Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung

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Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
report
            Bildung, Wissenschaft und Forschung

Die Wissensgesellschaft
am Scheideweg

                                                  02/2007
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
Editorial                                                            biwifo report 2/2007

   Immer prekärer                                                      Inhalt
                                                                       Schwerpunkt:
       Befristete Arbeitsverträge, Teilzeit,                           Die Zukunft der Hochschulen
   Werk- und Honoraraufträge, geringfügige
                                                                       Volle Kraft voraus:
   Beschäftigung, erzwungene (Schein-)                                 Auf zum ver.di Bundeskongress                                 3
   Selbstständigkeit... Formen und Namen gibt
   es viele für ein Übel, das immer weiter um                          Was der Fachbereich will                                      3
   sich greift: schwindende Sicherheit für das                         Der Bund sagt der Bildung ade                                 4
   Berufsleben und eine längerfristige Lebens-
                                                                       Hochschulen als Produktionsstätten                            5
   planung. Auch im Wissenschaftsbereich
   nehmen diese Beschäftigungsformen stetig                            Stand der Dinge
   zu. In vielen Fakultäten und Fachbereichen                          bei der Exzellenzinitiative                                   6
   sind nur noch die ProfessorInnen und                                Geheimbündelei an der Berliner
   SekretariatsmitarbeiterInnen unbefristet                            Humboldt-Uni                                                  6
   beschäftigt; alle anderen arbeiten auf der                          Die TU München hat`s geschafft                                7
   Basis von Zeit- oder Honorarverträgen.

                                                                                                                                         report
   Mittlerweile kann man sich des Eindrucks                            Wer bezahlt die Rechnung
                                                                       der BAföG-Reform?                                             8
   nicht mehr erwehren, dass die Flexibilität       Petra
   der Beschäftigten und die Flexibilisierung       Gerstenkorn        „Die Schere geht immer weiter auf“ –
   ihrer Arbeitsbedingungen zum Selbstzweck         Mitglied des       Interview mit dem Generalsekretär
   mutieren.                                        ver.di-            des Deutschen Studentenwerks                                  9
                                                    Bundesvorstandes   Campus der Zukunft: Kopieren
       Die Auswirkungen, die das Arbeitsleben       und Leiterin des   und kooperieren erwünscht                                    10
   in der Schwebe auf die Beschäftigten hat,        Fachbereichs
                                                                       Akkreditierung: Von Programmen
   werden zunehmend erforscht. Ständig              Bildung,           zu Systemen                                                  11
   Energien zu mobilisieren, um den Sprung in       Wissenschaft und
   ein gesichertes Arbeitsverhältnis doch           Forschung          Weiterbildung: Netze knüpfen
   noch zu schaffen und ständige Anpassungs-                           gegen Dumping                                                12
   leistungen, um eine weitere Befristung
                                                                       Gemeinsam finden wir Gehör                                   13
   im gleichen oder anderen Arbeitsumfeld
   zu ergattern, verändern Verhalten und                               Delegierte für den Bundeskongress
   Einstellung gegenüber Vorgesetzten,                                 und der neue Fachbereichsvorstand                            14
   KollegInnen und der Arbeitsaufgabe – so                             Aus dem Leben einer Bibliothekarin                           15
   die vorliegenden Befunde und Ergebnisse.
                                                                       Porträt: Bernhard Kunze                                      15

       Weniger im Blick sind die Auswirkungen,
   die Flexibilität und Instabilität auf Qualität
   und Perspektive von Forschungs-                                     Impressum
   feldern haben. Kann Diskontinuität in der
                                                                       Der ver.di Report biwifo Nr. 02/2007 · September 2007
   Bearbeitung von Aufgaben und den                                    Herausgeber: Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di)
   Arbeitsbeziehungen sich hemmend auf                                 Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
   Produktivität und Innovation auswirken?                             Paula-Thiede-Ufer 10 · 10179 Berlin
                                                                                                                                            Fotos v.o.n.u.: Jürgen Seidel (3), Marttin Hofmann

                                                                       V.i.S.d.P.: Petra Gerstenkorn
                                                                       Verantwortliche Redakteurin: Annette Jensen
     Im Rahmen unseres Projektes „Campus                               Internet: www.verdi.de
  der Zukunft“ wollen wir auch dieser                                  Grafisches Konzept: Hansen Kommunikation GmbH
                                                                       Layout: einsatz, Wolfgang Wohlers
  Frage nachgehen. Wir werden die ersten                               Druck: apm AG Darmstadt, Kleyerstraße 3, 64295 Darmstadt
  Ergebnisse von Forschungsprojekten der                               Titelbild: Werner Bachmeier (Bildmontage)
  Hans-Böckler-Stiftung mit den Erfahrungen                            W-1728-28-0907

  der Beschäftigten und ihrer Interessen-                              Die Artikel stellen die Meinungsvielfalt unseres
  vertretungen abgleichen. Auf solider                                 Fachbereiches dar und spiegeln nicht in jedem Fall die
  Grundlage werden wir dann unsere                                     Meinung des Bundesfachbereichsvorstandes wider.

2 gewerkschaftlichen  Forderungen weiter
  entwickeln. b                                                        Service
                                                                       Fachbereich Bildung, Wissenschaft und Forschung
                                                                       Internet: www.biwifo.verdi.de
                                                                       Ansprechpartner biwifo-Report:
                                                                       holger.menze@verdi.de
                                                                       Tel.: 0171/9 32 04 04 · Fax: 030/69 56-35 00
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
Schwerpunkt: Die Zukunft der Hochschulen

                                                                                                                   V E R.D I      POSITION

                                                                                                                   W Das sagt unser

         Volle Kraft voraus                                                                                        Fachbereich zur
                                                                                                                   Bildungsfinanzierung
                                                                                                                       Mit einer umfassenden
                                                                                                                   Darstellung des Finanzbedarfs
         Unsere Bundesfachbereichskonferenz                    Wir sind auf diesem Feld bereits heute ein          des öffentlichen Bildungssektors
         stand unter dem Motto „bilden, wissen,                Akteur, an dem man nicht mehr vorbeikommt.          hat der Bundesfachbereichs-
         forschen – Kompetenz für die Zukunft“.                Diese Position wollen wir weiter ausbauen und       vorstand Bildung, Wissenschaft
         Damit sind die Eckpfeiler unserer bis-                uns im Interesse der Menschen und des Gemein-       und Forschung im Mai 2007
         herigen und künftigen Arbeit markiert.                wohls einmischen. Damit das gelingt, bedarf es      eine Positionierung zum Thema
         Den anstehenden ver.di-Bundeskongress                 der gemeinsamen Anstrengung des gesamten            Bildungsfinanzierung vorgelegt.
         wollen wir gleichsam als Resonanzboden                Fachbereichs.                                       Das Papier analysiert zunächst
         nutzen, um unseren Forderungen                                                                            für alle Bereiche von der
         mehr Durchschlagskraft zu verleihen.                      Nicht aus den Augen verlieren dürfen wir        Vorschule über die Schule und
         Die Chancen dafür stehen gut.                         dabei allerdings die alltägliche Arbeit für die     die duale Berufsausbildung bis
biwifo

                                                               Beschäftigten in den Bildungseinrichtungen. Wir     zu den Hochschulen in kurzen
         VON KLAUS BÖHME                                       müssen uns bemühen, sie stetig von den Vor-         Skizzen die gegenwärtigen
                                                               teilen der Mitgliedschaft in unserer Gewerkschaft   Problemlagen. Anschließend

         S  chon der letzte ver.di-Bundeskongress hat
            zentrale Leitlinien formuliert: Das Grundrecht
         auf Bildung, die Beseitigung sozialer Zugangs-
                                                               zu überzeugen. Das auf drei Jahre angelegte
                                                               Projekt CAMPUS DER ZUKUNFT trägt dem
                                                               Rechnung und bildet in diesem Zeitraum den
                                                                                                                   macht der Fachbereich deutlich,
                                                                                                                   welche Entwicklungsschritte
                                                                                                                   jeweils nötig wären, um be-
         barrieren und die dringend erforderliche An-          Arbeitsschwerpunkt des Fachbereiches. Wir           stimmte Zielsetzungen zu er-
         passung der einzelnen Phasen lebensbegleiten-         wollen durch klare, differenzierte Positionen       reichen. Konkrete Forderungen
         den Lernens an die Erfordernisse einer wissens-       wahrnehmbarer werden in Hochschulen und             und deren aktueller Finanzbedarf
         basierten Gesellschaft. Diese Forderungen haben       Forschungseinrichtungen als den für die Zukunft     werden ebenfalls benannt.
         unverändert und dringender denn je Gültigkeit.        unserer Gesellschaft entscheidenden Hand-
                                                               lungsbereichen. Der Fokus des gewerkschaft-             Der Bundesfachbereichs-
             Einzelne dieser Punkte finden ganz allmählich,    lichen Engagements liegt selbstverständlich bei     vorstand macht sich damit für
         allerdings immer noch viel zu zögerlich Nieder-       den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten. Die       eine bedarfsgerechte Finan-
         schlag in der politischen Debatte und Umsetzung.      besser zu gestalten und die Rahmenbedingungen       zierung eines demokratischen,
         Ein harter Schlag in die andere Richtung war aller-   positiv zu beeinflussen ist unser Ziel. Nur wenn    sozialen und geschlechter-
         dings die Föderalismusreform. Hier wurde die          das gelingt, kann der derzeit zwar moderate, aber   gerechten Bildungswesens
         Chance vertan, einheitliche Bildungsstandards zu      doch stetige Mitgliederverlust endlich gestoppt     stark. Er stellt die Leitidee der
         schaffen; stattdessen droht jetzt eine zunehmen-      und stattdessen ein Mitgliederzuwachs erreicht      Chancengleichheit in den
         de Kleinstaaterei im Bildungswesen, der es ent-       werden.                                             Mittelpunkt und entwickelt ihre
         schieden entgegen zu wirken gilt.                                                                         konkreten finanziellen Konse-
                                                                   Dafür lohnt es sich, alle Kräfte in den Hoch-   quenzen für die unterschied-
             Gleichzeitig sehen wir uns damit konfrontiert,    schulen, Forschungseinrichtungen und Studen-        lichen Bildungsbereiche.
         dass Bildung in immer höherem Maße privat             tenwerken zu bündeln und die Akteure an einen
         (mit-)finanziert werden muss. Die Studien-            Tisch zu bringen, um Neues zu denken und auch           Mit den Berechnungen liegt
         gebühren sind nur ein Beispiel dafür. Wir             alternative Wege zu gehen.                          nun ein umfassender Beitrag
         dagegen sind der tiefen Überzeugung, dass                                                                 für die politische Arbeit unseres
         Bildungsmöglichkeiten bereit zu stellen eine der          Es geht um die Zukunft – sowohl unserer         Fachbereichs vor. Der nächste
         vornehmsten und dringendsten Aufgaben des             Gesellschaft als auch unserer Gewerkschaft. Viel    Schritt ist nun der ver.di-Bundes-
         Gemeinwesens ist. Deshalb bringt der Fach-            Zeit bleibt uns nicht. Wir müssen sie nutzen! b     kongress im Oktober. Dort
         bereich beim bevorstehenden Bundeskongress                                                                wird das Papier allen ver.di-
         einen ausführlichen Antrag zur umfassenden und                                                            Delegierten vorgelegt – verbun-
         sozial gerechten Finanzierung lebenslanger Bil-                                                           den mit dem Antrag, dies als
         dung ein (siehe Spalte rechts). Unser Ziel ist es,                                                        Positionierung der Gesamt-
         zunächst in unserer Gewerkschaft eine breite                                                              organisation zu verabschieden.
         Mehrheit dafür zu gewinnen. Mit derart gestärk-                                                           Nach einer hoffentlich breiten
         tem Rücken wollen wir danach eine Diskussion                                                              Unterstützung durch die
         mit allen gesellschaftlichen Gruppierungen be-                                                            gesamte Gewerkschaft werden
         ginnen und Verbündete suchen.                                                                             wir Verbündete außerhalb der         3
                                                                                                                   Organisation suchen. b
            In den Köpfen der Menschen, insbesondere
         der politisch Verantwortlichen, muss die Er-                                                              www.biwifo.verdi.de
         kenntnis und Überzeugung verankert werden,
         dass ver.di auch die Gewerkschaft der Bildung ist.
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
Schwerpunkt: Die Zukunft der Hochschulen

                    Der Bund sagt                                                        die es keine bundeseinheitliche Regelung gibt.
                                                                                         Die Folge wird für viele Studienwillige eine Be-
                                                                                         werbungs-Odyssee sein.

                   der Bildung ade                                                          Im europäischen Ministerrat hat Deutschland
                                                                                         zwei Sitze. Uneinigkeit in Sachfragen wird künftig
                                                                                         bei Abstimmungen häufig zu Enthaltungen füh-
           Zum 1. Oktober 2008     VON HANS-JÜRGEN IMMERTHAL                             ren. ver.di befürchtet deshalb, dass die Bundes-
                 sollen mit dem                                                          republik ihre Anschlussfähigkeit an Europa und
       Hochschulrahmengesetz
                auch die letzten
     bundesweiten Regelungen
                                   D    er Bund hat sich mit der Föderalismusreform
                                        2006 weitgehend aus seiner bildungspoliti-
                                   schen Verantwortung zurückgezogen. Lediglich
                                                                                         insbesondere ihre Einflüsse auf die Gestaltung des
                                                                                         Bologna-Prozesses verspielen wird.

            außer Kraft gesetzt    die Kompetenzen zur Regelung der Hochschul-              Wenn die Fachminister in der Kultusminister-
          werden. So hat es der    zulassung und der -abschlüsse sind bei ihm            konferenz (KMK) ihre hochschulpolitischen
        Bundestag beschlossen.     verblieben – und sogar hier können die Länder         Empfehlungen beraten, haben ver.di und andere
      ver.di glaubt nicht daran,   abweichen. Für die vorherigen Gemeinschafts-          Hochschulexperten darauf keinen absehbaren
              dass die seit 1976   aufgaben Hochschulbau und Bildungsplanung             Einfluss. Mit Transparenz und demokratischer
          laufenden Zankereien     sind sie nun in jedem Fall zuständig. ver.di          Legitimation hat das wenig zu tun. Kann man
            zwischen Bund und      befürchtet, dass es keine gemeinsame Planung          der KMK vertrauen, dass sie nicht wieder
        Ländern damit beendet      und Schwerpunktbildung für das bundesweite            AbiturientInnen den Hochschulzugang verwei-
       sind. Mit einer Rahmen-     Bildungs- und Forschungssystem mehr geben             gert, wenn sie aus bestimmten Bundesländern
            vereinbarung einen     wird. Die Egoismen der finanzstarken gegenüber        kommen? Oder ist sicher, dass die KMK
      Konsens über einheitliche    den finanzschwachen Bundesländern werden              LehrerInnen nicht aus vorgeschobenen politi-
         Strukturen und Inhalte    sich durchsetzen. Die Länder werden nicht nur in      schen Gründen die Übernahme in den Schul-
         zu erzielen, hat bisher   Nord-Süd-Richtung weiter auseinanderdriften,          dienst verweigert?
                kaum geklappt.     sondern auch in Ost-West-Richtung. Welche
          Warum sollte es dann     gemeinsamen Anstrengungen werden sie noch                 Ein modernes Bildungssystem muss sich nicht
        ohne sie künftig besser    unternehmen, um z. B. im Osten die Auslastung         nur an seiner Durchlässigkeit und an der Vertei-
                 funktionieren?    der Studienplätze zu verbessern?                      lung von Chancen messen lassen, sondern auch
                                                                                         die Mobilität von Studierenden und wissenschaft-
                                        Der Bund behauptet, sich in Zeiten des           lichem Personal fördern. ver.di fordert daher eine
                                   Wettbewerbs von staatlicher Detailsteuerung           national verbindliche Bildungspolitik. b
                                   verabschieden zu wollen, um
                                   ein Zeichen in Richtung Frei-
                                   heit und Autonomie für die
                                   Hochschulen zu setzen. ver.di
                                   kann nicht erkennen, dass
                                   SchülerInnen, Studierende und
                                   AbsolventInnen von einem
                                   Wettbewerbsföderalismus pro-
                                   fitieren. Im Gegenteil werden
                                   zum Beispiel die Bewerbungs-
                                   verfahren immer unübersicht-
                                   licher. So verteilt die Zentrale
                                   Vergabestelle (ZVS) nur noch in
                                   fünf oder sechs Fächern die
                                   Studienplätze in ganz Deutsch-
                                   land – und auch in diesen Fäl-
                                   len nur zu 40 Prozent. Zugleich
                                   gibt es immer häufiger örtliche
                                   Zulassungsbeschränkungen, für

4
                                                                   Foto: Jürgen Seidel
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
Schwerpunkt: Die Zukunft der Hochschulen

                                                                                                               I   M       F   O    K    U    S

                                                                                                               W Der Hochschulpakt 2020

Hochschulen                                                                                                        Am 14. Juni 2007 haben
                                                                                                               Bund und Länder einer „Ver-
                                                                                                               waltungsvereinbarung über den

als Produktionsstätten                                                                                         Hochschulpakt 2020“ zuge-
                                                                                                               stimmt. Im Programmteil über
                                                                                                               die Lehre wird festgelegt, wie
                                                                                                               sich bis 2010 die erwarteten
Bildung und Wissen sind zentrale Faktoren              liche Grenze für die Staatsverschuldung im              91.270 zusätzlichen Studien-
für die moderne Wissensgesellschaft.                   Haushalt sieht aber für Investitionen anders aus        anfängerInnen auf die Länder
Hochschulen und Forschungseinrichtungen,               als für konsumtive Ausgaben.                            verteilen sollen. Der Bund will
in denen sie ‚erzeugt‘ und vermittelt                      Wenn es um die Hochschulen als positive             dafür pro StudienanfängerIn
werden, sind gleichsam deren Produktions-              Wirtschaftsfaktoren geht, ist jedoch noch an            11.000 Euro – verteilt über die
stätten. Es ist deshalb an der Zeit, sie               anderer Stelle ein Umdenken der Politik not-            Jahre – zur Verfügung stellen. Bis
als entscheidenden Wirtschaftsfaktor zu                wendig. Es müssen Verfahren etabliert werden,           2010 sind das rund 565 Millio-
behandeln und nicht länger als                         die jedem Bundesland direkte finanzielle Vorteile       nen Euro. Für den Rest der Finan-
belastenden Kostenfaktor zu sehen. Hier                bieten, wenn es Studierende anwirbt und seine           zierung sind die Länder zuständig.
muss die Politik prinzipiell umdenken.                 Hochschulen dafür quantitativ und qualitativ aus-
                                                       baut. Umgekehrt darf ein Bundesland, das nicht              Schon jetzt zeichnen sich
VON KARL-HEINRICH STEINHEIMER                          die seinen Möglichkeiten entsprechende Anzahl           für die Umsetzung folgende
                                                       von Studienplätzen zur Verfügung stellt, dadurch        Fragen und Probleme ab:

A    ufwendungen für Bildung, Wissenschaft und
     Forschung sollten im öffentlichen Haus-
haltsrecht als Investitionen gelten – auch dann,
                                                       keinen finanziellen Vorteil haben.
                                                           Derartige Modelle existieren schon seit et-
                                                       lichen Jahren. Am bekanntesten ist wohl das
                                                                                                               • An welcher Hochschule (FH
                                                                                                                 oder Uni) sollen in welchen
                                                                                                                 Fächern wie viele Studien-
wenn das Geld nicht für Beton verbraucht wird.         jüngste, das mit dem Namen des derzeitigen                plätze angeboten werden? Die
Damit Kompetenz in den Köpfen entstehen kann,          Präsidenten der Kultusministerkonferenz verbun-           Hochschulrektorenkonferenz
werden schließlich auch Personal und Sachmittel        dene ‚Zöllner-Modell‘. Es sieht einen ‚Vorteilsaus-       (HRK) kritisiert, dass die
benötigt. Tatsächlich scheint es so, als ob sich die   gleich‘ zwischen den Ländern vor. Im Prinzip soll         zugrundegelegten durch-
Finanzminister von Bund und Ländern dieser             dabei jedes Bundesland für seine Landeskinder             schnittlichen Studienplatz-
Sichtweise bei ihren Verhandlungen im Rahmen           zahlen, die anderswo ein Studium aufnehmen.               kosten viel zu niedrig sind.
der ‚Föderalismusreform II‘ annähern. Damit stün-      Der Ausgleichsbetrag hängt von dem Aufwand              • Wie kann eine Qualitäts-
den den Hochschulen zwar nicht automatisch             für den gewählten Studiengang ab. Alle Studien-           sicherung durch Evaluation des
mehr Mittel zur Verfügung. Die verfassungsrecht-       gänge sollen tendenziell in drei Kostengruppen            Hochschulpakts erfolgen?
                                                       zusammengefasst werden.                                 • Kann die Studienabbrecher-
                                                           Die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen           quote verringert werden?
                                                       mit ihrer magnetischen Anziehungskraft auf              • Zugangs- und Zulassungs-
                                                       Studierende würden bei solch einer Regelung auf           beschränkungen könnten zu
                                                       jeden Fall zu den Gewinnern zählen. Pfiffig an            einem Regelabschluss Bachelor
                                                       Zöllners Idee ist aber, dass er auch den Bund mit         führen.
                                                       ins Boot holen will. Er soll die Finanzierung für die   • Wie wird sich die Erhöhung
                                                       ausländischen Studierenden übernehmen, so dass            der Studienplatzanzahl in per-
                                                       jedes Bundesland gegenüber dem gegenwärtigen              soneller Hinsicht auswirken?
                                                       Zustand profitieren würde und es keine Verlierer          Noch mehr Befristungen und
                                                       gäbe.                                                     noch höhere Lehrdeputate?
                                                           Wenn informelle Aussagen zutreffen, scheint
                                                       eine Umsetzung durchaus nicht ausgeschlossen –              Der andere Teil des Hoch-
                                                       Verbesserungen und Modifizierungen im Detail            schulpakts ist mit „Finanzierung
                                                       selbstverständlich vorausgesetzt. Deutschland,          von Programmpauschalen“ über-
                                                       den Bundesländern, den Hochschulen, den dort            schrieben. Vereinbart wurde, dass
                                                       Beschäftigten und vor allem den studierwilligen         von der deutschen Forschungs-
                                                       jungen Menschen wäre es zu wünschen.                    gemeinschaft geförderte Projekte
                                                           Dass mit jedem in eine Hochschule (und              einen „Overhead“ von 20 Pro-
                                                       gleichfalls in eine Forschungseinrichtung) in-          zent der Fördersumme erhalten
                                                       vestierten Euro ein deutlich höherer Rückfluss          sollen. Auch dies ist zu wenig,      5
                                                       verbunden ist, beweisen zwar etliche Unter-             aber immerhin ein Schritt in die
 Diese Studierenden lernen und investieren damit       suchungen. Im Bewusstsein einiger Wissen-               richtige Richtung. b
 in ihre Köpfe – die zentralen Produktionsmittel der   schafts- und vor allem Finanzminister scheint
 Wissensgesellschaft                                   dieses Wissen jedoch leider noch immer nicht            Hans-Jürgen Immerthal
                                                       angekommen zu sein. b
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
Schwerpunkt: Die Zukunft der Hochschulen

                        Exzellent oder
                           abgehängt
             Um die Exzellenz-     VON WILHELM RUWE
         initiative des Bundes
         und der Länder ist es
              ruhig geworden.
              Doch auch wenn
                                   A   usgangspunkt der Exzellenzinitiative war der
                                       Gedanke, auch in Deutschland einige wenige
                                   wissenschaftliche Hochschulen als Elite-Uni-
        die heftigen Debatten      versitäten zu profilieren. Dahinter steht die
               verebbt sind, ist   Hoffnung, den Wissenschaftsstandort Deutsch-

                                                                                         Foto: Jürgen Seidel
              Aufmerksamkeit       land auf Dauer zu stärken und seine internationa-
                    anzuraten:     le Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.
         Kaum etwas anderes
             wird die deutsche        Nach längerem Streit einigten sich Bund und
          Hochschullandschaft      Länder im Juni 2005 darauf, das Programm in ein
         so grundsätzlich und      etwas breiter angelegtes Förderkonzept für               An der ersten Ausschreibungsrunde beteilig-
         nachhaltig verändern      Spitzenforschung einzubetten. Drei Förderlinien      ten sich 74 Universitäten, die 319 Antragsskizzen
           wie diese Initiative.   wurden vereinbart, für die von 2006 bis 2011         einreichten. Eine gemeinsame Kommission von
                                   rund 1,9 Milliarden Euro zur Verfügung stehen.       Wissenschaftsrat und Deutscher Forschungs-
                                   Danach soll das Programm bis 2020 fortgeführt        gemeinschaft (DFG) wählte 90 Vorschläge aus
                                   werden.                                              und forderte, die Konzepte weiter auszuarbeiten.
                                                                                        Im Oktober 2006 bestimmte die um internatio-
                                   Gefördert werden                                     nale Experten erweiterte Jury dann die Sieger:
                                   • „Zukunftskonzepte“ bereits erfolgreicher           18 Graduiertenschulen, 17 Exzellenzcluster und
                                     Hochschulen als Elite-Universitäten                3 Zukunftskonzepte machten das Rennen.
                                   • „Graduierten-Schulen“ zur Unterstützung            Insgesamt profitieren 22 Hochschulen von der
                                     des wissenschaftlichen Nachwuchses                 ersten Runde. Dabei bringt jede Graduierten-
                                   • „Exzellenzcluster“ als                             schule etwa eine Million Euro im Jahr, ein
                                     Spitzenforschungszentren                           Exzellenzcluster spült 6,5 Millionen in die Kasse

                                     Berlin: „Geheimantrag“ des Präsidenten
                                     Auch wenn die Ergebnisse der nächsten              Unklarheiten, zum Beispiel wie die Finanzierung
                                     Exzellenz-Runde noch nicht feststehen, so sind     nach der fünfjährigen Anfangsphase fortgeführt
                                     bei den Anwärtern bereits interne Auswir-          werden soll. Verstetigung ist aber eine der
                                     kungen deutlich auszumachen. Ein Beispiel          Voraussetzungen, um überhaupt zum Zug kom-
                                     dafür ist die Berliner Humboldt-Universität        men zu können. Im Eliteantrag ist von 80 bis
                                     (HUB).                                             100 Professuren die Rede, über die man disku-
                                                                                        tieren könne. 30 bis 40 müssten „realisiert“,
                                         Den Exzellenzantrag „Translating Humboldt      also definitiv gestrichen werden. Das sind bei
                                     into the 21st Century“ hat eine kleine Gruppe      359 Professuren immerhin rund 25 Prozent, die
                                     ausgearbeitet und er war Geheimsache. Prä-         infrage gestellt und 10 Prozent, die schlussend-
                                     sident Christoph Markschies hatte Angst vor        lich gestrichen werden müssten.
                                     Spionage; seine „tollen Ideen“ solle nicht jeder
                                     kennen, erklärte er. So bekam der Akademische       Umbauten dieses Ausmaßes verändern eine
                                     Senat das Zukunfts(elite)konzept erst nach dem   Universität in Gänze, ihre innere Struktur, die
                                     Abgabetermin und nur aufgrund von massivem       Gewichtung von Disziplinen, ihr gesamtes Profil.
6                                    Protest vor allem der Studierenden zu sehen.     Wenn der Präsident eine solche Neuausrichtung
                                     Änderungen waren nicht mehr möglich.             durch seine Antragstellung vorwegnehmen will,
                                                                                      kann das nicht ohne Widerspruch und Wider-
                                         Dabei hatten viele in der HUB großes stände bleiben. b
                                     Interesse an dem Antrag, wie der volle Sitzungs-
                                     saal zeigte. Der Geheimplan enthält viele Hannelore Reiner
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Schwerpunkt: Die Zukunft der Hochschulen

                                                        Die Frage, was die Exzellenzinitiative bringt,
                                                     muss mit Blick auf das gesamte Hochschulsystem
                                                     beantwortet werden. Grundsätzlich ist es zu
                                                     begrüßen, dass der Staat zusätzliches Geld
                                                     für die Hochschulen zur Verfügung stellt. Doch
                                                     die Initiative fördert ausschließlich die Spitzen-
                                                     forschung an ausgewählten Institutionen. Die
                                                     breite Masse bleibt weiter unterausgestattet.
                                                     Die offensichtlichen Defizite im Bereich einer
                                                     qualitätsvollen Hochschullehre sollen nun privat
                                                     ausgeglichen werden – durch Studiengebühren.

                                                         Darüber hinaus vergrößert die Exzellenz-
                                                     initiative die regionalen Ungleichheiten: Starke
                                                     Regionen werden weiter gestärkt. In der ersten
                                                     Auswahlrunde waren süddeutsche Universitäten
                                                     deutlich überrepräsentiert. Hochschulen in den
                                                     östlichen Bundesländern gingen dagegen, abge-
 Die Bonner Uni bekommt im Rahmen der Exzellenz-     sehen von Dresden und Berlin, gänzlich leer aus.
 initiative Geld für ihre Graduiertenschule
                                                        Offen debattiert wird nun über die Ent-
                                                     wicklung von teuren Forschungs- und kosten-
                                                     günstigeren Lehruniversitäten. Die Auflösung der
und ein Zukunftskonzept schlägt mit rund             Einheit von Forschung und Lehre wird damit
21 Millionen Euro zu Buche. Summa summarum           offensichtlich in Kauf genommen. Anhalts-

                                                                                                          Foto: Jürgen Seidel
sind für die erste Förderperiode 873 Millionen       punkte für diese Differenzierung sind bereits klar
Euro veranschlagt.                                   erkennbar: Schon heute melden sich Sprecher der
                                                     nicht elitegeförderten „Gruppe der mittelgroßen
    Seit September 2006 läuft nun die zweite und     Universitäten“ in der Hochschulrektorenkonfe-
bis 2011 letzte Auswahlrunde. Diesmal hatten         renz (HRK) zu Wort. b                                   Die Fachhochschule in Köln
rund 70 Universitäten Antragsskizzen eingereicht,                                                            geht – wie die meisten anderen
die Hälfte kam in die engere Auswahl. Im Oktober                                                             Hochschulen – leer aus
sollen die Ergebnisse bekannt gegeben werden.

 München: Eine unternehmerische Atmosphäre
 Die TU München (TUM) hat es geschafft: In der       Forschungscluster zum Zukunftskonzept, wer-
 ersten Wettbewerbsrunde stieg sie zu einer von      den die gesamte Universität strukturell und
 drei Elite-Universitäten auf. In einem Interview    inhaltlich verändern. Es ist also gewiss nicht so,
 in den hauseigenen Mitteilungen antwortet           dass die Erfolgsprojekte gewissermaßen exemt
 Präsident Wolfgang A. Herrmann auf die Frage,       neben den bestehenden Lehr- und Forschungs-
 wie sich das wissenschaftliche Leben an seiner      strukturen entstehen. Im Gegenteil: Diese Er-
 Universität nun ändern wird, wie folgt:             folge sind die neuen Fixpunkte künftiger
                                                     Hochschulentwicklung... Wer dazu seinen per-
     „Die Exzellenzinitiative läutet eine neue Ära   sönlichen Beitrag nicht leistet, kann auch von
 des Wettbewerbs im deutschen Hochschul-             der Gemeinschaft nichts erwarten...“
 system ein. Der damit verbundene Bewusst-
 seinswandel wird auch erhebliche Verstärkungs-          Was nicht im Interview steht, aber der
 effekte auf die wettbewerbsfreundliche, unter-      Personalrat erfahren hat: Die Personalabtei-
 nehmerische Atmosphäre an unserer Universität       lungen der TUM-Standorte haben wegen der
 haben. Wir werden unsere erfolgreichen              vielen befristeten Neueinstellungen erheblichen
 Leistungsträger unbürokratisch und großzügig        Arbeitszuwachs erhalten. Auch die mit dem                                                7
 unterstützen, dürfen im Gegenzug aber auf           Immobilienmanagement Beschäftigten müssen
 deren besondere Loyalität im Sinne der Gesamt-      wegen der Unterbringung der Exzellenzcluster
 entwicklung unserer Universität setzen. Die         besonders viel schuften. b
 erfolgreichen Projekte, von der »TUM Graduate
 School of Science and Engineering« über die         Helga Tögel
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Schwerpunkt: Die Zukunft der Hochschulen

     Die Folgen der
     BAföG-Reform

                                                                                                                                              Foto: Jürgen Seidel
           In einer der jüngsten    VON JULIA MÜLLER
      Wellen bundesdeutscher                                                               63 Prozent der Studierenden jobben.
     Bildungseuphorie, die uns
       seit der Entdeckung der
     Wissensgesellschaft durch
                                    D    ie Bildungschancen der Töchter und Söhne
                                         des bemühten Arbeiters hat aber nicht nur
                                    der neoliberale Thinktank aus den Augen ver-
                                                                                           Doch das wird aufgrund von engen Studienplänen
                                                                                           immer schwieriger

       Regierung und Industrie      loren. Auch die Bundesregierung schafft mit
       überrollen, gipfelte eine    ihrer in diesen Wochen beratenen BAföG-Reform
        Anzeigenkampagne der        keine Abhilfe. Im Gegenteil, der vorgelegte          wird gegenüber denjenigen benachteiligt, die
         Initiative Neue soziale    Gesetzentwurf droht die Chancen auf ein Hoch-        ohne „Zeitverzögerung“ ins Master-Studium ein-
              Marktwirtschaft in    schulstudium für AbsolventInnen des zweiten          getreten sind. Wer also nicht in niedrigeren
      der Illustration des wohl     Bildungswegs ebenso zu verringern wie für            Entgeltgruppen des Bachelor bleiben und sich
     ältesten aller Stammtisch-     Studierende aus den unteren Einkommens-              mehr akademische Bildung aneignen will, muss
         gespräche zum Thema        schichten.                                           sich dieses in Zukunft leisten können. Eine struk-
          Studienfinanzierung.                                                           turelle Unterstützung dieser Biografien im Sinne
          Ein offensichtlich gut        Das dabei entstehende Gesamtbild der             einer zielgerichteten Bildungspolitik ist vom vor-
     verdienender Akademiker        Studienförderung scheint durchaus System zu          liegenden Gesetzentwurf nicht zu erwarten.
          sitzt auf dem Rücken      haben. Mit einem Anteil von rund 18 Prozent
            eines Arbeiters. Das    Geförderter trägt das BAföG schon heute in viel          Im Gegenteil, wer sich unmittelbar für den
            Problem: Die soziale    zu geringem Maße zur Chancengleichheit in der        zweiten Bildungsweg entscheidet und ein Kolleg
     Schieflage auf Kosten der      akademischen Ausbildung bei. Die gestiegenen         oder Abendgynmasium zum Erwerb der Hoch-
     „einfachen“ (oder einfach      finanziellen Belastungen für Studierende durch       schulreife besucht, ohne vorher gearbeitet zu
               bildungsärmeren)     Lebenshaltungskosten, neu erhobene Studien-          haben, konnte bisher mit einer elternunabhängi-
        Menschen. Die Lösung:       gebühren u.v.m. werden mit der Reform weder          gen BAföG-Förderung rechnen. So wurde für die-
      akademische Bildung als       durch Fördersätze noch durch Freibeträge in aus-     sen Weg der zügigen Weiterqualifizierung ein
         geldwerte Ware; jeder      reichendem Maße ausgeglichen. Der Bezug von          gezielter Anreiz geschaffen, der nun dem Rotstift
               kauft, was er sich   BAföG sichert also auch weiterhin nicht die          zum Opfer fallen könnte. Mit Verweis auf die
                    leisten kann.   Existenz der Studierenden und zwingt durch die       verschiedenen Wege des Erwerbs der Hochschul-
                                    gestiegenen Kosten der Ausbildung mehr denn          zugangsqualifikation sollen SchülerInnen mit
                                    je zum Jobben neben dem Studium. Da der deut-        mittlerer Reife oder Hauptschulabschluss nach
                                    lich erhöhte Workload bei Master- und Bachelor-      den Plänen des Ministeriums nun wieder auf die
                                    Studiengängen jedoch eine parallele Erwerbs-         finanziellen Möglichkeiten ihrer Eltern verwiesen
                                    tätigkeit stark einschränkt, steht der Nebenjob      werden, wenn sie das Abitur nachholen wollen.
                                    um so mehr im Konflikt zu einem erfolgreichen
                                    Studienverlauf.                                          Also besser erst mal arbeiten gehen und sich
                                                                                         später zum Studium qualifizieren – um dann bei
                                       Wer den nötigen finanziellen Hintergrund          zu geringem BAföG-Satz zu viel zu jobben, sich
                                    nicht von zu Hause mitbringt und sein Studium        nicht im nötigen Maß auf das Studium konzen-
                                    durch BAföG co-finanzieren will, wird in Zukunft     trieren zu können, die Studiengebühren nur
                                    noch mit weiteren Problemen konfrontiert wer-        schwer aufzubringen, die Familiengründung aus
                                    den. Soll die akademische Qualifikation nach         finanziellen Gründen rauszuschieben, kurz vor
                                    erfolgreichem Bachelor-Abschluss in einem nicht      dem Master-Abschluss aus Altersgründen die
                                    unmittelbar konsekutiven Master-Studiengang          Förderung zu verlieren und am Ende mit einem
                                    verbreitert werden, gilt dieser künftig nicht mehr   Schuldenberg in den neuen Beruf zu starten?
                                    als förderfähig im Sinne des BAföG. Hat die
                                    Studentin oder der Student das 31. Lebensjahr            Die Auswirkungen der mangelhaften staat-
8                                   überschritten, endet nach wie vor die Förderung.     lichen Bildungsfinanzierung auf Bildungsbetei-
                                    Wer also nach vorangegangener Berufsausbil-          ligung und Qualifikationsniveau sind für Demo-
                                    dung und erstem Hochschulabschluss in den            kratie und Volkswirtschaft gleichermaßen gravie-
                                    Beruf startet und nach ein oder zwei Jahren die –    rend. Die diskrete Selektion des deutschen
                                    im Vergleich zum Diplom verlängerte – höhere         Hochschulsystems wird mit dieser BAföG-Novelle
                                    akademische Qualifikation nachholen möchte,          jedoch keine Korrektur erfahren. b
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
Zukunft der Hochschulen

„Die Schere                                                                                                     Achim Meyer auf der Heyde

geht immer                                                                                                      ist Generalsekretär des
                                                                                                                Deutschen Studentenwerks.

                                                                                                 Foto: Privat
weiter auf“
   biwifo: Vor ein paar Monaten wurde die 18. Sozialerhebung       flächendeckendere Einführung des Numerus Clausus ist ebenfalls
veröffentlicht, die die Situation der Studierenden beleuchtet.     zentral.
Was erscheint Ihnen besonders auffällig?                               Zunehmend entscheiden sich Studienberechtigte aber auch
                                                                   für eine Ausbildung im dualen System. HIS befragt regelmäßig
   Achim Meyer auf der Heyde: Von 100 Akademikerkindern            Studienberechtigte ein halbes Jahr, nachdem sie die Schule
studieren 83. Bei Kindern von Nichtakademikern sind es nur 23.     verlassen haben. Demnach wählen vor allem die jungen Frauen
                                                                   zunehmend alternative Qualifizierungswege mit der Begrün-
   Ist das in den letzten Jahren krasser geworden?                 dung, dass ihnen die Finanzierungsperspektive zu unsicher ist.

    Ja, die Schere geht immer weiter auf. Anfang der achtziger         Im Herbst steht eine neue BAföG-Novelle an. Was erwarten
Jahre gab es noch eine etwas gleichmäßigere Verteilung über        Sie davon?
alle Herkunftsgruppen hinweg. Heute kommen 38 Prozent der
Studierenden aus der hohen Herkunftsgruppe, 1982 waren es              Erst wollte die Bundesregierung kein zusätzliches Geld bereit-
17 Prozent. Umgekehrt sieht es bei der niedrigsten Herkunfts-      stellen, nun hat sie immerhin eine Erhöhung der BAföG-Sätze
gruppe aus: Damals stellten sie noch 23 Prozent der Studieren-     in zwei Stufen angekündigt. Aus unserer Sicht kommt das aber
den, heute sind es 13 Prozent.                                     zum Wintersemester 2008/2009 viel zu spät, und die Erhöhung
                                                                   der Sätze um fünf Prozent reicht bei weitem nicht aus.
  Was sind dafür die entscheidenden Faktoren – und was kann
man dagegen tun?                                                      Was wäre denn angemessen?

   Zum einen gliedert unser Schulsystem Bildungsferne schon            Der Beirat für Ausbildungsförderung hat Ende vergangenen
früh aus. Das ist nur langfristig zu beeinflussen durch Verände-   Jahres die Zahlen addiert, die die Bundesregierung selbst
rungen im Elementar- und Schulbereich.                             in ihren letzten drei Berichten für erforderlich gehalten hat.
   Die Finanzierung ist der andere wichtige Faktor. Das zeigt      Demnach müssten die Bedarfssätze um 10,3 und die Frei-
auch die BAföG-Reform von 2001. Danach verzeichneten wir           beträge um 8,7 Prozent erhöht werden. Wir fordern eine
zunächst einen sehr starken Anstieg der Geförderten. Die Bot-      Erhöhung in mindestens dieser Größenordnung, obwohl das
schaft ist damit klar: Nicht nur die Bedarfssätze müssten auf-     auch nicht reicht. Denn Stand der Berechnung war Ende
gestockt werden. Vor allem geht es auch um höhere Freibeträge,     2006 und die Lebenshaltungskosten steigen ja weiter.
um den Kreis der Förderberechtigten auszuweiten oder auch
nur zu halten.                                                        Man kann ja auch jobben, um zumindest einen Teil seines
                                                                   Lebensunterhalts zu verdienen.
   Wieso drohen denn bisher Berechtigte rauszufallen?
                                                                      Wenn durch die neue Studienstrukturreform eine stärkere
   Die Freibeträge beziehen sich auf das Elterneinkommen. Die      Präsenz geboten ist, dann wird es immer schwerer, nebenher zu
deutlichen Tariferhöhungen zum Beispiel im Metallbereich wer-      jobben. Oft müssen die Studierenden heute bis zum über-
den dazu führen, dass vorher förderberechtigte Kinder entweder     nächsten Semester warten, bis ein Kurs erneut angeboten wird.
kein BAföG mehr bekommen oder niedrigere Sätze. Wir machen         Das wirkt sich leicht studienverlängernd aus.
auch die Erfahrung, dass viele Eltern mit ihrem Einkommen knapp
über der Förderhöchstgrenze liegen, aber nicht genug verdie-          Was bedeutet das alles für die Studentenwerke?
nen, um ihren Kindern das Studium zu finanzieren. Das führt
dann nicht selten dazu, die Berufswahl der Kinder nachhaltig zu       Für viele Studierende nimmt der Druck zu: Schaffe ich das
beeinflussen.                                                      Studium, schaffe ich die Finanzierung? Das zeigt sich auch in
                                                                   einer wesentlich höheren Inanspruchnahme unserer Beratungs-
   Wie erklären Sie den aktuellen Rückgang der Studien-            einrichtungen. Neben der Studienfinanzierung geht es dabei
anfängerzahlen?                                                    immer häufiger auch um Sresssymptome wie Prüfungsangst                   9
                                                                   oder Burnout-Syndrom. b
   Das hat sicher auch mit den ab Wintersemester 2006/2007
eingeführten Gebühren zu tun – aber sie sind nicht der einzige
Faktor. Die künstliche Verknappung der Kapazitäten durch eine      Interview: Annette Jensen
Die Wissensgesellschaft am Scheideweg - Netzwerk Weiterbildung
PLÄNE DER POLITIK

     W Frankfurt a. M.
     soll Stiftungsuniversität
     werden
          Im Juni legte die Hessische
                                          Kooperieren auf allen
     CDU-Regierung dem Landtag
     einen Gesetzentwurf vor, mit
     dem die Universität Frankfurt a.
                                          Ebenen erwünscht
     M. in eine Stiftungsuniversität
     umgewandelt werden soll.             Per aspera ad astra – vor den Erfolg haben             Arbeitsverhältnisse, Mitbestimmungsrechte und
     Die Novelle soll im kommenden        die Götter den Schweiß gesetzt*. Um die                Weiterbildungsmöglichkeiten, um den Campus
     Herbst beschlossen werden.           Position des Kritisierens und Forderns zu              als betrieblichen Ausbildungsort und um alter-
     Zwar sieht der Gesetzentwurf         überwinden und praktisch etwas zu er-                  native Zugänge zum Studium.
     die Einrichtung der Stiftungs-       reichen, bedarf es zunächst gemeinsamer                     Als roter Faden durch die Tagung zog sich der
     universität auf öffentlich-recht-    Diskussionen und Untersuchungen – eben                 weitverbreitete Wunsch, sich untereinander enger
     licher Grundlage vor, doch sind      Anstrengungen. Genau darum geht es                     zu vernetzen. Dies bezog sich nicht allein auf
     damit verbundene Privatisie-         beim Campus-Projekt unseres Fachbereichs.              arbeitsgleiche Institutionen, sondern mindestens
     rungstendenzen unübersehbar.         Im Zentrum stehen Fragen zu Studium,                   in gleichem Maße auf die interdisziplinäre Zu-
     Der von der Universitätsleitung      Arbeitsbedingungen und Finanzierung in                 sammenarbeit.
     geplante hauseigene Tarifvertrag     den Hochschulen, Forschungseinrichtungen                    Viele neue Ideen wurden geboren und prakti-
     ist nur ein Beleg dafür.             und Studentenwerken. Auf der Grundlage                 sche Kooperationen vereinbart. So beschlossen
     Außerdem will der Unipräsident       dieser Erkenntnisse wollen wir dann                    VertreterInnen der Universitäten und Studenten-
     wichtige Entwicklungs- und           tätig werden.                                          werke aus Berlin, Greifswald, Hamburg, Mainz,
     Gestaltungsentscheidungen an                                                                Potsdam, Tübingen und Würzburg, bei den
     einen externen Hochschulrat          VON MAYA SCHWIEGERSHAUSEN                              Themenfeldern Familienfreundlichkeit und Ge-
     auslagern, dessen Mitglieder                                                                sundheitsmanagement zusammenzuarbeiten und
     weder in die landes- noch uni-
     versitätspolitische Legitimations-
     kette eingebunden sind.
                                          A    m 12. und 13. Juni trafen sich Bildungs-
                                               expertInnen aus der gesamten Republik bei
                                          ver.di in Berlin. 140 Aktive organisierten sich zwei
                                                                                                 dadurch effizienter zu werden. Auch zur Preka-
                                                                                                 risierung im akademischen Mittelbau gibt es ein
                                                                                                 konkretes Projekt (siehe Kasten). Andere Teilneh-
                                          Tage lang in 13 verschiedenen Arbeitsgruppen,          merInnen wollen auf Landesebene kooperieren.
     W Bundesregierung macht              diskutierten bildungsrelevante Themen und kre-              Der Fachbereich wird sich nach Kräften be-
     Geld für Forschung locker            ierten somit eine umfassende Liste von wün-            mühen, die vielfältigen Anstrengungen vor Ort
         Die „Nationale Qualifizie-       schenswerten, aber auch notwendigen Eigen-             zu unterstützen. Vernetzung, aber auch Selbst-
     rungsoffensive“ der Bundes-          schaften eines CAMPUS DER ZUKUNFT. Hierbei             initiative sind gefordert. b
     regierung sieht vor, massiv Geld     ging es nicht ausschließlich um das Thema
     zur Verfügung zu stellen für         Studium, sondern getreu unserer Vorstellung von        http://campus-der-zukunft.verdi.de
     Forschungsprojekte in den            einem umfassenden Campusbegriff auch um                * sinngemäße Übersetzung; wortwörtlich: „Durch das Rauhe zu den Sternen“

     Bereichen Klima und Energie
     sowie zur Behandlung von
     Krebs und Alzheimer. Erklärtes        Akademischer Mittelbau zwischen Karriere und Ausstieg
     Ziel ist es, bis 2010 drei Prozent
     vom Bruttoinlandsprodukt                  Wer sich zur Lage des wissenschaftlichen              Es geht dabei um mehr als um die „subjekti-
     (BIP) für Forschung und Ent-          Nachwuchses an den deutschen Hochschulen              ve Betroffenheit“ einer spezifischen Gruppe:
     wicklung auszugeben, so wie           umhört, sieht sich immer wieder mit folgenden         Schlechte Arbeitsbedingungen des wissen-
     es die Lissabonstrategie der          Behauptungen konfrontiert: Viele brechen ihre         schaftlichen Nachwuchses und Missstände bei
     EU-Staats- und Regierungschefs        bereits begonnene Doktorarbeit ab, die                seiner Förderung können zu einem Ausstieg
     vorsieht. Das bedeutet eine           Promotionszeiten sind überlang und die Be-            der „fähigsten Köpfe“ aus dem Wissenschafts-
     Steigerung der Mittel von             treuung der DoktorandInnen ist unzureichend           system führen. Damit wird die wichtigste Res-
     55,7 Milliarden Euro (2005) auf       oder sogar gar nicht gegeben. Zugleich soll der       source in der Wissensgesellschaft verschleudert.
     79 Milliarden Euro. Derzeit           wissenschaftliche Mittelbau unter einer hohen             Im Auftrage von ver.di werden Dieter Grühn
     geben Bund, Länder und                Arbeitsbelastung leiden und umfangreich unbe-         und Heidemarie Hecht von der FU Berlin und
     Wirtschaft offiziell 2,5 Prozent      zahlte Mehrarbeit leisten, so dass die eigene         Jürgen Rubelt von der TU Berlin Betroffene fra-
     des BIP für Forschung und             wissenschaftliche Arbeit vernachlässigt werden        gen, wie ihre Arbeits- und Qualifikationsbedin-
     Entwicklung aus.                      muss. Auch von problematischen Kommuni-               gungen tatsächlich aussehen und welche
10                                         kationsstrukturen in den Fachbereichen und            Vorschläge zur Verbesserung ihrer Situation sie
                                           Fakultäten ist immer wieder die Rede. Schließ-        haben. Ziel ist also nicht nur eine Zustands-
                                           lich werden auch mangelnde Möglichkeiten zur          beschreibung, sondern ebenso ein handlungs-
                                           Weiterqualifikation, fehlende Unterstützung für       orientierter Katalog von Gegenmaßnahmen. b
                                           die Kompetenzentwicklung und unsichere
                                           Karriereaussichten beklagt.                           Dr. Dieter Grühn
K U R Z       N O T I E R T

                                                                                                                              W Fachhochschule
                                                                                                                              erhöht Tutorenvergütung
                                                                                                                                  Der Senat der Fachhoch-
                                                                                                                              schule Frankfurt am Main hat
                                                                                                                              eine Erhöhung des Vergütungs-
Karikatur: Alff

                                                                                                                              satzes für Tutorien auf 7,50 Euro
                                                                                                                              pro Stunde beschlossen. Bisher
                                                                                                                              verdienten die Studierenden
                                                                                                                              nur 5,58 Euro pro Stunde. Die

              Akkreditierung: Von                                                                                             Abstimmung des zehnköpfigen
                                                                                                                              Gremiums erfolgte einstimmig.
                                                                                                                              In Berlin beträgt der Stundensatz

              Programmen zu Systemen                                                                                          10,98 Euro.

                                                                                                                              W Schulung
                                                                                                                              für Students@work-
                  Erst acht Jahre ist es her, seit mit den              „zu teuer“ kritisiert. Ein schlankeres Verfahren      BeraterInnen
                  neuen Bachelor- und Masterstudiengängen               sollte her, welches sich auf die Überprüfung der          Hab ich in meinem Nebenjob
                  ein neues System der Qualitätssicherung               hochschulinternen Qualitätssicherungssysteme          eigentlich ein Recht auf bezahl-
                  von Studiengängen eingeführt wurde. Im                beschränkt. Erste Modellprojekte zeigen aller-        ten Urlaub? Und wie viel darf
                  Rahmen der „Programmakkreditierung“                   dings, dass der Aufbau dieser Systeme ebenso          ich z.B. als BAföG-Empfängerin
                  sollte die fachlich-inhaltliche Qualität jedes        aufwändig und teuer ist wie das bisherige Ver-        verdienen? Diese und andere
                  einzelnen Studiengangs durch externe                  fahren. Wenn die Verantwortung für Studien-           Fragen versucht das DGB Projekt
                  GutachterInnen überprüft werden. Ob das               gänge in die einzelnen Hochschulen abgegeben          „students@work“ für Studenten
                  eine gute Idee war, um den Studienreform-             wird, besteht außerdem die Gefahr, dass die           objektiv und dabei im besten
                  stau an den deutschen Hochschulen auf-                Vergleichbarkeit von Studienleistungen endgültig      Sinne parteiisch zu beantworten.
                  zulösen, war von Anfang an umstritten.                unter die Räder kommt. Ein Wechsel von einer          Vom 28. bis 30. September 2007
                  Bevor das neue Verfahren überhaupt                    deutschen Hochschule zur nächsten könnte da-          findet dazu in Frankfurt a. M.
                  flächendeckend Einzug gehalten hat,                   mit zum Abenteuer werden – ein Anachronismus          ein Seminar statt.
                  hoben die KultusministerInnen nun bereits             vor dem Hintergrund der Debatten um europa-           Anmeldung unter
                  die nächste Begutachtungsmethode aus                  weite Mobilität.                                      Frankfurt-Main@dgb.de
                  der Taufe: Die „Systemakkreditierung“
                  soll statt einzelnen Studiengängen ganze                 Die Systemakkreditierung stellt mit ihrer          W Debatte über Bachelor
                  Hochschulen in den Blick nehmen. Schon                Forderung nach (Qualitäts-)Managementstruk-           in der Weiterbildung
                  vor ihrer Einführung erregt sie Kritik.               turen in den Hochschulen sowohl die Mit-                  Im bayerischen Landes-
                                                                        bestimmung der Personalräte als auch die              ausschuss für Berufsbildung
                  VON SONJA STAACK UND ULF BANSCHERUS                   Akademische Selbstverwaltung grundsätzlich in         wird eine Debatte geführt, die
                                                                        Frage. Es liegt an uns, deutlich zu machen, dass      bundesweite Auswirkungen

                  Z   iel der Programmakkreditierung war es, den
                      Hochschulen mehr Freiraum für innovative
                  Studienkonzepte zu geben – so jedenfalls laute-
                                                                        Qualität nur mit den Beschäftigten zu haben ist –
                                                                        nicht gegen sie. Sie müssen deshalb genau wie
                                                                        die Studierenden auf allen Ebenen beteiligt wer-
                                                                                                                              haben könnte. Es geht um die
                                                                                                                              Frage, ob in der beruflichen
                                                                                                                              Weiterbildung auch der Titel
                  ten die politischen Absichtserklärungen. Die          den und dürfen sich nicht von „Management-            Bachelor vergeben werden darf.
                  Verantwortung für die Durchführung bekamen            expertInnen“ verdrängen lassen.                       Unser Fachbereich ist dagegen,
                  privatrechtliche Agenturen übertragen, um die                                                               die IG Metall spricht sich bei
                  „Staatsferne“ des neuen Systems zu unterstrei-            Ein Gutes hat die Debatte immerhin: Studien-      entsprechenden Qualitäts-
                  chen. „Modern“ fanden das die ArbeitgeberIn-          reform wird endlich auch als Hochschulreform          standards dafür aus.
                  nen. „Undemokratisch!“ wetterten die Studie-          gedacht. Der Lernort Hochschule muss in diesem
                  rendenvertretungen. Zwar wurden zunehmend             Rahmen mit dem Arbeitsplatz Hochschule in             W Diskutieren Sie mit!
                  auch Studierende und VertreterInnen der Berufs-       Zusammenhang gebracht werden. Hierzu können               Aus 158 Ländern kommen
                  praxis an den Akkreditierungsverfahren beteiligt,     gerade die Gewerkschaften einen wichtigen             unsere Mitglieder. Nun kommt
                  doch die Debatten beschränkten sich weitgehend        Beitrag leisten, weil sie gleichermaßen Arbeit-       es darauf an, in ver.di den
                  auf die eher technische Umsetzung von Modul-          nehmerInnen und Studierende organisieren.             Prozess der interkulturellen
                  und Kreditpunktsystemen. Die inhaltliche Studien-     Unser Leitbild sollte eine Hochschulstruktur sein,    Öffnung voranzutreiben. Alle
                  reform blieb auf der Strecke. Konzepte jenseits des   die für Lehrende, Angestellte in der Prüfungs-        ver.di-Mitglieder sind ein-         11
                  Mainstream wurden allzu oft mit den Worten ab-        verwaltung und Studierende gleichermaßen moti-        geladen, sich an der Diskussion
                  gewürgt: „Das kriegen wir eh nicht akkreditiert.“     vierend ist. Schließlich sind ein gutes Studium und   zu beteiligen!
                                                                        gute Arbeitsbedingungen keine Gegensätze,             Schicken Sie ihre Vorschläge an
                     In den letzten Jahren wurde die Programm-          sondern zwei Seiten derselben Medaille. b             migration@verdi.de
                  akkreditierung verstärkt als „zu aufwändig“ und
Weiterbildung

     A U S        D E R        E U

     W Der Trend geht überall
     in Richtung Wettbewerb
         Im Auftrag der Europäischen
     Kommission wurden 32 Staaten
                                        Netze knüpfen
     daraufhin untersucht, wie sich
     zwischen 1995–2005 sowohl
     die staatliche als auch die
                                        gegen
                                        Dumping
     hochschulinterne Steuerung
     verändert hat. „Der Trend geht
     überall in Richtung von mehr
     Wettbewerb, Umbau der
     Hochschulen zu arbeitsteiligen
     Organisationen mit einem
     gestärkten Top-Management,         Zwar beeinflussen öffentliche Auftrag-
     Konzentration des Staates auf      geber die Weiterbildungsbranche maß-
     die strategische Steuerung         geblich. Doch der Tarifvertrag des Öffent-
     bei zunehmender operativer         lichen Dienstes wirkt hier schon lange
     Freiheit der Hochschulen,          nicht mehr strukturierend. Nur einzelne
     Umstellung auf eine leistungs-     Unternehmen wenden ihn noch an,
     orientierte Mittelverteilung und   in der Fläche aber sind die Arbeits- und
     eine wachsende Bedeutung der       Entlohnungsbedingungen weit davon
     Qualitätssicherung als zentra-     entfernt. Manche großen und mittleren                 bei 1.300 bis 1.600 Euro. Michael K. ist kein
     lem Steuerungsmechanismus.         Träger haben immerhin noch Haustarif-                 Einzelfall.
     Bei der Umsetzung gibt es          verträge mit Mantel- und Entgeltbe-
     hingegen noch erhebliche           stimmungen. In vielen Betrieben aber                      Mitte 2005 führten Vertreter von ver.di, GEW
     Schwierigkeiten.“ So fasst der     wird einzelvertraglich geregelt, was der              und des Arbeitgeberverbandes BBB darüber
     Informationsdienst Wissenschaft    „Markt“ hergibt. Das will ver.di ändern.              Gespräche mit der Bundesagentur für Arbeit. Ziel
     die Ergebnisse einer inter-                                                              war es, im Rahmen des Vergaberechts Rege-
     nationalen Vergleichsstudie        VON ULRICH KREUTZBERG                                 lungen zu finden, die den Billigwettbewerb been-
     zusammen, an der auch das                                                                den. Doch die Bundesagentur stellte sich stur und
     von der Bertelsmann-Stiftung
     unterstützte Centrum für
     Hochschulentwicklung (CHE)
                                        M     ichael K. aus Sachsen-Anhalt arbeitet seit
                                              zehn Jahren in der Berufsvorbereitung.
                                        Angefangen hat er bei einem mittelständischen
                                                                                              so scheiterte der Versuch. Um weiteres Lohn-
                                                                                              dumping zu verhindern, blieb den Gewerk-
                                                                                              schaften nun nur noch der Versuch, einen
     beteiligt war.                     Bildungsträger; der war tarifgebunden und zahlte      Flächentarifvertrag durchzusetzen.
                                        Ausbildern monatlich 2.022 Euro. Vor drei Jahren
     W Austauschprogramm                gab es dann einen Notlagentarifvertrag; Michael            Im Februar 2007 wurde der „Mindestlohn-
     für Studenten                      K. bekam 100 Euro weniger. Seinen Arbeitsplatz        tarifvertrag Weiterbildung“ abgeschlossen. Un-
         Europäische Hochschulen        verlor er 2005 trotzdem, nachdem der Träger sich      terschrieben ist er von ver.di und GEW einerseits
     sollen für Studierende weltweit    erfolglos an einer Ausschreibung der Bundes-          und dem Arbeitgeberverband BBB andererseits.
     an Attraktivität gewinnen. Dies    agentur für Arbeit beteiligt hatte. Michael K. heu-   Mit einer 39-Stunden-Woche, 30 Tagen Urlaub
     ist das Ziel des von der EU-       erte beim Gewinner an – und verdiente für die         und einem Einstiegsgehalt für pädagogisches
     Kommission angenommenen            gleiche Arbeit wie vorher nur noch 1.650 Euro.        Personal von 2.076 € (West) und 1.848 € (Ost)
     Programms Erasmus Mundus II.       Zwei Jahre später war auch hier Schluss. Nun          will er bestehende Standards sichern. Allerdings
     Das Programm fördert die           bekommt er nur noch 1.250 Euro im Monat.              tritt der Vertrag erst in Kraft, wenn er für all-
     Zusammenarbeit zwischen            Sein inzwischen dritter Arbeitgeber ist ein           gemeinverbindlich erklärt ist.
     europäischen Hochschulen und       Unternehmen aus Niedersachsen, das in Sachsen-
     Hochschulen aus Drittstaaten.      Anhalt mit Billigangeboten Aufträge der Bundes-           Der Koalitionsausschuss von SPD und CDU hat
     Zwischen 2009 und 2013 wer-        agentur für Arbeit abgreift.                          dafür Mitte Juni zwei neue Wege ermöglicht.
     den rund 950 Millionen Euro                                                              Zum einen ist das Arbeitnehmerentsendegesetz
     zur Verfügung gestellt. Damit          Starke Preiseinbrüche in der Branche gab es       bis zum 31.03.2008 für weitere Branchen ge-
     sollen Studierenden aus Europa     insbesondere nach den Hartz-Gesetzen, weil die        öffnet. Zum anderen will die Regierung das
     und aus Drittstaaten Stipendien    Bundesagentur für Arbeit seither Trainings- und       Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen von
     für einen Auslandsstudien-         Jugendmaßnahmen bundesweit ausschreibt. Da            1952 novellieren. Welchen Weg die Weiter-
12   aufenthalt gewährt werden.         55 bis 75% der Kosten bei Weiterbildungsträgern       bildungsbranche geht, müssen die Tarifparteien
                                        für Personal zu veranschlagen sind, schlägt der       gemeinsam entscheiden. In jedem Fall braucht
                                        Dumpingwettbewerb fast unmittelbar auf die            es politische Unterstützung – und die muss auch
                                        Entlohnung durch. In den alten Bundesländern          von den Belegschaften der Weiterbildungs-
                                        liegen die Einstiegsgehälter nun oft bei 1.500        träger kommen. Im Herbst starten entsprechende
                                        bis 1.800 Euro, in den neuen Bundesländern            Aktionen. b
Das gute Beispiel

                                                                                                                                S   E   M    I   N   A    R   E
                                                                                                                                  Renaissance der
                                                                                                                                  Aus- und Weiterbildung?

                                                                             Gemeinsam                                              Nach einem Überblick über
                                                                                                                                die Arbeitsmarktentwicklung
                                                                                                                                und der Darstellung alternativer

                                                                             finden                                             Qualifizierungswege zur Be-
                                                                                                                                schäftigungsfähigkeit werden
                                                                                                                                die Perspektiven der SGB ge-

                                                                             wir Gehör
                                                                                                                                förderten Aus- und beruflichen
                                                                                                                                Weiterbildung mit Vertretern
                        250 reisten zur Demo vor der Bundesagentur                                                              der Politik und der Arbeitsver-
                        für Arbeit in Düsseldorf                                                                                waltung diskutiert. Das Seminar
                                                                                                                                richtet sich an Betriebsräte
Fotos: Martin Hofmann

                                                                                                                                und Vertretungen von Bildungs-
                        In Nordrhein-Westfalen wächst der Wider-             Die Betriebsräte eint eine gemeinsame              trägern, Berufsbildungs- und
                        stand. Betriebsräte aus Weiterbildungs-              Problemanalyse:                                    Berufsförderungswerken.
                        unternehmen kämpfen gemeinsam mit                    • Bildungsunternehmen können nicht mehr in         Fachtagung
                        ver.di gegen die zunehmende Zerstörung                 hochwertiges Equipment investieren.              am 07.11. 2007 in Berlin
                        der Weiterbildungsstrukturen.                        • Das Know-how der Beschäftigten bleibt hinter
                        „Bildung darf keine Ware werden!“ lautet               den Entwicklungen der Wirtschaft und der          Mitbestimmung im
                        das Motto.                                             Wissenschaft zurück, da BA-Maßnahmen              Hochschulbereich
                                                                               z.B. kein Hightech-Wissen mehr erfordern.            Das neue Verhältnis zwi-
                        VON UWE MEYERINGH                                    • Qualifiziertes Personal wechselt öfters in       schen Staat und Hochschulen
                                                                               Wirtschaftszweige, die mehr Sicherheit,          und die unterschiedliche

                        S   eit 2002 hat die Bundesagentur für Arbeit (BA)
                            die Förderung der beruflichen Weiterbildung
                        drastisch reduziert. Aufgrund der Hartz-Gesetze
                                                                               Perspektive und Bezahlung bieten.
                                                                             • Der Rest ist einem nie da gewesenen
                                                                               Lohndumping, einer Arbeitsverdichtung und
                                                                                                                                Situation in den Bundesländer
                                                                                                                                machen eine Analyse der Hand-
                                                                                                                                lungsgrundlagen von Personal-
                        wird Weiterbildung nur noch bewilligt, wenn sie        starken Unsicherheiten über die eigene           vertretungen notwendig.
                        unmittelbar in Arbeit führt. Der durchschnittliche     Zukunft ausgesetzt.                              Seminar vom 12.11. bis
                        Teilnehmerbestand sank von 339.918 im Jahr                                                              14.11. 2007 in Berlin
                        2002 auf 118.778 in 2006. Das ist ein Rückgang           Dem Netzwerk geht es in erster Linie darum,
                        von 65 Prozent. Zugleich erstattete die BA im        die Weiterbildung als Teil der Daseinsvorsorge      Berufseinstieg
                        vergangenen Jahr dem Bundeshaushalt zwei             zu erhalten. Monika Greve vom Betriebsrat des       Wissenschaft
                        Milliarden Euro an Weiterbildungsmitteln. Beides     Vereins BAJ in Bielefeld formuliert deshalb:           Durch Klärung der Rahmen-
                        widerspricht eklatant allen Anforderungen an         „Bundesregierung und BA müssen ihr monopolis-      bedingungen ebenso wie durch
                        lebensbegleitendes Lernen und verbaut zahlrei-       tisches Lohndumping unterlassen und die            Reflexion der eigenen Situation
                        chen Menschen Beschäftigungschancen.                 Weichen für eine funktionierende Weiterbildung     beschäftigen sich Studierende
                                                                             der Zukunft stellen.                               und AbsolventInnen der Geistes-
                            Zugleich geht die enorme Verknappung der             Das Netzwerk hat diese Forderungen in die      und Sozialwissenschaften mit
                        Ressourcen und die Vergabe der Maßnahmen an          Öffentlichkeit getragen. Über Monate wurde eine    ihrer beruflichen Zukunft und
                        die preiswertesten Anbieter an die Substanz der      gemeinsame Kundgebung vor der Regional-            der Frage, ob sie in die Wissen-
                        Bildungsunternehmen und ihrer Beschäftigten.         direktion NRW der BA in Düsseldorf vorbereitet.    schaft gehen wollen.
                            Deshalb haben sich Betriebsräte aus 12 NRW-      Diese Veranstaltung am 31. Mai 2007 war mit        Seminar vom 16.11. bis
                        Bildungsunternehmen, die ca. 2.000 Beschäftigte      250 DemonstrantInnen ein voller Erfolg. Monika     18.11. 2007 in Saalfeld
                        vertreten, nach den Betriebsratswahlen im            Greve: „Jede Teilnehmerin und jeder Teilnehmer
                        Sommer 2006 innerhalb von ver.di vernetzt. Sie       hat es gefühlt: Du stehst nicht alleine und wenn     Information als
                        skandalisieren den Verlust von Weiterbildungs-       wir unsere Stimme gemeinsam erheben, finden          gesellschaftliche Frage
                        chancen und -qualität und wollen die Unter-          wir Gehör!“                                            Der Kurs richtet sich an
                        bietungskonkurrenz zu Lasten der Beschäftigten           Die Geschäftsführerin der Regionaldirektion    Beschäftigte aus wissenschaft-
                        durchbrechen.                                        NRW der BA, Christiane Schönefeld, erklärte auf    lichen und öffentlichen Biblio-
                                                                             der Kundgebung, dass sie die Sorgen um die         theken, Dokumentare, Archivare
                            „Viele Bildungsträger sind pleite gegangen.      Qualität der Bildung und die Arbeitsplätze der     sowie Fachangestellte für Infor-
                        Die Anzahl der Arbeitsplätze wurde mehr als          Beschäftigten sehr ernst nimmt. Sie bot an, in     mationsdienste. Thematisiert
                        halbiert“, bilanziert Helmuth Kramer, Gesamtbe-      einen Dialog einzutreten. Das Netzwerk will        werden soll der Einsatz und
                        triebsratsvorsitzender des Berufsfortbildungswerks   diesen Vorschlag annehmen. Vor allem über den      Gebrauch moderner Kommuni-         13
                        (bfw) des DGB. Er unterstützt das Netzwerk. „Das     neuen Prüfdienst für die Qualität der Arbeits-     kations- und Bildungsmittel
                        Bildungsunternehmen und die dort Beschäftigten       marktdienstleistungen sowie die Preisentwicklung   und die gesellschaftspolitische
                        vegetieren mehr schlecht als recht vor sich hin.     will man ins Gespräch kommen. Ein weiterer         Bedeutung.
                        Nur gemeinsames Handeln kann zu besseren             Schwerpunkt wird der Branchentarifvertrag          Seminar vom 19.11. bis
                        Rahmenbedingungen führen,“ so Kramer.                Weiterbildung sein. b                              21.11. 2007 in Saalfeld
                                                                                                                                Weitere Informationen:
                                                                                                                                Karin.Vollmar@verdi.de
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