Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich

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Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
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POLITI SCHE STU DIE 10

Die Kickl-FPÖ
Ausblick auf die politische Zukunft
der Freiheitlichen in Österreich
Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                          2                                       D I E K I C K L- FP Ö

Inhaltsverzeichnis

1.                      Einleitung                                                                                                 3

2.                      „Der Hofer war’s“ – Der FPÖ-Übergangsobmann                                                                5

3.                      Positionen                                                                                                 6

 3.1 Heinrich Sickl: Zurück zur Partei                                                                                              6
		                                3.2 Lothar Höbelt: Kickl wäre die falsche Wahl als FPÖ-Obmann                                     7
		                                3.3 Heimo Lepuschitz: Verengung oder breite Chance der FPÖ?                                       9
		                                3.4 Josef Paul Puntigam: Kickl schafft klare Kante                                             11
		                                3.5 Martin Sellner: Kickl ist eine große Chance für die FPÖ                                    13
		                                3.6 Julian Schernthaner: Warum Kickl mit Klartext die Wähler zurückholen wird                  15
		                                3.7 Werner Reichel: Viel Feind, viel Ehr                                                       18
		                                3.8 Gerald Grosz: Die FPÖ gibt es nicht mehr zum Hofer-Preis                                   20
		                                3.9 Robert Willacker: Vom rechten Weg abgekommen                                               21
		                                3.10 Hans-Jörg Jenewein: Mit Kickl am rechten Weg                                              23
		                                3.11 Heinrich Sickl: Zurück in die Zukunft                                                     24
		                                3.12 Die Meinung der anderen                                                                   25

4.                      Herbert Kickl                                                                                           27

 4.1 Wir schließen keinen Pakt mit dem Unrecht                                                                                   27
		                                4.2 Der Mann aus dem Maschinenraum                                                             28

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Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                   3   D I E K I C K L- FP Ö

1. Einleitung
Ist die Partei der Mann? Die Freiheitlichen sind so schnell
benannt: die Steger-FPÖ in einer ungeliebten Koalition mit
der SPÖ, die die FPÖ als Honoratiorenpartei in die Mit-
te und damit wohl zum Verschwinden bringen sollte. Die
Haider-FPÖ, die ein neues Politikmodell geschaffen hat
und an der Koalition mit der ÖVP implodiert ist. Die Stra-
che-FPÖ, das, was Haider übrig lassen wollte und was eben
nicht die Kopie, sondern das Original war. Sie ist in Ibiza
geblieben, wurde aber von einer Doppelführungsspitze aus
Hofer-Kickl und „Corona“ stabilisiert, war jedoch nie wirk-
lich die Hofer-FPÖ. Und nun: seit dem 19. Juni 2021 die
„Kickl-FPÖ“.
    Der neue Obmann, „der aus dem Maschinenraum
kommt“, ist wieder eine eindeutige Führungsspitze für eine
geschrumpfte Partei, die die Türkisen bei den freiheitlichen
Kernproblemen Migration und Sicherheit überholen und
wohl am liebsten abschaffen wollen. Herbert Kickl, der
ehemalige Innenminister, wegen dem – so der urbane My-
thos – dann nach „Ibiza“ auch die Koalition gescheitert ist,
weil er sich nicht herumschieben lassen wollte.
    Herbert Kickl hat lange schon Stil und Inhalt der FPÖ
mitgeprägt. Anlässlich der notwendigen Obmannwahl
nach dem Rücktritt Norbert Hofers hat die TAGESSTIM-
ME Autoren und politische Intellektuelle des Dritten La-
gers gebeten, ihre Stellungnahmen abzugeben. Herausge-
kommen ist eine mehrstimmige Analyse des Ist-Zustandes
der Freiheitlichen, die nicht nur die Person Kickl, sondern
auch die Perspektiven freiheitlicher Politik analysiert und
so auch die Politische Studie 6 „Aufstehen – Die Zukunft
der Freiheitlichen nach Ibiza und der Wien-Wahl 2020“
fortsetzt. Die alte „Ibiza“-Schlagzeile aus der „Kronen Zei-
tung“, „FPÖ am Ende“ (Politische Studie 2), hat sich übri-
gens nicht bewahrheitet. Zur Zeit der Wahl Herbert Kickls
zum Bundesparteiobmann halten die Freiheitlichen aktuell
rund 19 %, sind somit eine stabile Partei und bleiben die
wichtigste Oppositionskraft in Österreich. Mit dem Auf-
tritt Kickls schaut alles auf ihn, wie die Freiheitlichen in die
Zukunft gehen und ob sie wieder zu alter Frische gelangen
werden, um Politik in Österreich aktiv mitzugestalten und
damit auch Verantwortung zu übernehmen.

Redaktion FREILICH
19. Juni 2020
Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                                                                                                                                                                                                                                                                  4                                                                                   D I E K I C K L- FP Ö

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        Das Magazin für
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                       Selbstdenker – jetzt
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                           abonnieren!

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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Correctness?
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                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         Fakten, Reportagen, alternative Meinungen und mehr
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                    jetzt zweimonatlich im FREILICH-Magazin.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Bestellung auf freilich-magazin.at!

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                                                                                                                       Wie Pandemie und Lockdown alle
                                                                                                                       Probleme im Land verschärfen. S. 22
                                                                                                           N o 12

                                                                                                                       R E P O R TAG E
                                                                                                                       China kommt
                                                                                                     Warum China eine Erfolgsgeschichte
                                                            FREILICH

                                                                         POLITIK

                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Normal-Abo                                 Sozial-Abo*                              Förder-Abo
                                                               Interview: Der Philosoph Alain de     und Herausforderung ist. S. 50
                                                               Benoist über Rechtspopulismus und
                                                                                                     TERRORISMUS
                                                               das Volk als Souverän. S. 10                                                                                                                                DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
                                                            N o 10

                                                                                                     Die Guten ins Töpfchen
                                   FREILICH

                                          GESELLSCHAFT                                                                                                                                                                                                         Ausgabe No 12 / 2021
                                                               WIRTSCHAFT                            Was Terroristen stoppt und wie man                                                                                                 freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
                                          Interview: Der Schriftsteller Thor                         Gefährder zurückholen kann. S. 42
                                                               Die großerechte
                                          Kunkel über Berufsverbote,         Umverteilung                                                                                                                                                                         MAI 2021

                                                                                                                                                                                                                                                                                                  für € 85,– / Jahr (DE € 94,–)              für € 49,– / Jahr (DE € 58,–)		          für € 170,– / Jahr (DE € 192,–)
                                                               „Corona“ bringt
                                          Politik und die Lügenpresse.         S. 10große Eingriffe in
                                   N o 09

                       POLITIK                                 die Gesellschaft. S. 46               SCHWERPUNKT
                       Interview: Mission R E und
                                              P O Rheiliger
                                                   T A G E Terror.
                       Irfan Peci klärt auf  über  dieweg
                                                       GefahrenÖ S T E R R E I C H
                                          Sind  kurz                                                                                                                 DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
   W I R T S C H A F T des Islamismus für Europa. S. 10 Der Burschen alte Herrlichkeit
                                          Wie Bundeskanzler Kurz Europa in                                                                                                                                  Ausgabe No 10 / 2020
   Interview: Kommt die Krise, oder                            Welche
                                          den Stillstand geschickt       politische
                                                                       hat.   S. 44 Rolle spielen                                                                                     freilich-magazin.at � Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
                       R E P O R TAG E

                                                                                                                                                                                                                                                                                            Erscheinungsweise zweimonatlich / 6 Ausgaben im Jahr. Das Abo verlängert sich bis auf Weiteres um den
   kommt sie nicht? Erfolgsautor Max                           Burschenschaften wirklich? S. 54                                                                                            SEPTEMBER 2020
                       Unter Menschenjägern:
   Otte über den Systemcrash.         S. 10
                                          WISSENSCHAFT
                       Die Antifa nimmt es ganz persönlich.                                                                             DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
                                          Der Vater seiner Gänse
                                                               SCHWERPUNKT
   POLITIK             Extremisten gegen die Freiheit. S. 30                                                                                                                   $XVJDEH1R̤̤
                                          Genialer Biologe und Kulturkritiker:

                                                                                                                                                                                                                                                                                            angegebenen Zahlungszeitraum zum gültigen Bezugspreis, wenn es nicht vier Wochen vor Ablauf schriftlich
                                                                                                                                                       freilich-magazin.at Ǭ³ '(b̤&+)̤
   Das trojanische Pferd:                 Konrad Lorenz im Porträt. S. 78
                       CORONA
   Was die Grünen zur echten Gefahr                                                                           DAS MAGA ZIN FÜR SELBSTDENKER
                                                                                                                                                                                JULI 2020

                                                                                                                           Zurück
   für die Demokratie  Die Virus-Krise
                            macht. S. 44  mit Folgen:
                                          SCHWERPUNKT                                                                                               Ausgabe No 8 / 2020
                       Wie sich der Stillstand    auf uns alle                                                        www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00

                                                                                                                                                                                                                                                                                            gekündigt wird. * Für Schüler, Studenten, Wehrdiener ist ein Nachweis zu erbringen.
                       auswirken wird. S. 40
                                                                                           D A S M A G A Z I N F Ü R S E L B S T D E N KAPRIL                     2020
   K R I M I N A L I TÄT
                                                                                                                                                  ER
   Wie kriminell dürfen Ausländer sein?
                                                                                                                             Ausgabe No 7 / 2020

                                                                                                                           in die
   Wie die Statistiken S C Haus
                             W Epolitischen
                                 RPUNKT                                                          www.freilich-magazin.at / Ö & DE: € 13,00 / CHF 13,00
   Gründen geschönt werden. S. 104                                                                              FEBRUAR 2020
   SCHWERPUNKT

                                                                                                                           Zukunft
      WirWir
                                                                                                        Lockdown, politische Radikalisierung und
                                                                             Der kurze Sommer des Rechts-
                                                                                                        Untergang des Abendlandes: Da kommt
                                                                             populismus ist vorbei. Manche
                                                                                                        ganz schön was zusammen. Doch mit der

         basteln
                                                                             der Parteien brechen ein. Das
                                                                                                                                                                                                                                                                                            Vorname			                                               Nachname
      schaffen
                                                                                                        Gefahr wächst das Rettende auch. Warum
                                                                             Establishment macht zu. Doch
                                                                                                        widerständiges Dasein so wichtig ist. Seite 10
                                                                             politische Veränderung ist

      dasuns eine
                                                                             wichtiger denn je.

         Krise Unpopulär                                                                                                                                                                                                                                                                    Straße				                                                                   Hausnr./Stiege
                rechts
                                  Alle auf die Knie! Denkmäler
      Globalisierung,             stürzen! Establishment und Kon-

          ²0
      Nahversorgung,              zerne sind die Revolution! Ein
                    Wie unsere heile
      Weltencrash und             LandWelt
                                        kriegt keine Luft mehr!
                    aus den Fugen gerät
      Nulldefizit. Arbeiter,                                                                                          Ästhetische Wiederbetätigung – Das Lentos und seine rechten Bildwelten. S. 64

                                                    Schöne
                    und wir sie stets neu
      Angestellte und
      Unternehmer.bauen
                     Wir müssen.
      sind Wirtschaft.                                                                                                                                                                                                                                                                      PLZ                  Wohnort				                                                           Land
                                                    neue Welt           World Press Photo 2020 – Das sind die besten Pressefotos des letzten Jahres S. 60

                                                                                                                                                                                                                                                                                            Telefon				E-Mail
                                               Fotoreportage – Alles im Fluss: vom Delta der Donau bis zur Schallaburg S. 66

                       Reportage Lesbos – So explosiv ist die Lage auf der Flüchtlingsinsel S. 76

   Fotoreportage: Syrien – Hilfe vor Ort. Wie Heimkehrer eine neue Heimat finden. S. 68

                                                                                                                                                                                                                                                                                            Ich will FREILICH verschenken:

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Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                  5                                                          D I E K I C K L- FP Ö

2. „Der Hofer war’s“ – Der FPÖ-

                                                                                                                                           Foto: Parlamentsdirektion / Johannes Zimmer
    Übergangsobmann
Norbert Hofer ist am Dienstag, dem 1. Juni 2021, überra-
schend und ohne Kenntnis der Parteispitze als Bundespartei-
obmann zurückgetreten. 2019 hatte er die FPÖ von Heinz-
Christian Strache übernommen. Nun übergibt er sie wieder.
Ein Porträt.

„Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“, ist
                                                                           Norbert Hofer und Herbert Kickl im Nationalrat.
wohl der gängigste Spruch von Norbert Hofer, gefallen im
Bundespräsidentenwahlkampf 2016. In diesem ist er zwar
knapp gescheitert, erreichte aber als Freiheitlicher doch das
beste Wahlergebnis, das die FPÖ sozusagen je hatte. Der               von Norbert Hofer erstellte neue Parteiprogramm der Frei-
Spruch wurde vom politischen Gegner als drohend-dräu-                 heitlichen Partei Österreichs einstimmig beschlossen – ein
end verstanden, von Sympathisanten als Ankündigung einer              traditionelles Programm mit deutlich nationalen Ansagen.
rechten Wende in Österreich, wie sie später mit Türkis-Blau           Hofer selbst ist Ehrenmitglied einer Pennalverbindung, hat-
und Sebastian Kurz/HC Strache erfolgreich versucht wurde.             te aber auch sehr viel Freude am St.-Georgs-Orden des Hau-
Heute wundert sich wieder jemand, was möglich ist: die gan-           ses Habsburg. Den behördlich verfolgten „Identitären“ hat
ze FPÖ, der ihr Obmann abhandengekommen ist. Der ließ                 er mehrfach eher missgünstige Aussagen nachgeschickt, was
im Tauziehen mit FP-Klubobmann Herbert Kickl um den                   möglicherweise nicht jeden gewundert hat.
Oppositionskurs einfach los: „Ich lasse mir nicht jeden Tag               Von 2013 bis 2017 hatte Hofer das Amt des Dritten Präsi-
ausrichten, dass ich fehl am Platz bin.“ Kritiker in der Partei       denten des Nationalrates inne. Bei der Wahl zum Bundesprä-
meinten noch immer, dass Hofer am liebsten und um jeden               sidenten 2016 erreichte Hofer die Stichwahl, unterlag darin
Preis mit Kurz wieder wollte.                                         allerdings dem ehemaligen Grünen-Obmann Alexander Van
    Norbert Hofer wurde am 2. März 1971 in Vorau ge-                  der Bellen. Trotzdem wunderte man sich, dass so ein Wahl-
boren und ist in Pinkafeld aufgewachsen. Hofer hat seinen             ergebnis in Österreich möglich ist. Auf das sehr beachtliche
Hauptwohnsitz im Südburgenland, ist verheiratet und hat               Ergebnis folgten in der neuen Koalitionsregierung Minister-
vier Kinder. Nach der Matura an der Höheren Technischen               würden: Am 18. Dezember 2017 wurde Hofer als Bundes-
Bundeslehranstalt für Flugtechnik in Eisenstadt war er als            minister für Verkehr, Innovation und Technologie angelobt.
Systemingenieur bei der österreichischen Fluglinie Lauda Air
beschäftigt. Sein Hobby, der Flugsport, wurde ihm im Jahr             Parteiobmann rechtskonservativer Mittellage
2003 zum Verhängnis: Er stürzte mit dem Paragleiter ab und            Nachdem „Ibiza“ die rechtskonservative Regierung aus der
zog sich schwere Wirbelsäulenverletzungen zu. Hofer leidet            Bahn geworfen hatte, erfolgte am 22. Mai 2019 Hofers Rück-
seitdem an einem inkompletten Querschnittssyndrom.                    tritt von diesem Amt, und er kehrte als Nationalratsabgeord-
                                                                      neter ins Parlament zurück, wo er fortan die Funktion des
Fast Bundespräsident                                                  Klubobmanns der FPÖ bekleidete. In der damaligen schwie-
Von 1996 bis 2007 war Hofer Landesparteisekretär der FPÖ              rigen Situation hat der Parteiobmann wesentlich dazu beige-
Burgenland, seit 2006 ist er stellvertretender Landespartei-          tragen, die Partei wieder zu stabilisieren. Norbert Hofer war
obmann. Von 1997 bis 2007 war er Gemeinderat in der Lan-              Spitzenkandidat der FPÖ bei der Nationalratswahl im Sep-
deshauptstadt Eisenstadt. Von 1994 bis 2006 war Norbert               tember 2019, zog am 23. Oktober 2019 in den Nationalrat
Hofer ebenda Stadtparteiobmann der FPÖ und von 2004 bis               ein und wurde an diesem Tag auch erneut zum Dritten Präsi-
2010 Bezirksobmann, außerdem von 2000 bis 2006 Klubdi-                denten des Nationalrates gewählt. Je mehr sich mit „Corona“
rektor im Freiheitlichen Landtagsklub im Burgenland. Nach             aber die politische Lage verschärfte, desto weniger wurde der
der Nationalratswahl im Oktober 2006 zog er als Abgeord-              staatstragende Habitus Hofers von der freiheitlichen Basis
neter in den Nationalrat ein. 2005 wurde Hofer erstmals               goutiert. Das im Gespür, hat der freiheitliche Bundespartei-
zum Vizeparteiobmann der Freiheitlichen Partei Österreichs            obmann dann selbst die Konsequenzen gezogen – allerdings
gewählt. Am 18. Juni 2011 wurde im Rahmen des 30. Bun-                ohne dass irgendwer in der Partei davon wusste. Alle haben
desparteitages der FPÖ in Graz das unter der Verantwortung            sich gewundert, dass das möglich ist.
Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
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3. Positionen
3.1 Zurück zur Partei

VON HEINRICH SICKL

Jedes Mal, wenn in letzter Zeit etwas mit den Freiheitlichen
passiert ist, wurde eine „freiheitliche Familie“ beschworen.                                 Heinrich Sickl
Es ist Zeit, wieder zur Partei zurückzukehren und Politik zu                              wurde 1973 in Kärnten
machen. Dazu braucht es Herbert Kickl als Parteiobmann.                                  geboren. Er lebt mit seiner
     Familien haben viel Heimeliges, da gehören alle zusam-                              Familie in Graz und leitet
men, mögen sich und sind sich im Idealfall grün. Die Fami-                                 als Geschäftsführer die
lie ist ein Zuhause, wo man dazugehört. Und wenn man es                                   Freilich Medien GmbH.
eskaliert, geht es ja auch noch über die Familie mit einem
                                                                                             freilich-magazin.at
bis zwei Kindern hinaus und wird zur Sippe oder zum Clan.
Eine Familie ist, wenn sie funktioniert, etwas wirklich
Schönes … Nur: Eine Partei ist keine Familie.
     Letzten Endes gibt die jetzige Veränderung die Chance,            tei vereint, die von einem Obmann geleitet wird, der in der
die Freiheitlichen wieder als normale Partei zu begreifen.             Oppositionsrolle erfahren ist, der deswegen nicht weniger
Statt eines emotionalen Rückzugsortes ist die Partei die               Staatsmann ist, als von ihm gefordert wird. Der aber auch
Heimstatt für politische Ideen und Strömungen. Bei den                 den Stammtisch als basisdemokratische Organisationsform
Freiheitlichen hat sich hier allerdings einiges gewandelt,             beherrscht.
von nationalliberal hin zur sozialen Heimatpartei. Und in                  Politik braucht das Zusammenbringen der Menschen,
dem Bündel sind noch mehr Begriffe drin: In Oberöster-                 das würde der neue Obmann Kickl ebenso leisten, wie er
reich wirbt man mit „liberalkonservativ“ für sich. Und es              gemeinsam mit anderen aus dem Familienmodell Freiheit-
gibt vielleicht auch manche, die meinen, die Freiheitlichen            liche wieder eine Partei macht, die „Ibiza“ als Kainsmal hin-
seien die echten Türkisen. Ex-Obmann Hofer wurde ein                   ter sich lassen kann. Ein Obmann, der gleichzeitig aber auch
solcher Zugang nachgesagt.                                             konstruktive Politik gestaltet und gegen die türkisen Klone
     Bevor Familienstreitigkeiten ausbrechen: Die Freiheit-            antritt, die freiheitliche Inhalte stehlen und dann meinen,
lichen sind eine Partei, die aus Österreichs ältestem politi-          dass es rechts von ihnen nichts geben dürfe. Vor allem kei-
schen Lager entstanden ist, dem Dritten Lager, die sich aber           nen Protest, dem aber die Freiheitlichen eine Heimat sind.
in die Breite entwickelt hat, weil sie nicht nur aus Honora-
tioren besteht, sondern die Identität des Landes bewahren              Macht braucht Kontrolle – heute mehr denn je
und den „kleinen Mann“ verteidigen will.                               Die Verunsicherung, die der undogmatische Abgang Nor-
                                                                       bert Hofers ausgelöst hat, kann nur durch eine Einheit in
Kickl steht für die FPÖ als politische Kraft                           Vielfalt gelöst werden, die auch wieder mehr Ruhe und Kraft
Die Entscheidung darüber, wer der neue Obmann der Frei-                in die Partei bringt. Eben auch, weil diese im Nachgang zur
heitlichen werden soll, scheint trotz unterschiedlicher Bau-           noch nicht überstandenen Corona-Krise eine kritische Kraft
steine im Mosaik klar zu sein: Herbert Kickl hat die besten            ist, die das Beste für Land und Bevölkerung will. Niemand
Karten im Spiel um die Spitze. Er vertritt einen Kurs, der             braucht Familienstreitigkeiten, aber Österreich braucht eine
die Breite der Partei inhaltlich fasst, gerade weil er die letz-       Freiheitliche Partei, die wieder das tut, was immer ihre Auf-
ten Jahre so stark mitgeprägt hat. Gleichzeitig hatte er als           gabe war: Macht braucht Kontrolle.
Innenminister eine zentrale Rolle im Staat, hat Wesentli-                   Und dazu braucht es einen starken Obmann, der die Frei-
ches für die Sicherheit im Lande geleistet. Man sollte, auch           heitlichen wieder voranbringt, als Partei und als demokrati-
bei einem Spitzenpolitiker, nicht vergessen, dass derjenige,           sche Kraft, die sich trotz aller Schläge der letzten Zeit stabil
der eine Funktion übernimmt, auch an ihr wächst. Im Fal-               gefangen hat und neu aufbaut, der im Team arbeitet, die Tra-
le Kickls geht es eben nicht nur darum, den besten Spruch              dition der Freiheitlichen verkörpert und die Menschen im
zu klopfen und das letzte Wort zu haben. Kickl wäre eine               Engagement mit Herz und Hirn zusammenbringt: Herbert
Speerspitze, die auch die anderen Strömungen in einer Par-             Kickl ist der richtige Mann für diese Aufgabe.
Die Kickl-FPÖ Ausblick auf die politische Zukunft der Freiheitlichen in Österreich
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3.2 Kickl wäre die falsche Wahl                                      Vorlage der Regierung zerpflückte (und sei es auch die seiner
    als FPÖ-Obmann                                                   eigenen Partei). Als Denker im Hintergrund, als Spezialwaf-
                                                                     fe, ja vielleicht sogar als „Mann fürs Grobe“ in der einen oder
                                                                     anderen Situation wäre er eine wertvolle Ergänzung jedes
VO N L O T H A R H Ö B E LT
                                                                     Teams. Doch als Identifikationsmodell taugt Kickl besten-
                                                                     falls für Aktivisten, boshaft formuliert: für die Blinddarm-
Der Historiker Lothar Höbelt erklärt in seinem Gastkommen-           fraktion, ständig gereizt und zu nichts nütze. Auf Wechsel-
tar für die TAGESSTIMME, warum Herbert Kickl seiner                  wähler und potenzielle Nichtwähler, die es zu gewinnen gilt,
Ansicht nach nicht der neue Bundesparteiobmann der FPÖ               wirkt dieser Habitus weit weniger anziehend.
werden sollte.                                                            Kickl hat oft recht – und liegt gerade damit daneben. Er
                                                                     veranstaltet Demonstrationen für die Grund- und Freiheits-
Herbert Kickl ist ein ehrenwerter Mann – unter unseren Po-           rechte. Das ist im Prinzip würdig und recht. Doch wie bei
litikern zweifelsohne intellektuell herausragend; jemand, der        „Radio Eriwan“ steht dahinter ein großes Aber. Die Coro-
sich seine eigenen Überzeugungen gebildet und nicht bloß             na-Debatten gehen quer durch alle Lager. Und auch bei den
lagerkonform mit der Muttermilch aufgesogen hat; auch je-            Rechten oder Konservativen, wie immer man sie nennen will,
mand, der mit seinen asketischen Allüren am allerwenigsten           gab es lange Zeit eine schweigende Mehrheit, die Angst hat
den Eindruck macht, die Politik in erster Linie als Partymeile       und lieber kein Risiko eingeht – und Demos schätzen die
zu betrachten, die sich hervorragend für Geschäftsanbahnun-          Österreicher in ihrer Mehrheit schon überhaupt nicht, wofür
gen eignet. Er hat zweifelsohne seinen Anteil an den Erfolgen        oder wogegen auch immer. Kickl hatte als Minister natürlich
der Ära Strache, und Erfolge waren es, denn für „Ibiza“ kann         recht, sich anschauen zu wollen, was diverse Abteilungen in
Kickl sicherlich nichts – für das Krisenmanagement danach            dem Ministerium, für das er politisch verantwortlich war, ei-
freilich schon.                                                      gentlich so treiben – aber diesen Konflikt mit unseren lächer-
                                                                     lichen Mini-Bonds (und -Bondinnen) zu einem Koalitions-
Kickl hat oft recht – und liegt gerade damit daneben                 krach eskalieren zu lassen, war unverhältnismäßig und falsch.
Ich bin Kickl persönlich dankbar für die lobenden Worte,                  Die Reaktion von Kurz auf „Ibiza“ war eine Frechheit,
die er vor einem Jahr im Parlament für mich gefunden hat             aber es wäre – gleich zweimal – immer noch vernünftiger
– was ich ihm hoch anrechne, gerade weil wir in der Vergan-          gewesen, das Innenministerium zu opfern, als aus der Re-
genheit keineswegs immer einer Meinung waren. Es tut mir             gierung auszuscheiden. An dem verhängnisvollen Wochen-
deshalb leid, dass wir heute wieder zu konträren Positionen          ende selbst – und beim Misstrauensantrag einige Wochen
gelangen, aber: Man täte weder ihm noch der FPÖ etwas                später. Die blauen Minister hätten in dem mehr als halben
Gutes, wenn man ihn zum Parteiobmann machte. Die Sym-                Jahr Übergangsregierung zumindest noch diversen Unsinn
pathiewerte eines Politikers hängen eben nur zu einem klei-          verhüten können. Zugegeben: Sogar ich als eingefleischter
nen Teil mit seiner „Performance“ zusammen. Viel davon ist           Schwarz-Blau-Fan hätte nach Kurzens Absprung nichts da-
Inszenierung. Aber auch das Marketing kommt irgendwann               gegen gehabt, es als Retourkutsche einmal mit den Roten zu
einmal an seine Grenzen. Es bleibt immer noch ein beträcht-          probieren: Von Doskozil bis Dornauer gibt es da durchaus
licher Rest an gewissem Etwas, an einer schwer definierbaren         Leute, mit denen es keine Schande wäre, ein Stück des Weges
Mischung aus Charme, Humor, Jovialität, ja durchaus auch             gemeinsam zu gehen. Nur: Erstens hatten (und haben) die
unterschwelliger Verlogenheit, der Fähigkeit, allen Leuten           Genannten in der SPÖ nicht das Sagen, und zweitens wäre
etwas so zu sagen, dass es zumindest so klingt, wie sie es hö-       man auch gemeinsam weit von einer Mehrheit entfernt. Oder
ren wollen (Haider war da unbestrittener Meister), ja an der         glaubt man vielleicht gar, als Steigbügelhalter für die Blim-
Fähigkeit „to suffer fools gladly“, geduldig und lächelnd ton-       lingers und Brandstetters dieser Welt reüssieren zu können?
nenweise leeres Stroh über sich ergehen zu lassen.                   Strategisch ist das schlicht und einfach eine Sackgasse. Das
    Es ist für Persönlichkeiten vom Zuschnitt Kickls nicht           kann man bedauern, aber daran ändert sich so schnell nichts.
leicht, sich damit abzufinden, dass andere sich mit der Reso-
nanz im Publikum so viel leichter tun, obwohl sie weniger            Zusammenarbeit mit ÖVP wäre schwieriger
leisten, nicht so klug sind etc. Da kann man schon einmal            Nun könnte man auf den ersten Blick sagen: Auch Haider
mit dem Schicksal hadern. Auf der parlamentarischen Bühne            hat eine Regierung platzen lassen – und wurde dafür mit
wird Kickl als scharfzüngiger Debattierer allemal eine gute          dem märchenhaften Aufstieg seiner Partei belohnt, von 5 %
Figur machen. Da blitzt vielleicht sogar eine gewisse Ähn-           auf fast 30 %. Aber erstens waren die Umweltbedingungen
lichkeit mit dem liberalen Großmeister Eduard Herbst auf,            damals anders – und zweitens wollte gerade Haider die Re-
der im 19. Jahrhundert in unerreichter Meisterschaft jede            gierung ja fortsetzen. Er hat seinen Mitbewerbern nie taxfrei
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die Ausrede geliefert, die FPÖ wolle ja gar nicht regieren. Erst
die Risikoscheu der „Altparteien“ zwang ihn da förmlich zu
seinem Glück. Ein solcher Trade-off zwischen Teilhabe an
der Macht und Popularität beim Wähler ist heute nicht in
den Karten: Die Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit
der ÖVP würden unter einem Obmann Kickl sicherlich lei-
den – die Wahlchancen aber keineswegs steigen. Präferenzen
seien jedem unbenommen, aber diverser persönlicher Befind-
lichkeiten halber gewisse Koalitionsoptionen von vornherein
auszuschließen, ist genau das Erfolgsrezept, mit dem Vranitz-               Lothar Höbelt
ky und seine Nachfolger die SPÖ zweimal aus der Regierung                 ist Jahrgang 1956 und
manövriert und dabei die Hälfte ihrer Wähler abgebaut ha-                Historiker. Er lehrt als
ben. Zur Nachahmung bestens empfohlen, nicht wahr?                     außerordentlicher Professor
    Das Szenarium der letzten Tage erinnert frappant an den             für Neuere Geschichte an
Einsturz der Reichsbrücke: Der Stadt Wien passiert etwas               der Universität Wien. Hö-
– und der Oppositionschef tritt zurück. Schwarz-Grün ge-               belt hat u. a. zur Parteien-
rät in Turbulenzen – und Hofer wirft das Handtuch. Wenn                 geschichte des Dritten La-
Kickl – nachdem er lange Zeit Haider zugearbeitet und                  gers geforscht. Sein jüngstes
dann unter Strache und Hofer wichtige Positionen bekleidet                         Buch:
hat – einmal selbst Obmann werden will, ist das – wie ge-              „Die Erste Republik Öster-
sagt – menschlich verständlich. Es erinnert freilich fatal an            reich (1918–1938). Das
den verbissenen Willen Hillary Clintons, doch endlich ein-             Provisorium“, Wien 2018,
mal aus eigenem Recht ins Weiße Haus einzuziehen, nicht                         456 Seiten,
bloß im Schlepptau von lockeren Charmeuren, die ihr nicht                         € 40,–.
das Wasser reichen können. Sage niemand, Hillary habe in
der Politik nichts bewirkt. Sie hat mit ihrer Opposition zwei
außergewöhnliche Präsidenten „gemacht“ und ermöglicht:
Barack Obama und Donald Trump, die beide gegen alle Er-
wartungen an ihr vorbeigesegelt sind.
    Wem immer Kickl auch den Weg freischießen würde, ob
einer Neuauflage von Schwarz-Grün oder einer sonstigen
Kombination von Komikern ohne Humor – es wäre nichts,
worauf wir uns freuen können.
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3.3 Verengung oder breite Chance
    der FPÖ?

VON HEIMO LEPUSCHITZ

Was wurde nicht in den letzten Wochen sorgenvoll über die so
schädliche Verengung der FPÖ unter dem fürchterlichen Gott-

                                                                                                                                        Foto: Alois Endl
seibeiuns Herbert Kickl geschrieben. In dramatischen Worten
wurde die Wählerendzeit für die Freiheitlichen ausgerufen,
denn jetzt sei die FPÖ, man stelle sich das vor, rechts, und mit
Kickl werde ein sozialpatriotischer Kurs gefahren, der anderen
                                                                            Herbert Kickl bei der Abschlusskundgebung im Prater.
Parteien nicht mehr passe.

Erstens machen sich hier diejenigen die größten Sorgen über
die Zukunft der Freiheitlichen, die die FPÖ niemals wählen             bestreitbar primär auf den von Herbert Kickl vorangetrie-
würden und ihr schon gar keine Zukunft wünschen, und                   benen kantigen Kurs der Freiheitlichen gegen die Corona-
zweitens ist die FPÖ zumindest seit 2005 eine ideologisch              Politik der Regierung zurückzuführen. Naserümpfern, die
gefestigte Bewegung. Ohne dieses stabile ideologische Fun-             gern eine streichelweichere Linie hätten – auch der Autor
dament der Partei hätte sie die Stürme der letzten Jahre und           dieser Zeilen ist hier ja eher ein weichgespülter Bürgerli-
Jahrzehnte nie so intakt überstanden. Die Freiheitlichen               cher –, sei dies ins Stammbuch geschrieben: Mit „lieb“ ge-
sind mit ihrer Positionierung als „Die soziale Heimatpar-              winnt man keine Wahl. Es braucht die Polarisierung, ohne
tei“ gut gefahren und haben sich eine treue Stammwähler-               diese gehen FP-affine Wähler nicht zur Urne. Mit Sicher-
schaft aufgebaut, die auch im ärgsten Sturm an Bord bleibt.            heit sympathisieren viel mehr Wähler mit einem kusche-
                                                                       ligeren Kurs der Blauen, aber mit gleicher Sicherheit wird
Kickl mobilisiert Kernwählerschaft                                     dieser nicht von mehr Bürgern gewählt. In Zeiten massiver
Jetzt übernimmt mit Herbert Kickl ein erfahrener Stratege              Politverdrossenheit gilt: Wer seine Kernwähler zur Wahl
endgültig und offiziell das Ruder der Freiheitlichen. Selbst           bekommt, der wird ein gutes Ergebnis erzielen.
seine Gegner sprechen dem neuen FPÖ-Chef überragendes
strategisches Talent und großen Fleiß zu. Herbert Kickl                Keine Regierungsfähigkeit?
hat seit Jahrzehnten in vielen Funktionen bewiesen, was er             Aber nimmt Kickl nicht der FPÖ die Regierungsfähigkeit,
kann. Und das skandalfrei und ohne die Bodenhaftung zu                 machen sich viele Sorgen, die der FPÖ sowieso niemals eine
verlieren. Die Doppelspitze Hofer-Kickl hat die FPÖ nach               Regierungsfähigkeit zugestehen. Das ist leicht zu entkräften.
dem „Ibiza“-Verrat der Kurz-ÖVP zwar wieder in ruhigeres                   Erstens wirft gerade die ÖVP Grundsätze jederzeit über
Fahrwasser gebracht, und die Verdienste Norbert Hofers                 Bord, wenn es um ihren eigenen Machterhalt geht. Außer-
sind groß. Sie hat aber schlussendlich nicht mehr funktio-             dem ist die Annahme, es finde sich innerhalb des Partei-
niert, und wenn etwas nicht funktioniert, dann muss man                vorstandes und des Parlamentsklubs eine Mehrheit für eine
es ändern. Speziell in politisch so unsicheren Zeiten wie              Koalition mit der Person Sebastian Kurz, eine absolut un-
diesen, in denen jeden Tag ein neuer türkiser Skandal die              wahrscheinliche. Zu tief sitzt die Erfahrung des gebrochenen
Republik erschüttert und die türkis-grüne Koalition auf tö-            Handschlages und des Verrates der Volkspartei in der „Ibi-
nernen Füßen steht.                                                    za“-Krise.
    Wie sieht es also aus mit der Zukunft der Freiheitlichen?              Zweitens muss die FPÖ nicht regieren, sie kann es aber
Dafür muss man in die jüngste Vergangenheit blicken. Der               jederzeit. Jeder wird konzedieren, dass die FPÖ eine perfek-
Tiefpunkt der FPÖ war mit der katastrophalen Wahlnie-                  te Oppositionspartei ist. Und ob es unendlich reizvoll ist, in
derlage in Wien erreicht, und zwar trotz eines respektablen            kommenden Zeiten von Budgetsanierung und Wirtschafts-
Wahlkampfes und eines sogar weitaus besser als erwartet                krise einen Sanierungskurs zu vertreten, sei dahingestellt.
performenden Spitzenkandidaten. Auch die Bundespartei                  Zusätzlich muss man nach Wahlen über eine ausreichende
befand sich im einstelligen Bereich, also auf Katastrophen-            Stärke verfügen, um wie nach 2017 freiheitliche Grundsätze
niveau. Heute, wenige Monate danach, steht die FPÖ wie-                auch umsetzen zu können.
der auf und über dem Niveau der Nationalratswahl 2019,                     Drittens ist es das historische Verdienst von Sebastian
hat sich ihre Kernwählerschaft zurückerarbeitet. Das ist un-           Kurz, die SPÖ gegenüber der FPÖ geöffnet zu haben. Selbst
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in der Sozialdemokratie hat sich vielerorts die Erkenntnis
durchgesetzt, dass es klüger wäre, mit der FPÖ eine „Not-
koalition“ einzugehen und damit wohl den Kanzler dauer-
haft zu erringen, als sich erneut von der Kurz-ÖVP demü-
tigen und verraten zu lassen. Hier spielt auch mit hinein,
dass Herbert Kickl als langjähriger Sozialsprecher der Frei-
heitlichen inhaltlich in vielen Punkten der SPÖ näher steht
als der konzernorientierten ÖVP und ihren Großspendern.

Klare Kante                                                          Heimo Lepuschitz
Wo liegen also die Gefahren mit dem neuen Obmann? Kickl             ist politischer Kommuni-
hat schon bei seiner Antrittspressekonferenz und in ersten          kationsspezialist und war
Interviews gezeigt, dass er seine neue Rolle versteht. Nach          Medienkoordinator der
innen verbindend, nach außen hart, aber nicht grenzüber-            letzten ÖVP-FPÖ-Regie-
schreitend, sollte die Devise sein. Sich nicht in eine Blase        rung. Er ist auf Strategie-
verengen, nicht zwischen Türkis und Blau Schwanken-                  beratung, Public Affairs
de vertreiben, aber trotzdem glasklare Kante zeigen. Eine            und Krisenkommunika-
schwierige Balance, die dem erfahrenen Strategen durchaus                tion spezialisiert.
zuzutrauen ist. Und wer zu wissen behauptet, wie die poli-
tische Lage in einem Jahr ist, der weiß wohl auch die Lotto-
zahlen vom kommenden Sonntag. Die FPÖ hat aber wieder
gute Karten. Das garantieren allein schon die kommende
neue Flüchtlingswelle, das tägliche Regierungsversagen,
türkise Freunderlwirtschaft und die geplante öko-asoziale
Steuerreform mit ihrer Belastungswelle.
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3.4 Kickl schafft klare Kante

VON JOSEF PAUL PUNTIGAM

Brigadier Josef Paul Puntigam ist sich sicher: Die FPÖ wird
sich mit ihrem neuen Parteichef Herbert Kickl straffen und
wieder ein klares Profil bekommen. Der folgende Beitrag wur-
de ursprünglich auf der Facebook-Seite von Puntigam veröf-
fentlicht.

                                                                                                                                      Foto: Archiv
Diese Woche drehte sich alles um den designierten Parteiob-
mann der FPÖ – Herbert Kickl. Wenn jemand auf die Büh-
                                                                             Kundgebung der FPÖ am 20. Mai am Wiener
ne tritt, so lautet die erste Frage: Wer ist das? Aber Herbert               Heldenplatz.
Kickl ist kein Unbekannter. Wir Soldaten lernten, vor der
Beurteilung einer Situation eine Lagefeststellung zu machen!
Nun, wie stellt sich die Lage dar? Kickl gilt als ein talentier-
ter Politiker, dessen prägende Geisteslandschaft die Kärntner           denken“. Und diesem Denken verleiht er durch seine Rheto-
Politik in seiner Jugend war. Dort hat Kickl seinen Ursprung,           rik eine unvorstellbare Auftreffwucht im politischen Zielge-
dort wurde er sozialisiert.                                             biet. Das ängstigt. Und diese Angst der Mutlosen verstehe ich
    Die Kärntner Geisteslandschaft ist geprägt durch einen              natürlich auch. Kickl fühlte sich (typisch für einen Kärntner
starken Hang zum Sozialismus einerseits und zur ausge-                  Politiker) in der Nähe der ÖVP nicht wohl. Da stehen ihm
prägten Bodenständigkeit andererseits. Auch die meisten                 die wirklichen Sozialisten nach Kärntner Art schon näher.
Kärntner Sozialisten zeigten so ihr Selbstverständnis. Jörg             Oder die NEOS. Oder Gruppierungen wie das ehemalige
Haider war ein Meister dieser Darstellung. Herbert Kickl ist            Team Stronach. Und ich glaube, Kickl wird neue Allianzen
ein Meister der Rhetorik. Vor allem seine Drei-Wörter-Sät-              schmieden. Allianzen außerhalb der ÖVP. Allianzen, wie
ze stehen unnachahmlich dafür. Diese Sätze dringen wie ein              damals Kreisky oder Sinowatz. Kickl wird nie mehr eine
warmes Messer durch die Butter in das Unterbewusstsein der              Allianz mit der ÖVP schmieden, wie ehemals Haider mit
Menschen. Man könnte auch sagen, Kickl führt eine für den               Schüssel oder Strache mit Kurz. Das hat noch nie funktio-
Hausgebrauch zu scharfe Klinge.                                         niert und wird auch künftig – egal wer an welcher Spitze der
                                                                        Parteien steht – nicht funktionieren. Und wer den letzten
Rhetorisches Talent                                                     ORF-Auftritt des steirischen Landeshauptmannes Schützen-
Wie auch immer. Wer zu nahe an Kickl herantritt, darf sich              höfer erlebte, weiß, warum. Das sage ich auch als Bürger, dem
nicht wundern, wenn dessen rhetorisches Feuer dann den Bart             die ÖVP lange Zeit politische Heimat war – aber sozialisiert
versengt. Ich bin Kickl erst einmal begegnet. Für wenige Mi-            durch Franz Wegart, Friedrich Niederl oder Krainer junior!
nuten. Und das auch zufällig in einem Café. Aber ich habe alle          Nicht durch Raiffeisenbankchefs, Wiener Blasen oder die
seine Reden genau reflektiert. Sehr genau. Auch alle Reden im           ÖVP Niederösterreich.
Zusammenhang mit dem Rauchervolksbegehren, der Asylge-
schichte, oder jene, die sich auf die COVID-19-Pandemie be-             Kurz machte Kickl stärker
zogen.                                                                  Sebastian Kurz machte seinen größten bisherigen strate-
    Dann schälte ich seine Reden, Schichte für Schichte. Ich            gischen Fehler, als er 2019 unter Mithilfe des Bundespräsi-
schälte mich durch, bis ich an den Kern kam. Und dieser war für         denten Kickl aus der Regierung warf. Obwohl Kickl nichts
mich hochinteressant. Kickl mag sich in seiner Meinung über             mit „Ibiza“ zu tun hatte. Man konnte und kann Kickl kein
das Rauchen, über Masken und Impfen zu weit hinauslehnen,               persönliches oder politisches Fehlverhalten vorwerfen. Man
zu schrill seine Botschaft verkünden und auch den Bogen über-           kann seine Mimik und Gestik ablehnen. Das ist nicht jeder-
spannen – aber bei Licht besehen behält er zu guter Letzt immer         manns Sache. Man kann inhaltlich anderer Meinung sein
recht. Die da laut „Verschwörungstheoretiker“ brüllen, stehen           als Kickl. Das ist durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Aber
dann plötzlich selbst als „Verschwörungstheoretiker“ da.                Kickl hat sich nie etwas zuschulden kommen lassen, was
                                                                        Gerichte beschäftigen konnte. Für ihn musste man die Un-
Strategischer Kopf                                                      schuldsvermutung nicht an den Haaren herbeiziehen! Es gab
   Für mich ist Kickl der strategische Kopf in der österrei-            gegen ihn niemals einen Anfangsverdacht – aber viele Vor-
chischen Innenpolitik. Er ist fähig, „heute das Morgen zu               urteile. Hier hätte ich als Sebastian Kurz besonnener und
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intelligenter gedacht. Nicht das Abfeuern einer Granate ist         Josef Paul Puntigam
von Bedeutung, auch nicht das Zielgebiet, nein – das Auf-           Brigadier a.D. (Jg. 1947),
schlagen und die Wirkung im Ziel. Besonders die Langzeit-             ist ein ehemaliger Kom-
wirkung! Dieses hochbrisante Wirkmittel fliegt noch! Aber           mandant der Anton-Wall-
nicht mehr lange! Kurz hat sich in den Zug nach Sarajewo            ner-Kaserne in Saalfelden
gesetzt, ohne zu wissen, was dort wirklich auf ihn wartet.           am Steinernen Meer und
Den Beteuerungen seiner unmittelbaren Umgebung, seines                Infanteriechef des Öster-
Echoraumes, hat Sebastian Kurz zu viel Gehör geschenkt. Da          reichischen Bundesheeres.
hat ihn sein politisches Talent verlassen. Denn wenn du dei-            Er zählt zu den weni-
nen Feind nicht besiegen kannst, so umarme ihn – zu Tode.              gen Offizieren, die alle
Das hat Kurz verabsäumt! Er machte Kickl in seiner Kraft            Spezialverwendungen des
stärker – wie in einem Stahlbad!                                      Bundesheeres vom Fall-
                                                                    schirmjäger, Gebirgsjäger,
„Wir werden uns noch wundern!“                                        Jagdkommandosoldaten
Was wird Kickl weiter machen? Er schafft vorerst einmal                bis zum Ausbildungsof-
„klare Kante“. Die FPÖ wird sich straffen. Neue Wähler               fizier für diverse Sonder-
werden hinzukommen. Andere werden empört das Wei-                   ausbildungen bekleideten.
te suchen. Die FPÖ hat aber einen langen Atem und ist                Puntigam ist ein Experte
an Kummer gewöhnt. Die Zeit nach der Pandemie wird                   für Führungsausbildung.
für weitere Klarheiten sorgen, vor allem, wenn die Öster-             2006 erhielt er das Gol-
reicherin und der Österreicher den Gürtel enger schnallen              dene Ehrenzeichen der
müssen und die Frage im Raum stehen wird: Hätte es 2020                 Republik Österreich.
und 2021 auch einen anderen Weg gegeben? Einen, der die
Gesellschaft kulturell, wirtschaftlich und im Zusammen-
halt nicht so schwer belastet hätte? Hätte Rechtzeitigkeit
viel Unheil verhindert? Herbert Kickl wird vorerst einen
scharfen Oppositionskurs fahren. Die FPÖ wird wieder
ein klares Profil bekommen. Vielleicht sogar auf Kosten der
Zustimmungsprozente. Norbert Steger war schon einmal
bei 3 % – und sein Nachfolger Haider schaffte wieder 30 %.
Kickl schielt vorerst nicht auf Prozentpunkte, sondern auf
die Langfristigkeit seiner Politik. Er weiß, es werden be-
sorgte neue Wähler hinzukommen. Und Kickl hat Zeit …
und wird diese nutzen. Und zum Schluss wird Norbert
Hofer mit seinem berühmten Satz aus der Bundespräsiden-
tenwahl Bedeutung bekommen, nämlich: „Wir werden uns
noch wundern!“
    PS: Für alle Empörungstechniker und Betroffenheitsfa-
natiker – auch ich habe Sebastian Kurz vertraut. Bis in die
Nacht vom 17. auf den 18. Mai 2019. Auch ich bin manch-
mal fassungslos, wenn Herbert Kickl in Fahrt gerät. Auch
mir wäre eine unaufgeregte Mimik, Gestik und Wortwahl
lieber. Warum? Weil ich den guten Kern seiner Absicht
auch aus seinen Reden herausschälte!
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3.5 Kickl ist eine große Chance                                         reiten dabei eine Protestwählerwelle nach der anderen. Die
    für die FPÖ                                                         Mobilisierung der unzufriedenen Masse „spült“ bei günsti-
                                                                        ger Stimmungslage gelegentlich auch eine rechte Partei in die
                                                                        Regierungsverantwortung. Ebenso rasch und unvermittelt
VON MARTIN SELLNER                                                      ist der Spaß dann aber auch wieder vorbei, und man stürzt
                                                                        ins nächste, jammervolle Wellental.
Aktuell kocht wieder einmal eine „Identitären“-Debatte in den
Medien hoch. Der designierte FPÖ-Chef Herbert Kickl wurde               Metapolitische Aufgabe
von PULS 4 und „Der Standard“ zur rechten Aktivistengrup-               Meine These lautet, dass der Grund dafür eine falsche Aus-
pe befragt. Die ÖVP tobt, weil Kickl die „Identitären“ als rech-        richtung der Kräfte und Ressourcen ist. Selbstverständlich
te NGO bezeichnete, mit der es auch inhaltliche Schnittmen-             muss es einer Partei darum gehen, ihr Wählerpotenzial zu
gen gebe. In der gesamten Debatte nicht zu Wort kam hingegen            maximieren und Regierungsverantwortung zu überneh-
„Identitären“-Chef Martin Sellner. Im folgenden Gastbeitrag             men. Doch die wahre Macht im Staate liegt nicht in den
für die TAGESSTIMME äußert sich Sellner über FPÖ-Chef                   Gremien des Parlamentes, sondern in der Gesellschaft und
Kickl und notwendige Reformen in der Partei.                            der Öffentlichkeit. Diese ist, die knallbunte „Pride“-Beflag-
                                                                        gung führt es uns klar vor Augen, fest in den Händen des
Kickl ist designierter Parteichef der Freiheitlichen Partei             Gegners. Die linksliberalen Globalisten beherrschen die
Österreichs. Wenn man das als indirekte Nachwirkung von                 Öffentlichkeit und setzen die Themen. Sie bestimmen den
„Ibiza“ betrachtet, könnte sich der schäbigste Skandal der              Bedeutungsgehalt von Totschlagvokabeln wie „rechtsex-
Zweiten Republik sogar als Chance für die FPÖ erweisen.                 trem“ und „hetzerisch“ und manipulieren per emotional de-
    Herbert Kickl ist kein typischer rechtspopulistischer               sign und Framing die wahrgenommene Wirklichkeit. Nur
Frontmann. Er hat nichts von einem Showmaster und wenig                 wenn es rechten Parteien gelingt, diese feindliche Öffent-
vom typischen Berufspolitiker. Der begeisterte Bergsteiger              lichkeit zu überwinden und die linke Macht über Sprache
nimmt regelmäßig am „Ironman“-Lauf teil und gilt als un-                und Denken zu brechen, können sie langfristig politische
bestechlicher Asket, der das Scheinwerferlicht der Schicke-             Macht aufbauen und halten.
ria meidet. Als philosophisch gebildeter Stratege geht Kickls               Ein Beispiel dafür, wie stiefmütterlich diese metapoli-
Blick über das Auf und Ab der Wahl- und Revierkämpfe hi-                tische Aufgabe von rechtspopulistischen Parteien behan-
naus. Man darf also vermuten, dass er für seine Funktions-              delt wird, sehen wir an den Universitäten. Ob AfD oder
periode einen klaren Plan hat. Sollte die Partei reformierbar           FPÖ – die Studentenfraktionen gründeln unter der Wahr-
sein, so wird sich das in den nächsten Jahren zeigen. Denn              nehmungsschwelle vor sich hin. Gesellschaftspolitisch star-
wenn Kickl es nicht schafft, dann schafft es keiner.                    ke Parteien wie die Grünen, die einen großen Einfluss auf
                                                                        die Öffentlichkeit haben, erzielen dagegen bei den Uniwah-
Selbstkritische Fehleranalyse                                           len Höchstwerte. Diese sind also als Gradmesser für die ge-
Ich schrieb „reformierbar“. Ja, die Partei bedarf meiner An-            sellschafts- und metapolitische Macht zu verstehen. Es geht
sicht nach einer Reform. Damit meine ich aber keine neue                dabei nicht um die konkreten Sitze in der Studentenvertre-
„Compliance-Richtlinie“, sondern eine strategische Neuaus-              tung, sondern um den Einfluss auf die kommenden Gene-
richtung. Die Lehre von „Ibiza“ ist weniger das „Ausmisten              rationen an Journalisten, Juristen und „Experten“ aller Art.
korrupter Netzwerke“. Parlamentarismus, Postenvergabe                       Auch auf der Straße haben die Gegner über linke NGOs,
und Korruption sind anscheinend systemisch miteinander                  Antifa-Aktionsgruppen, Jugendzentren, Rechtshilfekomi-
verfilzt. Das Scheitern der letzten Regierungsbeteiligung               tees, alternative Wohnprojekte und Bars einen Vorsprung.
der FPÖ auf charakterliche Mängel und „Sittenlosigkeit“ zu              Wer nun naserümpfend meint, dass dieser „Aktivismus“
schieben, wäre zu billig. Nicht der moralisch erhobene Zeige-           politisch wertlos sei, sei daran erinnert, dass diejenigen, die
finger, sondern die selbstkritische und nüchterne Fehlerana-            seit Jahren das Straßenbild bestimmen, heute vor den so ge-
lyse ist das Gebot der Stunde.                                          rümpften konservativen Nasen ihre Genderfahnen hissen
    Nach meiner Überzeugung braucht die FPÖ und braucht                 und die männlichen Kinohelden ihrer Jugend zu schwarzen
Österreich eine Abkehr vom „Parlamentspatriotismus“ hin                 Transfrauen umschreiben.
zu einem metapolitischen Weg. Seit Jahrzehnten erleben wir,
wie rechtspopulistische Parteien, umgeben von einer feind-              Neue Wege gehen
lichen Matrix, um die politische Macht rittern. Sie setzen da-          Das rechte Vakuum, das beim patriotischen Aktivismus
bei auf massenkompatible, populäre Themen. Ohne langfris-               auf der Straße und patriotischer Elitenbildung an den Unis
tige Strategie ecken sie heute an, passen sich morgen an und            besteht, ist ein Symptom der politischen Krankheit. Der
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metapolitische Bankrott ist, die Vermutung liegt nahe,
der Grund für das politische Scheitern des Rechtspopulis-
mus. Man kann nur siegen, wenn es gelingt, ein geistiges
Kraftzentrum aufzubauen, neue, zukunftsgewandte Vi-
sionen zu schmieden, ein Mobilisierungspotenzial auf der                                  Martin Sellner
Straße zu schaffen und das Ringen um parlamentarische                               geboren 1989 in Wien, studiert
Macht um Aktivismus und Gegenöffentlichkeit zu ergän-                               Philosophie (B.A.) und Rechts-
zen. Andernfalls ist der Rechtspopulismus dazu verurteilt,                         wissenschaften. Er ist politischer
in weltanschauungsloser Abwehrhaltung von einem Em-                               Aktivist, Autor und Vlogger. 2012
pörungsschock zum nächsten zu taumeln, während er ein                              gründete Sellner die „Identitäre
desorganisiertes, atomisiertes Protestwählerkonglomerat                             Bewegung Österreich“. Auf den
mit Durchhaltephrasen bewirtschaftet, bis es demogra-                              großen sozialen Medienplattfor-
fisch verschwunden ist.                                                           men (Facebook, Twitter, YouTube)
    Will man den neuen Weg gehen, so muss man anerken-                            wurde er gelöscht, obwohl er bisher
nen, dass der Kampf um einen Begriff mindestens genau-                             in allen gegen ihn angestrengten
so wichtig ist wie der Kampf um ein Mandat. Gezielt und                           strafrechtlichen Verfahren freige-
nach allen Regeln des Marketing und Campaigning muss                                        sprochen wurde.
die FPÖ daran arbeiten, den Diskurs über entscheidende
Themen wie Bevölkerungsaustausch und Remigration zu
normalisieren. Der Kampf gegen Zensur, Deplatforming
und Gesinnungsjustiz muss dabei aktiv von der Partei be-
trieben werden. Als 2018 eine beispiellose repressive Welle
gegen das patriotische Vorfeld begann, weil es erstmals die-
se wichtigen, brachliegenden Felder beackert hatte, stand
die FPÖ nicht nur tatenlos daneben. Sie glaubte in Person
von Norbert Hofer sogar, durch eine Beteiligung an der
Hexenjagd beim linken Mainstream punkten zu können.                 „Versicherungssturm“ bereits einen ersten Schritt in diese
Ein typischer parlamentspatriotischer Fehlschluss! Der              Richtung unternommen.
Raum des Sagbaren wird nicht größer, wenn man mithilft,
andere hinauszudrängen. Die linke Presse liebt zwar den             Veränderung mit Kickl
Verrat an Prinzipien und Standhaftigkeit. Sie liebt jedoch          Kann die FPÖ die Kehrtwende von einer rechtspopulisti-
nicht den Verräter …                                                schen, parlamentspatriotischen Partei zu einer gesellschafts-
    Erst wenn die „Meinungsklimaanlage“ der Elite lahm-             politisch relevanten Kraft schaffen? Ich denke, ja. Das Poten-
gelegt wird und ein offener Diskurs über Themen wie den             zial auf der Straße zeigte sich in den letzten Monaten bei
Bevölkerungsaustausch möglich ist, kann an eine Politik             den Corona-Demos, die auch als „Mobilisierungstests“ für
gegen Asylwahn und Masseneinwanderung überhaupt ge-                 kommende patriotische Proteste verstanden werden können.
dacht werden. Der parlamentspatriotische Irrtum, man                Die Parteikader sind vor allem auf den unteren Ebenen hoch
könne über populistische Protestwellen „erst in die Regie-          motiviert und idealistisch. Sie sind bereit, alles für ihr Land
rung kommen“ und „dann alles umfärben“, entlarvte sich              zu tun und einem Mann mit einer Vision und einem Plan zu
bereits 2018. Die rechten Eliten, mit denen man die freien          folgen. Millionen Österreicher sehnen sich nach einer Hoff-
Posten hätte besetzen können, waren schlicht nicht vor-             nung und einem konkreten Ausweg aus der multikulturellen
handen.                                                             Dystopie. Der Erfolg der Marke Sebastian Kurz baut auf die-
    Ein erster konkreter Schritt in die neue Richtung wäre          ser Sehnsucht auf. Während sein Stern sinkt und sich seine
die Schaffung eines eigenes Institutes, einer Art von „Ge-          Migrationspolitik als Blendwerk entlarvt, schlägt vielleicht
genuniversität“, die gezielt junge Rechte zu geistes- und           die Stunde von Kickl und einer neuen FPÖ. Eine Partei, die
medienwissenschaftlichen Studiengängen motiviert. Ana-              nicht nur Rotationsmaschine zum Druck und Begleitprotest
log dazu müsste die Parteiakademie neu aufgebaut vom                zum Abgesang ist, sondern eine metapolitische Strategie und
Nebenschauplatz zum Zukunftsmotor werden. Über ein                  ein politisches Konzept zum Überleben unserer Identität
Netzwerk an Bürgerbüros könnte der Protest auf der Stra-            entwickelt, könnte die entscheidende Kraft im Land werden.
ße kultiviert und organisiert werden. Das „Team Kickl“              Wenn die FPÖ zu dieser Partei werden kann, dann unter
hat mit seiner großartigen Rechtshilfekampagne nach dem             Kickl.
FR E I L I C H / P O L I T I S C H E S T U D I E                  15                                                      D I E K I C K L- FP Ö

3.6 Warum Kickl mit Klartext die Wähler                                geistern wollte. Seitdem wird er stets mit seinem grünen Ge-
    zurückholen wird                                                   genpart Sigrid Maurer beim Mauscheln gesichtet. Jener, der
                                                                       im Wahlkampf groß von Leitkultur tönte, steckt die Köpfe
                                                                       zusammen mit jener, die einst in einem Skandalinterview die
VON JULIAN SCHERNTHANER
                                                                       Existenz einer österreichischen Kultur bezweifelte. Es riecht
Es ist alles nur geklaut: Standpunkte, Rhetorik – und damit            nach Realsatire.
auch die Wähler. Die Volkspartei, die sich in der ominösen                 Der Anspruch der „Fortsetzung des Mitte-rechts-Kurses“
„Mitte“ verortet, hat keine Ideologie. Sie bezieht ihre Macht          mit der linkesten Partei im Parlament konnte von Anfang
aus unzähligen verhaberten Bünden. Bei den Inhalten be-                an nicht funktionieren. Das sieht ein Blinder – und so bietet
dient sich die türkise Copycat aber bei den Mitbewerbern. Auf          sich viel Potenzial für die FPÖ, die nach „Ibiza“ verlorenen
denen der Freiheitlichen segelte sie ins Kanzleramt, weshalb           Wähler nicht nur aus dem Nichtwählerlager, sondern auch
für die FPÖ nur gelten kann: Zurück zu den Wurzeln, unsere             von der Kurz-Partie wieder zurückzuholen. Und auch hier
Werte sind nicht verhandelbar.                                         scheint Kickl der ideale Kandidat, diese Ungereimtheiten
                                                                       mit aller gebotenen Schärfe aufzuzeigen. Er erkennt: Man
                                                                       muss den Türkisen gnadenlos den Spiegel vorhalten, damit
Für diesen Kurs wurden die Weichen am 7. Juni gestellt. Die            das Volk sieht, dass man sich hinter solche Hochstapler nicht
Empörten in Medien und Politik schrien auf, dass die FPÖ               stellen sollte.
sich mit Kickl einem „radikaleren“ Kurs zuwende. Das kann
man bestreiten – oder aber feststellen: Das Wort kommt von             Garant für sichere Grenzen und sichere Heimat
lat. radix, „Wurzel“. Es beschreibt jene Akteure, welche die           Hier kann Kickl als ehemaliger Innenminister aus dem Vol-
Fragen ihrer Zeit an der Wurzel packen wollen. Die nicht nur           len schöpfen. Er weiß, dass viele Polizisten sich eigentlich als
Symbolpolitik betreiben, sondern wirkliche Veränderung                 Teil des Volkes verstehen und selbst Familien haben. Dass sie
bezwecken wollen. Dieser Wortbedeutung nach ist es keine               den Bürgern viel lieber helfen würden, als sie auf mutmaß-
Schande, als „Radikaler“ zu gelten.                                    lichen Befehl von oben hin zu strafen oder gar auf Kundge-
                                                                       bungen zu traktieren. Er weiß, wie die schwarzen Netzwerke
Ein ganzes Volk als Sammlung von „Radikalen“?                          gestrickt sind. Und er stand beim Migrationsthema für einen
Das Groteske daran ist: Diese Zuschreibung lässt man ihm               Kurs der Begrenzung, der Eindämmung und der Rückfüh-
angedeihen, weil er Standpunkte vertritt, die bei der Mehr-            rung.
heit der Österreicher auf Zustimmung treffen. Er macht ge-                 Während Kickl stets über sinkende Asylzahlen berichten
gen die Corona-Maßnahmen der Regierung mobil, seine Re-                konnte, steigen sie bei Nachfolger Nehammer (ÖVP) rapide
den richten sich gegen die Massenzuwanderung, er verteidigt            an. Und auch wenn das Thema gerade von der Corona-Si-
mit aller möglichen Vehemenz die Freiheit. Diese Klinge ist            tuation überdeckt wird, bleibt es die Mutter aller Probleme.
nicht immer fein, dafür aber messerscharf. Er benennt Ross             In vielen Städten sind die einheimischen Kinder bereits in
und Reiter und verschont niemanden im verkrusteten Polit-              der Minderheit. Eine nächste Generation, in der das demo-
betrieb. Das nimmt man ihm übel.                                       grafische Ruder noch herumzureißen ist, gibt es schlichtweg
     Wenn das „radikal“ sein soll, dann ist es gesunde Radika-         nicht. Es ist Leitkultur oder Bevölkerungsaustausch. Terti-
lität. Andere würden es als Bodenständigkeit oder Volksnähe            um non datur.
bezeichnen. Ich lebe am Land, in Oberösterreich, im Inn-
viertel. Es ist ein Landstrich, der seit Jahrzehnten eine blaue        Türkise Mogelpackung und blauer Ritterschlag
Hochburg war. Jenseits des Mitte-rechts-Lagers gibt es kei-            Die Freiheitlichen müssen bewusst machen: Der Schmiedl
nen Blumentopf zu gewinnen, niemand will hier in Klein-Is-             kann selten das, was der Schmied schon lange wusste. Als
tanbul oder in der Diktatur aufwachen, auch nicht Rotwäh-              die Blauen bereits Grenzschutz betreiben wollten, tönte ein
ler. Linke Urgesteine stellen hier keine 100 Menschen für              damals noch schwarzer Sebastian Kurz davon, der durch-
eine Demo auf. Und niemand findet es befremdlich, wenn                 schnittliche Zuwanderer sei gebildeter als die meisten Ös-
ein Politiker im Bierzelt tönt, er wolle nicht, dass die Kinder        terreicher. Als die FPÖ erstmals vor dem politischen Islam
als Grüne aus Wien wiederkehren.                                       warnte, gefiel sich die Volkspartei noch als Schirmherr eines
                                                                       ominösen Saudi-Zentrums in Wien. Und sogar den Begriff
Die „rechte“ ÖVP: alles nur geklaut                                    der Leitkultur lehnte Kurz als Staatssekretär für Integration
Nein, diese Worte stammen nicht von Kickl, sondern vom                 kurz nach seinem Amtsantritt noch vollinhaltlich ab.
türkisen Klubobmann August Wöginger. Auf der Rieder                        Dann kam 2015, und die Freiheitlichen standen mit
Messe hielt er eine Brandrede, die das konservative Herz be-           ihrer Glaubwürdigkeit bei diesem akut gewordenen Thema
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