DIGITALISIERUNG MIT AUGENMAẞ - Das Magazin der Universität Bremen 04WINTERSEMESTER 2020 - Universität Bremen
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update. 04 U BREMEN Das Magazin der Universität Bremen WINTERSEMESTER 2020 26 / Forschungsprojekt 46 / Rettung für Verlierer 50 / Biodiversität an der Uni Modernisierungsblockaden Das Uni-Startup Patavinus Warum ist die Wiese nicht in der DDR und seine Idee gemäht? DIGITALISIERUNG MIT AUGENMAẞ Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung der Universität enorm beschleunigt
editorial update. gibt’s auch online! up2date.uni-bremen.de Liebe Leserinnen und Leser, nach wie vor wird unser Leben durch die Corona-Pandemie Professor Andreas Dotzauer. Ihm wurden förmlich „Löcher in beeinflusst. Bei der Bewältigung der Krise kommt es ganz den Bauch gefragt“. Im Interview mit ihm lesen Sie, welch besonders auch auf die Wissenschaften an. Forschung und besondere Erfahrung es für Andreas Dotzauer war, plötzlich so Entwicklung arbeiten fieberhaft an einem Impfstoff, und stark im Mittelpunkt des Interesses zu stehen. praktisch jede gesellschaftliche Ebene ist von den Auswirkungen Doch Corona ist nicht alles! Sie finden in dieser der Virusepidemie betroffen. Wissenschaftlerinnen und Ausgabe auch zahlreiche „virenfreie“ Geschichten. Lesen Sie, Wissenschaftler der Universität Bremen sind mit ihrer Expertise wie ein volkswirtschaftliches Forschungsprojekt heraus gefragt, um die Auswirkungen von Corona auf die verschie finden will, welche „Modernisierungsblockaden“ die ehemalige denen Lebensbereiche zu erforschen und zu erklären. Durch DDR am Erfolg hinderten — und wie diese Blockaden bis fundierte Politikberatung helfen unsere Forscherinnen und heute in Ostdeutschland nachwirken. In einem anderen Text Forscher aktiv mit, diese Herausforderung für unser Gemein- erfahren Sie, wie der Soziologe Uwe Engel die Akzeptanz wesen erfolgreich zu bewältigen. von künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft erforscht. Inter- Natürlich war auch die Universität Bremen selbst essant ist auch die enge Zusammenarbeit mit einer Univer von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. Innerhalb sität in Kamerun auf dem Gebiet der Bienenforschung. Dort ist kürzester Zeit musste der Lehrbetrieb auf „digitale Füße“ Honig ein wichtiges Gut, und die Bremer Uni hilft bei gestellt werden — Präsenzveranstaltungen waren erst in den der Ausbildung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft- letzten Wochen des Semesters wieder möglich und blieben lern aus diesem Land. vorwiegend auf den Bereich von Prüfungen beschränkt. In unserer Titelgeschichte lesen Sie, wie die Universität eine Mehr in up2date. „Digitalisierung mit Augenmaß“ vorantreibt: Schnell muss es Wenn Sie unsere Artikel und Geschichten interessant finden, gehen und trotzdem auch nachhaltig, um möglichst viele können Sie sich auch mehrmals im Monat ein „update“ im Web Menschen aus der „Kleinstadt Universität“ bei diesem Wandel holen. Denn mit unserer Online-Ausgabe up2date. sind wir mitzunehmen. Das gilt besonders für die Studierenden, immer aktuell. Klicken Sie rein: www.up2date.uni-bremen.de aber auch für die Forschenden sowie die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Eine interessante Lektüre wünscht Ihnen Wie wichtig in solchen Zeiten wissenschaftlich Die Redaktion fundierter Rat sein kann, zeigt das Beispiel „unseres“ V irologen 3
inhalt 44 6 kurz & knapp titel 8 8 Digitalisierung mit Augenmaß – Die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung der Universität Bremen enorm beschleunigt 14 Vorausschauende Uni – Bereits in den 1990er-Jahren Fotos: Kai Uwe Bohn / Universität Bremen legte sie für Forschungsdaten erste digitale Archive an 16 Interview mit Professorin Gudrun Oevel TItelfoto: Matej Meza / Universität Bremen „Ziel ist es, mit der Zeit immer ein Stück besser zu werden“ forschung 18 Der tiefe Blick ins Innere – Hochauflösendes Röntgenmikroskop in der Materialwissenschaft 22 Das Spiel mit der Sucht uni & gesellschaft Psychologinnen und Psychologen der Universität forschen rund ums Glücksspiel „Manchmal drei oder vier 26 Modernisierungsblockaden in Wirtschaft und Interviews am Tag“ Wissenschaft der DDR Ein volkswirtschaftliches Forschungsprojekt Virologe Professor Andreas Dotzauer ist der gefragteste Experte der Uni-Geschichte 34 „Was nützt der beste Roboter, wenn ihn keiner haben will?“ – Soziologe Uwe Engel über die Akzeptanz von künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft 39 Honig ist ein wichtiges Gut in Kamerun titel Gemeinsame Bienenforschung seit mehr als 20 Jahren 48 Digitalisierung mit lehre & studium Augenmaß 42 Gesünder leben, essen, trinken und kommunizieren – Studentisches Projekt stärkt die Die Digitalisierung ist ein wichtiges Ziel der Universität Bremen und Widerstandsfähigkeit im Homeoffice Teil ihrer Strategie 2018–2028. Die Corona-Pandemie hat den Prozess jetzt erheblich beschleunigt uni & gesellschaft 44 „Manchmal drei oder vier Interviews am Tag“ Virologe Professor Andreas Dotzauer ist der gefragteste Experte der Uni-Geschichte Foto: Matej Meza / Universität Bremen 46 Die Rettung für Verlierer Das Uni-Startup Patavinus und seine Idee campusleben Foto: Adobe Stock / VTT Studio 48 „Voll mein Ding“ – Ein Porträt der Raummanagerin Heike Hemmersbach 34 50 Jedes Kräutlein und jeder Käfer ist wichtig Biodiversität an der Uni campusleben hochschulpolitik „Voll mein Ding“ 54 YUFE Übersicht – Wer sind die Ansprechpartnerinnen forschung Ein Porträt der Raummanagerin Heike Hemmersbach für YUFE an der Universität Bremen? „Was nützt der beste Roboter, damals wenn ihn keiner haben will?“ 56 Kein Seemannsgarn – Mit der Universität auf hoher See Soziologe Uwe Engel über die Akzeptanz von künstlicher Intelligenz in der Gesellschaft 58 menschen 62 impressum 4 update. 04 5
kurz & knapp Bremen forscht für FunKI Forschung für den Mobilfunk der neuesten Generation: Die Arbeitsgruppe Nachrichten- technik im Fachbereich Physik/ Elektrotechnik der Universität Bremen koordiniert das vom Bundesministerium für Bildung Neues Institut Doktorandinnen der Geistes- und richtige, mit dem Menschen und Forschung (BMBF ) geför- nimmt Arbeit auf Sozialwissenschaften an. Jetzt vergleichbare Fahrentscheidun- derte Verbundprojekt „Funk wird das Angebot auch auf den gen ableiten. kommunikation mit Künstlicher Das neue Forschungsinstitut MINT-Bereich ausgeweitet. Damit http://unihb.eu/steuern Intelligenz“ (FunKI). Dabei Gesellschaftlicher Zusammenhalt soll Absolventinnen der Weg zur geht es um den Einsatz Künst hat seine Arbeit aufgenommen. Promotion erleichtert werden. licher Intelligenz in den 5G- und Es wird vom Bundesministerium Zahlreiche Untersuchungen bele- Korallensterben 6G-Netzen der Zukunft. für Bildung und Forschung gen die geschlechtsspezifische in Mexiko Von den mehr als 6,5 Millionen mit 40 Millionen Euro gefördert. Benachteiligung von Frauen in der Euro für dieses Vorhaben gehen Gemeinsam mit den Universi Wissenschaft, deshalb ist das preis- Ein Forschungsteam unter rund 800.000 Euro nach täten Frankfurt und Leipzig koor- gekrönte Programm so wichtig. L eitung der Universität Bremen Bremen. Das Programm dinieren die Sozialwissenschaften http://unihb.eu/promotion hat ökologische Veränderungen „perspektive promotion“ stärkt Promovendinnen. der Universität Bremen die wis- in mexikanischen Karibikriffen Foto: Matej Meza / senschaftliche Arbeit von elf teil- in den letzten 40 Jahren ermit- Familiengerechte Universität Bremen nehmenden Hochschul- und Künstliche Intelligenz telt. Das Fazit: Nur noch wenige Hochschule Forschungsinstituten. In Bremen steuert durch Städte Riffe werden aktuell durch wird ein interdisziplinäres Team Korallen dominiert. Die Studie Die Universität Bremen ist er- die Rolle der Mittelschichten in Gemeinsam mit zwei anderen zeigt deren drastischen Rück- neut für ihre Maßnahmen zur den Fokus nehmen. Universitäten und dem Techno gang zwischen den späten Förderung von mehr Familien http://unihb.eu/zusammenhalt logieunternehmen Continental 1970 er-Jahren und dem Beginn gerechtigkeit mit dem „audit forscht die Universität Bremen des Jahrtausends. Trotz einer familiengerechte hochschule“ zum automatisierten Fahren. aktuellen langsamen Erholung ausgezeichnet worden. Das Sicherheitslücken im In dem Projekt PRORETA geht der Korallenbedeckung steigt Besondere: Nach einer mehrjäh- Smarthome schließen es um das Erkennen komplexer die Zuwachsrate der Makro rigen Aufbau- und Begutach- angeboten profitieren. Dazu Zwei Programme tionsforschung (ZemKI) gemein- internen Abläufe des Autotermi- Verkehrssituationen in Innen algen. Wichtige Funktionen von tungsphase darf sie dieses gehören B eratungen, Kinder von DFG genehmigt sam mit Partnern entwickelte nals diesbezüglich untersucht. Das Ein Verbund unter Leitung des städten. Ziel des Forschungspro- Riffen, wie der Küstenschutz Qualitätssiegel jetzt dauerhaft betreuungen — auch im Not- kostenlose Nachrichten-App Anschlussprojekt Isabella 2.0 Technologie-Zentrums Informa- jektes, das bis 2022 dauern soll, und der Fischereiertrag, werden führen. Rund 3.500 Beschäf- fall — oder familiengerechte Bremen ist bei der Auswahl neuer molo.news ist jetzt online gegan- betrachtet jetzt auch die externen tik und Informationstechnik der ist die Entwicklung von Algorith- dadurch beeinträchtigt. tigte und knapp 20.000 Studie- Orte auf dem Campus. Schwerpunktprogramme durch gen. Die Plattform für alle Verkehrsträger Zug, Schiff Universität Bremen entwickelt men. Sie sollen aus Sensordaten http://unihb.eu/korallen rende können von den Service- http://unihb.eu/familiengerecht die Deutsche Forschungsge- Informationen aus Bremen und und LKW. Es hat einen Umfang Lösungen, um Sicherheitslücken meinschaft (DFG) gleich zweimal umzu will städtischen Gemein- von 3,6 Millionen Euro. in Smarthome-Systemen zu vertreten. Die Fachbereiche sinn fördern. Bei molo.news kön- http://unihb.eu/autoumschlag schließen. Das Projekt soll Wege OP-Beleuchtung Geowissenschaften und Produk nen Nutzerinnen und Nutzer sich aufzeigen, wie sich die Nutzung denkt mit tionstechnik gehören dazu. Das ihren Newsfeed selbst zusam- digitaler Technologien mit dem Programm „Tropische Klima menstellen: Aus aktuellen Nach- Wunsch nach Datenschutz und Ein Konsortium aus Wissenschaft variabilität und Korallenriffe. Ein richten diverser lokaler Privatsphäre in Einklang bringen und Medizintechnik entwickelt Blick auf aktuelle Änderungsraten Medienanbieter, kultureller Ein- lässt. Anwender von vernetzten ein technisches System, das im in ultrahoher Auflösung“ wird von richtungen, Vereinen und Stadt- Geräten zur Hausautoma Operationssaal automatisch Dr. Thomas Felis vom M ARUM teilinitiativen. Unterstützt wird tisierung sind sich meist nicht für optimale Beleuchtung sorgt. Zentrum für Marine Umweltwis- die Plattform von zahlreichen bewusst, welche Risiken sie Es kompensiert Schattenwürfe, senschaften der Universität Lokal- und Regionalmedien Bre- in Fragen des Datenschutzes die durch Bewegungen des Bremen koordiniert. „Gestaltung mens. eingehen. Es geht nun um OP-Teams entstehen, und lässt von Synergien in maßgeschneider- http://unihb.eu/molonews leicht verständliche und einfach sich gezielt über Gesten und ten Mischungen heterogener Pul- bedienbare Lösungen. Sprache steuern. Die Arbeits- ver“, das zweite Bremer Schwer- http://unihb.eu/sicherheit gruppe „Computergrafik und punktprogramm, koordinieren die Autoumschlag wird Virtuelle Realität“ des TZI liefert Professoren Lutz Mädler und Udo intelligenter die Software dazu. „Eine Heraus- Fritsching aus dem Leibniz-IWT. Zehn Jahre forderung liegt in der optimalen http://unihb.eu/programme Tests auf einem der weltgrößten „perspektive promotion“ Anordnung und Koordination Autoterminals in Bremerhaven einer Vielzahl kleiner Leuchten, zeigen: Ein intelligentes Planungs- In diesem Jahr feiert „perspektive die anstelle der bisherigen Bremer Nachrichten und Steuerungssystem kann promotion“ zehnten Geburtstag. Mithilfe von Algorithmen großen Lampen zum Einsatz gehen online die Effizienz des Autoumschlags Mit dem Programm bietet die soll die KI relevante kommen sollen“, sagt Professor erhöhen. Gemeinsam mit Part- Objekte im Innenstadt Arbeitsstelle Chancengleichheit verkehr interpretieren. Gabriel Zachmann. Die vom Zentrum für Medien-, nern hat BIBA, das Bremer Insti- Workshops und Beratung für Foto: Continental http://unihb.eu/beleuchtung Kommunikations- und Informa tut für Produktion und Logistik, 6 update. 04 7
titel Digitalisierung mit Augenmaß Die Digitalisierung in Forschung, Lehre und Verwaltung ist für die Universität Bremen ein wichtiges Ziel – und Teil ihrer Strategie 2018–2028. Die Corona-Pandemie hat den Prozess enorm beschleunigt Von Meike Mossig 8 update. 04 9
titel Diese Zeit werden viele an der Universität nicht vergessen: Als durch die Pandemie das erste digitale Semester startete, mussten die Uni-Leitung und Serviceeinrichtungen auf dem Campus im Sommer quasi ständig Feuerwehr spielen. Zentrale Infra strukturkomponenten, wie die Lehr- und Lernplatt- form Stud.IP, wurden zum Beispiel in kürzester Zeit ausgebaut und weitere Lizenzen für die Video plattformen StarLeaf und Zoom gekauft. Schließlich fanden fast alle Lehrveranstaltungen und Meetings der Universität auf einmal online statt. Das Engage- Wissensvermittlung per Video statt im Hörsaal: Student Louis Kniefs (linkes Bild) hat bei dem Format der ment, möglichst viele Angebote und Serviceleistungen Professorin Anna Förster (oben) als Tutor mitgearbeitet. in Lehre und Verwaltung digital anzubieten, war bei Screenshot: oblik allen Mitarbeitenden enorm. Jetzt gilt es, die Erfahrungen „Ich finde digitale Lehran gebote sehr sinnvoll, aus der Krise zu nutzen, um die Stärken von Online- man muss aber immer genau schauen, wo es passt.“ nehmen sonst vor allem Interessierte aus der Region teil. Der und analogen Angeboten in Zukunft zu verbinden. Bachelorstudent Louis Kniefs. Foto: Matej Meza / hohe Aufwand hat sich also gelohnt. Universität Bremen Meinung von Studierenden gefragt Und wie wichtig ist die reale Begegnung zu Beginn eines Studiums? „Besonders in dieser Phase finde ich Präsenzveran- staltungen sehr wichtig, um sich besser kennenzulernen“, sagt der Bachelorstudent Louis Kniefs. „Ansonsten geht ein Keine Frage: Für den Großteil der Studienqualität verloren.“ Kenne man seine direkten Austausch und Leute, könne man auch gut digitale Lehrangebote nutzen. Diskussionen sind Präsenz- veranstaltungen unersetzbar. „Und die finde ich sehr sinnvoll“, betont der 24-jährige Stu- Die Bilder entstanden vor dent für Elektro- und Informationstechnik. Kniefs hat selbst der Pandemie. Foto: Michael Ihle / Jedes Sommersemester steht an der Universität Bremen als Tutor in einem digitalen Format der Informatikprofessorin Universität Bremen der Informationstag für Studieninteressierte (isi) auf dem Anna Förster mitgearbeitet. Das Konzept „Inverted Class- Programm. Er bietet die Möglichkeit, sich auf dem Campus room“ vermittelt Faktenwissen per Video und vertieft es in mit Studierenden und Lehrenden auszutauschen. Das Ange- Tutorien, die als Präsenzveranstaltungen angeboten werden. bot lebt also vom persönlichen Austausch. Als klar war, dass Das Format ersetzt also die klassische Vorlesung im Hörsaal. isi wegen der Coronakrise nicht in Präsenz stattfinden konnte, Bleiben da nicht die sozialen Kontakte auf der Strecke — organisierte die Zentrale Studienberatung mit Lehrenden zum Beispiel der gemeinsame Kaffee nach der Veranstaltung? eine Alternative: Die Virtuelle Infowoche für Studieninteres- „Man trifft sich dann woanders und kann sich die digitalen sierte (VISi). Hinzu kamen zahlreiche weitere virtuelle Ange- Formate gemeinsam ansehen und besprechen“, sagt Kniefs. bote. Die Premiere war erfolgreich: Knapp 2.000 Studien Zum Beispiel an Lernorten, wie sie die Staats- und Universi- interessierte haben sich über mehrere Wochen in rund 120 tätsbibliothek (SuUB) und einige Uni-Gebäude bieten. Insge- Online-Veranstaltungen über Studienangebote informiert. samt plädiert Kniefs für eine Digitalisierung mit Augenmaß. Die Erfahrungen waren so gut, dass es die Idee gibt, VISi im „Man muss immer genau schauen, wo es passt.“ Jahr 2021 zu wiederholen. „Und zwar in Kombination mit Seine Meinung ist auch in der Uni-Verwaltung Präsenzveranstaltungen, wenn diese wieder möglich sind“, gefragt. Kniefs gehört zu einer Gruppe von Studierenden aus sagt Stephan Determann, Leiter der Zentralen Studien mehreren Fachbereichen, die sich immer wieder mit dem beratung. Zwar hätten weniger Personen teilgenommen als Referat Lehre und Studium sowie dem Chief Digital Officer beim isi. „Das war aber nicht schlimm“, sagt er, „da es die (CDO), Professor Andreas Breiter, austauschen. Dieser jenigen, die dabei waren, auch wirklich interessiert hat.“ Viele koordiniert die vielfältigen Prozesse der Digitalisierung der seien weiterhin in Kontakt mit der Uni. Zudem wurden auch Universität gemeinsam mit dem Kanzler, dem Konrektor Menschen erreicht, die weiter weg wohnen. Sie konnten sich für Lehre und Studium und den Serviceeinrichtungen auf dem einfach online zuschalten und mussten nicht anreisen. Bei isi Campus. „Der Austausch in der Studierendengruppe über 10 update. 04 11
titel Den digitalen Wandel gestalten In ihrer Strategie 2018–2028 setzt sich die Universität Bremen das Ziel, den digitalen Wandel in all seinen Handlungsfeldern aktiv zu gestalten. Dafür baut sie si- chere Informations- und Kommunikationsinfrastruktu- Professorin Kerstin ren auf. Forschungsdaten werden gesichert und offen Radde-Antweiler (oben Mitte) bei einem Zoom-Meeting mit zugänglich gemacht. Um die relevanten Prozesse in Ver- Studierenden. waltung und Management zu unterstützen und qualitativ Screenshot: Paul Niklas Antweiler zu verbessern, baut sie digitale Informationssysteme aus. Insgesamt begreift die Universität Digitalisierung auch als Wegbereiter für organisatorischen Wandel und ge- staltet die Ausrichtung der IT-Dienste als strategische Dimension der Universitätsentwicklung. www.uni-bremen.de/universitaet/profil/strategie-2018-2028 „Ich hoffe, dass langfristig digitale und Präsenzlehre Professorin Kerstin Radde-Antweiler. Viele technische Instru- mente, die die Universität bereitgestellt hat, erleichtern nicht mehr alternativ der Religionswissenschaftlerin die Kommunikation mit den gedacht werden, sondern Studierenden. „Tools zum Kommunizieren, wie Rocket.Chat und digitale Sprechstunden sind gut, wenn zum Beispiel wir eine gute Kombination Fächergrenzen hinweg ist sehr interessant“, sagt Kniefs. Man merke, wie andere Disziplinen „ticken“ und könne vonein Studierende eine lange Anfahrt zur Universität haben oder auch neben dem Studium arbeiten“, sagt sie. In der Lehre von digitalen Lehrtools und ander lernen. Von der Verwaltung werden die Studierenden ist für die Wissenschaftlerin das sogenannte Blended Learning wird an der Universität. „Natürlich waren viele von uns zu analoger Lehre entwickeln.“ ernstgenommen: „Uns sind die Meinung und Ideen der Stu- eine gute Möglichkeit, digitale und Präsenzlehre zu kombi Beginn des digitalen Semesters stark beansprucht und am dierenden wichtig“, sagt Franziska Richter vom Referat Lehre nieren. Das Konzept sieht einen Wechsel von Face-to-Face- Ende des Semesters erschöpft.“ Die, die noch wenig Erfah- Professorin Kerstin Radde-Antweiler, und Studium, die die Gruppe betreut. Deren Einschätzungen Veranstaltungen, Selbstlernphasen und den direkten Aus- rungen mit digitaler Lehre gehabt haben, erlebten quasi einen Universität Bremen hätten im vergangenen Sommersemester sehr geholfen, tausch mit Dozierenden und Studierenden vor. So könne man Sprung ins kalte Wasser. „Ich hoffe aber, dass langfristig als im Eiltempo Entscheidungen getroffen werden mussten, in Seminaren das Faktenwissen gut über Erklärvideos oder digitale und Präsenzlehre nicht mehr alternativ gedacht werden, um digital gestütztes Lernen und Lehren zu unterstützen. Podcasts vermitteln. Davon habe sie viele seit Beginn der sondern wir eine gute Kombination von digitalen Lehrtools „Die Situation im Sommer war natürlich für alle herausfordernd“, Pandemie erstellt. „Die werde ich auch weiterhin nutzen.“ In und analoger Lehre entwickeln.“ so Kniefs. „Aber so ein Feuerwehrcharakter beschleunigt die der Präsenzlehre habe man dann mehr Zeit für Diskussionen Das kann der Konrektor für Lehre und Studium, Digitalisierung.“ über den Stoff. „Diesen direkten Austausch können und Professor Thomas Hoffmeister nur unterstützen: „Wir wollen wollen wir bislang nicht mit digitalen Formaten ersetzen“, langfristig gemeinsam daran arbeiten, um die Vorteile Sommersemester für viele sagt sie. Den persönlichen wissenschaftlichen Diskurs der Verbindung von analogen und digital basierten Lehr- und Sprung ins kalte Wasser hält Radde-Antweiler für essentiell, um bei Studierenden das Lernformaten möglichst gut auszuschöpfen.“ So könne es „Ich hoffe sehr, dass wir viele digitale Tools auch nach der kritische Denken zu fördern. Die Wissenschaftlerin hofft, gelingen, die Lehre zu verbessern und studierendenzentrier- Coronazeit noch an der Universität nutzen werden“, sagt dass die Haltung gegenüber digitaler Lehre insgesamt offener ter zu gestalten. 12 update. 04 13
titel Das Thema Digitalisierung spielt in der Forschung eine wichtige Rolle: Zentrum für Polar- und Meeresforschung Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sammeln riesige Daten- (AWI) entwickelt. Bis heute wird es ge- Der langjährige Leiter von PANGAEA, Dr. Michael mengen, die meist sehr komplex und umfangreich sind. Diese zu meinschaftlich mit dem MARUM — Zent- Diepenbroek, (links) und rum für Marine Umweltwissenschaften der sein Nachfolger Professor archivieren und für andere Forschende zugänglich zu machen ist von Frank Oliver Glöckner. Universität Bremen betrieben. Heute ist großer Bedeutung. Möglich ist das durch die Digitalisierung. PANGAEA eine der weltweit führenden Foto: privat Einrichtungen, in der Daten aus den Erd- und Umweltwissenschaften archiviert und publiziert werden. Darüber hinaus ist es ein zertifiziertes World Data Center, welches Daten von Tausenden von wissenschaftlichen Projekten ge- sammelt hat. „Zum jetzigen Zeitpunkt können über die Webseite fast 400.000 entwicklung auf nationaler und internati- Glöckner und Co-Sprecher Diepen- Datensätze gefunden, heruntergeladen onaler Ebene bereichert“, sagt Glöckner. broek. Hinter Biodiversität verbirgt sich und für weiterführende Arbeiten ge- Mit ihrer Expertise für For- allerdings mehr als „nur“ die Vielfalt nutzt werden. Und dabei beschränken schungsdatenbanken sind die Bremer der Arten. Biodiversität umfasst hier auch sich die Aufgaben von PANGAEA nicht auch deutschlandweit gefragt: So die genetische Vielfalt, die funktionelle nur auf das Aufbewahren von Daten“, übernimmt das MARUM eine wichtige Vielfalt, die Interaktionen und die Viel- sagt der Leiter Dr. Michael Diepenbroek. Rolle beim Aufbau der Nationalen falt ganzer Ökosysteme. „In Zeiten, in Führend in der Unter seiner Führung hat PANGAEA in Forschungsdateninfrastruktur (NFDI). denen eine Million Arten vom Ausster- den vergangenen 25 Jahren maßgeblich Diese stellt perspektivisch die Basis ben bedroht sind, ist der Zugang zu um- die Entwicklung von Forschungsdaten des Forschungsdatenmanagements in fangreichen, qualitätsgesicherten For- infrastrukturen vorangetrieben. Aktuell Deutschland dar. Ziel des Aufbaus der schungsdaten entscheidend für die jetzt Digitalisierung von findet in PANGAEA ein Generationen- wechsel statt, da Diepenbroek Ende 2020 in den Ruhestand geht. Professor Frank NFDI ist es, Datenbestände von Wissen- schaft und Forschung systematisch zu erschließen, nachhaltig zu sichern und anstehenden Entscheidungen in Politik und Gesellschaft“, sagt Glöckner. „Zusam- men mit den drei ebenfalls erfolgreichen Forschungsdaten Oliver Glöckner wird sein Nachfolger. zugänglich zu machen sowie weltweit Konsortien mit Bremer Beteiligung in Er wurde vor kurzem als Gesamtleiter zu vernetzen. Diese Infrastruktur besteht den Gesundheits-, Ingenieur- und Sozial- von PANGAEA an der Universität Bremen aus verschiedenen spezialisierten Kno- wissenschaften ist Bremen auf dem Weg und dem AWI berufen. „Ich bin dankbar, tenpunkten — einzelnen Konsortien. Das ein nationales und internationales Kompe- dass Michael Diepenbroek das Team nach Konsortium NFDI4BioDiversity wird tenzzentrum im Bereich Forschungs Die Universität Bremen war vor knapp 30 Jahren wie vor mit kreativen Ideen zur Weiter- am MARUM koordiniert. Sprecher ist datenmanagement zu werden.“ sehr vorausschauend: Bereits in den 1990er-Jahren legte sie für Forschungsdaten erste digitale Archive an Von Meike Mossig Zwei Beispiele: Im Jahr 1988 startete „living archive“ unterstützt Qualiservice datenzentrum ist bundesweit einmalig und der erste sozialwissenschaftliche Sonder- Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler soll eine zentrale Anlaufstelle für alle forschungsbereich (SFB) „Statuspassagen in ihren Projekten dabei, ihre Arbeit zu Forschenden in Deutschland werden, wenn und Risikolagen im Lebensverlauf" der dokumentieren. Ziel ist es, die Forschungs es um Daten zur qualitativen Forschung Universität Bremen. Die Beteiligten be- daten, die in den Projekten entstehen, für geht. Dabei arbeitet Qualiservice eng mit gannen bereits in den 1990er-Jahren ein die Arbeit anderer Kolleginnen und Kolle- der Staats- und Universitätsbibliothek digitales Archiv aufzubauen. „Dieser SFB gen bereitzustellen. Besonders interessant (SuUB) sowie dem international renom- Über die Webseite von war für mich auch deshalb immer ein wich- ist, dass es damit zukünftig möglich wird, mierten Informationssystem PANGAEA PANGAEA können fast tiger Bezugspunkt für meine Forschun- über lange Zeitspannen hinweg Themen zusammen. „Die Universität Bremen war 400.000 Datensätze gefun- den, heruntergeladen und gen“, sagt Professorin Betina Hollstein, die aus der Sozialforschung zu untersuchen hier sehr vorausschauend, davon profi- für weiterführende Arbeiten damals an der Freien Universität Berlin und zu vergleichen. Qualitative For- tieren wir Forschenden heutzutage genutzt werden. Screenshot: PANGAEA war. Im Jahr 2014 bekam sie einen Ruf an schungsmaterialien, die Qualiservice be- enorm“, sagt Hollstein anerkennend. die Universität Bremen. Heute leitet reitstellt, dokumentieren beispielsweise PANGAEA — „Data Publisher Hollstein den Aufbau des digitalen For- Interviews oder Beobachtungen. Sie for Earth and Environmental Science“ — schungsdatenzentrums Qualiservice am können in Schriftform als Protokoll oder wurde ebenfalls bereits Anfang der SOCIUM — Forschungszentrum Ungleich- Transkript vorliegen, aber auch als Audio-, 1990er-Jahre von Forschenden am heit und Sozialpolitik der Universität. Als Bild- oder Videodatei. Das Forschungs Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz- 14 update. 04 15
titel Professorin Dr. Gudrun Oevel ist Chief Information Officer der Wie lange dauert so ein Digitalisierungsprozess etwa? Universität Paderborn und bundesweit eine gefragte Expertin, wenn Der Prozess hört niemals auf, er orientiert sich an iterativen es um die Digitalisierung von Hochschulen geht. In dieser Funktion – also sich wiederholenden — Schleifen. Ziel ist es, mit der Zeit immer ein Stück besser zu werden. Da auch die Technik eine „Es braucht Menschen, hat sie auch die Universität Bremen beraten. Im Februar 2020 war Oevel als Fachfrau bei der Peer-to-Peer-Beratung durch das Rolle spielt, ist es sogar noch etwas kritischer. Denn die Techno- logien ändern sich in der Regel viel schneller als Organisatio- die den Prozess immer Hochschulforum Digitalisierung involviert. Das Verfahren bietet nen wie Hochschulen sie in der Breite einsetzen und adaptieren wieder weitertreiben — Hochschulen die Möglichkeit, sich bei der Erarbeitung und nachhal- tigen Verankerung ihrer Digitalisierungsstrategie für Studium können. und zwar auf jeder Ebene.“ und Lehre durch Expertinnen und Experten unterstützen zu lassen. Sie haben durch Ihre Beratungsfunktion beim Hochschulforum Digitalisierung Einblicke in mehrere Hochschulen erhalten. Professorin Gudrun Oevel, Universität Paderborn Für diese Peer-to-Peer Beratung hatte sich die Universität Bremen Wie steht die Universität Bremen im Vergleich dazu da? erfolgreich beworben. Im Interview erzählt Oevel, wie man alle Wir haben in der Peer-to-Peer-Beratung intensiv auf Lehre und Beteiligten mitnehmen kann, welche Stärken die Universität Bremen Studium und deren Management sowie notwendige Vorausset- hat und was sie Lehrenden sagt, die befürchten, dass zungen und Kompetenzen geschaut — zum Beispiel auf Räume, die Digitalisierung die Präsenzlehre verdrängen könnte. Prüfungen und Veranstaltungen. Beeindruckend war es, den „Bremer Spirit“ vor Ort zu erfahren — zu spüren, wie viele Per- dann nicht extra an die Uni fahren muss. Bei unseren Studie- sonen sich sehr tiefgehende und konstruktive Gedanken renden und Lehrenden werden auch digitale Test- und machen und den Willen zur Gestaltung haben. Das ist ein Pfund, Feedbacksysteme sehr geschätzt, um zu wissen, was eigentlich was andere Universitäten nicht immer haben. Auch der gelebte an Wissen schon erworben wurde. „Ziel ist es, partizipative Ansatz hat mich überzeugt — also das Prinzip der möglichst breiten Einbeziehung von Akteurinnen und Akteuren. Eine Universität ist ein sehr komplexes System in Forschung, Hier hat die Universität Bremen ganz eindeutig ihre Stärken. Lehre und Verwaltung. Die Heterogenität der Akteurinnen Und hier sind ja auch schon viele Schritte passiert. und Akteure ist immens. Wie kann man alle Beteiligten mit- mit der Zeit nehmen und auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Manche Lehrende stehen der Digitalisierung kritisch gegen- Bereiche eingehen? über. Sie befürchten, dass sie die Präsenzlehre langfristig Das ist ein sehr wichtiger Punkt, den Sie benennen. Aus meiner immer ein Stück verdrängen könnte. Was sagen Sie denen? Erfahrung — und wir hatten dazu auch ein spannendes For- In dieser Pandemie haben wir aus meiner Sicht sehr gut erfah- schungsprojekt — ist es wichtig, sich hochschulweit auf einen ren, was mehr Digitalität bringt: andere Themen, andere Me- strategischen Rahmen, also wichtige Eckpunkte, zu einigen. besser zu werden“ dien, Tools, andere Formate, mehr Flexibilität bezogen auf Zeit Dann sollte man Freiräume und Ressourcen gewähren, dass der und Ort, insgesamt eine andere Vielfalt. Aber wir alle vermissen Rahmen fachspezifisch mit möglichst vielen Personen, ins die persönlichen Begegnungen und den sozialen Raum für besondere auch den Studierenden, ausgestaltet werden kann. Kreativität, Spontanität und intensive Auseinandersetzung. Und Wichtig ist es, auch Austauschmöglichkeiten zu den Erfahrun- ich glaube, eine Präsenzhochschule wird sich bewusst auf die gen zu bieten, um die erfolgreichen Dinge zusammenzubringen — Die Digitalisierung einer Hochschule Präsenzlehre mit ihren Vorteilen konzentrieren, aber die positi- beispielsweise an einem Tag der Lehre oder digital auf einer ist komplex. Das weiß auch Professorin ven digitalen Erfahrungen einfach weiter vorantreiben. Denn Webseite. Es braucht auch Menschen, die den Prozess immer Gudrun Oevel. Sie hat die Universität auch diese haben eben ihre Vorteile. wieder weitertreiben — und zwar auf jeder Ebene. Bremen beraten Wie kann man digitale Lehre und Präsenzlehre gut mitein Stichwort Datenschutz in der Universitätsverwaltung: Interview: Meike Mossig ander verbinden? Können Sie konkrete Beispiele nennen? Einige Prozesse dürfen laut Gesetz nicht digital erfolgen, Ich finde zum Beispiel das Flipped Classroom-Konzept wunder- damit der Schutz persönlicher Daten gewährleistet ist. bar, bei dem sich meist digital im Selbststudium zu Hause Manche Prozesse sind dadurch recht aufwändig. Wie geht vorbereitet wird und in Präsenz die Materialien vertieft und man damit um, wenn man den Digitalisierungsprozess in diskutiert werden. Wunderbar sind auch digitale Simulations der Verwaltung voranbringen will? Frau Oevel, durch die Corona-Pandemie haben Universitäten umgebungen für beispielsweise Experimente oder Übungen — Ich halte den Schutz personenbezogener Daten und das Recht einen enormen Digitalisierungsschub erhalten. Dies betrifft da kann man als Student oder Studentin nichts kaputt machen, auf informationelle Selbstbestimmung für ein hohes Gut. besonders die digitale Infrastruktur. Sie musste im Eiltempo sondern bewusst forschend an Dinge herangehen. Oder eine Manchmal stehen die gesetzlichen Bestimmungen aber auch im ausgebaut werden, damit das Sommersemester online statt- virtuelle Sprechstunde in der vorlesungsfreien Zeit, in der man Weg. Aus meiner Sicht muss man hier ernsthaft immer um gute finden konnte. Das ist aber nur die technische Seite. Was Lösungen ringen und sich wirklich Mühe geben. Eine offene, braucht es noch für einen erfolgreichen digitalen Wandel an transparente aber auch wertschätzende harte Auseinanderset- einer Universität? zung um Fakten ist meines Erachtens die einzige Möglichkeit. Gudrun Oevel: Es braucht die Menschen, die den Wandel mit Manchmal hilft aber auch der Blick auf andere Universitäten. ihrem Engagement ausgestalten. Dies passiert ja nicht von allein Da haben vielleicht andere schon gute Lösungen gefunden, die oder durch Technik. Sie gibt Möglichkeiten. Die handelnden Ein eher ungewöhnliches Bild: adaptiert werden können. Personen machen damit gute Lehre, haben andere Lernmöglich- Professorin Gudrun O evel jongliert mit Zauber würfeln. Auch in einem Digitalisierungsprozess muss keiten oder können Herausforderungen wie beispielsweise der man viele „Bälle“ gleichzeitig in der Luft halten. Pandemie anders begegnen. Foto: Adelheid Rutenburges / Universität Paderborn https://hochschulforumdigitalisierung.de/de/peer-peer-strategieberatung 16 update. 04 17
rubrik forschung Es ist ein Gerät, auf das das MAPEX Center for Materials and Processes an der Universität Bremen sehr stolz ist: das ZEISS Xradia 520 Versa. Was Laien nichts sagt, lässt Fachleute mit der Zunge schnalzen — denn dieses Gerät ist ein Röntgenmikroskop der neuesten Generation, mit dem in winzige Dimensionen geschaut werden kann. Durch diverse Erweiterungen ist es in Bremen für Forschungszwecke sogar noch leistungsfähiger gemacht geworden. Den Materialwissenschaften in der Hansestadt eröffnet es ganz neue Möglichkeiten, wenn es um die Entwicklung neuer Werkstoffe geht. Sieht aus wie Kunst, ist aber Wissenschaft: Die hohe Kont- rastfähigkeit des Röntgenmik- roskops macht die einzelnen Naturfasern in einem Vliesstoff sichtbar. Die räumliche Orientierung der Faser ist farb- lich kodiert dargestellt. Foto: Faserinstitut Bremen e. V. Der tiefe Blick ins Innere Die Materialforschung in und an der Universität arbeitet mit einem hochauflösenden Röntgenmikroskop der neuesten Generation Von Kai Uwe Bohn Dr. Wolf-Achim Kahl ist begeistert. Nach vielen Jahren Arbeit mit einem Computertomographen im Fachbereich Geowissenschaften ist er seit einigen Monaten der ver antwortliche Labormanager für das 3D -Röntgenmikroskop das ein Traum, weil man einfach wesentlich präzisere Ergeb- des MAPEX-Forschungsverbundes. Ein Großgerät, das nisse bekommt und mit viel detaillierteren Fragestellungen die Universität Bremen Anfang 2017 erfolgreich im Rahmen forschen kann“, so Kahl. einer Initiative der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) akquiriert hatte und das nun ganz neue Möglichkeiten Die hoch belastbaren Beine bei der Untersuchung der inneren Strukturen von Materia- der Heuschrecke lien aller Art ermöglicht. „Wir können damit zerstörungsfrei Was für Wolf-Achim Kahl noch relativ neu ist, hat der in Keramiken, Faserverbundwerkstoffe, metallische oder Diplom-Physiker Oliver Focke vom Faserinstitut Bremen e. V. biologische Materialien und vieles mehr schauen, und das bis schon öfters erlebt: das Staunen über die Leistungsfähigkeit zu einer Größenordnung von weniger als einem tausendstel des neuartigen Großgeräts. Focke hat den Betrieb des XRM Millimeter“, sagt Kahl. seit 2017 aufgebaut und bereits zahlreiche Messungen unter- Noch detaillierter, noch genauer, noch aussage- schiedlichster Art vorgenommen. „Eines der ersten Projekte kräftiger sind die Einblicke, die man mit dem XRM — so kam aus der Bionik. In Zusammenarbeit mit dem Bionik- die englische Abkürzung für „X-ray microscope“ — bekommt. Innovationszentrum B-I-C der Hochschule Bremen haben wir „Für Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ist Exoskelette von Insekten untersucht.“ Oliver Focke erinnert 18 update. 04 19
forschung Zwei Männer — ein Gerät: Dr. Wolf-Achim Kahl (MAPEX Core Facility, links) und Oliver Focke (Faserinstitut Bremen e. V.) sind Spezialisten für das 3D-Röntgenmikroskop ZEISS Xradia 520 Versa. Fotos: Matej Meza / Universität Bremen hen — die Umgebung des Risses, die Strukturen, die Bereiche, wandte Materialforschung (IFAM) wurde zuletzt daran wo vielleicht eine Klebung nicht gehalten hat, und vieles geforscht, welchen Einfluss Regentropfen, Sand und Eis auf Das 3D Röntgenmikroskop ZEISS Xradia 520 Versa mehr“, so Wolf-Achim Kahl. Das sei früher nicht möglich die Vorderkanten eines Windrad-Flügels haben. Moment der MAPEX Core Facility. gewesen: „Da musste man Schadstellen oft ausschneiden oder mal: Einfache Regentropfen sollen einem modernen Windrad Foto: Matej Meza / Universität Bremen freilegen, um sie mikroskopisch zu untersuchen. Nur haben etwas anhaben? „Man unterschätzt das. Diese Windräder diese Schnitte schon wieder zu einer Veränderung und Beein- haben an ihren Enden sehr hohe Geschwindigkeiten. Wer mal flussung der eigentlichen Schadstelle geführt.“ Zerstörungs- sein Gesicht bei einer Autofahrt im Regen aus dem Fenster freie Prüfung ist ein hochinteressantes Forschungsthema, gehalten hat, weiß um die Kraft der Regentropfen“, so Oliver „Beim Blick in die denn die Industrie träumt von der Massenproduktion ohne jegliche Ausfälle. „Die fänden es natürlich toll, wenn direkt in Focke. Hochleistungsmaterialien sind teuer und müssen daher so ausgelegt werden, dass sie möglichst lange halten — die innersten Strukturen der Produktion eine Qualitätsüberwachung stattfinden könnte“, weiß Focke. Von daher ist auch die Integration von Forschung, auch im MAPEX-Verbund, hilft dabei. Das Röntgenmikroskop ist indes nicht isoliert zu eines Seesterns fühlte Messmethoden in die Produktion immer wieder ein Thema im sehen, sondern im Zusammenspiel mit weiteren leistungs ich mich plötzlich MAPEX-Verbund. Mit dem hochauflösenden Bremer Mikroskop kann fähigen Analysegeräten innerhalb des Forschungsnetzes. „Viele Forschende wissen gar nicht, was für tolle Geräte und Mög- sich noch genau an die Röntgenmikroskopie von Heuschre- an die Strukturen von man praktisch alle Materialien — auch die Umgebung von Pflanzenwurzeln in Bodensubstraten — zerstörungsfrei prüfen lichkeiten wir auf dem Campus haben. Ich freue mich jedes Mal riesig, wenn ich einen Kontakt vermitteln und damit ein cken-Beinen. „Diese Beine sind sehr filigran, halten aber Keramik erinnert.“ und die Details sichtbar machen. „Biologinnen und Biologen bisschen zum Erfolg einer Arbeit beitragen kann. Oft habe in der Natur sehr große Belastungen — das Mehrfache ihres interessieren sich beispielsweise dafür, wie sich verschiedene ich schon erlebt, dass aus einer Anfrage für eine einzelne Körpergewichts — aus“, so Focke. Derzeit werden dazu im Oliver Focke, Faserinstitut Bremen Mikroben um eine Pflanzenwurzel ansiedeln“, erläutert Wolf- Messung am Ende ein neues gemeinsames Forschungsprojekt DFG -Projekt „Einfluss von mechanischer Belastung auf Exo Achim Kahl. Mit dem XRM wurde in Zusammenarbeit mit dem entstanden ist“, sagt Dr. Hanna Lührs, Wissenschaftsmanage- skelette von Insekten“ die Heuschrecken-Beine auf ihre Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven aber auch rin des MAPEX. Gute Beispiele dafür seien die oben beschrie- Anpassungsfähigkeit gegenüber mechanischer Belastung unter schon mal ein ganz anderes Objekt untersucht: ein durch ein benen Kooperationen mit der Bionik und dem Deutschen mehrfacher Erdbeschleunigung untersucht. „Es geht darum, Automobilindustrie und Schienenverkehr, bei Windkraftan Uhrwerk angetriebenes Spielzeug-U-Boot von 1915. „Die Schifffahrtsmuseum. „Wir haben in den vergangenen Jahren mögliche Unterschiede in der Bauweise wie auch die Geometrie lagen, aber auch in Nischengebieten. Um für die verschiedens- Forschenden wollten — natürlich zerstörungsfrei — reinschauen mehrfach durch gemeinsame Anstrengungen Fördergelder der Beine so genau wie möglich zu erfassen. Wir wollen wis- ten Anwendungen die besten Materialien zu entwickeln, und wissen, wie genau das Uhrwerk aufgebaut ist und funk der DFG für neue Großgeräte eingeworben. Neben dem sen, was sie so widerstandsfähig und flexibel, aber gleichzeitig muss man einen tiefen Blick ins Innere werfen: Wie liegen die tioniert“, so Oliver Focke. Ein anderes „Aha-Erlebnis“ hatte er, Röntgenmikroskop werden unsere Forschenden künftig auch auch leicht macht. Die Natur ist oft Vorbild für technologische Fasern, wo gibt es Risse, Poren oder Verschmutzungen, als er einen Seestern aus der Nordsee im Röntgenmikroskop eine hochmoderne Anlage für das dreidimensionale Entwicklungen.“ wo klebt etwas nicht richtig? „Alles, was die Kolleginnen und betrachtete und sich die beeindruckenden Details anschaute: Laser-Auftragsschweissen sowie ein Transmissionselektronen- Das zeigt auch das Beispiel der Faserverbundwerkstoffe, die Kollegen so herstellen, gucken wir uns an“, schmunzelt Oliver „Ich fühlte mich plötzlich an die Strukturen von Keramik mikroskop der neuesten Generation nutzen können.“ eine der wichtigsten Entwicklungen der vergangenen Jahr- Focke. „Wir erzeugen tausende von Schnittbildern, die in ihrer erinnert, und tatsächlich gab es da verblüffende Parallelen. Es Ziel sei ein überregional bedeutsames Großgeräte- zehnte sind. Sie gehören zu den häufig untersuchten Materia- Menge dann auch einen dreidimensionalen Blick erlauben.“ ist immer wieder bemerkenswert, welche Lösungen die Natur zentrum für die Materialanalytik. Mit dem Projekt „MAPEX lien im Bremer Röntgenmikroskop. Die Verbindung zwischen hervorbringt.“ Core Facility for Materials Analytics“ unterstützt die DFG die leichten, aber äußerst robusten Kunststofffasern mit den Prüfen, ohne zu zerstören Universität Bremen in den nächsten fünf Jahren auf dem Füll- und Klebstoffen dazwischen hat Materialien geschaffen, Ein ganz wichtiger Aspekt bei der Arbeit mit dem Röntgen Wie wirken Regentropfen auf Weg dahin. durch die viele aktuelle Anwendungen erst möglich wurden. mikroskop ist das zerstörungsfreie Prüfen, kurz ZfP. „Für ein Windrad? Leicht, fest, steif: Faserverstärkte Kunststoffe haben Leicht- Materialwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler ist das oft In Zusammenarbeit mit dem Bremer Institut für Messtechnik, Weitere Informationen: metalle wie Aluminium abgelöst und kommen heute in vielen sehr wichtig. Wenn zum Beispiel in einem Material ein Riss ist, Automatisierung und Qualitätswissenschaft (BIMAQ) www.uni-bremen.de/mapex Industrien zum Einsatz — beispielsweise Luft- und Raumfahrt, kann man sich das mit dem XRM jetzt ganz genau anse- und dem Fraunhofer Institut für Fertigungstechnik und Ange- www.uni-bremen.de/mapex-cf 20 update. 04 21
forschung Glücksspiel — so freundlich der Begriff erst einmal klingt, Die Branche ist kreativ. Die Automaten werden umso härter können die Folgen sein, wenn aus einem immer ausgefeilter. Spielanreiz eine Sucht wird. Ob im Casino, in der Spielhalle Foto: powersky / AdobeStock oder zuhause im Internet: Wenn die Suche nach dem Kick ausufert, steht womöglich die gesamte Existenz auf dem Spiel. Wie viele Menschen als glücksspielsüchtig gelten, lässt sich nicht genau sagen. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung schätzt, dass in Deutschland etwa 430.000 Menschen von glücksspielbezogenen Proble- men betroffen sind. Das Spiel mit der Sucht An der Universität Bremen erforschen Psychologinnen und Psychologen die Glücksspielsucht Von Christina Selzer Der Bremer Glücksspielforscher süchtig“, betont Hayer. „Aber die Spiele Suchtforschung. In den Forschungspro- obias Hayer beschäftigt sich mit dem T sind so aufgebaut, dass sie die Teil jekten geht es zum Beispiel darum, wer Phänomen, warum Menschen glücks- nehmenden binden wollen und langfristig besonders gefährdet ist, welche Glücks- spielsüchtig werden. Der promovierte eine Sucht auslösen können.“ spiele besonders süchtig machen können Psychologe berichtet, dass besonders und was beim „Zocken“ in Gehirnen ab- männliche Jugendliche suchtgefährdet Forschung mit läuft. „Unser Anspruch ist, dass wir mehr sind. Warum gerade sie? „Jüngere sind Praxisbezug als reine Wissenschaft betreiben“, betont erst einmal risikobereiter als Ältere. Zu der Arbeitseinheit Glücksspielfor- Hayer, der in verschiedenen bundes Sie springen eher auf neue Reize an und schung gehört die Bremer Fachstelle weiten Gremien auch die Politik berät. testen Grenzen aus. Außerdem fehlt Glücksspielsucht, die aus zwei Teilen be- „Wir machen Forschung mit Praxisbezug ihnen oft die Kompetenz, vernünftig mit steht. Auf dem Campus der Universität und wollen mitliefern, was aus den Be- Geld umzugehen.“ Tobias Hayer hat in Bremen forschen Psychologinnen und funden folgen muss.“ seinen Studien verschiedene Risikogrup- Psychologen. Die Beratungsstelle in der Die Bremer Fachstelle Glücks pen in den Fokus gerückt. Er fand da- Innenstadt ist zugleich Anlaufstelle für spielsucht führt Experimente durch, bei auch heraus, dass viele Betroffene in Betroffene und Angehörige und bietet greift auf qualitative Forschungsansätze Sportvereinen aktiv sind oder einen außerdem Fortbildungen für bestimmte zurück und arbeitet mit großen quanti Migrationshintergrund aufweisen. Zielgruppen an. Damit ist sie ein wichti- tativen Datensätzen. Zu den Forschungs- „Natürlich wird nicht jeder oder jede ges Bindeglied zwischen Suchthilfe und methoden gehören auch Testkäufe mit 22 update. 04 23
forschung „Es ist ein weit verb reiteter Irrtum, dass man den Ausgang eines Spiels am Automaten durch gezieltes spielsüchtige können sich in allen Spiel- hallen im Land sperren lassen. „Wir Drücken von Knöpfen haben festgestellt, dass viele Betroffene davon Gebrauch gemacht haben“, so beeinf lussen kann.“ Gerhard Meyer. Allerdings zeigte sich auch etwas Alarmierendes: Obwohl das Professor Gerhard Meyer Personal dazu verpflichtet ist, bei Ver- dacht auf Glücksspielsucht einzugreifen, Tobias Hayer beschäftigt sich Die Bremer Forscher beraten fand das in den untersuchten Fällen mit dem Phänomen, warum auch die Politik Menschen glücksspielsüchtig Foto: Matej Meza / Universität kaum statt. „Die Interessenskonflikte lie- werden. Bremen gespielt und somit 2 Euro eingesetzt. 48 von 63 Studien wird ein erhöhtes gen auf der Hand. 60 bis 80 Prozent Foto: Matej Meza / Universität Bremen Das ist ein Nettoverlust von 50 Cent. Gefährdungspotenzial nachgewiesen. der Umsätze stammen von Süchtigen. Aber Sie nehmen es als Gewinnerlebnis Als Fazit fordert Tobias Hayer eine Die Spielhallenbetreiber haben also wahr, weil der Automat das anzeigt und strenge Regulierung. „Aus unserer Sicht keine Motivation, einen Süchtigen vom diesen Gewinn untermalt. Eine Spielerin rechtfertigt die wissenschaftliche Spielen abzuhalten.“ Studierenden in der Spielhalle mit dem die blinkenden Automaten und reden len.“ Gerhard Meyer weiß: Es werden zu- hat das mal sehr treffend beschrieben: Befundlage grundsätzlich spürbare Ziel der Überprüfung, unter welchen sich ein, dass es bestimmt beim nächsten dem Elemente eingebaut, mit denen ‚Sie gewinnen Ihr Portemonnaie leer‘“. Eingriffe des Staates bei der Regulie- Wie gefährdet sind Bedingungen der Jugend- und Spieler- Einsatz klappt. Spielende aktiv eingebunden werden: rung des Online-Glücksspiels, die sogar ältere Menschen? schutz in der Praxis funktioniert. In der Der Doktorvater von Tobias „Die Automaten verfügen über Online-Glücksspiele Verbote bestimmter Spielseg- Das nächste Projekt der Arbeitsgruppe Beratungsstelle sind die Fachleute dicht Hayer ist Professor Gerhard Meyer. Stopp-Tasten. Das suggeriert: Wenn Du besonders gefährlich mente — zum Beispiel Online-Casino steht schon in den Startlöchern und dran an Menschen mit Glücksspielsucht, Er leitet die Bremer Fachstelle Glücks- nur den richtigen Zeitpunkt erwischst, Bisher war Online-Glücksspiel mit Aus- spiele — umfassen können“. beschäftigt sich mit der Glücksspielsucht die in Gesprächen viel über ihre Moti spielsucht seit zwölf Jahren und gehörte kannst du auf den Spielablauf Einfluss nahme von Schleswig-Holstein nicht bei älteren Menschen. Aufgrund der vation und die Negativfolgen erzählen. zu den ersten Fachleuten, die bereits nehmen.“ Eine tückische Illusion. Da- legal. Die Länder haben beschlossen, Studie in Hessen: demografischen Entwicklung sind Sucht- Das sind ebenfalls wertvolle Daten für in den 1980er-Jahren vor den Suchtge- durch wird das Belohnungssystem im dass es ab Juli 2021 bundesweit erlaubt Spieler lassen sich phänomene im Alter generell ein großes die Forschung. fahren durch Spielautomaten gewarnt Gehirn aktiviert. Es will mehr davon. ist. Die Befürworter erhoffen sich freiwillig sperren Thema, wobei hier bislang in erster Linie haben. Der Professor für Psychologie an davon, dass sich der Markt dann nicht Gerhard Meyer und Tobias Hayer haben Alkohol und Medikamente im Vorder- Glücksspielmythen der Universität Bremen erkannte schon Spielautomaten mehr im Verborgenen entwickelt, son- im Auftrag des Hessischen Sozialminis- grund standen. Ob die ältere Generation Es ist ein weit verbreiteter Irrtum, dass früh das hohe Suchtpotential. „Die Auto- immer ausgefeilter dern unter staatlicher Aufsicht reguliert teriums eine weitere Forschungsstudie auch zur Risikogruppe im Bereich man den Ausgang eines Spiels am maten wurden immer raffinierter auf Das Bremer Forscherteam probiert auch wird. Dennoch: Der bequeme Zugang durchgeführt. Hessen hatte 2014 als Glücksspiel zählt, soll diese vom Bundes- Automaten durch gezieltes Drücken von gerüstet. Wir stellten fest, dass sie sucht selbst Glücksspiele aus, schaut sich zum vom heimischen Sofa aus macht die On- erstes Bundesland eine Sperre in Spiel- gesundheitsministerium geförderte For- Knöpfen beeinflussen und damit auf ähnliche Phänomene auslösten, nicht Beispiel neue Automatentypen an. „Ich line-Glücksspiele besonders gefährlich. hallen eingeführt. Das bedeutet, Glücks- schungsstudie zeigen. lange Sicht gegen den Automaten ge- zuletzt durch die Umgehung gesetzlicher muss ja verstehen, wie es wirkt“, erklärt Die Suchtgefahr ist hoch, warnt auch winnen kann. Denn Automatenspiele Vorgaben. Statt des festgelegten Tobias Hayer. „Wenn ich in eine Spielhalle Tobias Hayer. „Das Spiel ist immer ver- oder Roulette funktionieren rein zufalls- Höchstgewinns pro Spiel von 2 Euro lassen gehe, möchte ich ein Gefühl dafür be- fügbar, Sie spielen anonym, ohne soziale Professor Gerhard Meyer gehörte zu den ersten Fachleuten, die vor den Suchtgefahren basiert. Doch gerade solche Mythen sich inzwischen über die Verlagerung kommen, welche Spielanreize von den Kontrollmöglichkeiten, bargeldlos. durch Spielautomaten gewarnt haben. halten Spielerinnen und Spieler bei der von der Geld- auf eine Punkteebene und Automaten und dem Ambiente ausge- Wenn Sie in der Spielhalle sind, müssen Foto: Matej Meza / Universität Bremen Stange. Sie stecken Euro um Euro in zurück Gewinne bis zu 4.500 Euro erzie- hen, damit ich weiß, welcher Persönlich- Sie ihr Portemonnaie aufmachen und keitstyp darauf anspringen könnte.“ Geld rausnehmen und wenn das leer ist, Die Branche ist kreativ, die müssen sie losgehen und Geld holen. Automaten werden immer ausgefeilter. Zocken Sie online, können Sie ihre Kredit- Alles dreht sich darum, den Spieler, die karte im Sekundentakt belasten, so „Aus unserer Sicht rechtfertigt Spielerin zu manipulieren. Mittlerweile gibt es Computerprogramme, bei denen dass Sie nicht merken, wie viel auf dem Spiel steht und wie viel sie schon ver die wissenschaftliche Befundlage man bis zu 20 Gewinnlinien spielen loren haben.“ grundsätzlich spürbare Eingriffe kann. Der Automat bimmelt und blinkt bei jedem kleinen Gewinn. Das übt eine Das belegt auch eine Litera- turanalyse zu den besonderen Risiken des Staates bei der Regulierung so große Faszination aus, dass man gar nicht merkt, dass gerade Geld verloren des Online-Glücksspiels, die Hayer mit der Arbeitseinheit Glücksspielforschung des Online-Glücksspiels.“ wird. „Sie freuen sich über einen Gewinn zusammen mit dem Institut für Inter von 1 Euro 50. Was ist faktisch passiert? disziplinäre Sucht- und Drogenforschung Tobias Hayer Sie haben 20 Gewinnlinien je 10 Cent (ISD) in Hamburg durchgeführt hat. In 24 update. 04 25
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