Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
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1 Inhaltsverzeichnis 1. Digitale medizintechnische Innovationen vorantreiben 2 2. Beispiele aus der Förderung 6 2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2.2 Tumorerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2.3 Neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 2.4 Psychische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 2.5 Erkrankungen der Sinnesorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 2.6 Erkrankungen des Bewegungsapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 3. Der Weg in die Förderung 44 4. Anhang 48 Geförderte Projekte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
Digitale meDizintechnische innovationen vorantreiben 3 1. Digitale medizintechnische Innovationen vorantreiben Die zunehmende Digitalisierung des gesellschaftlichen dabei Innovationen aus den Entwicklungsabteilungen Lebens verändert die Anforderungen an eine moderne der vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die Gesundheitsversorgung und bietet zugleich Chancen die deutsche Medizintechnik-Branche prägen und die für ein effizienteres Gesundheitssystem. Dieses Poten- sich vielfach als wichtige Spieler im globalen Markt zial gilt es in Deutschland noch stärker zu nutzen. Mit etabliert haben. seiner Medizintechnik-Förderung gestaltet das Bun- desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Bei Neuentwicklungen steht nun die Digitalisierung Digitalisierung der Gesundheitsversorgung aktiv mit. immer häufiger im Fokus. So werden die Hardware- Komponenten vieler Medizinprodukte oder medizin- technischer Geräte vermehrt durch Software ergänzt Für viele Menschen mag die digitale Gesundheits- und untereinander digital vernetzt. Künstliche versorgung noch nach Zukunftsmusik klingen, doch Intelligenz (KI) wird genutzt, um lernende Algorith- fest steht: Neue medizintechnische Lösungen, die den men zu entwickeln, die aus den eingespeisten Daten rasanten Fortschritt der Informationstechnologie Analysen verschiedenster Art hervorbringen – für nutzen, sind immer mehr auf dem Vormarsch. Diese diagnostische oder therapeutische Zwecke in der Entwicklung folgt einem Trend, der bereits vielfach Gesundheitsversorgung. Ob als medizinische App, als unseren ganz normalen Alltag prägt. Viele Menschen IT-gestützte Diagnostik, Prothesen aus dem 3D-Druck nutzen Fitness-Tracker, Smartwatches oder Gesund- oder computerassistierte OP-Roboter – die Anwen- heitsapps, die Körper- und Fitnessdaten dokumentie- dungsgebiete sind vielfältig und das volle Potenzial ren, an die Einnahme von Medikamenten erinnern noch längst nicht ausgeschöpft. An vielen Entwick- oder als elektronische Tagebücher dem Kalorien- lungen wird derzeit geforscht und manches steckt zählen dienen. Inzwischen sind innovative digitale auch noch in den Kinderschuhen. Klar ist jedoch: Als Ansätze auch in der Medizintechnik verstärkt auf der zentraler Innovationstreiber wird die Digitalisierung Agenda. die Gesundheitsversorgung maßgeblich verändern. Effizienz im Gesundheitssystem verbessern „ Die Digitalisierung wird die Gesundheitsversorgung Ein Ziel zahlreicher Innovationsanstrengungen ist es, die Effizienz des Gesundheitssystems mit Blick auf eine bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen und Patienten noch weiter voranzutreiben. Die Digi- maßgeblich verändern. “ Digitale Entwicklungen können die Errungenschaf- talisierung ist hierbei ein entscheidender Baustein. Sie ten aus Informationstechnologie und Medizintechnik kann dazu beitragen, das bereits existierende, quali- gezielt zusammenführen. Sie besitzen das große Po- tativ hochwertige Gesundheitssystem der Bundesre- tenzial, die Gesundheitsversorgung effizienter zu ge- publik Deutschland noch weiter zu verbessern. Schon stalten und Diagnostik sowie Therapien entscheidend heute bieten eine gut ausgebaute Infrastruktur an zu verbessern. Zukünftig sollen schnellere, präzisere stationären und ambulanten Versorgungszentren, ein und schonendere Verfahren zur Verfügung stehen, breites Netz an Universitätskliniken, hoch qualifi- die zur Lebensrettung, Behandlung und Heilung von ziertes medizinisches Fachpersonal sowie zahlreiche Patientinnen und Patienten dienen oder die Lebens- Rehabilitations- und Pflegeinrichtungen Patientin- qualität Betroffener sowie ihrer Angehörigen erhö- nen und Patienten im Krankheitsfall ein etabliertes hen. Darüber hinaus kommt es zunehmend darauf an, Versorgungsnetz. Darüber hinaus kann Deutschland verschiedene bisher getrennt voneinander arbeitende auf die hohe Innovationskraft der hiesigen Gesund- Produkte und Geräte zu vernetzen, Datenströme zu heitswirtschaft setzen. Eine große Bedeutung spielen verbinden und Patientendaten kontinuierlich zu erhe-
4 Digitalisierung in Der meDizintechnik ben sowie eine datenschutzgerechte Speicherung und die Behandlungen zu verbessern, individualisierter zu effiziente Analyse zu ermöglichen. Vor diesem Hin- gestalten sowie schneller und schonender durchzu- tergrund entwickeln Medizintechnik-Unternehmen führen. Chirurgische Instrumente werden beispiels- verstärkt Systemlösungen, die verschiedene Produkte weise durch Sensoren und Software zunehmend intel- und Dienstleistungen gebündelt anbieten. ligenter: Skalpelle erkennen ihre Position im Körper und können die Operateure rechtzeitig warnen, bevor gesundes Gewebe gefährdet ist. Langfristig sehen Von digitaler Diagnostik Experten auch ein großes Anwendungspotenzial von zur digitalen Therapie Digitalisierung darin, Mediziner bei der Auswahl der richtigen Behandlung zu unterstützen oder ein thera- piebegleitendes Monitoring zu ermöglichen. Auf Basis dieser Entwicklungen werden neue digitale medizintechnische Lösungen die Gesundheitsversor- Doch die Medizintechnik eröffnet noch sehr viel gung nachhaltig verbessern. Schon heute hat sich die mehr Anwendungsfelder digitaler Lösungen. Intelli- Digitalisierung über die Versorgungsstufen hinweg gente Implantate, Orthesen und Prothesen, die Akto- – von der Prävention und Diagnose über die Therapie rik, Sensorik und Signalverarbeitung in sich vereinen, und Nachsorge bis hin zur Rehabilitation und Pflege – geben verstärkt – auch einer alternden Bevölkerung – in vielen Bereichen bereits durchgesetzt oder ist dabei, die Chance, ein weitgehend selbstständiges Leben bei sich zu etablieren. Dies gilt vor allem für bildgebende hoher Lebensqualität zu führen. 3D-Drucker können diagnostische Verfahren, die große Datenmengen schon heute Knochen herstellen, die dem Operateur mithilfe von KI verarbeiten und analysieren. Auf diese als Vorlage dienen. Langfristig wäre ein Einsatz direkt Weise werden digitale Roboterassistenz-Systeme erst im Patienten denkbar. Telemedizin und E-Health ermöglicht, können computerassistierte chirurgische tragen zudem im ländlichen Raum trotz zum Teil ge- Operationen durchgeführt und vernetzte Operations- ringerer Ärztedichte zu einer sicheren und qualitativ säle aufgebaut werden. All dies geschieht mit dem Ziel, hochwertigen Gesundheitsversorgung bei. Ansätze,
Digitale meDizintechnische innovationen vorantreiben 5 die unter Einbindung Virtueller Realitäten (VR) Relevante Fördermaßnahmen des BMBF i entwickelt werden, unterstützen unter anderem die Therapie von psychischen Erkrankungen. Medizintechnische Lösungen für eine digitale Gesundheitsversorgung Großes Potenzial besteht zudem in der Vernetzung der klinischen Prozesse, die bislang vielfach noch nicht KMU-innovativ: Medizintechnik gegeben ist. Künftig könnte eine durchgängig digital gestützte und patientenorientierte Versorgungsket- Individualisierte Medizintechnik te zu einer deutlich effizienteren und effektiveren Patientenversorgung führen. Digitale Innovationen Kleine Patienten, großer Bedarf − Medizintechnische erlauben neue Formen der Kommunikation und Lösungen für eine kindgerechte Gesundheitsversorgung Kooperation zwischen ärztlichem Fachpersonal und Patientinnen und Patienten, aber auch zwischen un- Immer vor Ort – mobile medizintechnische Lösungen terschiedlichen Versorgungseinrichtungen. Experten für eine patientenfreundliche Gesundheitsversorgung sehen daher in der Digitalisierung große Hoffnung für das Gesundheitssystem und mancherorts ist sie Bildgeführte Diagnostik und Therapie – Neue Wege bereits fester Bestandteil der klinischen Routine. in der Intervention Gleichwohl ist der Forschungs- und Entwicklungsbe- darf noch groß und das Potenzial vielfach noch nicht Aufbau von Industrie-in-Klinik-Plattformen zur ausgeschöpft. Entwicklung innovativer Medizinprodukte Förderung orientiert sich am medizinischen Bedarf orientierten Patientenversorgung. In den Verbund- projekten arbeiten Medizintechnik-Unternehmen eng mit Forschungseinrichtungen und Kliniken Die Digitalisierung ist aber nicht nur für die Gesund- zusammen. Relevante Fördermaßnahmen im Bereich heitsversorgung, sondern auch für die Unternehmen Digitalisierung sind insbesondere die Förderrichtli- selbst eine große Herausforderung. Damit digitale nie „Medizintechnische Lösungen für eine digitale Innovationen schneller bei den Patientinnen und Gesundheitsversorgung“, aber auch die themenoffene Patienten ankommen und gleichzeitig die Innovati- Bekanntmachung „KMU-innovativ: Medizintechnik“ onskraft der Medizintechnikbranche auch künftig (alle relevanten Fördermaßnahmen siehe Kasten). gestärkt wird, bietet das BMBF zielgerichtete Förder- maßnahmen an. Sie sind im Fachprogramm Medi- Diese Broschüre bietet einen ersten Einblick in die zintechnik verankert, das im Mai 2016 veröffentlicht vom BMBF geförderten Medizintechnik-Projekte in wurde. Das auf zehn Jahre ausgelegte Fachprogramm sechs medizinischen Anwendungsfeldern, die stell- Medizintechnik ist in die aktuelle Hightech-Strategie vertretend für das enorme Potenzial und die Band- 2025 und in das Rahmenprogramm Gesundheitsfor- breite digitaler medizintechnischer Lösungen stehen. schung der Bundesregierung eingebettet. Beispielhaft werden Projekte in den Indikationsge- bieten Herz-Kreislauf-System, Onkologie, Neurologie, Wichtigstes Ziel ist es, innovative Ansätze aus der For- Psychiatrie, Sinnesorgane und Bewegungsapparat schung schneller in die Anwendung und damit in die vorgestellt. Die Kapitel geben einen Einblick in die je- Gesundheitsversorgung zu bringen. Das Programm weilige Erkrankung, in den medizinischen Bedarf und setzt dafür im Kern auf eine versorgungs- und zu- das Potenzial, das die Digitalisierung konkret bietet. gleich industrieorientierte Innovationsförderung im Pro Themengebiet wird einem Verbundprojekt aus der Dienste der Patienten. Ein besonderer Schwerpunkt BMBF-Medizintechnikförderung ein doppelseitiges im Fachprogramm Medizintechnik liegt auf dem Porträt gewidmet. Ergänzende Kurzsteckbriefe zu Handlungsfeld Innovationstreiber. Dabei orientiert vier weiteren Verbundprojekten zeigen die Vielfalt der sich die Förderung an dem Leitmotiv der bedarfs- Innovationen, an denen derzeit gearbeitet wird.
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 7 2. Beispiele aus der Förderung Die Digitalisierung treibt Innovationen in der Medizin- Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig bietet sich die technik voran. Das Bundesministerium für Bildung und Chance, das Gesundheitssystem effizienter zu ge- Forschung unterstützt Akteure aus Wissenschaft und stalten. Ziel der BMBF-Förderung im Bereich Medi- Wirtschaft dabei, die Medizintechnik der Zukunft zu zintechnik ist es, innovative digitale Ansätze in die entwickeln. Gesundheitsversorgung zu integrieren, vor allem bei Erkrankungen mit hohem medizinischen Bedarf. Die- Mit der Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens se sechs Anwendungsbereiche stehen stellvertretend steigen auch die Anforderungen an eine moderne für das Potenzial digitaler Medizintechnik-Lösungen: 2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen 2.4 Psychische Erkrankungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind als chroni- Psychische Erkrankungen stehen gemeinsam mit sches Krankheitsbild eines der häufigsten und neurologischen Krankheitsbildern an der Spitze gesundheitsökonomisch relevantesten Gesund- der Liste weltweiter Erkrankungen. Depressionen, heitsprobleme weltweit. Digitale Medizinproduk- Angstzustände und Süchte sind die häufigsten te haben bei der Behandlung chronisch Kranker Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. Digitale Medi- erhebliche Vorteile gegenüber anderen Therapie- zinprodukte können Diagnostik, Therapie und formen. Nachsorge verbessern. siehe Seite 10 siehe Seite 28 2.2 Tumorerkrankungen 2.5 Erkrankungen der Sinnesorgane Krebserkrankungen haben oft schwerwiegende Erkrankungen der Sinnesorgane und der Sinnes- oder lebensverändernde Folgen für die Patienten verarbeitung haben für Patienten schwerwiegen- und verursachen hohe volkswirtschaftliche Kos- de Folgen und schränken die soziale Teilhabe in ten. Die Digitalisierung der Medizintechnik hilft großem Maße ein. Durch Erfassung und Beein- dabei, Produkte zu entwickeln, die stärker auf flussung elektrophysiologischer Vorgänge können den einzelnen Patienten zugeschnitten sind und innovative digitale Medizinprodukte zukünftig damit effizienter helfen. für Besserung sorgen. siehe Seite 16 siehe Seite 34 2.3 Neurologische Erkrankungen 2.6 Erkrankungen des Bewegungsapparates Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall Beschwerden des Bewegungsapparates sind eine oder Demenz sind in einer älter werdenden Be- häufige Ursache für Schmerzen und Einschrän- völkerung auf dem Weg, zu Volkskrankheiten zu kungen, die Medikamente und Operationen werden. Digitale Medizintechnik hilft dabei, die notwendig machen. Die Digitalisierung verbessert komplexen neurologischen Erkrankungen früher Diagnose- und Behandlungsverfahren. Heilungs- zu erkennen und eröffnet neue Ansätze für die chancen werden dadurch erhöht, mehr Teilhabe Therapie. möglich und die Therapie effizienter. siehe Seite 22 siehe Seite 40
2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten Teil der Krankheitslast sowie der krankheitsbedingten Krankheits- und Todesursachen in Deutschland. Darüber Sterblichkeit dar. In Deutschland geht über ein Drittel hinaus sind sie mit erheblichen individuellen Krank- aller Todesfälle auf diese Erkrankungen zurück. Ins- heitsfolgen verbunden und verursachen die höchsten gesamt starben im Jahr 2017 nach Zahlen des Statis- Krankheitskosten. Deshalb sind rechtzeitige Prävention, tischen Bundesamtes mehr als 340.000 Männer und Erkennung und Behandlung besonders wichtig. In den Frauen an koronarer Herzerkrankung, Herzinfarkt, vergangenen Jahren wurden wesentliche Fortschritte bei Herzschwäche, Schlaganfall oder anderen Erkran- der Versorgung von Herz-Kreislauf-Patienten erreicht. Mit kungen des Herz-Kreislauf-Systems. Vor allem ältere der Digitalisierung geht ein Innovationsschub einher. Sie Menschen sind von Erkrankungen des Herz-Kreislauf- ermöglicht, das komplexe Herz-Kreislauf-System sowie Systems betroffen, doch die Zahl der Erkrankten unter die Entstehung und den Verlauf der Erkrankungen besser 50 Jahren ist steigend. zu analysieren und mit den gewonnenen Erkenntnissen die Diagnose, Therapie und Vorbeugung zu optimieren. Versorgung von Herzschwäche- Patienten verbessern Zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen im wei- testen Sinne alle Krankheiten des Herzens und des Ge- fäßsystems. Das Spektrum reicht von Bluthochdruck In den vergangenen Jahren konnten wichtige Fort- und Venenthrombosen über Herzrhythmusstörungen schritte in der Herz-Kreislauf-Forschung erreicht bis hin zu koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt werden. Insbesondere wurden viele Ursachen oder Schlaganfall. Erkrankungen des Herz-Kreislauf- gefunden und zahlreiche neue Diagnose- und Systems sind häufig und stellen global einen großen Therapiemöglichkeiten entwickelt. Dank moderner
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 9 Katheterverfahren und besserer Diagnostik hat sich Innovationsschub in der Kardiologie die Situation bei Patientinnen und Patienten mit koronarer Herzerkrankung oder Infarkt spürbar gebessert. Auch bei den Herzklappenerkrankungen In der technischen und interventionellen Kardiologie hat es mithilfe minimalinvasiver Behandlungsme- sind es insbesondere die bildgebenden und bildverar- thoden in den letzten Jahren große therapeutische beitenden Systeme, bei denen die Digitalisierung einen Fortschritte gegeben. Daher können bei rechtzeitiger enormen Innovationsschub bringt: Computerbasierte Diagnose heutzutage Herz-Kreislauf-Erkrankungen Simulationen des Blutflusses werden beispielsweise oftmals gut behandelt werden. Bedeutenden Erfolgen genutzt, um Engstellen der Herzkranzgefäße anhand stehen in der Herz-Kreislauf-Medizin jedoch Bereiche von computertomographischen (CT)-Aufnahmen gegenüber, bei denen es sowohl in der Forschung als besser zu beurteilen. Die fusionierten Informationen auch in der Versorgung Nachholbedarf gibt. können auch als Grundlage für Navigation und Robotik im Operationssaal genutzt werden, um Zielstrukturen Das gilt beispielsweise für die Diagnose und individu- genauer zu erfassen und die Präzision bei Eingriffen zu alisierte Therapie der Herzschwäche („Herzinsuffizi- erhöhen. Dies ermöglicht ein schonenderes Vorgehen enz“). Diese Erkrankung hat in den letzten zwei Jahr- für die Betroffenen und gleichzeitig die Senkung der zehnten deutlich an Bedeutung gewonnen. Zwischen Strahlenbelastung im Rahmen der klinischen Bildge- 1995 und 2017 verdoppelte sich die Erkrankungshäu- bung. Auch in vielen anderen Bereichen sind derartige figkeit. Die Ursachen dieser Erkrankung sind vielfäl- Kombinationen vielversprechend, etwa bei der Be- tig: Herzmuskelerkrankungen, Bluthochdruck, Herz- handlung von Herzklappenerkrankungen. klappenfehler, eine Verengung der Herzkranzgefäße und vieles mehr. Das Gefährliche an einer Herzinsuf- fizienz ist, dass die Symptome erst auftreten, wenn die Krankheit bereits weit fortgeschritten ist. In der Folge sinken die Behandlungsmöglichkeiten und -erfolge. An dieser Stelle werden Innovationen benötigt, um ei- nerseits die Ursachen zu bekämpfen und andererseits die Diagnose- und Therapieverfahren zu verbessern. Digitale Lösungen für eine aussagekräftige Diagnose Das Herz-Kreislauf-System besteht aus einem komple- xen Zusammenspiel von Herzklappen, Muskulatur und Gefäßsystem. Digitale Lösungen haben das Potenzial, dieses komplexe System zu erfassen, zu analysieren und für eine Verbesserung der Prävention, Diagnosen und Therapien von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu nutzen. Ebenso lassen sich mithilfe der Analyse von pa- tientenspezifischen Daten individuelle Risikofaktoren von Menschen identifizieren und für Präventionsmaß- nahmen nutzen. Mobile digitale Anwendungen können bei der integrierten Gesundheitsversorgung von Risi- kopatienten gute Dienste leisten, um etwa Herzinfarkte oder Schlaganfälle rechtzeitig zu erkennen und eine schnelle Behandlung einzuleiten. In der interventionellen Kardiologie hat die Digitalisierung einen großen Innovationsschub gebracht.
10 dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk Neue Screening-Technologie soll Leben retten Aussackungen der Hauptschlagader sind lebensgefähr- Vorarbeiten nötig. Nach Computermodellierung und liche Erkrankungen, die oft erst entdeckt werden, wenn Bau eines Simulators ist das CardioInBaMed-Projekt es schon zu spät ist. Im BMBF-Förderprojekt die dritte Forschungs- und Entwicklungsstufe. Zum CardioInBaMed wird eine neue Methode zur Früh- ersten Mal gibt es eine Proof-of-Concept-Studie mit erkennung derartiger Aneurysmen entwickelt und echten klinischen Patientendaten. Außerdem wer- erstmals bei Patienten evaluiert. den gemeinsam mit dem Unternehmen Löwenstein Medical Technology GmbH erste Schritte in Richtung Produkt gegangen. Wichtig, aber unterschätzt: Bei einem Aneurysma der Hauptschlagader, der Aorta, erweitert sich das normalerweise drei bis vier Zentimeter schlanke Blut- Analyse der individuellen gefäß im Bauchraum oder im Bereich des Brustkorbs Aneurysma-Wahrscheinlichkeit und bildet sackartige Erweiterungen. „Die Betroffe- nen merken davon in den meisten Fällen überhaupt nichts“, sagt Tobias Krüger von der Thorax-, Herz- und Das CardioInBaMed-Projekt hat gleich mehrere hoch Gefäßchirurgie am Deutschen Herzkompetenzzen- innovative Komponenten. So werden die an Hand und trum am Universitätsklinikum Tübingen. „In den Fuß erfassten Pulskurven von Algorithmen analy- meisten Fällen sind solche Aneurysmen ein Zufallsbe- siert. Mithilfe der Algorithmen soll die Wahrschein- fund.“ Gefährlich sind Aortenaneurysmen vor allem lichkeit angegeben werden, mit der ein Aneurysma deswegen, weil sie reißen können. Ziel müsse es daher einer bestimmten Größenordnung vorliegt. „Die He- sein, möglichst viele Betroffene früh zu erkennen. rausforderung dabei ist, jene Signale zu erkennen, die durch das Aneurysma und nicht durch Herztätigkeit und peripheren Gefäßwiderstand verursacht werden“, Screening von Risikopatienten so Bernhard. für die Hausarztpraxis Das hat in der kürzlich abgeschlossenen Pilotstudie schon gut funktioniert. 67 Probanden nahmen daran Hier setzt das BMBF-Förderprojekt CardioInBaMed teil, wovon rund ein Drittel Aneurysmen in Bauch an, das noch bis Ende 2020 läuft. „Die Grundidee war, oder Brustkorb mit einem Mindestdurchmesser von ein frühdiagnostisches Verfahren auf den Markt zu 4,5 Zentimetern hatte. Die Erkennungsrate der An- bringen, das von jedem Hausarzt angewandt wer- eurysmen ist erfolgsversprechend. „Insgesamt haben den kann“, erläutert Stefan Bernhard vom Labor für wir gute Ergebnisse erzielt, die aber natürlich noch Biofluidmechanik an der Technischen Hochschule verbesserbar sind. Wir erreichen im Bauchraum im Mittelhessen. Im Vorhaben werden die wissenschaft- Moment eine Genauigkeit von circa 75 Prozent, und lichen Grundlagen eines ultraschallbasierten Diag- bei den Aneurysmen im Brustkorb liegen wir zwi- nosesystems von Aortenaneurysmen erforscht. Dabei schen 60 und 80 Prozent“, so Bernhard. sollen mittels eines softwarebasierten Expertensys- tems algorithmisch Verdachtsmomente analysiert und angezeigt werden. Aufbau einer Online-Datenbank für die Systemoptimierung Basierend auf diesem Verfahren, so die Überlegung, könnten im Sinne eines stufenweisen Screenings Ri- sikopatienten auf Hausarztebene identifiziert werden, Durch eine Optimierung der Datenverarbeitung soll die dann vom Facharzt weiter abgeklärt und danach das System im letzten Projektjahr optimiert wer- gegebenenfalls operiert werden können. Bis es zum den. Langfristig setzen die Wissenschaftler darauf, aktuellen Projekt kommen konnte, war einiges an dass die Performance schrittweise steigt. Denn im
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 11 Angepasste Darstellung der Hauptschlagader (Aorta) als langgestreckte, gerade Struktur in der Bildmitte mit einem Normalbefund (links) und ge- fährlichen Aussackungen (rechts, linke Bildhälfte). Ein neuartiges frühdiagnostisches Verfahren soll diese rechtzeitig erkennen. CardioInBaMed-Projekt werden selbstlernende tel wäre ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt Algorithmen genutzt, die mit jedem Patienten, den mit so vielen Unbekannten nicht möglich, ist der sie „kennenlernen“, ihre Trefferquote steigern sollen. 41-jährige Elektroingenieur überzeugt. „Die Lösung, Technisch umgesetzt wird der Lernprozess über eine um die es im CardioInBaMed-Projekt geht, ist das IT-Infrastruktur, bei der Hausärzte die Screening- erste Mal überhaupt bei Menschen eingesetzt worden. Datensätze aufzeichnen und die Auswertung dann in Zu diesem frühen Zeitpunkt Geld in eine Produktent- einer sicheren Online-Umgebung erfolgt. So können wicklung zu stecken, ist für ein mittelständisches Arzt und Patient sicher sein, dass der Screening- Unternehmen sonst schwierig.“ Algorithmus optimal trainiert ist. Und mit ihren Patientendatensätzen tragen sie selbst dazu bei, dass Letztlich erweiterten Förderprogramme die Möglich- er immer besser wird. keiten und erhöhten auch die Wettbewerbsfähigkeit kleiner und mittelständischer Unternehmen: „Wir Am Ende der Projektlaufzeit soll es einen funktionsfä- müssten uns sonst auf das Brot-und-Butter-Geschäft higen Demonstrator geben. Für den Bau des Demons- beschränken und könnten die für den digitalen Wan- trators, der das Screening und die IT-Infrastruktur del nötige Innovationsgeschwindigkeit nicht in dem zusammenbringt, ist das Unternehmen Löwenstein Maße halten.“ Medical Technology, ein deutscher Mittelständler mit Schwerpunkt im Bereich Heimbeatmung und Schlaftherapie, verantwortlich. „Wenn es uns gelingt, ein niederschwelliges Screening zu entwickeln, das in kurzer Zeit valide Ergebnisse liefert und auch noch von einem Nicht-Facharzt bedienbar ist, dann ist das Marktpotenzial sehr groß“, sagt CardioInBaMed- Förderprojekt CardioInBaMed i Projektleiter Benno Dömer, Leiter Vorentwicklung & Anforderungen bei Löwenstein. Projekttitel: Unterstützungssystem zur nicht-invasiven Frühdiagnos- tik von Aortenaneurysmen Regulatorisches Neuland wird noch vermessen Verbundpartner: Löwenstein Medical Techno- logy GmbH + Co. KG (Koordi- nation); Vor der marktreifen Lösung steht die Zertifizierung Hochschule Pforzheim als Medizinprodukt. Die Zertifizierung der angestreb- ten digitalen Lösung ist regulatorisches Neuland. Fördersumme: 681.131 Euro „Hier sind wir in engem Austausch mit den Behörden und den zuständigen Stellen, um zu klären, wie das Laufzeit: 12/2017 bis 11/2020 umgesetzt werden kann“, so Dömer. Ohne Fördermit-
12 dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk Individuelle Therapie dank Künstlicher Intelligenz Eine individuelle Therapieplanung bei Herz-Kreislauf- Förderprojekt ArtiCardio i Erkrankungen kann helfen, OP-Zeiten für Patienten zu verkürzen und Folgeoperationen zu vermeiden. Projekttitel: KI (Künstliche Intelligenz)- Ziel des Projekts ist, den Arzt durch eine innovative basierte digitale Therapie- Software dabei zu unterstützen, den optimalen Thera- unterstützung für die pieansatz und Behandlungszeitpunkt zu bestimmen. Kardiologie Zunächst soll die Software bei der Behandlung von Herzklappenfehlern und Verengungen der Haupt- Verbundpartner: Siemens Healthcare GmbH schlagader eingesetzt werden, langfristig aber auch (Koordination), bei anderen Erkrankungen. Ausgangspunkt ist dabei Charité – Universitätsmedizin, jeweils die Analyse der individuellen Anatomie des Berlin, 1000shapes GmbH Patienten auf Basis moderner Bildgebung. Mithilfe Künstlicher Intelligenz berechnet die Software die Fördersumme: 1.213.237 Euro Strömungsverhältnisse in den Blutgefäßen und simu- liert das Ergebnis verschiedener Eingriffe. So soll eine Laufzeit: 10/2017 bis 9/2020 für den klinischen Alltag praktikable und ökonomi- sche Software-Lösung für eine individualisierte Thera- pieplanung bei Herzklappenfehlern und angeborenen Aortaverengungen zur Verfügung gestellt werden. Entscheidungshilfe bei Intensivpatienten Wenn Patienten mit lebensbedrohlichen Erkran- Förderprojekt IMEDALytics ii kungen, wie schweren Infektionen oder Blutungen, auf der Intensivstation behandelt werden müssen, Projekttitel: Intensivmedizin. Entschei- liegt eine besondere Herausforderung darin, die im dungsunterstützungssystem individuellen Fall jeweils optimale Art und Menge mit Datenfusion und Muster- von Infusionslösungen zur Stützung des Kreislaufs zu erkennung für die leitlinien- bestimmen. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines gestützte, individualisierte klinischen Entscheidungsunterstützungssystems, das Risikostratifizierung, Überwa- die Daten eines Patienten mit medizinischem Erfah- chung und Therapieführung rungswissen und algorithmischen Modellen ver- knüpft. Auf diese Weise soll die patientenindividuelle Verbundpartner: Philips GmbH Innovative Risikoabschätzung, Überwachung und Therapiefüh- Technologies (Koordination), rung verbessert werden. Das innovative System ist so ergosign Ergonomie und Design konzipiert, dass es konkrete Ergebnisse nutzerfreund- GmbH, Universitätsklinikum lich visualisiert. Es ermöglicht so Ärztinnen, Ärzten Aachen, RWTH Aachen, und pflegerischem Personal auf Grundlage einer um- Hochschule Trier fassenden Datenlage eine fundierte, evidenzbasierte Entscheidung über notwendige Therapiemaßnahmen Fördersumme: 1.522.150 Euro zu treffen. Laufzeit: 9/2018 bis 8/2021
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 13 Kathetereingriffe visualisieren und steuern Viele Gefäßerkrankungen lassen sich durch einen Förderprojekt NavEVAR i minimal-invasiven Kathetereingriff behandeln. Allerdings müssen die Eingriffe bisher unter Röntgen- Projekttitel: Kombinierte Navigation zur Durchleuchtung mit Kontrastmittelgabe gesteuert Endovaskulären Therapie an werden, was zu Nebenwirkungen führen kann. Diese der Hauptschlagader Risiken soll ein neuartiges Visualisierungssystem vermeiden helfen. Dabei werden computertomogra- Verbundpartner: Universität zu Lübeck phische Bilddaten aus der Planungsphase des Eingriffs (Koordination), mit intraoperativ durch spezielle Methoden (mag- Universität zu Lübeck – Insti- netisches Tracking, Glasfasertracking) gewonnenen tut für Robotik und Kognitive Daten abgeglichen und kombiniert. Der Operateur Systeme, Fraunhofer-Institut für soll dadurch Informationen erhalten, wo sich der Bildgestützte Medizin (MEVIS), Gefäßkatheter jeweils genau befindet, und zudem Lübeck, Medizinisches Laserzen- durch ein computergestütztes Augmented-Reality- trum Lübeck GmbH Verfahren einen künstlich erzeugten Einblick in das Gefäß erhalten. Das Navigationssystem wird zunächst Fördersumme: 4.190.658 Euro bei Kathetereingriffen in der Aorta erprobt, später ist auch die Anwendung in Blutgefäßen mit kleinerem Laufzeit: 10/2017 bis 9/2020 Durchmesser geplant. Planungsmodelle für Herzklappen-OPs Bei Operationen an den Herzklappen ist man für die Förderprojekt PiPEH i Planung des Eingriffs bisher auf zweidimensionale Bilddaten und das räumliche Vorstellungsvermögen Projekttitel: Patientenindividuelle des Chirurgen angewiesen. Eine endgültige Entschei- medizintechnische Planungs- dung über die verwendete Operationstechnik findet modelle für Eingriffe an häufig erst während der Operation statt. In dem Herzklappen Projekt werden daher dreidimensionale haptische Planungsmodelle mittels 3D-Druck erstellt, die die Verbundpartner: Tom Tec Imaging Systems gleiche Elastizität und Beschaffenheit wie die Herz- GmbH (Koordination), klappen besitzen. Der Operateur kann anhand der TU München, LMU München Modelle die Gewebebeschaffenheit sehen und erfüh- len und zudem mögliche Schwachstellen erkunden. Fördersumme: 1.057.748 Euro Als Grundlage für die Modelle dienen dreidimensio- nale Ultraschallbilddaten. Darüber hinaus kann das Laufzeit: 10/2016 bis 3/2020 Herzklappen-Modell vom Chirurgen durch Schnitte und Nähte verändert, digital eingelesen und darauf- hin in eine Operationsschablone übertragen werden.
2.2 Tumorerkrankungen Knapp eine halbe Million Menschen erkrankt in Deutschland auf das Konto von bösartigen Tumoren. Deutschland pro Jahr neu an Krebs. Tumorerkrankun- Die häufigsten Krebserkrankungen beim Mann sind gen stellen bundesweit die zweithäufigste Todesursa- Prostatakrebs, gefolgt von Dickdarm- und Lungen- che dar. Krebs ist zudem die am stärksten gefürchtete krebs. Im Vergleich der Krebsarten präsentiert sich der Krankheit in der Bevölkerung. Sie wird oftmals mit Lungenkrebs als besonders tödlich. Brustkrebs ist bei Hoffnungslosigkeit und Unheilbarkeit in Verbindung Frauen die häufigste Krebserkrankung und Krebsto- gebracht. Medizinische Fortschritte haben jedoch dazu desursache. beigetragen, dass Tumore früher erkannt und effekti- ver behandelt werden können. Trotz der Alterung der Gesellschaft ist die Krebssterblichkeit seit Jahrzehnten Heilungschancen und zurückgegangen. Im Zuge der Digitalisierung werden Überlebensraten verbessern neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten entwickelt und optimiert. Fast alle Krebsarten treten bei älteren Menschen sehr viel häufiger auf als bei Jüngeren. Durch die Das gemeinsame Merkmal aller Tumorerkrankungen wachsende Lebenserwartung erhöht sich damit für ist das unkontrollierte Wachstum von Zellen, wo- jeden Einzelnen die Wahrscheinlichkeit, an Krebs durch umliegendes Gewebe verdrängt wird. Tumore zu erkranken. Gleichzeitig haben Verbesserungen können gutartig oder bösartig sein. Bösartige Tumo- bei Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung re, umgangssprachlich auch als Krebs bezeichnet, dazu beigetragen, dass die Heilungschancen und durchwachsen gesundes Gewebe und zerstören es. Lebenserwartung von Betroffenen stark gestiegen Insgesamt ging im Jahr 2015 jeder vierte Todesfall in sind. Insgesamt lebt heute mehr als die Hälfte aller
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 15 Krebspatienten noch fünf Jahre nach der Diagnose- Krankheit zudem mit vielfältigen Untersuchungen stellung. Die Zeitspanne von fünf Jahren bedeutet bei konfrontiert. Neben Tastuntersuchungen, bildge- vielen Tumorarten gleichzeitig eine gute Chance auf benden Verfahren wie Ultraschall, Computertomo- dauerhafte Heilung. Die Überlebensraten sind jedoch graphien oder Röntgenaufnahmen spielt dabei auch für Männer und Frauen, für Kinder und Erwachsene die mikroskopische Diagnostik eine wichtige Rolle. und für einzelne Formen der Krebserkrankungen Waren hier lange Zeit rein visuelle Untersuchungen sehr unterschiedlich. Während die Chance auf eine von Gewebeproben per Lichtmikroskop Standard, dauerhafte Heilung für Kinder mit Leukämien, bei setzen sich heutzutage zunehmend innovative digitale Frauen mit bestimmten Formen von Brustkrebs und Lösungen durch, die eine noch größere Detailtiefe der jungen Männern mit Hodenkrebs inzwischen deut- gewonnenen Informationen erlauben. lich gestiegen sind, ist die Prognose für Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs, Speiseröhrenkrebs oder So werden mikroskopische Aufnahmen von Gewe- Lungenkrebs meist ungünstig. Effektivere diagnos- beproben digital gespeichert und anschließend nach tische und therapeutische Verfahren stehen deshalb verschiedensten Kriterien und Mustern computer- ganz oben auf der Agenda von Krebsmedizinern. basiert ausgewertet. Dabei kommt die automatisierte Bildanalyse in medizintechnischen Geräten zuneh- mend zum Einsatz. Bei der automatisierten Analyse Neue Behandlungsstrategien medizinischer Bilddaten unterstützen lernfähige gegen Krebs Computerprogramme die Mediziner bei der Diagnos- tik, um beispielsweise für chirurgische Eingriffe ge- sundes von erkranktem Gewebe sicher abzugrenzen. In den vergangenen Jahren konnte eine Reihe von bahnbrechenden Entwicklungen in der Krebsmedizin erreicht werden. Sie basieren vorwiegend auf voran- Auf dem Weg zur personalisierten schreitenden Erkenntnissen zur Molekularbiologie Therapie von Tumorerkrankungen und der Interaktion mit dem Immunsystem. Dadurch hat sich das Therapie- arsenal der Krebsmedizin deutlich erweitert. Zu den Generell wird die Therapie heute zunehmend am klassischen Säulen der Therapie – Operation, Bestrah- Patienten und seinem Tumor ausgerichtet. Um für lung und Chemotherapie – haben sich weitere schlag- jeden Patienten die optimale Therapie zu finden, kräftige Behandlungsstrategien gesellt: die zielgerich- werden die Daten von Diagnosen, Behandlungen und teten Therapien und die Krebsimmuntherapien. Krankheitsverläufen in den Krankenhäusern immer mehr gebündelt erfasst und ausgewertet. Der digitale Die Krebsmedizin der neuesten Generation ist zudem Fortschritt ermöglicht es heute, diese Vielzahl an Da- immer stärker auf den einzelnen Patienten zuge- ten aus hunderten oder gar tausenden Tumorprofilen schnitten und ein anschauliches Beispiel für Prä- miteinander zu verknüpfen, charakteristische Muster zisionsmedizin. Grundlage für eine personalisierte zur Behandlung spezifischer Krebserkrankungen Therapie ist eine spezifische und präzise Diagnostik. zu erkennen und für eine personalisierte und damit Hier liegt großes Potenzial für den Einsatz innovativer effektivere Therapie zu nutzen. Noch kann dieser Messverfahren in den klinischen Laboratorien. Ansatz nicht standardmäßig für die Behandlung von allen Tumorarten verwendet werden, aber mit Mittels moderner Analyseverfahren wie der auto- jedem Datensatz steigt die Erkenntnis zu Krebs – in matisierten Genomsequenzierung lässt sich heute all seinen Facetten – und es ergeben sich neue An- von jedem einzelnen Tumor innerhalb kurzer Zeit satzpunkte für bedarfsgerechte, innovative Behand- ein individuelles molekulares Profil erstellen – quasi lungsstrategien. Für Tumorerkrankte bedeutet das für der Fingerabdruck der Erkrankung. Für den einzel- die Zukunft einen immer besseren Zugang zu perso- nen Patienten können die Ergebnisse eines solchen nalisierten und effektiven Therapien, mit möglichst Tumorprofils richtungsweisend für die Auswahl einer geringen Nebenwirkungen und einer insgesamt besse- Therapie sein. Krebspatienten sind im Verlauf ihrer ren Lebensqualität.
16 dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk KI-gestützter Blick auf den Therapie-Verlauf In dem Projekt PANTHER arbeitet ein Verbund daran, Radiomics – neue Infos aus Bildern ziehen Computertomographie-Bilder effektiver als heute für die Verlaufsdiagnostik von Tumorbehandlungen zu Die Analyse abstrakter Muster wie in einem nutzen. Ein auf Künstliche-Intelligenz-Algorithmen Röntgenbild, einer CT- oder MRT-Aufnahme ist basierendes Expertensystem analysiert die Bilddaten eine Stärke von KI-Algorithmen. Das Verbund- und verknüpft sie mit weiteren Gesundheitsinforma- projekt PANTHER ist hierbei ein Beispiel für tionen der Patienten. So lässt sich früher als bislang einen neuen Ansatz in der Medizin, Radiomics abschätzen, ob eine eingeschlagene Krebstherapie genannt – ein Kunstwort aus „Radiology“ und Erfolg hat oder nicht. „Genomics“. Ausgefeilte Algorithmen sollen helfen, zusätzliche Informationen aus radiologi- schen Bildern zu ziehen und mit Daten aus Klinik Die Krebsmedizin verfügt über ein immer größeres und Labor zu korrelieren – mit dem Ziel, spezi- Arsenal an Therapien. Doch wie gut schlägt ein ausge- fisch wirkende Therapien zu entwickeln. Mithilfe wähltes Krebsmedikament oder eine Strahlentherapie von Radiomics lassen sich tiefgehende Analysen bei einem Patienten an? Heute überprüfen Mediziner einer Erkrankung gewinnen, mit deren Hilfe Me- den Verlauf einer Tumortherapie, indem sie Laborwerte diziner effektiver herausfinden können, welcher aus Blutuntersuchungen analysieren und in regelmä- Patient auf welche Therapiemethode anspricht. ßigen Abständen Computertomographie (CT)-Auf- nahmen der betroffenen Organe machen. Die Partner in dem Verbundprojekt „PANTHER“ versuchen, noch Sühling. Im Fall von PANTHER ist es ein sogenanntes viele weitere wertvolle Informationen aus den digitalen Expertensystem, das auf KI-Algorithmen basiert. Dazu Bildern zu gewinnen und daraus bessere Prognosen haben die Siemens-Ingenieure und die Partner vom für den Therapieverlauf abzuleiten. Dadurch könnten Fraunhofer MEVIS in Bremen und Lübeck maßgeblich Ärzte künftig zu einem früheren Zeitpunkt erkennen, beigetragen. In einem ersten Schritt stellten Radiologen wie gut ein Patient auf eine Krebsbehandlung anspricht des Klinikums der Universität München große Men- oder ob eine andere Therapie gewählt werden sollte. gen an CT-Bilddaten von Darm-, Bauchspeichel- und Lymphdrüsenkrebs zusammen. In diesen Daten haben die Kliniker die relevanten Strukturen eingegrenzt. Mehr als nur die Größe messen Dadurch sind Größe und Form der Tumoren und der Organe in den Aufnahmen klar zu erkennen und quan- titativ zu vermessen. „Bislang wird in den CT-Bildern nur der Durchmesser des Tumors bestimmt, um so die Größenentwick- Zudem stellten die Kliniker aus München umfang- lung zu beurteilen“, sagt Projektkoordinator Michael reiches Datenmaterial darüber zur Verfügung, wie Sühling von Siemens Healthineers mit Sitz in Forch- die Patienten auf eine Therapie angesprochen haben heim. Doch in den Aufnahmen stecken noch viel mehr und wie sich ihre Blutwerte im Laufe der Behandlung Informationen, die bislang kaum genutzt werden. So entwickelten. Diese klinischen Daten wurden mit be- zeigen die Bilder zusätzlich, ob und wie sich die Form stimmten Merkmalen in den CT-Bildern abgeglichen, einer Geschwulst im Laufe der Zeit verändert. Außer- etwa wie sich Form und Beschaffenheit eines Tumors dem können sie Details über die Beschaffenheit des im Laufe einer Therapie verändern. Damit haben die Tumors liefern, etwa, ob er aus verschiedenen Gewe- Wissenschaftler einen Deep-Learning-Algorithmus bearten besteht oder sich seine Zusammensetzung im gefüttert und so ihr Expertensystem trainiert. Neben Laufe der Therapie verändert. Mit bloßem Auge sind einem KI-Algorithmus für die automatisierte Bildana- viele dieser Zusatzinformationen nicht zu sehen. „Um lyse gibt es einen weiteren Algorithmus, der die wahr- diese Merkmale erkennen und vor allem quantifizieren scheinliche Überlebensdauer in Jahren berechnet und zu können, ist Computerunterstützung gefragt“, betont damit die Erfolgsprognose einer Therapie einschätzt.
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 17 Die Visualisierung der Tumorgröße in 3D ( grüne Bereiche) erleichtert Arzt und Patient, die richtige Therapieentscheidung zu treffen. „So lässt sich anhand der CT-Bilder früher als bislang Studien mit hohen Patientenzahlen geschaffen, die für abschätzen, ob die eingeschlagene Therapie Erfolg eine Zulassung KI-basierter Algorithmen unabdingbar hat oder nicht“, sagt Sühling. Als die größte Heraus- sind. Am Münchener Universitätsklinikum wird das forderung hat sich in dem Projekt die Sammlung der PANTHER-Expertensystem nun in der Praxis erprobt. klinischen Daten herausgestellt. „Das liegt zum einen Ein weiteres Projektziel ist, mittels Visualisierungs- an der Heterogenität der Daten“, sagt Sühling, „zudem technologien und 3D-Druck-Modellen den Stand der mussten die Daten aufwendig für das Training des Ex- Therapie für die Patienten besser zu veranschaulichen pertensystems aufbereitet werden“. Daher basiert der und so die Kommunikation mit den Ärzten zu verbes- Prototyp des Expertensystems bislang auf wenigen sern. „Unser Expertensystem unterstützt so die Ärzte bei hundert Patientendatensätzen. Um die Datenmenge der Suche nach der besten Therapie und macht Entschei- und -qualität in Zukunft deutlich zu steigern, hat das dungen für die Patienten nachvollziehbar“, so Sühling. Konsortium die Grundlagen für eine digitale Befund- erfassung von Bilddaten gelegt. Förderprojekt PANTHER i Gemeinsamer Datenpool geschaffen Projekttitel: Patientenorientierte onkologi- sche Therapieunterstützung So wurde durch die Partner MeVis BreastCare GmbH & Verbundpartner Siemens Healthcare GmbH Co. KG und Siemens Healthineers eine Cloud-Plattform (Koordination), aufgebaut, in der die klinischen Partner Daten hoch- Fraunhofer-Institut für Bild- laden können, damit sie computerbasiert ausgewertet gestützte Medizin (MEVIS), werden können. Die cloudbasierte Infrastruktur dient MeVis BreastCare GmbH & Co. fortan als gemeinsamer Datenpool, in den die klinischen KG, Klinikum der Universität Partner Informationen einspeisen können. Die Platt- München form lässt sich einfach über einen Web-Browser ansteu- ern. Dass sie auch den Erfordernissen des Datenschutzes Fördersumme: 1.822.786 Euro gerecht wird, weist Siemens durch eine Zertifizierung mit dem europäischen Datenschutz-Gütesiegel (EuroP- Laufzeit: 10/2016 bis 3/2020 riSe) nach. Hierdurch wird die Basis für multizentrische
18 dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk Operieren mit Augmented-Reality-Videoskop Die minimal-invasive Chirurgie hat sich in vielen Förderprojekt ATLAS i Indikationen durchgesetzt, auch in der Krebstherapie. Für den Operateur birgt die Schlüsselloch-Chirurgie Projekttitel: Bildbasierte Augmentierung aber auch einige Herausforderungen: unter anderem bei laparoskopischen Eingriffen eine begrenzte Bewegungsfreiheit, eine schlech- te Tiefenwahrnehmung und ein eingeschränktes Verbundpartner: Maxer Endoscopy GmbH haptisches Feedback. Ziel des ATLAS-Projektes ist es, (Koordination), durch die Projektion von Augmented-Reality (AR)- Technische Universität München Bilddaten auf das Operationsfeld des Chirurgen diesen Fakultät für Informatik, Nachteilen entgegenzuwirken. Bei minimal-invasiven Klinikum der Universität Eingriffen sollen in Echtzeit individuelle anatomische München Informationen angezeigt werden. Das AR-Videoskop, das im Projekt ATLAS entwickelt werden soll, ermög- Fördersumme: 1.570.554 Euro licht die Fusion einer Ansicht der Wirklichkeit und die virtuelle Projektion von computergenerierten Daten Laufzeit: 8/2018 bis 7/2021 aus Voruntersuchungen der Patienten. Dadurch kann der Chirurg für ihn zuvor nicht sichtbare Organstruk- turen in einer realistisch wirkenden 3D-Operations- umgebung erkennen. Digitales Mikroskopsystem für Gewebe-Diagnostik Die mikroskopische Analyse von Gewebe ist eine Förderprojekt Cogno-Scan i wichtige Säule der modernen Tumordiagnostik. Sie wird im klinischen Alltag in den Laboren der Pa- Projekttitel: Standardisierte Analyse der thologie durchgeführt. Zur Auswertung von Gewe- Tumorheterogenität zur IT- beschnitten werden bislang zumeist rein visuelle, gestützten Therapieentschei- semi-quantitative Untersuchungen am Lichtmikros- dung bei malignen Tumoren kop vorgenommen. Das Projekt Cogno-Scan will den Prozess digitalisieren, um eine valide Basis für Thera- Verbundpartner: VMscope GmbH (Koordination), pieentscheidungen zu schaffen. Moderne Objektträ- PreciPoint GmbH, ger-Scanner liefern Aufnahmen von Gewebeschnitten Charité – Universitätsmedizin in höchster Qualität und sehr hoher Auflösung. Der Berlin Einsatz von digitalen und automatisierten Bildanaly- se-Systemen und die Entwicklung einer innovativen Fördersumme: 850.920 Euro Software soll es ermöglichen, verschiedene moleku- lare Biomarker in unterschiedlichem Tumorgewebe Laufzeit: 12/2017 bis 11/2020 schnell und standardisiert zu evaluieren. Somit wird auch die Tumorheterogenität innerhalb eines Orga- nismus berücksichtigt. Die Ergebnisse sollen durch die Software sowohl für den Arzt als auch für den Patienten verständlich aufgearbeitet werden.
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 19 Hautgewebe während der Tumor-OP analysieren Häufig entwickeln sich Tumore auf der Kopfhaut. Förderprojekt KONFIDENT i Chirurgen versuchen, so wenig Hautgewebe wie möglich zu entfernen, jedoch genug, um das Wachs- Projekttitel: Automatisierte Auswertung tum des Tumors zu stoppen. Um sicher zu gehen, der Konfokalen Mikroskopie erfordert dieses Vorgehen oft sogar mehrfach die für Diagnose und Therapie im Entnahme von Gewebeproben, die im Pathologielabor Kopfhautbereich analysiert werden. Das KONFIDENT-Projekt möchte den Operateuren ein Instrument an die Hand geben, Verbundpartner: MAVIG GmbH (Koordination), um noch während des Eingriffs die Gewebeanalyse M3i GmbH, vornehmen zu können. Dazu will das Konsortium Munich Innovation Labs ein Konfokalmikroskop entwickeln, dessen Gewebe- GmbH, analyse automatisiert erfolgt und dessen Bedienung Universität Heidelberg benutzerfreundlich ist. Für die digitalisierte Bildana- lyse kommen Künstliche-Intelligenz-Algorithmen Fördersumme: 1.734.370 Euro zum Einsatz. Nicht entferntes Kopfhautgewebe kann mit diesem System an der Oberfläche auf bösartige Laufzeit: 4/2019 bis 3/2022 Zellveränderungen untersucht werden. Damit werden bessere Behandlungsergebnisse, kürzere OP-Zeiten sowie ein geringerer logistischer Aufwand angestrebt. Die Harnblase in 3D visualisieren Jährlich werden in Deutschland etwa 28.000 neue Förderprojekt RaVeNNA-4pi i Harnblasenkarzinome diagnostiziert. Zentraler Be- standteil von Diagnostik und Therapie ist die Blasen- Projekttitel: Digitale Plattform zur endos- spiegelung (Zystoskopie), gekoppelt mit der trans- kopischen 3D-Rekonstruktion, urethralen Blasenresektion (TUR-B). Es handelt sich Visualisierung und Nachsorge- um eine endoskopische Operation durch die Harnröh- unterstützung von Patienten mit re, bei der erkranktes Gewebe aus Harnblase oder Pro- Harnblasenkarzinom stata abgetragen wird. Die bestehende Versorgungs- kette ist jedoch lückenhaft und die Dokumentation Verbundpartner: Universität Freiburg (Koordi- der Bilddaten ist oft uneinheitlich. Um die Qualität nation), Dorner GmbH & Co. der Diagnostik deutlich zu steigern, wird im Projekt KG, INATECH, Hochschule RaVeNNA eine dreidimensionale Rekonstruktion und Furtwangen, Karl Storz GmbH Visualisierung der Harnblase angestrebt. Möglich & Co. KG, Actuator Solutions wird das durch ein neuartiges optisches System mit GmbH, FISBA Photonics GmbH, optoelektronischen Bildwandlern und digitalen Algo- QIT Systeme GmbH & Co. KG, rithmen, die den gesamten Raumwinkel abbilden und Universität Heidelberg 3D-Informationen ausgeben. Die digitale Plattform soll gleichzeitig als Datenspeicher für eine Nachsorge- Fördersumme: 3.018.502 Euro unterstützung fungieren und den Austausch zwischen Ärzten und Patienten verbessern. Laufzeit: 2/2018 bis 1/2021
2.3 Neurologische Erkrankungen Neurologische Erkrankungen sind häufig, verlaufen akute Schädigung von Gehirn und Nervensystem ist oft chronisch und beeinträchtigen die Lebensqualität jedoch eine mangelnde Durchblutung. So erleiden der Betroffenen erheblich. Klar ist auch, dass neurolo- hierzulande nach Angaben der Deutschen Gesellschaft gische Erkrankungen vor dem Hintergrund des demo- für Neurologie etwa 260.000 Menschen jährlich einen grafischen Wandels weiter zunehmen werden. Trotz Schlaganfall. zunehmender Therapiemöglichkeiten sind weitere innovative Ansätze für das Krankheitsmanagement in Die Versorgungssituation hierzulande ist bei neurolo- der Neurologie notwendig. Digitale Lösungen bieten gischen Erkrankungen im internationalen Vergleich dabei neue Chancen für die Diagnostik und Therapie. gut. Verfügbarkeit von fachlicher Expertise, techni- scher Ausstattung und spezialisierten Einrichtungen – unter anderem zertifizierte Stroke Units und MS- Sehr verbreitet sind neurodegenerative Erkrankungen, Zentren – leisten wichtige Beiträge. Die zunehmende in deren Verlauf Zellen des Nervensystems absterben. Häufigkeit vieler neurologischer Erkrankungen mit Schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen sind von dem Alter und die oftmals chronischen Krankheits- Demenz betroffen und rund 400.000 Männer und verläufe sind allerdings eine Herausforderung für die Frauen in Deutschland leiden an Parkinson. Auch Medizin. Angesichts der demografischen Entwicklung bei der Multiplen Sklerose (MS), einer entzündlichen gibt es einen hohen Bedarf für Fortschritte bei der Erkrankung des zentralen Nervensystems, werden diagnostischen und therapeutischen Versorgung sowie wichtige Strukturen des Zentralen Nervensystems zur Unterstützung im Alltag. In vielen Fällen kann dauerhaft geschädigt. In Deutschland leben nach Medizintechnik den Betroffenen helfen. Die Möglich- Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als keiten reichen von der Nutzung tragbarer Biosensoren 240.000 MS-Erkrankte. Die häufigste Ursache für eine zur Erkennung von neuen Symptomen oder thera-
BEISPIELE AUS dEr FördErUng 21 piebegleitend über die rechnergestützte Auswertung typische Bilddatenmuster („Bildgebungsbiomarker“) medizinischer Bilder bis hin zur gezielten Stimulation auf MRT-Scans detektiert werden. Auch bei Multipler des Nervensystems und neuartigen Gehirn-Computer- Sklerose kommen automatisierte Bildanalysen zum Schnittstellen. Digitalisierung bedeutet in diesem Einsatz, etwa um den Therapieerfolg zu überprüfen. Zusammenhang auch die zunehmende Verfügbarkeit Doch nicht nur für Diagnostik und Monitoring neu- von Anwendungen im Alltag, deren Einsatzgebiete sich rologischer Erkrankungen eröffnet die Digitalisierung mehr und mehr denen mit strenger medizinischer In- neue Möglichkeiten. Sie ist auch Basis für innovative dikation annähern. Beispielsweise sind kleine Biosen- Therapien. Zunehmend zum Einsatz kommen virtuel- soren, die als Fitness-Armbänder getragen werden und le Realitäten (VR), beispielsweise in Form simulierter die Gehstrecke, den Herzschlag oder das Schlafprofil Alltagsumgebungen. Solche Ansätze werden etwa für messen können, mittlerweile in der Bevölkerung weit individualisierte Therapieprogramme bei Kindern mit verbreitet. Solche „Wearables“ lassen sich für medizi- spastischen Bewegungsstörungen sowie bei Schlagan- nische Fragestellungen weiterentwickeln – etwa um fall- und Demenzpatienten erprobt. die Vorboten einer Parkinson-Krankheit zu erkennen. So gehen Veränderungen des Schlafs, leichte Gangun- Neurotechnologische Verfahren wiederum koppeln sicherheiten oder Gleichgewichtsdefizite den eigentli- ein elektrotechnisches System mit dem Nervenge- chen Symptomen einer neurodegenerativen Erkran- webe. Etablierte Anwendungen wie die tiefe Hirn- kung oft lange voraus. Viele Forscherteams arbeiten stimulation über implantierte Elektroden („Hirn- derzeit an der Entwicklung alltagstauglicher Sensoren, schrittmacher“) bei Parkinson-Patienten oder die mit denen diese Veränderungen erfasst und etwa über Rückenmarkstimulation bei chronischem Schmerz eine Smartphone-App ausgelesen werden können. Auf sollen noch flexibler ausgeführt und besser an den diese Weise ließen sich präventive Maßnahmen besser individuellen Bedarf angepasst werden. So lassen sich planen und zudem der Krankheitsverlauf objektiver mit sogenannten Gehirn-Computer-Schnittstellen und kontinuierlicher kontrollieren. Dazu müssen neuronale Signalmuster über implantierte oder auf alltägliche Bewegungsprofile nicht nur aufgezeichnet, der Kopfhaut befestigte Elektroden auslesen und mit- sondern auch zuverlässig interpretiert werden. hilfe lernfähiger Algorithmen analysieren. Je nach ak- tuellem Hirnzustand können dann externe Geräte wie Assistenzroboter und Sprachcomputer gesteuert oder Bildgebung und Neuroimplantate bestimmte Hirnregionen gezielt stimuliert werden. auf individuellen Bedarf abstimmen Die Hoffnung besteht, dass dies zukünftig neue thera- peutische Erfolge bei verschiedensten Erkrankungen ermöglichen wird, etwa bei schwersten Lähmungen Die Auswertung medizinischer Bilder nimmt in und Schlaganfällen ebenso wie bei Epilepsie, Sucht der Diagnostik neurologischer Erkrankungen eine oder chronischer Depression. herausragende Rolle ein. So liefert die Magnetreso- nanztomographie (MRT) aufgrund ihres Weichteil- kontrastes überragende Darstellungen des Gehirns. Die Verfügbarkeit weitergehender Untersuchungs- möglichkeiten sorgt einerseits für neuartige diagnos- tische Optionen, andererseits stellt der zunehmende Detailgrad und die Fülle an komplementären Daten eine Herausforderung dar. Hier können moderne IT-Anwendungen, unter anderem auf der Basis von Künstlicher Intelligenz, wichtige Hilfestellung leisten. Sie unterstützen die Mediziner bei der Zusammen- führung der Informationen und schaffen durch eine hohe Sensitivität zusätzliche Sicherheit. Verschiedene Formen der Parkinson-Krankheit lassen sich unter- Neuroimplantate können Signalströme im Gehirn mittels digitaler Sensoren erfassen und in reale Bewegungen umwandeln. scheiden, indem mit maschinellen Lernalgorithmen
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