DROGENKURIER - Heroingestützte Behandlung: Koalitionszwang oder Gewissensentscheidung ? - JES Bundesverband

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DROGENKURIER - Heroingestützte Behandlung: Koalitionszwang oder Gewissensentscheidung ? - JES Bundesverband
DROGENKURIERmagazin des bundesweiten jes-netzwerks
Dez. 2007
   nr. 72

            Heroingestützte Behandlung:
               Koalitionszwang oder
             Gewissensentscheidung ?
       •Kontaktläden nun rauchfrei ?•HIV und Hepatitis in Deutschland
DROGENKURIER - Heroingestützte Behandlung: Koalitionszwang oder Gewissensentscheidung ? - JES Bundesverband
vorwort          2
                                          DROGENKURIER

IMPRESSUM
                                         LIEBE LESERINNEN UND LESER DES DROGENKURIER,
Nr. 72, Dezember 2007                    LIEBE FREUNDINNEN UND FREUNDE
Herausgeber des
DROGENKURIER:                            DES JES-NETZWERKS,
JES*-Netzwerk
                                         „Heroin und kein Ende – so oder so ähnlich könnte die Überschrift der aktuellen
c/o Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
                                         Geschehnisse lauten.
Wilhelmstr. 138
10963 Berlin                             Noch immer ist keine definitive Entscheidung zur Fortsetzung der heroin-
Tel.: 030/69 00 87-56                    gestützten Behandlung gefallen und für viele DrogengebraucherInnen, die
Fax: 030/69 00 87-42                     derzeit mit Heroin behandelt werden, ist diese Situation unerträglich.“
Mail:
                                         Dies war der Wortlaut des Vorwortes des letzten DROGENKURIER s. Diese
jes-sprecherrat@yahoogroups.de
                                         Situationsbeschreibung trifft auch jetzt den Nagel auf den Kopf. Natürlich hat
http//: jes-netzwerk.de
                                         sich einiges bis heute getan aber eine wirkliche Entscheidung im Sinne Drogen
Dirk Schäffer, Deutsche AIDS-Hilfe       gebrauchender Menschen wurde nicht getroffen.
e. V. (V.i.S.d.P.)
                                         In dieser Ausgabe werfen wir einen ausführlichen Blick über die Grenzen
Mitarbeit:                               Deutschlands hinaus und berichten über den Stand der Heroinvergabe in
Roland Baur                              anderen Ländern.
Matthias Bayer
                                         KISS – eine neues und innovatives Selbstmanagementprogramm zur Förde-
Alexander Dietsch
                                         rung eines selbstbestimmten Konsums illegaler und legaler Substanzen hat
Bernd Forche
                                         unser Interesse geweckt. Wir wollen euch und Ihnen dieses Programm in der
Mathias Häde
                                         heutigen Ausgabe des DROGENKURIER näher vorstellen.
Katrin Heinze
Marco Jesse                              Dass das Thema HIV und AIDS trotz der nachlassenden Wahrnehmung in der
Jochen Lenz                              Öffentlichkeit an Brisanz und Wichtigkeit nicht verloren hat, zeigt der Bericht
Claudia Schieren                         des Robert Koch Instituts den wir in dieser Ausgabe vorstellen.
Frank Wiedtemann
                                         Schließlich hat der Anti-Raucher Bannstrahl auch die ersten Einrichtungen der
Titelfoto:                               AIDS- und Drogenhilfe erreicht und Drogengebraucher als Nutzer der Angebo-
© Deutscher Bundestag/                   te wehren sich. Mehr dazu auf den folgenden Seiten.
Lichtblick/Achim Melde
                                         Wir möchten an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen um uns bei den Abonnen-
Satz und Layout:                         ten, Unterstützern und Sponsoren des DROGENKURIER zu bedanken. Ohne
Carmen Janiesch                          dieses Engagement wäre der DROGENKURIER in dieser Form nicht zu realisie-
                                         ren. DANKE !!!
Druck: dmp | Digital & Offsetdruck
                                                                                         Das Team des DROGENKURIER
Auflage: 1.000 Exemplare

Der DROGENKURIER wird

                                            VERANTWORTUNG ZEIGEN –
unterstützt durch
Deutsche AIDS-Hilfe e. V.
essex – Pharma
Sanofi Aventis                              GEBRAUCHTE SPRITZEN
*Junkies, Ehemalige, Substituierte
                                            SICHER ENTSORGEN
Die Nennung von Produktnamen
bedeutet keine Werbung.
DROGENKURIER
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                                                                                                    aktuelles
     © Deutscher Bundestag/Siegfried Büker

     The neverending Story
     oder – Der mühsame Weg vom Modellprojekt zur Regelbehandlung
     Wie bereits in den letzten Ausgaben wollen     heitlichen Versorgung integriert werden          als verschreibungsfähiges Betäubungsmit-
     wir auch in diesem aktuellen DROGENKU-         soll.                                            tel eingestuft werden. Darüber hinaus sind
     RIER über den aktuellen Stand der Diskus-    • Die Studienergebnisse sprechen eine ein-         die Modalitäten gesetzlich zu regeln, unter
     sionen und Entscheidungen zur Behandlung       deutige Sprache. Eine Behandlung mit             denen Diamorphin zur Substitutionsbe-
     von Opiatkonsumenten mit Heroin informie-      Diamorphin ist für jene Opiatkonsumen-           handlung verwendet werden soll. Hierzu
     ren.                                           ten zu ermöglichen, die bislang nicht            müssen Anpassungen des Betäubungsmit-
                                                    oder nicht erfolgreich behandelt werden          telgesetzes (BtmG), der Betäubungsmittel-
     Die Fakten                                     konnten.                                         verschreibungsverordnung (Btmvv) sowie
     • Nach Abschluss der Arzneimittelstu-        • Die Patienten des Modellprojekts werden          des Arzneimittelgesetzes erfolgen.
       die „Modellprojekt zur heroingestützten      seit 1. Januar 2007 auf der Basis einer        • Diamorphin soll durch eine entsprechende
       Behandlung Opiatabhängiger“ ist eine         auf das öffentliche Interesse gestützten         Ergänzung der Anlage III des Betäubungs-
       Entscheidung zu treffen, ob die Diamor-      Ausnahmeerlaubnis weiter mit Diamor-             mittelgesetzes (BtmG) insoweit verschrei-
       phinbehandlung als zusätzliche Option        phin behandelt.                                  bungsfähig gemacht werden, als es zur
       zur Behandlung Opiatabhängiger einge-      • Um eine Behandlung mit Heroin (Diamor-           substitutionsgestützten Behandlung zu-
       führt und in das Regelsystem der gesund-     phin) zu ermöglichen, muss Diamorphin            gelassen ist.

+++ CDU/CSU fordert neue Studie und lehnt Regelversorgung ab +++ CDU/CSU fordert
aktuelles                    4
                                                         DROGENKURIER

     Die Anhörung im Bundestag                          Gesetz. Lediglich Bayern, Baden Württem-         Koalitionszwang oder Gewissens-
     Um das Ziel der Zulassung von Heroin als Me-       berg uns Sachsen stimmten nicht mit              entscheidung
     dikament zu erreichen fand am 19. Septem-          „JA“.                                            Natürlich sind die Abgeordneten des deut-
     ber eine Anhörung im Gesundheitsausschuss             Diese Zustimmung zu diesem Gesetz ist         schen Bundestages nicht an Fraktionsmei-
     des Bundestages statt. Grundlage dieser An-        aus unterschiedlichen Aspekten wichtig.          nungen gebunden und nur ihrem Gewissen
     hörung war der gemeinsame Gesetzentwurf            • Mit der Zustimmung des Bundesrates             verpflichtet.(Art. 38 GG) Trotz dieser eindeu-
     der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE               wird endlich der Gesetzgebungsprozess         tigen Regelung gibt es in der Alltagspraxis
     LINKE sowie der Fraktion der FDP.                     in gang gesetzt und der Bundestag muss        des Bundestages sehr wohl eine Fraktions-
        Die dort eingeladenen Sachverständigen             sich nun mit diesem bereits im Bundes-        oder Koalitionsdisziplin, die vom Abgeord-
     wurden von den Parteien befragt. Neben                rat beschlossenen Gesetz beschäftigen         neten in der Regel eine Einordnung in das
     dem Bundesverband akzept e.V. der durch               und eine Abstimmung herbeiführen.             Interesse der Gesamtfraktion oder der Re-
     Prof. Heino Stöver vertreten war, hatte auch       • Gleichsam kann diese deutliche Mehr-           gierungskoalition erwartet. Die Abstimmung
     die Deutsche AIDS Hilfe eine Einladung als            heit im Bundesrat dazu beitragen, dass        im CDU dominierten Bundesrat hat zu einer
     Sachverständige erhalten.                             die CDU/CSU Fraktion im Bundestag ihr         Diskussion geführt, dass eben diese Einord-
        Aufgrund des engen zeitlichen Rahmens              kategorisches „NEIN“ zur Heroinbehand-        nung des Einzelnen in die Koalitionsdisziplin
     dieser Anhörung erhielten wir leider nicht            lung überdenkt.                               für diese Abstimmung aufgehoben wird und
     die Möglichkeit zu den Fragen der Fraktion         Schließlich waren es 5 CDU regierte Bun-         wie z. B. bei bestimmten Abstimmungen zu
     BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN mündlich Stellung             desländer die die Initiative für dieses Gesetz   Kriegseinsätzen, (Tornadoeinsatz) eine freie
     zu nehmen. Allerdings lag den Gesundheits-         ergriffen. Man kann nur hoffen, dass die         Abstimmung möglich ist. Diese Maßnahme
     politikern die schriftliche Stellungnahme          Landespolitiker z. B. aus Hessen und Ham-        würde die Abgeordneten der SPD Fraktion
     der DAH vor.                                       burg dahingehend auf ihre Bundestagsfrak-        aus einem Dilemma befreien und dem Ge-
        Um den Verlauf dieser Anhörung kurz             tion einwirken, dass das strikte ideologisch     setz zu einer klaren Mehrheit verhelfen....
     zusammenzufassen lässt sich sagen, dass            geprägte „NEIN“ zur Heroinvergabe völlig         und nicht zu vergessen die CDU/CSU Frakti-
     der überwiegende Teil der anwesenden               deplatziert ist und auch in den eigenen Rei-     on könnte bei ihrem „NEIN“ bleiben und ge-
     Sachverständigen eine Fortführung der              hen der CDU höchst umstritten ist.               genüber ihren Wählern das Gesicht wahren.
     Heroinbehandlung als Regelversorgung
     unterstützte. Divergierende Ansichten gab
     es hingegen zu den im Gesetzentwurf be-
     schriebenen Zugangskriterien zur heroin-                 Heroinabgabe auf Rezept ist weiter strittig
     gestützten Behandlung.
                                                                       Union fordert Überprüfung der Modellprojekte
        Von dieser Anhörung wurde ein Wortpro-
     tokoll erstellt, dass unter dem folgenden           FRANKFURT/MAIN ■ (ddp). Der Streit über den Umgang mit Schwerstdrogenabhängigen in
     Link einsehbar ist: http://www.bundestag.           Deutschland geht nach Medienberichten in der großen Koalition weiter.
     de/ausschuesse/a14/anhoerungen/062/                     Danach haben Unions-Minister bei der Kabinettssitzung im Bundeskanzleramt überra-
     prot.pdf                                            schend eine Stellungnahme der Bundesregierung zur Abgabe von Heroin an Schwerstab-
                                                         hängige blockiert.
     Ein klares „JA“ im Bundesrat                            Zur Erinnerung: Derzeit läuft noch in mehreren Großstädten ein Modellprojekt, bei dem
     Eine sicherlich richtungweisende Debatte            Abhängige bis zu drei Mal täglich unter Aufsicht den Heroinersatz Diamorphin bekommen.
     fand zwei Tage später im Bundesrat statt.           Im September hatte der Bundesrat dem Vorschlag der Unions-Länder Hamburg, Hessen,
         Dort stand ein fast gleichlautender Ge-         Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen zugestimmt, wonach Schwerstabhängige auch
     setzentwurf zur diamorphingestützten Sub-           außerhalb der Projekte unter Auflagen und ärztlicher Kontrolle das synthetische Heroin Di-
     stitutionsbehandlung der Länder Hamburg,            amorphin erhalten sollen.
     Hessen, NRW, Saarland und Niedersachsen                 Werden die Modellprojekte ausgeweitet, rechnet die Drogenbeauftragte der Bundesre-
     zur Abstimmung.                                     gierung, Sabine Bätzing (SPD), mit etwa 3.500 Abhängigen, die mit Diamorphin behandelt
         Birgit Schnieber Jastram, Familien- und         werden müssen. Die Unionsexperten Annette Widmann-Mauz und Jens Spahn gehen von
     Sozialsenatorin (Hamburg), erläuterte die           bis zu 80.000 Abhängigen aus.
     zentralen Elemente des Gesetzentwurfs und               Die Unions-Kabinettsmitglieder haben nun nach Berichten in der „Frankfurter Rund-
     bat den Bundesrat um Zustimmung für eine            schau“ eine erneute Prüfung der Modellprojekte angeregt. Das wiederum habe die Gesund-
     Novellierung des Betäubungsmittelgesetzes           heitsministerin aufgebracht, weil die Projekte seit Jahren nicht nur wissenschaftlich eng
     um zukünftig eine Substitution mit Heroin           begleitet würden, sondern längst ausgiebig geprüft und für wirksam befunden seien. Dem
     (Diamorphin) durchführen zu können.                 Bericht zufolge einigte sich das Kabinett zunächst darauf, beim Bundesrat drei Wochen
         In der abschließenden Abstimmung                mehr Bedenkzeit für die Stellungnahme zu beantragen.
                                                                                                                             Ärztezeitung 21.11. 2007
     stimmen 13 der 16 Bundesländer für das

+++ CDU/CSU fordert neue Studie und lehnt Regelversorgung ab +++ CDU/CSU fordert
DROGENKURIER
                                                                                                 5
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                                                                                                      Hurra, wir
                                                                                                      leben noch !!!
                                                                                                      Wieder aller Gerüchte lebt die Augs-
                                                                                                      burger JES-Selbsthilfegruppe noch.
                                                                                                      Natürlich gab es in letzter Zeit ei-
                                                                                                      nige Differenzen zwischen einigen
                                                                                                      Mitgliedern. Leider hatte dies auch
                                                                                                      Auswirkungen auf das letzte Süd-
                                                                                                      schienentreffen, das deswegen auch
                                                                                                      nicht in Augsburg stattfinden konn-
                                                                                                      te. Dies tut uns ausgesprochen leid.
                                                                                                      Die Unstimmigkeiten konnten be-
                                                                                                      reits durch gemeinsame Gespräche
     Der Gesetzgebungsprozess                     Dritte Beratung (Lesung).
                                                                                                      und Diskussionen weitgehend aus
     Wie geht es nun eigentlich mit dem Gesetz    Die dritte Beratung beinhaltet eine noch-
                                                                                                      der Welt geschaffen werden.
     aus dem Bundesrat weiter?                    malige Aussprache. Gegebenenfalls kommt
     • Die vom Bundesrat beschlossenen Ge-        es nochmals zu Änderungen, allerdings nur           Am 10. September fand in den Räu-
        setze werden zunächst der Bundesre-       bei den Abschnitten, die in der zweiten Be-         men der Drogenhilfe Schwaben e. V.
        gierung zugeleitet. Sie kann innerhalb    ratung bearbeitet wurden.                           im KiZ das Ärztetreffen (Qualitäts-
        von sechs Wochen – in besonderen Fäl-     • Schließlich kommt es zur Schlussab-               zirkel) der Augsburger Substituti-
        len innerhalb von drei oder neun Wochen      stimmung. Dabei muss der Bundestag               onsärzte statt, wo zwei Vertreter von
        – eine Stellungnahme dazu abgeben.           das Gesetz mit einer relativen Mehrheit          JES-Augsburg eingeladen waren. Wir
        Danach wird der Gesetzentwurf an den         verabschieden, das heißt mit der Mehr-           hatten hierbei die Gelegenheit unse-
        Bundestag weitergeleitet.                    heit der abgegebenen Stimmen.                    re Arbeit und Ziele vorzustellen. Un-
     • Eingebracht in den Bundestag, wird der     • Sollte z. B. das Gesetz zur heroingestütz-        ser Beitrag stieß auf positive Reso-
        Entwurf gedruckt und erhält die Form         ten Behandlung mit Änderungen verab-             nanz.
        einer Bundestagsdrucksache. Sie wird         schiedet werden muss der der Bundesrat
                                                                                                      JES-Augsburg hat nach mehrfachen
        dann allen Parlamentariern verteilt und      dem Gesetz erneut zustimmen. Ist dies
                                                                                                      Verhaftungen unter immensen Ein-
        den Bundesministerien zur Kenntnis zu-       geschehen wird das Gesetz durch den
                                                                                                      satz von Gewalt seitens der Poli-
        geleitet.                                    Bundespräsidenten ausgefertigt.
                                                                                                      zei einen Protestbrief an Herrn Wal-
     • Es finden drei Beratungen (Lesungen)
                                                                                                      trich des Polizeipräsidiums Augsburg
        statt.                                    Leider gibt es keine zeitlichen Fristen in-
                                                                                                      und Schwaben geschrieben. Eine Ko-
                                                  nerhalb derer sich der Bundestag nun mit
     Erste Beratung (Lesung).                                                                         pie ging auch an den Oberstaatsan-
                                                  dem Gesetz des Bundesrates beschäfti-
     In der ersten Beratung kommt es zur Debat-                                                       walt Nemetz der Staatsanwaltschaft
                                                  gen muss. So kann es noch einige Monate
     te über die Grundzüge des Entwurfs. Dann                                                         Augsburg. Wir wollen hiermit signali-
                                                  dauern bis der Ältestenrat, der die Tages-
     folgt regelmäßig eine Überweisung an den                                                         sieren, dass JES-Augsburg diese Vor-
                                                  ordnung festlegt und die Redezeiten der
     entsprechenden Fachausschuss – hier Ge-                                                          kommnisse kritisiert auch weiterhin
                                                  Plenarsitzungen regelt, dass Gesetz auf die
     sundheit. Dort kommt es zu Detailbera-                                                           dokumentieren wird.
                                                  Tagesordnung setzt.
     tungen durch die jeweiligen Experten der
                                                     Wir werden weiter am Ball bleiben um als         Wir freuen uns, dass Dank des regen
     Fraktionen und zu Anhörungen von Sach-
                                                  Teil einer großen Bewegung aus Fachver-             Interesses unsere derzeitige Grup-
     verständigen. (Diese Anhörung ist in die-
                                                  bänden, Wissenschaftlichern, Politikern,            penstärke zwischen 6 und 9 Mitglie-
     sem Fall bereits durchgeführt worden).
                                                  Medizinern, Kirchen und Drogengebrau-               dern variiert.
     Zweite Beratung (Lesung).                    chern dazu beizutragen, dass das Gesetz
                                                                                                              Markus Scherkamp, JES-Augsburg
     In der zweiten Beratung berichtet die Aus-   was vielen Heroinkonsumenten Hoffnung
     schuss über seine Arbeit. Es kommt zu ei-    gibt und eine neue Behandlungsalternative
     ner weiteren Aussprache und Abstimmun-       eröffnet, möglichst schnell realisiert wird.       +JES-AUGSBURG+++NEWS+++JES-A
     gen über Änderungsvorschläge.                                Dirk Schäffer, JES-Netzwerk

neue Studie und lehnt Regelversorgung ab +++ CDU/CSU fordert neue Studie und lehnt
aktuelles                    6
                                                                              DROGENKURIER

                          Die heroingestützte
                          Behandlung im Ausland
                          Nicht nur in Deutschland ist die                     Chur, Genf, Horgen, Luzern, Olten, Rein-         Jährlich beenden zwischen 180–200 Pa-
                          Behandlung mit Opiaten ein The-                      ach, Schaffhausen, Solothurn, St. Gal-        tienten die Behandlung. Zwischen 35 und
                          ma. In einigen anderen europäi-                      len, Thun, Winterthur, Wetzikon, Zug          45 % von ihnen treten in eine Methadon-
                          schen Ländern sowie in Nordame-                      und Zürich.                                   behandlung über, zwischen 23 und 27 % in
                          rika laufen derzeit Studien, die die               • Die HeGeBe macht 8 % der insgesamt            eine abstinenzorientierte Therapie.
                          Effekte von Diamorphin mit einer                     16.388 Substitutionsbehandlungen in
                                                                               der Schweiz aus. Ca. 87 % der Substi-         Die Kosten
                          oralen Methadonsubstitution
                                                                               tutionspatienten werden mit Methadon          Die errechneten Durchschnittskosten in den
                          vergleichen.
                                                                               behandelt Die restlichen Behandlungen         Behandlungszentren beliefen sich im Jahre
                          Nachfolgend wollen wir einen                         werden mit Buprenorphin, Morphin oder         1998 pro Patient und Tag auf 51 Franken.
                          Überblick zu vergangenen und                         Codein durchgeführt                              Der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen
                          aktuellen Studien geben und die                    • 1.308 Patienten wurden Ende 2006 mit          beträgt hingegen 96 Franken pro Tag. Nach
                          aktuelle Situation in Bezug auf die                  Heroin behandelt. Die maximal zur Ver-        Abzug der Kosten ergibt das eine Einspa-
                          diamorphingestützte Behandlung                       fügung stehende Anzahl von 1.429 Be-          rung von 45 Franken pro Patiententag.
                          im Ausland vorstellen.                               handlungsplätzen war durchschnittlich
                                                                               zu 91 % ausgelastet                           Die Zukunft
                                                                             • Ungefähr 70 % der Behandlungen erfolg-        Eine 2003 gestartete Kohortenstudie prüft
© Martin Schemm/PIXELIO

                                                                               ten in injizierbarer Form, 30 % in oraler     Diacetylmorphin (DAM)-Tabletten, die eine
                                                                               Form.                                         risikoärmere Konsumform gegenüber der
                                                                                                                             intravenösen Applikation ermöglicht sowie
                                                                             Aufnahmekriterien und Effekte                   die Aufnahme von Opiatkonsumenten, die
                                                                             Die Verordnung definiert die Aufnahmekri-       die Substanz bisher geschnupft oder inha-
                                                                             terien für die heroingestützte Behandlung       liert haben, in Aussicht stellt.
                                                                             wie folgt:

                                                                                                                                                                          © E. Janiesch
                                                                             • Mindestalter 18,
                                                                             • schwere Heroinabhängigkeit seit min-
                                                                                destens zwei Jahren,
                                                                             • mindestens zwei abgebrochenen oder er-
                                                                                folglos absolvierte Behandlungsversuche
                                                                                mit einer anderen anerkannten Metho-
                                                                                de und Defizite im somatischen, psychi-
                                                                                schen oder sozialen Bereich.
                          Schweiz                                            Ähnlich wie in Deutschland ist es vielen Pa-
                          • Nach den positiven Ergebnissen der natio-        tientinnen und Patienten gelungen, ihren
                            nalen Kohortenstudie wurde die heroinge-         psychischen und körperlichen Gesundheits-
                            stützte Behandlung mit dem dringlichen           zustand zu verbessern, ihre Wohnsituation
                            Bundesbeschluss vom 9. Oktober 1998              deutlich zu stabilisieren und schrittweise
                            und der Verordnung über die ärztliche Ver-       wieder eine Beschäftigung zu finden.
                            schreibung von Heroin vom 8. März 1999              Drastisch verändert hat sich die Situ-
                            ein fest verankerter Bestandteil der bun-        ation bezüglich der Delinquenz. Während
                            desrätlichen 4-Säulen-Politik und dies in-       sich beim Eintritt in die heroingestützte Be-   Spanien
                            nerhalb der Säule „Therapie“.                    handlung 70 Prozent der Patienten ihr Ein-      • In Spanien wurde Ende 2004 eine Studie
                          • Heute werden heroingestützte Behand-             kommen aus illegalen Aktivitäten beschaff-        abgeschlossen, die die Effekte der hero-
                            lungen an folgenden Orten durchgeführt:          ten, waren es nach 18 Therapiemonaten nur         ingestützten Behandlung im Vergleich
                            Basel, Bern, Biel, Brugg, Burgdorf, Cazis,       noch 10 Prozent.                                  zur Methadonbehandlung untersuchte.
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                                                                                                                    7
                                                                                                                                        aktuelles

                      • Aufgrund der hohen Zugangshürden              war die britische Version niedrigschwelli-        RIOTT (Randomised Injecting Opioid
                          konnten nur 62 der 176 rekrutierten         ger und verzichtete weitgehend auf eine           Treatment Trial)
                          Opiatkonsumenten in die Studie einge-       Begleitforschung.                                 Aktuell wird in England (London, Brighton
                          schlossen werden.                              Dr. John Marks verstand sich als Vertre-       und Darlington) eine Untersuchung durch-
                      • Während eine Gruppe iv Diamorhin und          ter des traditionellen „Britischen Systems“       geführt, die die Effekte zwischen injizierba-
                          Methadon (oral) erhielt, bekam die Kon-     und als Alternative zu den neueren Kon-           rem Diacetylmorphin (DAM), injizierbarem
                          trollgruppe orales Methadon für die Dau-    zepten, die restriktiver vorgingen und Me-        Methadon und oralem Methadon vergleicht.
                          er von 9 Monaten.                           thadon als Substitution bevorzugten. Marks        Insgesamt 150 Studienteilnehmer wurden
                      Trotz der geringen Stichprobengröße gel-        fühlte sich dem Prinzip der Schadensre-           in 3 Gruppen aufgeteilt
                      ten die Ergebnisse der spanischen Studie        duktion verpflichtet, bevor dieses noch in        • 50 erhalten orales Methadon .
                      als neuerlicher Beleg der Überlegenheit der     seiner heute gültigen Form ausformuliert          • 50 erhalten injizierbares, lang wirkendes
                      heroingestützten Behandlung bei speziel-        war.                                                 Methadon
                      len Patientengruppen.                                                                             • 50 erhalten intravenös Heroin –mit zu-
                                                                                                                           sätzlichem Zugang zu oralem Methadon
© joakant / PIXELIO

                                                                       Folgende Stoffe wurden im Programm               Im Mittelpunkt steht die Überprüfung der
                                                                       von Dr. Marks gegen Rezept abgegeben:            Effekte hinsichtlich des Konsums von ille-
                                                                                                                        galem Heroin. (Es kann mittels Urintests
                                                                       Heroin: Als trinkbare Lösung, in Ampul-          festgestellt werden ob das im Urin festge-
                                                                       len zur Injektion (Wirkstoffgehalt: 5 mg,        stellte Heroin aus der Studie stammt oder
                                                                       10 mg, 30 mg, 100 mg) und rauchbar in so         von der Strasse kommt).
                                                                       genannten „Reefers“, normalen Zigaret-              Neben der Überprüfung der gesundheit-
                                                                       ten, in die eine vom Arzt bestimmte Men-         lichen und sozialen Effekte findet auch
                                                                       ge Heroin injiziert wurde.                       eine Evaluierung der ökonomischen Effek-
                                                                                                                        te statt.
                                                                       Methadon: In Tablettenform (5 mg,
                                                                                                                           Die Studie dauert 3,5 Jahre und wird im
                                                                       10 mg), als trinkbare Lösung, in Ampul-
                                                                                                                        Mai 2008 beendet.
                                                                       len zur Injektion (10 mg) und in Reefers
                                                                       (60 mg).
                                                                                                                        © brit berlin / PIXELIO

                                                                       Cyclimorph: Ampullen zur Injektion
                                                                       (10 mg, 15 mg, 30 mg).

                      England                                          Diconal: In Tablettenform.

                      In Großbritannien wurde die Heroinprohibi-       Amphetamin: Als Sirup („dexedrine“) zur
                      tion niemals voll umgesetzt. Es entwickelte      oralen Aufnahme, in Ampullen zur Injek-
                      sich hingegen eine eigenständige Art des         tion und rauchbar in Kräutermischung
                      Umgangs mit drogenbezogenen Problemen.           (30 mg).
                      So nahm England zwar an den Konferenzen
                                                                       Kokain: Als Aerosolspray (10 % Wirkstoff-
                      in Den Haag 1912 und 1913 teil, unterzeich-
                                                                       gehalt) zur oralen Aufnahme und – in hy-
                      nete jedoch nicht das Protokoll.
                                                                       drochloridfreier Form („Crack“) – in Ree-
                         Im britischen System hat die ärztliche
                                                                       fers (40 mg).
                      Freiheit eine herausragende Bedeutung. Zu
                      dieser Freiheit gehört auch, dass der Arzt
                      die Arzneimittel frei wählen kann, die er für   Im Laufe der Jahre wurden die Rahmenbe-
                      die Behandlung seiner Patienten als not-        dingungen zur Vergabe von Opiaten ver-
                                                                                                                        Kanada
                      wendig erachtet. Dieses Prinzip schließt        schärft.                                          Die NAOMI Studie (North American Opia-
                      auch die medizinische Verwendung von               Trotz aller Einschränkungen der medizi-        te Medication Initiative) startete im Feb-
                      Heroin ein.                                     nischen Zugänglichkeit von Heroin bezüg-          ruar 2005 in Vancouver und Montreal. Diese
                         Internationale Beachtung fand die Ar-        lich des Einsatzes in der Suchtmedizin, die       beiden Städte haben die höchste Prävalenz
                      beit von Dr. John Marks aus Liverpool der       seit den späten sechziger Jahren auch in          von Opiatkonsumenten in Kanada.
                      bereits mitte der achtziger Jahre Heroin-       England bestehen, bleibt England eines der           Im Gegensatz zu Deutschland hat Ka-
                      konsumenten mit unterschiedlichen Sub-          wenigen Länder, in denen sowohl DAM wie           nada eine immens hohe HIV Prävalenz bei
                      stanzen substituierte. Verglichen mit den       auch injizierbares Methadon ärztlich ver-         Drogenkonsumenten. In Städten wie Van-
                      Schweizerischen Opiatabgabeprogrammen           schrieben werden können.                          couver, Montreal und Toronto sind 20–25 %
aktuelles                    8
                                                                                DROGENKURIER

                            aller intravenös Drogen konsumierenden                Die durchgeführte Studie bestand fak-      lungsplätze auf maximal 1.000. Diese Plätze
                            HIV positiv.                                       tisch aus zwei parallelen Studien:            sollten verteilt werden auf maximal 15 Be-
                                Die Zugangskriterien zur NAOMI Studie          • einer zur Effektivität der Verordnung von   handlungszentren an elf regionalen Stand-
                            sind ähnlich wie in den deutschen Gesetz-             injizierbarem Heroin und                   orten. Auch erklärte der zuständige Mi-
                            entwürfen beschrieben:                             • eine zur Effektivität von inhalierbarem     nister, dass die Zulassung von Heroin als
                            • 25 Jahre,                                           Heroin.                                    Arzneimittel notwendig sei, um die Ver-
                            • 5 Jahre Opiatabhängig,                                                                         schreibung von Heroin nach Beendigung
                            • täglicher intravenöser Konsum im letzten         Die Behandlung mit ärztlich Heroin fand       der Studie zu ermöglichen.
                               Jahr und zwei Substitutionsbehandlun-           in neun poliklinischen Behandlungszen-           Heute ist Heroin in rauchbarer und
                               gen oder andere Behandlungsformen               tren in sechs Städten statt: Amsterdam,       spritzbarer Form als Medikament zugelas-
                            • 45 % der Studienteilnehmer erhalten ora-         Den Haag, Groningen, Heerlen, Rotterdam       sen.
                               les Methadon                                    und Utrecht.
                            • 55 % der Studienteilnehmer erhalten in-             Über die Hälfte der Patienten nahm an

                                                                                                                             © Schmuttel / PIXELIO
                               jizierbare Substanzen (45 % erhalten Dia-       der Untersuchung zum inhalierbaren Hero-
                               morphin und die restlichen 10 % erhalten        in teil (256), die Übrigen an der Untersu-
                               Hydromorphin (DILAUDID)                         chung zum injizierbaren Heroin (174).
                            Interessant ist hierbei das dieser Teil der           Wie vorgesehen wurde die Heroinbe-
                            Studie Doppelblind durchgeführt wird.              handlung nach zwölf Monaten beendet.
                            (Weder der Patient noch der Arzt weiß wer             Die Patienten bekamen die bestmögliche
                            welche Subtanz erhält)                             Anschlussversorgung, oft mit einer erhöh-
                                                                               ten Methadondosierung.
                                                                                  Zwei Monate nach Beendigung der He-
© sybille daden / PIXELIO

                                                                               roinbehandlung zeigte sich, dass bei der
                                                                               Mehrheit der Responder (83 Prozent) in
                                                                               mindestens einem der Gesundheitsberei-
                                                                               che, in denen zuvor beim Behandlungs-
                                                                               ende eine Besserung vorlag, eine deutli-
                                                                               che Verschlechterung eintrat.
                                                                                                                             Belgien
                                                                                  Die Erfolge im Bereich Gesundheit          Im Herbst 2007 startete in Belgien (Lüt-
                                                                               waren innerhalb von zwei Monaten nach         tich) eine weitere Studie um die Wirksam-
                                                                               Beendigung der Heroinbehandlung ver-          keit von Opiaten in der Behandlung von
                                                                               schwunden und den Patienten ging es           Heroinkonsumenten zu untermauern.
                                                                               genauso schlecht oder manchmal sogar             200 Heroinkonsumenten werden an der
                                                                               noch schlechter als zu Anfang der Stu-        drei Jahre dauernden Studie teilnehmen.
                                                                               die.                                          Etwa 50 % der Teilnehmer erhalten DAM
                                                                                  Im Sommer 2004 entschied sich das Par-     während die andere Hälfte Methadon er-
                                                                               lament zu einer Erweiterung der Behand-       halten wird.
                                                                                                                                Diese Umschau zeigt deutlich, dass
                            Niederlande                                                                                      Deutschland mit dem Modellprojekt und
                            Da es sich bei der Schweizer Untersuchung                                                        mit der nun zu beschließenden Überfüh-
                            um eine beobachtende Kohortenstudie                                                              rung von Heroin in die Regelversorgung
                            ohne Kontrollgruppe sowie eine Kombi-                                                            keinen exotischen Einzelweg beschrei-
                            nation von verordneter Heroinvergabe mit             HIV UND HEP?                                tet. Denn einige Länder überprüfen derzeit
                            einem intensiven psychosozialen Hilfean-                                                         die in der Schweiz, den Niederlanden und
                            gebot handelte, war es nach Ansicht der
                            niederländischen Wissenschaftler nicht
                                                                                   EIN TEST                                  Deutschland festgestellte Überlegenheit der
                                                                                                                             Behandlung mit Diamorphin gegenüber der
                            möglich, die positiven Resultate eindeutig
                            zu interpretieren.
                                                                                   SCHAFFT                                   Methadonbehandlung mittels unterschied-
                                                                                                                             licher Studien.
                               Die niederländische Regierung entschied
                            deshalb 1997, eine randomisierte und kon-
                                                                                   KLARHEIT                                     Neben den hier genanten Ländern gibt
                                                                                                                             es weitere Staaten die sich in entsprechen-
                            trollierte Untersuchung der Effektivität und                                                     den Diskussionsprozessen befinden um ei-
                            Schädlichkeit bei der Verordnung von Hero-                                                       nen ähnlichen Weg zu gehen.
                            in in Auftrag zu geben.                                                                                                          Dirk Schäffer
DROGENKURIER
                                                                                                9
                                                                                                     aktuelles

Interessierte Zuhörer im Café FriedA

KISS                    Kontrolle im selbstbestimmten Substanzkonsum
Es ist nicht so, das es keinerlei neue Pers-    ge ist. Das aus zwölf Modulen bestehende            der Sitzungen steht die Offenheit aller Teil-
pektiven im Bereich der niedrigschwelligen      Programm ist in sich logisch strukturiert           nehmer. Jeder kann seinen Drogenkonsum
Drogenarbeit gäbe. Mit KISS (Kontrolle im       und wird in Hamburg und Frankfurt erfolg-           wahrheitsgemäß darlegen, ohne dafür ver-
selbstbestimmten Substanzkonsum) wurde          reich durchgeführt. An jeder Gruppe kön-            urteilt zu werden.
im November 2005 in Deutschland ein neues       nen zwölf Personen teilnehmen. Begleitet
Konzept in der Drogenhilfe eingeführt.          werden die Gruppen von jeweils zwei Be-
    Die erste KISS-Gruppe fand unter der        treuern, die vorab geschult wurden.
                                                                                                          Bei KISS entscheidet
Leitung von Uwe Täubler und Carola Hei-            Über die Ergebnisse der ersten KISS                 der Klient wann er was
necke in der Drogenhilfeeinrichtung Palet-      Gruppe in Hamburg berichtete Uwe Täub-
te in Hamburg statt.                            ler und 2 Teilnehmer Timo und Detlef ei-                      reduzieren will
                                                ner KISS-Gruppe im Rahmen eines Besuchs
Doch was ist KISS überhaupt?                    im Café FriedA der Integrativen Drogenhil-          Uwe Täubler beschreibt die Vorgehenswei-
Die regulären Therapieformen beschäftigen       fe Frankfurt.                                       se in Hamburg folgendermaßen: „Wir haben
sich damit, dem Klienten klarzumachen,             KISS wendet sich an Menschen, die mit            große Wandzeitungen angelegt, in denen
dass er seinen Drogenkonsum unverzüg-           ihrem Drogenkonsum unzufrieden sind und             der Konsum jedes Einzelnen in Form von
lich und konsequent einstellen muss. Kurz       daran etwas verändern möchten“, erklärt             Verlaufskurven dokumentiert wurde. Da-
gesagt, dass nur ein cleanes Leben ein sinn-    Uwe Täubler. „In Zusammenarbeit mit dem             durch fällt es leichter, den angestrebten
volles Leben sein kann.                         Klienten werden so genannte Konsumplä-              und den tatsächlichen Konsum zu kontrol-
                                                ne erstellt und Konsumziele besprochen.             lieren. Zudem führt jeder Teilnehmer ein
         Mit KISS geht in                       Wir stehen aber auch für andere Themati-            Konsumtagebuch, in dem er seinen tatsäch-
                                                ken wie Gesundheits-, Wohnungs- und Be-             lichen Drogengebrauch in Form von Einhei-
         Deutschland ein                        ziehungsprobleme zur Verfügung.“                    ten tabellarisch festhält.“
    neues Therapiekonzept                          Die von den Teilnehmern selbst erstell-              Die Zuhörer im Cafe wollen nun wissen,
                                                ten Konsumpläne beinhalten, an welchen              wie sich der Ablauf der KISS Sitzungen mit
            an den Start                        Tagen und in welchen Mengen Drogen kon-             den integrierten zwölf Modulen gestaltet.
                                                sumiert werden dürfen. Sie legen auch die               Hierzu berichtet Uwe Täubler: „In Zu-
Im Gegensatz dazu steht KISS, das als verhal-   drogenfreien Tage fest, an denen der Kon-           sammenarbeit mit der Gruppe werden alle
tenstherapeutisches Selbstmanagementpro-        sum bestimmter Substanzen vermieden                 zwölf Punkte systematisch abgearbeitet und
gramm angelegt ist. Es stellt den Teilnehmern   werden soll. An den von ihm erstellten Plan         neue Verhaltensweisen eingeübt. Es geht in
frei, in welcher Weise sie ihr Konsumverhal-    soll sich der Klient nach Möglichkeit halten,       erster Linie um das Festlegen der eigenen
ten verändern oder reduzieren möchten.          wobei ein Regelverstoß keinerlei Sanktio-           Ziele und wie man sie erreichen kann. An-
Dies schließt sowohl illegale als auch legale   nen zur Auswirkung hat.                             schließend um das Vermeiden bekannter
Drogen und Substitutionsmittel ein.                Die Dauer einer KISS-Gruppe beträgt drei         Risikosituationen und wie man Ausrutscher
    Der Klient und nicht der Therapeut ent-     Monate, dabei sind zwei Stunden pro Wo-             meistert. Bei Ausrutschern bzw. Rückfällen
scheidet, welcher Weg für ihn der richti-       chensitzung vorgesehen. Im Vordergrund              ist es besonders wichtig, den Grund dafür
aktuelles 10                     DROGENKURIER

                                                                                                         Dadurch entstehen nur noch mehr Kompli-
                                                                                                         kationen für den Betroffenen. Wenn diese
                                                                                                         Situation in Deutschland endlich mal er-
                                                                                                         kannt werden würde, dann würde die Dro-
                                                                                                         genarbeit auch Fortschritte machen.“ Dafür
                                                                                                         gibt es nun das KISS-Konzept. Auch der ver-
                                                                                                         botene und trotzdem betriebene Beikonsum
                                                                                                         von Substitutionspatienten würde sich da-
                                                                                                         mit reduzieren lassen. Weiterhin ermöglicht
                                                                                                         das Programm den Teilnehmern transparent
                                                                                                         und offen mit ihrer Sucht umzugehen und
                                                                                                         fördert die Eigeninitiative der Gruppenmit-
                                                                                                         glieder.

                                                                                                            Die 12 KISS-Module
                                                                                                            1.    Grundwissen Drogen
                                                                                                            2.    Pro und Contra veränderung
Uwe Täubler (rechts) Trainer der KISS-Gruppen in der Palette aus Hamburg und zwei KISS-Teilnehmer Timo      3.    Bilanz ziehen
(links) und Detlef (Mitte)                                                                                  4.    Konsumziele festlegen
                                                                                                            5.    Strategien zur Zielerreichung
festzustellen. Ein belangreicher Aspekt ist            Bei Detlef ist die Situation nicht ganz              6.    Risikosituationen erkennen
auch die Gestaltung und das Genießen der            so glücklich. Er kennt nur Leute aus dem                7.    Ausrutscher meistern
Freizeit. Hierfür haben wir in Hamburg ei-          Drogenmillieu, dort hat er sein halbes Le-              8.    Freizeit genießen
nen Wochenplan für schöne Dinge‘ erstellt           ben verbracht. Zurzeit wird er substituiert             9.    Belastung erkennen
und gemeinsam Ideen gesammelt. Weiter-              und raucht Crack. Während der KISS-Grup-                10.   Belastung angehen
hin gehört dazu der Umgang mit Belas-               pe begann er seinen Drogenkonsum zu no-                 11.   Nein-Sagen lernen
tungssituationen sowie das ,Nein-Sagen‘             tieren. Dadurch fand er heraus, in welchen              12.   Erfolge sichern
lernen. Am Ende steht die Sicherung der             Situationen er Drogen nimmt und warum.
erzielten Erfolge.“                                 Das war sein erster Schritt zur Veränderung.         Ob sich KISS als Gruppenangebot auch für
   Uwe Täubler ist es wichtig, dass die Teil-       Mittlerweile hat Detlef seinen Crackkonsum           die Zukunft etablieren wird, steht noch
nehmer unter KISS keinen Trick auf dem              reduziert und lässt sich sein Geld durch die         nicht fest. In Hamburg bieten es derzeit
Weg zur Abstinenz verstehen. Er betont:             Gruppenbetreuer einteilen. Diese positi-             fünf Einrichtungen an: „Die Palette“, das
„Wir wollen nicht durch die Hintertür Abs-          ve Vorgehensweise bewirkt nicht nur, dass            „Ragazza“, das „Subway“, das „Abrigado“
tinenz einführen. Unser Projekt ist zielof-         er am Ende des Monats noch Geld besitzt,             und „Die Brücke“. Die Kosten für das Pro-
fen angelegt und wir arbeiten ausschließ-           sondern auch, dass er nicht alles auf einen          jekt trägt die Stadt Hamburg. In Frankfurt
lich mit Verständnis, nicht mit Druck. Wenn         Schlag für Crack ausgeben kann. „Mit Hil-            wird man erste Ergebnisse der im November
jemand sagt:,, Für mich ist es wichtig, mei-        fe von KISS und einer guten Portion Eigen-           beginnenden Gruppen abwarten müssen.
nen Crackkonsum zu reduzieren‘, dann wer-           motivation habe ich mich zudem vom Kiffen               Wir fragen bei Uwe Täubler nach: „Ist
den wir diese Sache gemeinsam angehen. Ob           sowie vom Alkohol distanziert und das nach           KISS ein erster Schritt hin zu mehr Toleranz
es gelingt, kann vorab niemand sagen.“              20 Jahren zwanghaftem Gebrauch“, berich-             und weg vom Abstinenzparadigma der bis-
   Mehr zum kontrollierten Konsum und               tet Detlef mit großem Stolz.                         herigen Therapieformen?“ „Ich glaube das
ihren persönlichen Eindrücken berichten                Die Möglichkeit des kontrollierten Kon-           zentrale Paradigma der Abstinenz bekom-
Timo und Detlef, die beide an einer KISS-           sums scheint bei den Zuhörern im Cafe Frie-          men wir nicht geknackt. Bei den Einrich-
Gruppe in Hamburg teilgenommen haben.               dA großen Anklang zu finden. Die meisten             tungen, die akzeptierend arbeiten, kann
„Zu Beginn wurde ich noch mit Subutex               von ihnen befinden sich derzeit in Substi-           sich jedoch einiges verändern. Denn nur zu
substituiert“, erzählt Timo, „inzwischen            tutionsprogrammen und kritisieren, dass              akzeptieren, also nur Elendsverwaltung zu
habe ich mit Unterstützung von KISS da-             in solchen Maßnahmen kein Beikonsum                  betreiben, reicht auf die Dauer nicht aus.
von entzogen. Ab und zu kiffe ich noch, je-         erlaubt ist. Also, ich als Drogenkonsument              Weitere Informationen zum Thema KISS
doch in geringeren Mengen als früher und            sehe es als Strafe an, wenn mein Arzt auf-           sind unter folgenden Adressen zu finden:
selbst das Zigarettenrauchen habe ich re-           grund einer positiven Urinkontrolle meine            www.palette-hamburg.de und http://kiss-
duziert. Zur Selbstkontrolle führe ich nach         Dosierung heruntersetzt, mein Take-Home              heidelberg.de
wie vor mein Konsumtagebuch für alle Dro-           streicht und mich letzten Endes aus dem
                                                                                                                     Gekürzter Text aus JUBAZ 4/2006
gen, die ich zu mir nehme.“                         Programm wirft. Das kann keine Hilfe sein!
Einstieg zum Ausstieg

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                      Suchttherapie
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aktuelles 12                  DROGENKURIER

Drug Checking – JETZT !!!
50 Bleivergiftungen in Leipzig

Als Folge der Illegalisierung besteht           die weit über den Grenzwerten lägen. Bei
eines der Hauptrisiken beim Drogenkon-          den Patienten wurden weit über 2000 Mikro-
sum darin, dass niemand genau weiß, was         gramm Blei pro Liter im Blut festgestellt. Bei
für Wirkstoffe die Droge enthält und wie        Werten von 800 seien schwere Krankheiten
hoch diese dosiert sind.                        zu erwarten, die Arbeitsmedizin nenne 300
   Bekannt ist lediglich, dass die Qualität     als Grenzwert. Die Staatsanwaltschaft Leip-
sehr unterschiedlich sein kann. Teilweise       zig ermittelt wegen gefährlicher Körperver-
werden zum Beispiel Ecstasy-Tabletten mit       letzung gegen Unbekannt, in einem Fall so-
Speed, Koffein oder Paracetamol gestreckt       gar wegen versuchten Mordes.
oder sie enthalten einen völlig anderen psy-
chotropen Wirkstoff wie z. B. Atropin.          Stoff noch im Umlauf
                                                Die Ermittler gehen davon aus, dass sich
DRUG CHECKING – Die Potenziale                  immer noch mit Blei versetzter Stoff im Um-
Mittels „Drug Checking“ könnte man Kon-         lauf befindet. Bisher ist die Herkunft des
sumentInnen ermöglichen, die auf dem            Stoffes unklar. Offen ist auch, ob das Blei
„Schwarzmarkt“ erworbenen illegalen Sub-        beispielsweise durch Dünger in die Pflanzen
stanzen auf deren Inhaltsstoffe und Rein-       gelangte. Dies halten die Experten ange-
heitsgrade zu überprüfen. Damit soll es u. a.   sichts der hohen Konzentration des Metalls
möglich sein, vor dem Konsum unerwünsch-        allerdings für eher unwahrscheinlich. Eine
te hochriskante Substanzen festzustellen,       Umfrage bei Landeskriminalämtern bezüg-          Georg Wurth (Deutscher Hanf Verband)
deren Konsum derzeit zu gefährlichen Not-       lich vergleichbarer Fälle ist noch nicht ab-
fällen oder gar Todesfällen führen kann.        geschlossen. Zudem wurde die europäische         Im Januar dieses Jahres alarmierte der
Drug-Checking fördert somit auch den            Polizeibehörde Europol eingeschaltet.            Verband die Drogenbeauftragte der Bun-
Lernprozess zu einem verträglichen Risiko-         Die erste Bleivergiftung registrierten die    desregierung Sabine Bätzing, die Bundes-
management. Ferner wird das individuelle        Behörden bereits im August bei einer Per-        zentrale für gesundheitliche Aufklärung
Drogenwissen so erweitert, dass potentiel-      son, die seitdem im Krankenhaus ist. Da-         (BZGA) und die drogen- und gesundheits-
le Drogengebraucher besser entscheiden,         mals sahen die Ermittler aber noch einen         politischen Sprecher der Parteien im Bun-
ob sie, und wenn ja, welche Drogen sie in       anderen Zusammenhang..                           destag. Fast 1.000 Menschen schlossen sich
welcher Dosierung konsumieren möchten.                                                           den Forderungen des DHV an, die Streck-
Drug-Checking fördert somit den Lernpro-        Deutscher Hanf Verband (DHV)                     mittel und deren Auswirkungen auf die
zess zur Drogenmündigkeit.                      warnte bereits im Januar                         Gesundheit genau zu analysieren und den
                                                Der Deutsche Hanf Verband (DHV) erhebt           Konsumenten eine Möglichkeit zu geben,
Bleivergiftungen durch                          schwere Vorwürfe gegen die Bundesdro-            selbst verdächtige Proben untersuchen zu
verunreinigtes Cannabis                         genbeauftragte Bätzing, nachdem bekannt          lassen.
Aus aktuellem Anlass warnen die Stadt           wurde, dass in Leipzig mit Blei versetzte           Aus dem Büro der Drogenbeauftragten
Leipzig und die Polizeidirektion Leipzig        Cannabisprodukte aufgetaucht waren.              hieß es am Telefon, beim Bundeskriminal-
vor bleiverseuchtem Cannabis und Mari-             Der DHV beobachtet schon seit Sommer          amt (BKA) habe man keine Erkenntnisse
huana, das seit einiger Zeit im Leipziger       letzten Jahres eine dramatische Zunah-           über gestrecktes Gras, also gehe man da-
Raum im Umlauf ist. In den vergangenen          me von Streckmitteln in Cannabisproduk-          von aus, dass das Problem nicht relevant
Wochen mussten bislang 50 bekannte Fälle        ten, insbesondere in Marihuana. Talkum,          sei.. Als im Mai immer noch keine offiziel-
aus Leipzig und dem Leipziger Umland mit        Zucker, Sand, Glas und Flüssigplastik sind       le Stellungnahme von Frau Bätzing vorlag,
Bleivergiftungen akutmedizinisch behan-         nur einige der Streckstoffe, von denen der       schrieb Wurth ihr am 23.05. erneut einen
delt werden.                                    Verband berichtet. „Nach unseren Erkennt-        Brief und warnte unter anderem: „Lassen
   Einige Betroffene hatten zum Teil schwers-   nissen ist mittlerweile ein Großteil des Can-    Sie es nicht so weit kommen, dass auch
te Bleivergiftungen erlitten. So sind bei ih-   nabismarktes in Europa verseucht“, so Ver-       in Deutschland Hanfkonsumenten wegen
nen Bleiwerte im Blut festgestellt worden,      bandssprecher Georg Wurth.                       Streckmitteln in Krankenhäusern landen!“
DROGENKURIER
                                                                                             13
                                                                                                   aktuelles

Diese Befürchtung ist nun in Leipzig trau-         Während in Deutschland derzeit noch            phetamine und Methamphetamine. Das
rige Gewissheit geworden.                       kontrovers über Nutzen und Rechtmäßig-            macht die Parties safer. www.saferparty.ch
    Erst nachdem der DHV bei Bundesge-          keit von Drug-Checking- Programmen de-
sundheitsministerin Ulla Schmidt gegen          battiert wird, besteht in der Schweiz nach
diese ignorante Haltung protestierte, er-       nicht minder intensiven juristischen und
schien auf der Homepage der Drogenbeauf-        politischen Auseinandersetzungen bezüg-
tragten ein winziger Hinweis auf Streckmit-     lich der Legalität und Notwendigkeit von
tel in Cannabisprodukten.                       Drug-Checking heute Konsens. Drug-Che-
                                                cking vor Ort mit einem mobilen Labor an          ChEck iT! ist ein gemeinsames Projekt des
Trägt die Bundesdrogenbeauftrag-                Parties ist ebenso legal wie die Durchfüh-        Verein Wiener Sozialprojekte, des Klini-
te eine Mitschuld?                              rung von Drug-Checking-Programmen in              schen Institutes für medizinische und che-
DHV-Sprecher Wurth macht die Drogenbe-          Kooperation mit ortsfesten Labors, wie zum        mische Labordiagnostik-AKH Wien und wird
auftragte mitverantwortlich für die jetzt in    Beispiel mit gerichtsmedizinischen oder           gefördert aus Mitteln der Sucht- und Dro-
Leipzig aufgetretenen Bleivergiftungen:         pharmazeutischen Instituten von Univer-           genkoordination Wien, sowie des Bundes-
„Wenn die Drogenbeauftragte schnell und         sitäten. Auch die Veröffentlichung der Te-        ministeriums für Gesundheit und Frauen.
konsequent auf unsere Hinweise reagiert         stresultate ist rechtens.                            Seit 1997 bietet ChEck iT! bei großen Ra-
hätte, hätten die Vergiftungen in Leipzig          Die Tatsache, dass im BtMG nur die Apo-        ves und in Clubs objektive Informationen
vermutlich verhindert werden können. Eine       theken für Substanzanalysen vorgesehen            über Wirkung und Gefahren psychoaktiver
massive öffentliche Warnung vor Streckmit-      sind, zeigt, dass die Bestimmungen keinen         Substanzen an. Die Informationen werden
teln wäre notwendig gewesen. Natürlich ist      vernünftigen Bezug zum realen technisch-          von den ChEck iT!-Mitarbeitern an Interes-
Cannabis nicht harmlos. Die üblichen Risi-      wissenschaftlichen Ablauf der Dinge haben,        sierte weitergegeben. Es geht schlicht darum,
ken der Droge betreffen aber einen relativ      respektive dass die Politik in der BRD be-        dass User genügend Informationen haben um
kleinen Teil der Konsumenten, die Streck-       wusst versucht, mittels dieser Bestimmun-         selbst über ihren Drogenkonsum entscheiden
mittel sind eine Gefahr für alle!“              gen die Durchführung solcher Analysen zu          zu können www.checkyourdrugs.at.
   Wurth plädiert auch im Hinblick auf          erschweren und zu verhindern. Das es auch
skrupellose Dealer, die Cannabis mit ge-        anders geht zeigen uns mal wieder unsere
fährlichen Stoffen strecken, für eine Le-       Nachbarn.
galisierung: „Die beste Strategie gegen die
Streckmittelseuche wäre eine Regulierung
und Überwachung des Cannabismarktes un-
ter legalen Bedingungen. Den Handel ei-
nem Schwarzmarkt zu überlassen, bringt          Drug-Checking ist ein Bereich der Arbeit
mehr Risiken als Nutzen.“                       der Ambulanten Drogenhilfe der Stadt Zü-
                                                rich. Das Projekt Streetwork Zürich bietet
Drug Checking legal oder illegal?               im Partybereich vor Ort in Clubs Drug-Che-
Prinzipiell ist „Drug Checking“ in Deutsch-     cking an. Einmal im Monat geschieht dies
land rechtlich möglich, es gibt jedoch bisher   mit Hilfe eines mobilen Laboratoriums. Un-        Wie viele andere NGOs und Interessenver-
keine wirklich userfreundliche Umsetzung        tersucht werden sowohl Ecstasy, LSD, Am-          tretungen (DRUG SCOUTS; DHV) meint JES,
dieser Drogentestprogramme, weil sie – im                                                         dass es nun höchste Zeit wird Drug Che-
Gegensatz zu fast allen Nachbarländern –                                                          cking auch in Deutschland so zu legalisie-
politisch nicht erwünscht sind.                                                                   ren, dass Substanzanalysen nicht nur in
   In Deutschland sind gemäß gesetzli-                                                            Apotheken stattfinden können, sondern
cher Grundlage nur die Apotheken ohne                                                             ausgebildete Teams entsprechende Events
Einholung einer Erlaubnis autorisiert, be-                                                        aufsuchen und feste Beratungs- und Test-
täubungsmittelverdächtige Substanzproben                                                          zeiten in unterschiedlichen Einrichtungen
von Privatpersonen oder privaten Organi-                                                          anbieten.
sationen zu Untersuchungszwecken entge-
genzunehmen. Obwohl die Apotheken für                                                             EINFÜHRUNG VON DRUG CHECKING JETZT!
die Durchführung von Drug-Checking zu-                                                            Denn hier geht es um die Gesundheit vieler
ständig sind, wird in der Praxis diese ge-                                                        zehntausend Bürgerinnen und Bürger.
setzliche Vorgabe kaum genutzt. Derzeit
                                                                                                                 Quellen: www.drugscouts.de,
sind auch keine Anstrengungen erkennbar,
                                                                                                                         www.hanfverband.de
die Lücke in diesem Bereich zu füllen.
aus den regionen 14                                DROGENKURIER

                                                                                                                  100 Leute gleichzeitig, das ist eine
                                                                                                                  massive Belastung durch Ziga-
                                                                                                                  rettenrauch: Man fühlt sich wie
                                                                                                                  Rauchfleisch“, sagt Walter.
                                                                                                                      Die 26 Mitarbeiter des High
                                                                                                                  Noon stehen mit dem Beschluss
                                                                                                                  geschlossen den 150 Substituier-
                                                                                                                  ten gegenüber, die allesamt Rau-
                                                                                                                  cher sind. 130 von ihnen haben
                                                                                                                  eine Petition gegen das Rauch-
                                                                                                                  verbot unterschrieben.
                                                                                                                      Doch „am Rauchverbot war
                                                                                                                  und ist nicht zu rütteln“, sagt Wal-
                                                                                                                  ter. So wurde auch nicht auf den
                                                                                                                  Vorschlag der Raucher eingegan-
                                                                                                                  gen, während der Methadonaus-
                                                                                                                  gabezeit zwischen 10 und 12 Uhr
                                                                                                                  das Rauchen zu erlauben. „Die
                                                                                                                  Caritas ignoriert unser Bemü-
 JES-Stuttgart wehrt sich gegen das Rauchverbot                                                                   hen, eine Lösung zu finden“, sagt
                                                                                                                  Markus Auer, der für die Substitu-

 Streit um Rauchverbot
                                                                                                                  ierten als Sprecher fungiert, „wir
                                                                                                                  fühlen uns von den Sozialarbei-
                                                                                                                  tern im Stich gelassen – die ha-

 für Substituierte
                                                                                                                  ben uns einfach einen Arschtritt
                                                                                                                  verpasst.“ Denn das Rauchver-
                                                                                                                  bot kommt für die Substituierten
                                                                                                                  einem Rausschmiss gleich: „Die
 Klienten der Caritas reichen Petition ein                                                                        setzen uns damit indirekt auf die
                                                                                                                  Straße“, sagt Auer.
                                                                                                                      Für Substituierte sei es be-
                                                  zuwandern. Das kleine Café liegt an der La-       sonders schwierig, auf den so genannten Bei-
                                                  zarettstraße, nahe dem Leonhardsplatz. Di-        konsum legaler Drogen zu verzichten, erklärt
                                                  rekt auf dem Straßenstrich. Dort kann man         Auer. Walter hingegen spricht vom „Normali-
                                                  nicht nur an jeder Ecke käuflichen Sex erwer-     tätsprinzip“: „Wir behandeln unsere Klientel
                                                  ben, sondern auch Drogen. Kein guter Ort für      wie normale Menschen.“

 F
        ür alle Raucher brechen mit dem Win-      Menschen, die ihrer Sucht abschwören und              Auch Dr. Harry Geiselhart, Abteilungslei-
        ter harte Zeiten an. Doch den Substi-     die jeglicher Verlockung möglichst aus dem        ter für Suchterkrankungen im Bürgerhospi-
        tuierten weht ein besonders scharfer      Weg zu gehen suchen.                              tal, hält es aus therapeutischer Sicht für rich-
 Wind entgegen. Sie sollen aus dem Café der           Nun werden die Substituierten durch eine      tig, gerade für Substituierte suchtfreie Räume
 Methadonabgabestelle verbannt werden,            Maßnahme der Caritasmitarbeiter auch noch         zu schaffen.
 weil dort ein Rauchverbot eingeführt wird.       aus den Räumlichkeiten und somit auf die un-          Fakt bleibt, dass die Substituierten nun
 Für die Sozialarbeiter ist aber das Rauchen      wirtliche Straße gejagt. So sehen es zumindest    wieder hauptsächlich auf der Straße zu fin-
 in den sozialen Räumlichkeiten nicht länger      die knapp 150 Methadonempfänger. Denn am          den sein werden. Und dort haben sie nicht nur
 tragbar.                                         16. Oktober hat die Caritas endgültig ein ge-     mit den Verlockungen des Milieus zu kämp-
    Glücklich ist er nicht gewählt, der Ort, an   nerelles Rauchverbot im High Noon erlas-          fen, sondern auch mit den Vorurteilen vieler
 dem die Substituierten ihr Methadon abho-        sen. Anders als in Gaststätten greift dort aber   Bürger: „Ums Eck ist ein Kinderspielplatz –
 len können, seitdem das Café Maus in der         nicht das im August erlassene Nichtraucher-       eine Elterninitiative versucht, gegen uns vor-
 Hauptstätter Straße wegen Renovierungsar-        schutzgesetz, ist doch das High Noon kein öf-     zugehen“, sagt Auer. Das ist schlimmer als je-
 beiten vorübergehend geschlossen ist. Das        fentliches Café. Die Caritas hat jedoch von ih-   der Wind, der einem im Winter auf der Straße
 sieht auch Fred Walter so, Fachdienstleiter      rem Hausrecht Gebrauch gemacht, nachdem           entgegen bläst.
 der Caritas. Allerdings habe es keine andere     sich die Mitarbeitervertretung beschwert                                          Andrea Jenewein
 Möglichkeit gegeben, als in das High Noon ab-    hatte. „In den Räumlichkeiten rauchen 80 bis                   Stuttgarter Nachrichten 27.10. 2007
DROGENKURIER
                                                                                                15
                                                                                                      aus den regionen

Substituierte auf die Straße
oder – Wie die Caritas-Stuttgart das Engagement
bei JES-Stuttgart fördert

Rauchen ist nicht gesundheitsfördernd-          rend wäre es aber, sich darunter ein
das ist klar. Selbst der „härteste“ Raucher     allgemein zugängliches öffentliches
weiß das. Wobei durchaus fraglich ist, wie      Café vorzustellen.
ungesund Rauchen bzw. Passiv-Rauchen               Dem besagten Zeitgeist ent-
wirklich ist.                                   sprechend wurde schon im Früh-
   Dem Zeitgeist nachrennen mag zwar            jahr des Jahres im Team der dort
angesagt sein; so argumentieren ja auch         beschäftigten Sozialarbeiter (die
die Sozialarbeiter der Caritas, auf die wir     ebenfalls dort arbeitenden 1-EURO-
noch zu sprechen kommen; es ist auf je-         Kräfte durften nicht teilnehmen)
den Fall lächerlich und grotesk. Dieser Zeit-   der Nichtraucherschutz diskutiert.
geist bringt es nun mit sich, dass rauchen-     Obwohl in der Minderheit, pochten
de Menschen (= die RAUCHER) ausgegrenzt         die wenigen Nichtraucher auf ihre (an-
werden. Diese Behandlung der Raucher be-        geblichen) Rechte. Dabei war allen durch-
schert dem Schreiber dieser Zeilen ein Déjà-    aus bewusst, wie schwer ein Rauchverbot
Vu-Erlebnis der besonderen Art: genau so        bei täglich ca. 150 MAUS-Besuchern, die
wurden und werden Drogen gebrauchende           zu mindestens 99 % rauchen, durchzuset-              nent seit 30 Jahren und auch gegenwärtig
Menschen zu Fixern und Junkies gebrand-         zen ist.                                             den Bremser spielt, ist das „Ländle“ beim
markt. Obwohl seit Jahren Nichtraucher und                                                           Nichtraucherschutzgesetz vorgeprescht.
seit noch längerer Zeit JES-Aktivist, empört    Das Nichtraucherschutzgesetz                             Für die rauchenden Kollegen wurde ein
mich diese Ausgrenzung sehr!                    kam gerade recht                                     Raucherraum eingerichtet. Für die Sub-
                                                Da verfiel man auf die Idee, einfach die Ver-        stituierten wurde ein totales Rauchverbot
Soziale Inkompetenz und Ignoranz der Be-        ordnungen des Nichtraucherschutzgeset-               ausgesprochen, sie wurden somit auf die
dürfnisse der KlientInnen sind für einen An-    zes anzuwenden, die seit 1. August 2007              Straße getrieben. Am 31. Juli wurde der
bieter von sozialen Dienstleistungen nicht      in Baden-Württemberg gültig sind. Die So-            Aushang angebracht – man beachte! – mit
angebracht, auch wenn es häufiger vorkom-       zialarbeiter meinten, wenn sie den Klien-            Wirkung 1. August !!! Die Empörung war
men mag als man gemeinhin denkt. Dass           tInnen das Rauchverbot mit gesetzlichen              riesengroß.
es darüber hinaus von menschlicher Kälte        Bestimmungen erklärten, würden die es                    Hinzu kommt, dass Substituierte wäh-
zeugt, sei nur am Rande erwähnt. Für die        schon akzeptieren.                                   rend einer mehrmonatigen Umbauphase
Betroffenen ist Ausgrenzung allemal ent-           Denn anders als in der sonstigen Drogen-          des Cafés, zur Interims-Ausgabestelle im
würdigend.                                      politik, in der Baden-Württemberg perma-             Kontaktladen „High-Noon“ gehen müssen.
   Was haben nun diese Feststellungen mit-                                                           Auch dort müssen die BesucherInnen zum
einander zu tun? Die folgende Chronologie                                                            Rauchen auf die Straße, obwohl sich das
der Ereignisse möge den Nicht-Stuttgartern                                                           „High-Noon“ mitten in der Drogenscene
das Verständnis erleichtern:                       Jedem das                                         befindet und vor der Tür der Straßenstrich
                                                                                                     ist. Ob dieser Tatsache bleibt einem nur ein
Der Caritasverband für Stuttgart e. V. (CV)        Seine – dies                                      Kopfschütteln über so viel Welt- und Rea-
betreibt seit vielen Jahren eine Methadon-                                                           litätsferne!
AUSgabestelle, das Café MAUS. In diesem             gilt auch                                            Es bildete sich also unter den Substitu-
Café können sich Substituierte, anders als                                                           ierten eine rührige Initiative; über 130 (!)
in den Schwerpunktpraxen oder der städti-
schen Ausgabestelle, einige Stunden auf-
                                                  beim Drogen-                                       Unterschriften wurden gesammelt, Briefe
                                                                                                     verfasst und Rundschreiben in Umlauf ge-
halten, Billard spielen oder eine Kleinigkeit
essen bzw. trinken. Hier soll die soziale
                                                     konsum                                          bracht. Diese gingen gelegentlich im Ton
                                                                                                     zu weit, zeigten jedoch deutlich den Ärger
Kommunikation gefördert werden. Irrefüh-                                                             der Betroffenen.
aus den regionen 16                               DROGENKURIER

    Als dann durch eigene Nachforschung          CV-Sozialarbeiter dann jeglichen Kompro-       ist, dass dadurch eine langjährig bewähr-
 herauskam, dass das Nichtraucherschutz-         miss ab, machten auch keine neuen Vor-         te Zusammenarbeit zwischen JES und dem
 gesetz überhaupt nicht anzuwenden ist,          schläge sondern beriefen sich erneut auf       CV schwer beschädigt wurde. Wir erwarten,
 da das MAUS kein öffentliches Café ist,         ihr Hausrecht. Es fielen die Worte: „Wir ha-   dass auch gesundheitsbewusste Sozialar-
 schwenkte der CV auf eine andere Schie-         ben die Macht, also entscheiden wir“. Dar-     beiterInnen in der Lage sein sollten, sich
 ne: plötzlich berief er sich auf sein Haus-     aufhin blieb den teilnehmenden MAUS-Be-        wenigstens zwei Stunden mit ihren rau-
 recht! Gleichzeitig wurde, um die Empörung      sucherInnen nur noch erregt und empört         chenden KlientInnen in einem Raum auf-
 zu dämpfen, den MAUS-BesucherInnen ein          den Raum zu verlassen.                         zuhalten und Gespräche zu führen. Wer das
 Mediationsverfahren angeboten, was diese           Inzwischen hat die Stuttgarter Presse       nicht kann, der sollte entweder einen ande-
 nach interner Diskussion annahmen.              sich für die Vorkommnisse interessiert und     ren Beruf wählen oder sich innerhalb des CV
    Es folgten mehrere gemeinsame und ge-        mehrfach berichtet. Bemerkenswert ist ja,      versetzen lassen. Jemand der Höhenangst
 trennte Sitzungen mit zwei Mediatoren, die      dass in anderen CV-Einrichtungen durchaus      hat, braucht schließlich auch nicht Pilot zu
 ihre Arbeit meiner Meinung nach recht gut       weiterhin geraucht werden darf, auch mit       werden!
 machten. Dabei wurde als Kompromiss an-         der Begründung, dass anderenfalls die Be-          Schlimm genug ist es, die Menschen, die
 geregt, dass während zwei Stunden in der        sucherInnen wegblieben. Diese Alternati-       zum Teil schwer krank sind, in der kalten
 Hauptbesuchszeit geraucht werden darf.          ve haben die Substituierten dagegen nicht,     Jahreszeit auf die Straße zu schicken. Sie
 Die Substituierten stimmten diesem Vor-         deshalb ist die Entscheidung in diesem Fall    förmlich zu verarschen und mit einem fin-
 schlag zu. Die CV-Mitarbeiter zögerten und      besonders perfide.                             gierten Mediationsverfahren hinters Licht
 verwiesen darauf, dass sie dies erst in ihrem                                                  zu führen ist ein unglaublich arrogantes
 Gesamt-Team und mit ihrem Fachdienstlei-        Fazit: aus dieser allgemeinen Empörung         Verhalten.
 ter besprechen müssten.                         heraus hat sich eine mehrköpfige Gruppe            Wenn dadurch allerdings die Leute auf-
    Auch durch Vermittlung des JES-Reprä-        gebildet, die sich nun bei JES-Stuttgart en-   wachen und engagiert für ihre Interessen
 sentanten akzeptierten die Betroffenen die-     gagiert. Noch sind JES und die Gruppe nicht    eintreten, dann müssen wir von JES-Stutt-
 se weitere Verschiebung der Entscheidung.       identisch; JES unterstützt sie aber im Rah-    gart uns beim CV geradezu bedanken.
 Beim letzten Mediatiorentreffen lehnten die     men der Möglichkeiten. Besonders ärgerlich                                    Roland Baur

    Das große Drogen-Rätsel
                                                                                                                  Gesucht werden
                                                                                                                  acht psychoaktive
                                                                                                                  Substanzen .

                                                                                                                  Wir wünschen
                                                                                                                  Euch viel Spaß
                                                                                                                  beim Rätseln!

                                                                                                                  Die Lösung findet
                                                                                                                  ihr auf Seite 31 .
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