Dpr # 02/2018 - digital publishing report

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Dpr # 02/2018 - digital publishing report
dpr
                                             das digitale magazin zur digitalen transformation der medienbranche   ISSN 2512–9368

                                                          # 02/2018
                                                          digital publishing report

                                         Das Hörbuch als Motor des Digitalmarktes
                                      Wie agiles Arbeiten die Team-Leistung steigert
Photo by Jackson Hendry on Unsplash

                                         Content kernspalten, Reichweite ausbauen
Dpr # 02/2018 - digital publishing report
ein paar worte zum geleit
    Audio boomt! Das sieht man nicht nur daran, dass        wir mit der neuen Podcast-Plattform „Anchor“.
    die Veranstalter der London Book Fair dem The-          Und wussten Sie eigentlich, was MIUs sind? Und
    ma Audiobook eine zentrale Rolle bei den Veran-         was Content-Kernspaltung ist? Wir haben gleich
    staltungen einräumen wollen und dass Harper-            zwei ausführliche Artikel dazu – genauso wie
    Collins sogar damit beginnt, Hörbücher auf Vinyl        zum Thema Geschäftsprozessmodellierung, das
    (genau!) herauszubringen. Man sieht es vor allem        wichtig genug ist, um Stichworte wie „BPMN“ aus
    an den Marktzahlen, die für 2017 beeindruckend          der Entwicklerecke zu holen.
    sind und für 2018 Gutes ahnen lassen. Deswegen
    findet sich in dieser Ausgabe ein detaillierter Blick   Apropos Entwicklerecke: Dorthin wird ja gerne al-
    sowohl auf den internationalen Markt wie auch           les gepackt, was mit dem Thema „Agil“, „Scrum“
    auf Analysen deutscher Verlage.                         und so weiter zu tun hat. Dies ist aber nur ein Tei-
                                                            laspekt. Tatsächlich lassen sich agile Prinzipien
    Um das Thema Markt geht es auch bei der ak-             auf Arbeitsorganisation und Führungstechniken
    tuellen Studie des Börsenvereins, die sich glück-       genauso gut anwenden: richtig gemacht, mit viel
    licherweise nicht nur monothematisch den                Erfolg – und mit erhöhtem Dopamin-Spiegel.
    E-Books, sondern auch Vertriebswegen widmet,
    dem boomenden Streaming oder der Tatsache,              Ihr
    dass etwa ein Viertel der kleineren Verlage im          Steffen Meier
    Digitalmarkt gerade abgehängt wird. Auch hierzu
    findet sich eine ausführliche Analyse.                  P.S. Wollen Sie uns mal so richtig die Meinung
                                                            sagen? Kein Problem, wir freuen uns über jedes
    Dass Audio nicht nur Hörbuch bedeutet, sondern          Feedback! Bewerten Sie doch die aktuelle Ausga-
    sich auch neue Inhalte-Formen entwickeln, zeigen        be mit wenigen Klicks .

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Dpr # 02/2018 - digital publishing report
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                                                                                impressum Der digital publishing report
                                                                                ist ein 14-tägig erscheinendes Magazin zur
                                                                                digitalen Transformation der Medienbran-
                                                                                che. Format: PDF. Herausgeber und V.i.S.d.P.:
                                                                                Steffen Meier. Redaktion: dpr / Postfach 12 61
                                                                                / 86712 Nördlingen. Co-Herausgeber: Daniel
                                                                                Lenz. Art Direction: Cornelia Zeug. Textredak-
                                                                                tion: Nikolaus Wolters - ISSN zugeteilt vom
                                                                                Nationalen ISSN-Zentrum für Deutschland:
                                                                                Digital publishing report ISSN 2512–9368
                                                                                bildquellen Alle Bilder sind entweder im
                                                                                Artikel direkt vermerkt oder von den Auto-
                                                                                ren

4    die vermessung des digitalen raums                 15 podcasting mobil und interaktiv
marktanteile digitaler produkte und vertriebswege der   christian spließ stellt anchor vor
verlage // steffen meier
                                                        18 agile@work // wie agiles arbeiten die leistung
6 warum das hörbuch der stärkste mo-                    von teams dauerhaft steigert // marco olavarria
tor des digitalmarktes ist // straight-to-audio,        23 minimum information units (MIUs) in der
genre-abodienste, novitäten-plus und podcasts – die
                                                        praxis // ein inhaltszentrierter ansatz des content
wichtigsten trends der us-audiobook-branche 2017
                                                        marketing in verlagen // michael stühr
michael kozlowski
                                                        26 wie sie ihre reichweite durch MIUs rasant
13 großes jahr für storytelling-podcasts                ausbauen // über die kernspaltung von content //
kilian kissling zum deutschen markt
                                                        simon geisler
14 streaming und verkäufe profitieren vonei-            30 bpmn im fokus // das schweizer taschenmes-
nander // ellen voráč                                   ser für die geschäftsprozessmodellierung // fabian kern

                                             34 heftübersicht

                                                                                                                             3
Dpr # 02/2018 - digital publishing report
D   ie Älteren können sich vielleicht noch an die
       E-Book-Markt-Studie des Börsenvereins er-
   innern, in der zu Beginn des damals boomenden
                                                       terschied zur E-Book-Markt-Studie darum ging,
                                                       den Begriff des digitalen Produkts weiter zu fas-
                                                       sen und auch die digitalen Vertriebswege genauer
   E-Book-Marktes nach den Umsätzen mit diesem         anzuschauen, inklusive Flatrates und Stream-
   Produkt (und anderen Dingen wie Produktions-        ing-Modelle.
   wegen, Produktformaten usw.) gefragt wurde.
   Das war im Jahr 2012, weitere Studien in dieser
                                                        Wie groß ist denn jetzt der digitale Markt?
   Form wurden nicht durchgeführt. Schon damals        In der Vergangenheit gab es für Verlage meistens
   gab es jedoch große Unterschiede zwischen den       nur ein einziges digitales Produkt: das E-Book. Dies
   von den Verlagen gemeldeten Zahlen (2012 ga-        ist bei der großen Bandbreite an Verlagen, The-
   ben die Verlage einen E-Book-Umsatzanteil von       men und Produkten nur die halbe Wahrheit, wes-
   9,5 % an) und denen der GfK, deren Angaben in       wegen in der Studie die Definition weiter gefasst
   den E-Book-Quartalsberichten bis heute nicht ge-    wurde, nämlich mit „E-Books, Hörbuch-Down-
   rade zu großer Freude animieren.                    loads, PDFs, Streaming-Angebote, Nutzungsli-
     Nun hat die IG Digital hier einen neuen Vorstoß   zenzen (Datenbanken etc.), Webinare, Games,
   gewagt mit der Studie „Umsatz der Verlage über      Apps etc.“. Das Ergebnis der Untersuchung: „Im
   digitale Vertriebswege. Ergebnisse einer On-        Schnitt erwirtschaften große Verlage 12,5 % ihrer
   line-Umfrage September 2017“ – wobei es im Un-      Umsätze mit digitalen Produkten, kleine 10,8 %.“

die vermessung
des digitalen raums
marktanteile digitaler produkte
und vertriebswege der verlage
steffen meier
Dpr # 02/2018 - digital publishing report
Quellen: „Umsatz der Verlage über digitale Vertriebswege. Ergebnisse einer Online-Umfrage September 2017“ des Börsenvereins / IG Digital /// „E-Book-Markt Deutsch-
Soweit die gute Nachricht. Die schlechte: „Ein Drittel    Downloadzahlen im Jahr glänzen. Und tatsächlich
der kleinen Verlage generiert derzeit keine Umsätze       liegen die Umsätze mit den Produktkategorien
mit nichtphysischen Gegenständen.“ Hier gibt es also      Apps, Datenbanken etc. in teilweise sehr niedrigen
durchaus noch eine Kluft entlang der Unternehmens-        Bereichen.
größen. Denkt man diese Entwicklung ketzerisch wei-                  Streaming ist im Kommen
ter, kommt es zu einer Scheren-Entwicklung: Kleine
Verlage verlieren im digitalen Geschäft, verschwin-       „Über zwei Drittel der Verlage sind auf digitalen
den aber auch gleichzeitig immer mehr aus einem           Plattformen/Modellen präsent (32,6 % nicht). St-
zentralisierten Buchhandel. Keine guten Aussichten!       reaming-Modelle sind dabei die häufigste Option“,
                                                          so die Studie. Wie wir oben schon gesehen haben,
E-Book als Produktform hat weiter die Nase vorn           muss Präsenz nicht gleich Erlös sein, was von der
Eine weitere Erkenntnis der Studie: „Belletristik-Ver-    Untersuchung auch bestätigt wird: „Knapp 40 %
lage partizipieren hier überdurchschnittlich am Ge-       der Verlage, die auf digitalen Plattformen/Mo-
schäft mit digitalen Produkten.“ Da diese Verlags-        dellen präsent sind, generieren dort (so gut wie
formen eher weniger mit Datenbanken, Webinaren            keine) Umsatzanteile, ein weiteres Drittel der ver-
oder ähnlichem ihre Geschäfte machen, liegt der           tretenen Verlage erzielt dort unter 5 % der Ge-
Verdacht nahe, dass diese mit dem guten alten Fließ-      samtumsätze.“
text-E-Book verdienen.

                                                                                                                  land knapp vor 10 % (Analyse)“ /// E-Book-Quartalsberichte des Börsenvereins
                                                                     Vorsicht ist die Mutter der
    Wie viele Verlagsprodukte werden über                           statistischen Porzellankiste
    digitale Distributionswege vertrieben?                Wenn Statistiker eines sind, dann vorsichtig – hier
Betrachtet man die gefühlte Wertschätzung, die Ver-       macht auch der Börsenverein keine Ausnahme:
lage dem klassischen Sortimenter gegenüber an den         „Die (Gesamt)-Ergebnisse dürfen deshalb nur als
Tag legen, spricht die kaufmännische Realität eine an-    Tendenzaussagen verstanden werden. Dennoch
dere Sprache: „Im Schnitt erwirtschaften die Verlage      lassen sich mit Fokus auf die Umsatzgrößenklas-
rund ein Drittel ihrer Gesamtumsätze auf digitalen        sen erste Erkenntnisse über Verlage innerhalb
Vertriebswegen.“ Ein Indiz für eine Verschiebung der      der einzelnen Größenklassen gewinnen.“ Aber
Distributionskanäle gerade bei den oben erwähnten         grundsätzlich gilt: lieber erst einmal ein Bild, über
kleineren Verlagen dürfte ein weiteres Befragungs-        das man diskutieren und das man zukünftig ver-
ergebnis sein – ein Drittel erzielt „sehr hohe“ Ge-       feinern kann, als gar keines. Allein dafür gilt den
samtumsätze mit digitalen Vertriebswegen.                 Kolleginnen und Kollegen der IG Digital und natür-
  Schaut man sich weiter an, welche Produkte denn         lich den teilnehmenden Verlagen ein Lob.
so über den digitalen Ladentisch gehen, erwartet
einen zunächst keine Überraschung: Bei physischen
                                                                             Hard Facts
Produkten sind es Hardcover und Taschenbuch, bei
digitalen die E-Books, und zwar über alle Unterneh-          • Im Schnitt erwirtschaften große Verlage
mensgrößen hinweg. Danach aber zeigt sich „eine                12,5 % ihrer Umsätze mit digitalen Pro-
deutlich breitere Produktpalette im Internet-Ver-              dukten, kleine Verlage 10,8 %.
trieb“ der größeren Verlage: 40 % der Verlage mit            • 1/3 der kleineren Verlage bietet über-
über 10 Mio. Euro Jahresumsatz bieten ihre Produkte            haupt keine digitalen Produkte an.
über E-Book-Streaming an, ebenfalls 40 % verdienen
                                                             • 1/3 der Gesamtumsätze werden auf
an App-Downloads und überraschende 47 % bieten
                                                               digitalen Vertriebswegen erwirtschaftet.
Print-on-Demand-Produkte an.
  Wobei diese Zahlen keinen Aufschluss darüber ge-           • 2/3 der Verlage sind präsent auf
ben, welches Volumen dahinter liegt. In die Aufzäh-            Streaming-Plattformen & Co., verdienen
lung fallen natürlich dann auch Verlage, die vielleicht        aber kaum Geld darüber.
1 bis 2 Apps anbieten, die wiederum mit einstelligen
                                                                                                                                                                           5
Dpr # 02/2018 - digital publishing report
warum das hörbuch der stärkste
motor des digitalmarktes ist
straight-to-audio, genre-abodienste, novitäten-plus und podcasts –
die wichtigsten trends der us-audiobook-branche 2017
michael kozlowski
Dpr # 02/2018 - digital publishing report
H   örbücher sind das am schnellsten wachsen-
    de Segment in der digitalen Verlagsbranche.
Die USA sind nach wie vor der größte Markt für
                                                       sind mobil nutzbar; sie mögen es, Bücher
                                                       vorgelesen zu bekommen.

das Audioformat, mit über 2,5 Milliarden Dol-                Kampf um Hörbuch-Rechte
lar Umsatz im Jahr 2017, was einen deutlichen       Eine Reihe von Agenten in den USA und Großbri-
Anstieg gegenüber den 2,1 Milliarden Dollar im      tannien haben Bedenken geäußert, dass Verlage
Jahr 2016 bedeutet. Michelle Cobb von der Au-       automatisch auch die Audiorechte fordern, wenn
diobook Publishers Association verweist darauf,     sie Buchtitel einkaufen – weil die Agenten gerne
dass 26 % der US-Bürger in den letzten 12 Mo-       Audio als separates Recht verkaufen möchten.
naten ein Hörbuch gehört haben. In ihrem Jah-       Ein Beispiel nennt Ivan Mulcahy, Gründer der
resbericht 2017 berichtete die APA außerdem         Literaturagentur mmb interactive, der Robert
von einer 34 %-igen Steigerung der Anzahl der       Webb und seinen neuesten Titel „How Not to Be
veröffentlichten Hörbücher im Vergleich zum         a Boy“ als Agent vertritt. Audible habe ihm eine
Vorjahr 2016.                                       sechsstellige Summe für die Audiorechte ange-
 Der Boom im Hörbuchgeschäft hat auch zu            boten; alle großen Verlage hätten daraufhin den
deutlichen Umsatzzuwächsen geführt. Zwar            Bieterraum verlassen.
sind die Verkäufe von E-Books bei HarperCollins,
Hachette, Simon & Schuster und Penguin Ran-                       Straight-to-Audio
dom House 2017 zuletzt im Schnitt um rund 5 %       Hörbücher sind inzwischen so populär, dass eini-
zurückgegangen, doch durch das Plus mit Hör-        ge Verlage das Produkt „Buch“ überspringen und
büchern gab es insgesamt dennoch Zuwächse           direkt eine Audioproduktion anstoßen. „Wir fra-
im Digitalgeschäft.                                 gen unsere Bestsellerautoren und alle unsere
         Die wichtigsten Statistiken                Autoren nach alten Geschichten, Kurzgeschich-
            zur Hörbuchnutzung                      ten, die nie veröffentlicht wurden“, sagt Antho-
                                                    ny Goff, Senior Vice President Content Develop-
Weitere Zahlen zur Nutzung von Hörbüchern:          ment und Hörbuch-Verleger bei Hachette Audio;
 • 48 % aller Hörer sind laut dem APA-Jahres-       „Texte, die sie in ihrer Schreibtischschublade
   bericht jünger als 35 Jahre – was für Verlage,   finden und die vielleicht für Audio geeignet wä-
   die diese Zielgruppen ansprechen wollen, be-     ren.“ Christopher Lynch, Präsident und Heraus-
   sonders interessant ist. Diese Alterskohorte     geber von Simon & Schuster Audio, sagt, dass
   hat durchschnittlich 15 Hörbücher im letzten     er zwar mehr Straight-to-Audio erwarte, aber
   Jahr gehört, und die meisten von ihnen haben     keine Angebote in voller Buchlänge. „Ich denke
   angegeben, dass das Hörbuchmedium ihnen          dabei an Geschichten, die ein, zwei, drei Stunden
   dabei geholfen hat, die Lektüre gedruckter       lang sind“, so Lynch. Voraussetzung: Der Autor
   Bücher zu beenden – ein Hinweis auf eine         ist bekannt. So veröffentlichte Simon & Schuster
   Multi-Kanal-Nutzung von Inhalten.                vor drei Jahren eine einstündige Audioprodukti-
 • Der Anteil der Hörer, die am häufigsten mit      on von Stephen Kings „Drunken Fireworks“ mit
   ihrem Smartphone Hörbücher nutzen, ist           großem Erfolg.
   deutlich gestiegen: 29 % im Jahr 2017 ge-
   genüber 22 % im Jahr 2015.                                         Podcasting
 • Ein Großteil des Hörbuchhörens findet zu         Podcasting ist ein großes Geschäft. 40 % der
   Hause statt (57 %), wobei das Auto der           US-Bürger haben im vergangenen Jahr Podcasts
   zweithäufigste Ort ist (32 %). 68 % der          angehört, gegenüber 36 % im Jahr 2016. 24 %
   häufigen Zuhörer machen Hausarbeit, wäh-         hören mindestens einmal monatlich Podcasts
   rend sie Hörbücher hören. Weitere Multita-       (21 % im Jahr 2016). Fast alle Unternehmen, die
   sking-Aktivitäten unter den häufigen Zuhö-       auf der Handelsseite der Hörbuchdistribution tä-
   rern sind Backen (65 %), Sport (56 %) und        tig sind, sehen Podcasts als wichtigen Zugang zu
   Basteln (36 %).                                  Hörbüchern. Dies hat Audible, Tunein, Overdrive
 • Die Erhebung 2017 widmete sich zum ersten        und Scribd dazu veranlasst, eigene Podcasts auf
   Mal auch sprachfähigen drahtlosen Laut-          den Markt zu bringen. Die Hoffnung besteht da-
   sprechern (wie Amazon Echo oder Google           rin, dass durch den freien Podcast-Content der
   Home). 19 % aller Befragten gaben an, dass       Anreiz für den Leser größer wird, Abos abzu-
   sie im letzten Jahr ein Hörbuch über solche      schließen oder Audiobooks einzeln zu kaufen.
   Geräte gehört haben. Bei den Vielhörern sind       Overdrive startete beispielsweise einen eigenen
   es sogar 30 %.                                   Podcast, die „Book Nerds“, der in den Katalog
 • Die drei wichtigsten Gründe, warum Leser         des Bibliotheksdienstleisters integriert wurde,
   gerne Hörbücher hören: Sie können andere         damit Bibliotheken ihren Kunden einen kosten-
   Dinge tun, während sie zuhören; Hörbücher        losen Podcast anbieten können.

                                                                                                        7
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Kontrolle über das Endprodukt zu ermöglichen,
                                                          damit sie es selbst vermarkten können.
                                                                              Audible
                                                          Audible ist dabei unangefochtener Marktführer
                                                          in der Hörbuchproduktion und betreibt den welt-
                                                          größten Hörbuch-Shop. Die Amazon-Tochter hat
                                                          2017 eine Reihe neuer Programme ausprobiert
                                                          und wird 2018 hier weiter experimentieren.
                                                            Neue Abos: Einer der erfolgreichsten Tests war
                                                          der neue dedizierte Abodienst „Audible Roman-
                                                          ce“. Er gibt den Nutzern Zugang zu Tausenden
                                                          von Hörbuchtiteln aus diesem Genre. Die Zuhö-
      Auch die Verlage schauen sich inzwischen den        rer können sich dabei über eine Art Ampelsy-
    Erfolg von Podcasts genau an. „Wir fragen uns,        stem über die „Hotness“ eines Romantiktitels
    ob Podcasts Treiber für den Buchmarkt sind",          schnell ein Bild machen. Titel werden hier auf
    sagt Jamie Leifer, Associate Publisher von Public     einer Skala von 1 bis 5 bewertet: „Sweet“, „Sim-
    Affairs (Hachette). Sie verweist auf bemerkens-       mering“, „Sizzling“, „Hot Damn“ und „O-O-OMG“.
    werte Vorverkäufe für „The Storm Before the           Wer die etwas schlüpfrigen Teile eines Hörbuchs
    Storm: The Beginning of the End of the Roman          überspringen möchte, kann dies mittels einer
    Republic“ von Mike Duncan, einem Autor, der seit      neuen Funktion einstellen, die entsprechende
    zehn Jahren Moderator des Podcasts „The Histo-        Szenen per maschinellem Lernen ermittelt und
    ry of Rome“ und seit 2013 des Podcasts „Revo-         herausfiltert. Das neue Romantik-Abopaket be-
    lutions“ ist. „Wir waren uns nicht sicher, ob Mikes   inhaltet den Zugang zu 41 Kategorien und 131
    begeisterte Fans zu Lesern werden würden", so         Geschichten- und Charaktertypen, die es den
    Leifer. „Aber ich freue mich darüber, dass dies       Hörern ermöglichen, tief in den Katalog einzu-
    tatsächlich der Fall ist.“ Zwei Monate vor dem        dringen und Romantik-Titel zu entdecken, die
    Erscheinungstermin des Buches am 24. Okto-            ihren Interessen am meisten entsprechen. Jede
    ber hatte PublicAffairs so hohe Vorbestellungen       Kategorie hat ihre eigene Seite zum Blättern,
    für Hardcover, E-Book und digitalem Audio wie         und die Nutzer können Hörproben von jedem
    sonst nur bei Unterhaltungsliteratur – und das        Titel anhören, bevor sie in die ganze Geschichte
    mit einem anspruchsvollen historischen Stoff.         eintauchen. Audible Romance kostet 6,95 Dollar
      Macmillan lanciert aktuell einen Krimi-Pod-         pro Monat als Zusatz zu einer bestehenden Au-
    cast mit dem Titel „Case Closed“, beginnend           dible-Mitgliedschaft. Ohne diese kostet das Abo
    mit einem Buch, das vor drei Jahren bei St. Mar-      14,95 Dollar pro Monat.
    tin's erschienen ist, „Crazy For You“ von Michael       Neue Zielgruppen: Audible hat auch etwas auf
    Fleeman. Das Buch behandelt einen mysteriösen         den Markt gebracht, das vielfältigen Spott her-
    Mord aus dem Jahr 2010, und der Podcast bein-         vorgerufen hat: Hörbücher für Hunde. Im August
    haltet neue Entwicklungen in diesem Fall.             haben sich Audible und Cesar Millan zu einer ent-
      Die BBC hat sich mit Rosina Sound, einer auf        sprechenden Initiative zusammengeschlossen.
    Audio und Podcasts spezialisierten Agentur, zu-       Zielgruppe sind Hundebesitzer und Betreuer, die
    sammengetan, um „The Inspection Chamber“              ihren Hunden per Hörbuch menschliche Anwe-
    zu produzieren. Das ist ein interaktives Hörspiel,    senheit suggerieren wollen, wenn sie nicht zu
    das an die glorreichen Tage der „Choose Your          Hause sind – ich persönlich hoffe, dass sie nicht
    Own Adventure“-Taschenbücher erinnert. Es             als nächstes noch Hörbücher für Katzen ma-
    wurde für Playbook auf dem Alexa Smart Spea-          chen. [Anmerkung des Übersetzers: Gleich zu
    ker, Google und Apple HomePod entwickelt.             Beginn des 1988 erschienen Films „Scrooged“
                                                          mit Bill Murray tritt der von Robert Mitchum ge-
             Der Hörbuch-Handelsmarkt
                                                          spielte TV-Mogul Preston Rhinelander auf, der
    Im Laufe des Jahres 2017 zeichnete sich in der        eine geniale Idee für eine neue Zuschauer-Ziel-
    Hörbuchbranche eine Konsolidierung ab, au-            gruppe hat, nämlich „Abermillionen von Hunden
    ßerdem die Expansion in internationale Märkte.        und Katzen“, und ein spezielles Format für diese
    Viele Unternehmen haben dabei erkannt, dass           entwickelt haben möchte. Also alles schon ein-
    es sich lohnt, unabhängigen Autoren eine Kom-         mal dagewesen.]
    plettlösung aus einer Hand anzubieten. Dazu ge-         Neue Märkte: Audible versucht konsequent, in
    hört die Suche nach einem Sprecher und einem          die internationalen Märkte zu expandieren. Ein
    Toningenieur. Ziel ist es, Indie-Autoren die volle    großer Schritt war 2017 der nach Kanada. An-

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funktionsfähigen Hörbuch-Player und die Mög-
                                                       lichkeit, drahtlose Kopfhörer oder einen Laut-
                                                       sprecher zu koppeln. Wenn Benutzer über ein be-
                                                       stehendes Audible-Konto verfügen, werden alle
                                                       bisherigen Einkäufe automatisch synchronisiert.
                                                       Im Dezember 2017 veröffentlichte Amazon ein
                                                       Firmware-Update, das den Player und den Shop
                                                       für die erste Generation des Kindle Oasis und das
                                                       Einstiegsmodell Kindle Basic ergänzt. In diesem
                                                       Jahr dürften die KIndle-Modelle Paperwhite und
                                                       Voyage nachziehen.
                                                                      Audiobooks.com
                                                       Audiobooks.com ist der größte Wettbewerber von
                                                       Audible und wurde von RBmedia übernommen,
                                                       einem Mischkonzern, der von Recorded Books
                                                       angeführt wird. Dies ermöglichte Audiobooks.
                                                       com eine schnelle Expansion nach Australien und
                                                       Großbritannien. Ian Small, der frühere CEO und
                                                       heutige General Manager von Audiobooks.com,
                                                       erklärt: „Im Jahr 2017 habe ich eine deutliche Zu-
                                                       nahme der Hörer unter 25 Jahren festgestellt.
                                                       Diese Verbreiterung des Hörbuchpublikums ist
                                                       ein Trend, der in den letzten Jahren an Dynamik
geblich werden Millionen von Dollar investiert,        gewonnen hat, und es ist spannend zu sehen,
um Verlage dazu zu bringen, ihre Titel für eng-        welchen Einfluss er auf das Wachstum der Bran-
lische und französische Produktionen zu di-            che hat. Ein weiterer ermutigender Trend: Immer
gitalisieren. Um die Vorteile des kanadischen          mehr Verlage bringen Audiobooks gleichzeitig
Marktes zu nutzen, setzt Audible zum ersten            oder sogar im Vorfeld der Print-Ausgabe heraus.
Mal außerhalb der USA und Großbritanniens die          Diese Verschiebung ist ein bemerkenswerter Be-
„Audiobook Creation Exchange“ ein. ACX ist ein         weis dafür, dass sich die Einstellung zum Thema
Online-Marktplatz, auf dem Autoren nach Erzäh-         Audio innerhalb der Verlagsbranche verändert
lern und Toningenieuren suchen können, um ihr          hat.“ CEO Small ergänzt: „Wir wussten schon
Hörbuch produzieren zu lassen. Autoren können          immer, dass der Verkauf von Hörbüchern stark
entweder pro abrechenbare Stunde bezahlen              mit der Veröffentlichung von Film- oder TV-Ad-
oder den Sprecher mittels einer Gewinnbeteili-         aptionen zusammenhängt, aber ein neuer Trend
gung, basierend auf der Anzahl der Verkäufe, be-       in diesem Jahr ist die Veröffentlichung von brand-
teiligen. Bei neuen Autoren sind die Erlöse auf die-   neuen Inhalten zur Unterstützung der Kinostarts.
sem Weg noch überschaubar – Autoren jedoch,            HarperCollins hat zum Beispiel mit Kenneth Bra-
die schon mit E-Books Erfolge feierten, haben          nagh zusammengearbeitet. Die neue Hörbuchver-
angeblich ein ordentliches Auskommen.                  sion von ,Mord im Orient-Express' (mit Branagh
  Audible ist zwar nicht offiziell in China tätig,     als Sprecher) soll die Veröffentlichung des Films
aber die Hörbuchfirma hat gerade eine neue chi-        unterstützen (bei dem Branagh Regie führte und
nesische Landing Page entwickelt. Der Katalog          in dem er die Hauptrolle spielt).“
„Audible Chinese“ umfasst über 300 Hörbücher                                 Kobo
und Hörspiele in Mandarin. Das Angebot soll
2018 weiter wachsen. „Audible.com bietet der-          Im Vergleich zu den anderen großen Handels-Ak-
zeit Inhalte in 38 Sprachen an, und ich freue mich     teuren Amazon, Barnes und Noble und Apple
sehr, unseren Katalog um Chinesisch erweitern zu       war Kobo bislang der Außenseiter im Hörbuch-
können", so Andy Gaies, Chief Content Officer von      geschäft. Das soll sich ändern. Ende 2017 stell-
Audible. Das Angebot richtet sich an chinesisch-       te das in Toronto ansässige Unternehmen einen
sprachige Kunden von audible.com außerhalb             neuen Shop mit einem Abo-Angebot vor. Kunden
ihres Heimatlandes.                                    erhalten eine bestimmte Anzahl von Credits pro
  Neue Geräte: Amazon veröffentlichte im Herbst        Monat, um sie für einzelne Titel einzulösen. Die
2017 die zweite Generation des eReaders Kindle         Benutzer haben auch die Möglichkeit, auf das
Oasis 2, mit Bluetooth und integriertem Audi-          Abonnementpaket zu verzichten und Hörbücher
ble-Shop. Die Benutzer haben damit einen voll          zu kaufen. Das Modell wurde in Australien, Kana-

                                                                                                            9
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da, den USA und Großbritannien eingeführt und        Märkten, in denen die Firma schon präsent ist,
     soll im Laufe des Jahres 2018 in weitere europä-     mehr Hörbücher in der jeweiligen Landessprache
     ische Märkte expandieren.                            produzieren.
                          Scribd                                            Bookbeat
     Scribd ist ein Unternehmen, das zunächst für ei-     Niclas Sandin, CEO von BookBeat, Bonniers
     nen unbegrenzten Abo-Zugriff auf Hörbücher           E-Book- und Hörbuch-Abonnementservice in
     und eBooks stand, aber sein Angebot in den letz-     Schweden und Deutschland, sagt ein zweistelli-
     ten Jahren deutlich reduziert hat. Im Jahr 2017,     ges Wachstum mindestens für das nächste Jahr-
     so Scribd, seien Hörbücher das am schnells-          zehnt voraus. „In Schweden dachten wir vor ein
     ten wachsende Segment gewesen. Die Zahl der          paar Jahren, dass der Markt bald gesättigt ist,
     Abonnenten von Hörbüchern sei um mehr als            damals gab es ein Wachstum von 30 % bis 40 %.
     24 % gewachsen. Die beliebtesten Genres waren        Aber dieses Wachstum hat sich gerade noch wei-
     Persönlichkeitsbildung, Mystery, Science Ficti-      ter erhöht. Es wird vorrangig getrieben von im-
     on und Fantasy, Karriere und Geldanlage. Scribd      mer mehr digital orientierten Menschen, die vom
     hat gerade einen eigenen Podcast gestartet, den      E-Book-Lesen kommen. Der Hörbuchmarkt hat
     ScribdChat-Podcast, der sich unter anderem Ge-       eine glänzende Zukunft."
     sprächen mit führenden Autoren widmet. Der
     Podcast soll aktuelle Scribd-Abonnenten binden               Die größten Hörbuchverlage:
     und neue Kunden für Hörbücher gewinnen.                         Penguin Random House
                        Findaway                          Penguin Random House und HarperCollins sind
                                                          weltweit die beiden größten Hörbuchverlage.
     Findaway sieht sich als größten Hörbuchver-          Amanda D’Acierno, Senior Vice President und
     trieb der Welt, zu den Kunden zählen Apple iTu-      Publisher bei Penguin Random House Audio: „Wir
     nes, Audible, Audiobooks.com, Barnes & Noble,        haben 2017 fast 1000 Hörbücher produziert, das
     Baker & Taylor, Nook Audiobooks, Overdrive,          sind 20 % mehr als 2016, was den Gesamtkata-
     Scribd und Tunein. Findaway beliefert die über-      log von Penguin Random House Audio auf über
     wiegende Mehrheit der Hörbuchshops, die nicht        11.000 Titel erhöht. 2017 war ein unglaubliches
     direkt mit Verlagen Verträge haben. Um den Ka-       Jahr für uns, angefangen von Carol Burnetts
     talog zu erweitern, hat Findaway ebenfalls eine      Grammy Award-Sieg für ,In Such Good Compa-
     Selfpublishing-Lösung entwickelt („Findaway          ny', über den Odyssey Award der American Li-
     Voices“), die Autoren direkt mit Erzählern und To-   brary Association für Gavriel Savits ,Anna And
     ningenieuren in Kontakt bringt – die einzige echte   The Swallow Man', unsere rekordverdächtige
     Alternative zu ACX von Audible. Geplant ist ein      166-köpfige Produktion von George Saunders'
     hochgradig kuratierter Ansatz für das Selfpu-        ,Lincoln In The Bardo' bis hin zum großen Erfolg
     blishing. Findaway Voices will sich damit profi-     von Dan Brown.”
     lieren, dass der Autor die völlige Kontrolle über      Im Verlag, so D’Acierno, denke man genauer
     den gewünschten Sprecher hat. Findaway lässt         darüber nach, welchen Hörbuchshop man belie-
     zu einem Buch fünf verschiedene Sprecher Pro-        fere und welchen nicht. Außerdem soll das Ti-
     ben und ein Angebot schicken, von „einer Hexe mit    telvolumen steigen: „Um der ständig steigenden
     britischem Akzent“ bis zu „einem Mann, der fran-     Nachfrage nach Titeln für Audio gerecht zu wer-
     zösisch spricht und Sprüche klopft“, vom „Home       den, ist es unser Ziel, alles aus dem Penguin
     Setup“ bis zum richtigen Studio.                     Random House-Katalog aufzunehmen, was sich
                         Storytel                         zu einem Hörbuch verarbeiten lässt. Es ist von
                                                          größter Wichtigkeit, dass wir den Zuhörern so
     Die größte Hörbuchfirma Skandinaviens operiert       viel Auswahl wie möglich bieten. Das ist einer
     von Schweden aus und nennt sich Storytel. Das
     Unternehmen bietet seit fast zehn Jahren einen
     unbegrenzten Aboservice an. Seit 2010, mit dem
     Aufkommen des iPhone und anderer Smart-
     phones, sieht das Unternehmen einen deutlichen
     Zuwachs bei den bezahlten Abonnements. Laut
     CEO Jonas Teller ist zuletzt nicht nur der schwe-
     dische (aktuell 7500 Hörbücher), sondern auch
     der englischsprachige Katalog (rund 10.000 Ti-
     tel) gewachsen. Im Jahr 2018 wolle Storytel in
     einigen neuen Märkten Fuß fassen und in den

10
der Hauptfaktoren für das jüngste Wachstum          Australien um 36 %, in Neuseeland um 40 %
des Marktes. Vorbei sind die Zeiten, in denen es    und im Vereinigten Königreich um 28 %. Auch
nicht möglich war, einen Titel zu hören, weil er    in Märkten wie Singapur, China und Deutsch-
nicht als Audio verfügbar ist“.                     land, wo Bibliotheken noch nicht so lange zum
 Penguin Random House unterhält mehre-              Overdrive-Netzwerk zählen, habe man ein deut-
re Kampagnen, um die Aufmerksamkeit für             liches Wachstum verzeichnet. Daher soll der
Hörbücher zu erhöhen, darunter die TryAudio         nicht-englischsprachige Katalog deutlich ausge-
books-Initiative, die sich bestimmten Hörergrup-    weitet werden.
pen wie Handwerkern, Köchen, Joggern und Ge-          Auch Overdrive verfolgt verschiedene Initiati-
schäftsreisenden zuwendet. Daneben soll die         ven zur Förderung und Vermarktung des Hör-
Kampagne „Transform Your Commute“ den Mo-           buchformats. Dazu zählen die Unterstützung
nat Juni als den Hörbuch-Monat etablieren, mit      der Kampagne, die den Juni als Hörbuchmonat
Pop-Up-Limonade-Stände an fünf Standorten in        etablieren will, der „Big Library Read“ (nach ei-
New York City und einer Woche lang kostenlosen      genen Angaben der weltweit größte digitale
Hörbuch-Downloads.                                  Buchclub), die Entwicklung von Hörbuch-eRea-
                                                    ding-Räumen in Bibliotheken und die Kuratierung
                HarperCollins                       von Hörbuch-spezifischen Listen auf Overdrive.
In seinem jüngsten Finanzbericht berichtet Ru-      com. Burleigh verweist zudem auf die verbes-
pert Murdochs News Corporation (zu der Har-         serte Lese-App „Libby“, mit der Leser Hörbü-
perCollins gehört), dass die Verkäufe von her-      cher mit bis zu dreifacher Geschwindigkeit anhö-
unterladbaren Audio-Dateien im Geschäftsjahr        ren, benutzerdefinierte Timer einstellen und sich
2016/2017 (30. Juni 2017) um 47 % gestiegen         verschiedene Statistiken anschauen könnten.
sind. Um die wachsende Nachfrage zu befriedi-
                                                                        Hoopla
gen, will Brian Murray, CEO von HarperCollins
Publishers, fast alle neuen Titel für erwachse-     Bibliotheksdienstleister Hoopla will sich mit
ne Leser auch als digitales Hörbuch veröffent-      einem alternativen Bezugsmodell gegenüber den
lichen. Beispiel für den Erfolg in dem Segment:     Wettbewerbern profilieren: Bibliotheken können
Von Mark Mansons „The Subtle Art of Not Gi-         den gesamten digitalen Katalog kostenlos über-
ving a F*ck“ seien mehr als 470.000 Hörbü-          nehmen und zahlen erst dann eine Gebühr, wenn
cher verkauft worden, während die Printversion      Benutzer ein Hörbuch oder ein eBook ausleihen.
490.000 mal über die Ladentische ging.              Vorteil: Bibliothekseinkäufer müssen nicht, wie
                                                    bei Baker & Taylor oder Overdrive, für jeden Ti-
          Digitale Hörbücher in der                 tel einzeln bezahlen. Aktuell hat Hoopla 45.000
           öffentlichen Bibliothek                  Hörbücher im Angebot, was einem Zuwachs von
Hörbücher in der Stadtbibliothek auszuleihen,       41 % gegenüber dem Vorjahr entspricht. Verträ-
das macht aus Kundensicht viel Sinn, weil der       ge hat das Unternehmen nach eigenen Angaben
Kauf von Hörbüchern in der Regel ein teures         mit über 5750 Einzelbibliotheken. Jeff Jankow-
Vergnügen ist: Titel auf den Bestsellerlisten ko-   ski, der Gründer und CEO von Hoopla, hat für
sten zwischen 25 und 49 Dollar.                     2017 einen Anstieg bei den Hörbuch-Ausleihen
                                                    um 91% registriert. Über 98 % aller Hörbuchti-
                  Overdrive                         tel würden auf Vierteljahres-Sicht auch ausge-
Overdrive ist der unangefochtene Marktführer        liehen. Hoopla habe 2017 eine Million neue Nut-
unter den Dienstleistern, die Bibliotheken ein      zer hinzugewonnen.
umfangreiches Hörbuch- und E-Book-Sortiment                         Baker & Taylor
zur Verfügung stellen. Für 2017 verzeichnet
Overdrive ein zweistelliges Wachstum bei der        Baker & Taylor sind seit Jahrzehnten im Biblio-
Anzahl der Ausleihen (+24 %) und Hörbuch-Nut-       theksgeschäft tätig. Der Hörbuchvertrieb um-
zer. Dieses Wachstum zeige sich weltweit in Bi-     fasst rund 100.000 Titel im Portfolio (+20 %
bliotheken. Von allen Kunden hätten 56 Biblio-      gegenüber dem Vorjahr). Die Nutzungszahlen
thekspartner im Jahr 2017 mehr als eine Million     wachsen laut Unternehmen Monat für Monat
digitale Ausleihen für E-Books und Hörbücher        konstant zweistellig, vor allem in Kanada und
verbucht; sieben weitere Bibliotheken seien auf     Australien/Neuseeland. Für das Jahr 2018 wird
dem besten Weg, diesen Meilenstein in Kürze zu      in anderen Sprachen und Ländern ein ähnliches
erreichen. David Burleigh, Director of Brand &      Wachstum prognostiziert – der Schwerpunkt
Marketing Communication bei Overdrive, fächert      liegt vor allem auf Französisch, Arabisch, Dä-
einzelne Märkte auf: Im vergangenen Jahr seien      nisch, Hebräisch, Russisch, Japanisch, Chine-
die Ausleihen in Kanada um 24 % gestiegen, in       sisch, Italienisch und Schwedisch. Michael Bills,

                                                                                                        11
Vertriebschef für digitale Produkte bei Baker &          gen, nach dem Modell von Audible Romance.
     Taylor, erklärt, dass es am Markt eine wachsen-          Kobo hatte mit seinem „Kobo Super Points“
     de Nachfrage nach sorgfältig kuratierten Titel-          Treueprogramm einen guten Start. 2018
     sammlungen gebe.                                         wird es sicher weitere Unternehmen geben,
                                                              die ähnliche Systeme einsetzen, um die Ver-
               Recorded Books/RBmedia                         braucher in ihr Ökosystem zu führen oder
     Recorded Books konzentriert sich seit der Grün-          dort zu halten.
     dung des Unternehmens im Jahr 1978 aus-                • Die Verlage werden damit beginnen, mehr ih-
     schließlich auf Audio-Inhalte. Im April 2017 wur-        rer Novitäten direkt auch in Fremdsprachen
     de das Unternehmen neu organisiert. Der neue             zu übersetzen. Außerdem soll die gesamte
     Firmenname ist RBmedia mit neuen Imprints wie            Hörbuchproduktion ausgeweitet werden, im
     Recorded Books, HighBridge Audio und Tantor              Schnitt um 20 %.
     Media. Der Katalog umfasst fast 100.000 Ti-            • Apple hat kürzlich den App-Store überarbei-
     teln, darunter sind 35.000 exklusiv für RBme-            tet und den Schwerpunkt auf Spiele gelegt
     dia produzierte Titel. Die Hörbücher werden an           – was neue Hörbuch-Apps diskriminiert. Vor
     Kunden über die Tochter audiobooks.com, über             diesem Hintergrund werden mehr Entwick-
     Bibliotheken und Wiederverkäufer wie Audible             ler anfangen, ihre Apps auf Android zu veröf-
     vertrieben. Auch bei RBmedia ist Kuratierung             fentlichen, da diese Plattform eine solide Mi-
     ein wichtiges Thema, wie Inhaltechef Troy Juliar         schung aus Kuration und Entdeckung bietet.
     erklärt: Das hauseigene Bibliothekssystem zeige
                                                           Mein Fazit: 2018 wird ein gutes Jahr für den
     Bibliothekaren kuratierte Listen (Bestseller, etc.)
                                                           Hörbuchmarkt!
     an, um ihnen bei der Auswahl zu helfen. Die RBdi-
     gital App, die das Unternehmen Bibliotheksbesu-
     chern zur Verfügung stellt, umfasse eine „Emp-
     fehlungsmaschine“, die Daten nutze, um Lesern                                         michael kozlowski
     bestimmte Titel zu empfehlen.                                                Chefredakteur des Blogs Good
       Auch Troy Juliar, Content-Chef bei RBmedia, er-                            e-Reader     (https://goodereader.
                                                                                  com). Seit vier Jahren schreibt er
     kennt, dass sich Hörbücher inzwischen emanzi-                                über elektronische Lesegeräte
     piert haben. „Früher korrelierte der Erfolg eines                            und Technologie. Seine Artikel
     Hörbuchs mit dem Erfolg des Printbuches. Das                                 wurden von großen und lokalen
     stimmt nicht mehr. Die Zahl der Hörbücher, die                               Nachrichtenquellen und Websites
                                                                                  wie der Huffington Post und CNET
     unabhängig von der Print- und eBook-Auflage                                  aufgegriffen. Kozlowski berichtet
     gut abschneiden, nimmt zu.“ Die Leser wählten                                von internationalen Veranstal-
     Titel, weil es ein gutes Hörbuch sei – nicht unbe-                           tungen wie IFA, Computex, CES,
     dingt, weil ein gutes gedrucktes Buch zugrunde-                              Book Expo und anderen. Überset-
                                                                                  zung: Steffen Meier, Daniel Lenz
     liege. Hier spielten die Erzähler eine große Rolle.
       Hörbuch-Ausblick 2018: Smart Speaker
               und Interactive Audio
     Im Jahr 2018 wird es eine Reihe bemerkens-
     werter neuer Trends geben:
      • Die Hörbuchbranche ist sich einig, dass Pod-
        casts ein Tor zum Hörbuchmarkt sind und
        dass Amazon Alexa, Google Home und der
        kommende Apple HomePod sich durchset-
        zen werden. Michelle Cobb von der Audio-
        book Publishers Association: „Unsere Ver-
        braucherumfrage 2017 hat gezeigt, dass
        intelligente Smart Speaker eine wichtige
        Rolle im Markt spielen. 19 % der Befragten
        haben bereits auf einem dieser Geräte Hör-
        bücher gehört. Wir gehen davon aus, dass
        dies mit zunehmender Akzeptanz der Geräte
        zunehmen wird.“
      • Auf der Handelsseite wird Audible wahr-
        scheinlich mehr genrebasierte, dedizierte
        Abonnement-Angebote auf den Markt brin-

12
großes jahr für
storytelling-podcasts
kilian kissling zum deutschen markt

Im internationalen Vergleich zeichnet sich der deutsche Hör-
buchmarkt durch zwei Besonderheiten aus:
  • Zum einen durch den anhaltend hohen Anteil verkaufter
    physischer Datenträger. Viele Verlage erzielen noch über
    die Hälfte ihrer Umsätze im physischen Markt!
  • Zum anderen durch die bereits etablierte Verfügbarkeit
    von Hörbüchern in Musik-Streamingdiensten wie Spotify,
    Napster und Deezer. Seit November 2017 hat nunmehr
    auch Apple Music Hörbücher in sein Angebot aufgenom-
    men. Und während der skandinavische Hörbuch-Spezialist
    Storytel noch nicht in Deutschland aktiv geworden ist, hat
    der Anbieter BookBeat (Bonnier) nun ein deutschsprachiges
    Angebot.
Diese Besonderheiten des deutschen Marktes spiegeln sich          Kilian Kissling ist Geschäftsführer Marketing und Vertrieb beim Ar-
auch im Rückblick auf das Jahr 2017 wider. Im ersten Halbjahr     gon Verlag und Vorsitzender des Landesverbandes Berlin-Bran-
waren die physischen Verkaufszahlen rückläufig, ähnlich denen     denburg. Zudem ist er einer der drei Sprecher der IG Hörbuch im
im Buchmarkt. Erschwerend kam hinzu, dass in solchen Pha-         Börsenverein des Deutschen Buchhandels. Foto: Argon Verlag.

sen Warengruppen besonders leiden, die im Buchhandel nicht
                                                                  meldet der Audible-Kompass 2017 16 Millio-
zum Kernsortiment gehören. Es kam zur Verringerung der Sor-
                                                                  nen Hörbuch-Hörer in Deutschland. Bleiben
timentsbreite und Konzentration auf vermeintlich sichere Titel.
                                                                  also noch rund 66 Millionen Menschen, die für
Dem stand dann allerdings ein außerordentlich starkes zweites
                                                                  das Medium gewonnen werden können (so-
Halbjahr gegenüber, sicherlich auch begünstigt durch starke
                                                                  zusagen noch eine komplette alte BRD!). Und
Programme der führenden Verlage.
                                                                  davon profitiert auch das physische Hörbuch.
Für die digitalen Vertriebskanäle gibt es keine neutral ermit-
                                                                  Bei den digitalen Vertriebskanälen gibt es kei-
telten Marktzahlen, doch offensichtlich haben sich diese sehr
                                                                  nerlei Anzeichen für geringeres Wachstum.
gut entwickelt, wie etwa aus der jüngsten Pressemeldung von
                                                                  2018 könnte ein großes Jahr für deutsch-
Bookwire hervorgeht, wonach der Hörbuchumsatz der Part-
                                                                  sprachige Podcasts werden. Dem deutschen
nerverlage 2017 um 49 % gewachsen ist. Hörbuch-Marktfüh-
                                                                  Markt fehlt noch ein vergleichbarer Urknall
rer Zebralution spricht allein im Streaming von einem Wachs-
                                                                  wie „Serial“ 2014 in den USA. Dabei beziehe
tum von 66 %.
                                                                  ich mich vor allem auf den Podcast als „Sto-
Keine Impulse hingegen brachte die formale Beendigung der         rytelling-Format“, was ja für uns Verlage be-
Exklusivitätsvereinbarung zwischen Audible und Apple, die zur     sonders spannend ist. Hier ist die Entwicklung
Einstellung der gegen diese Unternehmen eingeleiteten Er-         bisher eher still und leise, aber dennoch nach-
mittlungen auf deutscher wie auf europäischer Ebene führte.       haltig erfolgt. Audible hat ein attraktives Pro-
Gleichwohl hat die Branche 2017 vergeblich auf neue Initiativen   gramm auf die Beine gestellt und immer mehr
von Apple im Download-Vertrieb gewartet. Wie es in diesem         Verlage entwickeln Formate und bereichern
Bereich weiter geht, bleibt abzuwarten.                           den Markt. Es scheint sich ein Phänomen zu
Womit wir bei den Erwartungen für 2018 wären. Bleibt der phy-     wiederholen, das von Anfang an prägend für
sische Markt robust wie in den Jahren zuvor? Bei immer weniger    den Hörbuchmarkt war und ist: Eine Techno-
CD-Playern in Neuwagen? Bei immer mehr Konkurrenz durch           logie ist längst vorhanden (Radio, Schallplat-
Netflix, Spotify & Co.? Die überraschende Antwort: höchst-        te, Kassette, CD, Download), sie wird auch in
wahrscheinlich ja! Und das liegt vor allem an starken Program-    gewissem Umfang schon genutzt – und erst
men, einem nach wie vor vorhandenen Kern aktiver Händler,         nach einer gewissen Gärungsphase entsteht
einer wachsenden Bedeutung des Hörbuchs als Geschenkarti-         sprunghaft eine neue Kunstform, eine breite
kel und nicht zuletzt an der digitalen Expansion des Hörbuchs,    Nutzung und ein weiterer Trend für das ge-
durch die auch physische Käufe angeregt werden. Schließlich       sprochene Wort.

                                                                                                                                13
streaming und verkäufe
profitieren voneinander
ellen voráč

Spannend an den Jahreszahlen der digitalen Buchbranche ist
die Tatsache, dass sich Streaming und digitale sowie physische
Hörbuchkäufe keinesfalls ausschließen. Im Gegenteil: Die Ana-
lyse zeigt, dass parallel zum Beginn der aktiven Promotion von
Hörbüchern im Audio-Streamingmarkt auch die Kaufintensität
von Hörbuchkonsumenten zugenommen hat. Im Vergleich von
2015 auf 2016 wurden digitale und physische Hörbuchkäufe
um ganze 9 % gesteigert (Analyse des GfK Consumer Panels
im Auftrag des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels).
Die verschiedenen Bereiche – Streaming, digitale Hörbücher
und physische Verkäufe – können also durchaus voneinander
profitieren.
Durch redaktionelle Empfehlungen und Startseiten-Platzie-
rungen auf Deezer haben wir es auch geschafft, ein neues,
junges Publikum für die Themen Buch und Hörbücher zu begei-
stern, das bis dato teilweise nicht von den üblichen Werbemaß-   Ellen Voráč ist seit August 2015 Senior Manager Audiobooks bei
nahmen der Hörbuchverlage erreicht wurde.                        Deezer in den Märkten Deutschland, Österreich und Schweiz. Im
                                                                 Bereich Hörbuch und Hörspiel ist sie für Content-Akquise, Redakti-
Auch können Verlage beispielsweise mithilfe von Stream-          on und Partnermanagement mit Verlagen und Vertrieben zustän-
ing-Modellen erstmalig herausfinden, wie Hörbücher kapitelba-    dig. Zuvor war Ellen Voráč als Head of E-Book & Audio-Book bei
                                                                 der Zebralution GmbH und als Head of Label Management bei der
siert performen (und nicht wie zuvor üblich nur anhand ganzer    finetunes GmbH tätig.
Hörbuch-Alben). Auf diese Weise ist eine tiefergehende Analy-
se des Nutzerverhaltens möglich, auf deren Basis Verlage ihre    kabarettistische Weise besprochen. Auch der
Vermarktungsstrategie bestimmter Titel ausrichten können.        Podcast „Das kleine Fernsehballett“ mit Sarah
Schließlich setzen wir bei Deezer verstärkt auf Eigenproduk-     Kuttner und Stefan Niggemeier, der Podcast
tionen im Spoken Word-Bereich, sprich: Podcasts. Podcasts        „Das Böse“ (originale Kriminalfälle neu auf-
sind eine hervorragende Möglichkeit verschiedenste kulturelle    bereitet) sowie die Infotainment Reihe „Wis-
Themen in den Mittelpunkt zu stellen und auf unterhaltsame       sens-Snacks“ erfreuen sich großer Beliebtheit
Weise aufzubereiten. So wurden beispielsweise in unserem Li-     bei Deezer. Hier freuen wir uns auch 2018 auf
teraturpodcast „Das literarische Streamtett“ Hörbücher auf       spannende neue Projekte.

14
podcasting mobil und interaktiv
christian spließ stellt anchor vor
 P   odcasting erlebt seit einiger Zeit eine Renais-
     sance. Zwar stand das Audio-Format lange
 dem Video-Format nach. Doch das hat sich in-
                                                                Die Funktionen von Anchor
                                                                  1. „Waves“ aufnehmen
 zwischen geändert, nachdem Facebook unter an-         Interessant wird die Nutzung des Angebots erst,
 derem eine Audio-Only-Streaming-Funktion ein-         wenn man selber Inhalte erstellt: die sogenann-
 geführt hat, nachdem im letzten Jahr zahlreiche       ten „Waves“. Dabei macht es einem die App sehr
 neue Podcasts aus der Verlagsbranche das Licht        einfach, Inhalte aufzunehmen: Es ist so einfach
 der Welt erblickten und da sich allmählich die di-    wie das Telefonieren selbst. Man drückt einen
 gitalen Assistenten etablieren ­– Audio holt auf.     roten Aufnahme-Knopf, hält sich das Gerät ans
 Das darf nicht verwundern: Wer gewohnt ist mit,       Ohr und spricht seine Inhalte in die App ein. Be-
 Alexa zu sprechen, wer seine SMS mit Siri diktiert,   denken sollte man allerdings, dass man ein Zeit-
 der ist auch daran gewohnt, dass digitale Assi-       limit von fünf Minuten für eine „Wave“ hat, wenn
 stenten beliebige Hörinhalte wiedergeben können       man seine Inhalte mobil mit der App aufnimmt,
 – wozu neben Hörspielen dann auch Podcasts            per Anchor-Webseite kann man auch längere
 zählen. Zudem: Mit Spotify und Deezer sind Platt-     Inhalte hochladen. Anchor segmentiert diese
 formen auf den Markt getreten, die ebenfalls teil-    längeren Aufnahmen dann, so dass automatisch
 weise originäre Podcasts in Auftrag geben. Audio      eine Reihe von 5-Minuten-Abschnitten entsteht,
 holt gegenüber Video auf, und Anchor scheint ge-      die für den Hörer allerdings kontinuierlich inei-
 rade zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein.     nander übergehen. Man hört also keine Schnitte
                                                       oder keine Unterbrechungen. Allerdings: Zu lang
                 Wer ist Anchor?                       sollten die per Webseite hochgeladenen Pod-
 Anchor wurde 2015 in New York gegründet und           casts dann nicht sein – wer eine halbe Stunde
 bis 2017 mit 15 Millionen Dollar neuem Investo-       erreicht, der könnte schon Probleme beim Hoch-
 renkapital ausgestattet, Das Angebot umfasst ei-      laden und Umwandeln bekommen.
 nerseits eine App, die tatsächlich das mobile Pod-
                                                             2. Jingles und Musik hinzufügen
 casting neu erfindet, andererseits ist Anchor eine
 Plattform für Audioinhalte. Anchor ermöglicht es      Neben den eigentlichen „Waves“ bietet Anchor
 jedem Nutzer, einen eigenen Sender („Station“) zu     das Einfügen von bereitgestellten Jingles an, au-
 erstellen. Daneben kann Anchor auch wie jede          ßerdem die Möglichkeit, Hintergrundmusik unter
 andere Podcastplattform als Radioersatz benutzt       den Beitrag zu legen, sodass schon eine Art Ra-
 werden.                                               diofeeling aufkommt. Das macht Anchor sehr
geschickt: Wer Spotify oder Apple-Music nutzt,       sen. Man braucht nur fünf Minuten dazu: Name
     kann Songs von dort in die eigene „Station“ ein-     auswählen, etwas über den Inhalt schreiben,
     fügen. Hören wiederum kann man die nur in            Verzeichnis anklicken - fertig. Man könnte auch
     voller Länge, wenn man eine bezahlte Mitglied-       seinen kompletten, bisher auf anderen Platt-
     schaft bei den Diensten hat; wenn nicht, werden      formen gehosteten Podcast über Anchor laufen
     nur 30 Sekunden ausgespielt. Anchor ist also         lassen, es gibt eine Importfunktion. Was aller-
     kein eigener Anbieter, sondern stellt in dem Fall    dings, wenn man bisher im Halbstunden- oder
     tatsächlich nur die Plattform zur Verfügung.         Stundenformat gepodcastet hat, eher nicht so
                                                          sinnvoll ist. Natürlich kann man Anchor auch
                  3. Anchor interaktiv                    dazu nutzen, um eine kürzere Variante des eige-
     Ein weiteres Feature und bei Anchor wichtig: die     nen Podcasts einzustellen.
     „Call Ins“. Jede „Station“ hat diese Möglichkeit
                                                                      6. Audio transkribiert
     zur Interaktion: Wer auf den Knopf klickt, hat
     eine Minute Zeit um den Betreiber der „Station“      Anchor kann als App tatsächlich eine Menge, und
     etwas zu sagen. Feedback, Anregungen oder            die Webseite ermöglicht es, wie schon gesagt,
     Fragen können somit an den Macher durchge-           auch längere Inhalte einzustellen, Schneidefunk-
     stellt werden und diese können wiederum in die       tion übrigens inbegriffen (das gilt auch für die
     „Station“ eingefügt werden. Noch wichtiger ist       App, wenn man fremde „Waves“ übernimmt).
     die Tatsache, dass jede „Wave“ in die eigene „Sta-   Und nicht zu vergessen: die Transkript-Funktion.
     tion“ eingefügt werden kann - bei Twitter wäre       Was diese Funktion kann? Sie erstellt ein kleines
     das ein Retweet. Und neben der Möglichkeit,          animiertes Video aus der Sprachdatei. Zum Tei-
     Kommentare zu den Beiträge einzutippen, kann         len bei Facebook zum Beispiel ideal: Man hört die
     man auch einfach nur den „Applaus“-Knopf an          Tonspur und gleichzeitig sieht man die einzelnen
     der Stelle drücken, die einem bei der „Wave“ am      Wörter über den Bildschirm flimmern. Das funk-
     Besten gefällt. Die Plattform „Medium“ hat im        tioniert momentan auf Deutsch leider nicht gut,
     letzten Jahr dieses Feature übernommen. Dass         aber laut Maya Prohovnik, „Product and Operati-
     man „Stations“ mit einem Sternchen abonnieren        ons“-Verantwortliche, arbeitet man an weiteren
     kann, ist dem Nutzer dann von Twitter her schon      Sprachen wie Deutsch.
     vertraut. Eine eigentliche „Daumenbewertung“
     oder Sterne sind bei Anchor nicht vorgesehen.
                                                                    7. Newsüberblick in Beta
                                                          Schick ist übrigens der Newsüberblick namens
       4. Kurzfristige und langfristige „Waves“
                                                          „Rundown“, den jeder „Station“-Betreiber maß-
     „Waves“ haben nicht nur eine Zeitbegrenzung          geschneidert für sich in die App bekommt. Wo-
     von fünf Minuten, sie sind auch nach 24 Stun-        bei maßgeschneidert etwas relativiert werden
     den aus der eigenen „Station“ verschwunden -         muss: Der Wetterbericht für den eigenen Ort
     das betrifft sowohl eigene als auch fremde. Das      funktioniert, die Nachrichtenfunktion weniger
     Feature kennt man, seit Snapchat es populär          gut. Das Prinzip: Wer mehr Tech-Nachrichten
     gemacht hat und Instagram und Facebook die           mag, sollte dann auch mehr Tech-Nachrichten
     Stories für sich übernommen haben. Der Kniff         im „Rundown“ hören, aber bisher scheint das
     bei Anchor ist allerdings: Man kann die eigenen      noch nicht ganz zu Ende entwickelt worden zu
     Inhalte, die für einen selbst übrigens auch archi-   sein. Dass man mit Anchor auch noch Interviews
     viert werden, auch in sogenannten „Episodes“         mit anderen Nutzern aufzeichnen kann oder so-
     zusammenfassen. Diese bleiben dann länger-           gar einen Podcast im Dialog gestalten kann, das
     fristig erhalten und sind permanent zugänglich.      sei nur am Rande erwähnt.
     Das kann für jemanden, der gerade eine „Stati-
     on“ neu entdeckt hat, die momentan keine aktu-
                                                                     8. Lücken der Webseite
     ellen „Waves“ hat, durchaus nützlich sein. Wobei     Verbesserungswürdig derzeit auch noch: Zwar
     man die retweeteten „Waves“ leider nicht in die      hat jede Station eine eigene URL und kann eigent-
     eigenen „Episodes“ übernehmen kann. Aller-           lich auch im Webbrowser gehört werden, aller-
     dings sehr bequem für den Macher: Anchor hat         dings ist das Browsen im Web dann nach wei-
     Schnittstellen zu dem Podcastverzeichnis von         teren Stationen bisher nicht möglich. Man muss
     iTunes und dem von Google.                           dann schon jeweils die spezielle URL der „Stati-
                                                          on“ kennen. In der App existiert eine Suchfunkti-
             5. Podcast-Feed über Anchor
                                                          on und eine Trending-Anzeige, mit der man wei-
     Wer sich bisher scheute, einen Podcast-Feed an-      tere Stations findet, für den Browser existiert
     zulegen, weil das zu kompliziert war, der kann       das bisher leider noch nicht. Für die Webseite hat
     das auch mittlerweile über Anchor laufen las-        Anchor ein paar „Stations“ zusammengestellt,

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die über den „Listen“-Knopf abrufbar sind – wer      fehlen kann. Anchor ermöglicht es dagegen,
also einige Beispiele hören möchte, bevor er sich    ganze „Waves“ einzubetten und beispielsweise
die App runterlädt, kann das auf der Webseite        direkt in der nächsten eigenen Wave auf das Vo-
durchaus tun. Allerdings ist dann der Zugriff        rangegangene einzugehen. Dadurch ergibt sich
auf alle „Stations“ nicht möglich. Und die Feed-     ein schneller Kommunikationsweg zum Macher
back-Möglichkeiten sind bei der Webseite auch        des Podcastes, direkt per „Call In“ oder per Kom-
nicht vorhanden. Dafür kann man die hochge-          mentar oder Applaus. Anchor hat gerade wegen
ladenen Beiträge einprogrammieren, was dann          dieser Funktionen eine ausgeprägte Diskussi-
wiederum bei der App nicht geht. Insofern ist        ons- und Beteiligungskultur – obwohl Beiträge in
eine Nutzung von Webseite und App eine gegen-        der Regel nur 24 Stunden zur Verfügung stehen
seitige Bedingungen, wenn man Anchor wirklich        und man eventuell nicht ganz nachvollziehen
komplett nutzen möchte. Vor allem, weil man          kann, über was debattiert wird. Diese Funkti-
auf der Webseite auch noch Audio-Ton-Spuren          onsweise hat den Vorteil, dass man schnell eine
von YouTube oder anderen Diensten per URL in-        Meinung einholen oder zu einem aktuellen The-
tegrieren kann. Anchor weist natürlich darauf        ma Stellung beziehen kann. Ein Beispiel: Der Stif-
hin, dass man dann auch die Rechte an den Tons-      terverband für die Deutsche Wissenschaft hat
puren haben sollte…                                  bei Anchor eine Station, die genutzt wird, um ein
                                                     Impuls-Thema für die Woche zu setzen – und bit-
   Fazit: Was an Anchor so besonders ist             tet dabei auch immer um Call-Ins, die dann auch
Zunächst reduziert Anchor die Hemmschwel-            veröffentlicht werden.
le. Auch wenn einige Podcaster vielleicht etwas       Wie generell jede Plattform hat Anchor also
abschätzig auf die Methode des mobilen Podca-        eine eigene Kommunikationskultur entwickelt.
stings mit Smartphone oder Tablet herabsehen         Für das reine Absetzen von Botschaften, das rei-
mögen: Einfacher geht es momentan nicht, wenn        ne Senden, ist Anchor weniger geeignet. Längere
man einen eigenen Podcast erstellen möchte,          Podcastformate sollten ebenfalls auf anderen
ohne viel Equipment kaufen zu müssen. Zwar           Plattformen oder gar auf einem eigenen Server
sollte man im Kopf haben, dass es die Fünf-Mi-       gehostet werden.
nuten-Grenze gibt. Die gibt es allerdings immer
nur für eine „Wave“. Theoretisch kann man
durchaus ein längeres Thema in mehreren „Wa-
ves“ abhandeln. Insgesamt ist Anchor daher für                                             christian spließ
einen „Podcast to Go“ bestens geeignet: Knopf                                Der selbstständige Journalist und
                                                                             Social-Media-Redakteur begleitet
drücken, Beitrag einsprechen, abschicken, fertig.                            Unternehmen und Organisationen
Und in fünf Minuten einen Podcastfeed erstellen,                             bei der erfolgreichen Umsetzung
der bei Apple und Google gelistet ist? Das ist gar                           von Social Media-Kampagnen.
kein Hexenwerk.                                                              Spließ ist einer der Social Influen-
                                                                             cer in NRW – vor allem über Twit-
  Doch das Besondere der App ist, dass sie kon-                              ter und Facebook.
sequent auf den Dialog setzt. Normalerweise ist
ein Podcast eine Audiodatei, die man anhörten,
auf der Webseite des Anbieters kommentieren
und deren URL man auch in Social Media emp-

                                                                                                                    17
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