Die große gier Für Rohstoffe müssen Menschen weichen - Adoptiert: So nah, so fremd - AK-Rohstoffe

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Die große gier Für Rohstoffe müssen Menschen weichen - Adoptiert: So nah, so fremd - AK-Rohstoffe
Bulletin der Christlichen Initiative Romero 3/2010
                       Bulletin der Christlichen Initiative Romero   4 | 2005

                                                           El salvador

                                                   Adoptiert:
                                             So nah, so fremd

Die große Gier
Für Rohstoffe müssen
  Menschen weichen
Die große gier Für Rohstoffe müssen Menschen weichen - Adoptiert: So nah, so fremd - AK-Rohstoffe
EDITORIAL

    Liebe Leserinnen, liebe Leser,
    liebe Freundinnen und Freunde!

                    E
                          s war für uns ein ereignisreicher       Zürich mit einem Arbeitsschwerpunkt
                          Sommer. Und das nicht nur, weil         auf Unternehmensverantwortung in der
                          unsere Kampagne zu Arbeitsbe-           Bekleidungsindustrie, wollte nicht von
                    dingungen in der Produktion von Out-          Weltrettung sprechen, machte aber deut-
                    door-Bekleidung wochenlang für Schlag-        lich, dass der Kauf sozial und ökologisch
                    zeilen gesorgt hat. Parallel zur Berlin Fa-   nachhaltiger Textilien ein Beitrag zur
                    shion Week fand im Juli die internatio-       Verbesserung der Lebensbedingungen
                    nale Modemesse thekey.to statt. Die           von Menschen weltweit sei.
                    Christliche Initiative Romero war Spon-          Deutlich wurde nicht zuletzt aber
                    sorin des dreitätigen Ereignisses zu As-      auch, dass bewussteres Konsumverhal-
                    pekten grüner Mode, nachhaltigen Life-        ten allein nicht ausreicht. Besonders
                    styles und alternativer Kultur.               Stermanns betonte, dass Konsumen-
                      Auf dem abwechslungsreichen Pro-            tInnen politisch aktiver sein und ihre
                    gramm der thekey.to standen unter an-         Macht gezielt nutzen sollten, um Druck
                    derem eine Modenschau, auf der zahl-          auf Firmen auszuüben – gleichsam als
                    reiche namhafte DesignerInnen der             Bestätigung dessen, was wir in der Aus-
                    ökologischen Modewelt vertreten wa-           gabe 1/2010 von presente zum Thema
                    ren, aber auch eine Podiumsdiskussion         „Ethischer Konsum“ geschrieben hat-
                    mit dem provokativen Titel „Mit grüner        ten.
                    Mode retten wir die Welt“. Das Sympo-            Die aktuelle Ausgabe von presente rückt
                    sium wurde gemeinsam von thekey.to            die Rohstoffstrategien Deutschlands und
                    und der Christlichen Initiative Romero        Europas in den Mittelpunkt – und zeigt
                    veranstaltet.                                 auf, welche Konsequenzen diese Politik
                      Die Leitfrage, ob man mit grüner            für die Länder Mittelamerikas hat. Da-
                    Mode die Welt retten könne, sorgte im         von, dass es höchste Zeit für eine alter-
                    Publikum für gespanntes Zuhören.              native Rohstoffstrategie von unten sei,
                    Während Philipp Gloeckler, Geschäfts-         schreibt hierbei unser Gastautor Peter
                    führer eines Online-Marktplatzes für          Fuchs im Eröffnungsbeitrag. Die verhee-
                    nachhaltige Produkte, sie mit einem           renden Folgen der offiziellen Ressour-
                    klaren Nein beantwortete, stellte Robert      cenpolitik, aufgefächert in den Folgetex-
                    Hertel, Geschäftsführer des Hanftextili-      ten, geben ihm nur allzu recht.
                    enherstellers HempAge, fest, dass grüne
                    Mode durch das Vermeiden von Pesti-           Eine anregende Lektüre wünscht
                    ziden sogar Menschenleben rette. Mark
                    Stermanns, Dozent an der Universität          Ihr CIR-Team

2   Presente september 2010
INHALT

       Thema                                            25 Albrecht Schwarzkopf                    4
       4 Peter Fuchs                                       Quelle des Geldes – und
          Globaler Wettlauf                                des Streits
          Die Rohstoffstrategie Deutsch-                   Wo Öl sprudelt, hat es die Ökolo-
          lands und der EU                                 gie nicht leicht: Über die Konzes-
       8 Alexander Debusman                                sionsverlängerung eines Ölfeldes
                                                           im Nationalpark Laguna del Tigre
          des lebens nicht sicher
          Bergbau in Mexiko: Die üblen
          Machenschaften von Fortuna
                                                        Infodienst
          Silver                                        27 Sandra Dusch Silva
                                                           Die toten klagen an
       11 Ulf Baumgärtner
                                                           Der Elektronikriese Foxconn, ein        8
          Land des Goldes
          Zur Kasse bitte: El Salvador wird                Partner der Metro-Gruppe, tritt
          von einem kanadischen Minenun-                   Arbeitsrechte mit Füßen
          ternehmen verklagt                            29 Johanna Fincke
       15 Albrecht Schwarzkopf                             Schweigen im
          Ein täuschendes Metall                           Beschaffungswald
          Gold weckt die Gier: Im Hochland                 Der Wille ist da, aber an der Um-
          Guatemalas wird Gold abgebaut.                   setzung hapert es. Eine Umfrage
          Auf Kosten Indigener.                            hat ergeben: Faire Beschaffung
                                                           steht oft nur auf dem Papier.
       Mittelamerika
                                                        Über uns                                  11
       20 Thomas Krämer-Broscheit                       33 Dr. Thomas Bröcheler
          neues leben                                      Finanzbericht 2009
          Es geht auch anders: Selbstbe-                   Die Christliche Initiative Romero
          stimmt arbeiten in Nicaragua
                                                           in Zahlen
       22 André Hagel
          weil vieles noch so                           Rubriken
          schwer wiegt
          Jordan Anderson lernt seine Mut-              34 über uns                               22
          ter kennen. Nach 21 Jahren.                   35 Bestellschein

                   Herausgeberin:                       Beirat:
                   Christliche Initiative               Johann Baptist Metz,
Impressum

                   Romero (CIR)                         Helmut Frenz,
                   Breul 23                             Norbert Greinacher
                   D-48143 Münster
                                                        Druck: Kleyer-Druck,
                   Tel.: 02 51-89 503
                                                        September 2010
                   Fax: 02 51-82 541
                                                        Layout: Johanna Fincke
                   cir@ci-romero.de
                                                        Titelbild: Bernd
                                                                                                  25
                   www.ci-romero.de
                                                        Eidenmüller / FIAN
                   Redaktion: Jolanta Cabanski,
                   Thomas Krämer-Broscheit,
                   Johanna Fincke, Albrecht             Spenden an die CIR
                   Schwarzkopf, Maik Pflaum,            Konto 3 11 22 00
                   Sandra Dusch Silva, André            DKM Darlehnskasse Münster
                   Hagel (V.i.S.d.P.), Kirsten Clodi-   BLZ 400 602 65
                   us, Thomas Adisorn, Joana Eink       IBAN DE67 4006 0265 0003 1122 00

                                                                                        Presente September 2010   3
thema                     Rohstoffe

                  Globaler Wettlauf
                  Das Thema Ressourcen steht auf der politischen Agenda ganz oben.
                  Wie sehen die Rohstoffstrategien Deutschlands und der EU aus?
                  Welche Ziele werden angestrebt? Und was bedeutet dies für Mittela-
                  merika?

                  Text: Peter Fuchs

                 R
                        ohstoffe sind wieder begehrt. Plötz-   des Reiches der Mitte rufen auch hier-
                        lich scheinen sie nicht mehr un-       zulande IndustrievertreterInnen nach
                        endlich und billig. Sondern knapp,     mehr staatlicher Rohstoffpolitik. Bun-
                 teuer und umkämpft. BörsianerInnen            deskanzlerin Angela Merkel (CDU) und
                 starten Rallyes auf Gold, Weizen, Uran        Wirtschaftsminister Rainer Brüderle
                 oder seltene Metalle. Medien berichten        (FDP) unterstreichen immer wieder ihre
                 von Lithium-Funden in Bolivien oder über      rohstoffpolitische Unterstützung der In-
                 wiedergefundene US-Verzeichnisse zum          dustriewünsche. Und sie drängen auf

                                                                                                             Fotos: Alberto Gonzales/ Flickr.com, Alberto Quiñones/ Flickr.com
                 Rohstoffreichtum Afghanistans. Und im-        EU-Ebene zu einem gemeinsamen roh-
                                                                 stoffpolitischen Vorgehen.
                                                                                  Auch in der entwick-
                                                                                    lungspolitischen
                                                                                        Szene rückt das
                                                                                          Thema wieder
                                                                                           nach oben. Im
                                                                                           Herbst dieses
                                                                                          Jahres wollen
                                                                                        deutsche Nicht-
                 m e r                                                         regierungsorganisationen
                 w i e d e r                                          erstmals gemeinsame Eckpunkte
   „Nein zum     taucht als                                           einer alternativen Rohstoffstrate-
    Bergbau“:    S c h lü s s e l -                                  gie vorstellen. Zu Recht! An vielen
Protest gegen    land        des                                     Orten der Welt, dort wo der Roh-
 Konzernvor-     derzeitigen                                        stoffabbau stattfindet, ist die enorme
        haben    We t t l au f e s                                Bedeutung des Themas sowieso nie
                 um Rohstoffe                                  vergessen worden. Hier ist die soziale,
                 eine große, meist                             ökologische und ökonomische Brisanz
                 sehr       bedrohlich                         der Ressourcenwirtschaft alltägliche
                 dargestellte Macht                            Realität. Denn allzu häufig bringt der
                 auf: China.                                   Rohstoffsektor den Menschen vor Ort
                    Angesichts der                             erbärmliche Arbeitsbedingungen, Ar-
                 entschlossenen                                mut, Vertreibung, Krankheit, Konflikte
                 Ressourcenpolitik                             – bisweilen sogar den Tod. Nur wenige,

 4   Presente September 2010
Rohstoffe                         Thema

meist noch weit entfernt beheimatete      wichtiger Rohstoffexporteur. Dage-          Der Goldrausch hat
multinationale Unternehmen werden         gen ist Deutschland als rohstoffarmes       Geschichte: Mine
reich. Die GigantInnen unter den Roh-     Land und High-Tech-Standort stark           in Mexiko
stoffkonzernen kommen dabei nicht         von Importen abhängig, nicht nur bei
aus Deutschland – sie sind eher aus       Energierohstoffen, sondern auch bei
England, Australien, Kanada, Brasilien,   nichtenergetischen Rohstoffen wie Me-
den USA, der Schweiz, Russland oder       tallen. (…) In Lateinamerika finden sich
eben China.                               große Vorkommen an mineralischen
                                          Rohstoffen wie Eisen, Kupfer, Zinn
Die Suche nach Rohstoffen                 und Lithium. So sind Chile und Peru
  Wie aber sehen vor diesem Hinter-       die weltweit größten Produzenten von
grund die Rohstoffstrategien Deutsch-     Kupfer. Knapp 60 Prozent der weltwei-
lands und der Europäischen Union aus?     ten Produktion von Lithium, das für die
Welche Ziele werden angestrebt? Wel-      Herstellung von Lithium-Ionen-Akkus
che Akteure prägen die Agenda? Und        zum Beispiel für Elektroautos wichtig
was bedeutet dies für die Beziehungen     ist, kommt aus Lateinamerika. (…) Zu-
zu Latein- und Mittelamerika?             dem wird die Rolle Lateinamerikas bei
  Die Bundesregierung hat ihren           der Versorgung der Weltmärkte mit
Ansatz im August 2010 bei der Vor-        Erdöl und Erdgas weiter zunehmen. (…)
stellung einer Konzeption für Latein-     Die Sicherung der Rohstoffversorgung
amerika und die Karibik in folgende       liegt in Deutschland ebenso wie in den
Worte gefasst: „Lateinamerika ist ein     anderen europäischen Industrieländern

                                                                           Presente September 2010   5
thema                     Rohstoffe

                                                                  Entwicklungsländern zu bekämpfen.
                                                                  Im Kern aber geht es der deutschen
                                                                  Außenwirtschaftspolitik um Freihandel
                                                                  mit Rohstoffen und um das Wiederein-
                                                                  treten deutscher InvestorInnen in die
                                                                  Ressourcengewinnung.
                                                                     Verbindliche Vorgaben für Rohstoff-
                                                                  konzerne hinsichtlich der sozialen,
                                                                  menschen- und arbeitsrechtlichen,
                                                                  ökologischen und ökonomischen Di-
                                                                  mension ihres Agierens haben dabei
                                                                  genauso wenig Platz wie der jüngst
                                                                  vorgetragene, von Wirtschaftsminister
                                                                  Brüderle aber gleich scharf zurückge-
                                                                  wiesene EU-Vorschlag zur Einführung
                                                                  einer Rohstoffsteuer. Der Überkonsum
                                                                  und ungerechte, weil nicht globalisier-
                                                                  bare Ressourcenhunger Europas wird
  „Sehr gut, mein      primär in der Eigenverantwortung der       kein bisschen in Frage gestellt.
   Lieber. Und wo      Privatwirtschaft. Die Bundesregierung
investierenen wir      fördert die Industrie bei ihrem Enga-      Der BDI mischt mit
 nun?“: Karikatur      gement in Lateinamerika durch breite          Dem Bundesverband der Deutschen
   von Amigos de       Unterstützung und Flankierung im           Industrie (BDI) wurde auf dessen Roh-
    Tierra, Mexiko     Rahmen der Außenwirtschaftspolitik.“       stoffkongressen 2005 und 2007 von
                       Die Bundesregierung, heißt es in dem       Kanzlerin Merkel die enge Zusammen-
                       Papier weiter, „begleitet konkrete Vor-    arbeit zugesichert. Gemeinsam wurde
                       haben der Industrie beim Zugang zu         bis 2007 das Papier „Elemente einer
                       Rohstoffen in Lateinamerika und leistet    deutschen Rohstoffstrategie“ erarbei-
                       – soweit möglich – einzelfallbezogene      tet. Für dessen praktische Umsetzung
                       Unterstützung“. Auch setze sie sich „für   wurde unter anderem der Interministe-
                       den Abbau von Barrieren beim Zugang        rielle Ausschuss Rohstoffe unter Feder-
                       zu Rohstoffen ein, um funktionierende      führung des Bundeswirtschaftsministe-
                       Märkte und Wettbewerb zu garantie-         riums eingerichtet, an dem auch der
                       ren“. Als Beispiele für solche Barrieren   BDI regelmäßig mitwirkt. Im Herbst
                       sieht die schwarz-gelbe Regierung „auf     2010 soll auf einem Kongress der Indus-
                       Seiten Lateinamerikas Exportsteuern,       trie die weiter ausgearbeitete deutsche
                       auf Seiten der EU hohe Außenzölle für      Rohstoffstrategie vorgestellt werden.
                       nachwachsende Rohstoffe“.                  Bei all dem gilt: Eine aktive Beteiligung
                          Zwar spricht die Regierung zudem        von      Nichtregierungsorganisationen
                       von der Umweltverträglichkeit und          wird vom Wirtschaftsministerium und
                       Nachhaltigkeit der Ressourcennutzung       der Wirtschaft entschieden abgelehnt.
                       und unterstützt die Extractive Indus-      Schließlich, so die Begründung, gehe
                       tries Transparency Initiative (EITI).      es um Industriepolitik.
                       Letztere wurde 2003 auf dem G8-Gipfel         Nicht anders das Bild auf Europae-
                       in Évian-les-Bains ins Leben gerufen,      bene: EU-Vizepräsident Günter Ver-
                       um die Korruption in rohstoffreichen       heugen (SPD) stellte im November

   6   Presente September 2010
Rohstoffe                           Thema

                                                           Die Kehrseite des
                                                           Goldes: Anti-Mi-
                                                           nen-Plakat aus
                                                           Costa Rica

                                                       zum       EU-Mittelamerika-Ab-
                                                       kommen im Mai dieses Jah-
                                                       res berichtete die europäische
                                                       Generaldirektion Handel in
                                                       ihrem jüngsten Fortschrittsbe-
                                                       richt zur Umsetzung der EU-
                                                       Rohstoffstrategie dann auch
                                                       zufrieden, das Abkommen ent-
                                                       halte „ein generelles Verbot von
                                                       Exportsteuern“; nur bei einigen
                                                       Agrarexportsteuern Guatema-
                                                       las und Costa Ricas seien noch
                                                       Übergangsfristen eingeräumt
                                                       worden.

                                                       Freihandelsstrategien
                                                          Fazit: Der Wettlauf der groß-
2008 die Raw-Materials-Strategie der         en Volkswirtschaften um Ressourcen ver-
EU vor, die ebenfalls den „diskriminie-      schärft sich. Deutschland und die Euro-
rungsfreien Zugang zu Rohstoffen auf         päische Union haben zusammen mit der
dem Weltmarkt“ – sprich: Freihandel mit      Wirtschaft Rohstoffstrategien entwickelt
Ressourcen – als einen wichtigen Grund-      und drängen außenwirtschaftspolitisch
pfeiler nennt. Zuvor hatte bereits 2006      – auch gegenüber Mittelamerika – auf
die Bundesregierung eine stärkere Be-        immer mehr Freihandel mit Ressourcen.
rücksichtigung industrieller Rohstoffinte-   Wirkliche zivilgesellschaftliche oder par-
ressen im Rahmen der handelspolitischen      lamentarische Beteiligung findet nicht
EU-Strategie „Global Europe“ durchge-        statt. Entwicklungspolitische, menschen-
setzt. Diese wird bis Ende 2010 überarbei-   und arbeitsrechtliche, soziale sowie öko-
tet, und dem Vernehmen nach wird gera-       logische Interessen bleiben marginal.
de auch der Ressourcenaspekt nun noch        Höchste Zeit also für eine alternative
höher gewichtet werden als bisher.           Rohstoffstrategie von unten.
   Ein zentrales Instrument zur Durch-
setzung europäischer Rohstoffinteressen       Peter Fuchs ist Vorstand von PowerShift.
sind dabei die neuen bilateralen Freihan-     Die Organisation setzt sich für eine öko-
delsabkommen. Mit diesen versucht die         logisch-solidarische Energie- und Welt-
                                              wirtschaft ein. Infos hierzu gibt es unter
EU weitreichende „WTO plus“-Ergebnisse
                                              www.power-shift.de. Das in dem Beitrag
etwa mit Korea, Indien, Peru, Kolumbien       angeführte Regierungspapier findet sich
und auch Mittelamerika festzuschreiben.       unter www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/
Über den Abschluss der Verhandlungen          Infoservice/Broschueren/LAK-Konzept.pdf.

                                                                             Presente September 2010   7
thema                     Rohstoffe

    Des Lebens nicht sicher
    Im mexikanischen Oaxaca spaltet ein Goldbergbau-Vorhaben eine Gemeinde.
    GegnerInnen des Projektes geraten unter Druck – und in Lebensgefahr. So auch
    katholische Befreiungstheologen, die sich auf die Seite der Betroffenen gestellt
    haben.
    Text: Alexander Debusman

      Dass im Kampf um Minenprojekte Men- projekte und im Kampf für die Rechte Indigener
    schenleben mitunter wenig gelten, ist seit dem einen Namen gemacht. Das Menschenrechts-
    vergangenen Sommer aus El Salvador nur allzu zentrum Bartolomé Carrasco Briseño (BARC)

                                                                                                    Fotos: soupshow, Indymedia Chiapas, Revoluciona
    bekannt. Doch auch andern-                               fürchtet um ihre Sicherheit.
    orts ist es gefährlich, gegen     Tag und Nacht bebte      Die Tortur von Padre Martín Octa-
    entsprechende Vorhaben Stel-      der Boden, in den      vio García Ortiz nahm hierbei am 19.
    lung zu beziehen: Im Konflikt     Häusern enststanden    Juni dieses Jahres in dem Dorf San
    zwischen      multinationalen     Risse, Brunnen         José del Progreso ihren Anfang, als
    Bergbaukonzernen und der          versiegten.            er entführt und misshandelt wurde.
    indigenen Bevölkerung im                                 Stunden zuvor waren in der Nähe
    mexikanischen Oaxaca, welcher sich an dem in des Ortes bei einem Zusammenstoß zwischen
    der Region geplanten Goldbergbau entzündet BefürworterInnen und GegnerInnen der ka-
    hat, sind zwei katholische Befreiungstheologen nadischen Goldmine Fortuna Silver/Cuscatlán
    ins Kreuzfeuer geraten. In dem südlichen me- zwei Personen getötet und mehrere verletzt
    xikanischen Bundesstaat veranstalten die Berg- worden. Der Bürgermeister Oscar Venancio
    baulobby und Mitglieder der ausgehenden Re- Martínez Rivera und sein Mitarbeiter Félix Mi-
    gierung von Gouverneur Ulises Ruiz mit Hilfe sael Hernández, die beide für das Minenunter-
    der von ihnen kontrollierten Medien eine Hetz- nehmen arbeiteten, waren erschossen worden,
    jagd auf die beiden Pastoren Martín Octavio als Einheimische versuchten, den Abtransport
    García Ortiz und Wilfrido Mayrén Peláez. Die von Kies für den Ausbau einer Straße zu verhin-
    beiden haben sich im Widerstand gegen Minen- dern. Zwei Stunden später wurde Padre Martín

8   Presente September 2010
Die Bevölkerung Oaxacas protestiert: LehrerInnen für die Freilas-
                                          sung politischer Gefangener, Bauern mit Macheten gegen das Mi-
                                          nenunternehmen Fortuna Silver. Der mexikanische Staat reagiert
                                          mit Spaltung und Repression.

auf seinem Weg zur Messe von Leuten aus der       inhaberInnen Land abgekauft und sich so für 30
Gruppe um den Bürgermeister gekidnappt,           Jahre die Nutzungsrechte für 200 Hektar Land
brutal geschlagen und bis in die Nacht hinein     gesichert. Die Rechtmäßigkeit ist äußerst zwei-
misshandelt.                                      felhaft, da die Gemeindeversammlung einer
                                                  Privatisierung ihrer kommunalen Besitztümer
Parteiliche Polizei                               nie zugestimmt hat und die einzelnen Parzellen
  Die Staatspolizei erreichte am Abend den Ort    daher noch unveräußerliches Gemeindeland
San José und fahndete nach den an der Schieße-    darstellen. 2008 wurde die Mine von dem in
rei Beteiligten. Dabei wurde Padre Martín zwar    Vancouver ansässigen multinationalen Konzern
gefunden – aber nicht etwa befreit, sondern zu-   Fortuna Silver aufgekauft, der seither aggressiv
sammen mit neun weiteren MinengegnerInnen         die Vorbereitungen für den Mitte nächsten Jah-
festgenommen und nach Oaxaca gebracht.            res vorgesehenen Goldabbau vorantreibt. Das
Nach 12 Tagen Haft wurde er auf Druck des         Management des Konzerns, der auch an der
Menschenrechtszentrums BARC freigelassen.         Frankfurter Börse notiert ist und einen bedeu-
  Der Widerstand gegen die 50 Kilometer           tenden Anteil deutscher InvestorInnen hat, ist
südlich von Oaxaca-Stadt gelegene Gold- und       fest in den Händen der kanadisch-peruanischen
Silbermine begann vor zwei Jahren, als die Ex-    Oligarchenfamilie Ganoza-Durant.
plosionen unterirdischer Sprengarbeiten die Be-
wohnerInnen der umliegenden zapotekischen         Blockade mit Gewalt geräumt
Gemeinden aus dem Schlaf rissen. Tag und            Alarmiert wegen der drohenden Vergiftung
Nacht bebte der Boden, in den Häusern ent-        ihres Grundwassers durch die geplante Gold-
standen Risse, Brunnen versiegten. Mit Hilfe      gewinnung, besetzten im März 2009 rund 100
eines bestehenden Netzwerks um Padre Martín       Familien aus den umliegenden Gemeinden
begannen sich die Betroffenen zu organisieren.    die Mine und legten für knapp zwei Monate
  Bereits 2005 hatte das kanadische Bergbau-      die Spreng- und Bohrarbeiten lahm. Zwei Mo-
unternehmen Continuum Resources in San            nate später räumten 1000 PolizistInnen unter
José del Progreso Bodenproben vorgenommen,        Schlagstockeinsatz die Blockaden der Besetze-
Schürferlaubnisse beantragt, einigen Parzellen-   rInnen.

                                                                          Presente September 2010    9
thema                     Rohstoffe

                                                 Inzwischen gelang es der Minengesellschaft
                                              mit Hilfe von Repression, Bestechungsgeldern
                                              und einer Reihe von absurden Arbeitsbeschaf-
                                              fungsmaßnahmen, ein Drittel der Bewohne-
                                              rInnen San Josés auf ihre Seite zu bekommen
                                              und die Gemeinde zu spalten.
                                                 In den vergangenen Monaten spitzten sich
                                              die Ereignisse zu. Der mexikanische Präsident
                                              Calderón reiste im Mai dieses Jahres nach Kanada
                                              und versicherte dort den VertreterInnen von In-
                                              dustrie und Regierung, dass er für die in Mexiko
                                              getätigten Investitionen im Bergbausektor garan-

             ür ein Land
                                              tiere. Nach seiner Rückkehr kam es an mehreren
       n g f
    nu
                                              mexikanischen Minenstandorten zur Eskalation
                  s
Hoff atisierte leuchtetdor                    von Konflikten. Auch in San José del Progreso
                  e
traum agung b El Salva
                                              gab es vermehrt Auseinandersetzungen, bis hin
      stt     für                             zu jenen Ereignissen vom 19. Juni.
 Herbpektiven                                 Fortuna Silver profitiert
 Pers
                                                 Von der Eskalation im Tal von Ocotlán profi-
                                              tiert der multinationale Minenkonzern Fortuna
El Salvador zählt zu den gewalttätigsten      Silver am meisten, denn eine durch Konflikte ge-
Ländern der Erde. Welche Handlungs-           spaltene Bevölkerung leistet weniger Widerstand.
räume hat die linke Regierung Funes im        Am 4. Juli wäre eigentlich der Bürgermeister von
Kampf gegen Gewalt, Korruption und            San José durch Neuwahl ausgetauscht worden,
Armut? Wo sieht die salvadorianische          was die Situation voraussichtlich erst einmal
Zivilgesellschaft Wege aus der Gewalt-        entschärft hätte. Aufgrund des Konflikts wurden
spirale?                                      die Kommunalwahlen für diesen Distrikt aber
                                              bis auf weiteres abgesagt. Stattdessen wird wohl
Hierum dreht sich am 2. und 3. Oktober        noch ein vom derzeitigen Gouverneur Ulises
die Herbsttagung der Christlichen Initiati-   Ruiz ernannter Verwalter eingesetzt werden. Die
ve Romero in Kooperation mit der Akade-       Staatspolizei patrouilliert in den Straßen von San
mie Franz-Hitze-Haus in Münster. Unter        José und in den Gemeinden der Umgebung.
                                                 Padre Martín, der regelmäßig anonyme Mord-
dem Motto „El Salvador zwischen Auf-
                                              drohungen erhält, seit er die MinengegnerInnen
bruch und Gewalt – 30 Jahre nach der Er-
                                              in San José zu unterstützen begann, ist aufgrund
mordung von Erzbischof Romero“ be-
                                              der akuten Gefährdung nicht wieder in seine Ge-
leuchten ReferentInnen aus Deutschland
                                              meinde zurückgekehrt. Er lebt seither im Exil.
und El Salvador die Situation in dem mit-
telamerikanischen Land. Hierbei schlagen
sie eine Brücke zu Oscar Romero, der wei-     Alexander Debusman ist freier Journalist. Er
terhin die Hoffnung auf eine bessere Zu-      hält sich derzeit in Mexiko auf. Der hier ge-
kunft des traumatisierten Landes symbo-       kürzt wiedergegebene Beitrag ist vollständig
lisiert.                                      in dem Lateinamerika-Nachrichtendienst poo-
                                              nal erschienen (www.npla.de/de/poonal/2959-
Das Programm ist im CIR-Büro erhältlich.      konflikt-um-goldmine-muendet-in-hetzjagd-
Hier ist auch eine Anmeldung möglich.         auf-befreiungstheologen).

 10   Presente September 2010
Rohstoffe                         Thema

                                      Land des Goldes                                                                          Umweltzerstö-
                                                                                                                               rung, soweit das
                                                                                                                               Auge reicht: Mi-
                                      In El Salvador sorgen Minenprojekte für Proteste. Auch der Staat                         nen in Zentrala-
                                      selbst wehrt sich gegen ausländische Konzerne, die vor internatio-                       merika

                                      nale Gerichte ziehen, wenn man sich ihrer Zudringlichkeit nicht
                                      willfährig unterwirft.
                                      Text: Ulf Baumgärtner

                                      W
                                                 er von der Schmuckstadt        der vom mexikanischen Bundesstaat
                                                 Santa Rosa de Lima, dem        San Luis Potosí bis nach Panama reicht.
                                                 ostsalvadorianischen Pforz-    Allein im kleinen salvadorianischen
                                      heim, nach Norden fährt, stößt irgend-    Abschnitt dieser mesoamerikanischen
                                      wann auf eine riesige Kirche auf freiem   Ader wurden vor allem von 1999 bis
                                      Gelände – die „Goldkirche“ von Copetil-   2004 unter der ARENA-Regierung
Fotos: André Hagel, james Rodriguez

                                      los. Der Beiname von Santa Rosa, die      Francisco Flores’ 29 Explorationskon-
                                      Kirche und Menschen, die auf der Su-      zessionen vergeben. Als der Goldpreis
                                      che nach Resten des Edelmetalls unter     zu Beginn des neuen Jahrtausends
                                      Lebensgefahr in die alten Stollen krie-   wieder anzog – seit 2001 hat er sich fast
                                      chen, legen Zeugnis ab vom histo-         verdreifacht –, aktivierten die überwie-
                                      rischen Goldbergbau in den Provinzen      gend kanadischen und US-amerika-
                                      Morazán und La Unión. Der „alte“ Berg-    nischen Bergbauunternehmen ihre
                                      bau wurde in den Jahren zwischen 1980     Konzessionen.
                                      und 1990 weitgehend aufgegeben, weil        Im Unterschied zum historischen
                                      die internationalen Goldpreise damals     Goldabbau ginge es bei der Ausbeu-
                                      sanken und die Kosten zu hoch wur-        tung des aus dem Weltall erspähten
                                      den. Dann wurde per Satellit ein Gürtel   Reichtums um niedrige Konzentrati-
                                      edelmetallhaltigen Gesteins entdeckt,     onen von zwei bis fünf Prozent. Hierfür

                                                                                                                  Presente September 2010   11
thema                     Rohstoffe

                     eignet sich jenes Verfahren am besten,     in diesem Jahr die EU-Kommission auf-
                     das man in den Bergbauwissenschaften       gefordert, die Zyanid-Wäsche vollständig
                     Raubbau nennt und das auch als Tage-       zu verbieten.
                     bau bekannt ist. Dabei werden die Edel-      Die Versauerung des Flüsschens San
                     metalle mit Zyanid ausgewaschen. Um        Sebastián im salvadorianischen La Uni-
                     eine Unze Gold zu bekommen, werden         ón, verursacht durch den Eintrag von
                     20 Tonnen Geröll und Erde mit Zyanid,      Schwermetallen wie Blei, Kupfer, Ei-
                     das in über 1000 Liter Wasser pro Mi-      sen, Zink und Nickel aus der Goldmi-
                     nute gelöst ist, ausgewaschen. Zurück      ne der US-amerikanischen Commerce
                     bleiben große Mengen von Giftbrühe,        Group, ist derweil in mehreren Untersu-
                     die in Auffangbecken „gelagert“ wer-       chungen nachgewiesen worden. Ebenso
                     den. Vergiftete Gesteins- und Erdmas-      ihr ursächlicher Zusammenhang mit
                     sen, aus denen mit Schwermetallen          Krankheiten wie Anämie, Haut- und Au-
                     belastetes Wasser sickert…                 genentzündungen, Niereninsuffizienz
                                                                und Gedächtnisschwund bei Menschen,
                     Tödliches Zyanid                           die das belastete Wasser trinken.
                       Die Brisanz dessen ist auch in Euro-       In den zerklüfteten Nordprovinzen
                     pa bekannt: Als vor einiger Zeit ein Zy-   El Salvadors, wo die Goldlegende ihren
                     anid-Auffangbecken im rumänischen          Anfang nahm, liegt das neue Konzessi-
                     Baia Mare brach, ergossen sich 100.000     onsgebiet „El Dorado“ der kanadischen
                     Kubikmeter verseuchtes Wasser in die       Pacific Rim, genauer gesagt im Munizip
                     Theiß, den zweitlängsten Nebenfluss        San Isidro, das zum Departement Caba-
                     der Donau. Das Europaparlament hat         ñas gehört. Die Gebiete der Commerce

                                           Gegen die Projekte des
                                                  Todes
                                IPES, das Permakulturinstitut        schen zu zerstören drohen, mit
                                El Salvadors, stemmt sich ent-       Schulungen zur „Permakultur“.
                                schieden gegen die „Projekte         Damit ist eine schonende, öko-
                                des Todes“, wie sie die Betrof-      logische Landwirtschaft ge-
                                fenen nennen: große Staudäm-         meint, die auf dem überlieferten
                                me zur Stromerzeugung und            Wissen vieler Generationen auf-
                                Minen, um Bodenschätze aus-          baut. Die Kleinbauern und -bäu-
                                zubeuten – zum Nutzen weni-          erinnen lernen Methoden ken-
                                ger. IPES kombiniert den poli-       nen, die sie befähigen, im Ein-
                                tischen Kampf gegen diese            klang mit der Natur zu arbeiten
                                Vorhaben, die die Natur und          – zugunsten von Mensch und
                                den Lebensraum vieler Men-           Umwelt.
                                                                                                           Fotos: XXXXX

                                                     stichwort »IPES«
                                                    Helfen Sie mit Ihrer Spende!

12   Presente September 2010
Rohstoffe                         Thema

                                               Group befinden sich in San Sebastián,      vestitions-
                                               im Departement La Unión. In diesen         konflikten
                                               Landstrichen leben vor allem Arme.         (ICSID),
                                               Besonders in San Isidro ist der lokale     das     bei
                                               Widerstand heftig, und auf nationaler      der Welt-
                                               Ebene hat sich längst der „Nationale       bank an-
                                               Runde Tisch gegen den Metallbergbau“       gesiedelt
                                               gebildet. Das weltweit gewachsene Um-      ist.    In-
                                               weltbewusstsein, das in Kämpfen gegen      zwischen
                                               Großprojekte wie Wasser- und Atom-         hat sich
                                               kraftwerke, Autobahnen, Wasserstra-        das drei-
                                               ßen und eben auch gegen den Tagebau        köpfige
                                               zur Tat schreitet, hat dazu beigetragen,   Schieds-
                                               dass San Isidro und San Sebastián zu       gericht
                                               Brennpunkten jüngerer Auseinander-         konsti-
                                               setzungen geworden sind. Inzwischen        tuiert,
                                               sind nicht nur soziale Gruppen und         Ende Juli
                                               Nichtregierungsorganisationen einhel-      haben die
                                               lig gegen die Minenprojekte, sondern       Verhand-
                                               ebenso Intellektuelle, KünstlerInnen,      lungen
                                               Glaubensgemeinschaften und sogar           begonnen.
                                                                                                                                       Zielvorgabe Profit:
                                               die katholische Kirche. Bereits die           Das ICSID ist ein wesentlicher Be-
                                                                                                                                       Goldsucher der
                                               letzte, von 2004 bis 2009 amtierende       standteil der Freihandelsverträge, wel-
                                                                                                                                       Pacific Rim bei der
                                               ARENA-Regierung unter Tony Saca            che seit dem 1994 in Kraft getretenen
                                                                                                                                       Arbeit
                                               hat keine neuen Explorations- und erst     Prototyp NAFTA – Beteiligte: Kanada,
                                               recht keine Abbaukonzessionen erteilt.     USA und Mexiko – Lateinamerika wie
                                               Und auch die neue FMLN-Regierung           ein Spinnennetz überzogen haben. Die-
                                               unter Mauricio Funes hat sich beeilt zu    se Verträge erlauben es transnationalen
                                               erklären, es werde keine weiteren Ex-      Unternehmen, nicht nur Schadenser-
                                               plorationskonzessionen geben.              satz für getätigte, sondern auch für ge-
Fotos: André Hagel, Pacific Rim Mining Corp.

                                                                                          plante Investitionen einzuklagen, wenn
                                               Schadensersatz für                         zum Beispiel eine Bergbaukonzession
                                               Pacific Rim                                aus Gründen des Umweltschutzes zu-
                                                  Die Explorationskonzession der          rückgezogen wird. Für El Salvador ist
                                               Commerce Group stammt bereits von          jener unter dem Kürzel CAFTA-DR
                                               1986. Im Jahr 1999 stellte das Unter-      firmierende, seit 2004 gültige Freihan-
                                               nehmen seine Operationen ein, bean-        delsvertrag zwischen den USA, Mittel-
                                               tragte und bekam aber 2004 eine neue       amerika und der Dominikanischen Re-
                                               Abbaukonzession, und zwar für 30 Jah-      publik bindend.
                                               re. Der wachsende Widerstand gegen            Im älteren Streit zwischen der kana-
                                               den Raubbau veranlasste die Regierung      dischen Pacific Rim und El Salvador hat
                                               Saca, diese Konzession zurückzuzie-        das zuständige ICSID-Schiedsgericht
                                               hen. Darauf ging der Konzern mit ei-       Anfang August den Antrag des Staates
                                               ner 100 Millionen US-Dollar schweren       abgelehnt, die Schadensersatzklage
                                               Schadensersatzklage vor das Internatio-    auf 77 Millionen Dollar als willkürlich
                                               nale Zentrum für Schlichtungen bei In-     zurückzuweisen. Die Rechtsvertrete-

                                                                                                                           Presente September 2010   13
thema                       rohstoffe

Das Gebaren der      rInnen El Salvadors hatten nicht in Ab-        dem vergangenen Jahr aber nicht mehr
Pacific Rim Mi-      rede gestellt, dass das Unternehmen            nur um einen Rechtsstreit: Zwischen Juni
ning Corporation     seinerzeit eine Explorationslizenz be-         und Dezember 2009 wurden vier Gegene-
schürt den Zorn      kommen hat, wohl aber, dass die Erlaub-        rInnen des Metallbergbaus umgebracht.
vieler Salvadoria-   nis zu Probeschürfungen automatisch            Nur im Fall der Ermordung Marcelo Ri-
nerInnen...          eine Abbaukonzession nach sich ziehen          veras (siehe presente 3/2009), Aktivist des
                     muss. El Salvador argumentierte ferner,        Umweltkomitees von Cabañas, das neben
                     dass der Mutterkonzern in diesem Fall          dem Lokalsender Radio Victoria den Wi-
                     kanadisch und deshalb nicht CAFTA-             derstand gegen das Pacific-Rim-Projekt
                     DR-relevant sei, auch dass die klagende        trägt, hat ein Gerichtsverfahren begon-
                     Tochterfirma Pacific Rim Cayman erst           nen. KennerInnen der Vorgeschichte ge-
                     2007 ihren Sitz von den britischen Cay-        hen davon aus, dass der Bergbaukonzern
                     man-Inseln in den US-Bundesstaat Ne-           nicht direkt „eingegriffen“ hat, sondern
                     vada verlegt habe, als der Konflikt bereits    es sich vielmehr um eine Auseinander-
                     ausgebrochen war. Schließlich machte           setzung zwischen BefürworterInnen und
                     der Staat geltend, dass von einer even-        GegnerInnen der Mine handelt.
                     tuellen Schadensersatzsumme die Ko-
                     sten jenes Schadens abgezogen werden           Runder Tisch will Gesetz
                     müssten, den die Mine ihrerseits verur-          Auch wenn der direkte Widerstand
                     sacht hat, indem sie Oberflächen- und          ungebrochen bleibt, haben die beiden
                     Grundwasser sowie Böden verseuchte –           ICSID-Verfahren den Konflikt auf eine
                     und damit die Gesundheit der Bevölke-          andere Ebene gehoben. Der Runde Tisch
                     rung schädigte. Das Schiedsgericht hat         wiederum mobilisiert für ein Gesetz. Mit
                     den Wahrheitsgehalt der Einlassungen           dessen Hilfe soll dem Zyanid-Bergbau
                     El Salvadors nicht bestritten, aber erklärt,   vollständig ein Ende bereitet werden.
                     dass sie in dem angelaufenen Verfahren
                                                                    Ulf Baumgärtner ist Mitarbeiter der sal-
                     nicht zulässig seien.                          vadorianischen Nichtregierungsorgani-
                       Das Verfahren Pacific Rim vs. El Salva-      sation Pro Búsqueda de Niñas y Niños
                     dor geht weiter. In San Isidro geht es seit    Desaparecidos. Er lebt in San Salvador.

  14   Presente September 2010
Rohstoffe                          Thema

                                                               Ein täuschendes Metall
                                                               Gold weckt die Gier: In der Hochlandregion von San Marcos in Guatemala
                                                               werden auf Kosten Indigener und ihrer Umwelt Schätze gehoben. Nach einer
                                                               Verfügung der Interamerikanischen Menschenrechtkommission schöpfen die
                                                               Betroffenen wieder Hoffnung.

                                                               Text: Albrecht Schwarzkopf (CIR)

                                                               W
                                                                           er die Berge der        SchatzsucherInnen bestätigt        für sie keine Rolle. Für Monse-
                                                                           Schweiz mag, wird       sehen: Der Preis liegt mittler-    ñor Ramazzini und die Comisi-
                                                                           sich auch in denen      weile bei 1250 Dollar. Dies auch   on Pastoral por Paz y Ecología
                                                               Guatemalas wohlfühlen. Berge        bedingt durch die Finanzkrise,     (COPAE) seiner Diözese, die
                                                               hüten     Geheimnisse,        die   die alle FinanzbankerInnen         sich gegen das Marlin-Projekt
                                                               manchmal gelüftet werden…           ungeachtet der von ihnen so        sträuben, ist Letzteres dagegen
                                                                 Offensichtlich hatte die Mon-     hoch gepriesenen Hedge- und        eine harte Nuss. Ihr Kampf ge-
                                                               tana Exploradora S.A. – eine                                           gen die Goldmine in der Sierra
                                                               Aktiengesellschaft, die zu der                                         ist offensichtlich gefährlich:
                                                               im kanadischen Vancouver                                                   Bereits 2009 gab es einen
Fotos: Photocase.Com, Programa Laboral de Desarrollo(PLADES)

                                                               beheimateten Goldcorp Inc.                                                   Anschlag auf Anti-Mi-
                                                               gehört – Wind davon be-                                                         nen-AktivistInnen. Am
                                                               kommen, dass es in der                                                           7. Juli dieses Jahres
                                                               Diözese von Bischof                                                                drangen abends um
                                                               Alvaro Ramazzini in                                                                halb acht zwei un-
                                                               San Marcos nicht nur                                                                bekannte Männer in
                                                               Geheimnisse zu lüften,                                                              das Haus von Diodo-
                                                               sondern auch Schät-                                                                ra Hernández, einer
                                                               ze zu heben gibt. Sie                                                              führenden Vertrete-
                                                               suchte in den hochge-                                                             rin der Bewegung ge-
                                                               legenen Gemeinden San                                                            gen die Marlin-Mine,
                                                               Miguel Ixtahuacán und Si-                                                      ein. Hernández lebt in
                                                               pakapa – und wurde fündig:                                                  San Miguel Ixtahuacán.
                                                               Gold.                                                                    Die Eindringlinge schossen
                                                                 Seither hebt das Unterneh-                                           ihr in das rechte Auge. Nach
                                                               men diesen Schatz im Tagebau        We c h -                           dem umgehenden Transport
                                                               in der Bergbaumine Marlin.          selkurs-Fonds mit ihren eige-      in ein Krankenhaus und einer
                                                               Das Timing war perfekt: 2005,       nen Wertmitteln nach dem           Operation am 11. Juli ist ihr Zu-
                                                               nachdem die Montana Explo-          Crash in goldene Sachwerte         stand stabil, auch wenn die Fol-
                                                               radora die Konzession von der       flüchten ließ.                     gen des Schusses noch nicht
                                                               guatemaltekischen Regierung            Den so eklatant gescheiterten   absehbar sind.
                                                               erhalten hatte, lag der Goldpreis   FinanzexpertInnen ist ihre ei-        Nach jahrelangem Kampf
                                                               bei etwa 400 Dollar je Fein-        gene Absicherung wichtig, die      gegen das Mega-Bergbaupro-
                                                               unze. Heute können sich die         Folgen des Schürfens spielen       jekt haben die indianischen

                                                                                                                                             Presente September 2010      15
thema                     Rohstoffe

     Gemeinschaften von Sipakapa      das Vorhaben und fordert des-     mie-Unternehmen hergestellt
     und San Miguel Ixtahuacán        sen Einstellung, ebenso die       wird, blieb nach dem Besuch
     seit dem 20. Mai dieses Jahres   Friedensnobelpreisträgerin Ri-    aber untätig.
     wieder Hoffnung geschöpft:       goberta Menchú.                     Eine aktuelle Wasseranaly-
     Die Interamerikanische Men-         „Die Mine braucht über         se der COPAE in der Diözese
     schenrechtskommission hat        40.000 Liter Wasser pro Stun-     San Marcos stellt grundsätzlich
     einstweilige Verfügungen zu-     de – im Vergleich zu einer        fest, dass einige der Flüsse im
     gunsten der Gemeinschaften       durchschnittlichen     Bauern-    Goldminengebiet bereits zuvor
     erlassen und den Stopp der       familie, die Zugang zu zirka      unter Wassermangel gelitten
     Goldcorp-Bergbauaktivitäten in   70 Liter Wasser pro Tag hat,      hätten. Schon dieser Umstand,
     der Marlin-Mine angeordnet.      vorausgesetzt, sie hat einen      so sollte man meinen, hätte bei
        Das Goldminenprojekt, das     Wasseranschluss“, stellt der-     einer seriösen Planung des Pro-
     angeblich den Gemeinden          weil Juan José Monterroso vom     jektes berücksichtigt werden

                                                                                                          Fotos: Sebastian Rötters (FIAN), James Rodriguez
     Wohlstand und Arbeitsplätze      Movimiento de Trabajadores        müssen. Weiterhin stellt die
     bringen sollte, wurde durch      del Campo zu möglichen Fol-       Kommission im Hinblick auf
     einen Kredit der International   gen des Projektes fest. Die       die drei untersuchten Orte des
     Finance Corporation (IFC),       Bewegung der Landarbeite-         Flusslaufes, an denen sie Was-
     dem unternehmerischen Arm        rInnen ist Projektpartnerin der   serproben entnahm, fest, dass
     der Weltbank, in Höhe von        Christlichen Initiative Rome-     sie mit Metallen und Nitraten
     45 Millionen US-Dollar finan-    ro. Bereits im Februar 2005       belastet seien, und zwar unter-
     ziert. Die Gemeinden selbst,     sprach die CIR zusammen mit       halb der Mine Marlin. Ebenso
     verschiedene soziale Bewe-       Monseñor Ramazzini im Bun-        zeigt COPAE auf, dass diese
     gungen und die katholische       desministerium für wirtschaft-    Werte Grenzwerte überstei-
     Kirche – Letztere angeführt      liche Zusammenarbeit vor, da      gen, welche die Weltbank für
     von Monseñor Ramazzini –         die beim Goldwaschen hoch in      Minenprojekte vorgeschrieben
     leisten bis heute heftigen Wi-   den Bergen gebrauchte Zyanid-     hat. Darüber hinaus liegen die
     derstand. Neben dem Bischof      lauge das Wassersystem weiter     ermittelten Werte jenseits von
     von San Marcos kritisiert auch   unten bedroht. Das Ministe-       der US-Umweltbehörde und
     der Vorsitzende der guatemal-    rium in Berlin dürfte gewusst     dem guatemaltekischen Um-
     tekischen Bischofskonferenz,     haben, dass Zyanid auch von       weltministerium festgesetzter
     Erzbischof Rodolfo Quezada,      den großen deutschen Che-         Grenzen.

16   Presente September 2010
Rohstoffe                         Thema

Gold auf Kosten von Menschen: Die Marlin-Mine
in Guatemala (links) und von den negativen Fol-
gen des Bergbaus betroffene Frau

      Die BewohnerInnen der           lehnt, ähnlich die Gemeinde-       sten, um sich als jemand zu
    Hochlandregion von San Mar-       abstimmung in San Miguel           fühlen. Und jene, die damit in
    cos sind arme Leute, sie spre-    Ixtahuacán.                        Ruhe leben konnten. Das Gold
    chen die indianische Sprache         Fernando Suazo, ein guate-      war schon immer Komplize
    Mam und bekommen wenig            maltekischer      Kommentator,     der Ersteren: Sie brauchen es,
    von dem Glanz des Goldes zu       schreibt zu den Vorgängen:         um sich der Illusion hingeben
    sehen. Deshalb sind sie gegen     „Wie das Gold und das Wasser       zu können, sie seien mehr und
    die Mine: Bei einer Befragung     gab es auch schon immer zwei-      besser als die anderen. Denn
    im Juni 2005 haben 97 Prozent     erlei Sorten von Menschen:         Gold ist vor allem eines: ein
    der BewohnerInnen von Sipa-       jene, erkrankt an alten Frustra-   täuschendes Metall.“
    kapa das Marlin-Projekt abge-     tionen, die sie bezwingen mus-

                   Gold in San Marcos nutzt Bauern nichts
      Die CIR unterstützt in San Marcos die Bewe-       Projekt und wissen uns der Unterstützung
      gung von ArbeiterInnen und Bauern (MTC).          von Monseñor Ramazzini gewiss. Wenn die
      Juan José Monterroso vom MTC beschreibt,          CIR uns unterstützen kann, können wir un-
      dass der Goldabbau für die Montana von Ge-        sere Chancen gegen das Vorhaben verbes-
      winn ist, nicht aber für die Bauern der Gegend:   sern.“ Die CIR bittet um Unterstützung.
      Das Wasser ist verschmutzt. Viele Wohn-
      häuser haben Risse aufgrund des Bergbaus.
      Die grundlegenden öffentlichen Dienstlei-
      stungen in der Hochlandgemeinden werden
      nicht angeboten. So ist die Ausbildung vieler
      Kinder aus der Region denkbar schlecht. Des-
      halb hat das MTC eine Fortbildungsstätte er-
      öffnet, um den Kindern ein Fortkommen zu
      ermöglichen. Wir organisieren mit anderen
      zusammen eine Gegenöffentlichkeit zu dem

       stichwort »Gegen Goldabbau«
          Der Mensch ist mehr Wert als Gold!                                    Presente September 2010   17
CIR-Projekte             Frauen | Soforthilfe | Arbeitsbedingungen | Arbeitende Kinder |

        Nicaragua

        Wasser ist Leben
        L
              a Cuculmeca, eine PartnerInnenorga-            die Wasserressourcen zu privatisieren. Der
              nisation der Christlichen Initiative Ro-       bedeutende Apanas-Stausee für die Wasser-
              mero mit Sitz in Jinotega, fördert seit        versorgung befindet sich inmitten von Ge-
        1990 den nachhaltigen Umgang mit der                 meinden des Departments Jinotega. Um den
        Umwelt und die Beteiligung der Gemeinden             Privatisierungsversuchen entgegenzusteu-
        an ihrer eigenen Entwicklung.                        ern, haben sich Trinkwasser- und Hygiene-
          In Nicaragua gibt es seit 1991 Versuche,           komitees gegründet, bestehend aus Frauen
                                                                und Männern, die von den Gemeinden
                                                                demokratisch gewählt wurden. Ihr Ziel
                                                                ist es, durch öffentlichen Druck und in
                                                                Koordination mit Verwaltungsinstanzen
                                                                die Wasserversorgung der ländlichen
                                                                Haushalte zu sichern und Krankheiten
                                                                durch verunreinigtes Wasser entgegen-
                                                                zuwirken. Mittlerweile gibt es ein großes
                                                                Netzwerk aus Komitees, das für den Bau
                                                                von Brunnen und Wasserpumpen sowie
                                                                für den Trinkwasserzugang von über ei-
                                                                ner Million NicaraguanerInnen sorgt.
                                                                   La Cuculmeca möchte die Komitee-
                                                                mitglieder in vier ländlichen Gemeinden
                                                                des Departments durch Workshops zur
                                                                Selbstverwaltung und politischen Ein-
                                                                flussnahme fördern. Auf diese Weise soll
                                                                die wichtige Organisierung der selbstver-
                                                                walteten Komitees bestärkt werden. Hier-
                                                                für bitten wir um Ihre Unterstützung.

                           Spendenstichwort »Wasserkomitee«

      Grundsätze unserer Projektarbeit
                                           Mit Ihrer Spende kann die Christliche Initiative Romero e.V.
      Selbstorganisation stärken und       ProjektpartnerInnen unterstützen, die sich einsetzen für
      Rechte durchsetzen                      die Selbstbestimmung von Frauen
                                              Ach­tung und Organisation arbeitender Kinder
                                              menschenwürdige Arbeitsbedingungen
                                              die Ökologie
                                              die politische Stärkung der Zivilgesellschaft
                                              die Achtung und Selbstbestimmung indigener Bevölkerung.
 18   presente September 2010
Menschenrechte | Theologie | Indigene Völker | Lokale Entwicklung | Kampagnen

        guatemala                                                          El Salvador

     Keine Gewalt!                                                 Von Frau zu Frau

     D                                                                           F
              ie indianische Aso-                                                    UNDAHMER, die Orga-
              ciacion Femenina                                                       nisation der Basisgemein-
              para el Desarrollo                                                     den, schult an sieben Or-
     de Sacatepéquez (AFEDES)                                                  ten 100 Frauen im Gesund-
     hat ihren Sitz in Santiago                                                heitsbereich und Umwelt-
     Sacatepéquez, einer Ge-                                                   schutz, in politischer Bildung
     meinde, in der es viel Ge-                                                und Formen alternativen Wirt-
     walt – auch gegen Frauen                                                  schaftens. „Wir Frauen wurden
     – gibt. Die Gewalt macht                                                  seit ewigen Zeiten als ein We-
     auch vor Familien nicht                                                   sen gesehen, das nur dazu da
     halt.                                                                     ist, um zu dienen. Man verletzt
        Amarilis Guarach, Vor-                                                 unsere Rechte, man tritt unse-
     sitzende von AFEDES, ist                                                  re Würde mit Füßen. Und zu-
     bekümmert, dass es so viel                                                meist rauben uns all diese Un-
     Zeit braucht, patriarchale                                                gerechtigkeiten auch noch die
     Strukturen aufzubrechen:                                                  Stimme“, so das Resümee ei-
     „Wir brauchen einen Schub,                                                ner Kursteilnehmerin.
     damit die Stimme von uns indianischen Frauen                     Die Frauen geben das erworbene Wissen
     gehört wird.“                                                 an ihre Nachbarinnen weiter. Schritt für
        AFEDES vergibt Mikrokredite an indianische                 Schritt entwickeln sich somit die persön-
     Frauen, um ihnen mehr wirtschaftliche Sou-                    lichen Fähigkeiten und das Bewusstsein.
     veränität zu geben. Gleichzeitig werden Kurse                 Die Frauen werden zu Akteurinnen, mi-
     durchgeführt, damit die Frauen Selbstbewusst-                 schen sich ein – und gestalten so das Leben
     sein lernen, um sich besser in ihren Familien                 in den Gemeinden neu.
     behaupten zu können.                                             Wenn Sie CEBES/FUNDAHMER dabei
        Damit AFEDES wirksam für die wirtschaft-                   unterstützen wollen, bitten wir um Ihre
     lichen und politischen Rechte der Kaqchiquel-                 Spende.
     Frauen eintreten kann, bitten wir um Spenden.

                Spendenstichwort                                          Spendenstichwort
                  »maya-Frauen«                                             »Fundamehr«

     Unsere Projekte stehen für Wege zu mehr Gerechtigkeit, zukunftsfähiger Ent-            SPENDENKONTO
     wicklung und kultureller Vielfalt und Toleranz. Wenn nötig, leistet die CIR in Mit-
     telamerika auch Notfall- und Katastrophenhilfe. Gemeinsam mit unseren Pro-             Bitte unterstützen Sie
     jektpartnerInnen sind wir für Planung, Durchführung und korrekten Einsatz der          unsere PartnerInnen in
     Gelder verantwortlich. Um unseren PartnerInnen langfristige Perspektiven geben         Mittelamerika
     zu können, sind wir auf Ihre Spenden ebenso angewiesen wie auf Zuwendungen             mit einer Spende.
     der Europäischen Union, des Weltgebetstags der Frauen oder des BMZ, des Ka-
     tholischen Fonds und des Ausschusses für entwicklungsbezogene Bildung und              Konto 3 11 22 00
     Publizistik (ABP) sowie auf Spenden aus Kirchen- und Pfarrgemeinden, Schulen           Darlehnskasse Münster
     und Eine-Welt-Läden.                                                                   BLZ 400 602 65
Infodienst
                           Soziale Verantwortung konkret

     Neues Leben
     Selbstbestimmt arbeiten, unter fairen Bedingungen produzieren – eine nicaragu-
     anische Näh-Kooperative, die über den Status einer Freihandelszone verfügt, stellt
     einen Modellfall für das Textilgewerbe dar. Doch die Arbeit hier bleibt eine tägliche
     Herausforderung.

     Text: Thomas krämer-broscheit (CIR)

     A
             ls der Hurrikan Mitch 1998 eine Spur  losenquote auf. Das Leben kocht hier auf Spar-
             der Verwüstung durch Mittelamerika    flamme. Um ihre Familien durchzubringen, se-
             zieht, stehen unzählige Menschen auch hen sich viele Frauen der Siedlung gezwungen,
     in Nicaragua unvermittelt vor dem Nichts. So  in Textilfabriken, sogenannten Maquilas, unter
     beispielsweise BewohnerInnen Managuas, die    menschenunwürdigen Bedingungen für große
     nach Nueva Vida, einer Siedlung der nahen     Bekleidungskonzerne zu arbeiten.
     Stadt Ciudad Sandino, umgesiedelt werden. Nu-    So trostlos die Situation für die Betroffenen
     eva Vida: Der Name mag für die Neuankömm-     ist, sie bildet in jenem Katastrophenjahr doch
                                                   den Anfang zu etwas wirklich Neuem: zu einer
     linge wie bittere Ironie klingen. Ihr neues Le-
     ben steht auf denkbar unsicherer Grundlage.   Freihandelszone, deren Vorteile endlich einmal
     Ciudad Sandino, benannt nach dem nicaragua-   nicht internationalen Konzernen, sondern den
     nischen Guerillaführer und Volksheld Augusto  Arbeiterinnen selbst zugute kommen.
     César Sandino, weist eine extrem hohe Arbeits-   Im Rahmen einer Kooperation des US-ame-
                                                                    rikanischen Entwicklungspro-
  COMAMUNVI-Frauen besuchen                                         jektes Center for Development in
                                                                    Central America mit dem Öko-
  Deutschland                                                       Bekleidungsanbieter Maggie’s
 Maria Elena Medina Vallejos und Sulema Mena Garay von              Organics entsteht die Idee einer
 der Frauenkooperative COMAMUNVI wollen sich während                Näh-Kooperative. Ziel: Möglichst
 einer Europareise mit Menschen austauschen, für die                viele Frauen in Nueva Vida sol-
 ethische Prinzipien und faire Arbeitsbedingungen ein wich-         len eine Alternative zur Arbeit in
 tiges Kriterium beim Einkauf sind. Gleichzeitig soll disku-        Maquilas erhalten.
 tiert werden: Welche Perspektiven haben Alternativen jen-             Die Frauen machen sich an die
 seits der Konkurrenzwirtschaft? Können durch den Kauf              Arbeit. In Eigenregie errichten
 von Produkten aus Kooperativen Arbeitsplätze in Ländern            sie ein Fabrikgebäude. Über zwei
 des Südens nachhaltig gefördert werden?                            Jahre verbringen sie 20 Stunden
                                                                    in der Woche damit, Zement zu
                                                                                                          Foto: Zündstoff

 Stationen der Reise: 2.11. Hannover; 3.11. Freiburg; 5.11.
                                                                    mischen und zu schaufeln. Nach-
                                                                    mittags verdienen sie sich ihren
 Karlsruhe; 7.11. Trier; 8.11. Münster; 10.11. Hamburg; 11.11.
                                                                    Lebensunterhalt als Straßenver-
 Lüneburg; 12.11. Berlin
                                                                    käuferinnen. Im Frühjahr 2001
   Weitere Informationen unter www.ci-romero.de                      schließlich steht die Fabrikhalle.
                                                                     Es ist die offizielle Geburtsstun-

20
Eine Freihandelszone
                                                                      mit Vorteilen für die
                                                                      ArbeiterInnen: die
                                                                      Kooperative Nueva
                                                                      Vida

                                                                     Eine für den Markt interessante
                                                                     Kombination.
                                                                        Dennoch bleibt für die mu-
                                                                     tigen Frauen von Nueva Vida die
                                                                     eigene Arbeit eine tägliche He-
                                                                     rausforderung: Für eine Freihan-
                                                                     delszone ist eine Mindestzahl
                                                                     von 30 Beschäftigten gesetzlich
                                                                     vorgeschrieben. Die Fabrik ist
                                                                     für bis zu 100 Beschäftigte aus-
de der Cooperativa Maquiladora Mujeres de Nu-        gelegt, die Auftragslage aber nicht immer ent-
eva Vida Internacional (COMAMUNVI).                  sprechend. Für die Mitglieder der Kooperative
  Seit Juli 2005 ist die Näh-Kooperative die erste   heißt das, auch in Zeiten mauer Produktion
Freihandelszone, die von Arbeiterinnen selbst        das Personalminimum nicht unterschreiten zu
verwaltet wird. Durch den Zona-Franca-Status         dürfen, will man der Vergünstigungen nicht
kommen die Frauen in den direkten Genuss von         verlustig gehen. Zudem: Von den ursprünglich
Steuervergünstigungen sowie von zollfreiem Im-       50 Frauen, die den Weg in die Kooperative an-
und Export. Auf diese Weise können sie sich im       traten, blieben am Ende zehn, die noch in der
Wettbewerb mit den Sweatshops behaupten und          Fabrik arbeiten. 30 von derzeit 40 Arbeiterinnen
trotzdem höhere Löhne und bessere Arbeitsbe-         sind einfache Angestellte. Ein Umstand, der die
dingungen bieten. So wird bei COMAMUNVI,             Kooperativen-Eigentümerinnen vor eine weitere
anders als in den herkömmlichen Fabriken,            Notwendigkeit stellt – nämlich die, die Arbeits-
neben dem staatlichen Mindestlohn von 2875           bedingungen in ihrer Fertigungsstätte unabhän-
Cordoba (zirka 130 US-Dollar) in der Regel eine      gig kontrollieren zu lassen.
zusätzliche Vergütung von 600 Cordoba (zirka
28 US-Dollar) gezahlt. Darüber hinaus werden
staatliche Studienstipendien vermittelt.             Zu diesem Beitrag finden Sie auf www.ci-
  Die Mitglieder der Kooperative, die Arbei-         romero.de zusätzlich ein Interview.
terinnen und Inhaberinnen in Personalunion
sind, treffen ihre Entscheidungen gemeinsam.                       Die Veröffentlichung des Infodienstes
                                                                   wurde mit Unterstützung der Europä-
Durch Eigeneinkauf ist die Kooperative in der                      ischen Union ermöglicht. Für den Inhalt
Lage, Komplettpakete zu T-Shirts, Taschen und                      dieser Veröffentlichung ist allein die CIR
                                                                   verantwortlich; der Inhalt kann in keiner
mehr anzubieten. Die Stoffe, die hierbei verar-                    Weise als Standpunkt der Europäischen
beitet werden, stammen aus Bio-Baumwolle.                          Union angesehen werden.

                                                                               Presente September 2010          21
MITTELAMERIKA                 eL sALVADOR

       Weil vieles noch so
       schwer wiegt
       Während des Bürgerkrieges in El Salvador wurden unzählige Kinder von Soldaten
       entführt, andere von ihren Eltern zur Adoption freigegeben. Jordan Anderson ist
       eines dieser Kinder. Nach 21 Jahren hat er seine leibliche Mutter kennen gelernt.
       Text: André hagel (CIR)

       I
           mmer wieder suchen seine Augen den Kon-        mittelamerikanischen Land gewesen, berichtet
           takt zu ihr. Doch sie schaut zur Seite, ins    Anderson. Gleichzeitig habe er sich in El Salva-
           Nichts, lässt ihren Blick schweifen, irgend-   dor aber sofort zu Hause gefühlt. Vielleicht nicht
       wohin, streng darauf bedacht, dass er sich nicht   zuletzt wegen des großen Bahnhofs, den ihm die
       mit dem seinen kreuzt. Juana Mundo sitzt auf       Familie seiner Mutter bei seiner Ankunft bereite-
       einem Stuhl in ihrem Garten, hält die Arme vor     te: „Ich war überwältigt von dem Empfangskomi-
       dem Bauch verschränkt, ist sichtlich ange-         tee“, erinnert der junge Mann sich, während er
       spannt. Zwei Stühle rechts von ihr hat Jordan      im Fond eines Pick-up-Trucks sitzt, der ruckelnd
       Anderson Platz genommen, der junge Mann,           die zehn Kilometer von San Salvador bis zum
       dessen Blicken sie so vehement ausweicht. In       nordöstlich der Hauptstadt gelegenen Tonacate-
       diesem Moment steht zwischen dem 22-Jäh-           peque zurücklegt. Dort liegt in einer Siedlung au-
       rigen aus England und der 60-jährigen Salvado-     ßerhalb der Stadt das Haus Juana Mundos. „Ich
       rianerin mehr als bloß ein freier Stuhl. Zwi-      hätte nicht erwartet, dass ich so viele Geschwister
       schen beiden liegt eine ganze Welt. Dabei sind     habe und dass sie alle zu meiner Begrüßung
       sich Juana Mundo und Jordan Anderson eigent-       kommen würden. Nur zwei meiner Schwestern,
       lich so nah, wie es nur zwei Menschen sein kön-    die in den USA leben, waren nicht dabei, dafür
       nen. Sie sind Mutter und Sohn. Aber Juana          aber sogar einige Cousins.“
       Mundo hat ihren Sohn 21 Jahre lang nicht mehr
       gesehen. Jordan Anderson hat seine Mutter erst     „Juana macht sich Vorwürfe“
       kürzlich kennen gelernt. Im Alter von einem           Die fröhliche Unbefangenheit ihrer Kinder im
       Jahr wurde er, inmitten der Wirren des salvado-    Umgang mit dem so unerwartet aus der Vergan-
       rianischen Bürgerkrieges, zur Adoption freige-     genheit aufgetauchten Bruder und Halbbruder
       geben.                                             vermag Juana Mundo nicht aufzubringen. Es dau-
          „Ich wusste nicht, was mich hier erwarten       ert lange an diesem Tag, bis sie irgendwann, wäh-
       würde“, erzählt Jordan Anderson auf der Auto-      rend eine sengende Sonne ihre Bahn über Haus
                                                                                                                Foto: andré hagel

       fahrt zum Haus Juana Mundos. „Was El Salvador      und Garten zieht, unmerklich, wie zufällig ihren
       angeht, hatte ich nur mal was von den grassie-     Blick zu dem so fremden Sohn und über diesen
       renden Bandenverbrechen gehört.“ Vor fünf Mo-      hinweg gleiten lässt, erst einmal, schließlich öf-
       naten ist er zum ersten Mal in sein Geburtsland    ter. An diesem Tag lastet ein großer Druck auf ihr,
       gekommen, hat seiner leiblichen Mutter erstma-     das ist für jeden der Anwesenden spürbar, auch
       lig gegenübergestanden. „Seltsam und befrem-       für Jordan Andersons 17 Jahre alte Halbschwester
       dend“, das sei sein erster Eindruck von dem        Helen, die ihrer Mutter zwischendurch wie zur

  22    Presente September 2010
Haben einen langen
                                                                           Weg vor sich – aber der
                                                                           Anfang ist gemacht:
                                                                           Juana Mundo und ihr
                                                                           Sohn Jordan Anderson

                                                                          derson, der nach seiner
                                                                          Adoption nach Großbri-
                                                                          tannien gelangte, bei
                                                                          seiner Adoptivmutter
                                                                          in Devon aufwuchs und
                                                                          heute bei der Londoner
                                                                          Metro arbeitet, erfuhr
                                                                          durch einen Freund von
                                                                          Pro Búsqueda, setzte
                                                                          sich mit Ulf Baumgärt-
                                                                          ner und seinen Kolle-
                                                                          gInnen in Verbindung,
                                                                          ließ sie nach seiner leib-
                                                                          lichen Mutter suchen.

                                                                          850 Fälle
                                                                             Die MitarbeiterInnen
                                                                          von Pro Búsqueda, die
                                                                          850 Fälle aus El Salva-
                                                                          dor adoptierter Kinder
Beruhigung das Haar krault.                       in ihren Akten führen, begaben sich auf die
   „Juana macht sich Vorwürfe, weil sie Jordan    Suche nach den Eltern eines am 7. Juli 1987 in
damals zur Adoption freigegeben hat“, weiß Ulf    San Salvador als José Luis Morales Mundo gebo-
Baumgärtner. Der Deutsche, der die Begegnung      renen Jungen – und stießen schließlich in Tona-
des jungen Briten mit seiner wiedergefundenen     catepeque auf Juana Mundo. Jordans leiblicher
Familie an diesem Tag moderiert und dolmetscht,   Vater war zu diesem Zeitpunkt bereits seit drei
ist Mitarbeiter von Pro Búsqueda de Niñas y       Jahren tot. „Ich habe kein Kind zur Adoption
Niños Desaparecidos. Die von der Christlichen     freigegeben“, beschied Juana Mundo zunächst
Initiative Romero unterstützte salvadorianische   die RechercheurInnen. Schließlich aber er-
Organisation hat es sich zur Aufgabe gemacht,     fuhren sie von ihr die Wahrheit. Davon, dass die
das Schicksal während des Bürgerkrieges ver-      junge mehrfache Mutter mit ihrem Nachwuchs
schwundener Kinder aufzuklären. Jordan An-        in einer Kampfzone des Bürgerkrieges gelebt

                                                                          Presente September 2010      23
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