Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
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DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER POLITI SCHE STU DIE 10 Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 2 D I E K I C K L- FP Ö Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 3 2. „Der Hofer war’s“ – Der FPÖ-Übergangsobmann 5 3. Positionen 6 3.1 Heinrich Sickl: Zurück zur Partei 6 3.2 Lothar Höbelt: Kickl wäre die falsche Wahl als FPÖ-Obmann 7 3.3 Heimo Lepuschitz: Verengung oder breite Chance der FPÖ? 9 3.4 Josef Paul Puntigam: Kickl schafft klare Kante 11 3.5 Martin Sellner: Kickl ist eine große Chance für die FPÖ 13 3.6 Julian Schernthaner: Warum Kickl mit Klartext die Wähler zurückholen wird 15 3.7 Werner Reichel: Viel Feind, viel Ehr 18 3.8 Gerald Grosz: Die FPÖ gibt es nicht mehr zum Hofer-Preis 20 3.9 Robert Willacker: Vom rechten Weg abgekommen 21 3.10 Hans-Jörg Jenewein: Mit Kickl am rechten Weg 23 3.11 Heinrich Sickl: Zurück in die Zukunft 24 3.12 Die Meinung der anderen 25 4. Herbert Kickl 27 4.1 Wir schließen keinen Pakt mit dem Unrecht 27 4.2 Der Mann aus dem Maschinenraum 28 2
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 3 D I E K I C K L- FP Ö 1. Einleitung Ist die Partei der Mann? Die Freiheitlichen sind so schnell benannt: die Steger-FPÖ in einer ungeliebten Koalition mit der SPÖ, die die FPÖ als Honoratiorenpartei in die Mit- te und damit wohl zum Verschwinden bringen sollte. Die Haider-FPÖ, die ein neues Politikmodell geschaffen hat und an der Koalition mit der ÖVP implodiert ist. Die Stra- che-FPÖ, das, was Haider übrig lassen wollte und was eben nicht die Kopie, sondern das Original war. Sie ist in Ibiza geblieben, wurde aber von einer Doppelführungsspitze aus Hofer-Kickl und „Corona“ stabilisiert, war jedoch nie wirk- lich die Hofer-FPÖ. Und nun: seit dem 19. Juni 2021 die „Kickl-FPÖ“. Der neue Obmann, „der aus dem Maschinenraum kommt“, ist wieder eine eindeutige Führungsspitze für eine geschrumpfte Partei, die die Türkisen bei den freiheitlichen Kernproblemen Migration und Sicherheit überholen und wohl am liebsten abschaffen wollen. Herbert Kickl, der ehemalige Innenminister, wegen dem – so der urbane My- thos – dann nach „Ibiza“ auch die Koalition gescheitert ist, weil er sich nicht herumschieben lassen wollte. Herbert Kickl hat lange schon Stil und Inhalt der FPÖ mitgeprägt. Anlässlich der notwendigen Obmannwahl nach dem Rücktritt Norbert Hofers hat die TAGESSTIM- ME Autoren und politische Intellektuelle des Dritten La- gers gebeten, ihre Stellungnahmen abzugeben. Herausge- kommen ist eine mehrstimmige Analyse des Ist-Zustandes der Freiheitlichen, die nicht nur die Person Kickl, sondern auch die Perspektiven freiheitlicher Politik analysiert und so auch die Politische Studie 6 „Aufstehen – Die Zukunft der Freiheitlichen nach Ibiza und der Wien-Wahl 2020“ fortsetzt. Die alte „Ibiza“-Schlagzeile aus der „Kronen Zei- tung“, „FPÖ am Ende“ (Politische Studie 2), hat sich übri- gens nicht bewahrheitet. Zur Zeit der Wahl Herbert Kickls zum Bundesparteiobmann halten die Freiheitlichen aktuell rund 19 %, sind somit eine stabile Partei und bleiben die wichtigste Oppositionskraft in Österreich. Mit dem Auf- tritt Kickls schaut alles auf ihn, wie die Freiheitlichen in die Zukunft gehen und ob sie wieder zu alter Frische gelangen werden, um Politik in Österreich aktiv mitzugestalten und damit auch Verantwortung zu übernehmen. Redaktion FREILICH 19. Juni 2020
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 4 D I E K I C K L- FP Ö Das Magazin für Selbstdenker – jetzt abonnieren! „Political Correctness? Voll 1984.“ Fakten, Reportagen, alternative Meinungen und mehr jetzt zweimonatlich im FREILICH-Magazin. Bestellung auf freilich-magazin.at! Freilich will ich ein Abo. Ich bestelle 6 Ausgaben als FREILICH POLITIK Die Fahrt in der Achterbahn Wie Pandemie und Lockdown alle Probleme im Land verschärfen. S. 22 N o 12 R E P O R TAG E China kommt Warum China eine Erfolgsgeschichte FREILICH POLITIK Normal-Abo Sozial-Abo* Förder-Abo Interview: Der Philosoph Alain de und Herausforderung ist. S. 50 Benoist über Rechtspopulismus und TERRORISMUS das Volk als Souverän. S. 10 DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER N o 10 Die Guten ins Töpfchen FREILICH GESELLSCHAFT Ausgabe No 12 / 2021 WIRTSCHAFT Was Terroristen stoppt und wie man freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 Interview: Der Schriftsteller Thor Gefährder zurückholen kann. 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S. 10 WISSENSCHAFT Die Antifa nimmt es ganz persönlich. DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER Der Vater seiner Gänse SCHWERPUNKT POLITIK Extremisten gegen die Freiheit. S. 30 $XVJDEH1R̤̤ Genialer Biologe und Kulturkritiker: angegebenen Zahlungszeitraum zum gültigen Bezugspreis, wenn es nicht vier Wochen vor Ablauf schriftlich freilich-magazin.at Ǭ³ '(b̤&+)̤ Das trojanische Pferd: Konrad Lorenz im Porträt. S. 78 CORONA Was die Grünen zur echten Gefahr DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER JULI 2020 Zurück für die Demokratie Die Virus-Krise macht. S. 44 mit Folgen: SCHWERPUNKT Ausgabe No 8 / 2020 Wie sich der Stillstand auf uns alle www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 gekündigt wird. * Für Schüler, Studenten, Wehrdiener ist ein Nachweis zu erbringen. auswirken wird. S. 40 D A S M A G A Z I N F Ü R S E L B S T D E N KAPRIL 2020 K R I M I N A L I TÄT ER Wie kriminell dürfen Ausländer sein? Ausgabe No 7 / 2020 in die Wie die Statistiken S C Haus W Epolitischen RPUNKT www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00 Gründen geschönt werden. S. 104 FEBRUAR 2020 SCHWERPUNKT Zukunft WirWir Lockdown, politische Radikalisierung und Der kurze Sommer des Rechts- Untergang des Abendlandes: Da kommt populismus ist vorbei. Manche ganz schön was zusammen. Doch mit der basteln der Parteien brechen ein. Das Vorname Nachname schaffen Gefahr wächst das Rettende auch. Warum Establishment macht zu. Doch widerständiges Dasein so wichtig ist. Seite 10 politische Veränderung ist dasuns eine wichtiger denn je. Krise Unpopulär Straße Hausnr./Stiege rechts Alle auf die Knie! Denkmäler Globalisierung, stürzen! Establishment und Kon- ²0 Nahversorgung, zerne sind die Revolution! Ein Wie unsere heile Weltencrash und LandWelt kriegt keine Luft mehr! aus den Fugen gerät Nulldefizit. Arbeiter, Ästhetische Wiederbetätigung – Das Lentos und seine rechten Bildwelten. S. 64 Schöne und wir sie stets neu Angestellte und Unternehmer.bauen Wir müssen. sind Wirtschaft. PLZ Wohnort Land neue Welt World Press Photo 2020 – Das sind die besten Pressefotos des letzten Jahres S. 60 Telefon E-Mail Fotoreportage – Alles im Fluss: vom Delta der Donau bis zur Schallaburg S. 66 Reportage Lesbos – So explosiv ist die Lage auf der Flüchtlingsinsel S. 76 Fotoreportage: Syrien – Hilfe vor Ort. Wie Heimkehrer eine neue Heimat finden. S. 68 Ich will FREILICH verschenken: ausfüllen Geschenk-Abo Lieferanschrift des Abo-Empfängers Rechnungsanschrift fotografieren Vorname Nachname absenden Straße Hausnr./Stiege E-Mail abo@freilich-magazin.at PLZ Wohnort Land Adresse Aboservice Datenschutzhinweis: Ich bin einverstanden, dass mir schriftlich, per E-Mail oder telefonisch weitere interessante Angebote Freilich Medien GmbH der Freilich Medien GmbH unterbreitet werden und dass die von mir angegebenen Daten für Beratung, Werbung und zum Zweck Mandellstraße 7 der Marktforschung durch den Verlag gespeichert und genutzt werden. Vertrauensgarantie: Eine Weitergabe meiner Daten 8010 Graz an andere Unternehmen erfolgt nicht. Meine Einwilligung kann ich jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen. Österreich Online freilich-magazin.at Datum Unterschrift
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 5 D I E K I C K L- FP Ö 2. „Der Hofer war’s“ – Der FPÖ- Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zimmer Übergangsobmann Norbert Hofer ist am Dienstag, dem 1. Juni 2021, überra- schend und ohne Kenntnis der Parteispitze als Bundespartei- obmann zurückgetreten. 2019 hatte er die FPÖ von Heinz- Christian Strache übernommen. Nun übergibt er sie wieder. Ein Porträt. „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“, ist Norbert Hofer und Herbert Kickl im Nationalrat. wohl der gängigste Spruch von Norbert Hofer, gefallen im Bundespräsidentenwahlkampf 2016. In diesem ist er zwar knapp gescheitert, erreichte aber als Freiheitlicher doch das beste Wahlergebnis, das die FPÖ sozusagen je hatte. Der von Norbert Hofer erstellte neue Parteiprogramm der Frei- Spruch wurde vom politischen Gegner als drohend-dräu- heitlichen Partei Österreichs einstimmig beschlossen – ein end verstanden, von Sympathisanten als Ankündigung einer traditionelles Programm mit deutlich nationalen Ansagen. rechten Wende in Österreich, wie sie später mit Türkis-Blau Hofer selbst ist Ehrenmitglied einer Pennalverbindung, hat- und Sebastian Kurz/HC Strache erfolgreich versucht wurde. te aber auch sehr viel Freude am St.-Georgs-Orden des Hau- Heute wundert sich wieder jemand, was möglich ist: die gan- ses Habsburg. Den behördlich verfolgten „Identitären“ hat ze FPÖ, der ihr Obmann abhandengekommen ist. Der ließ er mehrfach eher missgünstige Aussagen nachgeschickt, was im Tauziehen mit FP-Klubobmann Herbert Kickl um den möglicherweise nicht jeden gewundert hat. Oppositionskurs einfach los: „Ich lasse mir nicht jeden Tag Von 2013 bis 2017 hatte Hofer das Amt des Dritten Präsi- ausrichten, dass ich fehl am Platz bin.“ Kritiker in der Partei denten des Nationalrates inne. Bei der Wahl zum Bundesprä- meinten noch immer, dass Hofer am liebsten und um jeden sidenten 2016 erreichte Hofer die Stichwahl, unterlag darin Preis mit Kurz wieder wollte. allerdings dem ehemaligen Grünen-Obmann Alexander Van Norbert Hofer wurde am 2. März 1971 in Vorau ge- der Bellen. Trotzdem wunderte man sich, dass so ein Wahl- boren und ist in Pinkafeld aufgewachsen. Hofer hat seinen ergebnis in Österreich möglich ist. Auf das sehr beachtliche Hauptwohnsitz im Südburgenland, ist verheiratet und hat Ergebnis folgten in der neuen Koalitionsregierung Minister- vier Kinder. Nach der Matura an der Höheren Technischen würden: Am 18. Dezember 2017 wurde Hofer als Bundes- Bundeslehranstalt für Flugtechnik in Eisenstadt war er als minister für Verkehr, Innovation und Technologie angelobt. Systemingenieur bei der österreichischen Fluglinie Lauda Air beschäftigt. Sein Hobby, der Flugsport, wurde ihm im Jahr Parteiobmann rechtskonservativer Mittellage 2003 zum Verhängnis: Er stürzte mit dem Paragleiter ab und Nachdem „Ibiza“ die rechtskonservative Regierung aus der zog sich schwere Wirbelsäulenverletzungen zu. Hofer leidet Bahn geworfen hatte, erfolgte am 22. Mai 2019 Hofers Rück- seitdem an einem inkompletten Querschnittssyndrom. tritt von diesem Amt, und er kehrte als Nationalratsabgeord- neter ins Parlament zurück, wo er fortan die Funktion des Fast Bundespräsident Klubobmanns der FPÖ bekleidete. In der damaligen schwie- Von 1996 bis 2007 war Hofer Landesparteisekretär der FPÖ rigen Situation hat der Parteiobmann wesentlich dazu beige- Burgenland, seit 2006 ist er stellvertretender Landespartei- tragen, die Partei wieder zu stabilisieren. Norbert Hofer war obmann. Von 1997 bis 2007 war er Gemeinderat in der Lan- Spitzenkandidat der FPÖ bei der Nationalratswahl im Sep- deshauptstadt Eisenstadt. Von 1994 bis 2006 war Norbert tember 2019, zog am 23. Oktober 2019 in den Nationalrat Hofer ebenda Stadtparteiobmann der FPÖ und von 2004 bis ein und wurde an diesem Tag auch erneut zum Dritten Präsi- 2010 Bezirksobmann, außerdem von 2000 bis 2006 Klubdi- denten des Nationalrates gewählt. Je mehr sich mit „Corona“ rektor im Freiheitlichen Landtagsklub im Burgenland. Nach aber die politische Lage verschärfte, desto weniger wurde der der Nationalratswahl im Oktober 2006 zog er als Abgeord- staatstragende Habitus Hofers von der freiheitlichen Basis neter in den Nationalrat ein. 2005 wurde Hofer erstmals goutiert. Das im Gespür, hat der freiheitliche Bundespartei- zum Vizeparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs obmann dann selbst die Konsequenzen gezogen – allerdings gewählt. Am 18. Juni 2011 wurde im Rahmen des 30. Bun- ohne dass irgendwer in der Partei davon wusste. Alle haben desparteitages der FPÖ in Graz das unter der Verantwortung sich gewundert, dass das möglich ist.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 6 D I E K I C K L- FP Ö 3. Positionen 3.1 Zurück zur Partei VON HEINRICH SICKL Jedes Mal, wenn in letzter Zeit etwas mit den Freiheitlichen passiert ist, wurde eine „freiheitliche Familie“ beschworen. Heinrich Sickl Es ist Zeit, wieder zur Partei zurückzukehren und Politik zu wurde 1973 in Kärnten machen. Dazu braucht es Herbert Kickl als Parteiobmann. geboren. Er lebt mit seiner Familien haben viel Heimeliges, da gehören alle zusam- Familie in Graz und leitet men, mögen sich und sind sich im Idealfall grün. Die Fami- als Geschäftsführer die lie ist ein Zuhause, wo man dazugehört. Und wenn man es Freilich Medien GmbH. eskaliert, geht es ja auch noch über die Familie mit einem freilich-magazin.at bis zwei Kindern hinaus und wird zur Sippe oder zum Clan. Eine Familie ist, wenn sie funktioniert, etwas wirklich Schönes … Nur: Eine Partei ist keine Familie. Letzten Endes gibt die jetzige Veränderung die Chance, tei vereint, die von einem Obmann geleitet wird, der in der die Freiheitlichen wieder als normale Partei zu begreifen. Oppositionsrolle erfahren ist, der deswegen nicht weniger Statt eines emotionalen Rückzugsortes ist die Partei die Staatsmann ist, als von ihm gefordert wird. Der aber auch Heimstatt für politische Ideen und Strömungen. Bei den den Stammtisch als basisdemokratische Organisationsform Freiheitlichen hat sich hier allerdings einiges gewandelt, beherrscht. von nationalliberal hin zur sozialen Heimatpartei. Und in Politik braucht das Zusammenbringen der Menschen, dem Bündel sind noch mehr Begriffe drin: In Oberöster- das würde der neue Obmann Kickl ebenso leisten, wie er reich wirbt man mit „liberalkonservativ“ für sich. Und es gemeinsam mit anderen aus dem Familienmodell Freiheit- gibt vielleicht auch manche, die meinen, die Freiheitlichen liche wieder eine Partei macht, die „Ibiza“ als Kainsmal hin- seien die echten Türkisen. Ex-Obmann Hofer wurde ein ter sich lassen kann. Ein Obmann, der gleichzeitig aber auch solcher Zugang nachgesagt. konstruktive Politik gestaltet und gegen die türkisen Klone Bevor Familienstreitigkeiten ausbrechen: Die Freiheit- antritt, die freiheitliche Inhalte stehlen und dann meinen, lichen sind eine Partei, die aus Österreichs ältestem politi- dass es rechts von ihnen nichts geben dürfe. Vor allem kei- schen Lager entstanden ist, dem Dritten Lager, die sich aber nen Protest, dem aber die Freiheitlichen eine Heimat sind. in die Breite entwickelt hat, weil sie nicht nur aus Honora- tioren besteht, sondern die Identität des Landes bewahren Macht braucht Kontrolle – heute mehr denn je und den „kleinen Mann“ verteidigen will. Die Verunsicherung, die der undogmatische Abgang Nor- bert Hofers ausgelöst hat, kann nur durch eine Einheit in Kickl steht für die FPÖ als politische Kraft Vielfalt gelöst werden, die auch wieder mehr Ruhe und Kraft Die Entscheidung darüber, wer der neue Obmann der Frei- in die Partei bringt. Eben auch, weil diese im Nachgang zur heitlichen werden soll, scheint trotz unterschiedlicher Bau- noch nicht überstandenen Corona-Krise eine kritische Kraft steine im Mosaik klar zu sein: Herbert Kickl hat die besten ist, die das Beste für Land und Bevölkerung will. Niemand Karten im Spiel um die Spitze. Er vertritt einen Kurs, der braucht Familienstreitigkeiten, aber Österreich braucht eine die Breite der Partei inhaltlich fasst, gerade weil er die letz- Freiheitliche Partei, die wieder das tut, was immer ihre Auf- ten Jahre so stark mitgeprägt hat. Gleichzeitig hatte er als gabe war: Macht braucht Kontrolle. Innenminister eine zentrale Rolle im Staat, hat Wesentli- Und dazu braucht es einen starken Obmann, der die Frei- ches für die Sicherheit im Lande geleistet. Man sollte, auch heitlichen wieder voranbringt, als Partei und als demokrati- bei einem Spitzenpolitiker, nicht vergessen, dass derjenige, sche Kraft, die sich trotz aller Schläge der letzten Zeit stabil der eine Funktion übernimmt, auch an ihr wächst. Im Fal- gefangen hat und neu aufbaut, der im Team arbeitet, die Tra- le Kickls geht es eben nicht nur darum, den besten Spruch dition der Freiheitlichen verkörpert und die Menschen im zu klopfen und das letzte Wort zu haben. Kickl wäre eine Engagement mit Herz und Hirn zusammenbringt: Herbert Speerspitze, die auch die anderen Strömungen in einer Par- Kickl ist der richtige Mann für diese Aufgabe.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 7 D I E K I C K L- FP Ö 3.2 Kickl wäre die falsche Wahl Vorlage der Regierung zerpflückte (und sei es auch die seiner als FPÖ-Obmann eigenen Partei). Als Denker im Hintergrund, als Spezialwaf- fe, ja vielleicht sogar als „Mann fürs Grobe“ in der einen oder anderen Situation wäre er eine wertvolle Ergänzung jedes VO N L O T H A R H Ö B E LT Teams. Doch als Identifikationsmodell taugt Kickl besten- falls für Aktivisten, boshaft formuliert: für die Blinddarm- Der Historiker Lothar Höbelt erklärt in seinem Gastkommen- fraktion, ständig gereizt und zu nichts nütze. Auf Wechsel- tar für die TAGESSTIMME, warum Herbert Kickl seiner wähler und potenzielle Nichtwähler, die es zu gewinnen gilt, Ansicht nach nicht der neue Bundesparteiobmann der FPÖ wirkt dieser Habitus weit weniger anziehend. werden sollte. Kickl hat oft recht – und liegt gerade damit daneben. Er veranstaltet Demonstrationen für die Grund- und Freiheits- Herbert Kickl ist ein ehrenwerter Mann – unter unseren Po- rechte. Das ist im Prinzip würdig und recht. Doch wie bei litikern zweifelsohne intellektuell herausragend; jemand, der „Radio Eriwan“ steht dahinter ein großes Aber. Die Coro- sich seine eigenen Überzeugungen gebildet und nicht bloß na-Debatten gehen quer durch alle Lager. Und auch bei den lagerkonform mit der Muttermilch aufgesogen hat; auch je- Rechten oder Konservativen, wie immer man sie nennen will, mand, der mit seinen asketischen Allüren am allerwenigsten gab es lange Zeit eine schweigende Mehrheit, die Angst hat den Eindruck macht, die Politik in erster Linie als Partymeile und lieber kein Risiko eingeht – und Demos schätzen die zu betrachten, die sich hervorragend für Geschäftsanbahnun- Österreicher in ihrer Mehrheit schon überhaupt nicht, wofür gen eignet. Er hat zweifelsohne seinen Anteil an den Erfolgen oder wogegen auch immer. Kickl hatte als Minister natürlich der Ära Strache, und Erfolge waren es, denn für „Ibiza“ kann recht, sich anschauen zu wollen, was diverse Abteilungen in Kickl sicherlich nichts – für das Krisenmanagement danach dem Ministerium, für das er politisch verantwortlich war, ei- freilich schon. gentlich so treiben – aber diesen Konflikt mit unseren lächer- lichen Mini-Bonds (und -Bondinnen) zu einem Koalitions- Kickl hat oft recht – und liegt gerade damit daneben krach eskalieren zu lassen, war unverhältnismäßig und falsch. Ich bin Kickl persönlich dankbar für die lobenden Worte, Die Reaktion von Kurz auf „Ibiza“ war eine Frechheit, die er vor einem Jahr im Parlament für mich gefunden hat aber es wäre – gleich zweimal – immer noch vernünftiger – was ich ihm hoch anrechne, gerade weil wir in der Vergan- gewesen, das Innenministerium zu opfern, als aus der Re- genheit keineswegs immer einer Meinung waren. Es tut mir gierung auszuscheiden. An dem verhängnisvollen Wochen- deshalb leid, dass wir heute wieder zu konträren Positionen ende selbst – und beim Misstrauensantrag einige Wochen gelangen, aber: Man täte weder ihm noch der FPÖ etwas später. Die blauen Minister hätten in dem mehr als halben Gutes, wenn man ihn zum Parteiobmann machte. Die Sym- Jahr Übergangsregierung zumindest noch diversen Unsinn pathiewerte eines Politikers hängen eben nur zu einem klei- verhüten können. Zugegeben: Sogar ich als eingefleischter nen Teil mit seiner „Performance“ zusammen. Viel davon ist Schwarz-Blau-Fan hätte nach Kurzens Absprung nichts da- Inszenierung. Aber auch das Marketing kommt irgendwann gegen gehabt, es als Retourkutsche einmal mit den Roten zu einmal an seine Grenzen. Es bleibt immer noch ein beträcht- probieren: Von Doskozil bis Dornauer gibt es da durchaus licher Rest an gewissem Etwas, an einer schwer definierbaren Leute, mit denen es keine Schande wäre, ein Stück des Weges Mischung aus Charme, Humor, Jovialität, ja durchaus auch gemeinsam zu gehen. Nur: Erstens hatten (und haben) die unterschwelliger Verlogenheit, der Fähigkeit, allen Leuten Genannten in der SPÖ nicht das Sagen, und zweitens wäre etwas so zu sagen, dass es zumindest so klingt, wie sie es hö- man auch gemeinsam weit von einer Mehrheit entfernt. Oder ren wollen (Haider war da unbestrittener Meister), ja an der glaubt man vielleicht gar, als Steigbügelhalter für die Blim- Fähigkeit „to suffer fools gladly“, geduldig und lächelnd ton- lingers und Brandstetters dieser Welt reüssieren zu können? nenweise leeres Stroh über sich ergehen zu lassen. Strategisch ist das schlicht und einfach eine Sackgasse. Das Es ist für Persönlichkeiten vom Zuschnitt Kickls nicht kann man bedauern, aber daran ändert sich so schnell nichts. leicht, sich damit abzufinden, dass andere sich mit der Reso- nanz im Publikum so viel leichter tun, obwohl sie weniger Zusammenarbeit mit ÖVP wäre schwieriger leisten, nicht so klug sind etc. Da kann man schon einmal Nun könnte man auf den ersten Blick sagen: Auch Haider mit dem Schicksal hadern. Auf der parlamentarischen Bühne hat eine Regierung platzen lassen – und wurde dafür mit wird Kickl als scharfzüngiger Debattierer allemal eine gute dem märchenhaften Aufstieg seiner Partei belohnt, von 5 % Figur machen. Da blitzt vielleicht sogar eine gewisse Ähn- auf fast 30 %. Aber erstens waren die Umweltbedingungen lichkeit mit dem liberalen Großmeister Eduard Herbst auf, damals anders – und zweitens wollte gerade Haider die Re- der im 19. Jahrhundert in unerreichter Meisterschaft jede gierung ja fortsetzen. Er hat seinen Mitbewerbern nie taxfrei
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 8 D I E K I C K L- FP Ö die Ausrede geliefert, die FPÖ wolle ja gar nicht regieren. Erst die Risikoscheu der „Altparteien“ zwang ihn da förmlich zu seinem Glück. Ein solcher Trade-off zwischen Teilhabe an der Macht und Popularität beim Wähler ist heute nicht in den Karten: Die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit der ÖVP würden unter einem Obmann Kickl sicherlich lei- den – die Wahlchancen aber keineswegs steigen. Präferenzen seien jedem unbenommen, aber diverser persönlicher Befind- lichkeiten halber gewisse Koalitionsoptionen von vornherein auszuschließen, ist genau das Erfolgsrezept, mit dem Vranitz- Lothar Höbelt ky und seine Nachfolger die SPÖ zweimal aus der Regierung ist Jahrgang 1956 und manövriert und dabei die Hälfte ihrer Wähler abgebaut ha- Historiker. Er lehrt als ben. Zur Nachahmung bestens empfohlen, nicht wahr? außerordentlicher Professor Das Szenarium der letzten Tage erinnert frappant an den für Neuere Geschichte an Einsturz der Reichsbrücke: Der Stadt Wien passiert etwas der Universität Wien. Hö- – und der Oppositionschef tritt zurück. Schwarz-Grün ge- belt hat u. a. zur Parteien- rät in Turbulenzen – und Hofer wirft das Handtuch. Wenn geschichte des Dritten La- Kickl – nachdem er lange Zeit Haider zugearbeitet und gers geforscht. Sein jüngstes dann unter Strache und Hofer wichtige Positionen bekleidet Buch: hat – einmal selbst Obmann werden will, ist das – wie ge- „Die Erste Republik Öster- sagt – menschlich verständlich. Es erinnert freilich fatal an reich (1918–1938). Das den verbissenen Willen Hillary Clintons, doch endlich ein- Provisorium“, Wien 2018, mal aus eigenem Recht ins Weiße Haus einzuziehen, nicht 456 Seiten, bloß im Schlepptau von lockeren Charmeuren, die ihr nicht € 40,–. das Wasser reichen können. Sage niemand, Hillary habe in der Politik nichts bewirkt. Sie hat mit ihrer Opposition zwei außergewöhnliche Präsidenten „gemacht“ und ermöglicht: Barack Obama und Donald Trump, die beide gegen alle Er- wartungen an ihr vorbeigesegelt sind. Wem immer Kickl auch den Weg freischießen würde, ob einer Neuauflage von Schwarz-Grün oder einer sonstigen Kombination von Komikern ohne Humor – es wäre nichts, worauf wir uns freuen können.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 9 D I E K I C K L- FP Ö 3.3 Verengung oder breite Chance der FPÖ? VON HEIMO LEPUSCHITZ Was wurde nicht in den letzten Wochen sorgenvoll über die so schädliche Verengung der FPÖ unter dem fürchterlichen Gott- Foto: Alois Endl seibeiuns Herbert Kickl geschrieben. In dramatischen Worten wurde die Wählerendzeit für die Freiheitlichen ausgerufen, denn jetzt sei die FPÖ, man stelle sich das vor, rechts, und mit Kickl werde ein sozialpatriotischer Kurs gefahren, der anderen Herbert Kickl bei der Abschlusskundgebung im Prater. Parteien nicht mehr passe. Erstens machen sich hier diejenigen die größten Sorgen über die Zukunft der Freiheitlichen, die die FPÖ niemals wählen bestreitbar primär auf den von Herbert Kickl vorangetrie- würden und ihr schon gar keine Zukunft wünschen, und benen kantigen Kurs der Freiheitlichen gegen die Corona- zweitens ist die FPÖ zumindest seit 2005 eine ideologisch Politik der Regierung zurückzuführen. Naserümpfern, die gefestigte Bewegung. Ohne dieses stabile ideologische Fun- gern eine streichelweichere Linie hätten – auch der Autor dament der Partei hätte sie die Stürme der letzten Jahre und dieser Zeilen ist hier ja eher ein weichgespülter Bürgerli- Jahrzehnte nie so intakt überstanden. Die Freiheitlichen cher –, sei dies ins Stammbuch geschrieben: Mit „lieb“ ge- sind mit ihrer Positionierung als „Die soziale Heimatpar- winnt man keine Wahl. Es braucht die Polarisierung, ohne tei“ gut gefahren und haben sich eine treue Stammwähler- diese gehen FP-affine Wähler nicht zur Urne. Mit Sicher- schaft aufgebaut, die auch im ärgsten Sturm an Bord bleibt. heit sympathisieren viel mehr Wähler mit einem kusche- ligeren Kurs der Blauen, aber mit gleicher Sicherheit wird Kickl mobilisiert Kernwählerschaft dieser nicht von mehr Bürgern gewählt. In Zeiten massiver Jetzt übernimmt mit Herbert Kickl ein erfahrener Stratege Politverdrossenheit gilt: Wer seine Kernwähler zur Wahl endgültig und offiziell das Ruder der Freiheitlichen. Selbst bekommt, der wird ein gutes Ergebnis erzielen. seine Gegner sprechen dem neuen FPÖ-Chef überragendes strategisches Talent und großen Fleiß zu. Herbert Kickl Keine Regierungsfähigkeit? hat seit Jahrzehnten in vielen Funktionen bewiesen, was er Aber nimmt Kickl nicht der FPÖ die Regierungsfähigkeit, kann. Und das skandalfrei und ohne die Bodenhaftung zu machen sich viele Sorgen, die der FPÖ sowieso niemals eine verlieren. Die Doppelspitze Hofer-Kickl hat die FPÖ nach Regierungsfähigkeit zugestehen. Das ist leicht zu entkräften. dem „Ibiza“-Verrat der Kurz-ÖVP zwar wieder in ruhigeres Erstens wirft gerade die ÖVP Grundsätze jederzeit über Fahrwasser gebracht, und die Verdienste Norbert Hofers Bord, wenn es um ihren eigenen Machterhalt geht. Außer- sind groß. Sie hat aber schlussendlich nicht mehr funktio- dem ist die Annahme, es finde sich innerhalb des Partei- niert, und wenn etwas nicht funktioniert, dann muss man vorstandes und des Parlamentsklubs eine Mehrheit für eine es ändern. Speziell in politisch so unsicheren Zeiten wie Koalition mit der Person Sebastian Kurz, eine absolut un- diesen, in denen jeden Tag ein neuer türkiser Skandal die wahrscheinliche. Zu tief sitzt die Erfahrung des gebrochenen Republik erschüttert und die türkis-grüne Koalition auf tö- Handschlages und des Verrates der Volkspartei in der „Ibi- nernen Füßen steht. za“-Krise. Wie sieht es also aus mit der Zukunft der Freiheitlichen? Zweitens muss die FPÖ nicht regieren, sie kann es aber Dafür muss man in die jüngste Vergangenheit blicken. Der jederzeit. Jeder wird konzedieren, dass die FPÖ eine perfek- Tiefpunkt der FPÖ war mit der katastrophalen Wahlnie- te Oppositionspartei ist. Und ob es unendlich reizvoll ist, in derlage in Wien erreicht, und zwar trotz eines respektablen kommenden Zeiten von Budgetsanierung und Wirtschafts- Wahlkampfes und eines sogar weitaus besser als erwartet krise einen Sanierungskurs zu vertreten, sei dahingestellt. performenden Spitzenkandidaten. Auch die Bundespartei Zusätzlich muss man nach Wahlen über eine ausreichende befand sich im einstelligen Bereich, also auf Katastrophen- Stärke verfügen, um wie nach 2017 freiheitliche Grundsätze niveau. Heute, wenige Monate danach, steht die FPÖ wie- auch umsetzen zu können. der auf und über dem Niveau der Nationalratswahl 2019, Drittens ist es das historische Verdienst von Sebastian hat sich ihre Kernwählerschaft zurückerarbeitet. Das ist un- Kurz, die SPÖ gegenüber der FPÖ geöffnet zu haben. Selbst
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 10 D I E K I C K L- FP Ö in der Sozialdemokratie hat sich vielerorts die Erkenntnis durchgesetzt, dass es klüger wäre, mit der FPÖ eine „Not- koalition“ einzugehen und damit wohl den Kanzler dauer- haft zu erringen, als sich erneut von der Kurz-ÖVP demü- tigen und verraten zu lassen. Hier spielt auch mit hinein, dass Herbert Kickl als langjähriger Sozialsprecher der Frei- heitlichen inhaltlich in vielen Punkten der SPÖ näher steht als der konzernorientierten ÖVP und ihren Großspendern. Klare Kante Heimo Lepuschitz Wo liegen also die Gefahren mit dem neuen Obmann? Kickl ist politischer Kommuni- hat schon bei seiner Antrittspressekonferenz und in ersten kationsspezialist und war Interviews gezeigt, dass er seine neue Rolle versteht. Nach Medienkoordinator der innen verbindend, nach außen hart, aber nicht grenzüber- letzten ÖVP-FPÖ-Regie- schreitend, sollte die Devise sein. Sich nicht in eine Blase rung. Er ist auf Strategie- verengen, nicht zwischen Türkis und Blau Schwanken- beratung, Public Affairs de vertreiben, aber trotzdem glasklare Kante zeigen. Eine und Krisenkommunika- schwierige Balance, die dem erfahrenen Strategen durchaus tion spezialisiert. zuzutrauen ist. Und wer zu wissen behauptet, wie die poli- tische Lage in einem Jahr ist, der weiß wohl auch die Lotto- zahlen vom kommenden Sonntag. Die FPÖ hat aber wieder gute Karten. Das garantieren allein schon die kommende neue Flüchtlingswelle, das tägliche Regierungsversagen, türkise Freunderlwirtschaft und die geplante öko-asoziale Steuerreform mit ihrer Belastungswelle.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 11 D I E K I C K L- FP Ö 3.4 Kickl schafft klare Kante VON JOSEF PAUL PUNTIGAM Brigadier Josef Paul Puntigam ist sich sicher: Die FPÖ wird sich mit ihrem neuen Parteichef Herbert Kickl straffen und wieder ein klares Profil bekommen. Der folgende Beitrag wur- de ursprünglich auf der Facebook-Seite von Puntigam veröf- fentlicht. Foto: Archiv Diese Woche drehte sich alles um den designierten Parteiob- mann der FPÖ – Herbert Kickl. Wenn jemand auf die Büh- Kundgebung der FPÖ am 20. Mai am Wiener ne tritt, so lautet die erste Frage: Wer ist das? Aber Herbert Heldenplatz. Kickl ist kein Unbekannter. Wir Soldaten lernten, vor der Beurteilung einer Situation eine Lagefeststellung zu machen! Nun, wie stellt sich die Lage dar? Kickl gilt als ein talentier- ter Politiker, dessen prägende Geisteslandschaft die Kärntner denken“. Und diesem Denken verleiht er durch seine Rheto- Politik in seiner Jugend war. Dort hat Kickl seinen Ursprung, rik eine unvorstellbare Auftreffwucht im politischen Zielge- dort wurde er sozialisiert. biet. Das ängstigt. Und diese Angst der Mutlosen verstehe ich Die Kärntner Geisteslandschaft ist geprägt durch einen natürlich auch. Kickl fühlte sich (typisch für einen Kärntner starken Hang zum Sozialismus einerseits und zur ausge- Politiker) in der Nähe der ÖVP nicht wohl. Da stehen ihm prägten Bodenständigkeit andererseits. Auch die meisten die wirklichen Sozialisten nach Kärntner Art schon näher. Kärntner Sozialisten zeigten so ihr Selbstverständnis. Jörg Oder die NEOS. Oder Gruppierungen wie das ehemalige Haider war ein Meister dieser Darstellung. Herbert Kickl ist Team Stronach. Und ich glaube, Kickl wird neue Allianzen ein Meister der Rhetorik. Vor allem seine Drei-Wörter-Sät- schmieden. Allianzen außerhalb der ÖVP. Allianzen, wie ze stehen unnachahmlich dafür. Diese Sätze dringen wie ein damals Kreisky oder Sinowatz. Kickl wird nie mehr eine warmes Messer durch die Butter in das Unterbewusstsein der Allianz mit der ÖVP schmieden, wie ehemals Haider mit Menschen. Man könnte auch sagen, Kickl führt eine für den Schüssel oder Strache mit Kurz. Das hat noch nie funktio- Hausgebrauch zu scharfe Klinge. niert und wird auch künftig – egal wer an welcher Spitze der Parteien steht – nicht funktionieren. Und wer den letzten Rhetorisches Talent ORF-Auftritt des steirischen Landeshauptmannes Schützen- Wie auch immer. Wer zu nahe an Kickl herantritt, darf sich höfer erlebte, weiß, warum. Das sage ich auch als Bürger, dem nicht wundern, wenn dessen rhetorisches Feuer dann den Bart die ÖVP lange Zeit politische Heimat war – aber sozialisiert versengt. Ich bin Kickl erst einmal begegnet. Für wenige Mi- durch Franz Wegart, Friedrich Niederl oder Krainer junior! nuten. Und das auch zufällig in einem Café. Aber ich habe alle Nicht durch Raiffeisenbankchefs, Wiener Blasen oder die seine Reden genau reflektiert. Sehr genau. Auch alle Reden im ÖVP Niederösterreich. Zusammenhang mit dem Rauchervolksbegehren, der Asylge- schichte, oder jene, die sich auf die COVID-19-Pandemie be- Kurz machte Kickl stärker zogen. Sebastian Kurz machte seinen größten bisherigen strate- Dann schälte ich seine Reden, Schichte für Schichte. Ich gischen Fehler, als er 2019 unter Mithilfe des Bundespräsi- schälte mich durch, bis ich an den Kern kam. Und dieser war für denten Kickl aus der Regierung warf. Obwohl Kickl nichts mich hochinteressant. Kickl mag sich in seiner Meinung über mit „Ibiza“ zu tun hatte. Man konnte und kann Kickl kein das Rauchen, über Masken und Impfen zu weit hinauslehnen, persönliches oder politisches Fehlverhalten vorwerfen. Man zu schrill seine Botschaft verkünden und auch den Bogen über- kann seine Mimik und Gestik ablehnen. Das ist nicht jeder- spannen – aber bei Licht besehen behält er zu guter Letzt immer manns Sache. Man kann inhaltlich anderer Meinung sein recht. Die da laut „Verschwörungstheoretiker“ brüllen, stehen als Kickl. Das ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aber dann plötzlich selbst als „Verschwörungstheoretiker“ da. Kickl hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, was Gerichte beschäftigen konnte. Für ihn musste man die Un- Strategischer Kopf schuldsvermutung nicht an den Haaren herbeiziehen! Es gab Für mich ist Kickl der strategische Kopf in der österrei- gegen ihn niemals einen Anfangsverdacht – aber viele Vor- chischen Innenpolitik. Er ist fähig, „heute das Morgen zu urteile. Hier hätte ich als Sebastian Kurz besonnener und
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 12 D I E K I C K L- FP Ö intelligenter gedacht. Nicht das Abfeuern einer Granate ist Josef Paul Puntigam von Bedeutung, auch nicht das Zielgebiet, nein – das Auf- Brigadier a.D. (Jg. 1947), schlagen und die Wirkung im Ziel. Besonders die Langzeit- ist ein ehemaliger Kom- wirkung! Dieses hochbrisante Wirkmittel fliegt noch! Aber mandant der Anton-Wall- nicht mehr lange! Kurz hat sich in den Zug nach Sarajewo ner-Kaserne in Saalfelden gesetzt, ohne zu wissen, was dort wirklich auf ihn wartet. am Steinernen Meer und Den Beteuerungen seiner unmittelbaren Umgebung, seines Infanteriechef des Öster- Echoraumes, hat Sebastian Kurz zu viel Gehör geschenkt. Da reichischen Bundesheeres. hat ihn sein politisches Talent verlassen. Denn wenn du dei- Er zählt zu den weni- nen Feind nicht besiegen kannst, so umarme ihn – zu Tode. gen Offizieren, die alle Das hat Kurz verabsäumt! Er machte Kickl in seiner Kraft Spezialverwendungen des stärker – wie in einem Stahlbad! Bundesheeres vom Fall- schirmjäger, Gebirgsjäger, „Wir werden uns noch wundern!“ Jagdkommandosoldaten Was wird Kickl weiter machen? Er schafft vorerst einmal bis zum Ausbildungsof- „klare Kante“. Die FPÖ wird sich straffen. Neue Wähler fizier für diverse Sonder- werden hinzukommen. Andere werden empört das Wei- ausbildungen bekleideten. te suchen. Die FPÖ hat aber einen langen Atem und ist Puntigam ist ein Experte an Kummer gewöhnt. Die Zeit nach der Pandemie wird für Führungsausbildung. für weitere Klarheiten sorgen, vor allem, wenn die Öster- 2006 erhielt er das Gol- reicherin und der Österreicher den Gürtel enger schnallen dene Ehrenzeichen der müssen und die Frage im Raum stehen wird: Hätte es 2020 Republik Österreich. und 2021 auch einen anderen Weg gegeben? Einen, der die Gesellschaft kulturell, wirtschaftlich und im Zusammen- halt nicht so schwer belastet hätte? Hätte Rechtzeitigkeit viel Unheil verhindert? Herbert Kickl wird vorerst einen scharfen Oppositionskurs fahren. Die FPÖ wird wieder ein klares Profil bekommen. Vielleicht sogar auf Kosten der Zustimmungsprozente. Norbert Steger war schon einmal bei 3 % – und sein Nachfolger Haider schaffte wieder 30 %. Kickl schielt vorerst nicht auf Prozentpunkte, sondern auf die Langfristigkeit seiner Politik. Er weiß, es werden be- sorgte neue Wähler hinzukommen. Und Kickl hat Zeit … und wird diese nutzen. Und zum Schluss wird Norbert Hofer mit seinem berühmten Satz aus der Bundespräsiden- tenwahl Bedeutung bekommen, nämlich: „Wir werden uns noch wundern!“ PS: Für alle Empörungstechniker und Betroffenheitsfa- natiker – auch ich habe Sebastian Kurz vertraut. Bis in die Nacht vom 17. auf den 18. Mai 2019. Auch ich bin manch- mal fassungslos, wenn Herbert Kickl in Fahrt gerät. Auch mir wäre eine unaufgeregte Mimik, Gestik und Wortwahl lieber. Warum? Weil ich den guten Kern seiner Absicht auch aus seinen Reden herausschälte!
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 13 D I E K I C K L- FP Ö 3.5 Kickl ist eine große Chance reiten dabei eine Protestwählerwelle nach der anderen. Die für die FPÖ Mobilisierung der unzufriedenen Masse „spült“ bei günsti- ger Stimmungslage gelegentlich auch eine rechte Partei in die Regierungsverantwortung. Ebenso rasch und unvermittelt VON MARTIN SELLNER ist der Spaß dann aber auch wieder vorbei, und man stürzt ins nächste, jammervolle Wellental. Aktuell kocht wieder einmal eine „Identitären“-Debatte in den Medien hoch. Der designierte FPÖ-Chef Herbert Kickl wurde Metapolitische Aufgabe von PULS 4 und „Der Standard“ zur rechten Aktivistengrup- Meine These lautet, dass der Grund dafür eine falsche Aus- pe befragt. Die ÖVP tobt, weil Kickl die „Identitären“ als rech- richtung der Kräfte und Ressourcen ist. Selbstverständlich te NGO bezeichnete, mit der es auch inhaltliche Schnittmen- muss es einer Partei darum gehen, ihr Wählerpotenzial zu gen gebe. In der gesamten Debatte nicht zu Wort kam hingegen maximieren und Regierungsverantwortung zu überneh- „Identitären“-Chef Martin Sellner. Im folgenden Gastbeitrag men. Doch die wahre Macht im Staate liegt nicht in den für die TAGESSTIMME äußert sich Sellner über FPÖ-Chef Gremien des Parlamentes, sondern in der Gesellschaft und Kickl und notwendige Reformen in der Partei. der Öffentlichkeit. Diese ist, die knallbunte „Pride“-Beflag- gung führt es uns klar vor Augen, fest in den Händen des Kickl ist designierter Parteichef der Freiheitlichen Partei Gegners. Die linksliberalen Globalisten beherrschen die Österreichs. Wenn man das als indirekte Nachwirkung von Öffentlichkeit und setzen die Themen. Sie bestimmen den „Ibiza“ betrachtet, könnte sich der schäbigste Skandal der Bedeutungsgehalt von Totschlagvokabeln wie „rechtsex- Zweiten Republik sogar als Chance für die FPÖ erweisen. trem“ und „hetzerisch“ und manipulieren per emotional de- Herbert Kickl ist kein typischer rechtspopulistischer sign und Framing die wahrgenommene Wirklichkeit. Nur Frontmann. Er hat nichts von einem Showmaster und wenig wenn es rechten Parteien gelingt, diese feindliche Öffent- vom typischen Berufspolitiker. Der begeisterte Bergsteiger lichkeit zu überwinden und die linke Macht über Sprache nimmt regelmäßig am „Ironman“-Lauf teil und gilt als un- und Denken zu brechen, können sie langfristig politische bestechlicher Asket, der das Scheinwerferlicht der Schicke- Macht aufbauen und halten. ria meidet. Als philosophisch gebildeter Stratege geht Kickls Ein Beispiel dafür, wie stiefmütterlich diese metapoli- Blick über das Auf und Ab der Wahl- und Revierkämpfe hi- tische Aufgabe von rechtspopulistischen Parteien behan- naus. Man darf also vermuten, dass er für seine Funktions- delt wird, sehen wir an den Universitäten. Ob AfD oder periode einen klaren Plan hat. Sollte die Partei reformierbar FPÖ – die Studentenfraktionen gründeln unter der Wahr- sein, so wird sich das in den nächsten Jahren zeigen. Denn nehmungsschwelle vor sich hin. Gesellschaftspolitisch star- wenn Kickl es nicht schafft, dann schafft es keiner. ke Parteien wie die Grünen, die einen großen Einfluss auf die Öffentlichkeit haben, erzielen dagegen bei den Uniwah- Selbstkritische Fehleranalyse len Höchstwerte. Diese sind also als Gradmesser für die ge- Ich schrieb „reformierbar“. Ja, die Partei bedarf meiner An- sellschafts- und metapolitische Macht zu verstehen. Es geht sicht nach einer Reform. Damit meine ich aber keine neue dabei nicht um die konkreten Sitze in der Studentenvertre- „Compliance-Richtlinie“, sondern eine strategische Neuaus- tung, sondern um den Einfluss auf die kommenden Gene- richtung. Die Lehre von „Ibiza“ ist weniger das „Ausmisten rationen an Journalisten, Juristen und „Experten“ aller Art. korrupter Netzwerke“. Parlamentarismus, Postenvergabe Auch auf der Straße haben die Gegner über linke NGOs, und Korruption sind anscheinend systemisch miteinander Antifa-Aktionsgruppen, Jugendzentren, Rechtshilfekomi- verfilzt. Das Scheitern der letzten Regierungsbeteiligung tees, alternative Wohnprojekte und Bars einen Vorsprung. der FPÖ auf charakterliche Mängel und „Sittenlosigkeit“ zu Wer nun naserümpfend meint, dass dieser „Aktivismus“ schieben, wäre zu billig. Nicht der moralisch erhobene Zeige- politisch wertlos sei, sei daran erinnert, dass diejenigen, die finger, sondern die selbstkritische und nüchterne Fehlerana- seit Jahren das Straßenbild bestimmen, heute vor den so ge- lyse ist das Gebot der Stunde. rümpften konservativen Nasen ihre Genderfahnen hissen Nach meiner Überzeugung braucht die FPÖ und braucht und die männlichen Kinohelden ihrer Jugend zu schwarzen Österreich eine Abkehr vom „Parlamentspatriotismus“ hin Transfrauen umschreiben. zu einem metapolitischen Weg. Seit Jahrzehnten erleben wir, wie rechtspopulistische Parteien, umgeben von einer feind- Neue Wege gehen lichen Matrix, um die politische Macht rittern. Sie setzen da- Das rechte Vakuum, das beim patriotischen Aktivismus bei auf massenkompatible, populäre Themen. Ohne langfris- auf der Straße und patriotischer Elitenbildung an den Unis tige Strategie ecken sie heute an, passen sich morgen an und besteht, ist ein Symptom der politischen Krankheit. Der
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 14 D I E K I C K L- FP Ö metapolitische Bankrott ist, die Vermutung liegt nahe, der Grund für das politische Scheitern des Rechtspopulis- mus. Man kann nur siegen, wenn es gelingt, ein geistiges Kraftzentrum aufzubauen, neue, zukunftsgewandte Vi- sionen zu schmieden, ein Mobilisierungspotenzial auf der Martin Sellner Straße zu schaffen und das Ringen um parlamentarische geboren 1989 in Wien, studiert Macht um Aktivismus und Gegenöffentlichkeit zu ergän- Philosophie (B.A.) und Rechts- zen. Andernfalls ist der Rechtspopulismus dazu verurteilt, wissenschaften. Er ist politischer in weltanschauungsloser Abwehrhaltung von einem Em- Aktivist, Autor und Vlogger. 2012 pörungsschock zum nächsten zu taumeln, während er ein gründete Sellner die „Identitäre desorganisiertes, atomisiertes Protestwählerkonglomerat Bewegung Österreich“. Auf den mit Durchhaltephrasen bewirtschaftet, bis es demogra- großen sozialen Medienplattfor- fisch verschwunden ist. men (Facebook, Twitter, YouTube) Will man den neuen Weg gehen, so muss man anerken- wurde er gelöscht, obwohl er bisher nen, dass der Kampf um einen Begriff mindestens genau- in allen gegen ihn angestrengten so wichtig ist wie der Kampf um ein Mandat. Gezielt und strafrechtlichen Verfahren freige- nach allen Regeln des Marketing und Campaigning muss sprochen wurde. die FPÖ daran arbeiten, den Diskurs über entscheidende Themen wie Bevölkerungsaustausch und Remigration zu normalisieren. Der Kampf gegen Zensur, Deplatforming und Gesinnungsjustiz muss dabei aktiv von der Partei be- trieben werden. Als 2018 eine beispiellose repressive Welle gegen das patriotische Vorfeld begann, weil es erstmals die- se wichtigen, brachliegenden Felder beackert hatte, stand die FPÖ nicht nur tatenlos daneben. Sie glaubte in Person von Norbert Hofer sogar, durch eine Beteiligung an der Hexenjagd beim linken Mainstream punkten zu können. „Versicherungssturm“ bereits einen ersten Schritt in diese Ein typischer parlamentspatriotischer Fehlschluss! Der Richtung unternommen. Raum des Sagbaren wird nicht größer, wenn man mithilft, andere hinauszudrängen. Die linke Presse liebt zwar den Veränderung mit Kickl Verrat an Prinzipien und Standhaftigkeit. Sie liebt jedoch Kann die FPÖ die Kehrtwende von einer rechtspopulisti- nicht den Verräter … schen, parlamentspatriotischen Partei zu einer gesellschafts- Erst wenn die „Meinungsklimaanlage“ der Elite lahm- politisch relevanten Kraft schaffen? Ich denke, ja. Das Poten- gelegt wird und ein offener Diskurs über Themen wie den zial auf der Straße zeigte sich in den letzten Monaten bei Bevölkerungsaustausch möglich ist, kann an eine Politik den Corona-Demos, die auch als „Mobilisierungstests“ für gegen Asylwahn und Masseneinwanderung überhaupt ge- kommende patriotische Proteste verstanden werden können. dacht werden. Der parlamentspatriotische Irrtum, man Die Parteikader sind vor allem auf den unteren Ebenen hoch könne über populistische Protestwellen „erst in die Regie- motiviert und idealistisch. Sie sind bereit, alles für ihr Land rung kommen“ und „dann alles umfärben“, entlarvte sich zu tun und einem Mann mit einer Vision und einem Plan zu bereits 2018. Die rechten Eliten, mit denen man die freien folgen. Millionen Österreicher sehnen sich nach einer Hoff- Posten hätte besetzen können, waren schlicht nicht vor- nung und einem konkreten Ausweg aus der multikulturellen handen. Dystopie. Der Erfolg der Marke Sebastian Kurz baut auf die- Ein erster konkreter Schritt in die neue Richtung wäre ser Sehnsucht auf. Während sein Stern sinkt und sich seine die Schaffung eines eigenes Institutes, einer Art von „Ge- Migrationspolitik als Blendwerk entlarvt, schlägt vielleicht genuniversität“, die gezielt junge Rechte zu geistes- und die Stunde von Kickl und einer neuen FPÖ. Eine Partei, die medienwissenschaftlichen Studiengängen motiviert. Ana- nicht nur Rotationsmaschine zum Druck und Begleitprotest log dazu müsste die Parteiakademie neu aufgebaut vom zum Abgesang ist, sondern eine metapolitische Strategie und Nebenschauplatz zum Zukunftsmotor werden. Über ein ein politisches Konzept zum Überleben unserer Identität Netzwerk an Bürgerbüros könnte der Protest auf der Stra- entwickelt, könnte die entscheidende Kraft im Land werden. ße kultiviert und organisiert werden. Das „Team Kickl“ Wenn die FPÖ zu dieser Partei werden kann, dann unter hat mit seiner großartigen Rechtshilfekampagne nach dem Kickl.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E 15 D I E K I C K L- FP Ö 3.6 Warum Kickl mit Klartext die Wähler geistern wollte. Seitdem wird er stets mit seinem grünen Ge- zurückholen wird genpart Sigrid Maurer beim Mauscheln gesichtet. Jener, der im Wahlkampf groß von Leitkultur tönte, steckt die Köpfe zusammen mit jener, die einst in einem Skandalinterview die VON JULIAN SCHERNTHANER Existenz einer österreichischen Kultur bezweifelte. Es riecht Es ist alles nur geklaut: Standpunkte, Rhetorik – und damit nach Realsatire. auch die Wähler. Die Volkspartei, die sich in der ominösen Der Anspruch der „Fortsetzung des Mitte-rechts-Kurses“ „Mitte“ verortet, hat keine Ideologie. Sie bezieht ihre Macht mit der linkesten Partei im Parlament konnte von Anfang aus unzähligen verhaberten Bünden. Bei den Inhalten be- an nicht funktionieren. Das sieht ein Blinder – und so bietet dient sich die türkise Copycat aber bei den Mitbewerbern. Auf sich viel Potenzial für die FPÖ, die nach „Ibiza“ verlorenen denen der Freiheitlichen segelte sie ins Kanzleramt, weshalb Wähler nicht nur aus dem Nichtwählerlager, sondern auch für die FPÖ nur gelten kann: Zurück zu den Wurzeln, unsere von der Kurz-Partie wieder zurückzuholen. Und auch hier Werte sind nicht verhandelbar. scheint Kickl der ideale Kandidat, diese Ungereimtheiten mit aller gebotenen Schärfe aufzuzeigen. Er erkennt: Man muss den Türkisen gnadenlos den Spiegel vorhalten, damit Für diesen Kurs wurden die Weichen am 7. Juni gestellt. Die das Volk sieht, dass man sich hinter solche Hochstapler nicht Empörten in Medien und Politik schrien auf, dass die FPÖ stellen sollte. sich mit Kickl einem „radikaleren“ Kurs zuwende. Das kann man bestreiten – oder aber feststellen: Das Wort kommt von Garant für sichere Grenzen und sichere Heimat lat. radix, „Wurzel“. Es beschreibt jene Akteure, welche die Hier kann Kickl als ehemaliger Innenminister aus dem Vol- Fragen ihrer Zeit an der Wurzel packen wollen. Die nicht nur len schöpfen. Er weiß, dass viele Polizisten sich eigentlich als Symbolpolitik betreiben, sondern wirkliche Veränderung Teil des Volkes verstehen und selbst Familien haben. Dass sie bezwecken wollen. Dieser Wortbedeutung nach ist es keine den Bürgern viel lieber helfen würden, als sie auf mutmaß- Schande, als „Radikaler“ zu gelten. lichen Befehl von oben hin zu strafen oder gar auf Kundge- bungen zu traktieren. Er weiß, wie die schwarzen Netzwerke Ein ganzes Volk als Sammlung von „Radikalen“? gestrickt sind. Und er stand beim Migrationsthema für einen Das Groteske daran ist: Diese Zuschreibung lässt man ihm Kurs der Begrenzung, der Eindämmung und der Rückfüh- angedeihen, weil er Standpunkte vertritt, die bei der Mehr- rung. heit der Österreicher auf Zustimmung treffen. Er macht ge- Während Kickl stets über sinkende Asylzahlen berichten gen die Corona-Maßnahmen der Regierung mobil, seine Re- konnte, steigen sie bei Nachfolger Nehammer (ÖVP) rapide den richten sich gegen die Massenzuwanderung, er verteidigt an. Und auch wenn das Thema gerade von der Corona-Si- mit aller möglichen Vehemenz die Freiheit. Diese Klinge ist tuation überdeckt wird, bleibt es die Mutter aller Probleme. nicht immer fein, dafür aber messerscharf. Er benennt Ross In vielen Städten sind die einheimischen Kinder bereits in und Reiter und verschont niemanden im verkrusteten Polit- der Minderheit. Eine nächste Generation, in der das demo- betrieb. Das nimmt man ihm übel. grafische Ruder noch herumzureißen ist, gibt es schlichtweg Wenn das „radikal“ sein soll, dann ist es gesunde Radika- nicht. Es ist Leitkultur oder Bevölkerungsaustausch. Terti- lität. Andere würden es als Bodenständigkeit oder Volksnähe um non datur. bezeichnen. Ich lebe am Land, in Oberösterreich, im Inn- viertel. Es ist ein Landstrich, der seit Jahrzehnten eine blaue Türkise Mogelpackung und blauer Ritterschlag Hochburg war. Jenseits des Mitte-rechts-Lagers gibt es kei- Die Freiheitlichen müssen bewusst machen: Der Schmiedl nen Blumentopf zu gewinnen, niemand will hier in Klein-Is- kann selten das, was der Schmied schon lange wusste. Als tanbul oder in der Diktatur aufwachen, auch nicht Rotwäh- die Blauen bereits Grenzschutz betreiben wollten, tönte ein ler. Linke Urgesteine stellen hier keine 100 Menschen für damals noch schwarzer Sebastian Kurz davon, der durch- eine Demo auf. Und niemand findet es befremdlich, wenn schnittliche Zuwanderer sei gebildeter als die meisten Ös- ein Politiker im Bierzelt tönt, er wolle nicht, dass die Kinder terreicher. Als die FPÖ erstmals vor dem politischen Islam als Grüne aus Wien wiederkehren. warnte, gefiel sich die Volkspartei noch als Schirmherr eines ominösen Saudi-Zentrums in Wien. Und sogar den Begriff Die „rechte“ ÖVP: alles nur geklaut der Leitkultur lehnte Kurz als Staatssekretär für Integration Nein, diese Worte stammen nicht von Kickl, sondern vom kurz nach seinem Amtsantritt noch vollinhaltlich ab. türkisen Klubobmann August Wöginger. Auf der Rieder Dann kam 2015, und die Freiheitlichen standen mit Messe hielt er eine Brandrede, die das konservative Herz be- ihrer Glaubwürdigkeit bei diesem akut gewordenen Thema
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