DROGENKURIER - Heroingestützte Behandlung: Koalitionszwang oder Gewissensentscheidung ? - JES Bundesverband
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DROGENKURIERmagazin des bundesweiten jes-netzwerks Dez. 2007 nr. 72 Heroingestützte Behandlung: Koalitionszwang oder Gewissensentscheidung ? •Kontaktläden nun rauchfrei ?•HIV und Hepatitis in Deutschland
vorwort 2 DROGENKURIER IMPRESSUM LIEBE LESERINNEN UND LESER DES DROGENKURIER, Nr. 72, Dezember 2007 LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE Herausgeber des DROGENKURIER: DES JES-NETZWERKS, JES*-Netzwerk „Heroin und kein Ende – so oder so ähnlich könnte die Überschrift der aktuellen c/o Deutsche AIDS-Hilfe e. V. Geschehnisse lauten. Wilhelmstr. 138 10963 Berlin Noch immer ist keine definitive Entscheidung zur Fortsetzung der heroin- Tel.: 030/69 00 87-56 gestützten Behandlung gefallen und für viele DrogengebraucherInnen, die Fax: 030/69 00 87-42 derzeit mit Heroin behandelt werden, ist diese Situation unerträglich.“ Mail: Dies war der Wortlaut des Vorwortes des letzten DROGENKURIER s. Diese jes-sprecherrat@yahoogroups.de Situationsbeschreibung trifft auch jetzt den Nagel auf den Kopf. Natürlich hat http//: jes-netzwerk.de sich einiges bis heute getan aber eine wirkliche Entscheidung im Sinne Drogen Dirk Schäffer, Deutsche AIDS-Hilfe gebrauchender Menschen wurde nicht getroffen. e. V. (V.i.S.d.P.) In dieser Ausgabe werfen wir einen ausführlichen Blick über die Grenzen Mitarbeit: Deutschlands hinaus und berichten über den Stand der Heroinvergabe in Roland Baur anderen Ländern. Matthias Bayer KISS – eine neues und innovatives Selbstmanagementprogramm zur Förde- Alexander Dietsch rung eines selbstbestimmten Konsums illegaler und legaler Substanzen hat Bernd Forche unser Interesse geweckt. Wir wollen euch und Ihnen dieses Programm in der Mathias Häde heutigen Ausgabe des DROGENKURIER näher vorstellen. Katrin Heinze Marco Jesse Dass das Thema HIV und AIDS trotz der nachlassenden Wahrnehmung in der Jochen Lenz Öffentlichkeit an Brisanz und Wichtigkeit nicht verloren hat, zeigt der Bericht Claudia Schieren des Robert Koch Instituts den wir in dieser Ausgabe vorstellen. Frank Wiedtemann Schließlich hat der Anti-Raucher Bannstrahl auch die ersten Einrichtungen der Titelfoto: AIDS- und Drogenhilfe erreicht und Drogengebraucher als Nutzer der Angebo- © Deutscher Bundestag/ te wehren sich. Mehr dazu auf den folgenden Seiten. Lichtblick/Achim Melde Wir möchten an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen um uns bei den Abonnen- Satz und Layout: ten, Unterstützern und Sponsoren des DROGENKURIER zu bedanken. Ohne Carmen Janiesch dieses Engagement wäre der DROGENKURIER in dieser Form nicht zu realisie- ren. DANKE !!! Druck: dmp | Digital & Offsetdruck Das Team des DROGENKURIER Auflage: 1.000 Exemplare Der DROGENKURIER wird VERANTWORTUNG ZEIGEN – unterstützt durch Deutsche AIDS-Hilfe e. V. essex – Pharma Sanofi Aventis GEBRAUCHTE SPRITZEN *Junkies, Ehemalige, Substituierte SICHER ENTSORGEN Die Nennung von Produktnamen bedeutet keine Werbung.
DROGENKURIER 3 aktuelles © Deutscher Bundestag/Siegfried Büker The neverending Story oder – Der mühsame Weg vom Modellprojekt zur Regelbehandlung Wie bereits in den letzten Ausgaben wollen heitlichen Versorgung integriert werden als verschreibungsfähiges Betäubungsmit- wir auch in diesem aktuellen DROGENKU- soll. tel eingestuft werden. Darüber hinaus sind RIER über den aktuellen Stand der Diskus- • Die Studienergebnisse sprechen eine ein- die Modalitäten gesetzlich zu regeln, unter sionen und Entscheidungen zur Behandlung deutige Sprache. Eine Behandlung mit denen Diamorphin zur Substitutionsbe- von Opiatkonsumenten mit Heroin informie- Diamorphin ist für jene Opiatkonsumen- handlung verwendet werden soll. Hierzu ren. ten zu ermöglichen, die bislang nicht müssen Anpassungen des Betäubungsmit- oder nicht erfolgreich behandelt werden telgesetzes (BtmG), der Betäubungsmittel- Die Fakten konnten. verschreibungsverordnung (Btmvv) sowie • Nach Abschluss der Arzneimittelstu- • Die Patienten des Modellprojekts werden des Arzneimittelgesetzes erfolgen. die „Modellprojekt zur heroingestützten seit 1. Januar 2007 auf der Basis einer • Diamorphin soll durch eine entsprechende Behandlung Opiatabhängiger“ ist eine auf das öffentliche Interesse gestützten Ergänzung der Anlage III des Betäubungs- Entscheidung zu treffen, ob die Diamor- Ausnahmeerlaubnis weiter mit Diamor- mittelgesetzes (BtmG) insoweit verschrei- phinbehandlung als zusätzliche Option phin behandelt. bungsfähig gemacht werden, als es zur zur Behandlung Opiatabhängiger einge- • Um eine Behandlung mit Heroin (Diamor- substitutionsgestützten Behandlung zu- führt und in das Regelsystem der gesund- phin) zu ermöglichen, muss Diamorphin gelassen ist. +++ CDU/CSU fordert neue Studie und lehnt Regelversorgung ab +++ CDU/CSU fordert
aktuelles 4 DROGENKURIER Die Anhörung im Bundestag Gesetz. Lediglich Bayern, Baden Württem- Koalitionszwang oder Gewissens- Um das Ziel der Zulassung von Heroin als Me- berg uns Sachsen stimmten nicht mit entscheidung dikament zu erreichen fand am 19. Septem- „JA“. Natürlich sind die Abgeordneten des deut- ber eine Anhörung im Gesundheitsausschuss Diese Zustimmung zu diesem Gesetz ist schen Bundestages nicht an Fraktionsmei- des Bundestages statt. Grundlage dieser An- aus unterschiedlichen Aspekten wichtig. nungen gebunden und nur ihrem Gewissen hörung war der gemeinsame Gesetzentwurf • Mit der Zustimmung des Bundesrates verpflichtet.(Art. 38 GG) Trotz dieser eindeu- der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE wird endlich der Gesetzgebungsprozess tigen Regelung gibt es in der Alltagspraxis LINKE sowie der Fraktion der FDP. in gang gesetzt und der Bundestag muss des Bundestages sehr wohl eine Fraktions- Die dort eingeladenen Sachverständigen sich nun mit diesem bereits im Bundes- oder Koalitionsdisziplin, die vom Abgeord- wurden von den Parteien befragt. Neben rat beschlossenen Gesetz beschäftigen neten in der Regel eine Einordnung in das dem Bundesverband akzept e.V. der durch und eine Abstimmung herbeiführen. Interesse der Gesamtfraktion oder der Re- Prof. Heino Stöver vertreten war, hatte auch • Gleichsam kann diese deutliche Mehr- gierungskoalition erwartet. Die Abstimmung die Deutsche AIDS Hilfe eine Einladung als heit im Bundesrat dazu beitragen, dass im CDU dominierten Bundesrat hat zu einer Sachverständige erhalten. die CDU/CSU Fraktion im Bundestag ihr Diskussion geführt, dass eben diese Einord- Aufgrund des engen zeitlichen Rahmens kategorisches „NEIN“ zur Heroinbehand- nung des Einzelnen in die Koalitionsdisziplin dieser Anhörung erhielten wir leider nicht lung überdenkt. für diese Abstimmung aufgehoben wird und die Möglichkeit zu den Fragen der Fraktion Schließlich waren es 5 CDU regierte Bun- wie z. B. bei bestimmten Abstimmungen zu BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN mündlich Stellung desländer die die Initiative für dieses Gesetz Kriegseinsätzen, (Tornadoeinsatz) eine freie zu nehmen. Allerdings lag den Gesundheits- ergriffen. Man kann nur hoffen, dass die Abstimmung möglich ist. Diese Maßnahme politikern die schriftliche Stellungnahme Landespolitiker z. B. aus Hessen und Ham- würde die Abgeordneten der SPD Fraktion der DAH vor. burg dahingehend auf ihre Bundestagsfrak- aus einem Dilemma befreien und dem Ge- Um den Verlauf dieser Anhörung kurz tion einwirken, dass das strikte ideologisch setz zu einer klaren Mehrheit verhelfen.... zusammenzufassen lässt sich sagen, dass geprägte „NEIN“ zur Heroinvergabe völlig und nicht zu vergessen die CDU/CSU Frakti- der überwiegende Teil der anwesenden deplatziert ist und auch in den eigenen Rei- on könnte bei ihrem „NEIN“ bleiben und ge- Sachverständigen eine Fortführung der hen der CDU höchst umstritten ist. genüber ihren Wählern das Gesicht wahren. Heroinbehandlung als Regelversorgung unterstützte. Divergierende Ansichten gab es hingegen zu den im Gesetzentwurf be- schriebenen Zugangskriterien zur heroin- Heroinabgabe auf Rezept ist weiter strittig gestützten Behandlung. Union fordert Überprüfung der Modellprojekte Von dieser Anhörung wurde ein Wortpro- tokoll erstellt, dass unter dem folgenden FRANKFURT/MAIN ■ (ddp). Der Streit über den Umgang mit Schwerstdrogenabhängigen in Link einsehbar ist: http://www.bundestag. Deutschland geht nach Medienberichten in der großen Koalition weiter. de/ausschuesse/a14/anhoerungen/062/ Danach haben Unions-Minister bei der Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt überra- prot.pdf schend eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Abgabe von Heroin an Schwerstab- hängige blockiert. Ein klares „JA“ im Bundesrat Zur Erinnerung: Derzeit läuft noch in mehreren Großstädten ein Modellprojekt, bei dem Eine sicherlich richtungweisende Debatte Abhängige bis zu drei Mal täglich unter Aufsicht den Heroinersatz Diamorphin bekommen. fand zwei Tage später im Bundesrat statt. Im September hatte der Bundesrat dem Vorschlag der Unions-Länder Hamburg, Hessen, Dort stand ein fast gleichlautender Ge- Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zugestimmt, wonach Schwerstabhängige auch setzentwurf zur diamorphingestützten Sub- außerhalb der Projekte unter Auflagen und ärztlicher Kontrolle das synthetische Heroin Di- stitutionsbehandlung der Länder Hamburg, amorphin erhalten sollen. Hessen, NRW, Saarland und Niedersachsen Werden die Modellprojekte ausgeweitet, rechnet die Drogenbeauftragte der Bundesre- zur Abstimmung. gierung, Sabine Bätzing (SPD), mit etwa 3.500 Abhängigen, die mit Diamorphin behandelt Birgit Schnieber Jastram, Familien- und werden müssen. Die Unionsexperten Annette Widmann-Mauz und Jens Spahn gehen von Sozialsenatorin (Hamburg), erläuterte die bis zu 80.000 Abhängigen aus. zentralen Elemente des Gesetzentwurfs und Die Unions-Kabinettsmitglieder haben nun nach Berichten in der „Frankfurter Rund- bat den Bundesrat um Zustimmung für eine schau“ eine erneute Prüfung der Modellprojekte angeregt. Das wiederum habe die Gesund- Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes heitsministerin aufgebracht, weil die Projekte seit Jahren nicht nur wissenschaftlich eng um zukünftig eine Substitution mit Heroin begleitet würden, sondern längst ausgiebig geprüft und für wirksam befunden seien. Dem (Diamorphin) durchführen zu können. Bericht zufolge einigte sich das Kabinett zunächst darauf, beim Bundesrat drei Wochen In der abschließenden Abstimmung mehr Bedenkzeit für die Stellungnahme zu beantragen. Ärztezeitung 21.11. 2007 stimmen 13 der 16 Bundesländer für das +++ CDU/CSU fordert neue Studie und lehnt Regelversorgung ab +++ CDU/CSU fordert
DROGENKURIER 5 aktuelles +NEWS+++JES-AUGSBURG+++NEWS+ Hurra, wir leben noch !!! Wieder aller Gerüchte lebt die Augs- burger JES-Selbsthilfegruppe noch. Natürlich gab es in letzter Zeit ei- nige Differenzen zwischen einigen Mitgliedern. Leider hatte dies auch Auswirkungen auf das letzte Süd- schienentreffen, das deswegen auch nicht in Augsburg stattfinden konn- te. Dies tut uns ausgesprochen leid. Die Unstimmigkeiten konnten be- reits durch gemeinsame Gespräche Der Gesetzgebungsprozess Dritte Beratung (Lesung). und Diskussionen weitgehend aus Wie geht es nun eigentlich mit dem Gesetz Die dritte Beratung beinhaltet eine noch- der Welt geschaffen werden. aus dem Bundesrat weiter? malige Aussprache. Gegebenenfalls kommt • Die vom Bundesrat beschlossenen Ge- es nochmals zu Änderungen, allerdings nur Am 10. September fand in den Räu- setze werden zunächst der Bundesre- bei den Abschnitten, die in der zweiten Be- men der Drogenhilfe Schwaben e. V. gierung zugeleitet. Sie kann innerhalb ratung bearbeitet wurden. im KiZ das Ärztetreffen (Qualitäts- von sechs Wochen – in besonderen Fäl- • Schließlich kommt es zur Schlussab- zirkel) der Augsburger Substituti- len innerhalb von drei oder neun Wochen stimmung. Dabei muss der Bundestag onsärzte statt, wo zwei Vertreter von – eine Stellungnahme dazu abgeben. das Gesetz mit einer relativen Mehrheit JES-Augsburg eingeladen waren. Wir Danach wird der Gesetzentwurf an den verabschieden, das heißt mit der Mehr- hatten hierbei die Gelegenheit unse- Bundestag weitergeleitet. heit der abgegebenen Stimmen. re Arbeit und Ziele vorzustellen. Un- • Eingebracht in den Bundestag, wird der • Sollte z. B. das Gesetz zur heroingestütz- ser Beitrag stieß auf positive Reso- Entwurf gedruckt und erhält die Form ten Behandlung mit Änderungen verab- nanz. einer Bundestagsdrucksache. Sie wird schiedet werden muss der der Bundesrat JES-Augsburg hat nach mehrfachen dann allen Parlamentariern verteilt und dem Gesetz erneut zustimmen. Ist dies Verhaftungen unter immensen Ein- den Bundesministerien zur Kenntnis zu- geschehen wird das Gesetz durch den satz von Gewalt seitens der Poli- geleitet. Bundespräsidenten ausgefertigt. zei einen Protestbrief an Herrn Wal- • Es finden drei Beratungen (Lesungen) trich des Polizeipräsidiums Augsburg statt. Leider gibt es keine zeitlichen Fristen in- und Schwaben geschrieben. Eine Ko- nerhalb derer sich der Bundestag nun mit Erste Beratung (Lesung). pie ging auch an den Oberstaatsan- dem Gesetz des Bundesrates beschäfti- In der ersten Beratung kommt es zur Debat- walt Nemetz der Staatsanwaltschaft gen muss. So kann es noch einige Monate te über die Grundzüge des Entwurfs. Dann Augsburg. Wir wollen hiermit signali- dauern bis der Ältestenrat, der die Tages- folgt regelmäßig eine Überweisung an den sieren, dass JES-Augsburg diese Vor- ordnung festlegt und die Redezeiten der entsprechenden Fachausschuss – hier Ge- kommnisse kritisiert auch weiterhin Plenarsitzungen regelt, dass Gesetz auf die sundheit. Dort kommt es zu Detailbera- dokumentieren wird. Tagesordnung setzt. tungen durch die jeweiligen Experten der Wir werden weiter am Ball bleiben um als Wir freuen uns, dass Dank des regen Fraktionen und zu Anhörungen von Sach- Teil einer großen Bewegung aus Fachver- Interesses unsere derzeitige Grup- verständigen. (Diese Anhörung ist in die- bänden, Wissenschaftlichern, Politikern, penstärke zwischen 6 und 9 Mitglie- sem Fall bereits durchgeführt worden). Medizinern, Kirchen und Drogengebrau- dern variiert. Zweite Beratung (Lesung). chern dazu beizutragen, dass das Gesetz Markus Scherkamp, JES-Augsburg In der zweiten Beratung berichtet die Aus- was vielen Heroinkonsumenten Hoffnung schuss über seine Arbeit. Es kommt zu ei- gibt und eine neue Behandlungsalternative ner weiteren Aussprache und Abstimmun- eröffnet, möglichst schnell realisiert wird. +JES-AUGSBURG+++NEWS+++JES-A gen über Änderungsvorschläge. Dirk Schäffer, JES-Netzwerk neue Studie und lehnt Regelversorgung ab +++ CDU/CSU fordert neue Studie und lehnt
aktuelles 6 DROGENKURIER Die heroingestützte Behandlung im Ausland Nicht nur in Deutschland ist die Chur, Genf, Horgen, Luzern, Olten, Rein- Jährlich beenden zwischen 180–200 Pa- Behandlung mit Opiaten ein The- ach, Schaffhausen, Solothurn, St. Gal- tienten die Behandlung. Zwischen 35 und ma. In einigen anderen europäi- len, Thun, Winterthur, Wetzikon, Zug 45 % von ihnen treten in eine Methadon- schen Ländern sowie in Nordame- und Zürich. behandlung über, zwischen 23 und 27 % in rika laufen derzeit Studien, die die • Die HeGeBe macht 8 % der insgesamt eine abstinenzorientierte Therapie. Effekte von Diamorphin mit einer 16.388 Substitutionsbehandlungen in der Schweiz aus. Ca. 87 % der Substi- Die Kosten oralen Methadonsubstitution tutionspatienten werden mit Methadon Die errechneten Durchschnittskosten in den vergleichen. behandelt Die restlichen Behandlungen Behandlungszentren beliefen sich im Jahre Nachfolgend wollen wir einen werden mit Buprenorphin, Morphin oder 1998 pro Patient und Tag auf 51 Franken. Überblick zu vergangenen und Codein durchgeführt Der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen aktuellen Studien geben und die • 1.308 Patienten wurden Ende 2006 mit beträgt hingegen 96 Franken pro Tag. Nach aktuelle Situation in Bezug auf die Heroin behandelt. Die maximal zur Ver- Abzug der Kosten ergibt das eine Einspa- diamorphingestützte Behandlung fügung stehende Anzahl von 1.429 Be- rung von 45 Franken pro Patiententag. im Ausland vorstellen. handlungsplätzen war durchschnittlich zu 91 % ausgelastet Die Zukunft • Ungefähr 70 % der Behandlungen erfolg- Eine 2003 gestartete Kohortenstudie prüft © Martin Schemm/PIXELIO ten in injizierbarer Form, 30 % in oraler Diacetylmorphin (DAM)-Tabletten, die eine Form. risikoärmere Konsumform gegenüber der intravenösen Applikation ermöglicht sowie Aufnahmekriterien und Effekte die Aufnahme von Opiatkonsumenten, die Die Verordnung definiert die Aufnahmekri- die Substanz bisher geschnupft oder inha- terien für die heroingestützte Behandlung liert haben, in Aussicht stellt. wie folgt: © E. Janiesch • Mindestalter 18, • schwere Heroinabhängigkeit seit min- destens zwei Jahren, • mindestens zwei abgebrochenen oder er- folglos absolvierte Behandlungsversuche mit einer anderen anerkannten Metho- de und Defizite im somatischen, psychi- schen oder sozialen Bereich. Schweiz Ähnlich wie in Deutschland ist es vielen Pa- • Nach den positiven Ergebnissen der natio- tientinnen und Patienten gelungen, ihren nalen Kohortenstudie wurde die heroinge- psychischen und körperlichen Gesundheits- stützte Behandlung mit dem dringlichen zustand zu verbessern, ihre Wohnsituation Bundesbeschluss vom 9. Oktober 1998 deutlich zu stabilisieren und schrittweise und der Verordnung über die ärztliche Ver- wieder eine Beschäftigung zu finden. schreibung von Heroin vom 8. März 1999 Drastisch verändert hat sich die Situ- ein fest verankerter Bestandteil der bun- ation bezüglich der Delinquenz. Während desrätlichen 4-Säulen-Politik und dies in- sich beim Eintritt in die heroingestützte Be- Spanien nerhalb der Säule „Therapie“. handlung 70 Prozent der Patienten ihr Ein- • In Spanien wurde Ende 2004 eine Studie • Heute werden heroingestützte Behand- kommen aus illegalen Aktivitäten beschaff- abgeschlossen, die die Effekte der hero- lungen an folgenden Orten durchgeführt: ten, waren es nach 18 Therapiemonaten nur ingestützten Behandlung im Vergleich Basel, Bern, Biel, Brugg, Burgdorf, Cazis, noch 10 Prozent. zur Methadonbehandlung untersuchte.
DROGENKURIER 7 aktuelles • Aufgrund der hohen Zugangshürden war die britische Version niedrigschwelli- RIOTT (Randomised Injecting Opioid konnten nur 62 der 176 rekrutierten ger und verzichtete weitgehend auf eine Treatment Trial) Opiatkonsumenten in die Studie einge- Begleitforschung. Aktuell wird in England (London, Brighton schlossen werden. Dr. John Marks verstand sich als Vertre- und Darlington) eine Untersuchung durch- • Während eine Gruppe iv Diamorhin und ter des traditionellen „Britischen Systems“ geführt, die die Effekte zwischen injizierba- Methadon (oral) erhielt, bekam die Kon- und als Alternative zu den neueren Kon- rem Diacetylmorphin (DAM), injizierbarem trollgruppe orales Methadon für die Dau- zepten, die restriktiver vorgingen und Me- Methadon und oralem Methadon vergleicht. er von 9 Monaten. thadon als Substitution bevorzugten. Marks Insgesamt 150 Studienteilnehmer wurden Trotz der geringen Stichprobengröße gel- fühlte sich dem Prinzip der Schadensre- in 3 Gruppen aufgeteilt ten die Ergebnisse der spanischen Studie duktion verpflichtet, bevor dieses noch in • 50 erhalten orales Methadon . als neuerlicher Beleg der Überlegenheit der seiner heute gültigen Form ausformuliert • 50 erhalten injizierbares, lang wirkendes heroingestützten Behandlung bei speziel- war. Methadon len Patientengruppen. • 50 erhalten intravenös Heroin –mit zu- sätzlichem Zugang zu oralem Methadon © joakant / PIXELIO Folgende Stoffe wurden im Programm Im Mittelpunkt steht die Überprüfung der von Dr. Marks gegen Rezept abgegeben: Effekte hinsichtlich des Konsums von ille- galem Heroin. (Es kann mittels Urintests Heroin: Als trinkbare Lösung, in Ampul- festgestellt werden ob das im Urin festge- len zur Injektion (Wirkstoffgehalt: 5 mg, stellte Heroin aus der Studie stammt oder 10 mg, 30 mg, 100 mg) und rauchbar in so von der Strasse kommt). genannten „Reefers“, normalen Zigaret- Neben der Überprüfung der gesundheit- ten, in die eine vom Arzt bestimmte Men- lichen und sozialen Effekte findet auch ge Heroin injiziert wurde. eine Evaluierung der ökonomischen Effek- te statt. Methadon: In Tablettenform (5 mg, Die Studie dauert 3,5 Jahre und wird im 10 mg), als trinkbare Lösung, in Ampul- Mai 2008 beendet. len zur Injektion (10 mg) und in Reefers (60 mg). © brit berlin / PIXELIO Cyclimorph: Ampullen zur Injektion (10 mg, 15 mg, 30 mg). England Diconal: In Tablettenform. In Großbritannien wurde die Heroinprohibi- Amphetamin: Als Sirup („dexedrine“) zur tion niemals voll umgesetzt. Es entwickelte oralen Aufnahme, in Ampullen zur Injek- sich hingegen eine eigenständige Art des tion und rauchbar in Kräutermischung Umgangs mit drogenbezogenen Problemen. (30 mg). So nahm England zwar an den Konferenzen Kokain: Als Aerosolspray (10 % Wirkstoff- in Den Haag 1912 und 1913 teil, unterzeich- gehalt) zur oralen Aufnahme und – in hy- nete jedoch nicht das Protokoll. drochloridfreier Form („Crack“) – in Ree- Im britischen System hat die ärztliche fers (40 mg). Freiheit eine herausragende Bedeutung. Zu dieser Freiheit gehört auch, dass der Arzt die Arzneimittel frei wählen kann, die er für Im Laufe der Jahre wurden die Rahmenbe- die Behandlung seiner Patienten als not- dingungen zur Vergabe von Opiaten ver- Kanada wendig erachtet. Dieses Prinzip schließt schärft. Die NAOMI Studie (North American Opia- auch die medizinische Verwendung von Trotz aller Einschränkungen der medizi- te Medication Initiative) startete im Feb- Heroin ein. nischen Zugänglichkeit von Heroin bezüg- ruar 2005 in Vancouver und Montreal. Diese Internationale Beachtung fand die Ar- lich des Einsatzes in der Suchtmedizin, die beiden Städte haben die höchste Prävalenz beit von Dr. John Marks aus Liverpool der seit den späten sechziger Jahren auch in von Opiatkonsumenten in Kanada. bereits mitte der achtziger Jahre Heroin- England bestehen, bleibt England eines der Im Gegensatz zu Deutschland hat Ka- konsumenten mit unterschiedlichen Sub- wenigen Länder, in denen sowohl DAM wie nada eine immens hohe HIV Prävalenz bei stanzen substituierte. Verglichen mit den auch injizierbares Methadon ärztlich ver- Drogenkonsumenten. In Städten wie Van- Schweizerischen Opiatabgabeprogrammen schrieben werden können. couver, Montreal und Toronto sind 20–25 %
aktuelles 8 DROGENKURIER aller intravenös Drogen konsumierenden Die durchgeführte Studie bestand fak- lungsplätze auf maximal 1.000. Diese Plätze HIV positiv. tisch aus zwei parallelen Studien: sollten verteilt werden auf maximal 15 Be- Die Zugangskriterien zur NAOMI Studie • einer zur Effektivität der Verordnung von handlungszentren an elf regionalen Stand- sind ähnlich wie in den deutschen Gesetz- injizierbarem Heroin und orten. Auch erklärte der zuständige Mi- entwürfen beschrieben: • eine zur Effektivität von inhalierbarem nister, dass die Zulassung von Heroin als • 25 Jahre, Heroin. Arzneimittel notwendig sei, um die Ver- • 5 Jahre Opiatabhängig, schreibung von Heroin nach Beendigung • täglicher intravenöser Konsum im letzten Die Behandlung mit ärztlich Heroin fand der Studie zu ermöglichen. Jahr und zwei Substitutionsbehandlun- in neun poliklinischen Behandlungszen- Heute ist Heroin in rauchbarer und gen oder andere Behandlungsformen tren in sechs Städten statt: Amsterdam, spritzbarer Form als Medikament zugelas- • 45 % der Studienteilnehmer erhalten ora- Den Haag, Groningen, Heerlen, Rotterdam sen. les Methadon und Utrecht. • 55 % der Studienteilnehmer erhalten in- Über die Hälfte der Patienten nahm an © Schmuttel / PIXELIO jizierbare Substanzen (45 % erhalten Dia- der Untersuchung zum inhalierbaren Hero- morphin und die restlichen 10 % erhalten in teil (256), die Übrigen an der Untersu- Hydromorphin (DILAUDID) chung zum injizierbaren Heroin (174). Interessant ist hierbei das dieser Teil der Wie vorgesehen wurde die Heroinbe- Studie Doppelblind durchgeführt wird. handlung nach zwölf Monaten beendet. (Weder der Patient noch der Arzt weiß wer Die Patienten bekamen die bestmögliche welche Subtanz erhält) Anschlussversorgung, oft mit einer erhöh- ten Methadondosierung. Zwei Monate nach Beendigung der He- © sybille daden / PIXELIO roinbehandlung zeigte sich, dass bei der Mehrheit der Responder (83 Prozent) in mindestens einem der Gesundheitsberei- che, in denen zuvor beim Behandlungs- ende eine Besserung vorlag, eine deutli- che Verschlechterung eintrat. Belgien Die Erfolge im Bereich Gesundheit Im Herbst 2007 startete in Belgien (Lüt- waren innerhalb von zwei Monaten nach tich) eine weitere Studie um die Wirksam- Beendigung der Heroinbehandlung ver- keit von Opiaten in der Behandlung von schwunden und den Patienten ging es Heroinkonsumenten zu untermauern. genauso schlecht oder manchmal sogar 200 Heroinkonsumenten werden an der noch schlechter als zu Anfang der Stu- drei Jahre dauernden Studie teilnehmen. die. Etwa 50 % der Teilnehmer erhalten DAM Im Sommer 2004 entschied sich das Par- während die andere Hälfte Methadon er- lament zu einer Erweiterung der Behand- halten wird. Diese Umschau zeigt deutlich, dass Niederlande Deutschland mit dem Modellprojekt und Da es sich bei der Schweizer Untersuchung mit der nun zu beschließenden Überfüh- um eine beobachtende Kohortenstudie rung von Heroin in die Regelversorgung ohne Kontrollgruppe sowie eine Kombi- keinen exotischen Einzelweg beschrei- nation von verordneter Heroinvergabe mit HIV UND HEP? tet. Denn einige Länder überprüfen derzeit einem intensiven psychosozialen Hilfean- die in der Schweiz, den Niederlanden und gebot handelte, war es nach Ansicht der niederländischen Wissenschaftler nicht EIN TEST Deutschland festgestellte Überlegenheit der Behandlung mit Diamorphin gegenüber der möglich, die positiven Resultate eindeutig zu interpretieren. SCHAFFT Methadonbehandlung mittels unterschied- licher Studien. Die niederländische Regierung entschied deshalb 1997, eine randomisierte und kon- KLARHEIT Neben den hier genanten Ländern gibt es weitere Staaten die sich in entsprechen- trollierte Untersuchung der Effektivität und den Diskussionsprozessen befinden um ei- Schädlichkeit bei der Verordnung von Hero- nen ähnlichen Weg zu gehen. in in Auftrag zu geben. Dirk Schäffer
DROGENKURIER 9 aktuelles Interessierte Zuhörer im Café FriedA KISS Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum Es ist nicht so, das es keinerlei neue Pers- ge ist. Das aus zwölf Modulen bestehende der Sitzungen steht die Offenheit aller Teil- pektiven im Bereich der niedrigschwelligen Programm ist in sich logisch strukturiert nehmer. Jeder kann seinen Drogenkonsum Drogenarbeit gäbe. Mit KISS (Kontrolle im und wird in Hamburg und Frankfurt erfolg- wahrheitsgemäß darlegen, ohne dafür ver- selbstbestimmten Substanzkonsum) wurde reich durchgeführt. An jeder Gruppe kön- urteilt zu werden. im November 2005 in Deutschland ein neues nen zwölf Personen teilnehmen. Begleitet Konzept in der Drogenhilfe eingeführt. werden die Gruppen von jeweils zwei Be- Die erste KISS-Gruppe fand unter der treuern, die vorab geschult wurden. Bei KISS entscheidet Leitung von Uwe Täubler und Carola Hei- Über die Ergebnisse der ersten KISS der Klient wann er was necke in der Drogenhilfeeinrichtung Palet- Gruppe in Hamburg berichtete Uwe Täub- te in Hamburg statt. ler und 2 Teilnehmer Timo und Detlef ei- reduzieren will ner KISS-Gruppe im Rahmen eines Besuchs Doch was ist KISS überhaupt? im Café FriedA der Integrativen Drogenhil- Uwe Täubler beschreibt die Vorgehenswei- Die regulären Therapieformen beschäftigen fe Frankfurt. se in Hamburg folgendermaßen: „Wir haben sich damit, dem Klienten klarzumachen, KISS wendet sich an Menschen, die mit große Wandzeitungen angelegt, in denen dass er seinen Drogenkonsum unverzüg- ihrem Drogenkonsum unzufrieden sind und der Konsum jedes Einzelnen in Form von lich und konsequent einstellen muss. Kurz daran etwas verändern möchten“, erklärt Verlaufskurven dokumentiert wurde. Da- gesagt, dass nur ein cleanes Leben ein sinn- Uwe Täubler. „In Zusammenarbeit mit dem durch fällt es leichter, den angestrebten volles Leben sein kann. Klienten werden so genannte Konsumplä- und den tatsächlichen Konsum zu kontrol- ne erstellt und Konsumziele besprochen. lieren. Zudem führt jeder Teilnehmer ein Mit KISS geht in Wir stehen aber auch für andere Themati- Konsumtagebuch, in dem er seinen tatsäch- ken wie Gesundheits-, Wohnungs- und Be- lichen Drogengebrauch in Form von Einhei- Deutschland ein ziehungsprobleme zur Verfügung.“ ten tabellarisch festhält.“ neues Therapiekonzept Die von den Teilnehmern selbst erstell- Die Zuhörer im Cafe wollen nun wissen, ten Konsumpläne beinhalten, an welchen wie sich der Ablauf der KISS Sitzungen mit an den Start Tagen und in welchen Mengen Drogen kon- den integrierten zwölf Modulen gestaltet. sumiert werden dürfen. Sie legen auch die Hierzu berichtet Uwe Täubler: „In Zu- Im Gegensatz dazu steht KISS, das als verhal- drogenfreien Tage fest, an denen der Kon- sammenarbeit mit der Gruppe werden alle tenstherapeutisches Selbstmanagementpro- sum bestimmter Substanzen vermieden zwölf Punkte systematisch abgearbeitet und gramm angelegt ist. Es stellt den Teilnehmern werden soll. An den von ihm erstellten Plan neue Verhaltensweisen eingeübt. Es geht in frei, in welcher Weise sie ihr Konsumverhal- soll sich der Klient nach Möglichkeit halten, erster Linie um das Festlegen der eigenen ten verändern oder reduzieren möchten. wobei ein Regelverstoß keinerlei Sanktio- Ziele und wie man sie erreichen kann. An- Dies schließt sowohl illegale als auch legale nen zur Auswirkung hat. schließend um das Vermeiden bekannter Drogen und Substitutionsmittel ein. Die Dauer einer KISS-Gruppe beträgt drei Risikosituationen und wie man Ausrutscher Der Klient und nicht der Therapeut ent- Monate, dabei sind zwei Stunden pro Wo- meistert. Bei Ausrutschern bzw. Rückfällen scheidet, welcher Weg für ihn der richti- chensitzung vorgesehen. Im Vordergrund ist es besonders wichtig, den Grund dafür
aktuelles 10 DROGENKURIER Dadurch entstehen nur noch mehr Kompli- kationen für den Betroffenen. Wenn diese Situation in Deutschland endlich mal er- kannt werden würde, dann würde die Dro- genarbeit auch Fortschritte machen.“ Dafür gibt es nun das KISS-Konzept. Auch der ver- botene und trotzdem betriebene Beikonsum von Substitutionspatienten würde sich da- mit reduzieren lassen. Weiterhin ermöglicht das Programm den Teilnehmern transparent und offen mit ihrer Sucht umzugehen und fördert die Eigeninitiative der Gruppenmit- glieder. Die 12 KISS-Module 1. Grundwissen Drogen 2. Pro und Contra veränderung Uwe Täubler (rechts) Trainer der KISS-Gruppen in der Palette aus Hamburg und zwei KISS-Teilnehmer Timo 3. Bilanz ziehen (links) und Detlef (Mitte) 4. Konsumziele festlegen 5. Strategien zur Zielerreichung festzustellen. Ein belangreicher Aspekt ist Bei Detlef ist die Situation nicht ganz 6. Risikosituationen erkennen auch die Gestaltung und das Genießen der so glücklich. Er kennt nur Leute aus dem 7. Ausrutscher meistern Freizeit. Hierfür haben wir in Hamburg ei- Drogenmillieu, dort hat er sein halbes Le- 8. Freizeit genießen nen Wochenplan für schöne Dinge‘ erstellt ben verbracht. Zurzeit wird er substituiert 9. Belastung erkennen und gemeinsam Ideen gesammelt. Weiter- und raucht Crack. Während der KISS-Grup- 10. Belastung angehen hin gehört dazu der Umgang mit Belas- pe begann er seinen Drogenkonsum zu no- 11. Nein-Sagen lernen tungssituationen sowie das ,Nein-Sagen‘ tieren. Dadurch fand er heraus, in welchen 12. Erfolge sichern lernen. Am Ende steht die Sicherung der Situationen er Drogen nimmt und warum. erzielten Erfolge.“ Das war sein erster Schritt zur Veränderung. Ob sich KISS als Gruppenangebot auch für Uwe Täubler ist es wichtig, dass die Teil- Mittlerweile hat Detlef seinen Crackkonsum die Zukunft etablieren wird, steht noch nehmer unter KISS keinen Trick auf dem reduziert und lässt sich sein Geld durch die nicht fest. In Hamburg bieten es derzeit Weg zur Abstinenz verstehen. Er betont: Gruppenbetreuer einteilen. Diese positi- fünf Einrichtungen an: „Die Palette“, das „Wir wollen nicht durch die Hintertür Abs- ve Vorgehensweise bewirkt nicht nur, dass „Ragazza“, das „Subway“, das „Abrigado“ tinenz einführen. Unser Projekt ist zielof- er am Ende des Monats noch Geld besitzt, und „Die Brücke“. Die Kosten für das Pro- fen angelegt und wir arbeiten ausschließ- sondern auch, dass er nicht alles auf einen jekt trägt die Stadt Hamburg. In Frankfurt lich mit Verständnis, nicht mit Druck. Wenn Schlag für Crack ausgeben kann. „Mit Hil- wird man erste Ergebnisse der im November jemand sagt:,, Für mich ist es wichtig, mei- fe von KISS und einer guten Portion Eigen- beginnenden Gruppen abwarten müssen. nen Crackkonsum zu reduzieren‘, dann wer- motivation habe ich mich zudem vom Kiffen Wir fragen bei Uwe Täubler nach: „Ist den wir diese Sache gemeinsam angehen. Ob sowie vom Alkohol distanziert und das nach KISS ein erster Schritt hin zu mehr Toleranz es gelingt, kann vorab niemand sagen.“ 20 Jahren zwanghaftem Gebrauch“, berich- und weg vom Abstinenzparadigma der bis- Mehr zum kontrollierten Konsum und tet Detlef mit großem Stolz. herigen Therapieformen?“ „Ich glaube das ihren persönlichen Eindrücken berichten Die Möglichkeit des kontrollierten Kon- zentrale Paradigma der Abstinenz bekom- Timo und Detlef, die beide an einer KISS- sums scheint bei den Zuhörern im Cafe Frie- men wir nicht geknackt. Bei den Einrich- Gruppe in Hamburg teilgenommen haben. dA großen Anklang zu finden. Die meisten tungen, die akzeptierend arbeiten, kann „Zu Beginn wurde ich noch mit Subutex von ihnen befinden sich derzeit in Substi- sich jedoch einiges verändern. Denn nur zu substituiert“, erzählt Timo, „inzwischen tutionsprogrammen und kritisieren, dass akzeptieren, also nur Elendsverwaltung zu habe ich mit Unterstützung von KISS da- in solchen Maßnahmen kein Beikonsum betreiben, reicht auf die Dauer nicht aus. von entzogen. Ab und zu kiffe ich noch, je- erlaubt ist. Also, ich als Drogenkonsument Weitere Informationen zum Thema KISS doch in geringeren Mengen als früher und sehe es als Strafe an, wenn mein Arzt auf- sind unter folgenden Adressen zu finden: selbst das Zigarettenrauchen habe ich re- grund einer positiven Urinkontrolle meine www.palette-hamburg.de und http://kiss- duziert. Zur Selbstkontrolle führe ich nach Dosierung heruntersetzt, mein Take-Home heidelberg.de wie vor mein Konsumtagebuch für alle Dro- streicht und mich letzten Endes aus dem Gekürzter Text aus JUBAZ 4/2006 gen, die ich zu mir nehme.“ Programm wirft. Das kann keine Hilfe sein!
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aktuelles 12 DROGENKURIER Drug Checking – JETZT !!! 50 Bleivergiftungen in Leipzig Als Folge der Illegalisierung besteht die weit über den Grenzwerten lägen. Bei eines der Hauptrisiken beim Drogenkon- den Patienten wurden weit über 2000 Mikro- sum darin, dass niemand genau weiß, was gramm Blei pro Liter im Blut festgestellt. Bei für Wirkstoffe die Droge enthält und wie Werten von 800 seien schwere Krankheiten hoch diese dosiert sind. zu erwarten, die Arbeitsmedizin nenne 300 Bekannt ist lediglich, dass die Qualität als Grenzwert. Die Staatsanwaltschaft Leip- sehr unterschiedlich sein kann. Teilweise zig ermittelt wegen gefährlicher Körperver- werden zum Beispiel Ecstasy-Tabletten mit letzung gegen Unbekannt, in einem Fall so- Speed, Koffein oder Paracetamol gestreckt gar wegen versuchten Mordes. oder sie enthalten einen völlig anderen psy- chotropen Wirkstoff wie z. B. Atropin. Stoff noch im Umlauf Die Ermittler gehen davon aus, dass sich DRUG CHECKING – Die Potenziale immer noch mit Blei versetzter Stoff im Um- Mittels „Drug Checking“ könnte man Kon- lauf befindet. Bisher ist die Herkunft des sumentInnen ermöglichen, die auf dem Stoffes unklar. Offen ist auch, ob das Blei „Schwarzmarkt“ erworbenen illegalen Sub- beispielsweise durch Dünger in die Pflanzen stanzen auf deren Inhaltsstoffe und Rein- gelangte. Dies halten die Experten ange- heitsgrade zu überprüfen. Damit soll es u. a. sichts der hohen Konzentration des Metalls möglich sein, vor dem Konsum unerwünsch- allerdings für eher unwahrscheinlich. Eine te hochriskante Substanzen festzustellen, Umfrage bei Landeskriminalämtern bezüg- Georg Wurth (Deutscher Hanf Verband) deren Konsum derzeit zu gefährlichen Not- lich vergleichbarer Fälle ist noch nicht ab- fällen oder gar Todesfällen führen kann. geschlossen. Zudem wurde die europäische Im Januar dieses Jahres alarmierte der Drug-Checking fördert somit auch den Polizeibehörde Europol eingeschaltet. Verband die Drogenbeauftragte der Bun- Lernprozess zu einem verträglichen Risiko- Die erste Bleivergiftung registrierten die desregierung Sabine Bätzing, die Bundes- management. Ferner wird das individuelle Behörden bereits im August bei einer Per- zentrale für gesundheitliche Aufklärung Drogenwissen so erweitert, dass potentiel- son, die seitdem im Krankenhaus ist. Da- (BZGA) und die drogen- und gesundheits- le Drogengebraucher besser entscheiden, mals sahen die Ermittler aber noch einen politischen Sprecher der Parteien im Bun- ob sie, und wenn ja, welche Drogen sie in anderen Zusammenhang.. destag. Fast 1.000 Menschen schlossen sich welcher Dosierung konsumieren möchten. den Forderungen des DHV an, die Streck- Drug-Checking fördert somit den Lernpro- Deutscher Hanf Verband (DHV) mittel und deren Auswirkungen auf die zess zur Drogenmündigkeit. warnte bereits im Januar Gesundheit genau zu analysieren und den Der Deutsche Hanf Verband (DHV) erhebt Konsumenten eine Möglichkeit zu geben, Bleivergiftungen durch schwere Vorwürfe gegen die Bundesdro- selbst verdächtige Proben untersuchen zu verunreinigtes Cannabis genbeauftragte Bätzing, nachdem bekannt lassen. Aus aktuellem Anlass warnen die Stadt wurde, dass in Leipzig mit Blei versetzte Aus dem Büro der Drogenbeauftragten Leipzig und die Polizeidirektion Leipzig Cannabisprodukte aufgetaucht waren. hieß es am Telefon, beim Bundeskriminal- vor bleiverseuchtem Cannabis und Mari- Der DHV beobachtet schon seit Sommer amt (BKA) habe man keine Erkenntnisse huana, das seit einiger Zeit im Leipziger letzten Jahres eine dramatische Zunah- über gestrecktes Gras, also gehe man da- Raum im Umlauf ist. In den vergangenen me von Streckmitteln in Cannabisproduk- von aus, dass das Problem nicht relevant Wochen mussten bislang 50 bekannte Fälle ten, insbesondere in Marihuana. Talkum, sei.. Als im Mai immer noch keine offiziel- aus Leipzig und dem Leipziger Umland mit Zucker, Sand, Glas und Flüssigplastik sind le Stellungnahme von Frau Bätzing vorlag, Bleivergiftungen akutmedizinisch behan- nur einige der Streckstoffe, von denen der schrieb Wurth ihr am 23.05. erneut einen delt werden. Verband berichtet. „Nach unseren Erkennt- Brief und warnte unter anderem: „Lassen Einige Betroffene hatten zum Teil schwers- nissen ist mittlerweile ein Großteil des Can- Sie es nicht so weit kommen, dass auch te Bleivergiftungen erlitten. So sind bei ih- nabismarktes in Europa verseucht“, so Ver- in Deutschland Hanfkonsumenten wegen nen Bleiwerte im Blut festgestellt worden, bandssprecher Georg Wurth. Streckmitteln in Krankenhäusern landen!“
DROGENKURIER 13 aktuelles Diese Befürchtung ist nun in Leipzig trau- Während in Deutschland derzeit noch phetamine und Methamphetamine. Das rige Gewissheit geworden. kontrovers über Nutzen und Rechtmäßig- macht die Parties safer. www.saferparty.ch Erst nachdem der DHV bei Bundesge- keit von Drug-Checking- Programmen de- sundheitsministerin Ulla Schmidt gegen battiert wird, besteht in der Schweiz nach diese ignorante Haltung protestierte, er- nicht minder intensiven juristischen und schien auf der Homepage der Drogenbeauf- politischen Auseinandersetzungen bezüg- tragten ein winziger Hinweis auf Streckmit- lich der Legalität und Notwendigkeit von tel in Cannabisprodukten. Drug-Checking heute Konsens. Drug-Che- cking vor Ort mit einem mobilen Labor an ChEck iT! ist ein gemeinsames Projekt des Trägt die Bundesdrogenbeauftrag- Parties ist ebenso legal wie die Durchfüh- Verein Wiener Sozialprojekte, des Klini- te eine Mitschuld? rung von Drug-Checking-Programmen in schen Institutes für medizinische und che- DHV-Sprecher Wurth macht die Drogenbe- Kooperation mit ortsfesten Labors, wie zum mische Labordiagnostik-AKH Wien und wird auftragte mitverantwortlich für die jetzt in Beispiel mit gerichtsmedizinischen oder gefördert aus Mitteln der Sucht- und Dro- Leipzig aufgetretenen Bleivergiftungen: pharmazeutischen Instituten von Univer- genkoordination Wien, sowie des Bundes- „Wenn die Drogenbeauftragte schnell und sitäten. Auch die Veröffentlichung der Te- ministeriums für Gesundheit und Frauen. konsequent auf unsere Hinweise reagiert stresultate ist rechtens. Seit 1997 bietet ChEck iT! bei großen Ra- hätte, hätten die Vergiftungen in Leipzig Die Tatsache, dass im BtMG nur die Apo- ves und in Clubs objektive Informationen vermutlich verhindert werden können. Eine theken für Substanzanalysen vorgesehen über Wirkung und Gefahren psychoaktiver massive öffentliche Warnung vor Streckmit- sind, zeigt, dass die Bestimmungen keinen Substanzen an. Die Informationen werden teln wäre notwendig gewesen. Natürlich ist vernünftigen Bezug zum realen technisch- von den ChEck iT!-Mitarbeitern an Interes- Cannabis nicht harmlos. Die üblichen Risi- wissenschaftlichen Ablauf der Dinge haben, sierte weitergegeben. Es geht schlicht darum, ken der Droge betreffen aber einen relativ respektive dass die Politik in der BRD be- dass User genügend Informationen haben um kleinen Teil der Konsumenten, die Streck- wusst versucht, mittels dieser Bestimmun- selbst über ihren Drogenkonsum entscheiden mittel sind eine Gefahr für alle!“ gen die Durchführung solcher Analysen zu zu können www.checkyourdrugs.at. Wurth plädiert auch im Hinblick auf erschweren und zu verhindern. Das es auch skrupellose Dealer, die Cannabis mit ge- anders geht zeigen uns mal wieder unsere fährlichen Stoffen strecken, für eine Le- Nachbarn. galisierung: „Die beste Strategie gegen die Streckmittelseuche wäre eine Regulierung und Überwachung des Cannabismarktes un- ter legalen Bedingungen. Den Handel ei- nem Schwarzmarkt zu überlassen, bringt Drug-Checking ist ein Bereich der Arbeit mehr Risiken als Nutzen.“ der Ambulanten Drogenhilfe der Stadt Zü- rich. Das Projekt Streetwork Zürich bietet Drug Checking legal oder illegal? im Partybereich vor Ort in Clubs Drug-Che- Prinzipiell ist „Drug Checking“ in Deutsch- cking an. Einmal im Monat geschieht dies land rechtlich möglich, es gibt jedoch bisher mit Hilfe eines mobilen Laboratoriums. Un- Wie viele andere NGOs und Interessenver- keine wirklich userfreundliche Umsetzung tersucht werden sowohl Ecstasy, LSD, Am- tretungen (DRUG SCOUTS; DHV) meint JES, dieser Drogentestprogramme, weil sie – im dass es nun höchste Zeit wird Drug Che- Gegensatz zu fast allen Nachbarländern – cking auch in Deutschland so zu legalisie- politisch nicht erwünscht sind. ren, dass Substanzanalysen nicht nur in In Deutschland sind gemäß gesetzli- Apotheken stattfinden können, sondern cher Grundlage nur die Apotheken ohne ausgebildete Teams entsprechende Events Einholung einer Erlaubnis autorisiert, be- aufsuchen und feste Beratungs- und Test- täubungsmittelverdächtige Substanzproben zeiten in unterschiedlichen Einrichtungen von Privatpersonen oder privaten Organi- anbieten. sationen zu Untersuchungszwecken entge- genzunehmen. Obwohl die Apotheken für EINFÜHRUNG VON DRUG CHECKING JETZT! die Durchführung von Drug-Checking zu- Denn hier geht es um die Gesundheit vieler ständig sind, wird in der Praxis diese ge- zehntausend Bürgerinnen und Bürger. setzliche Vorgabe kaum genutzt. Derzeit Quellen: www.drugscouts.de, sind auch keine Anstrengungen erkennbar, www.hanfverband.de die Lücke in diesem Bereich zu füllen.
aus den regionen 14 DROGENKURIER 100 Leute gleichzeitig, das ist eine massive Belastung durch Ziga- rettenrauch: Man fühlt sich wie Rauchfleisch“, sagt Walter. Die 26 Mitarbeiter des High Noon stehen mit dem Beschluss geschlossen den 150 Substituier- ten gegenüber, die allesamt Rau- cher sind. 130 von ihnen haben eine Petition gegen das Rauch- verbot unterschrieben. Doch „am Rauchverbot war und ist nicht zu rütteln“, sagt Wal- ter. So wurde auch nicht auf den Vorschlag der Raucher eingegan- gen, während der Methadonaus- gabezeit zwischen 10 und 12 Uhr das Rauchen zu erlauben. „Die Caritas ignoriert unser Bemü- JES-Stuttgart wehrt sich gegen das Rauchverbot hen, eine Lösung zu finden“, sagt Markus Auer, der für die Substitu- Streit um Rauchverbot ierten als Sprecher fungiert, „wir fühlen uns von den Sozialarbei- tern im Stich gelassen – die ha- für Substituierte ben uns einfach einen Arschtritt verpasst.“ Denn das Rauchver- bot kommt für die Substituierten einem Rausschmiss gleich: „Die Klienten der Caritas reichen Petition ein setzen uns damit indirekt auf die Straße“, sagt Auer. Für Substituierte sei es be- zuwandern. Das kleine Café liegt an der La- sonders schwierig, auf den so genannten Bei- zarettstraße, nahe dem Leonhardsplatz. Di- konsum legaler Drogen zu verzichten, erklärt rekt auf dem Straßenstrich. Dort kann man Auer. Walter hingegen spricht vom „Normali- nicht nur an jeder Ecke käuflichen Sex erwer- tätsprinzip“: „Wir behandeln unsere Klientel ben, sondern auch Drogen. Kein guter Ort für wie normale Menschen.“ F ür alle Raucher brechen mit dem Win- Menschen, die ihrer Sucht abschwören und Auch Dr. Harry Geiselhart, Abteilungslei- ter harte Zeiten an. Doch den Substi- die jeglicher Verlockung möglichst aus dem ter für Suchterkrankungen im Bürgerhospi- tuierten weht ein besonders scharfer Weg zu gehen suchen. tal, hält es aus therapeutischer Sicht für rich- Wind entgegen. Sie sollen aus dem Café der Nun werden die Substituierten durch eine tig, gerade für Substituierte suchtfreie Räume Methadonabgabestelle verbannt werden, Maßnahme der Caritasmitarbeiter auch noch zu schaffen. weil dort ein Rauchverbot eingeführt wird. aus den Räumlichkeiten und somit auf die un- Fakt bleibt, dass die Substituierten nun Für die Sozialarbeiter ist aber das Rauchen wirtliche Straße gejagt. So sehen es zumindest wieder hauptsächlich auf der Straße zu fin- in den sozialen Räumlichkeiten nicht länger die knapp 150 Methadonempfänger. Denn am den sein werden. Und dort haben sie nicht nur tragbar. 16. Oktober hat die Caritas endgültig ein ge- mit den Verlockungen des Milieus zu kämp- Glücklich ist er nicht gewählt, der Ort, an nerelles Rauchverbot im High Noon erlas- fen, sondern auch mit den Vorurteilen vieler dem die Substituierten ihr Methadon abho- sen. Anders als in Gaststätten greift dort aber Bürger: „Ums Eck ist ein Kinderspielplatz – len können, seitdem das Café Maus in der nicht das im August erlassene Nichtraucher- eine Elterninitiative versucht, gegen uns vor- Hauptstätter Straße wegen Renovierungsar- schutzgesetz, ist doch das High Noon kein öf- zugehen“, sagt Auer. Das ist schlimmer als je- beiten vorübergehend geschlossen ist. Das fentliches Café. Die Caritas hat jedoch von ih- der Wind, der einem im Winter auf der Straße sieht auch Fred Walter so, Fachdienstleiter rem Hausrecht Gebrauch gemacht, nachdem entgegen bläst. der Caritas. Allerdings habe es keine andere sich die Mitarbeitervertretung beschwert Andrea Jenewein Möglichkeit gegeben, als in das High Noon ab- hatte. „In den Räumlichkeiten rauchen 80 bis Stuttgarter Nachrichten 27.10. 2007
DROGENKURIER 15 aus den regionen Substituierte auf die Straße oder – Wie die Caritas-Stuttgart das Engagement bei JES-Stuttgart fördert Rauchen ist nicht gesundheitsfördernd- rend wäre es aber, sich darunter ein das ist klar. Selbst der „härteste“ Raucher allgemein zugängliches öffentliches weiß das. Wobei durchaus fraglich ist, wie Café vorzustellen. ungesund Rauchen bzw. Passiv-Rauchen Dem besagten Zeitgeist ent- wirklich ist. sprechend wurde schon im Früh- Dem Zeitgeist nachrennen mag zwar jahr des Jahres im Team der dort angesagt sein; so argumentieren ja auch beschäftigten Sozialarbeiter (die die Sozialarbeiter der Caritas, auf die wir ebenfalls dort arbeitenden 1-EURO- noch zu sprechen kommen; es ist auf je- Kräfte durften nicht teilnehmen) den Fall lächerlich und grotesk. Dieser Zeit- der Nichtraucherschutz diskutiert. geist bringt es nun mit sich, dass rauchen- Obwohl in der Minderheit, pochten de Menschen (= die RAUCHER) ausgegrenzt die wenigen Nichtraucher auf ihre (an- werden. Diese Behandlung der Raucher be- geblichen) Rechte. Dabei war allen durch- schert dem Schreiber dieser Zeilen ein Déjà- aus bewusst, wie schwer ein Rauchverbot Vu-Erlebnis der besonderen Art: genau so bei täglich ca. 150 MAUS-Besuchern, die wurden und werden Drogen gebrauchende zu mindestens 99 % rauchen, durchzuset- nent seit 30 Jahren und auch gegenwärtig Menschen zu Fixern und Junkies gebrand- zen ist. den Bremser spielt, ist das „Ländle“ beim markt. Obwohl seit Jahren Nichtraucher und Nichtraucherschutzgesetz vorgeprescht. seit noch längerer Zeit JES-Aktivist, empört Das Nichtraucherschutzgesetz Für die rauchenden Kollegen wurde ein mich diese Ausgrenzung sehr! kam gerade recht Raucherraum eingerichtet. Für die Sub- Da verfiel man auf die Idee, einfach die Ver- stituierten wurde ein totales Rauchverbot Soziale Inkompetenz und Ignoranz der Be- ordnungen des Nichtraucherschutzgeset- ausgesprochen, sie wurden somit auf die dürfnisse der KlientInnen sind für einen An- zes anzuwenden, die seit 1. August 2007 Straße getrieben. Am 31. Juli wurde der bieter von sozialen Dienstleistungen nicht in Baden-Württemberg gültig sind. Die So- Aushang angebracht – man beachte! – mit angebracht, auch wenn es häufiger vorkom- zialarbeiter meinten, wenn sie den Klien- Wirkung 1. August !!! Die Empörung war men mag als man gemeinhin denkt. Dass tInnen das Rauchverbot mit gesetzlichen riesengroß. es darüber hinaus von menschlicher Kälte Bestimmungen erklärten, würden die es Hinzu kommt, dass Substituierte wäh- zeugt, sei nur am Rande erwähnt. Für die schon akzeptieren. rend einer mehrmonatigen Umbauphase Betroffenen ist Ausgrenzung allemal ent- Denn anders als in der sonstigen Drogen- des Cafés, zur Interims-Ausgabestelle im würdigend. politik, in der Baden-Württemberg perma- Kontaktladen „High-Noon“ gehen müssen. Was haben nun diese Feststellungen mit- Auch dort müssen die BesucherInnen zum einander zu tun? Die folgende Chronologie Rauchen auf die Straße, obwohl sich das der Ereignisse möge den Nicht-Stuttgartern „High-Noon“ mitten in der Drogenscene das Verständnis erleichtern: Jedem das befindet und vor der Tür der Straßenstrich ist. Ob dieser Tatsache bleibt einem nur ein Der Caritasverband für Stuttgart e. V. (CV) Seine – dies Kopfschütteln über so viel Welt- und Rea- betreibt seit vielen Jahren eine Methadon- litätsferne! AUSgabestelle, das Café MAUS. In diesem gilt auch Es bildete sich also unter den Substitu- Café können sich Substituierte, anders als ierten eine rührige Initiative; über 130 (!) in den Schwerpunktpraxen oder der städti- schen Ausgabestelle, einige Stunden auf- beim Drogen- Unterschriften wurden gesammelt, Briefe verfasst und Rundschreiben in Umlauf ge- halten, Billard spielen oder eine Kleinigkeit essen bzw. trinken. Hier soll die soziale konsum bracht. Diese gingen gelegentlich im Ton zu weit, zeigten jedoch deutlich den Ärger Kommunikation gefördert werden. Irrefüh- der Betroffenen.
aus den regionen 16 DROGENKURIER Als dann durch eigene Nachforschung CV-Sozialarbeiter dann jeglichen Kompro- ist, dass dadurch eine langjährig bewähr- herauskam, dass das Nichtraucherschutz- miss ab, machten auch keine neuen Vor- te Zusammenarbeit zwischen JES und dem gesetz überhaupt nicht anzuwenden ist, schläge sondern beriefen sich erneut auf CV schwer beschädigt wurde. Wir erwarten, da das MAUS kein öffentliches Café ist, ihr Hausrecht. Es fielen die Worte: „Wir ha- dass auch gesundheitsbewusste Sozialar- schwenkte der CV auf eine andere Schie- ben die Macht, also entscheiden wir“. Dar- beiterInnen in der Lage sein sollten, sich ne: plötzlich berief er sich auf sein Haus- aufhin blieb den teilnehmenden MAUS-Be- wenigstens zwei Stunden mit ihren rau- recht! Gleichzeitig wurde, um die Empörung sucherInnen nur noch erregt und empört chenden KlientInnen in einem Raum auf- zu dämpfen, den MAUS-BesucherInnen ein den Raum zu verlassen. zuhalten und Gespräche zu führen. Wer das Mediationsverfahren angeboten, was diese Inzwischen hat die Stuttgarter Presse nicht kann, der sollte entweder einen ande- nach interner Diskussion annahmen. sich für die Vorkommnisse interessiert und ren Beruf wählen oder sich innerhalb des CV Es folgten mehrere gemeinsame und ge- mehrfach berichtet. Bemerkenswert ist ja, versetzen lassen. Jemand der Höhenangst trennte Sitzungen mit zwei Mediatoren, die dass in anderen CV-Einrichtungen durchaus hat, braucht schließlich auch nicht Pilot zu ihre Arbeit meiner Meinung nach recht gut weiterhin geraucht werden darf, auch mit werden! machten. Dabei wurde als Kompromiss an- der Begründung, dass anderenfalls die Be- Schlimm genug ist es, die Menschen, die geregt, dass während zwei Stunden in der sucherInnen wegblieben. Diese Alternati- zum Teil schwer krank sind, in der kalten Hauptbesuchszeit geraucht werden darf. ve haben die Substituierten dagegen nicht, Jahreszeit auf die Straße zu schicken. Sie Die Substituierten stimmten diesem Vor- deshalb ist die Entscheidung in diesem Fall förmlich zu verarschen und mit einem fin- schlag zu. Die CV-Mitarbeiter zögerten und besonders perfide. gierten Mediationsverfahren hinters Licht verwiesen darauf, dass sie dies erst in ihrem zu führen ist ein unglaublich arrogantes Gesamt-Team und mit ihrem Fachdienstlei- Fazit: aus dieser allgemeinen Empörung Verhalten. ter besprechen müssten. heraus hat sich eine mehrköpfige Gruppe Wenn dadurch allerdings die Leute auf- Auch durch Vermittlung des JES-Reprä- gebildet, die sich nun bei JES-Stuttgart en- wachen und engagiert für ihre Interessen sentanten akzeptierten die Betroffenen die- gagiert. Noch sind JES und die Gruppe nicht eintreten, dann müssen wir von JES-Stutt- se weitere Verschiebung der Entscheidung. identisch; JES unterstützt sie aber im Rah- gart uns beim CV geradezu bedanken. Beim letzten Mediatiorentreffen lehnten die men der Möglichkeiten. Besonders ärgerlich Roland Baur Das große Drogen-Rätsel Gesucht werden acht psychoaktive Substanzen . Wir wünschen Euch viel Spaß beim Rätseln! Die Lösung findet ihr auf Seite 31 .
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