EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern

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EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
EDUCATION
Amtliches Schulblatt des Kantons Bern / Erziehungsdirektion des Kantons Bern
Feuille officielle scolaire du canton de Berne / Direction de l’instruction publique du canton de Berne   3.19
Juni / Juin / www.erz.be.ch

                                                                              Glück
                                                                              Bonheur
EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Inhalt | Sommaire

       Das Lehrerteam der Zeichenklasse der HPS Region Thun –         Unihockey boomt – nicht nur in den obersten Spielklassen,
      Franziska Leichtnam (l.), Paul Schmutz, Susanna Christen.                sondern auch an den Berner Schulen.
                              → Seite 22                                                    → Seite 36

                       Magazin                                                    Drei Lebenssichten
                                                                   Wie erfahren Lehrpersonen Glück? Drei Lehrpersonen
                           Magazine                                     versuchen, eine Antwort darauf zu geben.
                                S. 4                                                      S. 22

                                                                       Les questions philosophiques en classe :
                                                                               une humanité contagieuse
    Politischer Kommentar                                         Jean Rambeau, enseignant à l’Ecole cantonale de langue
                      Regard politique                            française, aborde en classe les questions philosophiques.
                                                                                            S. 26
                   Tag der Schule:
       Ein Dialog über Praxis und Unterricht
     Journée de l’école : dialogue sur la pratique
                  et l’enseignement                                                     Porträt
                           S. 5                                                             Portrait
                                                                     Thibault Eyer : Partage et communication
                                                                               guident son existence
                Thema: Glück                                                            S. 29
                     Dossier : Bonheur
                Glück hat damit zu tun,
               wie man sein Leben führt                                           Volksschule
    Kinder haben eine andere Vorstellung von Glück. Glück                            Ecole obligatoire
     kann auch in den kleinen Freuden des Alltags liegen.
                            S. 10                                   Zusammenarbeit Volksschule – Musikschule:
                                                                         «Musik ist ein kultureller Wert,
         Wenn ein Traktor, eine Bratwurst oder                            nicht einfach nur nice to have»
           ein Gipfeli Kinder glücklich machen                                         S. 32
       In der Heilpädagogischen Schule der Region Thun
     ist Glück so vielfältig wie die über 100 Schüler/innen.           Kantonale Schulsportmeisterschaften:
                                S. 15                                  «Unihockey ist der ideale Schulsport»
                                                                                       S. 36
              Die Parameter des Glücks
     Maike van den Boom besuchte die 13 glücklichsten                         Lernendenstatistik:
      Länder der Welt und schrieb ein Buch darüber.                Erhebung der Lernenden – der Aufwand lohnt
                          S. 18                                                       S. 38

2                                                                                                                   EDUCATION 3.19
EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Inhalt | Sommaire                                            Editorial

                                                       Das Lachen eines Kindes sehen
                                                       Was fehlt mir, dass ich glücklich werde? Klar ist: Ein
                                                       hoher Wohlstand schützt nicht davor, laufend neue Be­
                                                       dürfnisse zu sehen, die wir noch befriedigen könnten.
                                                       Der Mensch neigt wohl von Natur aus dazu, überall
                                                       Mängel wahrzunehmen. Und es ist eine Täuschung
                                                       zu meinen, er könne sie beheben, indem er sich zum
                                                       Beispiel immer neue Güter anschaffe. Die «Glück­
                                                       halbwertszeit» eines neuen Autos betrage etwa drei
                                                       Monate, sagt der Glücksforscher Sigmar Willi.
                                                       Verschiedene Lehrpersonen, die wir befragt haben, er­
                                                       fahren Glück, indem sie mit Kindern und Jugendlichen
                                                       etwas erarbeiten. Eine Lehrperson liess sich zum Bei­
                                                       spiel vom Lachen eines Kindes bezaubern. Engage­
                                                       ment, sich in etwas vertiefen, hebt unsere Lebens­
                                                       zufriedenheit und unser Wohlbefinden. Wer sich mit
                                                       seiner ganzen Persönlichkeit für eine Aufgabe einsetzt,
                                                       kommt diesem Ziel wohl näher.
          WorldSkills Kazan 2019: «Wir wollen Gold!»   Natürlich ist Glück auch ein Produkt des Zufalls,
                          → Seite 42                   auf das wir wenig Einfluss nehmen können. Was wir
                                                       jedoch steuern können, ist, in unserem Leben für ein
                                                       Netz positiver Beziehungen zu sorgen.

             Mittelschule/                             Le rire d’un enfant
             Berufsbildung                             Que manque-t-il pour être heureux ? Une chose est
                Ecoles moyennes/                       claire : vivre dans l’aisance ne préserve pas de découvrir
            Formation professionnelle                  en permanence de nouveaux besoins devant être assou­
                                                       vis. L’être humain a tendance, par nature, à voir des
           WorldSkills Kazan (RUS) 2019:               manques partout. Et c’est se tromper que de croire pou­
                «Wir wollen Gold!»                     voir combler ces manques en acquérant par exemple de
                       S. 42                           nouvelles choses. Le sentiment de bonheur lié à l’achat
                                                       d’une nouvelle voiture est d’environ trois mois, selon
           Leitbild «Berufsbildung 2030»:              le spécialiste en psychologie positive Sigmar Willi.
          Die Berufsbildung macht sich fit             Parmi les enseignants et enseignantes que nous avons
                   für die Zukunft                     interrogés, plusieurs ressentent du bonheur à réaliser
                         S. 44                         quelque chose avec des enfants ou des jeunes. Une
                                                       ­enseignante s’est par exemple laissé envoûter par le
                                                        rire d’un enfant. S’investir personnellement, se plon­
          PHBern – aktuell                              ger dans un projet augmente notre satisfaction et
                                                        notre bien-être. En s’engageant de tout son être dans
                Partnerschulprojekt                     une tâche, on s’approche donc du but.
           am Institut für Heilpädagogik:               Bien sûr, le bonheur est aussi un produit du hasard
                Eine Schule für alle                    que l’on ne peut influencer. Créer autour de soi un
                        S. 48                           ­réseau de relations positives reste ­cependant du ressort
                                                         de chacun.

             Weiterbildung                                     Martin Werder, martin.werder@erz.be.ch
                                                                       Leiter Kommunikation |
                 Formation continue                                Chef de l’Unité Communication
                            S. 56

     Amtliches Schulblatt
             Feuille officielle scolaire
                            S. 59

EDUCATION 3.19                                                                                                   3
EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Magazin | Magazine

            Kantonaler Tag der Gesundheitsberufe                           Schulhäuser im Kanton Bern

            Tauchen Sie am 22. Oktober in                                  Ein neues Schulhaus für Brienz
            die spannende Welt der Gesund­                                 Eine Serie der kantonalen Denkmalpflege
            heitsberufe ein                                                Um 1900 war die Zeit reif für ein neues Schulhaus in Brienz,
                                                                           die drei bestehenden genügten den Anforderungen nicht
            Am Dienstag, 22. Oktober 2019, haben Sie die Möglich­          mehr. Ein idealer Standort war schnell gefunden, der Er­
            keit, in acht Spitälern im Kanton Bern 14 nicht universitäre   werb der Parzelle im Hobacher und die Finanzierung er­
            Gesundheitsberufe näher kennenzulernen. Vor Ort erhal­         wiesen sich jedoch als Zerreissprobe. 1902 stand aber
            ten Sie einen vertieften Einblick in die verschiedenen Be­     dem Neubau nichts mehr im Wege. Mit der Planung be­
            rufe und in die entsprechenden Aufgaben und Kompeten­          traute man das Architekturbüro Bracher, Widmer und Da­
            zen. Zudem haben Sie die Chance, selbst an simulierten         xelhofer, zu dieser Zeit eines der wichtigsten in Bern. Am
            Situationen teilzunehmen, typische Tätigkeiten im jeweili­     10. April 1904 konnte das neue Schulhaus eingeweiht
            gen Berufsalltag auszuführen und sich mit Fachpersonen         werden. Der längsrechteckige, rosa gefasste Massivbau
            und Lernenden auszutauschen. Der Besuch wird vor allem         erinnert in seiner Erscheinung und seiner Detailgestaltung
            Schülerinnen und Schülern im Berufswahlalter empfohlen,        sehr an die Berner Stadtschulhäuser aus dem ausgehen­
            die das Berufsfeld Gesundheit live erleben möchten. Die        den 19. Jahrhundert. Beeindruckend ist insbesondere der
            Anmeldung wird am 1. Juli 2019 aufgeschaltet.                  turmartige Mittelrisalit mit Eingangsportal und kuppel­
                                                                           artigem Abschluss. Anlässlich der Innensanierung 2018
            www.gesundheitsberufe-bern.ch/ktgb                             brachte eine Untersuchung die ursprüngliche Farbgebung
                                                                           zutage, die man in abgeschwächter Form in den Räumen
                                                                           nun wieder anbrachte, die zweifarbigen Filets im Treppen­
Foto: zvg

                                                                           haus sind zudem wieder sichtbar. Der alte Holzboden im
                                                                           Schulleitungsbüro wurde aufgefrischt und neu geölt, der
                                                                           alte grosse Tisch mit seinen vielen Schubladen leistet
                                                                           nach wie vor gute Dienste. In den anderen Räumen waren
                                                                           die Parkettböden unter dem Kunststoffbelag beschädigt
                                                                           und ihre Restaurierung zu aufwendig. So ersetzte man
                                                                           diese durch ein neues, geöltes Fischgrätparkett in Eichen­
                                                                           holz – wie es ursprünglich vorhanden war –, das nun wie­
                                                                           der viele Jahrzehnte seinen Dienst tut.

                                                                                                                                          Foto: Heimatbuch Brienz, 1999

            Journée cantonale des professions de la santé

            Le 22 octobre, plongez dans le
            monde captivant des professions
            de la santé
                                                                           Schulhaus 1904 anlässlich der Einweihung
            Le mardi 22 octobre 2019, vous aurez la possibilité d’ap­
            prendre à mieux connaître 14 professions non universi­
                                                                                                                                          Foto: HMS Architekten und Planer AG, Interlaken

            taires de la santé dans huit hôpitaux du canton de Berne.
            Sur place, vous pourrez découvrir de manière approfon­
            die les d­ ifférents métiers ainsi que les tâches et compé­
            tences correspondantes. Vous aurez en outre la chance
            de par­ ticiper vous-mêmes à des situations simulées,
            d’accomplir des activités typiques du quotidien de ces
            professions et d’échanger avec des spécialistes et des
            personnes en formation. La visite est particulièrement re­
            commandée aux élèves en âge de choisir un métier qui
            souhaitent faire l’expérience du secteur de la santé en di­
            rect. L’inscription sera ouverte le 1er juillet 2019.

            www.gesundheitsberufe-bern.ch/ktgb                             Treppenhaus nach der Sanierung, 2018

            4                                                                                                           EDUCATION 3.19
EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Politischer Kommentar | Regard politique

              Tag der Schule:
  Ein Dialog über Praxis und Unterricht
Journée de l’école : dialogue sur la pratique
             et l’enseignement
                                                     Christine Häsler
                                 Erziehungsdirektorin | Directrice de l’instruction publique
                                               christine.haesler@erz.be.ch

                                                                                                        Foto: Pia Neuenschwander

 Was passiert, wenn einmal die Schülerinnen und Schüler            Angesicht zu Angesicht zu führen und vor allem die Ber­
 das Zepter in die Hand nehmen?                                    ner Schule mit den Augen der Lehrpersonen zu sehen.
         In einem Projekt des Schulzentrums Längenstein                    Der «Tag der Schule» wird jedes Jahr durch die
 in Spiez haben Schulleitung und Lehrpersonen dieses               ­Erziehungsdirektion organisiert und bietet die Möglich­
 ­Experiment gewagt. «Schülerinnen und Schüler unter­               keit, sich unter Fachleuten über guten Unterricht auszu­
  richten Schülerinnen und Schüler» heisst das Projekt.             tauschen. Bei den Filmen, die an diesem Tag gezeigt
  In einer vorbereiteten Lektion bringen Schülerinnen und           werden, handelt es sich um Good-Practice-Beispiele aus
  Schüler ihren Klassenkolleginnen und -kollegen Fertig­            dem Unterricht. Ziel ist, die Teilnehmenden zu ermutigen
  keiten bei, mit denen sie sich in ihrer Freizeit vertieft aus­    und möglicherweise zu inspirieren, vielleicht die eine
  einandergesetzt haben: zum Beispiel mit Breakdance,               oder andere Idee für die eigene Praxis mitzunehmen.
  mit Tätigkeiten der Jugendfeuerwehr oder dem Zuberei­                    Im Rahmen des «Tags der Schule» haben mich
  ten von speziellen Menüs. Die Erfahrungen des Schul­              Lehrpersonen angefragt, welches denn meine Vision für
  zentrums Längenstein in Spiez sind ausserordentlich               die Berner Schule sei. Auch ich hätte sicher Ideen zur
­positiv.                                                           Gestaltung der bernischen Schullandschaft.
         Dies ist nur ein Filmbeispiel aus dem Programm                    Welche Zukunft wünschen wir uns für die Kinder
  eines überaus gelungenen «Tags der Schule». Ich habe              und Jugendlichen im Kanton Bern? Ich würde mir wün­
  diesen Tag zum ersten Mal miterlebt, die Ambiance und             schen, dass alle Schülerinnen und Schüler
  das Commitment der Anwesenden haben mich sehr                     – ein wertschätzendes, förderndes Lernumfeld haben,
  ­berührt! Man spürt das Engagement für die Praxis, für            – motivierende Rückmeldungen erhalten, damit sie
   die Schule und die Sorge um eine gute Bildung. Was ich              selbstbewusste Menschen werden und gute Bezie­
   an diesem Anlass besonders schätze, sind die persönli­              hungen untereinander und zu den Erwachsenen
   chen Begegnungen mit Lehrpersonen, ein Gespräch ­von                aufbauen können.                                      ▶

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EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Politischer Kommentar | Regard politique

 Erst wenn sich Schülerinnen und Schüler wohl und sicher         particulièrement apprécié de rencontrer en personne
 fühlen, ist Lernen überhaupt möglich. Nur so können sie         les enseignants et enseignantes, de dialoguer en tête
 sich weiterentwickeln und ihre Potenziale ausschöpfen.          à tête avec eux et, surtout, de percevoir l’école bernoise
 Schülerinnen und Schüler sollen schliesslich nach der           à travers leurs yeux.
 Schule die Verantwortung für ihr eigenes Leben überneh­                   La Journée de l’école est organisée chaque année
 men können.                                                     par la Direction de l’instruction publique et propose
       Um diese Ziele zu erreichen, braucht es motivierte        une plateforme d’échange aux spécialistes de l’enseigne­
 und gesunde Lehrerinnen und Lehrer. Für Sie als Lehr­           ment. Les courts métrages qui sont projetés à cette
 personen, die sich täglich mit der Förderung von Kindern        ­occasion sont des exemples de bonnes pratiques issus de
 und Jugendlichen auseinandersetzen, ist es ganz zentral,         l’enseignement. Ils ont pour objectif d’encourager les
 gute Arbeits- und Anstellungsbedingungen an ihrer                personnes présentes, voire de les inspirer, à ramener
 Schule vorzufinden. Dies zu realisieren, wird ein Schwer­        de cette journée une nouvelle idée qu’elles pourraient
 punkt meiner Bildungspolitik sein. Ich versichere Ihnen,         mettre en pratique dans leur établissement.
 ich werde mich in der Regierung, im Grossen Rat und in                    Dans le cadre de la Journée de l’école, des ensei­
 der Öffentlichkeit mit meiner ganzen Kraft dafür einsetzen.      gnants et enseignantes m’ont demandé quelle était ma
       Vielleicht habe ich Sie neugierig gemacht auf unse­        vision pour l’école bernoise, mon idée quant à la forme
 ren «Tag der Schule». Das würde mich natürlich freuen.           que doit prendre le paysage scolaire dans le canton.
 Ich hoffe, die guten Beispiele der Schul- und Unterrichts­                Quel avenir souhaitons-nous créer pour les enfants
 entwicklung wirken weiter. Sie zeigen, wie motivierend           et les jeunes du canton de Berne ?
 Projekte sein können und wie wertvoll Freiräume im               J’aimerais que tous les élèves
 Lehrberuf sind. Sie zeugen von Kreativität und Freude            – bénéficient d’un environnement d’apprentissage
 am Unterrichten.                                                      ­respectueux et stimulant,
       Ich wünsche Ihnen viele neue Ideen für Ihren               – reçoivent des retours motivants,
­Unterricht.                                                      – deviennent des personnes sûres d’elles, capables
                                                                        de créer de bonnes relations entre elles et avec les
                                                                        adultes.
                                                                  Ce n’est que si les élèves se sentent bien et en sécurité
                                                                  qu’ils peuvent apprendre, se développer et exploiter leur
                                                                  potentiel. En effet, à l’issue de leur scolarité, les élèves
                                                                  doivent être en mesure de prendre leur vie en main.
Que se passe-t-il lorsque les élèves assurent l’enseigne­                  Pour que ces objectifs puissent être atteints, les
ment ? Dans le cadre d’un projet, la direction d’école            ­enseignants et enseignantes doivent être motivés et
et les enseignants et enseignantes du centre scolaire              en bonne santé. Pour vous qui avez affaire au quotidien
Längenstein à Spiez ont tenté l’expérience. Avec le projet         au développement des enfants et des jeunes, il est essen­
intitulé « Des élèves enseignent à des élèves », des jeunes        tiel que les conditions de travail et d’engagement dont
transmettent à leurs camarades de classe, le temps                 vous bénéficiez au sein de votre école soient de qualité.
d’une leçon préparée, des aptitudes qu’ils ont acquises            Cela est un pilier de ma politique de la formation. Je
et approfondies durant leur temps libre, par exemple en            vous assure que je vais investir toute mon énergie pour
pratiquant le breakdance, en participant aux activités             cela au Conseil-exécutif, au Grand Conseil et auprès de
des jeunes sapeurs-pompiers ou en préparant des menus              la population.
spéciaux. Les expériences réunies sont extrêmement                         Peut-être ai-je éveillé votre curiosité à propos de
­positives.                                                        notre Journée de l’école, ce qui me ferait naturellement
        Le court métrage sur cette initiative n’est qu’un          plaisir. J’espère que les exemples positifs de développe­
 exemple parmi tous les projets présentés lors d’une               ment de l’enseignement et de l’école auront un effet
 ­Journée de l’école particulièrement réussie. J’assistais         ­durable. Ils montrent à quel point des projets peuvent
  pour la première fois à cette manifestation et j’ai été très      être motivants et combien les espaces de liberté ­accordés
  touchée par l’ambiance et l’engagement des personnes              dans l’enseignement sont précieux. Ces ­projets tra­
  présentes ! J’ai ressenti l’énergie qu’investissent ces en­       duisent la créativité et le plaisir d’enseigner.
  seignants et enseignantes pour la pratique, pour l’école                 Je vous souhaite de trouver de nombreuses
  et pour une formation de qualité. A cette occasion, j’ai          ­nouvelles idées pour votre enseignement.

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                                                 Unter der Lupe
                              Fünf Fragen an Meret Matter

Meret Matter, 53, ist eine Schweizer Regis­   1. Wenn Sie an Ihre Schulzeit denken, was kommt Ihnen als Erstes in den
seurin. Nach dem Besuch der Schauspiel­       Sinn? Das Schwierigste war für mich das Stillsitzen. Doch sobald es etwas
schule Bern gründete sie zusammen
mit Grazia Pergoletti und Ruth Schwegler      Spannendes zu lernen gab, hatte ich dieses Problem nicht mehr. Je besser
die Theatergruppe «Club 111». Unzählige       die Lehrpersonen, je fesselnder der Unterricht, desto leichter fiel mir die
Gastspiele führten sie ins In- und Ausland.   Schule. Leider gab es da grosse Durststrecken. Meine Fantasie half mir
Sie inszenierte am Luzerner Theater, am
                                              durch diese Perioden. 2. Welcher Lehrperson würden Sie rückblickend
Schauspielhaus Zürich, am Schauspiel
Hannover und am Theater Freiburg. Ihre        eine Sechs geben und warum? Meinem geliebten Schauspiellehrer Nor­
nächste Arbeit folgt im Herbst 2019 am        bert Klassen, der mir vorlebte, dass es immer nötig ist, sich weiterzuent­
Konzert Theater Bern. Daneben arbeitet sie    wickeln, sich (kulturell) umzusehen, zu lernen, vor allem auch, was nicht
nach wie vor in der freien Szene. Meret
Matter ist Mutter von zwei Kindern und
                                              funktioniert. Und dass es wichtig ist, etwas zu riskieren. Auch wenn man
lebt in Bern.                                 dafür einstecken muss. Nicht ignorant zu sein gegenüber anderen. Dass
Foto: zvg                                     es ein Zeichen von Dummheit ist, wenn man sich selbst toll findet. Denn die
                                              wirklich brillanten Leute haben alle riesige Selbstzweifel. Dafür war er ein
                                              Beispiel. 3. Inwiefern hat Ihnen die Schule geholfen, eine bekannte
                                              Regisseurin zu werden? Ich habe entdeckt, dass es unendlich viele Dinge
                                              gibt, die mich interessieren. Darum war es für mich toll, wenn ich in Fächern
                                                     wie etwa Deutsch, Geschichte und Philosophie entdeckt habe, wie
                                                             weit jedes Feld für sich ist und wie viel man dazu wissen
                                                                 müsste und lernen könnte. Und die ganzen Zusammen­
                                                                    hänge zwischen den Disziplinen kommen dann noch
                                                                       hinzu! Jetzt habe ich die Möglichkeit, für unter­
                                                                         schiedliche Theaterstoffe in immer neue Themen­
                                                                          kreise einzutauchen. Das ist ein Privileg. Obwohl
                                                                           ich es so nie zur Spezialistin bringen werde,
                                                                            habe ich doch Einblick in viele wissenschaftli­
                                                                             che und kulturelle Bereiche. 4. Was ist das
                                                                             Wichtigste, was Jugendliche heute im Kin-
                                                                             dergarten oder in der Schule lernen sollten?
                                                                             Sie sollten Faszination und Interesse entwi­
                                                                            ckeln. Egal wofür. Sie sollten das Lernen spiele­
                                                                           risch entdecken und den Nutzen daran begrei­
                                                                          fen, sodass Zwang und Druck gar nie einsetzen
                                                                         müssen. Begreifen, dass die Schule auch Spass
                                                                       machen kann und dass die damit verbundene unan­
                                                                    genehme Arbeit nur Mittel zum Zweck ist, um später
                                                                 etwas Tolles machen zu können. Ausserdem sollten sie
                                                             möglichst rasch erkennen, dass man extrem viel Zeit sparen
                                                     kann, wenn man zuhört. 5. Wären Sie eine gute Lehrerin? Ich würde
                                              Eselsbrücken anpreisen als ein nachhaltiges Mittel, um sich Dinge einzu­
                                              prägen ... Spass beiseite. Ich hoffe es, denn es gäbe doch viele Erkennt­
                                              nisse, die ich, nach 30 Jahren Theater machen, gerne vermitteln würde.
                                              Aktuell habe ich den Eindruck, dass der Praxisbezug der Dozierenden nicht
                                              mehr so stark vorhanden ist wie damals, als ich selbst in der Ausbildung
                                              war. Vielleicht bin ich etwas ungeduldig. Aber ich habe auch immer wieder
                                              mit jungen Menschen zu tun, und insofern hoffe ich doch, auch so einiges
                                              weitergeben zu können. Im besten Fall eine Quelle der Inspiration zu sein.

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g
        tion: zv
Illustra

                                                                                                Landesmuseum Zürich
                                                                                            Dauerausstellung
                                                                                          «Geschichte Schweiz»
                                                                                     Die neue Ausstellung zur Schweizer Geschichte
                                                                                     beschreibt auf 1000 m2 das Werden der Schweiz
                                                                                     über einen Zeitraum von 550 Jahren – beginnend
                                                                                     am Ende des Mittel­alters, über die Neuzeit hinweg
                                                                                     bis hin zu den demokratischen Institutionen, he­
                   Wahlanleitung der Bundeskanzlei                                   rausgefordert von der globalisierten Gegenwart.
                   Vom Kumulieren und                                                Eine demokratische Gesellschaft braucht neben Staats­
                                                                                     bürgerschaft, Wahlrecht und Gewaltentrennung eine in­
                   Panaschieren                                                      tegrative Gemeinschaft. Hierzu gehören die Teilhabe an
                   2019 ist ein ideales Jahr, um das Thema Wahlen zu be­             nationalen Institutionen und die Identifikation mit gemein­
                   handeln: Am 20. Oktober finden Nationalratswahlen statt,          samen Symbolen. Das historische Werden dieser Institutio­
                   in den meisten Kantonen auch Ständeratswahlen. Über               nen und der Gebrauch solcher Symbole bildet den roten
                   fünf Millionen Wahlberechtigte werden kurz vorher die             Faden der neuen Dauerausstellung «Geschichte Schweiz».
                   offizielle Wahlanleitung erhalten: Auf einfache Art zeigt
                   ­                                                                 Lokale, sprachregionale oder grenzüberschreitende Puzzle­
                   sie auf, was Streichen, Kumulieren und Panaschieren be­           teilchen zeigen das Zusammenspiel auf und machen den
                   deuten. Mit wenigen Worten beschreibt sie das Zwei­               Entstehungsprozess der Alten Eidgenossenschaft zum
                   kammersystem des Parlaments sowie das Majorz- und                 modernen Bundesstaat ersichtlich. Die neue Daueraus­
                   Proporzverfahren. Sie erklärt, weshalb sich Parteien zu           stellung «Geschichte Schweiz» inszeniert diesen Weg auf
                   Listenverbindungen zusammenschliessen und was Frak­               einem Rundgang vom 15. ins 21. Jahrhundert. Der Gang
                   tionen sind. Im Anhang der 24-seitigen Broschüre stellen          durch die Jahrhunderte ver­mittelt den historischen Kon­
                   sich die im Nationalrat vertretenen Parteien kurz vor. Das        text regionaler Strömungen und interna­tionaler Einflüsse
                   Wahlportal www.ch.ch/wahlen2019 dient zur Vertiefung              rund um aus­gewählte Exponate: Dabei zeigen einzigartige
                   und informiert über die kantonalen Besonderheiten und             Manuskripte sowie bedeutende Objekte wichtige soziale
                   Bestimmungen. Das Video «Wie wählen?» fasst das Wich­             und wirtschaftliche Rück- und Fortschritte der Schweiz
                   tigste in drei Minuten zusammen. Die Wahlanleitung gibt           auf. Die Ausstellung verdeutlicht das Werden der Schweiz
                   es auf Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoroma­            an diversen Dreh- und Wendepunkten.
                   nisch und kann gratis bestellt werden unter www.bundes­
                   publikationen.admin.ch (Bestell-Nr. 104.025).                     www.landesmuseum.ch

                                                                                                                                                   Foto: Schweizerisches Nationalmuseum
                   Notice explicative de la Chancellerie fédérale

                   Cumul et panachage
                   L’année 2019 est idéale pour aborder le sujet des élec­
                   tions, puisque c’est le 20 octobre qu’auront lieu les élec­
                   tions au Conseil national et, dans la plupart des cantons,
                   celles au Conseil des Etats. Plus de 5 millions de votants et
                   votantes auront reçu le guide officiel de l’électeur qui traite
                   de manière concise, en 24 pages, différents sujets comme
                   la façon de biffer, de cumuler et de panacher, le système
                   bicaméral de notre Parlement, ou encore les scrutins pro­
                   portionnel et majoritaire. La brochure explique aussi pour­
                   quoi les partis procèdent à des apparentements de listes
                   et quel est le rôle des groupes parlementaires. Elle com­
                   prend enfin, en annexe, une brève description des partis
                   représentés au Conseil national. Pour en savoir plus, no­
                   tamment sur les prescriptions et spécificités cantonales,
                   il suffit de consulter le portail www.ch.ch/Elections2019.
                   La vidéo consacrée aux élections résume l’essentiel en
                   trois minutes. Disponible en français, allemand, italien et
                   romanche, le guide de l’électeur peut être commandé gra­
                   tuitement sur le site www.publicationsfédérales.admin.ch          Beute aus dem Schwabenkrieg, Fahnenblatt, um 1490.
                   (no de commande 104.025).                                         Seidentaffet, bemalt

                   8                                                                                                              EDUCATION 3.19
EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Magazin | Magazine

                                           Musée national de Zurich
         Exposition permanente « Histoire de la Suisse »
Sur une surface de 1000 m2, la

                                                                                                                                         Photo : Musée national suisse
nouvelle exposition sur l’His­
toire de la Suisse décrit une
­période qui s’étend sur 550 ans
 et qui va de la fin du Moyen Age
 jusqu’au présent, avec les défis
 de la mondialisation auxquels
 sont confrontées les institu­
 tions démocratiques, en pas­
 sant par l’époque moderne.
 Outre la citoyenneté, le droit de vote
 et la séparation des pouvoirs, une
 société démocratique a besoin d’une
 communauté intégrée qui participe         Les Suisses illustres, peinture, vers 1829, Jean-Elie Dautun, Lausanne. Huile sur toile
 à la vie des institutions nationales et
 s’identifie à des symboles communs.
 L’Histoire de ces institutions et          Confédération. La nouvelle exposi­            manuscrits originaux et des objets
 l’usage de ces symboles sont les fils      tion permanente « Histoire de la              représentatifs témoignent des reculs
 directeurs de cette nouvelle exposi­       Suisse » retrace cette évolution du           et progrès significatifs de la Suisse
 tion permanente intitulée « Histoire       XVe au XXIe siècle. Ce parcours à             en matière économique et sociale.
 de la Suisse ». Celle-ci met en évi­      travers les siècles nous fait décou­           L’exposition illustre le devenir de la
 dence les interactions entre les          vrir le contexte historique de cou­            Suisse sur la base de divers événe­
 ­différentes appartenances et montre      rants régionaux et d’influences                ments et dates charnières.
  le processus de création de l’Etat       ­internationales à travers des pièces
  fédéral moderne depuis l’ancienne         d’exposition sélectionnées : des              www.nationalmuseum.ch/f/

                                       Alpines Museum der Schweiz
       «Der Stadt zuhören» – Workshop zur Ausstellung
                «Echo. Der Berg ruft zurück»
Das Naturphänomen Echo faszi­               punkten von Bern, die Stadt hört              Workshop «Der Stadt zu­hören»,
niert von jeher. Dennoch ist der            sich aber auch andernorts ausser­             90 Minuten, 160 CHF pro Klasse,
Klangraum Alpen weniger ver­                ordentlich an. Auf einem Spazier­             6. Klasse, Sekundarstufe I und II,
traut als die Bergwelt, die wir             gang vertieft sich Ihre Klasse in den         Gymnasium, Berufsschule.
mit den Augen wahrnehmen.                   Eigenklang der Stadt, lässt akustisch
Das Herzstück der neuen Höraus­             interessante Räume schwingen und              www.alpinesmuseum.ch/schulen
stellung «Echo. Der Berg ruft zurück»       dis­kutiert gemeinsam, wie hörens­
(seit 25. Mai 2019) sind sieben Stadt-      wert Bern ist. Unterwegs lernen oder
                                                                                                                                         Foto: Elias Zaugg

und Bergechos aus verschiedenen             repetieren Ihre Schülerinnen und
Landesteilen, die als dreidimensio­         Schüler die Grundlagen zur Physik
nales Hörerlebnis in der Ausstellung        des Schalls, erproben das Gelernte
erfahrbar werden. Zudem gibt die            in städtischen Klangräumen und
Ausstellung im Raum «Biwak» einen           suchen einen Stadtteil nach hörens­
Einblick in die Kulturgeschichte des        werten Klängen ab. Der Spaziergang
Naturphänomens und dessen Ein­              endet im Alpinen Museum der
satz im Tierreich und in der Technik.       Schweiz, wo sich Ihre Klasse, neben
                                            anderen Echoaufnahmen, Julian
Workshop für Schulklassen:                 ­Sartorius’ Lorraine­echo-Komposition
«Der Stadt zuhören»                         anhört. Besonders interessant ist
Das Echo unter der Lorrainebrücke           der Workshop «Der Stadt zuhören»              Aufnahme mit dem Kunstkopfmikrofon
gehört zu den akustischen Höhe­             für Klassen der Physik und der Musik.         unter der Lorraine­brücke

EDUCATION 3.19                                                                                                                       9
EDUCATION 3.19 Glück Bonheur - Kanton Bern
Thema | Dossier

                                                               Glück

    Glück hat damit zu tun,
      wie man sein Leben
             führt

                                                    Martin Werder
            Illustrationen: Die Redaktion dankt den Schülerinnen, den Schülern und den Lehrpersonen der
    HeilpädagogischenSchule (HPS) der Region Thun herzlich für ihre Zeichnungen und Beiträge für diese Ausgabe.

               Kaum ein Thema hat die Menschen so beschäftigt wie das Streben nach Glück.
       Der Begriff steht meist nicht alleine, sondern wird oft an das Erreichen von Erfolg, Reichtum,
       Macht oder Liebe gekoppelt. Glück lässt sich jedoch nicht fassen und trotz allen Bestrebungen
        nicht in materiellen Gütern anlegen. Kinder haben eine andere Perspektive. Sie zeigen uns,
                     dass das Glück auch in den kleinen Freuden des Alltags liegen kann.

Was würden wir mit einem Klumpen Gold tun? Würde                        Wer nichts hat, woran er sich bindet, der ist frei.
unser Leben dadurch glücklicher? Das Märchen vom                  Es ist der Traum der völligen Ungebundenheit und eines
Hans im Glück1 schildert das Leben eines Menschen, der            besitzlosen unbeschwerten Daseins. Hans im Glück ist
von einem Hochgefühl zum nächsten taumelt. Mit einem              die Geschichte einer Figur, die sich nach Herzenslust und
Klumpen Gold verabschiedet er sich von seinem Herrn               unbeschwert Wünsche erfüllt.
und tauscht sein Vermögen bei der nächstbesten Ge­                      Aber das Märchen beschreibt auch die Geschichte
legenheit gegen ein Pferd ein. Als das Pferd ihn abwirft,         eines Ausstiegs. Diesen Traum, alles hinter sich zu lassen,
tauscht er dieses gegen eine Kuh ein. Mit jedem Handel            haben schon viele geträumt.
erhöht sich sein Glück, weil er damit seine unmittelbaren
Bedürfnisse befriedigen kann. «So glücklich wie ich, gibt         Flüchtigkeit des Glücks
es keinen unter der Sonne!», ruft Hans, obschon er am             Wie wollen wir unser Leben ordnen, damit wir glücklich
Ende ohne Besitz dasteht.                                         werden? Auch wenn wir nicht jedem Glücksmoment nach­
                                                                  jagen, ist Glück eine Art Grundprinzip, nach dem wir han­
                                                                  deln und unser Leben gestalten. Der Begriff bezeichnet
1    Grimm, Jakob, Grimm, Wilhelm (2001):                         sowohl eine günstige Fügung des Schicksals als auch
     Ausgewählte Kinder- und Hausmärchen. Stuttgart.              einen Zustand des Wohlbefindens und der Lebenszufrie­
2    Pieper, Annemarie (2001):
     Glückssache. Die Kunst gut zu leben. Hamburg, S. 17.         denheit. «Glück ist der grösste gemeinsame Nenner der
3    Ebenda, S. 28.                                               Menschheit, es besteht kein Zweifel daran, dass alle Men­
4    Ebenda, S. 31.                                               schen nach Glück streben», schreibt die Philosophin An­
5    Nietzsche, Friedrich (1980): Sämtliche Werke,
                                                                  nemarie Pieper.2 Jeder Mensch habe «ein Glückskon­
     Bd. 3. Kritische Studienausgabe. Berlin, S. 648.
6    Camus, Albert (1972): Tagebücher 1935–1959. Tagebuch 1.      zept», an dem er sich orientiert, um «die Vorstellung eines
     Reinbek, S. 13.                                              guten Lebens» zu verwirklichen.3 Oft verbinden wir Glück

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Thema | Dossier

mit einem Lebensziel, zum Beispiel mit Erfolg, Reichtum,      Innere Einheit mit der Natur und der Welt
Macht, Gesundheit oder Liebe.                                 Die Unfassbarkeit des Glücks hat auch Dichter und Schrift­
      Dies steht allerdings im Widerspruch zur Flüchtig­      stellerinnen gefangen genommen. Friedrich Nietzsche hat
keit des Glücks. Wir können Glück noch so stark herbei­       trotz vielen skeptischen Weltsichten das Sinnliche ver­
sehnen, aber wir schaffen es nicht, es herbeizuzwingen.       herrlicht und in Gedichten und Liedern besungen. Bestes
Und wenn wir es besitzen, entschwindet es wieder. Viel­       Zeugnis davon sind seine Venedig-Gedichte.5 Es ist ein
leicht suchen wir das Einzigartige, eine Intensität des Er­   ästhetisches Glück, das er in der gebrochenen Schönheit
lebens oder eine Harmonie mit der Natur – euphorische         der Lagunenstadt einzufangen versucht:
Augenblicke, die wir bewahren möchten, aber die sich
sogleich wieder verflüchtigen. Wie jenes unwiederholbare           Mein Glück
Gipfelerlebnis auf einer Bergspitze, die kreisenden Dohlen         Die Tauben von San Marco seh ich wieder:
über uns, an das wir uns immer wieder zurückerinnern.              Still ist der Platz, Vormittag ruht darauf.
      Weil das Glück so wenig fassbar ist, versuchen wir,          In sanfter Kühle schick’ ich müssig Lieder
es in materiellen Gütern zu bewahren. Glück wird dadurch           Gleich Taubenschwärmen in das Blau hinauf –
in einer ökonomischen Grösse sichtbar, in Wohlstand und               Und locke sie zurück,
Geldwert, aber oft geht damit sinnliche Qualität verloren.         Noch einen Reim zu hängen ins Gefieder
Die Jacht an der Côte d’Azur und das Ferienhaus in den                – mein Glück! Mein Glück!
Bergen erhöhen zwar unseren Erlebnisspielraum, aber sie
erhalten auf die Dauer nicht unser Glückserleben. Wir         Wie Venedig für Nietzsche fand Albert Camus das Glück
kompensieren damit eine Eigenschaft, die das Glück nicht      in der Begegnung mit der römischen Ruinenstadt Tipasa
hat. «Glück ist seiner Natur nach unermesslich»4, schreibt    in der Nähe von Algier: «Im Frühling wohnen in Tipasa
die Basler Philosophin Pieper.                                die Götter», schrieb er in sein Tagebuch.6 Licht, Farben, ▶

EDUCATION 3.19                                                                                                       11
Thema | Dossier

Düfte, Wind und Wellenschlag des Meeres haben eine                Die kleinen Lichter des Alltags
starke Wirkung auf die Sinne des Menschen. Die Natur­             Aus pädagogisch-didaktischer Sicht ist es sinnvoll, immer
erfahrung und sein eigenes Glück spiegeln sich in Camus’          die Vorstellungswelt der Kinder im Blickfeld zu behalten.
Werk wider. Er durchstreift die Küstenlandschaft, schwimmt,       Die Frage nach dem glücklichen Leben eignet sich sehr
spürt die lastende Hitze und fühlt – wie er sagt – die «Um­       gut, um sie mit Kindern zu diskutieren. Kinder haben einen
armung von Meer und Erde». Die Natur vermittelt Ganz­             erfrischend unbelasteten Zugang zur Philosophie. Ein Ge­
heit, Aufgehobensein und Einssein mit den Elementen.              spräch dazu fördert Kinder darin, sich die Welt denkend
                                                                  zu erobern und sich darin zu orientieren. Gefragt, was
Die Vision vom guten Leben                                        sie unter Glück verstehen, beschreiben die Schülerinnen
Wir möchten das Leben geniessen, gleichzeitig wissen              und Schüler der Heilpädagogischen Schule der Region
wir, wie vergänglich sinnliches Erleben ist. Als Menschen         Thun unmittelbare Erlebnisse (Lesen Sie den Artikel S. 15).
sehen wir uns daher einem dauernden Dilemma ausge­                Glücklich ist die 11-jährige Alina, wenn sie eine Bratwurst
setzt: Einerseits erfreuen wir uns an den sinnlichen Ge­          grillieren darf, oder die 12-jährige Sophie, wenn sie ein
nüssen des Lebens, auf der anderen Seite zieht es uns             Gipfeli im Coop kauft und dieses dann isst. Björn erfährt
auch zu geistigen Werten hin. In seiner Nikomachischen            Glück, wenn er mit seinem Lehrer malen kann.
Ethik warnt Aristoteles davor, unser Leben nicht allein                   In den Augen der Kinder sind es die kleinen Lichter
auf das individuelle Glücksempfinden auszurichten. Das            des Alltags, die Glücksgefühle auslösen. Alltägliches er­
höchste Gut für den Menschen sei «eine betrachtende               hält aus dem Blickwinkel der Achtsamkeit einen anderen
Lebensführung», die durch Vernunft und geistige Be­
­                                                                 Stellenwert. Wir Erwachsene tendieren dazu, nach den
tätigung geleitet sei.7 Dies ist primär ein Weg, der nach         hohen geistigen und materiellen Zielen im Leben zu stre­
innen führt. Die Vernunft vermittelt dem Menschen ein             ben, aber vergessen, im Hier und Jetzt zu leben. Vielleicht
Wissen, wie er mit der eigenen Befindlichkeit umgehen             sind wir zu sehr in den Annehmlichkeiten unseres Wohl­
soll. Aristoteles stellt in seiner Ethik das klassische Ideal     stands gefangen, als dass wir die kleinen Glücksmomente
vor, dass jeder Mensch sich seinen Anlagen entsprechend           zu schätzen wissen. Nietzsche meinte dazu:
entwickeln und in einer guten Lebensführung verwirkli­
chen soll.                                                              «Das Wenigste gerade, das Leiseste, Leichteste,
       Innere Glücksmomente erfahren wir dann, wenn wir                 einer Eidechse Rascheln, ein Hauch,
in einen Flow des geistigen Schaffens, des Produzierens                 ein Husch, ein Augen-Blick — Wenig macht
geraten. Wir stellen ein Produkt her, verfassen einen Text,             die Art des besten Glücks.»8
komponieren ein Musikstück oder vergessen uns in einer
Tätigkeit, die unsere Leidenschaft entfacht. Leider sind          Der eingangs erwähnte Klumpen Gold erfüllt uns zwar
diese Augenblicke viel zu flüchtig. Das Wort Glück hat            mit einem kurzlebigen Glücksgefühl. Ob wir jedoch glück­
wohl deswegen keinen Plural.                                      lich sind, hängt weniger davon ab, wie wir uns jetzt ge­
                                                                  rade fühlen. Es hat vielmehr damit zu tun, wie man sein
                                                                  Leben führt. Dies hiesse auch, gute Beziehungen zu pfle­
7    Aristoteles (2016). Nikomachische Ethik. Berlin, S. 58.
                                                                  gen und in ein funktionierendes soziales Netz eingebettet
8    Nietzsche, Friedrich (1969): Nietzsche Werke.
     Kritische Gesamtausgabe, Bd. IV. Also sprach Zarathustra.    zu sein. Glück können wir auch erfahren, wenn wir andern
     Berlin, S. 314.                                              einen Dienst erweisen und ihr Glück fördern.

Synthèse « Le bonheur, un facteur             Chacun a sa propre conception du        riels. Nous souhaitons profiter de
essentiel dans une vie » Comment              bonheur, sur laquelle il se fonde       la vie, tout en sachant à quel point
vivre sa vie pour être heureux ?              pour concrétiser sa vision d’une vie    les expériences sensorielles sont
Même si nous ne cherchons pas à               de qualité. Souvent, nous associons     fugaces. Nous sommes donc
tout prix à être heureux, le bonheur          le bonheur à un objectif de vie, par    confrontés à un dilemme perpétuel.
est une sorte de principe fondamen­           exemple le succès, la richesse, le      Nous nous réjouissons des choses
tal qui dicte nos actes et notre vie.         pouvoir, la santé ou l’amour. Cela      terrestres, tout en aspirant à des
Ce terme désigne à la fois un coup            va toutefois à l’encontre du carac­     valeurs spirituelles. Mais ce sont les
du sort favorable et un état de bien-         tère éphémère du bonheur. Même          petits bonheurs du quotidien qui
être et de satisfaction générale.             si nous désirons de tout cœur être      font briller les yeux des enfants.
La philosophe Annemarie Pieper                heureux, nous ne parvenons pas à        La question d’une vie heureuse se
écrit que le bonheur est le plus              atteindre cet état par la force.        prête très bien à des discussions avec
grand dénominateur commun de                  Comme le bonheur est tellement          les enfants. En effet, ces derniers
l’humanité : il ne fait aucun doute           insaisissable, nous essayons de le      ont une approche rafraîchissante et
que tout un chacun le recherche.              conserver au travers de biens maté­     naturelle de la philosophie.

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                                                        Glück

    Wenn ein Traktor, eine Bratwurst
        oder ein Gipfeli Kinder
           glücklich machen
                                                     Esther Diener

Eine Wurst über dem Feuer zu grillieren, das war              erste dauert bis zur Morgenpause, der zweite bis zum ge­
für die 11-jährige Alina ein glücklicher Moment.              meinsamen Mittagessen und der dritte bis Schulschluss
Den 16-jährigen Flurin macht es hingegen glück­               um 15.30 Uhr», erklärt der Heilpädagoge Paul Schmutz.
lich, dass ein Mitschüler weg ist, den er nicht so                   Das Fächerangebot orientiert sich am Lehrplan 21,
gernhat. In der Heilpädagogischen Schule (HPS)                ist jedoch den besonderen Bedürfnissen der Schülerinnen
der Region Thun ist Glück so vielfältig wie die über          und Schüler angepasst. «Wir halten uns an die Grundideen,
100 Schülerinnen und Schüler.                                 jedoch auf einem anderen Niveau», verdeutlicht Paul
«Jaaaah», entfährt es dem 10-jährigen Joël. Er reckt seine    Schmutz. Das heisst zum Beispiel: Französisch gibt es an
Arme in die Höhe und zeigt, wie glücklich er sich fühlt.      der HPS der Region Thun schon. Nur nehmen die Schüle­
Glück, das heisst für ihn, mit dem Mami ins Flugzeug zu       rinnen und Schüler nicht lektionenweise ein Französisch-
steigen und ans Meer zu fliegen. Sein Mitschüler Marlon       Lehrbuch durch. Sondern sie lernen vor dem Klassenlager
bleibt am Boden, während Joël von seinen Plänen erzählt.      in der Romandie jene Wörter und Sätze, die sie dann dort
Denn Marlon möchte lieber viel Geld. Damit will er einen      brauchen können.
Traktor kaufen. Sein Glück sieht er im Traktorfahren.                In dieser Schule ist die 11-jährige Alina glücklich.
Wohin? «Egal, einfach herumfahren», sagt er.                  Und ganz besonders glücklich war sie, als sie eine Brat­
      Joël und Marlon besuchen die Heilpädagogische           wurst über dem Feuer grillierte. Alina nimmt ein Blatt her­
Schule der Region Thun, eine Tagesschule für Kinder und       vor, wo sie all ihr Glück festgehalten hat. Es ist voll mit
Jugendliche mit einer geistigen oder mehrfachen Beein­        Bildern. Auch ein grosser, schwarzer Hund ist darauf.
trächtigung. Zusammen mit einigen Mitschülerinnen und                Alinas Lehrerin, Franziska Leichtnam, lächelt. Denn
Mitschülern erzählen sie, was Glück für sie bedeutet.         auch für sie bedeutet Glück, Augenblicke zu geniessen,
      Kurz zuvor, pünktlich zum Schulbeginn um 8.45 Uhr,      «Momente im Alltag zu erhaschen, die wie Sternschnup­
ist wie jeden Morgen eine Flotte von Kleinbussen beim         pen an einem vorbeirasen», sagt sie. Etwa jenen Moment
Holzbau der HPS in Steffisburg vorgefahren. Ein grosser       an einem düsteren und wolkenreichen Tag, wenn plötzlich
Teil der 110 Schülerinnen und Schüler wird mit dem Fahr­      die Sonne kurz hervorblickt und alles in ein goldenes Licht
dienst von zu Hause abgeholt. Bis nach Belp, Guggis­          taucht.
berg, Gerzensee und Konolfingen sammeln die Fahrerin­                Glück kann aber auch etwas ganz anderes sein:
nen und Fahrer jeden Morgen die Kinder ein.                   Nämlich dass etwas fehlt, was einen unglücklich macht.
      Für den 15-jährigen Erik aus der Abschlussklasse ist    So geht es derzeit Flurin, 16-jährig. «Ich bin glücklich,
genau das Glück: jeden Morgen mit dem Bus zur Schule          weil ein Schüler weg ist, den ich nicht mag», gibt er, ohne
zu fahren, dort anzukommen, dort den Tag zu verbringen.       zu zögern, zu. Der missliebige Schulkollege ist beim
Erik ist dann stundenlang glücklich: Denn Erik hat kein       Schnuppern für eine Lehrstelle und verhilft damit Flurin
Lieblingsfach. Er mag alles Mögliche. Auch seine Mit­         eine ganze Woche lang zu Glücksgefühlen. Flurin ist
schüler hat er alle gern. «Natürlich nicht immer», fügt er    auch fest entschlossen, seine Glückssträhne fortzuset­
hinzu, aber wenn ihn jemand einmal aufrege, sei es auch       zen: Fürs Wochenende will er Freunde einladen, solche,
schnell wieder gut. Gibt es denn gar nichts, was ihn un­      die er mag.
glücklich macht? «Eigentlich nicht», sagt er. Er sei so              Drei andere Kinder sehen ihr grosses Glück in der
glücklich, dass er gar keinen Wunsch offen habe, stellt       Ferne: Elisa fliegt mit ihrem Vater nach Kanada. Fabian
Erik nach kurzem Überlegen ruhig fest.                        träumt davon, mit den Eltern einmal nach Schweden zu
      In der HPS der Region Thun gehen Kinder und Ju­         reisen. Und die 12-jährige Sophie darf nach Amerika zu
gendliche im Alter von 4 bis 18 Jahren zur Schule. Sie        den Grosseltern. Gleichzeitig bedeutet ihr Glück aber
sind in fünf Stufen eingeteilt: von der Eingangsstufe über    auch, in Steffisburg ins Coop zu gehen, ein Gipfeli zu kau­
die Basis- und die Mittelstufe bis zur Ober- und zur Ab­      fen und es dann zu essen.
schlussstufe.                                                        «Unterwegs zu sein, etwa auf einer Wanderung oder
      30 bis 40 Lehrpersonen unterrichten in den 16 Klas­     auf einer Skitour, und zu merken, dass ich nur gerade an
sen. In Steffisburg gibt es keine Kurzlektionen zu 45 Minu­   das denke, was jetzt ist und an nichts anderes»: Das be­
ten wie in einer Regelschule. «Wir haben drei Blöcke. Der     deutet auch für den HPS-Lehrer Paul Schmutz Glück.          ▶

EDUCATION 3.19                                                                                                        15
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        Dass hingegen für den 18-jährigen Darko aus der           Synthèse Les enfants parlent du bonheur Pour Joël,
Abschlussklasse ganz anderes Priorität hat, ist verständ­         10 ans, le bonheur c’est de monter dans l’avion avec sa
lich: Er hat nämlich eine Lehrstelle gefunden. Zu diesem          maman pour se rendre à la mer. Son camarade Marlon
Glück kam noch ein weiteres dazu: Er musste nicht lange           aimerait plutôt avoir beaucoup d’argent pour acheter
­suchen. Und noch schöner: Die Schwester, der Vater und           un tracteur. Joël et Marlon fréquentent l’école spéciali­
 die Mutter haben ihm geholfen.                                   sée de la région de Thoune, une école à journée continue
        Die Berufswahl, die für Darko so glücklich verlaufen      destinée aux enfants, adolescents et adolescentes
 ist, stellt viele Schülerinnen und Schüler in der HPS vor        qui souffrent d’un handicap mental ou de troubles
 eine grosse Hürde in ihrer Schulkarriere.                        ­multiples. Dans cet établissement, le bonheur est aussi
        Doch eine Lehrstelle ist auch nicht für alle Jugend-       divers que la centaine d’élèves qui y sont scolarisés.
 lichen aus der HPS-Abschlussklasse das vorrangige                 Alina, 11 ans, est heureuse lorsqu’elle grille des saucisses
 Glück. Der 15-jährige Björn muss zum Beispiel etwas län­          sur un feu. Elle n’est donc pas si différente de son ensei­
 ger da­rüber nachdenken, was ihn glücklich macht. Plötz­          gnante, Franziska Leichtnam, pour qui le bonheur c’est
 lich kommt es ihm in den Sinn. Er lächelt und klopft sei­         de profiter des instants vécus, « de saisir au quotidien des
 nem Lehrer Reto Käser auf die Schultern. «Er macht mich           moments qui passent aussi vite que des étoiles filantes ».
 glücklich», sagt er. «Ich darf so viel malen bei ihm.»            Certains enfants souhaitent avant tout voyager. Pour les
        Ganz ähnlich wie bei Björn fühlt sich Glück auch bei       élèves plus âgés, le bonheur c’est souvent d’avoir trouvé
 seinem Lehrer an: «Ein positives Gefühl, eine Situation,          une place d’apprentissage. Cependant, il peut avoir une
 die mir gefällt, das ist für mich Glück», sagt er und erklärt:    tout autre facette : l’absence de quelque chose qui ren­
 «Glücklichsein ist ähnlich wie Müdesein: Es ist ein Gefühl,       dait triste. Il en est ainsi pour Flurin, 16 ans. « Je suis
 das kommt und geht und das jeden Tag mal da ist.» Doch            heureux parce qu’un élève que je n’aime pas est absent »,
 man müsse dieses Gefühl halt auch immer wieder hervor­            explique-t-il sans hésiter. Cet élève mal aimé est en
 holen, sonst spüre man es mit der Zeit nicht mehr.                train d’effectuer un stage d’information professionnelle
                                                                   en vue d’une place d’apprentissage, contribuant ainsi
                                                                   au bonheur de Flurin pendant toute une semaine.

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                                                       Glück

                   Die Parameter des Glücks
                                      Interview mit Maike van den Boom: Iris Frey

Maike van den Boom reiste um             bis sich das Gehirn an den neuen

                                                                                                                               Foto: www.eviaphotos.com
den Globus auf der Suche nach            Benchmark gewöhnt hat. Dann braucht
dem Geheimnis der 13 glück­              es neue bzw. noch mehr «Nahrung»,
lichsten Länder der Welt und             um dasselbe Glücksgefühl zu erleben.
schrieb ein Buch darüber.                Geld kann aber sehr wohl glücklich
EDUCATION im Gespräch mit                machen, wenn man es verschenkt –
der Bestsellerautorin.                   oder indem man es für lang anhal­
                                         tende Erfahrungen einsetzt, mit den
Maike van den Boom, auf der Reise        Liebsten etwas unternimmt oder Rei­
durch die 13 glücklichsten Länder        sen macht oder es in etwas Sinnvol­
der Welt, über die Sie ein Buch          les für andere Menschen investiert.
geschrieben haben, waren Sie auch           Aber ein Minimum an Geld zu
in der Schweiz: Wie glücklich sind       haben, schadet auch nicht …
die Schweizerinnen und Schweizer?           … etwas zu essen, ein Dach über
    Die Schweiz mischt auch in diesem    dem Kopf – eine materielle Basis                    Maike van den Boom ist eine
Jahr ganz vorne mit im Glücksranking:    braucht jeder Mensch. Diese Ansprü­              deutsch-niederländische Autorin
                                                                                            und Rednerin. 2013 bereiste sie
Laut dem World-Happiness-Report          che sind aber sehr unterschiedlich: In             die 13 glücklichsten Länder der
2019, der am 20. März erschienen ist,    den Slums von Costa Rica habe ich                Welt. Sie sprach vor Ort mit Wis­
ist sie die sechstglücklichste Nation    eine alleinerziehende Frau getroffen,              senschaftlern, Journalistinnen
der Welt, nach Finnland, Dänemark,       die mit ihren fünf Kindern in einer                und Menschen auf der Strasse.
                                                                                              Warum sind diese Menschen
Norwegen, Island, den Niederlanden       Wellblechhütte am Strassenrand lebt,                so glücklich? Und was können
und vor Schweden.                        wo ohne Unterbruch 20-­Tonner vor­                 wir von ihnen lernen? Ihr Buch
     Weshalb sind wir glücklicher        beibrausen. «Wir haben zwar kein                «Wo geht’s denn hier zum Glück?»
                                                                                              wurde 2015 ein Bestseller. Ihr
als andere Menschen?                     Geld», sagte sie zu mir, «dafür haben
                                                                                               neustes Buch «Acht Stunden
   Am Geld, das in der Schweiz ohne      wir unsere Liebe.» Das mag kitschig-              mehr Glück» (2018) entführt uns
Frage vorhanden ist, kann es nicht       süss tönen, aber diese Menschen                      in die glückliche Arbeitswelt
liegen, weil man ja weiss, dass Geld     denken wirklich so. Ein anderes Paar                 der skandinavischen Länder.
                                                                                          Im letzten Sommer ist Maike van
nur bis zu einem bestimmten Punkt        in den Bergen von Costa Rica er­                  den Boom mit ihrer 13-jährigen
glücklich macht. Wahrscheinlich hat      zählte mir: «Wenn unser Kühlschrank                 Tochter von Bonn nach Stock­
es mit der Art der Schweizerinnen        kaputt ist, dann reparieren wir ihn.                            holm umgezogen.
und Schweizer zu tun, die im Ver­        Wir stressen uns nicht damit, dass wir
gleich etwa zu den Deutschen zu­         einen anderen brauchen oder einen
rückhaltender sind, d. h. sich zurück­   teureren oder besseren. Wir stressen
nehmen können zum Wohle der              uns nicht damit, etwas besitzen zu
anderen. Dass die Schweiz stärker        müssen, weil wir die Liebe und Soli­
konsensorientiert ist als andere Län­    darität unter den Menschen haben.»
der, stärkt die Gemeinschaft, und           Bedeutet Glück nicht sowieso
eine gut funktionierende Gemein­         für jeden und jede etwas anderes?         lang anhaltenden Glück: Warum je­
schaft macht glücklich.                     Was die kleinen Glücksmomente          mand von sich sagen kann «ich bin
     Weshalb macht Geld «nur bis zu      betrifft – etwa den Geruch von frisch     ein glücklicher Mensch», auch wenn
einem gewissen Punkt» glücklich?         geschnittenem Gras oder einen an­         er ab und zu schlecht drauf ist. Dies­
   Geld und Besitz erlangen kann tat­    deren Geruch, der an etwas Schönes        bezüglich hat meine Reise durch die
sächlich Glückshormone auslösen.         erinnert – gibt es sicher Unterschiede.   glücklichsten Länder ergeben, dass
Allerdings wirken sie nur kurze Zeit,    Mein Interesse gilt jedoch mehr dem       die Parameter recht ähnlich sind und

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Thema | Dossier

damit zu tun haben, wie wir unser         worden. Wir schreiben morgen wei­           Was lernen Kinder und Jugendli­
Leben einrichten: Träume ich nur da­      ter» (Maike van den Boom lacht). In      che in dieser idealen Schule?
von, was ich tun und sein möchte,         skandinavischen Ländern steht die            Spass zu haben! Ganz im Ernst:
oder setze ich meine Träume auch          individuelle Förderung der Schülerin­    Wenn Kinder unter Druck und Stress
um? Traue ich mich zu tun, was mir        nen und Schüler klar im Vordergrund.     leiden, verengt sich ihr kognitiver
wichtig ist? Lebe ich in einer guten      Die Kinder müssen nicht alle zum         Rahmen. Wenn sie Spass haben,
Gemeinschaft? Und ist mir diese Ge­       gleichen Zeitpunkt dieselben Kom­        wenn ihr Gehirn von Dopamin über­
meinschaft wichtig? Ob in Australien,     petenzen erreichen. Sie sollen lernen,   flutet wird, öffnet er sich. Sie denken
in Mexiko oder in Island: In allen        den Mund aufzumachen und mitzu­          schneller, sehen und hören mehr,
­Ländern waren diese Glücksfaktoren       denken – dies sind Eigenschaften,        werden kreativer. Wer denkt, dass
 ähnlich.                                 die wir in der Zukunft brauchen. Und:    Kinder keinen Drive haben, wenn sie
   Braucht es für ein glückliches         Sie sollen lernen, sozial zu denken      Spass haben und glücklich sind,
Leben auch Achtsamkeit und die            und zu handeln.                          täuscht sich: Das Gegenteil ist der
Fähigkeit, im Moment zu leben?              Ein Heidelberger Lehrer erfand         Fall! Umgekehrt sollten Kinder und
    Das sind bedeutende Fähigkeiten,      das Fach Glück, das heute etwa           Jugendliche unbedingt auch lernen,
die die Menschen in allen «glückli­       in 40 deutschen und 140 österreichi­     mit Niederlagen umzugehen: weil sie
chen Ländern» viel besser beherr­         schen Schulen unterrichtet wird.         zum Leben gehören. Krisen sind meis­
schen als beispielsweise die Deut­        Was halten Sie davon?                    tens kein Unglücksfall, sondern ein
schen. Ständig unter Strom zu stehen          Wenn die Schülerinnen und Schü­      Glücksfall. Das merken wir oft erst,
und von einem Ereignis zum nächs­         ler lernen, was die Menschen glück­      wenn wir sie überstanden haben.
ten zu hetzen, verhindert, dass man       lich macht, und ihre Persönlichkeit         Wie glücklich sind Sie
zwischendurch innehalten und reflek­      gestärkt wird, finde ich das gut.        momentan, Maike van den Boom?
tieren kann. Es verhindert vor allem,     Glück als Schulfach zu unterrichten,       Der Umzug nach Stockholm war
dass man mit den Menschen zusam­          bringt aber nicht viel, wenn es eine     schon anstrengend. Und ich habe
men sein kann, die einem wichtig          Einzelmassnahme bleibt und an den        noch ein paar lose Enden, die es zu­
sind, und eine Gemeinschaft auf­          übrigen Strukturen nichts verändert      sammenzuknüpfen gilt …
bauen und leben kann. Im Moment           wird, beispielsweise der Druck auf          Wie schaffen Sie es, Ihr Wohl­
zu leben, beherrschen beispielsweise      die Kinder nicht verringert wird. Das    befinden zu steigern, wenn es Ihnen
die Menschen in Kanada viel besser.       ist etwa so, wie wenn ein deutsches      mal nicht so gut geht?
Du fährst durch Kanada, hältst an         Unternehmen anordnen würde, dass            Ich höre zum Beispiel Musik.
und fragst die Leute: «Hey, kann ich      man sich jetzt nach skandinavischem      Zudem tun mir dann das Zusammen­
mit dir über Glück reden?» Was ant­       Vorbild duzen solle, aber ansonsten      sein und der Austausch mit nahen
worten sie? «Klar, liebend gerne!»        an den Hierarchien nichts verändert.     Menschen besonders gut. Oder ich
Und ich glaube, dass ist die Bot­         Das macht die Mitarbeitenden nicht       versuche, an alles zu denken, was
schaft an die Deutschen: «Seid nicht      glücklicher, sondern frustriert nur      gut gelungen ist in meinem Leben.
so diszipliniert, lasst euch ein biss­    umso mehr.                               Dazu gibt es eine wunderbare Erfin­
chen mehr treiben, habt ein bisschen        Wie sieht für Sie eine Schule          dung: rote Ampeln! In Deutschland
mehr Flow.»                               aus, die möglichst viele Beteiligte      habe ich immer beim Warten auf
   Wie wichtig ist die Schule für         glücklich macht?                         Grün überlegt, was alles gut läuft in
ein glückliches Leben?                       Diese Schule nimmt die Kinder         meinem Leben, welche tollen Men­
    Die Schule war auf meinen Reisen      ernst und reduziert sie nicht darauf,    schen ich um mich habe, anstatt
in unzähligen Gesprächen ein zentra­      gute Noten zu produzieren. Die Lehr­     mich über das Rotlicht zu ärgern. In
les Thema. In den skandinavischen         personen in dieser Schule trauen         Schweden klappt das weniger gut,
Ländern, die auf der Liste der glück­     sich, die Kontrolle ein bisschen los­    weil hier Fussgänger meistens bei
lichsten Länder alle vorne rangieren,     zulassen, weil sie den Kindern und       Rot über die Strasse gehen.
habe ich gar den Eindruck gewon­          Jugendlichen vertrauen und ihnen            Möchten Sie den Berner Lehre­
nen, dass ihr Schulsystem die eigent­     zutrauen, dass sie sich entwickeln       rinnen und Lehrern punkto Glück
liche Basis für ihr Glück ist. Ein        wollen. In der idealen Schule gibt es    noch etwas mit auf den Weg geben?
Schulsystem, das sich dadurch aus­        erst spät Noten – oder gar nicht –          Lehrerinnen und Lehrer sind wahn­
zeichnet, dass der enorme Druck,          ebenso wie Selektion. Und es ­werden     sinnig wichtig für die Gesellschaft!
den ich aus Deutschland kenne, ein­       auch Kompetenzen und Fähigkeiten         Gleichzeitig sind sie total «unter­-
fach nicht da ist.                        wertgeschätzt, die nicht benotet wer­    wertgeschätzt» und unterbezahlt! Ich
    Seit letztem Sommer lebe ich mit      den können: beispielsweise, dass ein     wünsche allen Lehrpersonen, dass
meiner 13-jährigen Tochter Elisa in       Kind sehr hilfsbereit ist, begeiste­     sie es schaffen, jeden Tag aufs Neue
Schweden. Sie besucht eine normale        rungsfähig oder einfach total ver­       stolz zu sein auf die riesige Aufgabe,
schwedische Schule. Als ich sie kürz­     rückte Ideen hat – Fähigkeiten, die      die sie für die Gesellschaft erfüllen.
lich fragte, wie denn der Mathetest       für unsere Gesellschaft wertvoll sind
verlaufen sei, sagte sie: «Weiss nicht,   und in der Zukunft immer mehr ge­        www.maikevandenboom.de
Mami, wir sind nicht alle fertig ge­      braucht werden.                          > Höchst Persönlich

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