Unterwegs unimagazin - uni ma gazin

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Unterwegs unimagazin - uni ma gazin
unimagazin

   Unterwegs
      aber wohin ?

                     Ausgabe 2019 – 02
                     Unabhängiges Mannheimer
                     Studierendenmagazin

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Unterwegs unimagazin - uni ma gazin
Editorial

#traveladdict #Weltenbummler #what1nicelife #enjoymyself #amsterdambarcelonaro-
main1week #instatravel #picoftheday #followme #instagood #beautiful #selfie #wander-
lust #instadaily #me #inszenierung #humblebrag #eitelkeiten #dasistfotonr8349 #stereo-
typeindividualität #banal #googlehatmirdiesenortvorgeschlagen #essenmittlerweilekalt
#nocheinkitschigeszitatvonmarktwaindazu

Nachdenkliche Sprüche mit Bilder ist der Name eines         bummeln ist irgendwie zum Statussymbol geworden.
Facebook-Accounts, der kitschige Sprüche voller Recht-      Diese sich ständig wiederholenden, von hinten vor einer
schreibfehler mit Bildern von Sonnenuntergängen und         Wahnsinnskulisse inszenierten Instagram-Bilder, die Ab-
Ähnlichem kombiniert. Dahinter steckt nicht etwa ein        geschiedenheit und Exklusivität ausdrücken sollen, wer-
Mittfünfziger, sondern jede Menge Ironie. Accounts wie      den an sogenannten lost places wie am Fließband gene-
dieser verdeutlichen den Geltungsdrang, der in vielen       riert. Ist ein Urlaub ohne Fotos überhaupt noch
noch so kleinen Ausflügen mitschwingt. Was diese per-       vorstellbar? Auf einer Reise ohne „besondere Vorkomm-
manente Bilderflut erweckt, ist nicht etwa die eigene       nisse“ bekäme das Wort Erholung eine ganz neue Bedeu-
Reiselust, sondern ein Anflug plötzlicher Unlust, da sich   tung und wäre mehr als ein Bild mit hochgelegten Füßen
Reisen irgendwie ausgelutscht und auserzählt anfühlt.       und Kaffeetasse.
Dass mit dem Thema Reisen und „unterwegs sein“ trotz-
dem regelmäßig ein ganzes Magazin gefüllt werden            Die Redaktion war also mal wieder alternativ – vielleicht
kann, lässt sich allein an der Deutschen Bahn ausma-        auch alternativlos – unterwegs und hat sich in eine Reihe
chen, die jeden Monat ein neues DB MOBIL-Magazin            von Selbstversuchen gestürzt. Wir sind gereist, gewandert
aus dem Boden stampft. Und es sollte einen auch nicht       und haben verzichtet.
verwundern, schließlich ist Reisen wirklich ein besonde-
res Privileg. Das Nervige daran sind Instagram und Co.,     Dabei sind wir auf das aufgesprungen, was einem in
die eine bestimmte Art zu reisen diktieren. Das Welten-     Mannheim unmittelbar und alltäglich begegnet: den

2    Editorial
Unterwegs unimagazin - uni ma gazin
Die Redaktion

Nahverkehr und den Schiffsverkehr. Eine ungewöhnli-         Wer unsere alten Ausgaben kennt, wird sich vielleicht
che Mitfahrgelegenheit haben wir auch mitgenommen           über das neue Layout wundern. Hier haben wir mit ei-
(Seite 6 ff. Alternatives Reisen).                          nem Dreier-Team einen ganz neuen Kurs eingeschlagen.
                                                            Wir sind gespannt auf eure Rückmeldungen und wün-
Auch wenn der Weg das Ziel sein soll, stellt sich dennoch   schen viel Spaß beim Entdecken!
die Frage: Wo geht’s hin? Unsere Empfehlung aus der         Unterwegs – aber wohin? Derart philosophisch aufgela-
Kategorie lokale Superlative: der Schuttberg, Mann-         den starten wir zunächst einmal ins neue Semester.
heims höchster Hügel. Verlaufen kann man sich auf der
Friesenheimer Insel dabei nicht (Seite 16–23 Alternative    Die Chefredaktion
Weinwanderung).

Wohin steuern eigentlich die deutschen Hochschulen,
wenn es darum geht sich gegenüber rechtsextremem Ge-
dankengut zu positionieren? Einen Rundumblick und
ein Statement mit klarer Position findet ihr in unserer
Campus-Rubrik (Seite 42–45 Von Skinheads und Na-
zi-Hipstern).

                                                                                                    Editorial    3
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CON
   TENT

 Alternatives Reisen

Alternatives Reisen                               06

Maximalgeschwindigkeit 16 km/h – Schiffstrampen   07 – 09

BlaBlaFlug nach Berlin – Ein Protokoll            10 – 11

Endstation – Mannheimer Tram-Endhalte             12 – 15

Alternative Monnemer Weinwanderung                16 – 23

4    Inhaltsverzeichnis
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Campus

Studieren auf dem Bau – Baustellen an der Uni        24 – 27

Schöne neue Welt – Abrissbirne EO                    28 – 29

Zu den Aborten – Toiletten-Wegweiser                 30 – 31

Sportler an der Uni                                  32 – 36

Das BWL-Studium und die Konkurrenz                   38 – 39

Einhornforschung                                     40 – 41

Von Skinheads und Nazi-Hipstern – Nazis an der Uni   42 – 45

Nicht nur League of Legends – E-Sport                46 – 49

Kultur

Warum in Mannheim starke Frauen zu Hause sind –      50 – 54
Frauenrechte

Immer der Nase nach – Gerüche                        56

Tiefer als der Tod – Eichbaum                        58 – 59

Die Buschgirls Mannheim                              60 – 61

Mensasuppen                                          62

Verzicht                                             64 – 65

Kreuzworträtsel                                      66

Impressum                                            67

                                                               Inhaltsverzeichnis   5
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Alternatives
Reisen

Man muss das Rad nicht neu erfinden, um alternativ zu     Wie die meisten sicher schon wissen, können wir ab die-
reisen. Obwohl man in Mannheim in bester Gesellschaft     sem Semester mit dem Studierendenausweis nach 19 Uhr
wäre. Denn hier wurden einige Fortbewegungsmittel er-     wochentags und am Wochenende ohne zeitliche Begren-
funden: unter anderem das Fahrrad, das erste funktions-   zung mit dem Nahverkehr im VRN-Gebiet umherfah-
fähige Raketenflugzeug, der erste elektrische Fahrstuhl   ren. Ungeahnte Möglichkeiten tun sich also auf, bei de-
und das Automobil. Die Mittel der Wahl sind heute Va-     nen der/die ein oder andere schonmal den Überblick
rianten, die nachhaltig sind, für das klamme Portemon-    verlieren kann. Wir hoffen euch Hilfestellung geben zu
naie taugen und nebenbei auch Erfahrungen á la „Der       können, falls ihr nach einer durchzechten Nacht in der
Weg ist das Ziel“ und vielleicht auch eine Prise Ent-     Bahn mit den Worten „Endstation, bitte alle aussteigen“
schleunigung mit sich bringen. Das ist nicht wenig. Ob    geweckt werdet oder einfach am Wochenende mal nichts
die drei Möglichkeiten, die wir ausprobiert und unter     mit euch anzufangen wisst.
dem bescheidenen Titel „Alternatives Reisen“ zusam-
                                                          Text: Nina Burau
mengestellt haben, diesen Ansprüchen gerecht werden,
bleibt euch überlassen.

6    Alternatives Reisen – Alternatives Reisen
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Maximalgeschwindigkeit
16 km/h                                                                                                              N

– Per Anhalter mit dem Frachtschiff –

                                                                                                  W

                                                                                                                         O
„Die kann das richtig gut!“, rief Kapitän Miro in die Kamera, als Nina das Steuerrad über-
nehmen durfte. Als wir endlich an Bord der Jakob Götz (leider kein romantischer Schiffs-
name) waren, fühlte es sich großartig an. Doch der Weg dorthin entpuppte sich als Hür-
denlauf. Alles kam anders als gedacht.
                                                                                                                     S

Schiffstrampen – das hatten wir uns einfach und roman-         Schiffstour, mit dicken Wanderrucksäcken inklusive
tisch vorgestellt. Über ein paar Ecken hatten wir von je-      Zelt, Schlafsäcken und Proviant, marschierten wir hoff-
mandem gehört, dass ein Freund auf dem Rhein per An-           nungsvoll zur Feudenheimer Schleuse. Dort wollten wir
halter mit Containerschiffen gereist sei. Weil sich die        erst mal unser Glück versuchen.
Kapitäne wohl über Gesellschaft freuen und daher gerne
mal jemanden mitnehmen würden. Das klang doch viel-            Nachdem der erste Kapitän, den wir dort ansprachen,
versprechend, dachten wir uns und nahmen uns dies als          mit „Muscht du Firma fragen, muscht du Firma fragen“
persönliches Experiment für die Osterferien vor. Als wir       für eine erste Desillusionierung sorgte, ließen wir uns
dann aber nochmal Genaueres erfragen wollten, ent-             erstmal nichtsahnend (okay, ein „Betreten verbo-
puppte sich diese Geschichte als veraltet. Dieser „Freund“     ten“-Schild war da schon) auf einem Grünstreifen am
war der ehemalige Lehrer, der dies wohl mal als Anekdo-        Schleusenrand nieder. Die Gemütlichkeit hielt jedoch
te aus seiner 20 Jahre zurückliegenden Jugend brachte.         nicht lange an, nachdem uns der Schleuser einen Besuch
                                                               abstattete und uns mit den Worten „Ihr könnt hier nicht
Früher war halt doch alles besser. Da sind die Leute ans       einfach euer Picknick ausbreiten“ des Platzes verwies.
Schiff geschwommen, haben hochgerufen und sind dann            Außerdem hätten wir ja auch gar keine Schwimmwesten an.
ein Stück mitgefahren, wie wir später noch erfahren.
Doch die Dinge haben sich geändert. Die Binnenschiff-          Letztendlich fand uns der Schleuser wohl doch ganz
fahrt hat sich wie viele Branchen zentralisiert. Die gro-      sympathisch und gab uns, nachdem wir nochmal lieb
ßen Konzerne haben ihre Richtlinien.                           nachfragten, einen guten Rat mit auf den Weg: Wir soll-
                                                               ten es mal beim Containerterminal an der Jungbusch-
Zwischen dem Ludwigshafener und dem Mannheimer                 brücke versuchen. Außerdem würden an der Feudenhei-
Hafen existiert seit 2001 ein Kooperationsvertrag. Rech-       mer Schleuse nur die Schiffe vorbeikommen, die „zu
net man den Güterumschlag der beiden Städte zusam-             Berg“ fahren – also stromaufwärts. Damit meinte er den
men, darf man hier sogar vom größten Binnenhafen               Neckar stromaufwärts. Doch genau das wollten wir gera-
Europas sprechen. Kein Wunder also, dass es in Mann-           de nicht. Uns schwebte der große weite Rhein vor. Köln,
heim ein Schifferkinderheim und eine Hafenkirche gibt.         Antwerpen, die offene See, die große weite Welt, das
Die Schifferstadt hingegen hat wohl nichts damit zu tun.       wollten wir!
Für alles gewappnet, also vorbereitet auf zwei Wochen

                                                         Alternatives Reisen – Maximalgeschwindigkeit 16 km/h       7
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An der Jungbuschbrücke angelangt, sagte uns eine Mit-       den Containerterminals am Rhein. So machten wir uns
arbeiterin in der Raucherpause, wir sollten mal hochge-     auf zu neuen, gegenüberliegenden Ufern. Mit der Linie 4
hen und bei der Anmeldung fragen oder am besten direkt      ging’s nach Ludwigshafen. Dort angekommen, liefen wir
mit Herrn Götz, dem Reedereiinhaber und Chef des            schüchtern ein bisschen am Rheinufer nahe der
Containerterminals sprechen – den Namen kannten wir         Rhein-Galerie hin und her. Kein Kapitän in Sicht, den
aber leider schon. Hatten wir doch erst letzte Woche mit    man hätte ansprechen können. Wir hatten uns deutlich
ihm telefoniert und leider die ernüchternde Antwort er-     mehr erhofft vom Rat des Mainzer Schleusers. Unschlüs-
halten, dass Schiffstrampen nicht mehr so einfach sei. Er   sig, was wir nun machen sollten, versuchten wir es mal
nannte uns mehrere Gründe: Polizeikontrollen, Gefahr-       wieder mit Recherche und Kaffeetrinken, unser Anker in
guttransport, Versicherungsanforderungen... Es habe sich    der Not.
viel verändert, sagte er. Auch sei ihm unwohl bei dem
Gedanken an zwei Frauen auf einem Schiff mit üblicher-      Von Mannheim und Ludwigshafen über Mainz und
weise männlicher Besatzung. Sympathisch schoss er je-       Aschaffenburg telefonierten wir uns sogar bis nach Hol-
doch hinterher: „Aber wo ein Wille ist, ist auch ein Ge-    land durch. So richtig weiter wusste keiner und wollte
büsch.“ Und so bot er uns eine geplante Schifffahrt auf     sich auch niemand aus dem Fenster lehnen, bis wir
dem Neckar nach Neckargemünd an. Das fühlte sich für        schließlich auf die sympathische Frau Klinkenberg stie-
uns allerdings nach wenig Abenteuer und eher nach Kaf-      ßen. Überraschung: eine Frau an der Spitze des Vereins
feefahrt an. Das mit dem Gebüsch interpretierten wir        der deutschen Binnenschifffahrt, der ach so männerlasti-
also ein wenig anders und so waren uns alle Gefahrenhin-    gen Branche. Begeistert von unserer Idee, ließ sie uns
weise egal. Dennoch war der erste Tag gelaufen. Nach        wieder hoffen und eine Reise auf dem Rhein nach Ant-
zähem Warten, vielen Fragen und Absagen endete er im        werpen war plötzlich gar nicht mehr so fern.
Wirtshaus Uhland in der Neckarstadt-Ost (wir hatten es
gerade einmal vor die Haustür geschafft) mit einer Lage-    Doch wie kamen wir jetzt an Miro? Mit dem Angebot
besprechung. Aufgeben war keine Option.                     Frau Klinkenbergs zufriedengestellt, redeten wir uns nun
                                                            auch die Kaffeefahrt schön und verabredeten uns mit der
                                                            Reederei Götz für ein geplantes Schiffstrampen am
                                                            nächsten Morgen. Diesmal ohne Zelt, ohne Schlafsack,
                                                            gingen wir also am nächsten Tag um 8 Uhr morgens am
                                                            Containerterminal im Jungbusch an Bord der Jakob Götz.

                                                            „Ich hol mir noch schnell ’n Brötchen.“ So lernten wir
                                                            den aus der Slowakei stammenden Kapitän Miro kennen,
                                                            der als solcher seit 1982 unterwegs ist. Gut gestärkt muss
                                                            man schon sein für drei Wochen auf dem Schiff. Das ist
                                                            der Alltag der Crew – drei Wochen arbeiten, drei Wo-
                                                            chen frei. Und nun waren wir dabei und legten ab. Ein
Kapitän Miro meldet sich bei der Schleuse                   tolles Gefühl! „Hier auf dem Schiff sind wir wieder ver-
                                                            eint!“, scherzte Miro, nachdem er uns, die aus Tschechien
Mit frischer Motivation begann der nächste Tag, ohne        und der Slowakei stammende, vierköpfige Crew vorstellte.
Zelt, mit Schlafsack (Restoptimismus), Proviant und ei-
nem neuen Hinweis, den wir am Morgen telefonisch von        Auf dem Schiff konnten wir uns zwischen Männerkaffee
einem Schleuser aus Mainz-Kottenheim erhalten hatten:       (mit Schuss) und herkömmlichem Kaffee entscheiden.

8    Alternatives Reisen – Maximalgeschwindigkeit 16 km/h
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Zugegeben, die alkoholische Alternative war von Miro          Von einem hohen Verkehrsaufkommen konnte in der
nicht ganz ernst gemeint, führte uns aber direkt zu unse-     Osterferienzeit keine Rede sein, dennoch kam uns hin
rer ersten klischeebehafteten Frage: „Wird denn viel ge-      und wieder ein Schiff entgegen. Die Schiffsverkehrsord-
trunken an Bord?“ Die Antwort, wie so oft: „Früher            nung ist recht simpel: Normalerweise gilt Rechtsverkehr,
schon, heute nicht mehr.“                                     aber derjenige, der zu Berg fährt, hat das Recht, eine
                                                              blaue Tafel auszuklappen und damit das Signal für Links-
Früher gab es zudem noch mehr Partikuliere. Das sind          verkehr zu geben, sodass man Steuerbord an Steuerbord
selbstständige Schiffer, die mit ihrer Familie auf dem        vorbeifährt. Punkte wie in Flensburg gibt’s hier nicht.
Schiff leben. So auch der Besitzer der Somnium viverde,       Eine Geschwindigkeitsüberschreitung wird allerdings
der mit seinem Schiff grüßend an uns vorbeizieht, wor-        von der Wasserpolizei mit 50 Euro geahndet.
aufhin unser Kapitän kommentiert: „Das ist der Tobias,
der Chef vom Neckar.“ Auch auf dem Schiff muss man            Musste man sich früher noch mehr darauf verlassen kön-
einkaufen, so legten wir zunächst noch einmal bei Bosche      nen, dass die Crew sich nonverbal verstand, so gibt der
Schiffsbedarf an, welches selbst ein kleines Schiff ist und   *die Kapitän*in heute aus der Steuerkammer per Blue-
am Rheinufer anliegt, und besorgten diversen Klein-           tooth-Headset Kommandos. Den vielfach zitierten rauen
kram. Eine weitere feste Einrichtung auf dem Rhein sind       Ton konnten wir dabei nicht vernehmen. Reiseleiter
die vielen Bunkerboote, wie zum Beispiel die Rheintank        Miro war sehr herzlich und freute sich sichtbar über un-
14 (nach dem jeweiligen Flussabschnitt benannt), die die      sere Gesellschaft, sodass er uns voller Enthusiasmus über
Binnenschiffe direkt anfahren und mit fossilem Brenn-         seine zweite Heimat, den Neckar, erzählte. Eine wirklich
stoff versorgen. Nach dem kurzen Einkauf auf dem              bemerkenswerte Persönlichkeit, dachten wir uns, wäh-
Rhein ging es für das 105 m lange und 11,4 m breite           rend er zufrieden an seinem böhmischen Kaffee nippte.
Schiff wieder auf dem Neckar gen Stuttgart. Die erste
Schleuse passierten wir in Feudenheim und trafen dabei        Was bleibt, ist der süße Geschmack einer viel zu süßen
auf einen alten Bekannten, den Schleuser, der uns am          Flasche Wein, die uns Miro zur Erinnerung schenkte,
ersten Tag in die Schranken wies, und uns überkam das         aber auch das Gefühl, einen ganz besonderen Einblick
erhabene Gefühl, es geschafft zu haben. Kleiner Tipp: In      bekommen zu haben. Nach sechstündiger(!) Schifffahrt
der Schleuse befindet sich ein interessantes Binnenschiff-    bedankten wir uns herzlich bei Miro und seiner Crew –
fahrtsmuseum.                                                 das obligatorische Selfie inbegriffen.

Wir lernten viel von Miro und Dirk Götz, dem Reeder:
So sei zum Beispiel die Pegelanzeige am Mannheimer
Rheinufer nur eine historische: In Wahrheit muss man
seit der Vertiefung des Rheins nochmal ein paar Meter
draufrechnen. Die erlaubten Geschwindigkeiten für die
Schiffe betragen 12 km/h im Kanal und 16 km/h auf
dem Fluss. Auch über die sogenannte „Tauchbootkran-
heit“ wussten wir trotz Psychologie-Studiums noch
nichts. Auslöser ist dabei ein Fünffaches an Testosteron,
gepaart mit einem klassischen „Aufeinanderhocken“,
was zu einem unausweichlichen Lagerkoller führt. Dies          Beim Schiffstrampen ist Geduld gefragt
sei auch der Grund für den geringen Frauenanteil in der       Text: Sophia Laubel und Nina Burau
Branche, die sich bisher noch nicht gewandelt habe.           Fotos: Sophia Laubel, Nina Burau und Paula Sica

                                                        Alternatives Reisen – Maximalgeschwindigkeit 16 km/h        9
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BlaBlaFlug nach Berlin
– Ein Protokoll –

Wer bei BlaBlaCar an vollgestopfte Autos, enge Rück-        in der Nähe oder es für ihn praktischer ist. Er ist am
bänke, eingeschlafene Gliedmaßen und einen Haufen           nächsten Tag schließlich auch mit seinem Auto vorgefah-
fremder Leute denkt, liegt in den meisten Fällen nicht      ren, das aber eher wie ein Arbeitsauto aussah, in dem
falsch. Wahrscheinlich haben aber auch die Wenigsten        Handwerker im Laderaum ihr Werkzeug verstauen.
schon einmal über die französische Mitfahrzentrale einen    „Keine Sorge, wir fahren nicht hiermit“, meinte Louie.
Flug gefunden. Also Flug wie in Flugzeug. Leider war        Ich konnte das nicht so richtig einordnen. Da rief mich
Louie, der großzügige Pilot, der diese Flüge zumindest      der Freund an, den ich in Berlin besuchen wollte.
zeitweise in Mannheim angeboten hat, nicht zu finden.       „Ich bin dann in sieben Stunden da, glaube ich.” Ich
Aber uns bleiben die Eindrücke seiner Mitfliegerin So-      drehte mich zu Louie rüber: „Kommt hin, oder?“
phie Ströhler. Ein Protokoll über eine zufällig gebuchte,   „Ne, in zwei, zweieinhalb Stunden sind wir da.“
grenzenlose Freiheit über den Wolken.                       „Hä, wie?”
                                                            „Na wir fliegen.“
Im Sommer 2017 wollte ich spontan nach Berlin und           Bemerkt habe ich es also erst kurz bevor ich sein kleines,
war abends nicht mehr ganz nüchtern, als ich das billigs-   privates Flugzeug tatsächlich gesehen habe. Er muss das
te BlaBlaCar-Angebot für den nächsten Tag buchte. Da-       ein- oder zweimal im Jahr zur Inspektion fliegen. Und
her hatte ich mich bei der Zeitangabe verlesen und nur      wenn er schon fliegt, kann er auch Leute mitnehmen,
verstanden, dass der Fahrer für 18 Euro vom Mannhei-        meinte er. Eigentlich würde er den Preis höher ansetzen,
mer Flughafen losfahren würde. Im ersten Moment             aber es hatte niemand Interesse, sodass er den Preis ein
dachte ich mir, dass da vielleicht eine Autobahnauffahrt    paar Stunden vor meiner Anfrage nochmal runtergesetzt
                                                            hatte.

10   Alternatives Reisen – BlaBlaFlug nach Berlin
Louies BlaBlaPlane

Er hat mir von sich und seinem Hobby erzählt, während       Im Nachhinein habe ich auch jetzt keine großen Beden-
er das Flugzeug fertig gemacht hat; dann sind wir losge-    ken, weil es eine relativ kurze Strecke war und er ja wirk-
flogen. Während des Flugs hatte ich auch Kopfhörer und      lich fliegen musste. Das ist ja die Idee von BlablaCar,
Headset auf und habe seine Gespräche mit Fluglotsen         dass man das gemeinsam nutzt. Abgesehen davon, dass
mitgehört. Gesehen habe ich Deutschland von oben: ir-       es vielleicht ökologisch verwerflich ist ein Privatflugzeug
gendwelche Erhebungen im Raum Thüringen, Wälder             zum Spaß zu haben, und vorausgesetzt, dass er die Stre-
und Wasser. Wir waren echt in zweieinhalb Stunden in        cke sowieso fliegt, also eine gute Sache.
Trebbin bei Berlin. Anscheinend hatte er Kontakte auf
dem Flugplatz. Von dort fuhr nämlich ein Shuttlebus,        Meine Oma, meine Familie und die Freunde, die ich be-
bei dem er abgesprochen hatte, dass ich kostenlos zum       sucht habe, fanden es sehr lustig und schräg, dass man
nächsten Bahnhof kam.                                       sich aus Versehen einen Flug buchen kann. Respekt an
                                                            Louie, der war ein netter Pilot.
Ein schlechtes Gewissen wegen meines ökologischen
Fußabdrucks hatte ich nicht, weil ich damals noch nicht
so sensibilisiert dafür war. Das kam erst im Jahr danach.   Aufzeichnung: Carlos Hanke
Vor allem aber, weil ich gar keine Zeit hatte, darüber      Mitarbeit: Malte Wilkes
nachzudenken. Du hast das bezahlt und woanders war-
ten Leute auf dich.

                                                                Alternatives Reisen – BlaBlaFlug nach Berlin        11
Endstation
„To boldly go where no man has gone before“: Wir sind die Mannheimer Tramlinien bis
zum Ende mitgefahren und haben dabei fremde neue Welten entdeckt, von denen wir hier
eine bunte Auswahl vorstellen (Die komplette Übersicht gibt es auf unserer Website). Von
schön bis häßlich, von spießig bis aufregend war alles dabei. Generelle Beobachtungen:
Es gibt in Mannheim sehr viele Schrebergärten; das Großkraftwerk ist aus der Ferne sehr
markant. Während der circa 20 Stunden Recherchefahrten ereigneten sich eine
Fahrscheinkontrolle und ein Verkehrsunfall.

                                                              Score 1 – 5
 Haltestelle                      Was gibt es da?             Hinfahrt        Interessant   Schön

 Bad Dürkheim                     Brunnen                         5                4         5

 Neckarstadt-West                 Prostitution                    2                5         1

 Rheingönheim                     Nichts                          3                1         1

 Sandhofen                        Restaurant                      4                3         4

 Schönau                          Döner                           3                2         3

 Vogelstang                       Wohnen im Grünen                5                1         4

 Waldfriedhof                     Grabsteine                      2                3         2

 Weinheim                         Schöne Fahrt nach HD            1                1         1

Linie 1: Schönau
Durch vielfältige urbane Szenerien geht es in bilderbuch-
hafte, ruhige Vorortstraßen, in denen die Tram geradezu
fehl am Platz wirkt. Am Endhalt wendet die Tram um ein
wildes Getreidefeld mit Gebüsch mitten im Ort. Ein von
Grafitti übersätes oranges Jugendzentrum steht drei Im-
bissen gegenüber; die Apotheke hat dichtgemacht. Das
Licht auf der öffentlichen Toilette ist blau.

12    Alternatives Reisen – Endstation
Linie 2: Neckarstadt-West
Vorbei an Kneipen, Spielplätzen und Uringeruch geht es
zur Wendeschleife rund um ein Schulgelände. Direkt
gegenüber geht es in die Lupinenstraße, aus der Musik
schallt. Hinter der Schule führen eine Bundesstraße und
Fernbahngleise entlang. Hier tobt das Leben in all seinen
Facetten.

Linie 3: Sandhofen
Nach einem Stück altehrwürdiger Luzenberger Straße
folgt eine sanfte Kurve mit Blick auf den Altrhein auf der
einen Seite und Industrie und Firmenparkplätzen auf der
anderen. In Sandhofen wendet die Tram rund um ein
Seniorenwohnheim, dessen Front es wie ein Schiff aus-
sehen lässt. Der Platz davor ist neu und durchgestylt:
Pastellfarben und Edelstahl. Durch einen Glitch in der
Matrix gibt es Ali’s Bistrorante gleich zweimal. Ein wohl-
habendes Subzentrum, das sich nicht nach Ende anfühlt.

Linie 4: Bad Dürkheim
Nachdem man Ludwigshafen hinter sich gelassen hat,
geht es über Felder und durch Vororte gen Westen den
Bergen entgegen. Vor Bad Dürkheim sind die Weinreben
neben den Gleisen zum Greifen nah. Eine Tramstrecke
wie eine Radtour. Der Endhalt ist ein kopfsteingepflas-
terter Platz mit hübschen Blumenrabatten, einem Denk-
mal, reichlich Bäumen, frischer Luft und einem plät-
schernden Brunnen. Eine völlig andere Welt als Mann-
heim.

                                                             Alternatives Reisen – Endstation   13
Linie 4: Waldfriedhof
Gegenüber einer einsamen Straße mit kleinen Doppel-
häusern, die nirgendwohin führt, befinden sich Grab-
steingeschäfte und der Waldrand. Das große Gebäude
zwischen den Bäumen ist die Trauerhalle. Es ist passend
zur Stimmung des Ortes nichts los.

Linie 5: Weinheim
Der ehemaligen US-Wohnsiedlung Franklin folgt ein
Hauch Wald. Stets nahe der Autobahn geht es vorbei an
Einkaufszentren, Wohngebieten und Feldern. Zum Re-
cherchezeitpunkt ist der Weinheimer Bahnhof eine ein-
zige Baustelle. Auch ohne diese liegt er an einer recht
häßlichen Geschäftsstraße. Der Kontrast zu den idylli-
schen Bergen im Hintergrund ist frappierend. Höhen-
mäßig kann Weinheim nur Bad Dürkheim Konkurrenz
machen. Subjektiv steht man in Weinheim auf dem phy-
sikalischen Höhepunkt des RNV-Netzes.

Geheimtipp Linie 5: Weinheim – Heidelberg
Die Strecke zwischen Weinheim und Heidelberg ist sehr
zu empfehlen. Mit dem weiten Blick in die Mannheimer
Ebene auf der einen Seite und malerischen Bergansichten
auf der anderen fährt man von einem kleinen Örtchen
zum nächsten. Heidelberg präsentiert sich mit eleganten
Altbauten von seiner besten Seite und ist generell stets
eine Reise wert, weil es natürlich viel mehr ist als eine
Tram-Endstation.

14   Alternatives Reisen – Endstation
Linie 6: Rheingönheim
Fährt man zunächst mitten durch Ludwigshafen entlang
leidlich begrünter, schnurgerader Straßen, so geht es ge-
gen Ende plötzlich hinter den Häusern zwischen den
Gärten hindurch. Dahinter empfängt einen der gnaden-
lose Nihilismus eines großen Asphaltplatzes vor der fens-
terlosen Rückwand eines Geschäftsgebäudes. Daran an-
grenzend ein mickriger Parkplatz und eine absolut
belanglose Straße. So brutal, dass es schon wieder gut ist.

Linie 7: Vogelstang
Nach der Universitätsklinik folgen Hauptfriedhof,
Schrebergärten und Felder. Weiter geht es trotz zahlrei-
cher umgebender Wohnblöcke mitten durchs urbane
Grün. Dann plötzlich hält die Tram in Vogelstang Zent-
rum im Erdgeschoss eines Einkaufszentrums. Der End-
halt ist wiederum wie inmitten eines Parks, trotz der das
Gegenteil verheißenden Wohnhochhäuser. Die Tram
wendet um eine wildwachsende Wiese, hinter der zwei
Kindergärten stehen. Fehlt nur noch ein See. Der befin-
det sich etwa 600 m weiter südlich. Man merkt: Dieser
Stadtteil wurde durchgeplant.

Foto und Text: Felix Dunker

                                                              Alternatives Reisen – Endstation   15
Alternative Monnemer
Weinwanderung
*Insert guten Weintrinkspruch*

Wer behauptet, dass eine Weinwanderung in Mannheim
ein Unding sei, der*die wird hier eines Besseren belehrt.
Der Deponie-Berg auf der Friesenheimer Insel mit seinen
imposanten 156 Metern liegt an dem Ort, wo der Neckar
den Rhein küsst. Er ragt majestätisch in den Himmel der
Kurpfalzregion und wacht wie ein stiller Patron über die
Quadratestadt. Aus den Trümmern des zweiten Weltkrie-
ges entstand einst dieser imposante Riese und stellt seit-
dem die größte Erhebung Mannheims dar. Welcher Ort
könnte also besser für eine Weinwanderung in Mann-
heim geeignet sein?

16
Mit guten Freund*innen und billigem Wein, der nur be-
dingt mit Sprudelwasser gemischt wird, geht es also in       ohne Genehmigung strengstens verboten! Der Weg lohnt
Richtung Sehnsuchtsfantasie Weinwanderung in Mann-           sich dennoch, da sich hier am Fuß des Berges ein kleines
heim. Auf dem Weg zum Schuttberg erwarten einen              Naturschutzgebiet entwickelt hat, welches zum sommer-
nicht etwa harmonische Weinfelder, bei denen sich die        lichen Badeausflug verleitet.
ein oder andere Weintraube runterpflücken ließe, son-
dern vielmehr das Panorama eines Industrieparks. Los         Was hinter dem Zaun auf einen wartet, ist neben der
geht es beim Marchivum dem Neckar flussaufwärts fol-         größtenteils renaturierten Fläche vor allem Bauschutt wie
gend bis zu der Kammerschleuse, nach deren Überque-          Asbest oder Dämm-Material. Diese gefährlichen Ab-
rung die prächtige Friesenheimer Straße auf einen war-       schnitte lassen sich aber leicht vermeiden, da eine Straße
tet. Highlight dieser knapp zwei Kilometer langen            direkt auf den Hügel des Berges führt. Oben angelangt
Betonsafari ist etwa der Kult-Imbiss Schotti’s Burger-Im-    wartet ein beeindruckender Ausblick. Neben den ausgie-
biss, oder die Kart-Bahn Power-Car Motodrom.                 bigen Naturflächen im Norden des Berges, die das Natur-
                                                             schutzgebiet Kopflache am Friesenheimer Altrhein bilden,
Nach einem kurzen Schlenker auf die Rudolf-Die-              prägen das Panorama vor allem die industrieabhängige
sel-Straße lässt sich der Monte Scherbelino, wie der De-     Rhein-Neckar-Region. Besonders markant sind dabei die
ponie-Berg liebevoll auf Google Maps benannt ist, in sei-    Schornsteine der MVV oder die Mülldeponie am unteren
ner vollen Pracht bewundern. Ein Großteil der                Hang des Berges, auf der sich eine ganze Kompanie von
Mülldeponie ist schon renaturiert und seit 2010 befindet     Störchen zum gemeinsamen Mittagsessen eingefunden
sich sogar eine der größten Solaranlagen der Region am       hat.
südlichen Bergkamm. Der Berg an sich ist von einem
Zaun umschlossen, da hier gefährliche Abfallprodukte         Wir verbleiben eine gefühlte Ewigkeit auf dem Gipfel des
lagern und das Gelände von der ABG Abfallbeseitigungs-       Berges und genießen etwas erschöpft vom Wandern und
gesellschaft mbH genutzt wird. Ein Betreten des Berges ist   schon reichlich angetrunken – denn das gehört zu einer
also                                                         Weinwanderung schließlich auch dazu – die Aussicht.
                                                             Dabei wird uns der Kontrast von Natur und Mensch hier
                                                             wie an keiner anderen Stelle der Stadt deutlich.

                                                             Text: Joe Brandes
                                                             Foto: Lars Walsleben

                                                                                                                   17
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22   Alternatives Reisen – Weinwanderung
Bilderrätsel:

Erkennt ihr alle Störche auf dem Müllberg?
Wenn ihr die richtige Antwort wisst, dann sendet uns diese an unsere Redaktionsmail: kontakt@uni-ma-gazin.de. Unter
allen Gewinnern verlosen wir ein Mannheimer Weinwanderungsset, bestehend aus: 1x Packung Tafelwein von Aldi,
1x Plastikbecher zum Weinschorle mixen, 1x Flasche Mineralwasser medium Sprudel (empfohlenes Mischverhältnis
¾ Wein und ¼ Mineralwasser) und 1x Gutschein für Pommes essen bei Schotti’s Burger-Imbiss auf dem Rückweg.

Fotos: Lars Walsleben

                                                                      Alternatives Reisen – Weinwanderung       23
Studieren auf dem Bau
Gute Lehre muss in guten Räumen stattfinden.
Um die komplexe Gebäude-Situation der Universität
Mannheim zu verstehen, ist es zunächst wichtig zu wis-       Wer organisiert das?
sen, „dass es sich beim Schloss um ein Gebäude aus ganz      Eigentümer der universitären Gebäude ist dabei nicht
unterschiedlichen Bauzeiten und jeweils unterschiedli-       etwa die Uni Mannheim selbst, sondern das Land Ba-
cher Bausubstanz handelt“, erklärt die Kanzlerin der         den-Württemberg; die Universität tritt lediglich als Nutz-
Universität Mannheim, Barbara Windscheid. Das Ba-            nießer auf. Zwar hat die Universität in dieser Rolle ein
rockschloss stellt dabei ganz markant den Mittelpunkt        Mitspracherecht bei der Planung von neuen Gebäuden
der Universität dar. Von den Kurfürsten der Pfalz zwi-       und bei der Sanierung bestehender Abschnitte, jedoch
schen 1720 und 1760 als Residenzschloss errichtet, wur-      müssen für solche Zwecke das Land und das Finanzmi-
de es nach dem zweiten Weltkrieg ab 1947 phasenweise         nisterium als zahlende Instanz überzeugt werden. Auch
wiederhergestellt. Das Gebäude war also nie als Lehrstät-    die Beschäftigung der Bauarbeiter*innen erfolgt nicht
te vorgesehen. Die Nutzung als Universität ist außerdem      durch die Universität, sondern über das Bauamt. Zuge-
an strenge Vorgaben des Denkmalschutzes gebunden.            spitzt könnte man behaupten: Dem Land gehört alles,
Beides sind entscheidende Faktoren, die eine Gestaltung      das Finanzamt zahlt alles, das Bauamt baut alles und die
und Nutzung des Barockschlosses als Hochschule stark         Universität als Nutznießer koordiniert die Einrichtung
beeinflussen.                                                und Nutzung der Räumlichkeiten.
Die derzeitigen Sanierungsarbeiten an der Universität        Die Zusammenarbeit mit allen Stellen muss gut abge-
führen dazu, dass zusätzliche Räumlichkeiten angemietet      stimmt sein, um intensive Kostenbeteiligungen seitens
werden müssen, um den akademischen Betrieb im vollen         der Universität zu minimieren. Erneut hohe Summen aus
Umfang gewährleisten zu können. Dadurch verteilt sich        Eigenkapital zu stemmen, wie es bei dem knapp 21 Mil-
der Campus auf einer weitläufigen Fläche vom Parkring        lionen Euro teuren Bau des neuen B6-Gebäudes gesche-
bis hin zum Kaiserring. Eine Situation, die durch einen      hen ist, kann sich die Universität nicht leisten. „Das ist
verstärkten Ausbau zur Campus-Universität zukünftig          Geld, das dann in der Forschung fehlt“, wirft die Kanzle-
vermieden werden soll. Kurze Wege für Studierende im         rin ein. Von Großspenden, wie sie einst Hasso Plattner
Uni-Alltag garantieren und räumliche Nähe zwischen           für die Aufstockung des Schloss-Mittelbaus tätigte, sollen
wissenschaftlichen Fachbereichen ermöglichen, um den         die Projekte allerdings nicht abhängig sein.
interdisziplinären Austausch zu fördern – das sind klar
definierte Ziele für die zukünftige Ausrichtung der Uni-
versität Mannheim. Die räumlichen Abstände zwischen
den Lehrveranstaltungen sollten so klein sein, dass sie in
den 15-minütigen Pausen zwischen den Lehrblöcken gut
zurückzulegen sind. Einige der Räumlichkeiten sind zu-
dem nicht mehr zeitgemäß und bedürfen dringend einer
Sanierung. „Gute Lehre muss in guten Räumen stattfin-
den“, davon ist Dieter Zinser überzeugt. Diese Räume              „Eine Bau-freie Uni
müssten allerdings erst geschaffen werden.
                                                                    gibt es nicht.“
24    Campusleben – Baustellen an der Uni
Was in den nächsten Jahren passiert: Sanierung der be-       men, also in etwa ein Bachelorstudium in Regelstudien-
stehenden Gebäude.                                           zeit; der gesamte Masterplan ist bis Anfang der 2030er
In den nächsten Jahren wird sich weiterhin einiges am        Jahre ausgelegt. Die derzeitige Baustelle, die Aula, Kata-
Barockschloss tun. Zum einen spielen Gesetze, wie etwa       komben und Kunstturm umfasst, soll Ende dieses Jahres
Brandschutzauflagen oder die Versammlungsstättenver-         an die Universität übergeben werden. Jedoch müssen die
ordnung, eine Rolle, aber auch das Bestreben der Uni-        Räumlichkeiten anschließend noch ausgestattet und auf
versität, die Lehrstätten auf den jeweiligen Stand der       den Lehrbetrieb vorbereitet werden. Die gesamte Sanie-
Technik aufzurüsten. Diese unvermeidbaren Sanierun-          rung des Schlosses ist auf Grund entsprechender Gesetze
gen können jedoch nicht zeitgleich umgesetzt werden, da      notwendig, wird aber auch als Chance gesehen, die
man ansonsten die ganze Universität für mehrere Jahre        Räumlichkeiten an die sich stets ändernden Bedürfnisse
schließen müsste. Stattdessen wurde ein dezidierter Zeit-    des akademischen Betriebs anzupassen. Früher wurden
plan erstellt, der eine sukzessive Renovierung der Lehr-     etwa vermehrt große Auditorien gebaut, wie das Audi-
gebäude vorsieht. Mittelbau, Westflügel und Teile des        max in A3. In der heutigen Lehre geht der Trend jedoch
Schneckenhofes wurden im Rahmen dieser Maßnahmen             zu kleineren Arbeitsräumen und gemeinsamen Arbeits-
bereits saniert. Anfang nächsten Jahres sollen die Arbei-    bereichen. So soll bei der Sanierung des Ehrenhof-Ost
ten am Bauabschnitt Ehrenhof-Ost beginnen. Danach            im Dachgeschoss ein großzügiger Arbeitsbereich entste-
folgen Ehrenhof-West und anschließend der Ostflügel          hen. Auch technisch werden die Räume aufgerüstet, um
und der Rest des Schneckenhofs, wobei letzterer in zwei      insbesondere die Methodenlehre zu fördern.
bis drei Bauphasen aufgeteilt werden soll. Jeder Bauab-
schnitt wird dabei circa 2 ½ bis 3 Jahre in Anspruch neh-

Barbara Windscheid ist seit Anfang       Dieter Zinser ist für die Gesamtlei-     Matthias Heitz leitet das Dezernat
2017 Kanzlerin der Universität           tung und das Gremienmanagement           III (Bau und Technik).
Mannheim. (Foto: Stefanie Eichler)       des Teams Rektorat zuständig.            (Foto: Farina Stock)
                                         (Foto: Stefanie Eichler)

                                                                        Campusleben – Baustellen an der Uni         25
Plan für den Campus an der Bismarckstraße (Copyright:
                                                              Hähnig-Gemmeke Architekten BDA 7202 Tübingen)

                                                              Neues Rechenzentrum in A5
                                                              Ein weiterer Neubau entsteht im A5-Quadrat. Auf den
Baustelle auf dem Ehrenhof (Stand Juni 2019)
                                                              derzeitigen Freiflächen und neben der Sternwarte soll bis
Friedrichspark                                                circa 2024 ein neues Rechenzentrum gebaut werden. Das
Im Friedrichspark sind gleich vier neue Gebäude geplant,      derzeitige Rechenzentrum befindet sich gegenüber dem
deren Bau mit einer Neugestaltung der Parkanlage ein-         Hauptbahnhof. Die Gebäudetechnik ist nicht auf die
hergeht und den Abriss des alten Eisstadions einschließt.     heutigen Anforderungen eines Rechenzentrums ausge-
In der ersten Bauphase werden zunächst zwei Gebäude-          richtet; die Rechner sind teilweise im Dachgeschoss un-
komplexe gebaut. Einer davon als zukünftiges Verfü-           tergebracht und gerade im Sommer ist eine ausreichende
gungsgebäude und der andere für die Philosophische Fa-        Kühlung mit hohem Energieaufwand verbunden. Die
kultät.   Dabei   plant   die   Universität   nicht,   die    Zuverlässigkeit des Rechenzentrums ist von entscheiden-
Studierendenanzahl anzuheben, sondern die momentane           der Bedeutung, da ein Ausfall der Server die ganze digita-
Situation, externe Gebäude für viel Geld anmieten zu          le Infrastruktur der Universität lahmlegen würde.
müssen, zukünftig zu vermeiden. Der Baustart für die          Mit dem neuen Rechenzentrum erhofft sich die Univer-
Anlage steht derzeit noch nicht fest, soll aber zeitnah er-   sität eine bessere digitale Vernetzung am Campus zu
folgen, damit die erste Bauphase abgeschlossen ist, wenn      schaffen und Serverausfällen besser vorbeugen zu kön-
die Sanierung des Ehrenhof-West in voraussichtlich fünf       nen. Bei dem Bau werden aber nicht nur die akademi-
bis sechs Jahren beginnt. Der gesamte Friedrichspark ist      schen Anforderungen berücksichtigt, sondern auch das
ein groß angelegtes Projekt, das voraussichtlich erst 2035    Thema Nachhaltigkeit. Konkret geplant sind energeti-
bis 2040 abgeschlossen sein wird. Durch den Ausbau des        sche Elemente, wie etwa begrünte Dächer, ähnlich de-
Friedrichsparks soll die Forderung nach einer Cam-            nen, die sich auf dem neuen B6-Gebäude befinden, oder
pus-Universität mit Zentrum Schloss-Friedrichspark um-        energiesparende Systeme für die Raumkonzeption. Wie
gesetzt werden. Die Sorge vieler Bürger*innen, dass           viel Herzblut in diesen Planungsprozessen steckt, merkt
durch die Bebauung des Friedrichsparks wichtige Grün-         man, als Matthias Heitz stolz von diesem Projekt redet:
flächen für die Stadt verloren gehen, teilen die Verant-      „Ein solches Rechenzentrum baut man als Architekt
wortlichen nicht. Vielmehr soll die Grünfläche erweitert      meist nur einmal in seinem Leben.“ Hier wurden die
und belebt werden; etwa durch den Abriss des Eisstadi-        Proteste der Bewohner*innen allerdings schon deutlicher.
ons und die Erschließung des Parks als Erholungsfläche        Dies zeigte sich etwa durch die Anbringung von Flyern
für die Studierendenschaft und die Anwohner.                  an mehreren Bäumen, die auf die damit verbundene Ro-
                                                              dung derselben aufmerksam machte.

26    Campusleben – Baustellen an der Uni
Die Kommunikation                                               dig. Insbesondere durch die lange Bauplanung „müsse
Es werden in den nächsten Jahren nicht weniger, sondern         man oft wieder von vorne anfangen, sobald der letzte
deutlich mehr Baustellen auf die Studierendenschaft zu-         Bauabschnitt fertiggestellt ist. Dies liegt auch daran, dass
kommen. Aber wieso wissen die Studierenden oft nicht            die Haustechnik meist alle zehn bis zwölf Jahre erneuert
über die immensen Bauprojekte der Universität Be-               werden muss“, erklärt Matthias Heitz. Auch sei die Uni-
scheid, wie ich aus den vielen Gesprächen mit meinen            versität kein Finanzamt, in dem sich in den nächsten
Kommilitonen*innen immer wieder heraushörte? Das                fünfzig Jahren garantiert kaum etwas ändern müsse, son-
wundert auch die Kanzlerin und Herrn Zinser, da diese           dern ein sich stetig im Wandel befindender Ort des aka-
Themen in den Gremiensitzungen regelmäßig angespro-             demischen Austauschs und der Forschung auf höchstem
chen werden und die studentischen Vertreter*innen in            Niveau.
diesen Gremien somit stets aktuell zum Stand der Bau-           Die Frage, ob es ein Fluch oder Segen sei, dass die Uni-
maßnahmen informiert sind. Zudem findet zweimal im              versität im Barockschloss ist, stellt sich für die Kanzlerin
Semester ein Concilium statt, in dem die Studierenden           nicht: „Selbstverständlich ist es ein Segen, insbesondere
die Möglichkeit haben, Fragen an die Uni-Leitung zu             für das Renommee. Wenn wir es nun schaffen, die Räu-
stellen. Außerdem halfen Studierendenvertretungen mit,          me im Schloss auf den neusten Stand zu bringen, dann
den Gemeinderat der Stadt von der Umsetzung des Bau-            ist alles perfekt.“ Auf die Frage, ob eine Bau-freie Uni-
projekts Friedrichspark zu überzeugen.                          versität denn überhaupt möglich sei, erwidert sie mit ei-
Tatsächlich findet sich auf der Internetseite der bAStA         nem Lächeln auf den Lippen: „Ich arbeite jetzt schon seit
(die Studierendenzeitung des AStA) ein gut recherchier-         25 Jahren in diesem Bereich. Eine Bau-freie Uni gibt es
ter Artikel zu den Umbauten; von offizieller Uni-Seite          nicht.“
aus fehlen aber Informationen über geplante und laufen-
de Baumaßnahmen. Auch für kleinere Baustellen, die
immer mal wieder vorkommen, würde sich eine Infor-
mationsseite lohnen, um die Studierendenschaft schnell
und umfangreich über Dauer und Art der Maßnahmen
zu informieren.
Fazit
Das Gespräch mit den Verantwortlichen machte eines
sehr deutlich: Ihnen geht es wirklich um uns Studieren-
de. Das sind gar nicht die bösen, realitätsfremden Be-
hördenmenschen, die uns Studierende bewusst mit Bau-
stellen quälen möchten. Vielmehr merke ich während
des gesamten Gesprächs, wie engagiert und mit wieviel
Herzblut alle Beteiligten an diesen Projekten arbeiten.
Als Studierende sind wir vielleicht etwas zu fokussiert auf
unser eigenes Studium, sodass wir oft kein Verständnis
für die langfristige Planung des Campus haben. Zudem
sind die Projekte oft so langfristig angelegt, dass sogar die   Wettbewerbsmodell: Blick von Norden auf den neuen
hartnäckigsten Langzeitstudierenden deren Fertigstel-           Friedrichspark mit neuem Rechenzentrum im A5-Quadrat
lung nicht in ihrer Studienzeit erleben werden.                 (Copyright: Hähnig-Gemmeke Architekten BDA 7202
Klar, die Baustellen stören den universitären Betrieb oft       Tübingen)
immens, aber sie sind nun einmal zwangsläufig notwen-

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Schöne neue Welt –
Abrissbirne EO
– Aus alt mach neu –

Das EO, der Ort, wo vieles begann, und jetzt soll es           linarischen Freiheiten von Herrn Völker und seinem
schließen! Voraussichtlich schon Ende des Jahres! Sind         Team deutlich größer. So erklären sich die von mir fest-
die Arbeiten am Westflügel soweit abgeschlossen, ist der       gestellten gustatorischen Unterschiede zwischen EO und
Ehrenhof-Ost an der Reihe. Diese schmerzliche Nach-            Mensa. Indessen werden im Rahmen des Programms Stu-
richt erhielt ich bereits im April, als ich Herrn Opatz, den   difit auch die Gerichte in der Mensa aufgewertet. Da-
neuen Leiter der Hochschulgastronomie des Studieren-           durch soll gewährleistet werden, dass mindestens 15 Pro-
denwerks Mannheim, und EO-Chef Heiko Völker inter-             zent der Zutaten aus ökologischer und biologischer
viewte. Dabei wollte ich nur ein paar Geheimnisse des          Landwirtschaft stammen. Im EO ist man ohnehin schon
EO lüften, beispielsweise, warum das Essen hier besser         sehr auf Regionalität und Saisonalität bedacht.
schmeckt als in der Mensa, wer eigentlich für die Musik
verantwortlich ist und warum die Toiletten so aussehen,        Dies ist allerdings nicht bei allen Zutaten möglich. Zwar
wie sie aussehen.                                              werden regionale Waren grundsätzlich bevorzugt, aber da
                                                               Deutschland kein subtropisches Gebiet ist, stammen
Nach dem Krieg bezog die Mensa 1954 als Interimslö-            Produkte wie Orangen aus Spanien oder Ägypten. Dabei
sung für acht Monate den Schlossbunker unter dem Eh-           wird besonders auf Nachhaltigkeit geachtet. So werden
renhof. Am 17.11.1955 war die Zeit im Untergrund vo-           eher Engpässe in Kauf genommen, anstatt zu viel da zu
rüber und die erste Tageslichtmensa und ihre Cafeteria         haben. Das spiegelt sich auch beim Kochen wider: Ab
wurden im Ehrenhof-Ost eingeweiht. In diesem Ausbau-           neun Uhr werden die Kochlöffel geschwungen, um für
zustand fanden in der Mensa 300 und in der Cafeteria 70        die ersten warmen Gerichte am Mittag zu sorgen. Alles
Personen Platz. Aber auch das war durch die schnell stei-      ist eng getaktet. Das Motto lautet just in time. Statt ex-
genden Studierendenzahlen bald zu wenig. Zusätzliche           zessive Vorkochen wird über den Tag hinweg peu à peu
Essensplätze wurden in der ehemaligen Behördenkantine          nachfrageadaptiert produziert. „Volle Bleche am Abend
geschaffen. 1972 eröffnete hier die Mensa II. Nach dem         sind also eher eine Ausnahme?“, frage ich kritisch nach.
Umbau 2005 öffnete das heutige EO.                             Anscheinend ja, denn im Schnitt werden nur ein bis zwei
                                                               Kilo am Abend weggeschmissen. Fun-Fact: 175 Kilo-
Montagmorgen, 6.00 Uhr. Während sich die meisten               gramm werden an umsatzstarken Tagen laut Schätzungen
Studierenden wahrscheinlich nochmal im Bett umdre-             verspeist. Bei durchschnittlich 500 Tellern oder Schüs-
hen, nimmt Herr Völker in unserem EO bereits die Ware          seln, die über die Waage gehen, sind das 350 Gramm pro
für den Tag an. Geliefert werden jeden Tag frisches Ge-        Kopf, die der*die durchschnittliche Kund*in verspeist.
müse und Obst, frische Kräuter, frisches Fleisch. Da das
EO ein anderes Budget als die Mensa hat und in deutlich        Viele Dinge wie angemachte Salate oder Antipasti kön-
kleineren Mengen als die Mensa produziert, sind die ku-        nen aufgrund der Säure beziehungsweise des Öls auch am

28    Campusleben – Abrissbirne EO
nächsten Tag verwendet werden. Ab und an kann auch            repariert werden? Das kostet Geld und ist somit Sache
mal etwas eingefroren werden. Der Rest muss aufgrund          des Landes Baden-Württemberg. Zudem werde seit Jah-
hygienischer Richtlinien verworfen werden und würde           ren ein steigender Vandalismus beobachtet, welchem
wohl auch von der Tafel nicht mehr angenommen wer-            auch die Toiletten, insbesondere das Waschbecken des
den. Und verschenken? Das wiederum würde sich für das         EO, zum Opfer gefallen sind. Man habe sich darauf ge-
EO nicht lohnen, da dann wohl die meisten nur darauf          einigt, dass, solange ein funktionstüchtiges Waschbecken
warten würden, umsonst essen zu können.                       existiere, keine Sanierung vorgenommen werden muss.
                                                              Wie oben angedeutet wird das EO ohnehin bald saniert,
Das Becherfasten im EO wurde vom Studierendenwerk             weshalb es auch keinen Sinn machen würde, sich jetzt
anlässlich der Fastenzeit organisiert. Hatte man seinen       um die rudimentären Toilettenverhältnisse zu kümmern,
eigenen Becher dabei oder nahm eine Tasse, so gab es den      um sie in einem halben Jahr wieder abzureißen.
Kaffee 10 Cent günstiger. Musste man auf Pappbecher
und Plastikdeckel zurückgreifen, so konnte man diese          Das EO schließt, und jetzt?
für 20 Cent erwerben und somit letztlich 10 Cent drauf-       Wie sieht die Zukunft aus? Wir können uns auf einen
zahlen. Die Aktion sei sehr gut angenommen worden;            Food-Truck freuen. Jeden Tag soll es zwei wechselnde
einige Studierende waren wohl auch eher beschämt,             Gerichte geben. Eine vegetarische und eine Fisch- oder
wenn sie auf Pappbecher und Plastikdeckel zurückgrei-         Fleischalternative. Gekocht wird in einer Art „Notkü-
fen mussten. Allgemein sei der Kaffeekonsum in den ers-       che“, in der bis zum Beginn des Herbst-/Wintersemes-
ten Tagen jedoch deutlich gesunken. Der Wunsch, das           ters neu sanierten Küche der Schlossmensa. Frisch und
Becherfasten zu verlängern, ist auch der Wunsch des Stu-      heiß soll das Essen per Shuttlebus zur mobilen Ausgabe-
dierendenwerks.                                               stelle im Ehrenhof befördert werden. Auch der studenti-
                                                              schen Koffeinsucht wird weiterhin nachgekommen. Für
Herr Opatz, der Chef der Hochschulgastronomie des             die Kaffeemaschinen und deren Anschlüsse, um das gute
Studierendenwerks, betont aber auch, dass diese Aktion        Mannheimer Wasser zu entkalken, ist im Food-Truck al-
nur gut gelingen kann, wenn alle an einem Strang zie-         lerdings kein Platz. Deshalb besteht der Wunsch des Stu-
hen. So möchte er an alle appellieren, dass die Tassen, die   dierendenwerks, einen Teil der Katakomben nutzen zu
nun anstatt der Plastikbecher to go mitgenommen wer-          dürfen. Dort sollen neben dem Kaffeeangebot auch Sitz-
den, ihren Weg wieder ins EO finden. Neben dem Be-            gelegenheiten sowie gegebenenfalls Platz für ein redu-
cherfasten-bedingten Tassenschwund ist übrigens auch          ziertes Frühstücksangebot geschaffen werden.
immer wieder ein Ersti-bedingter Geschirrschwund zu
                                                              Text: Sophia Laubel und Finja Gilles
beobachten. Die WG-Küchen müssen schließlich einge-
                                                              Foto: Nina Burau
richtet werden.

Welche Frequenzen neben Gesprächsgeräuschen unser
Ohr erreichen ist abhängig von der Person hinter der Bar.
Gespielt wird übers Internetradio, kein Spotify. Gefällt
einem die Musik nicht, kann man sich gerne einen ande-
ren Sender, z.B. Radioaktiv, unser Uni-Radio, wünschen.
Auch das Toilettengeheimnis im EO konnte ich ein
Stück weit lüften, wohl einer der größten Beschwerde-
herde. Für die Reinigung der Toiletten ist das EO zustän-
dig, aber sie gehören offiziell zur Uni. Warum diese nicht

                                                                               Campusleben – Abrissbirne EO        29
Zu den Aborten
                            – Toiletten-Wegweiser oder Bachelor of Lokus –

Eine der wichtigeren Angelegenheiten, die man als Studi         gels das Licht wieder ankriegt, wenn man sich ein wenig
an einer neuen Uni auskundschaften muss, was man auch           mehr Zeit gelassen hat. Dinge, über die es sich unseres
intuitiv, ja instinktiv tut, denn wir sind darin alle Meister   Erachtens nach zu sprechen lohnt. Die gesammelten Be-
unseres Fachs, ist die Toilettenlage. Um euch dies ein we-      funde galt es dann auszuwerten und aufzubereiten: Ver-
nig zu vereinfachen, haben wir durch eine Umfrage zu-           geben wurden die drei Top- bzw. Flop-Töpfchen. Wir
sammengetragen, was bereits als unermesslicher Schatz           ließen uns nicht lumpen und verliehen den nigelnagel-
an Wissen auf dem Campus kursiert. Dass ihr mit so viel         neuen B6-Toiletten den verdienten ersten Preis – die gol-
Enthusiasmus und Entschlossenheit Auskunft gebt, hat            dene Klobürste. Die mit Rituals-Seife ausgestattete Lu-
uns zugegebenermaßen ein wenig beeindruckt. Wir durf-           xustoilette der Business School blieb uns, dem gewöhn-
ten auch erfahren, dass wir nicht die einzigen sind, die        lichen Proletariat, leider vorenthalten. Das Verliererklo
sich fragen, wie sich beispielsweise während der Klausur-       ausfindig zu machen war hingegen ein Kinderspiel: Im
phase das ganze Klopapier auf dem Teppich der VWLer-            EO-Keller tun sich menschliche Abgründe auf.
Bib verteilt oder wie man im Keller des Ehrenhof-Ost-Flü-

30
Die 3 Top-Töpfchen
                         1.   Neues B6-Gebäude
                              + Top Zustand + Wenig frequentiert + Besonders
                              diskret, da kein Luftschlitz unter der Tür
                         2.   Ehrenhof-West 2. Stock Mitte
                              + Gute Aussicht + Selten jemand anzutreffen
                              + Risiko: Man könnte Dozenten antreffen.
                         3.   Campusshop/Schneckenhof
                              + Ganzkörperspiegel + Gut zu erreichen + Mäßig voll

Top-Töpfchen 1. Platz

                              Die 3 Flop-Töpfchen
                         1.   Keller am EO-Café
                              + Uringeruch + Vollgelaufene Toilette + Gesperrtes Waschbecken
                              + Keine Seife + Kein Papier + Seit Monaten hängt dort dieselbe
                              Handtuchschleife aus dem Automaten... Die Liste ist lang.
                         2.   A3 1. Stock
                              + Nur eine Toilette + Lange Schlangen + Gestank
                         3.   Toilette im Mensa-Keller
                              + Zu warm + Teilweise das Türschloss rausgebrochen
                              + Komische Lichtverhältnisse

Flop-Töpfchen 1. Platz

                              Geheimes Klo
                              Um das geistige Eigentum eines anonymen Hinweisge-
                              bers zu schützen, sei nur so viel verraten: Als Geheimtipp
                              für ein ganz besonders stilles, geradezu andächtiges Ört-
                              chen mit Blick auf die Mensawiese nehme man den Ein-
                              gang zwischen Ausleihzentrum und Business School, über-
                              winde ein paar Treppen und passiere die Schlosskirche.

                              Umfrage: Svea Seidler und Nina Burau
                              Fotos: Lars Walsleben und Svea Seidler
„Stilles Örtchen“             Text: Nina Burau

                                            Campusleben – Toiletten-Ranking            31
Interview mit
Sportstipendiaten
– Cedric Trinemeier (Kugelstoßen), Lisa Nippgen (Schwimmen), Selina Hocke
(Sprint), Katrin Wallmann (Leichtathletik) –

Leistungssport und Uni miteinander vereinbaren, geht das? Ja, sagen die interviewten Sportstipendiaten der
Universität Mannheim. Dabei macht die Unterstützung durch das Spitzensport-Stipendium Metropolregion
Rhein-Neckar das alles erst möglich. Leistungsbereitschaft, Disziplin und Durchhaltevermögen zeichnen diese
Sportler aus. Wir sind beeindruckt und möchten Näheres erfahren. Hierfür haben wir einige Fragen an Ce-
dric (BaKuWi MKW), Lisa (Unternehmensjura), Selina (Psychologie) und Katrin (Politikwissenschaft) gestellt.

Cedric Trinemeier (Kugelstoßen)

32   Campusleben – Sportler an der Uni
Woher kommst du und wie alt bist du? Was schätzt du          auch Anträge genehmigt, dass Klausuren verschoben
an der Uni Mannheim?                                         werden und eine Klausur habe ich auch im Trainingsla-
                                                             ger geschrieben.
C.T: Ich bin 21 Jahre alt und komme ursprünglich aus         S.H: Ich hatte noch keine Probleme, obwohl ich viel
Mannheim Käfertal. Die schon vorhandene Verbindung           unterwegs bin.
durch den Sport war ein ausschlaggebender Punkt für          K.W.: Also ich glaube, die meisten Dozenten wissen gar
meine Studienortswahl. Am meisten an der Uni Mann-           nicht, dass ich so viel Sport mache. Ich versuche auch
heim schätze ich, dass ich die Möglichkeit habe, Sport       immer, dass ich das mit möglichst wenigen Fehltagen
und Studium zu vereinbaren und darin die bestmögliche        hinkriege und das hat bisher auch sehr gut geklappt. Also
Unterstützung zu erfahren.                                   so viel verpasse ich gar nicht von der Uni.
L.N: Ich bin 22 Jahre alt und komme aus Schwieberdin-
gen bei Stuttgart. Ich habe mich für den Studienort ent-
schieden, da ich zu meinem Trainer nach Mannheim
wechseln wollte. Durch das Sportstipendium in Mann-
heim erhalte ich in allen Bereichen Unterstützung und
habe somit auch die Möglichkeit, das Studium zu stre-
cken.
S.H: Ich bin 22 Jahre alt und komme ursprünglich aus
Berlin. Zuerst habe ich in einem Sportinternat in Hei-
delberg gewohnt. Für die Uni Mannheim habe ich mich
entschieden, da es das Stipendium nur dort gab. Als ich
2017 angefangen habe zu studieren, war das Sportstipen-
dium noch ein lokales Projekt. Viele Freunde mussten
sich zwischen Sport oder Uni entscheiden – das kam für
mich nicht in Frage.
K.W.: Ich komme aus der Nähe von Heilbronn und bin
21 Jahre alt. Ich bin vor drei Jahren dann nach Mann-
heim gezogen – für das Studium und den Sport. Am
                                                             Katrin Wallmann (Leichtathletik)
meisten schätze ich an der Uni Mannheim vor allem die
Vorteile des Sportstipendiums. Das Tolle ist, dass man       Seit wann machst du deine Sportart und wie bist du dazu
hier als Leistungssportler immer einen Ansprechpartner       gekommen?
hat, wenn es Fragen oder Terminkollisionen gibt.
                                                             C.T: Seit 7 Jahren, also seit ich 14 Jahre alt bin. Ich bin
Haben die Dozenten Verständnis hinsichtlich Fehltage etc.?   über einen Freund von meinem Bruder dazu gekommen,
                                                             der in der Leichtathletik aktiv war. Als ich 15 Jahre alt
C.T: Der Großteil der Dozenten hat Verständnis und ich       war, habe ich mich dann auf das Kugelstoßen spezialisiert.
bekomme meist die Kurse, die ich brauche, um parallel        L.N: Mit 4 Jahren habe ich angefangen; meine Mutter
auch meinen Trainingsplan gestalten zu können. Bei Ab-       und mein Bruder waren damals in der Leichtathletik ak-
wesenheiten wegen eines Trainingslagers oder Ähnlichem       tiv und haben mich mitgenommen. In der 6. Klasse habe
kann man mit den Dozenten jederzeit Kontakt aufnehmen.       ich auch auf eine Sportschule gewechselt. Früher habe
L.N: Da es keine Anwesenheitspflicht gibt, wird es na-       ich alle Disziplinen gemacht, aber nach einer Fußverlet-
türlich nicht so streng gehandhabt. Mir wurden kürzlich      zung habe ich mich auf den Sprint konzentriert und

                                                                          Campusleben – Sportler an der Uni          33
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