Bulletin Shaping the Digital Future - asut

 
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 Shaping the Digital Future

1/2016
Bulletin Shaping the Digital Future - asut
Inhalt

EDITORIAL
Die Zukunft ist jetzt											 3
L'avenir, c'est maintenant										 4

ICT-NETWORKINGPARTY
Ein zauberhafter Abend										 5

SCHWERPUNKT/INTERVIEW
Wir müssen flexibler werden										 8
Il nous faudra être plus flexibles									12

SCHWERPUNKT
Switzerland? – SwITCerland!										16
Es geht um mehr als Wachstum									17
Geschäftsmodelle für die digitale Zukunft 								18
Digitaler Nachholbedarf										21
Radikaler Strukturwandel in Sicht									22
Schweizer Pavillon an der ceBIT									22
Wie Smart Living unser Leben verändern wird								24
Bringt Gebäudetechnik die Wende? 									28
Intelligent vernetzt unterwegs										31
Mein Kühlschrank, der Besserwisser									32

COMMUNICATION INFRASTRUCTURE
IT-Verkabelung im Spitalwesen										33

AGENDA												34

                                                                                                   IMPRESSUM
                                                                                                 Organ der asut
                                                                                 Schweizerischer Verband der Telekommunikation
                                                                                                Organe de l’asut
                                                                                   Association Suisse des Télécommunications

                                                                Erscheint achtmal jährlich – Paraît huit fois par an
                                                                Herausgeber – Editeur
                                                                Vorstand der asut – Comité directeur de l’asut
                                                                Redaktionskommission – Commission rédactionnelle
                                                                Peter Grütter, Christian Grasser, Dominik Müller
                                                                Redaktionsleitung – Direction de la rédaction
                                                                Christine D’Anna-Huber (cdh), Klösterlistutz 8, CH-3013 Bern
                                                                Tel. +41 (0)79 593 02 75
                                                                Geschäftsstelle – Administration
                                                                Klösterlistutz 8, CH-3013 Bern
                                                                Tel. +41 (0)31 560 66 66
                                                                E-Mail: info@asut.ch
                                                                Weiterverwendung nur mit Bewilligung der Redaktion
Titelbild und alle nicht anders bezeichneten Fotos: 123rf.com
                                                                Reproduction interdite sans l’autorisation de la rédaction
Übersetzungen: CLS Communication, Basel.

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EDITORIAL

Die Zukunft ist jetzt

Seit 2000 Jahren spielen Menschen Go,                              Voraussetzung dafür sind allerdings
ein in seiner Komplexität wunderschönes                          Rahmenbedingungen, die der digitalen Ent-
strategisches Brettspiel aus Asien. Nun                          wicklung gewachsen sind. In der Schweiz
hat erstmals ein Computer einen Go-                              stehen 2016 wichtige ICT-relevante Geset-
Meister geschlagen, die Schlagzeile ist                          ze und Verordnungen auf der politischen
kürzlich um die ganze Welt gegangen.                             Agenda. Hier gilt es nun ebenfalls, die rich-
Warum die Aufregung? Weil es schach-                             tigen Weichen zu stellen. Ganz zuvorderst
spielende Computer zwar schon lange                              zu nennen ist in diesem Zusammenhang
gibt, Go aber als eine der letzten Bas-                          die (Teil-)Revision des Fernmeldegesetzes
tionen galt, wo die Maschinenintelligenz Peter Grütter.           (FMG), wo wichtige Aspekte wie Netzneu-
nicht an die Intelligenz des Menschen                             tralität, Jugend- und Konsumentenschutz
rühren konnte. Nun ist auch sie gefallen.                 (Werbeanrufe/Bündelverträge/Roamingpreise)
         Die Digitalisierung geht weiter. Die Chan-       geregelt werden sollen – und damit auch die
cen, die sie bietet, sind enorm, aber gleichzeitig        Frage, inwieweit Eingriffe in die Wirtschaftsfreiheit
werden auch die Transformationsprozesse, die              überhaupt gut und nötig sind. Weiter auf dem
sie mit sich bringt, immer anspruchsvoller. Nie-          Programm stehen die Grenzwerte und Bewilli-
mand zweifelt mehr daran: Die Digitalisierung             gungsverfahren für Mobilfunkanlangen, um die
wird Wirtschaftsstrukturen und Produktionspro-            Qualität der Mobilfunknetze – das Nervensystem
zesse tiefgreifend verändern, den Arbeitsmarkt            der Digitalisierung – zu erhalten. Relevant auch
und ganze Berufsfelder umpflügen. Wie und in              BÜPF und Datenschutzgesetz, beides Vorlagen,
welchem Ausmass – dazu gibt es teilweise alar-            bei denen es nicht nur um staats- und rechts-
mistische Berichte und Voraussagen. Auch hier             politische Fragen geht, sondern auch darum,
haben sich die Schlagzeilen («Massenarbeitslo-            kein Korsett zu schaffen, das den Unternehmen
sigkeit!», «Die Roboter werden uns verdrängen!»)          das Leben schwer macht.
in letzter Zeit überschlagen.                                      Nur wenn die Schweiz weiterhin über eine
         Aber so muss es nicht sein. Die Schweiz          hervorragende ICT-Infrastruktur verfügt und der
ist die derzeit innovativste Volkswirtschaft der          Wettbewerb funktioniert, können wir die Chancen
Welt, hat gut ausgebildete Fachkräfte, ausge-             packen, die die Digitalisierung mit sich bringt.
zeichnete Hochschulen und einen soliden und               Zum Beispiel indem wir in Smart Cities die riesi-
international gut vernetzten Werkplatz. Wenn wir          gen Herausforderungen meistern, die im Bereich
uns anstrengen und auch bewährte Denkmus-                 der Infrastruktur (Energie, Verkehr, Raumplanung,
ter regelmässig hinterfragen, wenn wir in den             Schulen, Sicherheit und Gesundheit) auf uns
Geschäftsmodellen die dynamische Entwicklung              zukommen. Unter dem Jahresmotto «Shaping
aufnehmen und in Aus- und Weiterbildungs-                 the Digital Future», dem auch der Swiss Tele-
lehrgängen die nötigen Kompetenzen für die                communication Summit im Juni gewidmet sein
digitale Wirtschaft vermitteln, dann werden Land          wird, setzt sich asut 2016 vertieft mit den ganz
und Wirtschaft nachhaltig erfolgreich bleiben.            konkreten Fragen auseinander, mit denen die
Und wenn uns die Roboter dabei etwas Arbeit               Digitalisierung die Schweizer Unternehmen und
ab- (nicht weg-)nehmen, bedeutet das für uns              insbesondere KMU konfrontiert. Denn die Zukunft
vielleicht sogar mehr Zeit für Familie und Hob-           ist jetzt. Es wäre schade, sie zu verpassen. o
bies.                                                     Peter Grütter, Präsident asut

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EDITORIAL

L'avenir, c'est maintenant
             Le go, jeu stratégique de plateau                                  Mais tout cela présuppose la
             originaire d’Asie, formidable dans sa                      mise en place de conditions à la hau-
             complexité, se pratique depuis 2000                        teur de la progression du numérique.
             ans. Un ordinateur vient de battre                         En 2016, d’importantes lois et ordon-
             pour la première fois un champi-                           nances relatives aux TIC sont inscri-
             on humain du go. L’évènement a                             tes dans l’agenda politique de la Su-
             défrayé la chronique dans le mon-                          isse. Il s’agit maintenant de prendre
             de entier. Pourquoi tant d’émotion?                        les bonnes orientations. Citons ici en
             La raison en est simple. Alors que                         tout premier lieu la révision (partiel-
             l’ordinateur joue aux échecs depuis Peter Grütter.         le) de la loi sur les télécommunica-
             longtemps déjà, go était considéré                       tions (LTC), ainsi que des thématiques
             comme l’un des derniers bastions pour lequel essentielles comme la neutralité du réseau,
             l’intelligence artificielle ne pouvait rivaliser la protection de la jeunesse et des consom-
             avec l’homme. Or ce bastion vient de tomber. mateurs (démarchage par téléphone, regrou-
                       La numérisation progresse. Si les op- pement des contrats, prix de l’itinérance), et
             portunités qu’elle recèle sont énormes, les par suite aussi la question de l’intérêt ou du
             processus de transformation qu’elle implique bien-fondé d’atteintes à la liberté économique.
             sont de plus en plus exigeants. Plus per- Egalement à l’ordre du jour, la révision de
             sonne n’en doute: la numérisation entraîne- l’ORNI pose un fondement indispensable pour
             ra une profonde mutation des structures de assurer la qualité des réseaux de téléphonie
             l’économie et des processus de production, mobile, le système nerveux de la numérisation.
             bouleversera le marché du travail et des do- La LSCPT et la loi sur la protection des don-
             maines professionnels entiers. Comment et nées méritent aussi d’être mentionnées dans
             dans quelles proportions? Cette question sus- ce contexte. En effet, ces deux projets de loi
             cite à l’heure actuelle des prédictions et des touchent non seulement des questions de po-
             rapports parfois alarmistes. Ici encore, les litique juridique et nationale, mais elles visent
             manchettes des journaux se sont déchaînées aussi à ne pas créer un corset qui empoison-
             dernièrement («chômage de masse», «les ro- nerait la vie des entreprises.
             bots vont prendre notre place»).                           Si la Suisse continue de disposer
                      Ce n’est pourtant pas une fatalité. La   d’une infrastructure TIC remarquable, et si la
             Suisse est aujourd’hui l’une des économies        concurrence continue de fonctionner, alors
             les plus innovantes au monde. Elle possède        nous pourrons saisir les opportunités inhéren-
             des professionnels très qualifiés, des hautes     tes à la numérisation, en relevant, par exemple
             écoles remarquables, et une solide industrie,     dans des villes intelligentes, les défis auxquels
             dotée d’un bon réseau. Si nous veillons à         nous sommes confrontés dans le domaine des
             remettre régulièrement en question les sché-      infrastructures (énergie, transports, aménage-
             mas de pensée même éprouvés, à intégrer           ment du territoire, écoles, sécurité et santé).
             l’évolution dynamique dans les modèles com-       Sous la devise «Shaping the Digital Future»,
             merciaux, à enseigner les compétences re-         qui sera aussi le thème de son sommet des
             quises pour l’économie numérique dans des         télécommunications en juin prochain, l’asut
             cursus de formation initiale et continue, alors   se penchera, en 2016, sur les questions très
             la pérennité de notre réussite nationale et       concrètes auxquelles sont confrontées les en-
             économique sera assurée. Et si les robots         treprises suisses, et plus particulièrement les
             nous retirent un peu de travail (sans aller       PME, du fait de la numérisation. Car l’avenir,
             jusqu’à parler de confiscation), nous aurons      c’est maintenant. Et il serait dommage de
             peut-être ainsi plus de temps pour la famille     manquer le coche.
             et les loisirs.                                   Peter Grütter, président de l’asut

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ICT-NETWORKINGPARTY

Ein zauberhafter Abend
Und wieder waren alle da, und wieder             Janik (Microsoft), Felix Kamer (Huawei), Su-
erlebten sie einen äusserst gelungenen           sanne Ruoff (Post), Urs Schaeppi (Swiss-
Abend. Auch wenn die ICT-Networking-             com), Chris Tanner (AdNovum), Libor Von-
party heuer zum 14. Male stattfand:              cina (Sunrise). Aus der Bundesverwaltung
Die von Fritz Sutter erfundene Formel            kamen Giovanni Conti (BIT), Nicoletta della
ist top und noch längst nicht in die             Valle (fedpol), René Dönni (Bakom), Martin
Jahre gekommen. Und der letzte der               Dumermuth (Bundesamt für Justiz), Peter
zur Unterhaltung der Gäste eingelade-            Fischer (ISB), aus den Kantonen Marcel
ne Referenz war eine Sensation: Die              Schwerzmann (Regierungsrat Luzern) und
Rede ist vom zauberhaften iPad-Magier            Beatrice Simon (Finanzdirektorin Kanton
Simon Pierro.                                    Bern), für die Verbände gaben sich Jörg
(cdh) – Die Liste der 1400 Gäste am wie-         Aebischer (ICT-Berufsbildung Schweiz) Tho-
derum restlos ausverkauften Branchenan-          mas Flatt (swissICT), Peter Grütter (asut),
lass vom 21. Januar liest sich wie ein           Matthias Kaiserswerth (Hasler Stiftung), An-
Who-is-Who-in-Switzerland: 12 National-          dreas Knöpfli (Swico) oder Andrej Vckovski
räte, 4 Ständeräte, dazu die CEOs aller          (simsa) die Ehre.
wichtigen Schweizer ICT-Firmen. Ein paar                 Und war es nur ein euphorischer
Namen gefällig? Da waren, in alphabeti-          Eindruck, unter dem Einfluss eines währ-
scher Reihenfolge und ohne Anspruch auf          schaften, aber sehr leckeren Abendessens
Vollständigkeit aus der Politik beispielswei-    (Käse- und Spinatwähen sowie bunte Sa-
se Viola Amherd, Jacqueline Badran, Edith        late) und der grosszügig bemessenen Ge-
Graf-Litscher, Hans Stöckli, Franz Grüter,       tränke? Jedenfalls wollte es der Berichter-
Martin Landolt und Filippo Lombardi anzu-        statterin so vorkommen, als sei die Anzahl
treffen. Die Wirtschaft vertraten Pierre-Alain   der anwesenden Damen – und zwar der
Allemand (Salt), Marcel Borgo (HP), Martin       in ICT-Branche, Politik und Verwaltung
Bürki (Ericsson), Patrick Burkhalter (Ergon),    wichtigen anwesenden Damen – im Verlauf
Christoph Höinghaus (Trivadis), Marianne         der letzten Jahre kontinuierlich angewach-

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ICT-NETWORKINGPARTY

             sen. Inzwischen ist der Frauenanteil unter     land, einem der gefragtesten Meister sei-
             den Gästen gar so stattlich geworden, dass     ner Zunft, der Zaubertechnik perfekt mit
             an diesem Abend keine Rede mehr war            digitaler Illusion verbindet. Er hatte einen
             von der traditionellen, sicher gut gemein-     iPad dabei, dessen Betriebssystem mehr
             ten, aber eben doch sehr altväterischen
                                                            konnte, als es sich wohl selbst die innova-
             Tischregel von früher, die da wollte, dass
                                                            tivsten Vertreter der im Saal versammelten
             weibliche Gäste an diesem Abend «nicht
             im Service» seien. Tempi passati, endlich?     Schweizer ICT-Branche jemals hätten träu-
             Oder vielleicht doch eher ein Verdienst der    men lassen. Pierro jedenfalls holte in jeder
             energischen Veranstalterin Vania Kohli, die    Hinsicht viel aus seinem Gerät: von Ten-
             schliesslich dafür bekannt ist, keinen Un-     nisbällen und Kugelschreiber bis hin zum
             sinn zu dulden? Um alle Gäste empfangen        frisch gezapften Bier.
             zu können, waren übrigens auch dieses
                                                                     Davor, dazwischen, vor allem aber
             Jahr die Tische nicht nur dicht an dicht
             in der Arena gedeckt, sondern auch im          danach, entfaltete die ICT-Networkingparty
             Forum des Kursaals, wo grosse Bildschir-       ihre grosse Stärke: als perfekt funktionie-
             me direkt übertrugen, was auf der Bühne        render Rahmen für Gespräche und Begeg-
             drinnen vor sich ging.                         nungen zwischen hochkarätigen Branchenin-
                    Das Programm war wie folgt: Eröff-      und spannenden Branchenoutsidern. o
             net wurde der Abend von Neo-Ständerat          Die nächste ICT-Networkingparty findet am
             Ruedi Noser, bei dem das langjährige En-
                                                            19. Januar 2017 im Kursaal Bern statt.
             gagement für die IT-Branche und der Vor-
             sitz von ICTswitzerland offenbar deutliche
             Spuren hinterlassen haben: In seiner An-
             sprache jedenfalls häuften sich die Anzei-
             chen dafür, dass er überall die Abkürzung
             IT sieht. Zum Beispiel in «SwITzerland».
             Und im Parlament ortet er, nach den
             Wahlen vom vergangenen Herbst, neben
             einem Rechts- auch einen ausgeprägten
             «IT-Rutsch».
                    Ruedi Nosers launiger Rede folg-
             ten zwei weitere Vorträge: Der erste,
             von Peter Marthaler, früherer Radio- und
             Fernsehjournalist sowie Kommunikations-
             verantwortlicher der Mobiliar, stellte die
             Kommunikation und die Tätigkeiten sei-
             nes Unternehmens ins Zentrum, das zwei-
             te, überaus kurzweilige Referat hingegen
             den Menschen. Der mit einem ausge-
             prägten Hang zu Partizip Präsens geseg-
             net seiende, überaus eloquente Neuro-
             psychologieprofessor Lutz Jäncke von der
             Universität Zürich wusste nämlich viel Kuri-
             oses von der Unvernunft des menschlichen
             Hirns zu berichten. Noch vor dem Des-
             sert dann folgte einer der Höhepunkte des      Festlicher Abend und beste Stimmung im bis auf den
                                                            letzten Platz besetzten Kursaal (oben), Pascale Bruderer
             Abends: Ein wahrhaft magischer Moment          (Ständerätin AG), Christoph Nufer (Leiter Bundeshausre-
             mit dem Magier Simon Pierro aus Deutsch-       daktion von SRF), Vania Kohli (Gastgeberin).

bulletin 6                                                                                               1/2016
Bulletin Shaping the Digital Future - asut
ICT-NETWORKINGPARTY

Von oben links nach unten rechts im Uhrzeigersinn: Franz Grüter (Nationalrat LU) und Ruedi Noser (Präsident ICTswit-
zerland, Ständerat ZH); Susanne Ruoff (CEO Post), Andreas Meyer (CEO SBB); Simon Pierro beim iPad-Bierausschank
mit Gastgeberin Vania Kohli; Stefan Muff (Axon) und Urs Schaeppi (CEO Swisscom); Prof. Lutz Jäncke (Referent) und
Fritz Sutter (Erfinder der ICT-Networkingparty); Stefan Meierhans (Preisüberwacher), Beatrice Simon (Regierungsrätin
BE) und Jean-Pierre Streich (ehem. Konzernleitung Post); Christian Wasserfallen (Nationalrat BE), Maya Lalive (ehem.
Präsidentin ICTswitzerland), Edith Graf-Litscher (Nationalrätin TG); Stefan Kilchenmann (Swisscom), Stephanie Teufel
(IIMT), Peter Grütter (Präsident asut) und Christian Weber (Seco)                                Fotos: ICT-Networkingparty

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Bulletin Shaping the Digital Future - asut
SCHWERPUNKT/INTERVIEW

Wir müssen flexibler werden

             Der digitale Wandel ist allgegenwärtig.               telligente Verwaltung der verfügbaren Flächen,
             Er verändert die Berufswelt und zwingt                seien es Wohnraum oder Parkplätze. Ein Bei-
             Unternehmen, ihre Geschäftsmodelle zu                 spiel: Heute werden die in Schulen und Uni-
             überdenken. Wer die Chancen der Digitali-             versitäten verfügbaren Flächen nur etwa rund
             sierung nutzen will, muss neue Ansätze für            30 Prozent der Zeit genutzt, obwohl es sich
             die gesamte Wertschöpfungskette entwi-                um Bauten handelt, die auch zu anderen Zwe-
             ckeln. In diesem Gespräch erläutert Jacky             cken dienen könnten. Dank der Digitalisierung
             Gillmann, Präsident des Verwaltungsrates              werden wir Lösungen finden, um die Nutzung
             von Losinger Marazzi, was die Digitalisie-            solcher Flächen zu verbessern.
             rung für das Baugewerbe bedeutet.                     Die Digitalisierung ermöglicht also vor allem
             asut: Mithilfe der Digitalisierung wird die Stadt     eine effizientere Verwendung der vorhandenen
             von morgen intelligent. Wo sehen Sie die Haupt-       Ressourcen?
             unterschiede zu unseren heutigen Städten?             Genau. Das wird dazu führen, dass wir zuneh-
             Jacky Gillmann: Die Stadt von morgen wird             mend zu einer Gesellschaft werden, die ihre
             dichter – beispielsweise also mehr in die Höhe        Ressourcen teilt. Dies umso mehr, als wir in
             – bebaut, gleichzeitig gewährleistet sie mit          Zukunft mit den vorhandenen Rohstoffen sorg-
             Orten des Austauschs, der Begegnung und               fältiger umgehen müssen. Alles, was getauscht
             Geselligkeit eine gute Lebensqualität. Ganz be-       oder geteilt werden kann, ist daher ein Schritt
             stimmt ist sie in allen Bereichen hochgradig          in die richtige Richtung. Die Vernetzung von
             vernetzt: Mobilität, Energieerzeugung und -ver-       Personen und Maschinen hilft uns dabei.
             brauch, Steuerung der Informationsflüsse, in-         Schauen wir uns ein konkretes Beispiel an.
                                                                   Losinger Marazzi entwickelt und verwirklicht
                                                                   solche Konzepte in seinen Ökoquartieren. Wie
                                                                   muss ich mir das Leben dort vorstellen?
                                                                   Sie wären über verschiedene Apps mit allen
                                                                   verfügbaren Dienstleistungen, mit ihrer unmit-
                                                                   telbaren Nachbarschaft, mit ihrem Quartier
                                                                   und ihrer Stadt verbunden. Sie wüssten also
                                                                   immer, was in Ihrer Umgebung läuft und wo
                                                                   gerade ein Nachbarschaftsfest stattfindet. Und
                                                                   weil Ihre Gewohnheiten und Vorlieben bekannt
                                                                   wären, würden Sie zum richtigen Zeitpunkt ge-
                                                                   nau die Informationen erhalten, die für Sie
                                                                   relevant sind. All dies wird die Art und Weise
                                                                   verändern, wie wir konsumieren, leben und
                                                                   arbeiten. Ganz sicher wird es weniger Pendler
                                                                   geben als heute, mehr Arbeit im Home Office,
                                                                   weniger rigide Strukturen. Es wird beispielswei-
                                                                   se möglich sein, Büros mit allen Dienstleistun-
                                                                   gen tageweise zu mieten, weil viel mehr kleine
                                                                   Start-ups mit einer sehr flexiblen, stark ver-
             Jacky Gillmann.                         Photo: màd.   netzten Arbeitsweise entstehen. In allen Berei-

bulletin 8                                                                                                1/2016
Bulletin Shaping the Digital Future - asut
SCHWERPUNKT/INTERVIEW

chen werden unsere traditionellen Denk- und        Also heisst die Devise: Ökoquartiere für eine
Handlungsmodelle vollständig in Frage gestellt.    bessere Welt?
Erklären Sie uns bitte die «erlenapp».             Die grossen Treiber bei der Entwicklung di-
Ein nachhaltiges Ökoquartier wie das Erlen-        gitaler Technologien sind sicherlich Effizienz
matt-Areal in Basel, das den Anforderungen         und Wettbewerbsfähigkeit. Doch das alles
der «2000-Watt-Gesellschaft» entspricht, funk-     muss auch der Lebens- und Arbeitsqualität
tioniert nur, wenn die Bewohner das Konzept        dienen. Beide Seiten müssen zusammen-
mittragen. Deshalb haben wir nach Möglich-         spielen. Wir dürfen uns nicht in einer Gesell-
keiten gesucht, sie für das Energiesparen zu       schaft wiederfinden, die von der Technolo-
sensibilisieren und zum Mitmachen zu motivie-      gie bestimmt wird, die neuen Technologien
ren. Wir haben die «erlenapp» gemeinsam mit        müssen am Ende den Nutzern dienen. Bis-
einem Spin-off der ETH Zürich entwickelt. Mit      lang haben sie hauptsächlich dazu beige-
dieser App können Nutzer jederzeit feststellen,    tragen, uns vor unseren Bildschirmen zu
wie sie ihren eigenen Energieverbrauch durch       isolieren und die Individualisierung der Ge-
ihr Verhalten steuern können.                      sellschaft voranzutreiben. Sie können aber
                                                   durchaus auch ein Mittel dafür sein, wieder
Zum Beispiel?
                                                   mehr soziale Kontakte zu knüpfen.
Die App zeigt ihnen, wie viel Energie sie ver-
brauchen, wenn sie ihre Wohnung überheizen         Sie glauben also, dass die Menschen bereit
oder eine Stunde lang duschen. Die ermittel-       sind, sich auf eine nachhaltigere Lebensweise
ten Werte können sie dann mit Verbrauchs-          einzulassen. Schaut man sich die Zersiedlung
werten des gesamten Quartiers vergleichen.         der Schweiz an, dann scheint das Baugewer-
Mit dieser Funktion allein wäre die «erlenapp»     be aber noch ganz anders zu ticken ...
aber nicht attraktiv genug gewesen. Deshalb        Was Sie hier ansprechen ist eher ein Raum-
haben wir zahlreiche weitere Funktionen integ-     planungsproblem und eines, das sicher dazu
riert, die den Alltag erleichtern und die Freu-    führen wird, uns auf die Stadt zu konzent-
de am Zusammenleben fördern: zum Beispiel          rieren. Hier ist insbesondere der Gesetzgeber
praktische Informationen rund um das Leben         gefragt und mit dem neuen Raumplanungsge-
im Quartier, zu den öffentlichen Verkehrsmit-      setz ist auch bereits Bewegung in die Sache
tel, kleineren Dienstleistern oder gemeinsamen     gekommen. Die Akteure in der Immobilienent-
Aktivitäten von Nachbarn.                          wicklung sind meines Erachtens durchaus be-
                                                   reit, sich in die richtige Richtung zu bewegen.
Haben die Menschen wirklich Lust auf diese
Art von Geselligkeit oder ist das nur eine nette   Die Digitalisierung revolutioniert viele Bran-
Theorie von Städteplanern und Soziologen?          chen. Gilt dies auch für Ihr Berufsfeld?
Bei einer Umfrage in Eikenøtt im waadtländi-       Das Baugewerbe ist heute ausgesprochen frag-
schen Gland – unser erstes Ökoquartier und         mentiert. Alle Akteure arbeiten nacheinander
deshalb das Projekt, mit dem wir die meis-         und iterativ. Ein Spezialist folgt auf den nächs-
ten Erfahrungen sammeln konnten – haben 70         ten und die Projekte werden in ihrem Verlauf
Prozent der Befragten nicht nur angegeben,         ständig korrigiert. Die grosse Revolution wird
ihr Energiekonsumverhalten geändert zu ha-
ben, sie hoben auch die nachbarschaftlichen
Beziehungen hervor, die sie knüpfen konnten:       «Wir werden zunehmend zu einer
Das geht vom Carsharing, das sich spontan er-
gibt, bis zum Ausleihen von Werkzeugen oder        Gesellschaft, die ihre Ressourcen
zur Gründung einer Band. Für mich ist das
                                                   teilt. Dies umso mehr, als wir in Zu-
ein Beweis dafür, dass die Menschen in einer
zunehmend individualisierten Gesellschaft ein      kunft mit den vorhandenen Rohstof-
starkes Bedürfnis nach Austausch und sozia-
len Kontakten haben.                               fen sorgfältiger umgehen müssen.»

1/2016                                                                                                 bulletin 9
Bulletin Shaping the Digital Future - asut
SCHWERPUNKT/INTERVIEW

              darin bestehen, aus diesem Arbeitsmuster          Lokalisierung und das Management der Mate-
              auszubrechen und einen deutlich kollabora-        rialflüsse auf einer Baustelle ermöglichen. Und
              tiveren Prozess zu entwickeln, in dem alle        lassen wir uns überraschen von den Möglich-
              – Architekten, Ingenieure, Planungsbüros,         keiten, die uns der 3D-Druck einzelner Bautei-
              Bauträger usw. – bereits zu einem sehr frü-       le eröffnen wird.
              hen Zeitpunkt gemeinsam am selben Modell          Wird es am Ende gar Baustellen ohne Arbeiter
              arbeiten und ihren Mehrwert beitragen. Die        geben?
              Digitalisierung wird uns dabei helfen.            Zu einer Umverteilung der Ressourcen wird
              Wie das?                                          es ganz sicher kommen. Statt schwere Ar-
              BIM (Building Information Modelling) ermög-       beiten auszuführen, werden einige Personen
              licht die Modellierung, die Integration al-       vielleicht mit der Wartung der Roboter be-
              ler Eigenschaften und Merkmale der ver-           traut oder werden vielleicht eher für Auf-
              wendeten Baugeräte und Baustoffe sowie            gaben in der konzeptionellen Phase eines
              die Simulation des gesamten Bauprojekts           Projektes eingesetzt. Wir müssen uns aber
              vom Entwurf bis hin zur Bewirtschaftung.          darüber im Klaren sein, dass der ganze Pro-
              So können wir Tag für Tag sehen, wie sich         zess der Automatisierung, die Produktions-
              die Baustelle entwickelt und bereits vor der      steigerung und die Ablösung des Menschen
              eigentlichen Bauphase alle möglichen Pro-         durch die Maschine ohne Zweifel zum Ab-
              bleme berücksichtigen und korrigieren. Auf        bau von Arbeitsplätzen führen wird, die nicht
              diese Weise sparen wir viel Zeit und Geld.        zwangsläufig durch etwas anderes ersetzt
              In gewisser Weise lässt uns BIM Gebäude           werden können – das gilt im Baugewerbe
              virtuell bauen, bevor sie real entstehen.         genauso wie in anderen Bereichen. Auch
              Und wann kommt dieses Arbeiten mit dem            hier entwickeln wir uns zu einer neuen Ge-
              digitalen Modell, das in der Baubranche eine      sellschaft. Daher kommt auch die Idee ei-
              neue Ära einläutet, in die Schweiz?               nes bedingungslosen Grundeinkommens, das
              Die Schweiz muss hier einen grossen Rück-         zurzeit von verschiedenen Politikern oder
              stand aufholen. Wir bei Losinger Marazzi          Forschern zur Sprache gebracht wird.
              sammeln auf unserer Baustelle am Spital           Die Angst um die Arbeitsplätze ist eine Kon-
              Limmattal gerade erste Erfahrungen mit die-       stante in der Geschichte der Industrialisie-
              sem Tool. Andere Länder sind da schon viel        rung – ebenso die Tatsache, dass bisher
              weiter: In Grossbritannien schreibt der Ge-       noch immer Lösungen gefunden wurden ...
              setzgeber den Einsatz des BIM-Modells bei         Das stimmt. Aber vielleicht ist das Ausmass
              allen öffentlichen Bauten bereits verpflich-      der Revolution diesmal so gross, dass sich
              tend vor. Bis zum Jahr 2025 sollen dadurch        das Problem anders stellen wird. Mir scheint
              Prognosen zufolge eine Zeitersparnis von 50       es völlig klar, dass nun sehr viele Modelle
              Prozent zwischen Planung und Bau erreicht         in Frage gestellt werden. Unsere Vorstellung
              werden sowie Minderkosten von 30 Prozent.         von Flexibilität etwa, werden wir in einer
              Ein häufig angesprochener Aspekt der Digita-      Welt, die sich so rasend schnell entwickelt,
              lisierung ist auch die Automatisierung. Ist das   zweifellos neu denken müssen. Ich glau-
              Baugewerbe davon ebenfalls betroffen?             be beispielsweise kaum, dass wir weiterhin
              Im Augenblick werden auf unseren Baustellen       Gebäude bauen werden, die Jahrhunderte
              keine Roboter eingesetzt. Doch in Zukunft wird    halten sollen. An die Stelle des Eigentums-
              die Baurobotik sicherlich eine wichtige Rol-      gedankens wird zunehmend der Gedanke
              le spielen. Es existieren bereits verschiedene    der Nutzung treten. Hinzu kommt die Fra-
              Prototypen von unterstützenden Exoskeletten,      ge, was «ausreichend» ist. Was brauchen
              die die Arbeit mit schweren Lasten erleichtern.   wir wirklich? Muss wirklich jede Wohnung in
              Ich denke aber, dass die Entwicklung sehr viel    einem Wohnblock ein Gästezimmer haben,
              weiter gehen wird: Denkbar sind zum Beispiel      das höchstens ein oder zwei Mal pro Jahr
              selbststeuernde Kräne mit GPS, welche die         gebraucht wird? Wären fünf gemeinsame

bulletin 10                                                                                           1/2016
SCHWERPUNKT/INTERVIEW

Gästezimmer pro Wohnblock nicht längstens
genug? Ich glaube, dass sich das Bewusst-
sein in dieser Hinsicht allmählich ändert
und wir uns in Richtung einer Gesellschaft
entwickeln, die ihre Ressourcen zunehmend
teilt. Bei der jungen Generation ist dieser
Reflex bereits verankert.
Morgen werden wir in nachhaltigen, verdich-
teten und kollektiv genutzten Quartieren le-
ben. Und übermorgen?
                                                     Wohnen in der Zukunft
Das Bemühen um die bestmögliche Nutzung
                                                     Bauen für die Welt von morgen: sozial
der Rohstoffe wird sich verstärken. In unse-
                                                     durchmischt, verdichtet, ressourcenfreund-
rem Konzern arbeiten wir am Konzept eines
                                                     lich, energieeffizient, vernetzt, an den ÖV
autonomen Gebäudes. Es handelt sich um               an- und mit der Natur verbunden. Wohn-
ein Forschungsprogramm, mit dem wir er-              viertel mit hoher Lebensqualität, in denen
mitteln wollen, wie weit wir im Rahmen einer         gleichzeitig gelebt, gearbeitet und gespielt
nachhaltigen Bauweise mit der Nutzung na-            wird, in denen sich verschiedene Gene-
türlicher Ressourcen wie Wasser, Wind und            rationen wohlfühlen, in denen man sich
Licht gehen können. Derzeit bauen wir in             kennt und einander aushilft. Die Ökoquar-
Zusammenarbeit mit Universitäten und For-            tiere, die Losinger Marazzi in Gland am
schungszentren in Grenoble einen Prototyp.           Genfersee, in Zürich, Lenzburg und Basel
                                                     erstellt, sind Referenzprojekte für nachhal-
Dort testen wir, wie wir den Energiebedarf
                                                     tiges Bauen.
aus der Natur decken oder Haushaltsabfälle
in Energie umwandeln können. Zurzeit ist ein         «Eikenøtt» in Gland beispielsweise umfasst
vollkommen autarkes Gebäude ohne Netz-               20 Wohngebäude für 1200 Bewohner, in-
                                                     klusive Eigentums-, Alters-, Sozial- und Fa-
anschluss nicht mehr als ein Konzept. Doch
                                                     milienwohnungen, Autoparking, Supermarkt
wir verfolgen Ansätze, die zeigen, dass sich
                                                     sowie 800 Veloparkplätze. Das Quartier
dieses Konzept verwirklichen lässt. Nun geht         wird zu 85 Prozent mit erneuerbarer Ener-
es darum, auch die wirtschaftliche Machbar-          gie aus Photovoltaik, thermischen Kol-
keit sicherzustellen. o                              lektoren und einer zentralen Holzpellet-
Gespräch: Christine D'Anna-Huber                     heizung versorgt. Die Anbindung an ein
                                                     Erdwärmeverbundprojekt ist geplant. Alle
                                                     Wohngebäude entsprechen dem Minergie-
                                                     Eco-Standard, das Gebäude mit den kom-
               Jacky Gillmann
                                                     merziellen Nutzflächen hält den Minergie-
                                                     P-Standard.
 Für seine Verdienste als Pionier der Entwicklung
                                                     Die Energieeffizienz wird während der ge-
 der «2000-Watt-Gesellschaft» wurde Jacky Gillmann
                                                     samten Nutzungsdauer gewährleistet. Ein
 2003 vom französischen Botschafter in Bern mit
 dem Orden eines «Officier de l’Ordre National
                                                     Hausautomationssystem zeigt alle Ver-
 du Mérite» ausgezeichnet. Der im Elsass aufge-      brauchsdaten an, die zentral und in Echt-
 wachsene Tiefbauingenieur beginnt seine Laufbahn    zeit gesammelt werden. Das System er-
 in Strassburg. 1985 tritt er in das elsässische     möglicht die automatische Fernsteuerung
 Unternehmen Kesser ein, eine Tochtergesellschaft    der Geräte und Lichter per Smartphone. Es
 von Bouygues Construction, und steigt zum CEO       misst und illustriert den Energieverbrauch,
 auf. 1991 übernimmt die Bouygues-Gruppe die         sodass die Bewohner erkennen, wann und
 Berner Bauunternehmung Losinger Construction,       wo Energie verbraucht wird, und ihren
 1997 wird Gillmann als Generaldirektor in Bern      Verbrauch über verschiedene Massnahmen
 eingesetzt und fädelt 2006 die Übernahme der        senken können.
 Marazzi-Generalunternehmung ein. Seit 2009 ist er
 Verwaltungsratspräsident der Losinger Marazzi AG.   www.eikenott.ch

1/2016                                                                                              bulletin 11
DOSSIER/INTERVIEW

Il nous faudra être plus flexibles

              La transformation digitale touche à               surtout que la ville de demain va être une
              tous les domaines. Elle chamboule les             ville très fortement interconnectée foncti-
              métiers et nécessite de repenser les              onnant en réseau dans tous les domai-
              «business models». Pour saisir les op-            nes: mobilité, production et consommation
              portunités qu'elle offre, il faut inventer        d'énergie, gestion de l'ensemble des flux,
              des nouvelles approches sur l'ensemble            gestion intelligente des surfaces disponib-
              de la chaîne de la valeur. Dans cet               les que ce soient des surfaces habitables
              entretien Jacky Gillmann, Président du            ou des parkings. Pour prendre un exemp-
              Conseil d'Administration de Losinger              le: Aujourd'hui on constate que l'ensemble
              Marazzi, décline les conséquences de              des surfaces des écoles et les universités
              la numérisation sur la construction.              ne sont utilisés que 30% du temps alors
                                                                qu'il s'agit de volumes construits qui pour-
              asut: Grâce à la digitalisation, la ville de
                                                                raient servir à autre chose. Grâce à la digi-
              demain sera intelligente. Quelles en seront
                                                                talisation nous allons trouver des solutions
              les différences principales par rapport à
                                                                pour mieux exploiter ce type de surfaces.
              nos villes d'aujourd'hui?
              Jacky Gillmann: La ville de demain va être        La digitalisation permet donc surtout une
              plus dense – donc construite plus en hau-         meilleure gestion des ressources dont nous
              teur – tout en assurant une bonne qua-            disposons?
              lité de vie avec des zones de rencontre,          Exactement. Et cela nous amènera de plus
              d'échange et de convivialité. Mais je pense       en plus à devenir une société de partage.
                                                                D'autant plus que demain il faudra être
                                                                plus attentif encore à tout ce qui est con-
                                                                sommation de ressources naturelles. Tout
                                                                ce qu'on pourra échanger ou partager sera
                                                                donc bienvenu. La mise en relation des
                                                                personnes, la mise en relation des machi-
                                                                nes va permettre ceci.
                                                                Prenons un exemple concret. Losinger Ma-
                                                                razzi développe et réalise ce genre de
                                                                concept dans ses éco-quartiers. Comment
                                                                dois-je m'imaginer ma vie dans un tel end-
                                                                roit?
                                                                Vous seriez, à travers des applications mul-
                                                                tiples, connectée à l'ensemble des services,
                                                                à votre voisinage direct, à votre quartier,
                                                                votre ville. Vous saurez donc tout sur les
                                                                dernières actualités et les fêtes des voi-
                                                                sins, et puisqu'on connaîtra vos habitudes
                                                                et préférences, on saura exactement quoi
                                                                vous proposer à quel moment. Tout cela
                                                                changera notre manière de vivre, de tra-
              Jacky Gillmann.                     Photo: màd.   vailler et de consommer. Il y aura certaine-

bulletin 12                                                                                         1/2016
DOSSIER/INTERVIEW

ment moins de pendulaires, plus de travail      place à des prêts d'outils entre voisins ou
à domicile, moins de structures rigides. On     à la création d'un groupe de musique, ent-
pourra par exemple louer de bureaux avec        re autre. Pour moi cela montre que dans
tous les services à la journée parce que il     une société de plus en plus individuelle,
y aura beaucoup plus de petites start-ups,      les gens ont ce besoin de se retrouver et
travaillant de manière extrêmement flexible     de créer des liens sociaux.
et de plus en plus en réseau. Dans tous         Des éco-quartiers pour un monde meilleur?
les domaines, nos modèles traditionnels         Les grands vecteurs du développement
vont être complètement remis en cause.          du numérique sont très certainement
Expliquez-nous l'«Erlenapp»?                    l'efficience et la compétitivité. Mais tout
Un écoquartier comme Erlenmatt à Bâle qui       cela doit également servir à la qualité de
tourne autour du concept de la «société à       vie et du travail. Il faut que les deux fon-
2000 watts» ne peut fonctionner que si les      ctionnent de pair, il ne faut pas qu'on
usagers s’impliquent. On a donc cherché         se retrouve dans une société écrasée par
un moyen pour les sensibiliser aux écono-       la technologie. Au bout du compte les
mies d'énergie et les motiver à jouer le jeu.   nouvelles technologies doivent servir les
«erlenapp», l'application que nous avons        usagers. Jusqu'à présent, en nous isolant
développée conjointement avec un spin-off       devant nos écrans, elles ont surtout contri-
de l'ETH Zurich leur permet de constater        bué à l'individualisation. Mais elles peuvent
comment, à tout moment, ils peuvent pilo-       aussi être un moyen de retrouver des liens
ter leur consommation d'énergie à travers       sociaux.
leur comportement.                              Vous dites que les gens sont prêts à faire
Par exemple?                                    le pari d'un mode de vie plus durable. A
L'appli leur montre combien ils consom-         voir la progression de l'étalement urbain
ment s'ils surchauffent leur appartement        en Suisse, on ne dirait pas de même du
ou s'ils prennent une douche pendant une        secteur de la construction...
certaine heure, et ils peuvent se comparer      Il s'agit plutôt d'un problème d'aménagement
à des valeurs de référence au niveau du         du territoire qui va certainement nous
quartier. Et puisque cette seule fonction       amener à nous concentrer d'avantage sur
n'aurait pas suffi à rendre l'Erlenapp at-      la ville. Mais là, c'est le législateur qui est
tractive, on y a intégré de nombreuses          demandé et les choses sont en route avec
fonctions pour faciliter le quotidien et fa-    la nouvelle loi sur l’aménagement du terri-
voriser le plaisir de vivre ensemble: des       toire. Pour ce qui est des acteurs du déve-
informations sur la vie de quartier, les        loppement immobilier, je pense que ceux-ci
transports en commun, les petits services       sont prêts à aller dans la bonne direction.
ou les activités entre voisins.
                                                La digitalisation révolutionne beaucoup de
Est-ce que les gens ont vraiment envie de       secteurs. Qu'en est-il de votre métier?
ce genre de convivialité ou est-ce juste une    Aujourd'hui les métiers de la construction
belle théorie d'urbanistes et autres socio-
logues?
Dans une enquête réalisée à Eikenøtt dans
la commune vaudoise de Gland, notre pre-        «Dans tous les domaines,
mier écoquartier et donc celui où nous
avons le plus de recul, 70% des interrogés      nos modèles traditionnels
disent non seulement d'avoir changé leur
comportement par rapport à la consomma-
tion d'énergie, ils parlent aussi des liens
                                                vont être complètement
de voisinage qui se sont crées: cela va du
car sharing qui s'est spontanément mis en       remis en cause.»
1/2016                                                                                            bulletin 13
DOSSIER/INTERVIEW

              sont très fragmentés. On travaille de fa-        le développement va aller bien au-delà:
              çon séquentielle et itérative, passant d'un      on peut s'imaginer par exemple des gru-
              spécialiste à l'autre et en corrigeant les       es autopilotées avec des GPS permettant
              projets en cours de route. La grande révo-       de localiser et de gérer tous les flux des
              lution sera de sortir de ce mode de tra-         matériels sur les chantiers. Laissons-nous
              vail pour aller vers un processus beaucoup       surprendre, par ailleurs, par toutes les pos-
              plus collaboratif, où très tôt tout le monde     sibilités que nous offrira l'impression 3D de
              – architectes, ingénieurs, bureaux d'étude,      certaines parties d’ouvrage.
              maîtres d'ouvrage etc. – travaille ensemble      On arrivera donc au chantier sans ouvriers?
              sur le même modèle en apportant, chacun,         Il y aura certainement des réaffectations
              sa valeur ajoutée. La digitalisation nous y      de ressources de production. Au lieu de
              aidera.                                          faire des travaux pénibles, certaines per-
              C'est à dire?                                    sonnes seront peut-être occupées à faire
              Le BIM (Building Information Modelling)          de la maintenance de robots ou à inter-
              nous permet de modéliser, d’intégrer tou-        venir plus en amont dans des tâches plus
              tes les caractéristiques des matériels et        conceptuelles. Cela dit, il faut bien être
              matériaux mis en œuvre, et de simuler            conscient que toute cette automatisation,
              toute la construction de la conception à         tous ces gains de productivité, toute cet-
              l'exploitation, de voir, au jour le jour, com-   te substitution de l'homme par la machi-
              ment le chantier évolue, de prendre en           ne va certainement engendrer des pertes
              compte et de corriger en amont, c’est à          d'emploi qu'on ne pourra pas forcément
              dire avant d’être sur le chantier, tous les      remplacer par autre chose – dans la con-
              problèmes possibles et d'économiser ainsi        struction aussi bien que dans beaucoup
              beaucoup de temps et d'argent. Le BIM,           d'autres domaines. Donc là aussi, on va
              nous permet, en quelque sorte, de const-         vers une nouvelle société. D'ou cette idée
              ruire avant de construire.                       de revenu de base universel qui commence
              En Suisse, cette maquette numérique qui          à faire son apparition dans la bouche de
              va faire entrer le bâtiment dans une nou-        certains politiques ou autres chercheurs.
              velle ère, c'est pour quand?                     La crainte de la perte des emplois est une
              La Suisse est plutôt en rattrapage. Nous,        constante dans l'histoire de l'industrialisation
              Losinger Marazzi, sommes en train de faire       – de même que le fait qu'on a toujours
              les premières expériences avec cet outil de      trouvé des solutions ...
              travail sur notre chantier de l’hôpital Lim-     C'est vrai. Mais peut-être que là la révolu-
              mattal. D'autres pays sont beaucoup plus         tion est telle que le problème va se poser
              loin: En Angleterre, le législateur a imposé     différemment. Il me semble assez clair que
              la mise en œuvre du modèle BIM pour              nous allons être amenés à mettre en ques-
              tous les ouvrages publics. Jusqu'en 2025         tion pas mal de modèles. Dans un monde
              il prévoit ainsi 50% de gain de temps ent-       qui évolue tellement vite, il faudra certai-
              re la conception et la réalisation et 30%        nement conjuguer d’avantage la notion de
              d'économies.                                     flexibilité. Ainsi je ne crois pas que l’on
              Un autre aspect du numérique souvent             continuera à construire pour des siècles.
              évoqué c'est l’automatisation. La construc-      La notion d’usage va certainement de plus
              tion, est-elle concernée aussi?                  en plus se substituer à la notion de prop-
              Pour le moment la robotique est complè-          riété. Et aux notions que je viens d’évoquer
              tement absente de nos chantiers. Mais elle       viendra s’ajouter également une nouvelle
              va certainement jouer un rôle important          notion qui est celle de la suffisance. De
              demain. Il existe déjà un certain nombre         quoi avons-nous réellement besoin? Est-ce
              de prototypes d'exosquelettes pour faciliter     nécessaire par exemple que chaque appar-
              des tâches pénibles, mais je pense que           tement dans un immeuble ait une chambre

bulletin 14                                                                                           1/2016
DOSSIER/INTERVIEW

d'amis, utilisée une ou deux fois par an?
Ne serait-ce pas «suffisant» d'en partager
cinq pour toute la collectivité? Je pense
que les consciences sont en train de chan-
ger et qu'on ira dans la direction d’une
société avec plus de partage. Pour la jeune
génération, le réflexe est déjà ancré.
Demain on vivra dans des éco-quartiers,
denses et collectifs. Et après demain?                  Habiter au future
Le souci de la meilleure utilisation des                La construction de demain se distingue par les
ressources naturelles se renforcera. Aussi,             caractéristiques suivantes: mixité sociale, densité,
au niveau de notre groupe, nous travail-                respect des ressources, efficacité énergétique, in-
lons sur un concept de bâtiment auto-                   terconnectivité, connexion aux transports publics
nome. C'est un programme de recherche                   et harmonie avec la nature. Des quartiers rési-
dont le but est de voir jusqu'où on peut                dentiels dotés d’une haute qualité de vie, où l’on
aller dans la construction durable, dans                habite, travaille et joue tout à la fois, où diffé-
l'utilisation des ressources naturelles, de             rentes générations se côtoient et se sentent bien,
l'eau, du vent et de la lumière. Actuelle-              où l’on se connaît et où l’on s’entraide. Les éco-
ment, en partenariat avec les universités               quartiers réalisés par Losinger Marazzi à Gland
et centres de recherche, nous construisons              au bord du lac Léman, à Zurich, à Lenzburg et
un prototype à Grenoble. Nous y testons                 à Bâle constituent des références en matière de
comment puiser les besoins dans la nature               construction durable.
ou encore comment transformer les ordu-                 «Eikenøtt», dans la commune de Gland, regroupe
res ménagères en énergie. Pour l'instant, la            20 bâtiments pour 1200 habitants, comprenant
maison tout à fait autonome par rapport                 des logements en propriété, des logements pour
aux réseaux reste un concept. Mais on a                 personnes âgées, des logements sociaux, des ap-
des pistes qui montrent qu'elle est possib-             partements familiaux, un parking auto, un super-
le; à nous de faire en sorte que la faisa-              marché et 800 places de parc pour vélos. Le
bilité économique soit au rendez-vous. o                quartier est alimenté à 85% par des énergies
Interview: Christine D'Anna-Huber                       renouvelables: cellules photovoltaïques, capteurs
                                                        thermiques et chauffage central aux pellets de
                                                        bois. Le rattachement à un projet de groupement
                Jacky Gillmann                          géothermique est prévu. Tous les bâtiments rési-
                                                        dentiels sont conformes à la norme Minergie-Eco;
                                                        le bâtiment doté de surfaces utiles commerciales
                                                        répond à la norme Minergie-P.
 Pour son rôle de pionnier dans le développement
 de la «société à 2000 watts», Jacky Gillmann s’est     L’efficacité énergétique est garantie à vie. Un sys-
 vu décerner l’insigne d’Officier de l’ordre national   tème domotique affiche toutes les données de
 du Mérite par l’Ambassadeur de France à Berne          consommation, recueillies de façon centralisée et
 en 2013. Cet ingénieur du génie civil a grandi         en temps réel. Ce système permet en outre la
 en Alsace et débuté sa carrière à Strasbourg. En
                                                        commande automatique à distance des appareils
 1985, il pousse les portes de l’entreprise alsaci-
                                                        et des lumières par smartphone. Il mesure et illus-
 enne Kesser, filiale de Bouygues Construction, et
 se hisse au poste de CEO. En 1991, le groupe           tre la consommation d’énergie de telle façon que
 Bouygues rachète la société Losinger Construction.     les habitants puissent identifier les moments et
 Jacky Gillmann devient directeur général à Berne       les endroits où ils utilisent de l’énergie et, ainsi,
 et donne l’impulsion pour la reprise de Marazzi        réduire leur consommation à travers différentes
 Generalunternehmung. Depuis 2009, il est Président
                                                        mesures.
 du Conseil d’administration de Losinger Marazzi SA.
                                                        www.eikenott.ch

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SCHWERPUNKT

Switzerland? – SwITCerland!
                                      Die    Digitalisierung   beitragen kann, erklärt Jacky Gillmann, Prä-
                                      ist in aller Munde.      sident des Verwaltungsrates von Losinger
                                      Und die grosse Fra-      Marazzi (Seite 8). Das Berner Unternehmen
                                      ge ist: Wie werden       ist in der Schweiz Leader im Bereich des
                                      wir die Herausfor-       nachhaltigen Bauens. Zum Thema nachhalti-
                                      derung      meistern?    ges Bauen passt auch der ganze Bereich des
                                      Wird die vierte Re-      intelligenten Hauses und der bedarfsabhän-
                                      volution uns Inno-       gigen Gebäudeautomation. Davon wird, wie
                                      vation,    Wachstum      der Beitrag von Jürgen Baumann (Siemens)
              Christine D'Anna-Huber. und Wohlstand be-
                                                               eindrücklich darlegt, nicht zuletzt der Erfolg
                                      scheren oder, ganz       oder Misserfolg der Energiewende abhängen.
              im Gegenteil, Massenarbeitslosigkeit             Denn die setzt ein komplexes Puzzle von
              und soziale Spannungen?                          Massnahmen voraus, welche ohne Digitali-
              Ob World Economic Forum in Davos (Sei-           sierung kaum zu meistern ist. Das gleiche
              te 23) oder die CeBIT 2016 in Hannover           gilt – ob auf dem Gebiet der Politik, der
              (Seite 22), wo die Schweiz als Partnerland       Wirtschaft, der Forschung oder der Gesell-
              ja bekanntlich mit über 60 Ausstellern ei-       schaft – für weitere, zunehmend komplexe
              nen grossen Auftritt hat, das Thema der          Herausforderungen (Seite 28).
              digitalen Transformation nimmt zurzeit in                Ein gemeinsamer Nenner der meisten
              der öffentlichen Wahrnehmung einen sehr          Beiträge ist daher nicht zuletzt die Erkenntnis,
              prominenten Platz ein.                           dass die Digitalisierung nicht nur in allen
                      Optimisten, wie die ICT-Politiker und    möglichen Bereichen ein hochflexibles Pro-
              -Unternehmer Ruedi Noser oder Franz Grü-         zess- und Ressourcenmanagement erlaubt,
              ter sind überzeugt, dass unser Land mit          sondern von den Anwendern auch ein flexible-
              seinen Hochschulen, Start-ups und Unter-         res Denken voraussetzt: die Bereitschaft also,
              nehmen die Digitalisierung nicht nur bewäl-      Altbewährtes zu überdenken und insbesondere
              tigen, sondern daraus auch den grössten          Geschäftsmodelle anzupassen oder neu zu
              Nutzen ziehen kann. Schon heute exportiert       erfinden (Seite 18). Und gerade in diesem
              die Schweiz ICT-Güter und Dienstleistungen       Bereich scheint es auch in der Schweiz noch
              im Wert von über 18 Milliarden Franken:          einigen Nachholbedarf zu geben (Seite 21).
              zwölf Mal mehr als Käse und Schokolade                   Die Digitalisierung wird, das zeigt Her-
              zusammen. Auch unser Editorial sieht die         bert Wanner am Beispiel von Smart Living,
              Sache – gute Rahmenbedingungen voraus-           unser aller Leben wesentlich verändern (Seite
              gesetzt – weitgehend positiv: «Die Zukunft       24). Der letzte Beitrag schliesslich (Seite 31)
              beginnt jetzt», schreibt asut-Präsident Peter    gibt der Meinung Ausdruck, dass das auch
              Grütter, «es wäre schade, sie zu verpas-         durchaus in Ordnung ist, solange es uns zu
              sen.» (Seite 3).                                 irgendwelchem Nutzen reicht. Und das kann
                     Die Digitalisierung kann uns dabei        man vom intelligenten Kühlschrank, den man
              helfen, die künftigen Herausforderungen          uns seit Jahren als Inbegriff der intelligenten
              für Wirtschaft, Umwelt und Gesellschaft zu       Haustechnologie verkaufen will, beim besten
              meistern. Was sie beispielsweise im Bereich      Willen nicht behaupten. Merke: Nur weil etwas
              des Bauens zu einer lebenswerten und             digital vernetzt ist, ist es noch lange nicht
              zukunftsfähigen Raum- und Stadtplanung           innovativ. o

bulletin 16                                                                                           1/2016
SCHWERPUNKT

         Es geht um mehr als Wachstum
         cdh – Der Trend zur Digitalisierung wird oft haupt-
         sächlich mit handfestem Wachstum gleichgesetzt.
         Oder mit disruptiven Entwicklungen, wie etwa wenn
         Uber die Taxiindustrie auf den Kopf stellt, Online-
         medien altehrwürdigen Pressetiteln das Wasser ab-
         graben oder durch die Digitalisierung ermöglichte
         flexible Job-Profile den Arbeitnehmern zwar mehr
         Freiheit bieten, andererseits aber auch hart er-
         rungene arbeitsrechtliche Standards auszuhöhlen
         drohen. Und hinter Plattformen wie Airbnb, die mit
         ihrem Engagement fürs Teilen und Kollektiv-Nutzen
         kokettieren, stecken handfeste Interessen. Dazu
         kommt die Angst, die vernetzte Industrie 4.0 mit
         ihrer Automatisierung könnte Arbeitsplätze gleich
         reihenweise verschlucken, könnte einen guten Teil
         der Menschheit überflüssig machen und neben-
         bei, indem sie mehr Arbeit zerstört als Wachstum
         bringt, auch noch gleich dem Kapitalismus den
         Garaus machen.

         Neben all diesen Risiken hat die Digitalisierung
         aber auch das Zeug, ganz wesentlich zu einer
         besseren, nachhaltigeren Welt beizutragen: Denn
         was sie besonders gut beherrscht, ist der effiziente
         Ressourceneinsatz, die optimierte Prozesssteuerung
         und ganz neue, den Herausforderungen angepasste
         Jobprofile. Damit könnte sie zur Lösung epochalen
         Aufgaben wie der ökoeffizienten Energiewende bei-
         tragen, zur Vermeidung der drohenden Mobilitäts-
         krise, zur Wiedergeburt lebenswerter Städte und
         zur Produktion von nachhaltigen Lebensmitteln.

         «Retten wir jetzt die Welt?», fragte die «Frankfur-
         ter Allgemeine Zeitung» unlängst nicht ganz un-
         ironisch. Und zählte dann doch eine ganze Reihe
         von Wohltaten auf, welche die Digitalisierung mit
         sich bringen könnte: Eine Welt in der, dank hoch-
         effizienter Datenanalysen und Vernetzung, alles
         wie am Schnürchen funktioniert. Eine Welt ohne
         Ressourcenverschleiss oder Unfälle, dank smarter
         Steuerung aller denkbaren Systeme, ohne Krank-
         heit dank personalisierter Medizin – und wo sogar
         die Flüchtlingsintergration via App besser gelingt.

         Übertrieben? Zwei Forscher vom Massachusetts
         Institute of Technology (MIT) in Boston*, fürch-
         ten sich nicht vor grossen Versprechen. Sie sagen:
         Die Digitalisierung schafft fast alles, wenn sie nur
         genügend Zeit bekommt. Gleichzeitig warnen sie:
         Dieses «alles» kann auch bedrohliche Schattie-
         rungen annehmen. An uns oder besser: An Staat
         und Wirtschaftskräften ist es, die Digitalisierung zu
         unserem Nutzen – und zwar nicht dem wirtschaftli-
         chen Nutzen allein – einzusetzen.

         *Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee, «The Second
         Machine Age. Wie die nächste digitale Revolution
         unser aller Leben verändern wird», Börsenmedien,
         ISBN 978-3-86470-211-2

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SCHWERPUNKT

Geschäftsmodelle für die digitale Zukunft

              Wie und wo hat sich das Internet               dierte Hilfestellungen bei ihrer Entwicklung
              bislang auf die Entwicklung von Ge-            und Umsetzung.
              schäftsmodellen ausgewirkt? Die Be-                    Was also kommt auf uns zu? Eine
              antwortung dieser Frage ermöglicht             erste Piste zeigt der Umstand auf, dass
              einerseits einen schärferen Blick auf          viele der IT-beeinflussten Geschäftsmodell-
              die Rolle der Informationstechnologie          muster – unabhängig von der auslösenden
              (IT) in der Geschäftsmodellinnovation,         Technologiewelle – drei übergeordneten
              andererseits erlaubt sie einen qualifi-        Trends folgen:
              zierteren Ausblick auf mögliche weitere
                                                             •   Integration von Usern und Kunden.
              Innovationen auf Basis neu entstehen-
                                                                 IT ermöglicht Unternehmen die zuneh-
              der Informationstechnologien, wie bei-
                                                                 mende Einbindung ihrer Kunden in die
              spielsweise das Internet der Dinge.
                                                                 Wertschöpfungskette. Mit anderen Wor-
              Von Elgar Fleisch, Markus Weinberger und           ten: IT ermöglicht es Unternehmen ih-
              Felix Wortmann                                     ren Kunden Aufgaben zu übertragen.
              Bisher hat jede neue Internet-Welle zu             Beispiele liefern hier die Geschäftsmo-
              neuen digitalen Geschäftsmodellmustern             dellmuster User Designed, E-Commer-
              geführt – und die grössten Umbrüche, die           ce, Open Source (Content) oder Mass
              mit der Digitalisierung einher gegangen            Customization.
              sind, haben in digitalen Branchen stattge-
                                                             •   Dienstleistungsorientierung. Run Time
              funden. Wie wird es nun weitergehen, da
                                                                 Services bzw. der digitale Kontakt zum
              das Internet der Dinge in aller Munde ist?
                                                                 Kunden nach dem Verkauf nimmt zu.
              Ein Blick zurück                                   IT ermöglicht Unternehmen, die Kun-
              Die ersten im Internetzeitalter entstande-         denbeziehung auch nach dem Verkauf
              nen Geschäftsmodelle (1995-2000) basie-            mittels IT-basierter Services aufrecht-
              ren alle auf dem sogenannten Web 1.0, als          zuerhalten und zu nutzen. Beispielhafte
              das Internet das erste Mal als Geschäftsin-        Geschäftsmodellmuster hierzu sind u. a.
              frastruktur gesehen und verwendet wurde.           Rent Instead of Buy, Subscription, Free-
              Zu diesen Modellen gehören E-Commerce,             mium, Razor and Blade und Add on.
              Freemium, Leverage Customer Data, Open
              Source (bezogen auf Software) und Digi-        •   Kernkompetenz Analytics. Das ziel-
              talization. Das nächste, um 2005 entstan-          gerichtete Sammeln und Analysieren
              dene Set baut auf dem Web 2.0 auf, dem             von Transaktions- und Verwendungs-
              Internet, das es auch einfachen Anwen-             daten gewinnt an Bedeutung und ist
              dern ermöglicht, Inhalte beizutragen. Zu ih-       eine Schlüsselfähigkeit für Produkt-,
              nen zählen User Designed, Crowdsourcing,           Preis- und Vertriebsgestaltung. Beispie-
              Crowdfunding, Long Tail, und Open Source           le liefern hier die Geschäftsmodellmus-
              (im Sinne von Content). Auch die nächs-            ter Subscription, Flat Rate, Freemium,
              te Stufe der Entwicklung, das Internet der         Pay per Use und Performance-based
              Dinge, das physische Produkte und digitale         Contracting.
              Services zu hybriden Lösungen verschmel-              In der produzierenden Industrie hat
              zen lässt, dürfte neue Geschäftsmodell-        das Internet bisher vor allem Abläufe ver-
              muster generieren. Welche, zeigen Fleisch      einfacht – und damit Kosten gespart so-
              und seine Co-Autoren in ihrem Beitrag auf      wie Qualität und Variantenreichtum erhöht.
              und geben theoretisch und praktisch fun-       Die grossen Umbrüche hat es hingegen

bulletin 18                                                                                      1/2016
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