BODENREPORT VIELFÄLTIGES BODENLEBEN - GRUNDLAGE FÜR NATURSCHUTZ UND NACHHALTIGE LANDWIRTSCHAFT - BFN
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Ein Blick unter den Tellerrand Bodenreport Vielfältiges Bodenleben – Grundlage für Naturschutz und nachhaltige Landwirtschaft von Moritz Nabel Christian Selig Johanna Gundlach Henrike v. d. Decken Manfred Klein Beate Jessel
BfN Bodenreport: Vielfältiges Bodenleben - Grundlage für Naturschutz und nachhaltige Landwirtschaft Herausgeber: Bundesamt für Naturschutz Konstantinstr. 110 53179 Bonn Telefon: 0228 8491-0 E-Mail: presse@bfn.de Internet: www.bfn.de Autorinnen und Autoren: Moritz Nabel, Christian Selig, Johanna Gundlach, Henrike v.d. Decken, Manfred Klein, Beate Jessel Unter Mitwirkung von: Daniel Wolf, Detlev Metzing, Sandra Balzer, Ursula Nigmann, Oliver Hendrischke Titelbild: Bruno Glätsch Der Blick auf einen scheinbar unbelebten intensiv bewirtschaf- teten Ackerboden verdeutlicht zentrale Aspekte dieses Reports: Die verlorene Sicht auf den Boden als Lebensraum sowie den Versuch die Ökosystemleistungen des Bodenlebens durch ver- schiedenste mehr oder weniger intensive Bewirtschaftungsprak- tiken zu ersetzen – beides ist mit dafür verantwortlich, dass heute wichtiges Wissen um die Vielfalt der Arten in Böden fehlt. Alle verwendeten Bilder sind frei von Rechten. Freundlichen Dank für die Bereitstellung der Bilder über Pixabay an: Greg Newman, Magyar, Bruno Glätsch, Wolfgang Ehrecke, Franz W., darrenquigley32, lakewooducc, meineresterampe, Gerd Altmann, Manfred Richter, Franck Barske, armennano, pixamart, Benjamin Brandt, Wolfgang Ehrecke, Dirk Schuma- cher, Fritz_the_Cat, Beate, Siggy Nowak, Katrin Schulz, Claudia Martinez, Ulrike Leone, snarlingbunny, Hans Braxmeier, Karsten Lamprecht und Myriam Zilles Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Her- ausgebers unzulässig und strafbar. Nachdruck, auch in Auszügen, nur mit Genehmigung des BfN. Druck: Druckerei des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) Gedruckt auf: 100 % Recyclingpapier DOI 10.19217/rep211 Bonn, Bad Godesberg, Januar 2021, 1. Auflage
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ............................................................................................................ 6 Böden – Eine Blackbox der Artenvielfalt im Dienste des Naturhaushalts ........................... 8 Was lebt im Boden? Ein kurzer Überblick ......................................................................10 Bedeutung des Bodenlebens im Naturhaushalt der Kulturlandschaft ................................13 Verknüpfung ober- und unterirdischer Biodiversität .......................................................13 Zerkleinern, Zersetzen, Mineralisieren ...........................................................................14 Bodengefüge .................................................................................................................14 Regulierung von Schaderregern ....................................................................................15 Nähr- und Schadstoffmanagement ................................................................................15 Klimaschutz ...................................................................................................................16 Frühwarnsystem, Bioindikatoren ...................................................................................17 Zustand und Gefährdung des Bodenlebens ......................................................................19 Pestizide .......................................................................................................................19 Mineralische Düngung ...................................................................................................20 Versauerung..................................................................................................................22 Sonstige Schadstoffe ....................................................................................................22 Bodenbearbeitung, Bodenverdichtung und Erosion .......................................................23 Klimawandel ..................................................................................................................24 Bodenverlust und Flächendruck ....................................................................................25 Förderung des Bodenlebens .............................................................................................27 Boden pflegen ...............................................................................................................27 Landschaftsdiversifizierung ...........................................................................................31 Integrierter Pflanzenschutz ............................................................................................32 Integriertes Nährstoffmanagement ................................................................................33 Zielgenaue Applikationstechnik .....................................................................................34 Bodenmarkt regulieren ..................................................................................................35 Lebensraum Boden erforschen, monitoren und schützen ..............................................36 Rechtliche Grundlagen ..................................................................................................36 Politische Verpflichtungen .............................................................................................38 Förderung und Finanzierung .........................................................................................39 Maßnahmenübersicht zur Förderung des Bodenlebens ....................................................44 Literaturverzeichnis ..............................................................................................................46
Zusammenfassung Der vorliegende Report fokussiert auf Es besteht die Gefahr, dass speziell im das Bodenleben in landwirtschaftlich Boden lebende Arten aussterben, bevor genutzten Böden, insbesondere unter sie taxonomisch erfasst und beschrieben ackerbaulicher Nutzung. Er zeigt auf, wurden. Da das Bodenleben auch in der dass ein diverses und aktives Bodenle- Wissenschaft lange unterhalb des Blick- ben nicht nur grundlegender und bis- feldes blieb und die Arten hier meist klein lang häufig ausgeblendeter Bestandteil und hoch divers sind, sind erst ein Prozent des Naturhaushaltes ist, sondern auch der im Boden lebenden Arten erfasst. In maßgebliche Grundlage für eine nach- Diversität und Biomasse überschreitet das haltig betriebene Landbewirtschaftung. Bodenleben mit ca. 15 Tonnen pro Hektar in den gemäßigten Breiten die des oberir- Unterirdisches und oberirdisches Leben dischen Lebens deutlich (Kapitel Was lebt sind durch Nahrungsnetze stark miteinan- im Boden). Die Bodenorganismen, die der verbunden. Die von Bodenorganismen bereits seit längerem in den bundesweiten erbrachten Ökosystemleistungen wie Stof- Roten Listen geführt werden, zeigen je- fumwandlungsprozesse, Förderung der doch bereits den gleichen deutlich negati- Bodenstruktur sowie ihr Beitrag zu Was- ven Trend, der für die oberirdische Diversi- serhaushalt und Pflanzengesundheit tät in Agrarlandschaften festgestellt wird schaffen die essentielle Grundlage des (Kapitel Zustand und Gefährdung des Bo- Pflanzenwachstums und der Landwirt- denlebens). Um noch bestehende Wis- schaft – einen fruchtbaren Boden (Kapitel: sensdefizite zu schließen, muss die For- Bedeutung des Bodenlebens). schung zur Erfassung von Bodenorganis- Die heute auf großer Fläche dominierende men und deren Ökosystemleistungen wei- intensive und rationalisierte Landwirtschaft ter ausgebaut werden (Kapitel Förderung beeinträchtigt den Lebensraum Boden des Bodenlebens). mitsamt dem Bodenleben erheblich und Der Schaden, der mit dem Verlust im Bo- versucht den damit einhergehenden Ver- den lebender Arten für den Naturhaushalt, lust natürlicher Prozesse teils durch ver- aber auch für die Landwirtschaft einher mehrten Einsatz von Technik und Agro- geht ist enorm. Die Kosten für eine techni- chemie zu kompensieren. Mineralische sche Umsetzung wichtiger Funktionen des Düngemittel, synthetische Pflanzen- Bodens und der darin wirkenden Orga- schutzmittel und weitere Stoffeinträge ak- nismen werden für die EU auf 38 Mrd. € kumulieren sich im Boden und schädigen pro Jahr geschätzt. Gerade vor dem Hin- die dort lebenden und wirkenden Orga- tergrund des Klimawandels kann das Bo- nismen. Auch der Einsatz von immer in- denleben einen großen Beitrag zur Klima- tensiverer und schwererer Landtechnik anpassung leisten, indem es den Land- verdichtet und verändert das Bodengefüge schaftswasserhaushalt stabilisiert und in einem Maße, in dem es vielen Bodenle- Wild- wie auch Kulturpflanzen resistenter bewesen keinen angemessenen Lebens- gegen Trockenstress macht. Auch können raum mehr bietet (Kapitel Zustand und einige Bodenarten als Bioindikatoren die- Gefährdung des Bodenlebens). nen, die es erlauben frühzeitig auf verän- 6
derte Umweltbedingungen zu reagieren Versorgung des Bodenlebens und im Ge- (Kapitel: Bedeutung des Bodenlebens). danken der Kreislaufwirtschaft vorrangig in organischer Form ausgebracht werden. Die Förderung des Bodenlebens muss Verunreinigungen von Düngemitteln durch stärker als Aufgabe des Naturschutzes Medikamentenrückstände, Schwermetalle verankert und als zentrales Element der oder Mikroplastik sind auszuschließen. Bodenfruchtbarkeit wieder zum integrier- ten Produktionsziel der Landwirtschaft Da sich viele der vorgestellten Maßnah- werden. Dazu stehen prinzipiell zahlreiche men für die Landbewirtschaftenden erst Maßnahmen zur Verfügung. Diese sollten langfristig auszahlen, ist die Neuausrich- stets auf Standort und Bodentyp bezogen tung hin zu einer nachhaltigeren Boden- sein, da jeder Boden einem individuellen bewirtschaftung mit entsprechenden För- Artenspektrum seinen Lebensraum bietet. dermaßnahmen zu untermauern. Um das Die hier angeführten Maßnahmen bezie- Wissen um den Wert des Bodenlebens in hen sich vor allem auf intensiv genutzte die Praxis zu bringen, sind zunächst Aus- Ackerbauregionen und sollen sich im Sin- bildungsinhalte und die landwirtschaftliche ne des integrierten Pflanzenbaus für Beratung um den Aspekt der Bodenbio- Landwirtinnen und Landwirten und Land- diversität zu erweitern. Fördergelder der wirte langfristig auszahlen. So wird ein nationalen und europäischen Agrarpolitik gemeinsamer Weg von Naturschutz und (GAP) müssen stärker an gesellschaftliche Landwirtschaft zum Schutze des Bodenle- Leistungen wie den Schutz von Umwelt- bens aufgezeigt. (Kapitel Förderung des und Naturschutz gebunden werden. Spe- Bodenlebens). zielle Programme zur Förderung des Schutzes von Böden und den darin leben- Der Schutz des Bodens sowie der darin den Organismen sind in Agrarumwelt- und lebenden und wirkenden Organismen soll Klimamaßnahmen sowie Definitionen zum zum integrierten Produktionsziel erklärt „Guten landwirtschaftlichen und ökologi- werden um die Bodenfruchtbarkeit lang- schen Zustand“ (GLÖZ) zu integrieren fristig zu steigern. Konservierende Boden- (Kapitel Förderung des Bodenlebens). bearbeitungsverfahren sowie eine Anbau- diversifizierung durch erweiterte Fruchtfol- Die vorgestellten Maßnahmen weisen gen, Kulturpflanzendiversität und der An- zahlreiche Synergien zwischen dem bau von Zwischenfruchtmischungen legen allgemeinen Schutz von Biodiversität hier die Grundlage. Die Leitsätze des Inte- und Umwelt sowie den positiven Effek- grierten Pflanzenschutzes müssen befolgt ten auf die Bodenfruchtbarkeit und da- werden und die Stärkung der natürlichen mit das Ertragspotential landwirtschaft- Schädlingsregulation gegenüber syntheti- lich genutzter Böden auf. Dies macht schen Pflanzenschutzmitteln Vorrang er- deutlich, dass der Schutz des Bodenle- halten. Das Nährstoffmanagement sollte bens als ein gemeinsames Anliegen sich gleichzeitig am Boden und an den von Landwirtschaft und Naturschutz Kulturpflanzen orientieren. So müssen begriffen werden muss. Nährstoffe in ausgeglichenem Maße zur 7
Böden – Eine Blackbox der nutzte und geprägte Lebensräume ange- wiesen. Artenvielfalt im Dienste Ein Abhängigkeitsverhältnis, das sich über des Naturhaushalts Jahrhunderte herausgebildet hat und die Landbewirtschaftung lange Zeit prägte. Unzählige Organismen wirken im Unter- Die Intensivierung in der Landwirtschaft grund, fördern die Bodenfruchtbarkeit und setzte die Beziehung zwischen Bodenle- bereiten somit auch den Boden für die ben und Bodenbewirtschaftung in ein neu- Erzeugung von qualitativ hochwertigen es Verhältnis [41]. Es wurde versucht die landwirtschaftlichen Produkten, aber auch Ökosystemleistungen des Bodenlebens für ein diverses Leben an der Bodenober- teils durch vermehrten Einsatz von Ma- fläche. schinentechnik, Pflanzenschutzmitteln und synthetischen Düngemitteln zu ersetzen. Die Artenzahl der Bodenorganismen ist Gleichzeitig nahm das Bewusstsein um bisher noch kaum erfasst, jedoch ist be- die Bedeutung der essentiellen Ökosys- reits klar, dass die Diversität der Bodenor- temleistungen des Bodenlebens in Teilen ganismen die der über der Bodenoberflä- der Praxis und Ausbildung der Landwirt- che lebenden Organismen um ein Vielfa- schaft ab. Die Erhaltung und Förderung ches übersteigt [51]. Sie ist notwendig für des Bodenlebens wurde weit hinter andere funktionsfähige Stoffkreisläufe sowie das Produktionsziele wie der kurzfristigen Er- Belüften und Stabilisieren der Böden und tragsmaximierung angestellt. Dies hat bis schafft so ein fruchtbares Substrat auf heute drastische Auswirkungen auf die dem vitale und damit widerstandsfähige gesamte oberirdische und unterirdische Kultur- und Wildpflanzen gedeihen kön- Biodiversität und trägt maßgeblich zu de- nen. Sollten Kulturpflanzen von für sie ren Verlust bei [105]. schädlichen Organismen befallen werden, so befinden sich unter den Bodenorga- Der Rückgang der biologischen Vielfalt nismen auch natürliche Gegenspieler der oberhalb des Bodens ist inzwischen in der für die Pflanzen schädlichen Organismen. breiten öffentlichen Diskussion angelangt Eine erfolgreiche Bewirtschaftung von und wird mehrheitlich als gesellschaftliche Acker- und Grünlandflächen ohne die Un- Herausforderung anerkannt [14]. Studien terstützung dieser verborgenen Helfer wä- über den Insektenrückgang dokumentier- re nicht möglich. Viele Bodenorganismen ten beispielsweise einen gebietsweisen sind ihrerseits auf landwirtschaftlich ge- Rückgang von bis zu 75 Prozent der In- sektenbiomasse in den vergangenen 30 8
Jahren [46] und einen Artenrückgang um das Bodenleben über gesteigerte Boden- ein Drittel in den vergangenen 10 Jahren fruchtbarkeit auch in gesteigerten und [93] und legen einen Zusammenhang zur stabileren Ertragspotentialen der Böden Landnutzung nahe. Die Datenlage zur widerspiegeln und sich somit langfristig für Bodenbiodiversität ist jedoch auf allen ih- Landwirtschaft und Naturschutz auszah- rer Ebenen (genetische Diversität, Arten- len. vielfalt, Vielfalt an Lebensräumen) spär- lich. Dennoch bestätigt sich auch hier in Dieser Report nimmt das Bodenleben in verschiedenen Untersuchungen ein nega- landwirtschaftlich genutzten Böden mit tiver Trend in der Artenzahl [6–8, 88], nicht einem Fokus auf Ackerland in den Blick. zuletzt, weil oberirdische und unterirdische Dabei ist zu beachten, dass die Vielfalt Biodiversität stark miteinander vernetzt des Bodenlebens maßgeblich durch die sind [52]. Der Boden stellt aufgrund der Vielfalt an Böden als typische Habitate hohen Diversität ein besonderes geneti- geprägt wird. Unterschiedliche Habitate sches Reservoir und damit Schutzgut dar verfügen dabei über eine jeweils spezifi- [99]. Wissensdefizite zur Biodiversität in sche standortangepasste Vielfalt auch des insbesondere landwirtschaftlich genutzten Bodenlebens. Die in diesem Report vor- Böden müssen dringend abgebaut werden gestellten Maßnahmen verstehen sich [40] um auch hier dem Artenrückgang ent- daher als Bestandteile eines Baukastens gegen zu steuern. Maßnahmen dies zu aus dem standort- und bodentypange- erreichen sind teils weit entwickelt und passte Elemente ausgewählt werden soll- bekannt. ten. Insbesondere magere Grenzertrags- standorte beherbergen auf der Artebene Der Landbewirtschaftung kommt im Be- teils nur eine geringe Diversität – dafür reich der Bodenbiodiversität eine Schlüs- jedoch eine hoch spezifische, die auch als selrolle zu, da sie über ihre Art und Inten- solche erhalten und gefördert werden soll- sität der Bewirtschaftung direkten Einfluss te. Die Bewahrung der Vielfalt an Böden auf über die Hälfte der Bodenfläche bietet somit die Grundlage für ein diverses Deutschlands ausübt. Vielfältige landwirt- und aktives Bodenleben, das mit seinen schaftliche Maßnahmen können das Bo- Ökosystemleistungen Landwirtinnen und denleben und damit auch die Biodiversität Landwirten dabei unterstützt stabile und in der Agrarlandschaft allgemein positiv qualitativ hochwertige Ernten einzufahren. beeinflussen. Ganz im Sinne eines inte- grierten Pflanzenbaus würde sich eine gesteigerte Achtung vor und Investition in 9
Was lebt im Boden? Ein kurzer Überblick Eine klare Abgrenzung von oberirdischem und unterirdischem Leben ist nicht mög- lich, da viele Arten in beiden Bereichen leben und diese somit verbinden. Am an- schaulichsten verdeutlichen dies Pflanzen, da sie mit ihren Wurzeln viele Meter tief in den Boden reichen können, ihren Spross jedoch weit über den Boden hinausstre- cken [20, 110]. Viele oberirdisch lebende Tiere nutzen den Schutz des Bodens zur Eiablage oder zur Überwinterung, bewe- gen sich aber hauptsächlich auf bzw. oberhalb der Bodenschicht. Unzählige Arten verbringen jedoch ihren gesamten Lebenszyklus unterhalb der Oberfläche. Eine Einteilung der Bodenlebewesen wird entweder anhand der Artzugehörigkeiten, anhand der Organismengröße oder ihrer Funktionen im Ökosystem Boden vorge- nommen [57]. Zu diesen funktionellen Gruppen gehören als erstes Primärprodu- zenten, beispielsweise Pflanzen und Al- Die größten Gruppen des Bodenlebens in den gen, die die Energie des Sonnenlichts gemäßigten Breiten, veränderte Darstellung nach IVA 2005. über die Photosynthese in energiereicher 160 Personen auf einem Fußballfeld entsprechen in etwa dem Gewicht der Bodenlebewesen unter derselben Fläche: 11 Tonnen. 10
Biomasse speichern können und so allen zu finden ist. Auf landwirtschaftlich genutz- weiteren Organismengruppen zugänglich ten Flächen kann die Biomasse der Bo- machen. Unterstützt werden sie dabei un- denorganismen zusammen 15 Tonnen pro ter anderem von symbiontischen Orga- Hektar betragen [113]. Umgerechnet wür- nismen wie etwa Mykorrhizapilzen oder de das auf die Fläche eines Fußballfeldes stickstofffixierenden Rhizobakterien. Zer- das Äquivalent von 160 Personen bedeu- kleinerer und Mixer wie Regenwürmer ten. nehmen energiereiches organisches Mate- rial auf, zerkleinern es oder verfrachten es Trotz der großen Bedeutung der Bodenor- in tiefere Bodenschichten, wo es von mi- ganismen für die verschiedenen Funktio- neralisierenden Mikroorganismen abge- nen der Ökosysteme sind auch aus Sicht baut wird und die enthaltenen Nährstoffe der Wissenschaft noch große Teile des wieder dem Kreislauf zugeführt werden. Bodenlebens unter der Oberfläche verbor- Daneben agieren räuberische Organismen gen. So ist der Anteil der noch nicht taxo- auf verschiedenen Ebenen des Nahrungs- nomisch erfassten Organismen im Boden netzes und sorgen so dafür, dass alle Or- besonders hoch [103]. Es wird geschätzt ganismengruppen in optimalem Wachs- dass weltweit 75 % der Regenwurm-, tumszustand und damit für das Gesam- 50 % der Ameisen- und 50 % der Milben- tökosystem produktiven Verhältnissen arten noch nicht beschrieben sind. Noch zueinander stehen [103]. Zusätzlich die- ausgeprägter ist dies bei den Bodenmik- nen Böden für Pflanzen als Diasporen- roorganismen der Fall. Hier sind, wie bei- bank, in der unzählige Samen teils jahre- spielsweise bei den Pilzen, erst maximal lang gut konserviert werden, bis es zur 6 % der Organismen bekannt [4, 77]. Es Keimung kommt [20, 81]. All diese Orga- wird davon ausgegangen, dass weltweit nismen bilden dabei ein stark verwobenes lediglich 1 % der Bodenmikroorganismen Netz, mit dem auch das oberirdische Le- taxonomisch erfasst und beschrieben sind ben verbunden ist [52, 73]. [73]. Die Anzahl der Individuen und Arten, aber auch die Biomasse an Bodenorganismen, kann dabei weit über dem liegen, was an oberirdischem Leben auf derselben Fläche Individuenzahlen einiger Bodenorganismengruppen unter einem Quadratmeter Boden. V.l.n.r.: Pilze, Algen, Faden- würmer, Springschwänze, Milben, Kleinringelwürmer, Tausendfüßer, Zweiflüglerlarven, Käfer/-Larven, Regenwür- mer, Spinnen und Asseln, veränderte Darstellung nach UBA 2015. 11
12
Bedeutung des Bodenle- fruchtbarkeit kann durch keine Art der Bo- denbearbeitung oder Düngung ausgegli- bens im Naturhaushalt der chen werden [49]. Schonende Bodenbe- Kulturlandschaft arbeitung und ausgeglichene Düngegaben können Bodenlebewesen jedoch unter- stützen und damit die Bodenfruchtbarkeit Der Boden ist in gewisser Weise Verdau- fördern. ungs-, Speicher- und Immunsystem vieler Landökosysteme. Nach Berechnungen der Europäischen Kommission würden sich Verknüpfung ober- und unterirdischer die Kosten für eine technische Umsetzung Biodiversität aller wichtigen Funktionen des Bodens Die Ökosystemleistungen des Bodenle- und der darin wirkenden Organismen auf bens bilden die Grundlage für die Photo- 38 Mrd. € pro Jahr beziffern [26]. Die an syntheseleistung der oberirdischen Pflan- den zugrunde liegenden Ökosystemleis- zenvielfalt, mit der diese Sonnenlicht in tungen beteiligte Diversität an Bodenorga- energiereiche Biomasse umwandelt. Die nismen schafft dabei die essentielle durch Bodenorganismen geleisteten Grundlage für das oberirdische Leben und Stoffwechselprozesse schließen Stoff- speziell die Landbewirtschaftung: kreisläufe und machen essentielle Nähr- Einen fruchtbaren Boden. stoffe für Pflanzen zugänglich. Die damit Charles Darwin widmete sich Ende des gebildete Pflanzenbiomasse stellt wiede- 19. Jahrhunderts ausgiebig dem Bodenle- rum die Grundlage eines weit gesponne- ben und kam zu einem eindeutigen Fazit: nen Nahrungsnetzes dar [111]. Bodenor- ganismen sind Bestandteil dieses Nah- rungsnetzes, das in enger Verbindung mit den oberirdisch lebenden Arten steht. Die- „Man kann wohl bezweifeln, ob es se nutzen den Boden zusätzlich, teils zum noch viele andere Tiere gibt, welche Überwintern, zur Eiablage, oder während eine so bedeutungsvolle Rolle in der des Larvenstadiums [20, 52]. Pflanzenar- Geschichte der Erde gespielt haben ten überstehen ungünstige Perioden mit wie diese niedrig organisierten Ge- ihren Überdauerungsorganen wie Rhizo- schöpfe.“ men und Zwiebeln oder auch Samen im Boden [81]. Eine hohe Diversität an unter- Charles Darwin [21] irdischem Leben ist daher auch eine der Grundlagen einer hohen Biodiversität an der Bodenoberfläche – und umgekehrt. Die ober- und unterirdische Biodiversität Durch die enge Verknüpfung von ober- ist direkt über Nahrungsnetze, aber auch und unterirdischer Biodiversität wirkt sich indirekt über Stoffkreisläufe verknüpft. Ein der Schutz des unterirdischen Lebens vielfältiges Bodenleben ist daher auch langfristig auch positiv auf die gesamte Grundlage der für uns sichtbaren Bio- biologische Vielfalt aus. Die Böden in den diversität an der Bodenoberfläche. gemäßigten Breiten bieten den Lebens- Nur auf fruchtbaren Böden können vitale raum mit der höchsten Dichte an verschie- Kulturpflanzen gedeihen, die auch ohne denen Arten. Die Diversität der dortigen intensiven Einsatz synthetischer Pflanzen- Böden übersteigt die des oberirdischen schutzmittel langfristig hohe und stabile Lebens um ein Vielfaches [51]. Für den Erträge liefern. Ein Verlust der Boden- Naturschutz muss das Bodenleben als 13
zentrales Element von Nahrungsnetzen als 908 verschiedene Bakterien- und 225 und Stoffkreisläufen in Ökosystemen so- verschiedene Pilzarten beteiligt sein [84]. wie als Reservoir bisher kaum erfasster Räuberische Bodenlebewesen halten da- genetischer Vielfalt ein zentrales Schutz- bei die unterschiedlichen Arten in einem gut darstellen. ausgeglichenen und somit produktiven Verhältnis und in einem für den Abbau optimalen Wachstumsbereich [113]. Die Zerkleinern, Zersetzen, Mineralisieren Organismen schließen im organischen Organisches Material, etwa Pflanzenreste, Material gebundene Pflanzennährstoffe wie Stickstoff, Phosphor oder Nährsalze Kadaver, Exkremente sowie Wurzelsäfte, bilden die Energiequelle des Bodenlebens. auf. Diese können dann von Pflanzen über Bevor diese Substrate zu Nährboden für die Wurzeln wieder aufgenommen werden und bilden schließlich die Grundlage allen Krankheitskeime werden können, werden sie von einem Netz von Bodenorganismen tierischen Lebens. verwertet. Größere Organismen wie zum Beispiel Regenwürmer zerkleinern grobes Material zunächst oder ziehen es unter die Bodengefüge Erde. Regenwürmer können dabei bis zu Ein fruchtbarer Boden ist weit mehr als 12 Kilogramm Erde pro Quadratmeter ver- eine Ansammlung von durch geologische lagern [113]. So vergrößert sich die Ober- Prozesse entstandenen Gesteinskrümeln fläche des Materials, es wird im Boden und toter organischer Substanz. Durch die gleichmäßig temperiert und feucht gehal- Aktivitäten der Mikroorganismen bei der ten und bietet so optimale Bedingungen Verarbeitung organischen Materials ent- für mikrobiellen Abbau [73]. Am Abbau stehen zunächst organische Säuren, die eines Buchenblattes etwa können mehr das Ausgangsgestein weiter verwittern Ein vereinfachtes Boden-Nahrungsnetz, veränderte Darstellung nach EU EC/JRC 2016. Unterirdische- und überirdische Biodiversität sind durch Nahrungsnetzte eng verwoben. 14
lassen und so für Bodenneubildung sor- organismen, die in einem direkten Ver- gen [73]. Zum Ende der mikrobiellen Ver- hältnis zur Pflanze stehen [60]. Pflanzen wertungskette entstehen meist Huminstof- geben in die Rhizosphäre gezielt Zucker fe. Diese gehen mit Tonmineralen feste oder organische Säuren ab, um die für sie Verbindungen zu Ton-Humus-Komplexen hilfreichen Bodenorganismen zu versor- ein. Erst diese Verbindungen erlauben die gen [103]. Darunter gibt es Bodenlebewe- Entstehung eines Bodengefüges. Verbun- sen, die Pflanzen weniger anfällig gegen- den mit den Gängen der Regenwürmer über Schaderregern werden lassen [3]. kann so ein Bodenkörper entstehen, der Natürlich vorkommende Mikroben können Wasser schnell aufnimmt, dieses - sowie zum Beispiel antibiotisch wirkende Sub- darin gelöste Nährstoffe - lange hält und stanzen produzieren und so auch Wurzeln zudem gut belüftet ist. Wild-, aber auch von Kulturpflanzen schützen [20]. Zusätz- Kulturpflanzen durchwurzeln solche lich produzieren einige der Mikroorganis- fruchtbaren Böden sehr dicht und wach- men hormonähnliche Stoffe, die das sen zu vitalen und widerstandsfähigen Pflanzenwachstum stimulieren und Tro- Pflanzen heran. Gerade in Zeiten des Kli- ckenstress vorbeugen [48]. mawandels erhöht dies die Widerstands- fähigkeit von Kulturpflanzenbeständen etwa gegen Trockenheit [109]. Nähr- und Schadstoffmanagement Weitere Produkte des mikrobiellen Abbaus organischer Substanz sind Stoffe, die im Regulierung von Schaderregern Kreislauf gehalten werden und von den Die hohe Diversität an Bodenorganismen Pflanzenwurzeln wieder aufgenommen beinhaltet viele Organismen, die in der werden können. Nährstoffe, die nicht so- Landwirtschaft als Schädlinge gelten, je- fort von Organismen aufgenommen wer- doch auch deren natürliche Gegenspieler. den, können sich an Ton-Humus- Ein diverses Bodenleben reguliert sich Komplexe binden und werden so vor einer effektiv selbst [39] und hält sich auf diese Auswaschung in tiefere, für Wurzeln un- Weise in einem produktiven Optimum zugängliche Bodenschichten oder in das [113]. Der Boden, der sich direkt im Ein- Grundwasser bewahrt. Ein fruchtbarer flussbereich von Pflanzenwurzeln befindet, Boden erfüllt daher auch eine wichtige die sogenannte Rhizosphäre, beherbergt Funktion als Puffer für den Landschafts- eine besonders hohe Diversität an Mikro- wasserhaushalt und Nährstoffe, aus dem sich die Pflanzen bei Bedarf versorgen, und minimiert somit Verluste. Im Boden gibt es auch symbiontische Or- ganismen, die wichtige Aufgaben im Nähr- stoffmanagement übernehmen. Rhizobien sind Bodenbakterien, die den für Pflanzen unzugänglichen Luftstickstoff binden kön- nen und ihnen verfügbar machen. So kann der Bedarf an mit hohem Energieaufwand produzierten mineralischen Stickstoffdün- gern in Pflanzenkulturen erheblich redu- ziert werden [69]. Drei Prozent des welt- Der Maulwurf leistet einen großen Beitrag zum Schutz von Kulturpflanzen. Er vertreibt kulturschädi- weiten Energiebedarfs werden zur Produk- gende Nager und vertilgt große Mengen an Insekten- larven. 15
hoher Aktivität des Bodenlebens können diese Schadstoffe an Ton-Humus- Komplexe binden, vor Auswaschung ins Grundwasser schützen und zum Teil sogar mikrobiell abbauen [61, 95]. Klimaschutz Der Klimawandel wirkt sich erheblich auf die landwirtschaftliche Produktion, aber auch auf die Biodiversität des Bodenle- Mykorrhizapilze erweitern das Wurzelgeflecht von Kulturpflanzen und erhöhen die Verfügbarkeit von bens aus. In den gemäßigten Breiten wer- essentiellen Pflanzennährstoffen. den steigende Temperaturen die für den tion von synthetischen Stickstoffdüngern Pflanzenbau geeignete Wachstumsphase eingesetzt [115]. zwar potentiell verlängern und Erträge so theoretisch steigern, jedoch stellen eben- Mykorrhizapilze ergänzen das Wurzelge- falls mit dem Klimawandel einhergehende flecht vieler Wild- und Kulturpflanzen und häufigere und längere Dürrephasen sowie unterstützen diese bei einer ausreichen- Extremwetterereignisse wie Starkregen ein den Versorgung mit Nährstoffen und Was- großes Risiko für die künftige Ertragsstabi- ser. Besonders die stark an Bodenpartikel lität und Biodiversität dar [54, 55]. gebundenen Phosphate werden den Wur- zeln oft erst durch diese Pilze zugänglich. Ertragreiche Landbewirtschaftung wird in Im Gegenzug erhalten die symbiontischen Zukunft nur auf Böden möglich sein, die in Organismen von den Pflanzen zuckerhal- der Lage sind, genügend Wasser für län- tige Substanzen als Energiequelle [10]. gere Dürrephasen zu speichern und Kul- Ebenfalls von Mikroorganismen im Boden turpflanzen damit zu versorgen. Gleichzei- produzierte hormonähnliche Substanzen tig muss das Bodengefüge eine hohe Infilt- können den Nährstoff- und Vitamingehalt rationsleistung aufweisen, um die großen von Erntegütern positiv beeinflussen und Wassermengen von Starkregenereignis- so auch die Lagerfähigkeit erhöhen [86]. sen schnell aufzunehmen, und somit den Verlust von Oberboden durch Wasserero- Neben den für das Pflanzenwachstum sion zu vermeiden. Andernfalls drohen die wichtigen Nährstoffen finden sich in land- Ernten zu verdorren oder mit dem Regen wirtschaftlichen Böden auch Schadstoffe, fortgeschwemmt zu werden. Das Boden- etwa Rückstände bzw. Abbauprodukte von leben stabilisiert das Bodengefüge, durch Pestizidanwendungen oder durch Gülle Ton-Humus Komplexe und erhöht die ausgebrachte Medikamentenrückstände Wasserinfiltration sowie die Wasserhalte- aus der Tierhaltung. Diese können ins kapazität von Böden und leistet so einen Grundwasser gelangen und Komplikatio- wichtigen Beitrag zum Landschaftswas- nen bei der Trinkwasseraufbereitung ver- serhaushalt (siehe hierzu Kapitel „Boden- ursachen [95]. Auf Grund der hohen Be- gefüge“) völkerungsdichte in Deutschland, der in- tensiven Landbewirtschaftung und dem Die Landbewirtschaftung ist für 13 % der hohen Pro-Kopf-Wasserverbrauch ist die Kohlendioxid-, 44 % der Methan- und Abhängigkeit von der Wasseraufbereitung 82 % der Lachgasemissionen in Deutsch- durch Bodenorganismen hierzulande be- land verantwortlich und trägt damit selbst sonders hoch [16]. Fruchtbare Böden mit erheblich zum Klimawandel bei [54]. Landwirtschaftlich genutzte Böden können 16
jedoch bei entsprechendem Management milieus von anaeroben zu aeroben Bedin- auch als potentielle Kohlenstoffsenke fun- gungen kann es zu Verlusten von bis zu gieren und klimaschädliches Kohlendioxid 7,5 Tonnen Bodenkohlenstoff pro Hektar aus der Atmosphäre binden. Mit 2,5 Milli- und Jahr kommen [101]. arden Tonnen stellen landwirtschaftlich genutzte Böden den größten terrestri- schen Speicher für organisch gebundenen Frühwarnsystem, Bioindikatoren Kohlenstoff in Deutschland [58] dar. Dem Treten Umweltbelastungen auf, reagieren Bodenleben kommt in diesem Zusam- Bodenorganismen besonders schnell und menhang eine zentrale Rolle zu. Von sensibel, da sie oft in direkten Kontakt Wurzeln, Pilzhyphen und von Bodenlebe- etwa mit Schadstoffen geraten. Bodenor- wesen produzierte zuckerhaltige Substan- ganismen können daher als Bioindikatoren zen stabilisieren das Bodengefüge und fungieren. Ein bereits erprobtes Beispiel schaffen so eine Bodenmatrix, die Kohlen- ist der Regenwurmindikator. Regenwürmer stoff dauerhaft aufnehmen und halten finden sich in fast allen Böden, abgesehen kann [73]. Zudem bilden streuabbauende von Permafrost und Wüstenböden [78]. Bodenorganismen Huminstoffe und weite- Sie reagieren sensibel auf Schwermetalle, re stabile Kohlenstoffformen, die sich für Änderungen im Säurehaushalt oder auf eine langfristige Festlegung in der Bo- Verunreinigungen mit Schadstoffen, da sie denmatrix eignen. Darüber hinaus verhin- durch ihre Schleimschicht in direktem Aus- dern methanotrophe, das heißt methanab- tausch mit der Bodenmatrix stehen und bauende und denitrifizierende, das heißt Boden auch direkt in ihren Verdauungs- stickoxidabbauende Bodenbakterien in gut trakt aufnehmen. So kann ein Abwandern belüfteten Böden, bevorzugt in Regen- von Regenwürmern von einer belasteten wurmgängen, dass die klimaschädlichen Fläche ein Indikator für eine Schwerme- Gase Methan und Lachgas in die Atmo- tallbelastung oder auch Verunreinigung sphäre gelangen. Diese würden dort eine mit organischen Schadstoffen sein [73]. 25 beziehungsweise 298 mal klimaschäd- Dem Naturschutz bietet dies die Möglich- lichere Wirkung als Kohlenstoffdioxid ent- keit frühzeitig Maßnahmen zum verstärk- falten [73, 94]. Durch Drainierung von ten Schutz betroffener Ökosysteme zu besonders kohlenstoffreichen Moorböden ergreifen um negative Auswirkungen auf kann jedoch auch das Gegenteil erreicht die gesamte Biodiversität abzuwenden. werden. Durch die Änderung des Boden- Regenwürmer reagieren besonders sensibel auf Schadstoffeinträge in den Boden und sind daher ein geeigneter Bioindikator. 17
18
Zustand und Gefährdung der eingebüßten Bodenfruchtbarkeit zei- gen. Die Gründe für diese Rückgänge sind des Bodenlebens vielfältig, lassen sich aber speziell für die Bodenorganismen auf eine intensive Nut- zung des Bodens eingrenzen [35]. Anstatt Beschrieben sind weltweit rund 1,38 Milli- die Bodenbiodiversität und ihre essentiel- onen. Tierarten, über 330.000 Pflanzenar- len Ökosystemleistungen zu erhalten und ten und über 100.000 Pilzarten [31]. Die zu fördern, wurde teilweise versucht, diese Zahl der noch nicht wissenschaftlich er- durch synthetische Dünge- und Pflanzen- fassten Organismen liegt aber noch deut- schutzmittel sowie tiefe, wendende Bo- lich höher. Nach dem Bericht des Weltbio- denbearbeitung zu ersetzen. diversitätsrates sind rund eine Million Ar- ten vom Aussterben bedroht [23]. Speziell Enge Fruchtfolgen oder gar Monokulturen Bodenorganismen sind bisher verhältnis- funktionieren nur mit einem hohen Einsatz mäßig wenig erforscht und erfasst. Der von Düngemitteln, Pflanzenschutzmitteln Trend der in Deutschland über die bun- und einer intensiven Bodenbearbeitung, desweiten Roten Listen der Tiere, Pflan- mit weitreichenden Folgen für das gesam- zen und Pilze Deutschlands erfasst wird, te Agrarökosystem inklusive der Biodiver- zeigt jedoch eine deutlich negative Rich- sität in den landwirtschaftlich genutzten tung: 37 % der Regenwurmarten, 22 % Böden [82]. der Asselarten, 24 % der Doppelfüßerar- ten, 7 % der Hundertfüßer, 35 % der Lauf- käferarten sowie 25 % der Großpilze sind Pestizide hier als gefährdet aufgeführt [6, 7, 88]. Zum Schutz der Ackerkulturen vor Schäd- Gerade im Bereich der Bodenorganismen lingen kommen in der konventionellen ist das Risiko, dass Arten verschwinden, Landwirtschaft Pflanzenschutzmittel in bevor diese überhaupt entdeckt und be- nahezu jeder Kultur zum Einsatz und dies schrieben wurden groß. meist mehrfach in der Vegetationszeit. Auch für Gefäßpflanzen, die mit ihren Auch im ökologischen Landbau werden Wurzeln im Boden verankert sind oder etwa BT- oder Kupferpräparate verwendet. deren Samen im Boden überdauern, zeigt In landwirtschaftlich genutzten Böden die Rote Liste der Farn- und Blütenpflan- kommen die verschiedenen eingesetzten zen Deutschlands, dass die Gefährdung ihrer Vielfalt weiter zugenommen hat: 28 % der Arten sind bestandsgefährdet, 2 % (65 Arten) sind bereits ganz ver- schwunden [8]. Besonders gefährdet sind insbesondere Arten, die auf landwirtschaft- liche Flächen spezialisiert sind [68]. Steigende Erträge durch Düngung und Züchtung haben den potenziellen Rück- gang der Erträge durch fortschreitenden Verlust der Bodenbiodiversität und damit auch der Bodenfruchtbarkeit aus dem Blickfeld gerückt. In den letzten Jahren stagnieren die Ertragszuwächse jedoch Gefährdung des Bodenlebens in Europa, veränderte und schon bald könnten sich die Folgen Darstellung nach EU EC/JRC 2016. 19
Pestizide zusammen und reichern sich Insektizide wirken nicht nur selektiv auf die teilweise an [20, 96]. Durch die so auftre- Schadorganismen der Kulturpflanzen, tende Kombinationswirkung verschiedener sondern gegebenenfalls auch auf andere Mittel treten zusätzliche letale und sub- Organismen wie Springschwänze (Col- letale Effekte auf Bodenorganismen auf, lembolen) im Boden [36]. Fungizide wirken die in den Zulassungsverfahren der Ein- auch auf Bodenpilze, die die Kulturpflan- zelsubstanzen in der Regel nicht berück- zen nicht befallen [20]. Besonders bedeu- sichtigt werden [30, 80]. tend sind dabei systemisch wirkende Pflanzenschutzmittel, die zunächst von der Mikroorganismen können Pestizidrück- Kulturpflanze über die Wurzel aufgenom- stände im Boden abbauen, jedoch entste- men werden müssen und daher im Boden hen bei diesem Abbau zunächst Zwi- höhere Konzentrationen erreichen. Das schenprodukte (Metabolite), die immer Wissen um die Wirkung von Pflanzen- noch sehr hohe oder teils sogar höhere schutzmitteln auf Bodenorganismen ist Wirksamkeit als die Ausgangssubstanzen dringend ausbaubedürftig, da bisher kein haben [98]. gesetzlich vorgeschriebenes Monitoring Wie gesteigerte Nährstoffgaben durch für Pflanzenschutzmittel oder deren Rück- Düngung, können auch Pflanzenschutz- stände in landwirtschaftlichen Böden exis- mittelanwendungen zur Folge haben, dass tiert [114]. die Biodiversität auch im Boden abnimmt und sich das Artenspektrum verschiebt. Einzelne Arten können davon profitieren, Mineralische Düngung weshalb die Auswirkungen von Pflanzen- Heute werden 74 Prozent des weltweit zur schutz-mittelanwendungen bei einfachen Düngung eingesetzten Stickstoffs synthe- Messungen der Biomasse von Bodenle- tisch erzeugt, wodurch die natürlichen bewesen nicht zwingend sichtbar werden. Nährstoffkreisläufe langfristig und kontinu- Eine klare Verschiebung des Artenspekt- ierlich angereichert und so aus dem natür- rums konnte für alle drei Hauptgruppen lichen Gleichgewicht gebracht werden. von Pestiziden in einer Vielzahl von Stu- dien nachgewiesen werden. Bei Herbizi- Zusätzliche Nährstoffeinträge, auch in na- den belegten 80 %, bei Fungiziden 87 % turnahen Ökosystemen, steigern zwar und bei Insektiziden sogar 95 % der Stu- zunächst die Pflanzenbiomasse, jedoch dien eine deutliche Verschiebung des Ar- profitieren davon nur wenige Arten, die in tenspektrums [83]. der Folge alle anderen Arten verdrängen. So nimmt die Diversität ab. Dieser Trend setzt sich durch die Zersetzung der Streu folglich auch beim Bodenleben fort. Pflan- zenbiomasse aus eutrophen Gebieten hat ein engeres Kohlenstoff- Stickstoffverhältnis und ist leichter abbau- bar. Profitieren können so nur auf solche Biomasse spezialisierte Bodenorganis- men. Organismen, die sich auf den Abbau von Hemizellulosen oder Lignin sowie anderen stabilen Molekülen aus Pflanzen- zellwänden spezialisiert haben, gehen in Bei der Ausbringung von Pflanzenschutzmitteln auf ihren Beständen zurück [73]. Zudem kann noch junge Kulturpflanzen landet ein großer Teil des Wirkstoffes direkt auf dem Boden. durch die gesteigerte Abundanz einiger 20
spezialisierter Bodenorganismen der Hu- Nährstoffe verstärkte und dichtere Pflan- mus im Boden schneller abgebaut werden, zenbewuchs auf der Bodenoberfläche da- wodurch langfristig allen Bodenorganis- für, dass Insekten für die Eiablage kaum men eine wichtige Nahrungsquelle ver- noch Zugang zum Boden finden. Auch siegt [49]. wird das bodennahe Klima durch den Be- wuchs kühler und feuchter. Dies erhöht Pflanzen, die bereits gut mit Nährstoffen das Risiko, dass Larven nicht rechtzeitig versorgt sind, sind nicht mehr auf Symbio- aus Gelege schlüpfen oder von Pilzen sen mit Mykorrhizapilzen oder stickstofffi- infiziert werden. Mangelnde Sonnenein- xierenden Bakterien angewiesen, um ihren strahlung auf der Bodenoberfläche ent- Bedarf zu decken. Daher reduzieren sie zieht auch niedrigeren phototrophen Or- die Energieversorgung der Symbionten ganismen wie Algen oder Cyanobakterien und sondern weniger Wurzelexsudate ab. die Lebensgrundlage und reduziert deren Besonders betroffen sind davon Pilze [43] Diversität [73]. und Rhizobiumbakterien [11]. Zudem sorgt der durch die zusätzlichen Überschreitung der ökologischen Belastungsgrenzen (Critical Load) für Eutrophierung durch Stickstoff- einträge im Jahr 2015, veränderte Darstellung nach Schaap et al. In UBA 2018. 21
Versauerung Cadmium oder Uran [103]. Bei wiederhol- Während im letzten Jahrhundert noch vor ter Anwendung reichern diese Schwerme- allem Schwefelemissionen aus der Ver- talle sich in den oberen Bodenschichten brennung fossiler Brennstoffe für Säure- an, da sie im Boden kaum verlagert wer- einträge verantwortlich waren, sind heute den. meist Stickstoffemissionen und Düngung für die Versauerung von Böden besonders Wirtschaftsdünger wie Gülle aus der Tier- der Agrarlandschaft verantwortlich. Auf mast können Rückstände von Tierarznei- Grund von Veränderungen des Säure- mitteln, die in der Tierproduktion breite haushaltes kommt es zur Verschiebung Anwendung finden, enthalten [103]. Medi- des Pilz-Bakterien-Verhältnisses. Die kamentenrückstände wie auch deren erste Symbiose von Pflanzenwurzeln mit Mykor- Abbauprodukte wirken bereits in sehr ge- rhizapilzen funktioniert mitunter nicht ringen Konzentrationen negativ auf viele mehr, was eine geringere Phosphorver- Bodenorganismen [113]. Antibiotika etwa sorgung von Kulturpflanzen bedingen können resistenten Organismen in der kann. Auch können durch die Säuren be- Umwelt sehr schnell einen Selektionsvor- stimmte Salze gelöst werden, die wichtige teil verschaffen [45]. Langfristig können Kulturpflanzennährstoffe wie Phosphor resistente Mikroorganismen auch für den fixieren, die damit den Pflanzen fehlen, Menschen ein Gesundheitsrisiko darstel- oder im Falle von im gleichen Kontext ge- len [113]. Antiparasitika werden im Ma- lösten Schwermetallen auch belasten [73]. gendarmtrakt von Nutztieren nicht abge- baut und gelangen so durch den Dung direkt auf Weideflächen. Dort stellt Dung für viele Organismen- und Artengruppen Sonstige Schadstoffe wie Regenwürmer, Zikaden und Fliegen Mineralische Düngemittel wie etwa Phos- eine wichtige Nahrungsquelle und Ort zur phor- oder Kalidünger enthalten neben Eiablage dar. Mit Medikamentenrückstän- den gewünschten Pflanzennährstoffen den kontaminierter Dung schädigt diese auch Anteile an Schwermetallen wie Organismen und verbleibt daher oft lange Zeit auf den Weideflächen, ohne biolo- gisch abgebaut werden zu können [91]. Es gibt noch eine Vielzahl weiterer organi- scher Schadstoffe, die teils sehr persistent sind und sich daher auch langfristig im Boden anreichern können. Eine neuere Art dieser Schadstoffe stellen Mikro- (Teil- chengröße < 5 mm) und Nanoplastik (Teil- chengröße < 0,1 µm) dar. Diese werden in jüngerer Zeit immer häufiger in Oberböden nachgewiesen und stören dort physisch und chemisch das Nahrungsnetz [97]. Umweltgefährlicher Stoff! So gekennzeichnete Sub- stanzen sollten keinesfalls in Böden eingetragen wer- den. 22
Bodenbearbeitung, Bodenverdichtung dazu, dass das Bodenleben auf Ackerbö- und Erosion den weniger divers ist und vor allem aus Pflügen verlagert die sehr belebte und mit Mikroorganismen besteht [102]. Doch organischem Material angereicherte Bo- auch Pilze, die oft weit verzweigte Netze denschicht in eine Tiefe, in der viele Orga- aus Pilzhyphen im Boden ausbilden, wer- nismen nicht mehr effektiv arbeiten kön- den durch den mechanischen Eingriff be- nen. Zusätzlich werden Gänge und Poren einträchtigt. So wird auch die Symbiose zerstört [20]. Damit hat das Pflügen von von Kulturpflanzen mit Mykorrhizapilzen allen mechanischen Bodenbearbeitungs- nachhaltig gestört [13]. formen den gravierendsten Einfluss auf die Bodenbiodiversität. Besonders Re- Intensive Bodenbearbeitung zerstört zu- genwürmer werden oft direkt betroffen dem das natürliche Bodengefüge und er- [73]. Die Würmer werden vom Pflug ver- höht die Anfälligkeit gegenüber Bodenver- letzt und an die Bodenoberfläche beför- dichtung. In der EU zeigen 35 Prozent der dert, wo sie eine leichte Beute für Vögel landwirtschaftlichen Böden deutliche Ver- und andere Räuber sind [42]. Generell dichtungsschäden [49]. Verdichtete Böden sind von mechanischen Eingriffen in das bieten größeren Bodenlebewesen wie Bodengefüge die Makro- und die Me- Arthropoden oder Würmern nur noch ein- sofauna besonders betroffen. Dies führt geschränkten Lebensraum, da der Ener- Vögel finden an den durch den Pflug an die Bodenoberfläche beförderten Bodenlebewesen ein leichtes Fressen. 23
oder Maulwurf, wechselwarm. Ihre Stoff- wechselaktivität wird daher maßgeblich von der Temperatur beeinflusst. Steigende Temperaturen bewirken so einen gestei- gerten Energiebedarf. Stoffumsatzprozes- se und somit der Abbau von organischem Material im Boden werden sich beschleu- nigen [72]. Teilweise wird dieser Effekt durch eine längere Wachstumsperiode und gesteigerte Photosyntheseraten der Eine Folge intensiver Bodenbearbeitung und Pflanzen kompensiert werden können, Verdichtung: Überschwemmung durch niedrige Infiltrationsraten von Böden mit gestörter Struk- jedoch werden häufigere Extremwetterer- tur. Bodenlebewesen, die auf belüftete Böden eignisse wie Dürren und Starkregen die- angewiesen sind, können hier nicht überleben. sen Effekt stark begrenzen oder gar um- gieaufwand zur Fortbewegung im verdich- kehren [55, 72]. Für Deutschland wird der- teten Boden zu groß wird [73]. Eine weite- zeit von einem mittleren Verlust von 190 re Folge ist die erhöhte Erosionsanfällig- kg Bodenkohlenstoff pro Hektar und Jahr keit und Staunässe, die eine ausreichende ausgegangen [58]. Sauerstoffversorgung des Bodenlebens Ausgetrocknete Böden sowie Starkregen- stört. Das gestörte Bodengefüge in Kom- ereignisse bergen ein großes Erosionsrisi- bination mit gesteigertem Oberflächenab- ko und gefährden damit den am dichtesten fluss sorgt dafür, dass der Oberboden von und diversesten besiedelten Oberboden. Wind und Regen fortgetragen wird. Gera- Neben der Temperatur und der Verfügbar- de der Oberboden, der reich an organi- keit von organischem Material ist die Bo- schem Material und damit Nahrung für das denfeuchte ein wichtiger Faktor für das Bodenleben ist, bietet die höchste Bio- Bodenleben und dessen Aktivität [99]. diversitätsdichte [73]. In Europa haben Lange Trockenheitsphasen werden sich 45 Prozent der Böden bereits deutlich an daher auch auf die Biodiversität in land- organischer Substanz im Oberboden ver- wirtschaftlich genutzten Böden auswirken. loren [49]. Weiterhin birgt der gesteigerte Abbau or- ganischer Substanz im Boden das Risiko, dass Kohlendioxid in die Atmosphäre ent- Klimawandel weicht und den Klimawandel zusätzlich Die globale Veränderung des Klimas wird auch zu gesteigerten Temperaturen in den oberen Bodenschichten führen. Eine ge- steigerte Bodentemperatur wirkte sich in Laborstudien direkt auf das Verhältnis von Pilz- und Bakterienpopulationen aus [15]. In Freilandversuchen konnte gezeigt wer- den, dass bereits ein Temperaturanstieg von 0,6 °C in Kombination mit veränderter Niederschlagsverteilung die Biomasse des Bodenlebens um 17 Prozent verringerte [116]. Effekte auf das weitere Nahrungs- netz sind daher anzunehmen. Bodenorga- Ein derart ausgetrockneter Boden stellt auch für das nismen sind, mit Ausnahmen der Säuge- Bodenleben einen nur eingeschränkten Lebensraum dar. tiere wie beispielsweise Mäuse, Hamster 24
befördert [2]. Besonders kommt dies bei beansprucht werden [64]. Moor- und anderen wassergesättigten Böden zum Tragen. Obwohl Moorböden Der gesteigerte Bedarf landwirtschaftlicher nur sechs Prozent der landwirtschaftlich Produkte ergibt sich zunächst aus dem genutzten Fläche in Deutschland ausma- Bevölkerungswachstum, kombiniert mit chen, ist in ihnen rund ein Viertel des ge- einem deutlichen Wandel des Konsum- samten Bodenkohlenstoffs landwirtschaft- verhaltens. Weltweit wird heute rund ein lich genutzter Flächen festgelegt [58]. Drittel der Ackerfläche genutzt, um Futter Letztlich werden sich durch den Klima- für die gesteigerte Nachfrage an tierischen wandel verursachte Änderungen der ober- Produkten anzubauen. In der EU landen irdischen Biodiversität, besonders in der 60 Prozent der Getreideernte im Trog und Pflanzenwelt, auch auf die Bodenbiodiver- nicht mehr direkt auf dem Teller [49]. sität übertragen. Die wachsende Bioökonomie sorgt zusätz- Auch können sich durch ausbleibenden lich dafür, dass landwirtschaftliche Flä- Bodenfrost im Winter invasive Arten wie chen heute auch genutzt werden, um in- beispielsweise Plattwürmer ausbreiten, die dustrielle Rohstoffe oder Bioenergie zu heimische Bodenfauna bedrohen und so produzieren. Dies erhöht den Flächen- Bodenfunktionen langfristig stören [9]. druck weiter und ist meist mit einer weite- ren Intensivierung der landwirtschaftlichen Praxis verbunden [49]. Beispielsweise konnte gezeigt werden, dass bei der Um- Bodenverlust und Flächendruck wandlung von extensivem Grünland in Dass die landwirtschaftlich genutzte Flä- Ackerland 47 Prozent der Individuen im che einem wachsenden Druck durch ver- Boden verloren gehen und die Biomasse schiedene Ansprüche ausgesetzt ist, ist des Bodenlebens um 37 Prozent sinkt einer der Faktoren, die die voranschrei- [116]. tende Intensivierung der Landbewirtschaf- tung befördern. Während der Bedarf an Verbunden mit den zum größten Teil im- landwirtschaftlichen Produkten stetig mer noch an den Flächenbesitz gebunde- steigt, sinkt gleichzeitig die dafür zur Ver- nen Fördergeldern aus der Gemeinsamen fügung stehende landwirtschaftliche Nutz- Agrarpolitik der EU (GAP) hat dieser Flä- fläche, da in Deutschland täglich ca. 56 chendruck auch große Auswirkungen auf Hektar für Siedlungs- und Verkehrsfläche den Bodenmarkt. Im Zeitraum von 2009 bis 2019 haben sich die Preise für Acker- und Grünland um den Faktor 2,3 erhöht [22]. In der Folge drängen vor allem rendi- teorientierte und häufig landwirtschafts- fremde Investoren auf den Markt. Eine langfristige und an Bodenleben und Bo- denfruchtbarkeit orientierte Betriebspla- nung bleibt dabei anschließend oft außen vor. 56 Hektar Boden werden in Deutschland täglich für Siedlungs- und Verkehrsflächen beansprucht. 25
Sie können auch lesen