eine für den Markt interessante Kombination. Dennoch bleibt für die mu- tigen Frauen von Nueva Vida die eigene Arbeit eine tägliche He- rausforderung: Für eine Freihan- delszone ist eine Mindestzahl von 30 Beschäftigten gesetzlich vorgeschrieben. Die Fabrik ist für bis zu 100 Beschäftigte aus- de der Cooperativa Maquiladora Mujeres de Nu- gelegt, die Auftragslage aber nicht immer ent- eva Vida Internacional (COMAMUNVI). sprechend. Für die Mitglieder der Kooperative Seit Juli 2005 ist die Näh-Kooperative die erste heißt das, auch in Zeiten mauer Produktion Freihandelszone, die von Arbeiterinnen selbst das Personalminimum nicht unterschreiten zu verwaltet wird. Durch den Zona-Franca-Status dürfen, will man der Vergünstigungen nicht kommen die Frauen in den direkten Genuss von verlustig gehen. Zudem: Von den ursprünglich Steuervergünstigungen sowie von zollfreiem Im- 50 Frauen, die den Weg in die Kooperative an- und Export. Auf diese Weise können sie sich im traten, blieben am Ende zehn, die noch in der Wettbewerb mit den Sweatshops behaupten und Fabrik arbeiten. 30 von derzeit 40 Arbeiterinnen trotzdem höhere Löhne und bessere Arbeitsbe- sind einfache Angestellte. Ein Umstand, der die dingungen bieten. So wird bei COMAMUNVI, Kooperativen-Eigentümerinnen vor eine weitere anders als in den herkömmlichen Fabriken, Notwendigkeit stellt – nämlich die, die Arbeits- neben dem staatlichen Mindestlohn von 2875 bedingungen in ihrer Fertigungsstätte unabhän- Cordoba (zirka 130 US-Dollar) in der Regel eine gig kontrollieren zu lassen. zusätzliche Vergütung von 600 Cordoba (zirka 28 US-Dollar) gezahlt. Darüber hinaus werden staatliche Studienstipendien vermittelt. Zu diesem Beitrag finden Sie auf www.ci- Die Mitglieder der Kooperative, die Arbei- romero.de zusätzlich ein Interview. terinnen und Inhaberinnen in Personalunion sind, treffen ihre Entscheidungen gemeinsam. Die Veröffentlichung des Infodienstes wurde mit Unterstützung der Europä- Durch Eigeneinkauf ist die Kooperative in der ischen Union ermöglicht. Für den Inhalt Lage, Komplettpakete zu T-Shirts, Taschen und dieser Veröffentlichung ist allein die CIR verantwortlich; der Inhalt kann in keiner mehr anzubieten. Die Stoffe, die hierbei verar- Weise als Standpunkt der Europäischen beitet werden, stammen aus Bio-Baumwolle. Union angesehen werden. Presente September 2010 21
MITTELAMERIKA eL sALVADOR Weil vieles noch so schwer wiegt Während des Bürgerkrieges in El Salvador wurden unzählige Kinder von Soldaten entführt, andere von ihren Eltern zur Adoption freigegeben. Jordan Anderson ist eines dieser Kinder. Nach 21 Jahren hat er seine leibliche Mutter kennen gelernt. Text: André hagel (CIR) I mmer wieder suchen seine Augen den Kon- mittelamerikanischen Land gewesen, berichtet takt zu ihr. Doch sie schaut zur Seite, ins Anderson. Gleichzeitig habe er sich in El Salva- Nichts, lässt ihren Blick schweifen, irgend- dor aber sofort zu Hause gefühlt. Vielleicht nicht wohin, streng darauf bedacht, dass er sich nicht zuletzt wegen des großen Bahnhofs, den ihm die mit dem seinen kreuzt. Juana Mundo sitzt auf Familie seiner Mutter bei seiner Ankunft bereite- einem Stuhl in ihrem Garten, hält die Arme vor te: „Ich war überwältigt von dem Empfangskomi- dem Bauch verschränkt, ist sichtlich ange- tee“, erinnert der junge Mann sich, während er spannt. Zwei Stühle rechts von ihr hat Jordan im Fond eines Pick-up-Trucks sitzt, der ruckelnd Anderson Platz genommen, der junge Mann, die zehn Kilometer von San Salvador bis zum dessen Blicken sie so vehement ausweicht. In nordöstlich der Hauptstadt gelegenen Tonacate- diesem Moment steht zwischen dem 22-Jäh- peque zurücklegt. Dort liegt in einer Siedlung au- rigen aus England und der 60-jährigen Salvado- ßerhalb der Stadt das Haus Juana Mundos. „Ich rianerin mehr als bloß ein freier Stuhl. Zwi- hätte nicht erwartet, dass ich so viele Geschwister schen beiden liegt eine ganze Welt. Dabei sind habe und dass sie alle zu meiner Begrüßung sich Juana Mundo und Jordan Anderson eigent- kommen würden. Nur zwei meiner Schwestern, lich so nah, wie es nur zwei Menschen sein kön- die in den USA leben, waren nicht dabei, dafür nen. Sie sind Mutter und Sohn. Aber Juana aber sogar einige Cousins.“ Mundo hat ihren Sohn 21 Jahre lang nicht mehr gesehen. Jordan Anderson hat seine Mutter erst „Juana macht sich Vorwürfe“ kürzlich kennen gelernt. Im Alter von einem Die fröhliche Unbefangenheit ihrer Kinder im Jahr wurde er, inmitten der Wirren des salvado- Umgang mit dem so unerwartet aus der Vergan- rianischen Bürgerkrieges, zur Adoption freige- genheit aufgetauchten Bruder und Halbbruder geben. vermag Juana Mundo nicht aufzubringen. Es dau- „Ich wusste nicht, was mich hier erwarten ert lange an diesem Tag, bis sie irgendwann, wäh- würde“, erzählt Jordan Anderson auf der Auto- rend eine sengende Sonne ihre Bahn über Haus Foto: andré hagel fahrt zum Haus Juana Mundos. „Was El Salvador und Garten zieht, unmerklich, wie zufällig ihren angeht, hatte ich nur mal was von den grassie- Blick zu dem so fremden Sohn und über diesen renden Bandenverbrechen gehört.“ Vor fünf Mo- hinweg gleiten lässt, erst einmal, schließlich öf- naten ist er zum ersten Mal in sein Geburtsland ter. An diesem Tag lastet ein großer Druck auf ihr, gekommen, hat seiner leiblichen Mutter erstma- das ist für jeden der Anwesenden spürbar, auch lig gegenübergestanden. „Seltsam und befrem- für Jordan Andersons 17 Jahre alte Halbschwester dend“, das sei sein erster Eindruck von dem Helen, die ihrer Mutter zwischendurch wie zur 22 Presente September 2010
Haben einen langen Weg vor sich – aber der Anfang ist gemacht: Juana Mundo und ihr Sohn Jordan Anderson derson, der nach seiner Adoption nach Großbri- tannien gelangte, bei seiner Adoptivmutter in Devon aufwuchs und heute bei der Londoner Metro arbeitet, erfuhr durch einen Freund von Pro Búsqueda, setzte sich mit Ulf Baumgärt- ner und seinen Kolle- gInnen in Verbindung, ließ sie nach seiner leib- lichen Mutter suchen. 850 Fälle Die MitarbeiterInnen von Pro Búsqueda, die 850 Fälle aus El Salva- dor adoptierter Kinder Beruhigung das Haar krault. in ihren Akten führen, begaben sich auf die „Juana macht sich Vorwürfe, weil sie Jordan Suche nach den Eltern eines am 7. Juli 1987 in damals zur Adoption freigegeben hat“, weiß Ulf San Salvador als José Luis Morales Mundo gebo- Baumgärtner. Der Deutsche, der die Begegnung renen Jungen – und stießen schließlich in Tona- des jungen Briten mit seiner wiedergefundenen catepeque auf Juana Mundo. Jordans leiblicher Familie an diesem Tag moderiert und dolmetscht, Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei ist Mitarbeiter von Pro Búsqueda de Niñas y Jahren tot. „Ich habe kein Kind zur Adoption Niños Desaparecidos. Die von der Christlichen freigegeben“, beschied Juana Mundo zunächst Initiative Romero unterstützte salvadorianische die RechercheurInnen. Schließlich aber er- Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht, fuhren sie von ihr die Wahrheit. Davon, dass die das Schicksal während des Bürgerkrieges ver- junge mehrfache Mutter mit ihrem Nachwuchs schwundener Kinder aufzuklären. Jordan An- in einer Kampfzone des Bürgerkrieges gelebt Presente September 2010 23
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