Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...

Die Seite wird erstellt Petra-Hortensia Strobel
 
WEITER LESEN
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
Digitalisierung in
der Medizintechnik
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
1

Inhaltsverzeichnis
1. Digitale medizintechnische Innovationen vorantreiben                                                                   2

2. Beispiele aus der Förderung                                                                                            6

2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .         8
2.2 Tumorerkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      14
2.3 Neurologische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .       20
2.4 Psychische Erkrankungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      26
2.5 Erkrankungen der Sinnesorgane . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .        32
2.6 Erkrankungen des Bewegungsapparates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .            38

3. Der Weg in die Förderung                                                                                              44

4. Anhang                                                                                                                48

     Geförderte Projekte im Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .      48

     Impressum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   53
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
Digitale meDizintechnische innovationen vorantreiben                                                           3

1. Digitale medizintechnische
   Innovationen vorantreiben
Die zunehmende Digitalisierung des gesellschaftlichen      dabei Innovationen aus den Entwicklungsabteilungen
Lebens verändert die Anforderungen an eine moderne         der vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die
Gesundheitsversorgung und bietet zugleich Chancen          die deutsche Medizintechnik-Branche prägen und die
für ein effizienteres Gesundheitssystem. Dieses Poten-     sich vielfach als wichtige Spieler im globalen Markt
zial gilt es in Deutschland noch stärker zu nutzen. Mit    etabliert haben.
seiner Medizintechnik-Förderung gestaltet das Bun-
desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die        Bei Neuentwicklungen steht nun die Digitalisierung
Digitalisierung der Gesundheitsversorgung aktiv mit.       immer häufiger im Fokus. So werden die Hardware-
                                                           Komponenten vieler Medizinprodukte oder medizin-
                                                           technischer Geräte vermehrt durch Software ergänzt
Für viele Menschen mag die digitale Gesundheits-           und untereinander digital vernetzt. Künstliche
versorgung noch nach Zukunftsmusik klingen, doch           Intelligenz (KI) wird genutzt, um lernende Algorith-
fest steht: Neue medizintechnische Lösungen, die den       men zu entwickeln, die aus den eingespeisten Daten
rasanten Fortschritt der Informationstechnologie           Analysen verschiedenster Art hervorbringen – für
nutzen, sind immer mehr auf dem Vormarsch. Diese           diagnostische oder therapeutische Zwecke in der
Entwicklung folgt einem Trend, der bereits vielfach        Gesundheitsversorgung. Ob als medizinische App, als
unseren ganz normalen Alltag prägt. Viele Menschen         IT-gestützte Diagnostik, Prothesen aus dem 3D-Druck
nutzen Fitness-Tracker, Smartwatches oder Gesund-          oder computerassistierte OP-Roboter – die Anwen-
heitsapps, die Körper- und Fitnessdaten dokumentie-        dungsgebiete sind vielfältig und das volle Potenzial
ren, an die Einnahme von Medikamenten erinnern             noch längst nicht ausgeschöpft. An vielen Entwick-
oder als elektronische Tagebücher dem Kalorien-            lungen wird derzeit geforscht und manches steckt
zählen dienen. Inzwischen sind innovative digitale         auch noch in den Kinderschuhen. Klar ist jedoch: Als
Ansätze auch in der Medizintechnik verstärkt auf der       zentraler Innovationstreiber wird die Digitalisierung
Agenda.                                                    die Gesundheitsversorgung maßgeblich verändern.

Effizienz im Gesundheitssystem
verbessern
                                                           „    Die Digitalisierung wird
                                                                die Gesundheitsversorgung
Ein Ziel zahlreicher Innovationsanstrengungen ist
es, die Effizienz des Gesundheitssystems mit Blick auf
eine bedarfsgerechte Versorgung von Patientinnen
und Patienten noch weiter voranzutreiben. Die Digi-
                                                                maßgeblich verändern.
                                                                                                        “
                                                           Digitale Entwicklungen können die Errungenschaf-
talisierung ist hierbei ein entscheidender Baustein. Sie   ten aus Informationstechnologie und Medizintechnik
kann dazu beitragen, das bereits existierende, quali-      gezielt zusammenführen. Sie besitzen das große Po-
tativ hochwertige Gesundheitssystem der Bundesre-          tenzial, die Gesundheitsversorgung effizienter zu ge-
publik Deutschland noch weiter zu verbessern. Schon        stalten und Diagnostik sowie Therapien entscheidend
heute bieten eine gut ausgebaute Infrastruktur an          zu verbessern. Zukünftig sollen schnellere, präzisere
stationären und ambulanten Versorgungszentren, ein         und schonendere Verfahren zur Verfügung stehen,
breites Netz an Universitätskliniken, hoch qualifi-        die zur Lebensrettung, Behandlung und Heilung von
ziertes medizinisches Fachpersonal sowie zahlreiche        Patientinnen und Patienten dienen oder die Lebens-
Rehabilitations- und Pflegeinrichtungen Patientin-         qualität Betroffener sowie ihrer Angehörigen erhö-
nen und Patienten im Krankheitsfall ein etabliertes        hen. Darüber hinaus kommt es zunehmend darauf an,
Versorgungsnetz. Darüber hinaus kann Deutschland           verschiedene bisher getrennt voneinander arbeitende
auf die hohe Innovationskraft der hiesigen Gesund-         Produkte und Geräte zu vernetzen, Datenströme zu
heitswirtschaft setzen. Eine große Bedeutung spielen       verbinden und Patientendaten kontinuierlich zu erhe-
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
4                                                                         Digitalisierung in Der meDizintechnik

ben sowie eine datenschutzgerechte Speicherung und         die Behandlungen zu verbessern, individualisierter zu
effiziente Analyse zu ermöglichen. Vor diesem Hin-         gestalten sowie schneller und schonender durchzu-
tergrund entwickeln Medizintechnik-Unternehmen             führen. Chirurgische Instrumente werden beispiels-
verstärkt Systemlösungen, die verschiedene Produkte        weise durch Sensoren und Software zunehmend intel-
und Dienstleistungen gebündelt anbieten.                   ligenter: Skalpelle erkennen ihre Position im Körper
                                                           und können die Operateure rechtzeitig warnen, bevor
                                                           gesundes Gewebe gefährdet ist. Langfristig sehen
Von digitaler Diagnostik                                   Experten auch ein großes Anwendungspotenzial von
zur digitalen Therapie                                     Digitalisierung darin, Mediziner bei der Auswahl der
                                                           richtigen Behandlung zu unterstützen oder ein thera-
                                                           piebegleitendes Monitoring zu ermöglichen.
Auf Basis dieser Entwicklungen werden neue digitale
medizintechnische Lösungen die Gesundheitsversor-          Doch die Medizintechnik eröffnet noch sehr viel
gung nachhaltig verbessern. Schon heute hat sich die       mehr Anwendungsfelder digitaler Lösungen. Intelli-
Digitalisierung über die Versorgungsstufen hinweg          gente Implantate, Orthesen und Prothesen, die Akto-
– von der Prävention und Diagnose über die Therapie        rik, Sensorik und Signalverarbeitung in sich vereinen,
und Nachsorge bis hin zur Rehabilitation und Pflege –      geben verstärkt – auch einer alternden Bevölkerung –
in vielen Bereichen bereits durchgesetzt oder ist dabei,   die Chance, ein weitgehend selbstständiges Leben bei
sich zu etablieren. Dies gilt vor allem für bildgebende    hoher Lebensqualität zu führen. 3D-Drucker können
diagnostische Verfahren, die große Datenmengen             schon heute Knochen herstellen, die dem Operateur
mithilfe von KI verarbeiten und analysieren. Auf diese     als Vorlage dienen. Langfristig wäre ein Einsatz direkt
Weise werden digitale Roboterassistenz-Systeme erst        im Patienten denkbar. Telemedizin und E-Health
ermöglicht, können computerassistierte chirurgische        tragen zudem im ländlichen Raum trotz zum Teil ge-
Operationen durchgeführt und vernetzte Operations-         ringerer Ärztedichte zu einer sicheren und qualitativ
säle aufgebaut werden. All dies geschieht mit dem Ziel,    hochwertigen Gesundheitsversorgung bei. Ansätze,
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
Digitale meDizintechnische innovationen vorantreiben                                                                5

die unter Einbindung Virtueller Realitäten (VR)             Relevante Fördermaßnahmen des BMBF                  i
entwickelt werden, unterstützen unter anderem die
Therapie von psychischen Erkrankungen.                      Medizintechnische Lösungen für eine digitale
                                                            Gesundheitsversorgung
Großes Potenzial besteht zudem in der Vernetzung der
klinischen Prozesse, die bislang vielfach noch nicht        KMU-innovativ: Medizintechnik
gegeben ist. Künftig könnte eine durchgängig digital
gestützte und patientenorientierte Versorgungsket-          Individualisierte Medizintechnik
te zu einer deutlich effizienteren und effektiveren
Patientenversorgung führen. Digitale Innovationen           Kleine Patienten, großer Bedarf − Medizintechnische
erlauben neue Formen der Kommunikation und                  Lösungen für eine kindgerechte Gesundheitsversorgung
Kooperation zwischen ärztlichem Fachpersonal und
Patientinnen und Patienten, aber auch zwischen un-          Immer vor Ort – mobile medizintechnische Lösungen
terschiedlichen Versorgungseinrichtungen. Experten          für eine patientenfreundliche Gesundheitsversorgung
sehen daher in der Digitalisierung große Hoffnung
für das Gesundheitssystem und mancherorts ist sie           Bildgeführte Diagnostik und Therapie – Neue Wege
bereits fester Bestandteil der klinischen Routine.          in der Intervention
Gleichwohl ist der Forschungs- und Entwicklungsbe-
darf noch groß und das Potenzial vielfach noch nicht        Aufbau von Industrie-in-Klinik-Plattformen zur
ausgeschöpft.                                               Entwicklung innovativer Medizinprodukte

Förderung orientiert sich am
medizinischen Bedarf                                       orientierten Patientenversorgung. In den Verbund-
                                                           projekten arbeiten Medizintechnik-Unternehmen
                                                           eng mit Forschungseinrichtungen und Kliniken
Die Digitalisierung ist aber nicht nur für die Gesund-     zusammen. Relevante Fördermaßnahmen im Bereich
heitsversorgung, sondern auch für die Unternehmen          Digitalisierung sind insbesondere die Förderrichtli-
selbst eine große Herausforderung. Damit digitale          nie „Medizintechnische Lösungen für eine digitale
Innovationen schneller bei den Patientinnen und            Gesundheitsversorgung“, aber auch die themenoffene
Patienten ankommen und gleichzeitig die Innovati-          Bekanntmachung „KMU-innovativ: Medizintechnik“
onskraft der Medizintechnikbranche auch künftig            (alle relevanten Fördermaßnahmen siehe Kasten).
gestärkt wird, bietet das BMBF zielgerichtete Förder-
maßnahmen an. Sie sind im Fachprogramm Medi-               Diese Broschüre bietet einen ersten Einblick in die
zintechnik verankert, das im Mai 2016 veröffentlicht       vom BMBF geförderten Medizintechnik-Projekte in
wurde. Das auf zehn Jahre ausgelegte Fachprogramm          sechs medizinischen Anwendungsfeldern, die stell-
Medizintechnik ist in die aktuelle Hightech-Strategie      vertretend für das enorme Potenzial und die Band-
2025 und in das Rahmenprogramm Gesundheitsfor-             breite digitaler medizintechnischer Lösungen stehen.
schung der Bundesregierung eingebettet.                    Beispielhaft werden Projekte in den Indikationsge-
                                                           bieten Herz-Kreislauf-System, Onkologie, Neurologie,
Wichtigstes Ziel ist es, innovative Ansätze aus der For-   Psychiatrie, Sinnesorgane und Bewegungsapparat
schung schneller in die Anwendung und damit in die         vorgestellt. Die Kapitel geben einen Einblick in die je-
Gesundheitsversorgung zu bringen. Das Programm             weilige Erkrankung, in den medizinischen Bedarf und
setzt dafür im Kern auf eine versorgungs- und zu-          das Potenzial, das die Digitalisierung konkret bietet.
gleich industrieorientierte Innovationsförderung im        Pro Themengebiet wird einem Verbundprojekt aus der
Dienste der Patienten. Ein besonderer Schwerpunkt          BMBF-Medizintechnikförderung ein doppelseitiges
im Fachprogramm Medizintechnik liegt auf dem               Porträt gewidmet. Ergänzende Kurzsteckbriefe zu
Handlungsfeld Innovationstreiber. Dabei orientiert         vier weiteren Verbundprojekten zeigen die Vielfalt der
sich die Förderung an dem Leitmotiv der bedarfs-           Innovationen, an denen derzeit gearbeitet wird.
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                   7

2. Beispiele aus der Förderung
Die Digitalisierung treibt Innovationen in der Medizin-   Gesundheitsversorgung. Gleichzeitig bietet sich die
technik voran. Das Bundesministerium für Bildung und      Chance, das Gesundheitssystem effizienter zu ge-
Forschung unterstützt Akteure aus Wissenschaft und        stalten. Ziel der BMBF-Förderung im Bereich Medi-
Wirtschaft dabei, die Medizintechnik der Zukunft zu       zintechnik ist es, innovative digitale Ansätze in die
entwickeln.                                               Gesundheitsversorgung zu integrieren, vor allem bei
                                                          Erkrankungen mit hohem medizinischen Bedarf. Die-
Mit der Digitalisierung des gesellschaftlichen Lebens     se sechs Anwendungsbereiche stehen stellvertretend
steigen auch die Anforderungen an eine moderne            für das Potenzial digitaler Medizintechnik-Lösungen:

 2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen                           2.4 Psychische Erkrankungen

 Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind als chroni-              Psychische Erkrankungen stehen gemeinsam mit
 sches Krankheitsbild eines der häufigsten und             neurologischen Krankheitsbildern an der Spitze
 gesundheitsökonomisch relevantesten Gesund-               der Liste weltweiter Erkrankungen. Depressionen,
 heitsprobleme weltweit. Digitale Medizinproduk-           Angstzustände und Süchte sind die häufigsten
 te haben bei der Behandlung chronisch Kranker             Ursachen für Arbeitsunfähigkeit. Digitale Medi-
 erhebliche Vorteile gegenüber anderen Therapie-           zinprodukte können Diagnostik, Therapie und
 formen.                                                   Nachsorge verbessern.

                               siehe Seite 10                                       siehe Seite 28

 2.2 Tumorerkrankungen                                     2.5 Erkrankungen der Sinnesorgane

 Krebserkrankungen haben oft schwerwiegende                Erkrankungen der Sinnesorgane und der Sinnes-
 oder lebensverändernde Folgen für die Patienten           verarbeitung haben für Patienten schwerwiegen-
 und verursachen hohe volkswirtschaftliche Kos-            de Folgen und schränken die soziale Teilhabe in
 ten. Die Digitalisierung der Medizintechnik hilft         großem Maße ein. Durch Erfassung und Beein-
 dabei, Produkte zu entwickeln, die stärker auf            flussung elektrophysiologischer Vorgänge können
 den einzelnen Patienten zugeschnitten sind und            innovative digitale Medizinprodukte zukünftig
 damit effizienter helfen.                                 für Besserung sorgen.

                               siehe Seite 16                                       siehe Seite 34

 2.3 Neurologische Erkrankungen                            2.6 Erkrankungen des Bewegungsapparates

 Neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall               Beschwerden des Bewegungsapparates sind eine
 oder Demenz sind in einer älter werdenden Be-             häufige Ursache für Schmerzen und Einschrän-
 völkerung auf dem Weg, zu Volkskrankheiten zu             kungen, die Medikamente und Operationen
 werden. Digitale Medizintechnik hilft dabei, die          notwendig machen. Die Digitalisierung verbessert
 komplexen neurologischen Erkrankungen früher              Diagnose- und Behandlungsverfahren. Heilungs-
 zu erkennen und eröffnet neue Ansätze für die             chancen werden dadurch erhöht, mehr Teilhabe
 Therapie.                                                 möglich und die Therapie effizienter.

                               siehe Seite 22                                       siehe Seite 40
Digitalisierung in der Medizintechnik - Bundesministerium für ...
2.1 Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Herz-Kreislauf-Erkrankungen gehören zu den häufigsten       Teil der Krankheitslast sowie der krankheitsbedingten
Krankheits- und Todesursachen in Deutschland. Darüber       Sterblichkeit dar. In Deutschland geht über ein Drittel
hinaus sind sie mit erheblichen individuellen Krank-        aller Todesfälle auf diese Erkrankungen zurück. Ins-
heitsfolgen verbunden und verursachen die höchsten          gesamt starben im Jahr 2017 nach Zahlen des Statis-
Krankheitskosten. Deshalb sind rechtzeitige Prävention,     tischen Bundesamtes mehr als 340.000 Männer und
Erkennung und Behandlung besonders wichtig. In den          Frauen an koronarer Herzerkrankung, Herzinfarkt,
vergangenen Jahren wurden wesentliche Fortschritte bei      Herzschwäche, Schlaganfall oder anderen Erkran-
der Versorgung von Herz-Kreislauf-Patienten erreicht. Mit   kungen des Herz-Kreislauf-Systems. Vor allem ältere
der Digitalisierung geht ein Innovationsschub einher. Sie   Menschen sind von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-
ermöglicht, das komplexe Herz-Kreislauf-System sowie        Systems betroffen, doch die Zahl der Erkrankten unter
die Entstehung und den Verlauf der Erkrankungen besser      50 Jahren ist steigend.
zu analysieren und mit den gewonnenen Erkenntnissen die
Diagnose, Therapie und Vorbeugung zu optimieren.
                                                            Versorgung von Herzschwäche-
                                                            Patienten verbessern
Zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen zählen im wei-
testen Sinne alle Krankheiten des Herzens und des Ge-
fäßsystems. Das Spektrum reicht von Bluthochdruck           In den vergangenen Jahren konnten wichtige Fort-
und Venenthrombosen über Herzrhythmusstörungen              schritte in der Herz-Kreislauf-Forschung erreicht
bis hin zu koronarer Herzkrankheit, Herzinfarkt             werden. Insbesondere wurden viele Ursachen
oder Schlaganfall. Erkrankungen des Herz-Kreislauf-         gefunden und zahlreiche neue Diagnose- und
Systems sind häufig und stellen global einen großen         Therapiemöglichkeiten entwickelt. Dank moderner
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                                     9

Katheterverfahren und besserer Diagnostik hat sich         Innovationsschub in der Kardiologie
die Situation bei Patientinnen und Patienten mit
koronarer Herzerkrankung oder Infarkt spürbar
gebessert. Auch bei den Herzklappenerkrankungen            In der technischen und interventionellen Kardiologie
hat es mithilfe minimalinvasiver Behandlungsme-            sind es insbesondere die bildgebenden und bildverar-
thoden in den letzten Jahren große therapeutische          beitenden Systeme, bei denen die Digitalisierung einen
Fortschritte gegeben. Daher können bei rechtzeitiger       enormen Innovationsschub bringt: Computerbasierte
Diagnose heutzutage Herz-Kreislauf-Erkrankungen            Simulationen des Blutflusses werden beispielsweise
oftmals gut behandelt werden. Bedeutenden Erfolgen         genutzt, um Engstellen der Herzkranzgefäße anhand
stehen in der Herz-Kreislauf-Medizin jedoch Bereiche       von computertomographischen (CT)-Aufnahmen
gegenüber, bei denen es sowohl in der Forschung als        besser zu beurteilen. Die fusionierten Informationen
auch in der Versorgung Nachholbedarf gibt.                 können auch als Grundlage für Navigation und Robotik
                                                           im Operationssaal genutzt werden, um Zielstrukturen
Das gilt beispielsweise für die Diagnose und individu-     genauer zu erfassen und die Präzision bei Eingriffen zu
alisierte Therapie der Herzschwäche („Herzinsuffizi-       erhöhen. Dies ermöglicht ein schonenderes Vorgehen
enz“). Diese Erkrankung hat in den letzten zwei Jahr-      für die Betroffenen und gleichzeitig die Senkung der
zehnten deutlich an Bedeutung gewonnen. Zwischen           Strahlenbelastung im Rahmen der klinischen Bildge-
1995 und 2017 verdoppelte sich die Erkrankungshäu-         bung. Auch in vielen anderen Bereichen sind derartige
figkeit. Die Ursachen dieser Erkrankung sind vielfäl-      Kombinationen vielversprechend, etwa bei der Be-
tig: Herzmuskelerkrankungen, Bluthochdruck, Herz-          handlung von Herzklappenerkrankungen.
klappenfehler, eine Verengung der Herzkranzgefäße
und vieles mehr. Das Gefährliche an einer Herzinsuf-
fizienz ist, dass die Symptome erst auftreten, wenn die
Krankheit bereits weit fortgeschritten ist. In der Folge
sinken die Behandlungsmöglichkeiten und -erfolge.
An dieser Stelle werden Innovationen benötigt, um ei-
nerseits die Ursachen zu bekämpfen und andererseits
die Diagnose- und Therapieverfahren zu verbessern.

Digitale Lösungen für eine
aussagekräftige Diagnose

Das Herz-Kreislauf-System besteht aus einem komple-
xen Zusammenspiel von Herzklappen, Muskulatur und
Gefäßsystem. Digitale Lösungen haben das Potenzial,
dieses komplexe System zu erfassen, zu analysieren
und für eine Verbesserung der Prävention, Diagnosen
und Therapien von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu
nutzen. Ebenso lassen sich mithilfe der Analyse von pa-
tientenspezifischen Daten individuelle Risikofaktoren
von Menschen identifizieren und für Präventionsmaß-
nahmen nutzen. Mobile digitale Anwendungen können
bei der integrierten Gesundheitsversorgung von Risi-
kopatienten gute Dienste leisten, um etwa Herzinfarkte
oder Schlaganfälle rechtzeitig zu erkennen und eine
schnelle Behandlung einzuleiten.                           In der interventionellen Kardiologie hat die Digitalisierung einen
                                                           großen Innovationsschub gebracht.
10                                                                     dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk

Neue Screening-Technologie soll Leben retten
Aussackungen der Hauptschlagader sind lebensgefähr-      Vorarbeiten nötig. Nach Computermodellierung und
liche Erkrankungen, die oft erst entdeckt werden, wenn   Bau eines Simulators ist das CardioInBaMed-Projekt
es schon zu spät ist. Im BMBF-Förderprojekt              die dritte Forschungs- und Entwicklungsstufe. Zum
CardioInBaMed wird eine neue Methode zur Früh-           ersten Mal gibt es eine Proof-of-Concept-Studie mit
erkennung derartiger Aneurysmen entwickelt und           echten klinischen Patientendaten. Außerdem wer-
erstmals bei Patienten evaluiert.                        den gemeinsam mit dem Unternehmen Löwenstein
                                                         Medical Technology GmbH erste Schritte in Richtung
                                                         Produkt gegangen.
Wichtig, aber unterschätzt: Bei einem Aneurysma
der Hauptschlagader, der Aorta, erweitert sich das
normalerweise drei bis vier Zentimeter schlanke Blut-    Analyse der individuellen
gefäß im Bauchraum oder im Bereich des Brustkorbs        Aneurysma-Wahrscheinlichkeit
und bildet sackartige Erweiterungen. „Die Betroffe-
nen merken davon in den meisten Fällen überhaupt
nichts“, sagt Tobias Krüger von der Thorax-, Herz- und   Das CardioInBaMed-Projekt hat gleich mehrere hoch
Gefäßchirurgie am Deutschen Herzkompetenzzen-            innovative Komponenten. So werden die an Hand und
trum am Universitätsklinikum Tübingen. „In den           Fuß erfassten Pulskurven von Algorithmen analy-
meisten Fällen sind solche Aneurysmen ein Zufallsbe-     siert. Mithilfe der Algorithmen soll die Wahrschein-
fund.“ Gefährlich sind Aortenaneurysmen vor allem        lichkeit angegeben werden, mit der ein Aneurysma
deswegen, weil sie reißen können. Ziel müsse es daher    einer bestimmten Größenordnung vorliegt. „Die He-
sein, möglichst viele Betroffene früh zu erkennen.       rausforderung dabei ist, jene Signale zu erkennen, die
                                                         durch das Aneurysma und nicht durch Herztätigkeit
                                                         und peripheren Gefäßwiderstand verursacht werden“,
Screening von Risikopatienten                            so Bernhard.
für die Hausarztpraxis
                                                         Das hat in der kürzlich abgeschlossenen Pilotstudie
                                                         schon gut funktioniert. 67 Probanden nahmen daran
Hier setzt das BMBF-Förderprojekt CardioInBaMed          teil, wovon rund ein Drittel Aneurysmen in Bauch
an, das noch bis Ende 2020 läuft. „Die Grundidee war,    oder Brustkorb mit einem Mindestdurchmesser von
ein frühdiagnostisches Verfahren auf den Markt zu        4,5 Zentimetern hatte. Die Erkennungsrate der An-
bringen, das von jedem Hausarzt angewandt wer-           eurysmen ist erfolgsversprechend. „Insgesamt haben
den kann“, erläutert Stefan Bernhard vom Labor für       wir gute Ergebnisse erzielt, die aber natürlich noch
Biofluidmechanik an der Technischen Hochschule           verbesserbar sind. Wir erreichen im Bauchraum im
Mittelhessen. Im Vorhaben werden die wissenschaft-       Moment eine Genauigkeit von circa 75 Prozent, und
lichen Grundlagen eines ultraschallbasierten Diag-       bei den Aneurysmen im Brustkorb liegen wir zwi-
nosesystems von Aortenaneurysmen erforscht. Dabei        schen 60 und 80 Prozent“, so Bernhard.
sollen mittels eines softwarebasierten Expertensys-
tems algorithmisch Verdachtsmomente analysiert
und angezeigt werden.                                    Aufbau einer Online-Datenbank
                                                         für die Systemoptimierung
Basierend auf diesem Verfahren, so die Überlegung,
könnten im Sinne eines stufenweisen Screenings Ri-
sikopatienten auf Hausarztebene identifiziert werden,    Durch eine Optimierung der Datenverarbeitung soll
die dann vom Facharzt weiter abgeklärt und danach        das System im letzten Projektjahr optimiert wer-
gegebenenfalls operiert werden können. Bis es zum        den. Langfristig setzen die Wissenschaftler darauf,
aktuellen Projekt kommen konnte, war einiges an          dass die Performance schrittweise steigt. Denn im
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                                                      11

Angepasste Darstellung der Hauptschlagader (Aorta) als langgestreckte, gerade Struktur in der Bildmitte mit einem Normalbefund (links) und ge-
fährlichen Aussackungen (rechts, linke Bildhälfte). Ein neuartiges frühdiagnostisches Verfahren soll diese rechtzeitig erkennen.

CardioInBaMed-Projekt werden selbstlernende                                tel wäre ein Forschungs- und Entwicklungsprojekt
Algorithmen genutzt, die mit jedem Patienten, den                          mit so vielen Unbekannten nicht möglich, ist der
sie „kennenlernen“, ihre Trefferquote steigern sollen.                     41-jährige Elektroingenieur überzeugt. „Die Lösung,
Technisch umgesetzt wird der Lernprozess über eine                         um die es im CardioInBaMed-Projekt geht, ist das
IT-Infrastruktur, bei der Hausärzte die Screening-                         erste Mal überhaupt bei Menschen eingesetzt worden.
Datensätze aufzeichnen und die Auswertung dann in                          Zu diesem frühen Zeitpunkt Geld in eine Produktent-
einer sicheren Online-Umgebung erfolgt. So können                          wicklung zu stecken, ist für ein mittelständisches
Arzt und Patient sicher sein, dass der Screening-                          Unternehmen sonst schwierig.“
Algorithmus optimal trainiert ist. Und mit ihren
Patientendatensätzen tragen sie selbst dazu bei, dass                      Letztlich erweiterten Förderprogramme die Möglich-
er immer besser wird.                                                      keiten und erhöhten auch die Wettbewerbsfähigkeit
                                                                           kleiner und mittelständischer Unternehmen: „Wir
Am Ende der Projektlaufzeit soll es einen funktionsfä-                     müssten uns sonst auf das Brot-und-Butter-Geschäft
higen Demonstrator geben. Für den Bau des Demons-                          beschränken und könnten die für den digitalen Wan-
trators, der das Screening und die IT-Infrastruktur                        del nötige Innovationsgeschwindigkeit nicht in dem
zusammenbringt, ist das Unternehmen Löwenstein                             Maße halten.“
Medical Technology, ein deutscher Mittelständler
mit Schwerpunkt im Bereich Heimbeatmung und
Schlaftherapie, verantwortlich. „Wenn es uns gelingt,
ein niederschwelliges Screening zu entwickeln, das
in kurzer Zeit valide Ergebnisse liefert und auch noch
von einem Nicht-Facharzt bedienbar ist, dann ist das
Marktpotenzial sehr groß“, sagt CardioInBaMed-                                Förderprojekt CardioInBaMed                                    i
Projektleiter Benno Dömer, Leiter Vorentwicklung &
Anforderungen bei Löwenstein.                                                 Projekttitel:            Unterstützungssystem zur
                                                                                                       nicht-invasiven Frühdiagnos-
                                                                                                       tik von Aortenaneurysmen
Regulatorisches Neuland
wird noch vermessen                                                           Verbundpartner:          Löwenstein Medical Techno-
                                                                                                       logy GmbH + Co. KG (Koordi-
                                                                                                       nation);
Vor der marktreifen Lösung steht die Zertifizierung                                                    Hochschule Pforzheim
als Medizinprodukt. Die Zertifizierung der angestreb-
ten digitalen Lösung ist regulatorisches Neuland.                             Fördersumme:             681.131 Euro
„Hier sind wir in engem Austausch mit den Behörden
und den zuständigen Stellen, um zu klären, wie das                            Laufzeit:                12/2017 bis 11/2020
umgesetzt werden kann“, so Dömer. Ohne Fördermit-
12                                                                         dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk

Individuelle Therapie dank Künstlicher Intelligenz
Eine individuelle Therapieplanung bei Herz-Kreislauf-      Förderprojekt ArtiCardio                            i
Erkrankungen kann helfen, OP-Zeiten für Patienten
zu verkürzen und Folgeoperationen zu vermeiden.            Projekttitel:        KI (Künstliche Intelligenz)-
Ziel des Projekts ist, den Arzt durch eine innovative                           basierte digitale Therapie-
Software dabei zu unterstützen, den optimalen Thera-                            unterstützung für die
pieansatz und Behandlungszeitpunkt zu bestimmen.                                Kardiologie
Zunächst soll die Software bei der Behandlung von
Herzklappenfehlern und Verengungen der Haupt-              Verbundpartner:      Siemens Healthcare GmbH
schlagader eingesetzt werden, langfristig aber auch                             (Koordination),
bei anderen Erkrankungen. Ausgangspunkt ist dabei                               Charité – Universitätsmedizin,
jeweils die Analyse der individuellen Anatomie des                              Berlin, 1000shapes GmbH
Patienten auf Basis moderner Bildgebung. Mithilfe
Künstlicher Intelligenz berechnet die Software die         Fördersumme:         1.213.237 Euro
Strömungsverhältnisse in den Blutgefäßen und simu-
liert das Ergebnis verschiedener Eingriffe. So soll eine   Laufzeit:            10/2017 bis 9/2020
für den klinischen Alltag praktikable und ökonomi-
sche Software-Lösung für eine individualisierte Thera-
pieplanung bei Herzklappenfehlern und angeborenen
Aortaverengungen zur Verfügung gestellt werden.

Entscheidungshilfe bei Intensivpatienten
Wenn Patienten mit lebensbedrohlichen Erkran-              Förderprojekt IMEDALytics                           ii
kungen, wie schweren Infektionen oder Blutungen,
auf der Intensivstation behandelt werden müssen,           Projekttitel:        Intensivmedizin. Entschei-
liegt eine besondere Herausforderung darin, die im                              dungsunterstützungssystem
individuellen Fall jeweils optimale Art und Menge                               mit Datenfusion und Muster-
von Infusionslösungen zur Stützung des Kreislaufs zu                            erkennung für die leitlinien-
bestimmen. Ziel des Projekts ist die Entwicklung eines                          gestützte, individualisierte
klinischen Entscheidungsunterstützungssystems, das                              Risikostratifizierung, Überwa-
die Daten eines Patienten mit medizinischem Erfah-                              chung und Therapieführung
rungswissen und algorithmischen Modellen ver-
knüpft. Auf diese Weise soll die patientenindividuelle     Verbundpartner:      Philips GmbH Innovative
Risikoabschätzung, Überwachung und Therapiefüh-                                 Technologies (Koordination),
rung verbessert werden. Das innovative System ist so                            ergosign Ergonomie und Design
konzipiert, dass es konkrete Ergebnisse nutzerfreund-                           GmbH, Universitätsklinikum
lich visualisiert. Es ermöglicht so Ärztinnen, Ärzten                           Aachen, RWTH Aachen,
und pflegerischem Personal auf Grundlage einer um-                              Hochschule Trier
fassenden Datenlage eine fundierte, evidenzbasierte
Entscheidung über notwendige Therapiemaßnahmen             Fördersumme:         1.522.150 Euro
zu treffen.
                                                           Laufzeit:            9/2018 bis 8/2021
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                13

Kathetereingriffe visualisieren und steuern
Viele Gefäßerkrankungen lassen sich durch einen           Förderprojekt NavEVAR                           i
minimal-invasiven Kathetereingriff behandeln.
Allerdings müssen die Eingriffe bisher unter Röntgen-     Projekttitel:     Kombinierte Navigation zur
Durchleuchtung mit Kontrastmittelgabe gesteuert                             Endovaskulären Therapie an
werden, was zu Nebenwirkungen führen kann. Diese                            der Hauptschlagader
Risiken soll ein neuartiges Visualisierungssystem
vermeiden helfen. Dabei werden computertomogra-           Verbundpartner:   Universität zu Lübeck
phische Bilddaten aus der Planungsphase des Eingriffs                       (Koordination),
mit intraoperativ durch spezielle Methoden (mag-                            Universität zu Lübeck – Insti-
netisches Tracking, Glasfasertracking) gewonnenen                           tut für Robotik und Kognitive
Daten abgeglichen und kombiniert. Der Operateur                             Systeme, Fraunhofer-Institut für
soll dadurch Informationen erhalten, wo sich der                            Bildgestützte Medizin (MEVIS),
Gefäßkatheter jeweils genau befindet, und zudem                             Lübeck, Medizinisches Laserzen-
durch ein computergestütztes Augmented-Reality-                             trum Lübeck GmbH
Verfahren einen künstlich erzeugten Einblick in das
Gefäß erhalten. Das Navigationssystem wird zunächst       Fördersumme:      4.190.658 Euro
bei Kathetereingriffen in der Aorta erprobt, später ist
auch die Anwendung in Blutgefäßen mit kleinerem           Laufzeit:         10/2017 bis 9/2020
Durchmesser geplant.

Planungsmodelle für Herzklappen-OPs
Bei Operationen an den Herzklappen ist man für die        Förderprojekt PiPEH                             i
Planung des Eingriffs bisher auf zweidimensionale
Bilddaten und das räumliche Vorstellungsvermögen          Projekttitel:     Patientenindividuelle
des Chirurgen angewiesen. Eine endgültige Entschei-                         medizintechnische Planungs-
dung über die verwendete Operationstechnik findet                           modelle für Eingriffe an
häufig erst während der Operation statt. In dem                             Herzklappen
Projekt werden daher dreidimensionale haptische
Planungsmodelle mittels 3D-Druck erstellt, die die        Verbundpartner:   Tom Tec Imaging Systems
gleiche Elastizität und Beschaffenheit wie die Herz-                        GmbH (Koordination),
klappen besitzen. Der Operateur kann anhand der                             TU München, LMU München
Modelle die Gewebebeschaffenheit sehen und erfüh-
len und zudem mögliche Schwachstellen erkunden.           Fördersumme:      1.057.748 Euro
Als Grundlage für die Modelle dienen dreidimensio-
nale Ultraschallbilddaten. Darüber hinaus kann das        Laufzeit:         10/2016 bis 3/2020
Herzklappen-Modell vom Chirurgen durch Schnitte
und Nähte verändert, digital eingelesen und darauf-
hin in eine Operationsschablone übertragen werden.
2.2 Tumorerkrankungen

Knapp eine halbe Million Menschen erkrankt in              Deutschland auf das Konto von bösartigen Tumoren.
Deutschland pro Jahr neu an Krebs. Tumorerkrankun-         Die häufigsten Krebserkrankungen beim Mann sind
gen stellen bundesweit die zweithäufigste Todesursa-       Prostatakrebs, gefolgt von Dickdarm- und Lungen-
che dar. Krebs ist zudem die am stärksten gefürchtete      krebs. Im Vergleich der Krebsarten präsentiert sich der
Krankheit in der Bevölkerung. Sie wird oftmals mit         Lungenkrebs als besonders tödlich. Brustkrebs ist bei
Hoffnungslosigkeit und Unheilbarkeit in Verbindung         Frauen die häufigste Krebserkrankung und Krebsto-
gebracht. Medizinische Fortschritte haben jedoch dazu      desursache.
beigetragen, dass Tumore früher erkannt und effekti-
ver behandelt werden können. Trotz der Alterung der
Gesellschaft ist die Krebssterblichkeit seit Jahrzehnten   Heilungschancen und
zurückgegangen. Im Zuge der Digitalisierung werden         Überlebensraten verbessern
neue Diagnose- und Therapiemöglichkeiten entwickelt
und optimiert.
                                                           Fast alle Krebsarten treten bei älteren Menschen
                                                           sehr viel häufiger auf als bei Jüngeren. Durch die
Das gemeinsame Merkmal aller Tumorerkrankungen             wachsende Lebenserwartung erhöht sich damit für
ist das unkontrollierte Wachstum von Zellen, wo-           jeden Einzelnen die Wahrscheinlichkeit, an Krebs
durch umliegendes Gewebe verdrängt wird. Tumore            zu erkranken. Gleichzeitig haben Verbesserungen
können gutartig oder bösartig sein. Bösartige Tumo-        bei Vorbeugung, Früherkennung und Behandlung
re, umgangssprachlich auch als Krebs bezeichnet,           dazu beigetragen, dass die Heilungschancen und
durchwachsen gesundes Gewebe und zerstören es.             Lebenserwartung von Betroffenen stark gestiegen
Insgesamt ging im Jahr 2015 jeder vierte Todesfall in      sind. Insgesamt lebt heute mehr als die Hälfte aller
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                   15

Krebspatienten noch fünf Jahre nach der Diagnose-         Krankheit zudem mit vielfältigen Untersuchungen
stellung. Die Zeitspanne von fünf Jahren bedeutet bei     konfrontiert. Neben Tastuntersuchungen, bildge-
vielen Tumorarten gleichzeitig eine gute Chance auf       benden Verfahren wie Ultraschall, Computertomo-
dauerhafte Heilung. Die Überlebensraten sind jedoch       graphien oder Röntgenaufnahmen spielt dabei auch
für Männer und Frauen, für Kinder und Erwachsene          die mikroskopische Diagnostik eine wichtige Rolle.
und für einzelne Formen der Krebserkrankungen             Waren hier lange Zeit rein visuelle Untersuchungen
sehr unterschiedlich. Während die Chance auf eine         von Gewebeproben per Lichtmikroskop Standard,
dauerhafte Heilung für Kinder mit Leukämien, bei          setzen sich heutzutage zunehmend innovative digitale
Frauen mit bestimmten Formen von Brustkrebs und           Lösungen durch, die eine noch größere Detailtiefe der
jungen Männern mit Hodenkrebs inzwischen deut-            gewonnenen Informationen erlauben.
lich gestiegen sind, ist die Prognose für Patienten mit
Bauchspeicheldrüsenkrebs, Speiseröhrenkrebs oder          So werden mikroskopische Aufnahmen von Gewe-
Lungenkrebs meist ungünstig. Effektivere diagnos-         beproben digital gespeichert und anschließend nach
tische und therapeutische Verfahren stehen deshalb        verschiedensten Kriterien und Mustern computer-
ganz oben auf der Agenda von Krebsmedizinern.             basiert ausgewertet. Dabei kommt die automatisierte
                                                          Bildanalyse in medizintechnischen Geräten zuneh-
                                                          mend zum Einsatz. Bei der automatisierten Analyse
Neue Behandlungsstrategien                                medizinischer Bilddaten unterstützen lernfähige
gegen Krebs                                               Computerprogramme die Mediziner bei der Diagnos-
                                                          tik, um beispielsweise für chirurgische Eingriffe ge-
                                                          sundes von erkranktem Gewebe sicher abzugrenzen.
In den vergangenen Jahren konnte eine Reihe von
bahnbrechenden Entwicklungen in der Krebsmedizin
erreicht werden. Sie basieren vorwiegend auf voran-       Auf dem Weg zur personalisierten
schreitenden Erkenntnissen zur Molekularbiologie          Therapie
von Tumorerkrankungen und der Interaktion mit
dem Immunsystem. Dadurch hat sich das Therapie-
arsenal der Krebsmedizin deutlich erweitert. Zu den       Generell wird die Therapie heute zunehmend am
klassischen Säulen der Therapie – Operation, Bestrah-     Patienten und seinem Tumor ausgerichtet. Um für
lung und Chemotherapie – haben sich weitere schlag-       jeden Patienten die optimale Therapie zu finden,
kräftige Behandlungsstrategien gesellt: die zielgerich-   werden die Daten von Diagnosen, Behandlungen und
teten Therapien und die Krebsimmuntherapien.              Krankheitsverläufen in den Krankenhäusern immer
                                                          mehr gebündelt erfasst und ausgewertet. Der digitale
Die Krebsmedizin der neuesten Generation ist zudem        Fortschritt ermöglicht es heute, diese Vielzahl an Da-
immer stärker auf den einzelnen Patienten zuge-           ten aus hunderten oder gar tausenden Tumorprofilen
schnitten und ein anschauliches Beispiel für Prä-         miteinander zu verknüpfen, charakteristische Muster
zisionsmedizin. Grundlage für eine personalisierte        zur Behandlung spezifischer Krebserkrankungen
Therapie ist eine spezifische und präzise Diagnostik.     zu erkennen und für eine personalisierte und damit
Hier liegt großes Potenzial für den Einsatz innovativer   effektivere Therapie zu nutzen. Noch kann dieser
Messverfahren in den klinischen Laboratorien.             Ansatz nicht standardmäßig für die Behandlung
                                                          von allen Tumorarten verwendet werden, aber mit
Mittels moderner Analyseverfahren wie der auto-           jedem Datensatz steigt die Erkenntnis zu Krebs – in
matisierten Genomsequenzierung lässt sich heute           all seinen Facetten – und es ergeben sich neue An-
von jedem einzelnen Tumor innerhalb kurzer Zeit           satzpunkte für bedarfsgerechte, innovative Behand-
ein individuelles molekulares Profil erstellen – quasi    lungsstrategien. Für Tumorerkrankte bedeutet das für
der Fingerabdruck der Erkrankung. Für den einzel-         die Zukunft einen immer besseren Zugang zu perso-
nen Patienten können die Ergebnisse eines solchen         nalisierten und effektiven Therapien, mit möglichst
Tumorprofils richtungsweisend für die Auswahl einer       geringen Nebenwirkungen und einer insgesamt besse-
Therapie sein. Krebspatienten sind im Verlauf ihrer       ren Lebensqualität.
16                                                                       dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk

KI-gestützter Blick auf den Therapie-Verlauf
In dem Projekt PANTHER arbeitet ein Verbund daran,         Radiomics – neue Infos aus Bildern ziehen
Computertomographie-Bilder effektiver als heute für
die Verlaufsdiagnostik von Tumorbehandlungen zu            Die Analyse abstrakter Muster wie in einem
nutzen. Ein auf Künstliche-Intelligenz-Algorithmen         Röntgenbild, einer CT- oder MRT-Aufnahme ist
basierendes Expertensystem analysiert die Bilddaten        eine Stärke von KI-Algorithmen. Das Verbund-
und verknüpft sie mit weiteren Gesundheitsinforma-         projekt PANTHER ist hierbei ein Beispiel für
tionen der Patienten. So lässt sich früher als bislang     einen neuen Ansatz in der Medizin, Radiomics
abschätzen, ob eine eingeschlagene Krebstherapie           genannt – ein Kunstwort aus „Radiology“ und
Erfolg hat oder nicht.                                     „Genomics“. Ausgefeilte Algorithmen sollen
                                                           helfen, zusätzliche Informationen aus radiologi-
                                                           schen Bildern zu ziehen und mit Daten aus Klinik
Die Krebsmedizin verfügt über ein immer größeres           und Labor zu korrelieren – mit dem Ziel, spezi-
Arsenal an Therapien. Doch wie gut schlägt ein ausge-      fisch wirkende Therapien zu entwickeln. Mithilfe
wähltes Krebsmedikament oder eine Strahlentherapie         von Radiomics lassen sich tiefgehende Analysen
bei einem Patienten an? Heute überprüfen Mediziner         einer Erkrankung gewinnen, mit deren Hilfe Me-
den Verlauf einer Tumortherapie, indem sie Laborwerte      diziner effektiver herausfinden können, welcher
aus Blutuntersuchungen analysieren und in regelmä-         Patient auf welche Therapiemethode anspricht.
ßigen Abständen Computertomographie (CT)-Auf-
nahmen der betroffenen Organe machen. Die Partner
in dem Verbundprojekt „PANTHER“ versuchen, noch           Sühling. Im Fall von PANTHER ist es ein sogenanntes
viele weitere wertvolle Informationen aus den digitalen   Expertensystem, das auf KI-Algorithmen basiert. Dazu
Bildern zu gewinnen und daraus bessere Prognosen          haben die Siemens-Ingenieure und die Partner vom
für den Therapieverlauf abzuleiten. Dadurch könnten       Fraunhofer MEVIS in Bremen und Lübeck maßgeblich
Ärzte künftig zu einem früheren Zeitpunkt erkennen,       beigetragen. In einem ersten Schritt stellten Radiologen
wie gut ein Patient auf eine Krebsbehandlung anspricht    des Klinikums der Universität München große Men-
oder ob eine andere Therapie gewählt werden sollte.       gen an CT-Bilddaten von Darm-, Bauchspeichel- und
                                                          Lymphdrüsenkrebs zusammen. In diesen Daten haben
                                                          die Kliniker die relevanten Strukturen eingegrenzt.
Mehr als nur die Größe messen                             Dadurch sind Größe und Form der Tumoren und der
                                                          Organe in den Aufnahmen klar zu erkennen und quan-
                                                          titativ zu vermessen.
„Bislang wird in den CT-Bildern nur der Durchmesser
des Tumors bestimmt, um so die Größenentwick-             Zudem stellten die Kliniker aus München umfang-
lung zu beurteilen“, sagt Projektkoordinator Michael      reiches Datenmaterial darüber zur Verfügung, wie
Sühling von Siemens Healthineers mit Sitz in Forch-       die Patienten auf eine Therapie angesprochen haben
heim. Doch in den Aufnahmen stecken noch viel mehr        und wie sich ihre Blutwerte im Laufe der Behandlung
Informationen, die bislang kaum genutzt werden. So        entwickelten. Diese klinischen Daten wurden mit be-
zeigen die Bilder zusätzlich, ob und wie sich die Form    stimmten Merkmalen in den CT-Bildern abgeglichen,
einer Geschwulst im Laufe der Zeit verändert. Außer-      etwa wie sich Form und Beschaffenheit eines Tumors
dem können sie Details über die Beschaffenheit des        im Laufe einer Therapie verändern. Damit haben die
Tumors liefern, etwa, ob er aus verschiedenen Gewe-       Wissenschaftler einen Deep-Learning-Algorithmus
bearten besteht oder sich seine Zusammensetzung im        gefüttert und so ihr Expertensystem trainiert. Neben
Laufe der Therapie verändert. Mit bloßem Auge sind        einem KI-Algorithmus für die automatisierte Bildana-
viele dieser Zusatzinformationen nicht zu sehen. „Um      lyse gibt es einen weiteren Algorithmus, der die wahr-
diese Merkmale erkennen und vor allem quantifizieren      scheinliche Überlebensdauer in Jahren berechnet und
zu können, ist Computerunterstützung gefragt“, betont     damit die Erfolgsprognose einer Therapie einschätzt.
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                                                17

Die Visualisierung der Tumorgröße in 3D ( grüne Bereiche) erleichtert Arzt und Patient, die richtige Therapieentscheidung zu treffen.

„So lässt sich anhand der CT-Bilder früher als bislang                        Studien mit hohen Patientenzahlen geschaffen, die für
abschätzen, ob die eingeschlagene Therapie Erfolg                             eine Zulassung KI-basierter Algorithmen unabdingbar
hat oder nicht“, sagt Sühling. Als die größte Heraus-                         sind. Am Münchener Universitätsklinikum wird das
forderung hat sich in dem Projekt die Sammlung der                            PANTHER-Expertensystem nun in der Praxis erprobt.
klinischen Daten herausgestellt. „Das liegt zum einen                         Ein weiteres Projektziel ist, mittels Visualisierungs-
an der Heterogenität der Daten“, sagt Sühling, „zudem                         technologien und 3D-Druck-Modellen den Stand der
mussten die Daten aufwendig für das Training des Ex-                          Therapie für die Patienten besser zu veranschaulichen
pertensystems aufbereitet werden“. Daher basiert der                          und so die Kommunikation mit den Ärzten zu verbes-
Prototyp des Expertensystems bislang auf wenigen                              sern. „Unser Expertensystem unterstützt so die Ärzte bei
hundert Patientendatensätzen. Um die Datenmenge                               der Suche nach der besten Therapie und macht Entschei-
und -qualität in Zukunft deutlich zu steigern, hat das                        dungen für die Patienten nachvollziehbar“, so Sühling.
Konsortium die Grundlagen für eine digitale Befund-
erfassung von Bilddaten gelegt.
                                                                                Förderprojekt PANTHER                                   i
Gemeinsamer Datenpool geschaffen                                                Projekttitel:             Patientenorientierte onkologi-
                                                                                                          sche Therapieunterstützung

So wurde durch die Partner MeVis BreastCare GmbH &                              Verbundpartner            Siemens Healthcare GmbH
Co. KG und Siemens Healthineers eine Cloud-Plattform                                                      (Koordination),
aufgebaut, in der die klinischen Partner Daten hoch-                                                      Fraunhofer-Institut für Bild-
laden können, damit sie computerbasiert ausgewertet                                                       gestützte Medizin (MEVIS),
werden können. Die cloudbasierte Infrastruktur dient                                                      MeVis BreastCare GmbH & Co.
fortan als gemeinsamer Datenpool, in den die klinischen                                                   KG, Klinikum der Universität
Partner Informationen einspeisen können. Die Platt-                                                       München
form lässt sich einfach über einen Web-Browser ansteu-
ern. Dass sie auch den Erfordernissen des Datenschutzes                         Fördersumme:              1.822.786 Euro
gerecht wird, weist Siemens durch eine Zertifizierung
mit dem europäischen Datenschutz-Gütesiegel (EuroP-                             Laufzeit:                 10/2016 bis 3/2020
riSe) nach. Hierdurch wird die Basis für multizentrische
18                                                                        dIgItALISIErUng In dEr MEdIzIntEchnIk

Operieren mit Augmented-Reality-Videoskop
Die minimal-invasive Chirurgie hat sich in vielen         Förderprojekt ATLAS                                 i
Indikationen durchgesetzt, auch in der Krebstherapie.
Für den Operateur birgt die Schlüsselloch-Chirurgie       Projekttitel:        Bildbasierte Augmentierung
aber auch einige Herausforderungen: unter anderem                              bei laparoskopischen Eingriffen
eine begrenzte Bewegungsfreiheit, eine schlech-
te Tiefenwahrnehmung und ein eingeschränktes              Verbundpartner:      Maxer Endoscopy GmbH
haptisches Feedback. Ziel des ATLAS-Projektes ist es,                          (Koordination),
durch die Projektion von Augmented-Reality (AR)-                               Technische Universität München
Bilddaten auf das Operationsfeld des Chirurgen diesen                          Fakultät für Informatik,
Nachteilen entgegenzuwirken. Bei minimal-invasiven                             Klinikum der Universität
Eingriffen sollen in Echtzeit individuelle anatomische                         München
Informationen angezeigt werden. Das AR-Videoskop,
das im Projekt ATLAS entwickelt werden soll, ermög-       Fördersumme:         1.570.554 Euro
licht die Fusion einer Ansicht der Wirklichkeit und die
virtuelle Projektion von computergenerierten Daten        Laufzeit:            8/2018 bis 7/2021
aus Voruntersuchungen der Patienten. Dadurch kann
der Chirurg für ihn zuvor nicht sichtbare Organstruk-
turen in einer realistisch wirkenden 3D-Operations-
umgebung erkennen.

Digitales Mikroskopsystem für Gewebe-Diagnostik
Die mikroskopische Analyse von Gewebe ist eine            Förderprojekt Cogno-Scan                            i
wichtige Säule der modernen Tumordiagnostik. Sie
wird im klinischen Alltag in den Laboren der Pa-          Projekttitel:        Standardisierte Analyse der
thologie durchgeführt. Zur Auswertung von Gewe-                                Tumorheterogenität zur IT-
beschnitten werden bislang zumeist rein visuelle,                              gestützten Therapieentschei-
semi-quantitative Untersuchungen am Lichtmikros-                               dung bei malignen Tumoren
kop vorgenommen. Das Projekt Cogno-Scan will den
Prozess digitalisieren, um eine valide Basis für Thera-   Verbundpartner:      VMscope GmbH (Koordination),
pieentscheidungen zu schaffen. Moderne Objektträ-                              PreciPoint GmbH,
ger-Scanner liefern Aufnahmen von Gewebeschnitten                              Charité – Universitätsmedizin
in höchster Qualität und sehr hoher Auflösung. Der                             Berlin
Einsatz von digitalen und automatisierten Bildanaly-
se-Systemen und die Entwicklung einer innovativen         Fördersumme:         850.920 Euro
Software soll es ermöglichen, verschiedene moleku-
lare Biomarker in unterschiedlichem Tumorgewebe           Laufzeit:            12/2017 bis 11/2020
schnell und standardisiert zu evaluieren. Somit wird
auch die Tumorheterogenität innerhalb eines Orga-
nismus berücksichtigt. Die Ergebnisse sollen durch
die Software sowohl für den Arzt als auch für den
Patienten verständlich aufgearbeitet werden.
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                   19

Hautgewebe während der Tumor-OP analysieren
Häufig entwickeln sich Tumore auf der Kopfhaut.           Förderprojekt KONFIDENT                          i
Chirurgen versuchen, so wenig Hautgewebe wie
möglich zu entfernen, jedoch genug, um das Wachs-         Projekttitel:     Automatisierte Auswertung
tum des Tumors zu stoppen. Um sicher zu gehen,                              der Konfokalen Mikroskopie
erfordert dieses Vorgehen oft sogar mehrfach die                            für Diagnose und Therapie im
Entnahme von Gewebeproben, die im Pathologielabor                           Kopfhautbereich
analysiert werden. Das KONFIDENT-Projekt möchte
den Operateuren ein Instrument an die Hand geben,         Verbundpartner:   MAVIG GmbH (Koordination),
um noch während des Eingriffs die Gewebeanalyse                             M3i GmbH,
vornehmen zu können. Dazu will das Konsortium                               Munich Innovation Labs
ein Konfokalmikroskop entwickeln, dessen Gewebe-                            GmbH,
analyse automatisiert erfolgt und dessen Bedienung                          Universität Heidelberg
benutzerfreundlich ist. Für die digitalisierte Bildana-
lyse kommen Künstliche-Intelligenz-Algorithmen            Fördersumme:      1.734.370 Euro
zum Einsatz. Nicht entferntes Kopfhautgewebe kann
mit diesem System an der Oberfläche auf bösartige         Laufzeit:         4/2019 bis 3/2022
Zellveränderungen untersucht werden. Damit werden
bessere Behandlungsergebnisse, kürzere OP-Zeiten
sowie ein geringerer logistischer Aufwand angestrebt.

Die Harnblase in 3D visualisieren
Jährlich werden in Deutschland etwa 28.000 neue           Förderprojekt RaVeNNA-4pi                       i
Harnblasenkarzinome diagnostiziert. Zentraler Be-
standteil von Diagnostik und Therapie ist die Blasen-     Projekttitel:     Digitale Plattform zur endos-
spiegelung (Zystoskopie), gekoppelt mit der trans-                          kopischen 3D-Rekonstruktion,
urethralen Blasenresektion (TUR-B). Es handelt sich                         Visualisierung und Nachsorge-
um eine endoskopische Operation durch die Harnröh-                          unterstützung von Patienten mit
re, bei der erkranktes Gewebe aus Harnblase oder Pro-                       Harnblasenkarzinom
stata abgetragen wird. Die bestehende Versorgungs-
kette ist jedoch lückenhaft und die Dokumentation         Verbundpartner:   Universität Freiburg (Koordi-
der Bilddaten ist oft uneinheitlich. Um die Qualität                        nation), Dorner GmbH & Co.
der Diagnostik deutlich zu steigern, wird im Projekt                        KG, INATECH, Hochschule
RaVeNNA eine dreidimensionale Rekonstruktion und                            Furtwangen, Karl Storz GmbH
Visualisierung der Harnblase angestrebt. Möglich                            & Co. KG, Actuator Solutions
wird das durch ein neuartiges optisches System mit                          GmbH, FISBA Photonics GmbH,
optoelektronischen Bildwandlern und digitalen Algo-                         QIT Systeme GmbH & Co. KG,
rithmen, die den gesamten Raumwinkel abbilden und                           Universität Heidelberg
3D-Informationen ausgeben. Die digitale Plattform
soll gleichzeitig als Datenspeicher für eine Nachsorge-   Fördersumme:      3.018.502 Euro
unterstützung fungieren und den Austausch zwischen
Ärzten und Patienten verbessern.                          Laufzeit:         2/2018 bis 1/2021
2.3 Neurologische Erkrankungen

Neurologische Erkrankungen sind häufig, verlaufen         akute Schädigung von Gehirn und Nervensystem ist
oft chronisch und beeinträchtigen die Lebensqualität      jedoch eine mangelnde Durchblutung. So erleiden
der Betroffenen erheblich. Klar ist auch, dass neurolo-   hierzulande nach Angaben der Deutschen Gesellschaft
gische Erkrankungen vor dem Hintergrund des demo-         für Neurologie etwa 260.000 Menschen jährlich einen
grafischen Wandels weiter zunehmen werden. Trotz          Schlaganfall.
zunehmender Therapiemöglichkeiten sind weitere
innovative Ansätze für das Krankheitsmanagement in        Die Versorgungssituation hierzulande ist bei neurolo-
der Neurologie notwendig. Digitale Lösungen bieten        gischen Erkrankungen im internationalen Vergleich
dabei neue Chancen für die Diagnostik und Therapie.       gut. Verfügbarkeit von fachlicher Expertise, techni-
                                                          scher Ausstattung und spezialisierten Einrichtungen
                                                          – unter anderem zertifizierte Stroke Units und MS-
Sehr verbreitet sind neurodegenerative Erkrankungen,      Zentren – leisten wichtige Beiträge. Die zunehmende
in deren Verlauf Zellen des Nervensystems absterben.      Häufigkeit vieler neurologischer Erkrankungen mit
Schätzungsweise 1,7 Millionen Menschen sind von           dem Alter und die oftmals chronischen Krankheits-
Demenz betroffen und rund 400.000 Männer und              verläufe sind allerdings eine Herausforderung für die
Frauen in Deutschland leiden an Parkinson. Auch           Medizin. Angesichts der demografischen Entwicklung
bei der Multiplen Sklerose (MS), einer entzündlichen      gibt es einen hohen Bedarf für Fortschritte bei der
Erkrankung des zentralen Nervensystems, werden            diagnostischen und therapeutischen Versorgung sowie
wichtige Strukturen des Zentralen Nervensystems           zur Unterstützung im Alltag. In vielen Fällen kann
dauerhaft geschädigt. In Deutschland leben nach           Medizintechnik den Betroffenen helfen. Die Möglich-
Zahlen des Bundesversicherungsamtes mehr als              keiten reichen von der Nutzung tragbarer Biosensoren
240.000 MS-Erkrankte. Die häufigste Ursache für eine      zur Erkennung von neuen Symptomen oder thera-
BEISPIELE AUS dEr FördErUng                                                                                                  21

piebegleitend über die rechnergestützte Auswertung         typische Bilddatenmuster („Bildgebungsbiomarker“)
medizinischer Bilder bis hin zur gezielten Stimulation     auf MRT-Scans detektiert werden. Auch bei Multipler
des Nervensystems und neuartigen Gehirn-Computer-          Sklerose kommen automatisierte Bildanalysen zum
Schnittstellen. Digitalisierung bedeutet in diesem         Einsatz, etwa um den Therapieerfolg zu überprüfen.
Zusammenhang auch die zunehmende Verfügbarkeit             Doch nicht nur für Diagnostik und Monitoring neu-
von Anwendungen im Alltag, deren Einsatzgebiete sich       rologischer Erkrankungen eröffnet die Digitalisierung
mehr und mehr denen mit strenger medizinischer In-         neue Möglichkeiten. Sie ist auch Basis für innovative
dikation annähern. Beispielsweise sind kleine Biosen-      Therapien. Zunehmend zum Einsatz kommen virtuel-
soren, die als Fitness-Armbänder getragen werden und       le Realitäten (VR), beispielsweise in Form simulierter
die Gehstrecke, den Herzschlag oder das Schlafprofil       Alltagsumgebungen. Solche Ansätze werden etwa für
messen können, mittlerweile in der Bevölkerung weit        individualisierte Therapieprogramme bei Kindern mit
verbreitet. Solche „Wearables“ lassen sich für medizi-     spastischen Bewegungsstörungen sowie bei Schlagan-
nische Fragestellungen weiterentwickeln – etwa um          fall- und Demenzpatienten erprobt.
die Vorboten einer Parkinson-Krankheit zu erkennen.
So gehen Veränderungen des Schlafs, leichte Gangun-        Neurotechnologische Verfahren wiederum koppeln
sicherheiten oder Gleichgewichtsdefizite den eigentli-     ein elektrotechnisches System mit dem Nervenge-
chen Symptomen einer neurodegenerativen Erkran-            webe. Etablierte Anwendungen wie die tiefe Hirn-
kung oft lange voraus. Viele Forscherteams arbeiten        stimulation über implantierte Elektroden („Hirn-
derzeit an der Entwicklung alltagstauglicher Sensoren,     schrittmacher“) bei Parkinson-Patienten oder die
mit denen diese Veränderungen erfasst und etwa über        Rückenmarkstimulation bei chronischem Schmerz
eine Smartphone-App ausgelesen werden können. Auf          sollen noch flexibler ausgeführt und besser an den
diese Weise ließen sich präventive Maßnahmen besser        individuellen Bedarf angepasst werden. So lassen sich
planen und zudem der Krankheitsverlauf objektiver          mit sogenannten Gehirn-Computer-Schnittstellen
und kontinuierlicher kontrollieren. Dazu müssen            neuronale Signalmuster über implantierte oder auf
alltägliche Bewegungsprofile nicht nur aufgezeichnet,      der Kopfhaut befestigte Elektroden auslesen und mit-
sondern auch zuverlässig interpretiert werden.             hilfe lernfähiger Algorithmen analysieren. Je nach ak-
                                                           tuellem Hirnzustand können dann externe Geräte wie
                                                           Assistenzroboter und Sprachcomputer gesteuert oder
Bildgebung und Neuroimplantate                             bestimmte Hirnregionen gezielt stimuliert werden.
auf individuellen Bedarf abstimmen                         Die Hoffnung besteht, dass dies zukünftig neue thera-
                                                           peutische Erfolge bei verschiedensten Erkrankungen
                                                           ermöglichen wird, etwa bei schwersten Lähmungen
Die Auswertung medizinischer Bilder nimmt in               und Schlaganfällen ebenso wie bei Epilepsie, Sucht
der Diagnostik neurologischer Erkrankungen eine            oder chronischer Depression.
herausragende Rolle ein. So liefert die Magnetreso-
nanztomographie (MRT) aufgrund ihres Weichteil-
kontrastes überragende Darstellungen des Gehirns.
Die Verfügbarkeit weitergehender Untersuchungs-
möglichkeiten sorgt einerseits für neuartige diagnos-
tische Optionen, andererseits stellt der zunehmende
Detailgrad und die Fülle an komplementären Daten
eine Herausforderung dar. Hier können moderne
IT-Anwendungen, unter anderem auf der Basis von
Künstlicher Intelligenz, wichtige Hilfestellung leisten.
Sie unterstützen die Mediziner bei der Zusammen-
führung der Informationen und schaffen durch eine
hohe Sensitivität zusätzliche Sicherheit. Verschiedene
Formen der Parkinson-Krankheit lassen sich unter-          Neuroimplantate können Signalströme im Gehirn mittels digitaler
                                                           Sensoren erfassen und in reale Bewegungen umwandeln.
scheiden, indem mit maschinellen Lernalgorithmen
Sie können auch lesen