Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland

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Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland
Ein See für Seewen
oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann.

            Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein

                   Gabriel Müggler, Klasse 3BIL

                  Betreuer: Herr René Sollberger
Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland
Inhaltsverzeichnis
Abstract ................................................................................................................................................... 4
Vorwort ................................................................................................................................................... 5
Einleitung ................................................................................................................................................. 7
1. Ausgangslage ....................................................................................................................................... 8
   1.1 Seewen, der Handlungsort meiner Maturarbeit ........................................................................... 8
   1.2 Wertschöpfung Tourismus .......................................................................................................... 11
2. Geschichte des Seewener Sees ......................................................................................................... 12
3. Auslöser und Anreize für die Idee eines Sees.................................................................................... 15
4. Entwicklung und Verlauf in den Medien ........................................................................................... 17
5. Machbarkeit des Seewener Sees....................................................................................................... 19
   5.1 Form des Sees.............................................................................................................................. 20
   5.2 Verschiedene Seevarianten ......................................................................................................... 20
   5.3 Problematik eines Flachsees ....................................................................................................... 20
   5.4 Auffülldauer ................................................................................................................................. 22
6. Hindernisse und Probleme bei der Realisierung ............................................................................... 23
   6.1 Pachtverträge .............................................................................................................................. 24
   6.2 Anreize für die Pächter ................................................................................................................ 24
   6.3 Privatgrundstücke ....................................................................................................................... 25
   6.4 Gewässerschutzzonen ................................................................................................................. 25
   6.5 BLN-Gebiet .................................................................................................................................. 26
   6.6 Umzonung ................................................................................................................................... 26
   6.7 Finanzierung ................................................................................................................................ 27
7. Tourismuspotenzial ........................................................................................................................... 29
   7.1 Leitfrage....................................................................................................................................... 29
   7.2 Wahl der Methoden .................................................................................................................... 29
   7.3 Analyse des Tourismuspotenzials................................................................................................ 29
                 7.3.1 Inhalt der Analyse ....................................................................................................... 29
                 7.3.2 Vorgehen .................................................................................................................... 30
                 7.3.3 Probleme .................................................................................................................... 30
                 7.3.4 Das Angebot ............................................................................................................... 31
                 7.3.5 Die Nachfrage ............................................................................................................. 34
                 7.3.6 Die Konkurrenz ........................................................................................................... 34
                 7.3.7 Die Trends................................................................................................................... 34
   7.4 Vergleich zum Titisee................................................................................................................... 35
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Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland
7.4.1 Wahl der Vergleichsdestination und Vorgehen ......................................................... 35
                 7.4.2 Angebot und Nachfrage ............................................................................................. 35
                 7.4.3 Fazit ............................................................................................................................ 37
   7.5 Umfrage ....................................................................................................................................... 37
                 7.5.1 Ziel der Umfrage ......................................................................................................... 37
                 7.5.2 Vorgehen .................................................................................................................... 38
                 7.5.3 Inhalt........................................................................................................................... 39
                 7.5.4 Qualität der Umfrage ................................................................................................. 39
                 7.5.5 Resultat....................................................................................................................... 39
                 7.5.6 Fazit ............................................................................................................................ 41
   7.6 Gesamtbewertung des Tourismuspotenzials .............................................................................. 41
                 7.6.1 Schwächen .................................................................................................................. 41
                 7.6.2 Stärken........................................................................................................................ 41
                 7.6.3 Risiken ........................................................................................................................ 42
                 7.6.4 Chancen ...................................................................................................................... 42
                 7.6.5 Schlussfolgerung......................................................................................................... 43
Schlusswort ........................................................................................................................................... 44
Quellenverzeichnis ................................................................................................................................ 45
   Literaturverzeichnis ........................................................................................................................... 45
   Gespräche.......................................................................................................................................... 45
   Internetseiten .................................................................................................................................... 45
   Abbildungen ...................................................................................................................................... 46
Anhang .................................................................................................................................................. 47

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Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland
Abstract
Meine Maturarbeit hat den Seewener See zum Thema. Vor rund 13‘000 Jahren staute ein Felssturz
den Seebach. Es bildete sich ein See. Dieser hatte bis ins 16. Jahrhundert Bestand. 1588 wurde das
Wasser durch einen Stollen abgelassen. Die sehr tonhaltigen Sedimente verhindern bis heute einen
ertragreichen Anbau im Seeboden. Ein neuer See könnte daher das Gebiet nachhaltig und vielseitig
nutzbar machen. Eine Studie der Uni Basel konnte zeigen, dass der See nach nur 84 Tagen wieder
gefüllt wäre. Im Zusammenhang mit der Revitalisierung des Seewener Sees bestehen zahlreiche juris-
tische, finanzielle und technische Probleme. Deshalb ist es besonders wichtig auch den Nutzen des
Sees zu beschrieben. In meiner Arbeit dient der See dazu, den Tourismus in Seewen ins Rollen zu
bringen. Der Tourismus wiederum wird als Lösung gegen die schleichende Abwanderung und den
Niedergang des Dorfes beschrieben. Anhand einiger Beispiele erkläre ich die Wertschöpfung die
durch den Tourismus entsteht. Meine zentrale Fragestellung nimmt das Potenzial des Sees unter die
Lupe und versucht herauszufinden, ob der See ausreicht, um Seewen zu einem Tourismusort zu ma-
chen. Um das Potenzial zu analysieren untersuche ich Angebot, Nachfrage, Konkurrenz und Trends
für die Region Seewen. Ein ergänzender Vergleich zu einer touristisch erfolgreichen Seedestination
liefert weitere Erkenntnisse. Ein erstes Resultat ist die Feststellung, dass es in Seewen kein ausrei-
chendes Beherbergungsangebot gibt. Dies ist insofern problematisch, dass dann nur Tagesgäste
kommen, die weniger lange bleiben und weniger Geld ausgeben. Dieser Grund war Anlass für eine
Umfrage bei Pharma- und Finanzkonzernen, ob man am Seewener See in ein Hotel für die Geschäfts-
reisenden investieren wolle. Dieser Vorschlag traf aber fast überall auf Ablehnung .Insgesamt kam ich
zum Schluss, dass der Seewener See alleine nicht ausreicht, um in Seewen eine touristische Entwick-
lung zu starten. In Ergänzung mit anderen Angeboten jedoch steigt das Potenzial. Eine Weiterführung
der Überlegungen müsste sich trotzdem stärker am Tagestourismus orientieren, da es höchst un-
wahrscheinlich ist, dass Seewen mit einem grossen Übernachtungsangebot und internationalen Gäs-
ten in den Tourismussektor startet.

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Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland
Vorwort
Oft wurde ich in den letzten Wochen und Monaten gefragt, worüber ich denn eigentlich meine Ma-
turarbeit schreibe. Dann antwortete ich stets der Wahrheit getreu: „Ich schreibe über den Seewener
See“. „Worüber?“ An der fragenden Miene meines Gegenübers erkannte ich sofort, dass es wohl
noch einiger weiterer Erklärungen bedarf. Zuerst musste ich klarstellen, dass es sich beim Seewener
See nicht um ein Wortspiel handelte. Ich erzählte, dass irgendwo hinter sieben Bergen ein Dorf na-
mens Seewen existiert und dass dieses Dorf vor langer, langer Zeit einmal an einem See gelegen hat
und deshalb auch den Namen Seewen trägt. Wohlgemerkt: An einem See gelegen hat - und nicht - an
einem See liegt. Das Gewässer war nämlich bei den Bewohnern des Dorfes in Ungnade gefallen und
so schlossen sich die eifrigen Leute zusammen und es gelang ihnen mit vereinten Kräften und unter
grosser Anstrengung dem See den Garaus zu machen, ja sein Wasser durch ein künstliches Loch im
Felsen kurzerhand auslaufen zu lassen. Nun hörte man mir gebannt zu und so fuhr ich fort, dass der
See, auf dem gleichen Weg wie er verschwand, vielleicht schon bald wieder zurückkommen könnte.
Denn mit demselben Eifer wie die Leute von Seewen damals darüber nachdachten, wie sie den See
los werden könnten, studieren sie heute, wie man den See wieder im Dorf ansiedeln könnte. Meist
war mein Gegenüber dann zufriedengestellt, einige wollten aber auch erfahren, wie ich denn zu die-
sem Thema gefunden hätte.

Das ergab sich wie folgt: In meinem Küchenschrank war der selbstgemachte Himbeerlikör ausgegan-
gen und ich machte mich auf den Weg um Nachschub zu besorgen. Mit dem Fahrrad fuhr ich von
Bauernhof zu Bauernhof und fragte überall, wo ich das gesuchte finden könnte. Dabei kam ich immer
weiter von zu Hause weg und landete schliesslich in Seewen. Ich war nicht zum ersten Mal dort, aber
an jenem Tag fiel mir ganz besonders die weite, in die Länge gesteckte Ebene auf. Irgendwie passte
sie überhaupt nicht in die sonst so hügelige Landschaft. Als ich dann auf dem Heimweg an der Post-
autohaltestelle Seetalhöhe vorbeikam, begann ich zu stutzen. Da steckte ja schon wieder das Wort
See im Namen. Dank meinem Smartphone war das Problem dann mit wenigen Klicks gelöst und ich
fand heraus, dass es tatsächlich früher einen See in Seewen gegeben hatte und eine Vision besteht,
den See zu revitalisieren, also neu zu beleben. Schliesslich entschied ich mich, den Seewener See
auch zum Gegenstand dieser meiner Maturarbeit zu machen. In einem aktuellen und regionalen
Thema sah ich grosse Chancen und so wagte ich den Sprung ins kalte Wasser.

An dieser Stelle danke ich allen Personen, die sich für meine Ideen Zeit genommen haben und mir
mit ihrem Wissen und ihrer tatkräftigen Unterstützung bei meiner Arbeit geholfen haben. Mein Dank
geht zuerst an meine Betreuungsperson, Herrn René Sollberger. Nennen möchte ich an dieser Stelle
auch den Gemeindepräsident von Seewen, Herrn Philippe Weber, die Verantwortliche der Tourist-
Information Titisee, Frau Uta Kosin, und den Leiter des Amts für Raumplanung Solothurn, Herrn Rolf
Glünkin. Schliesslich geht mein Dank auch an meine Freundin, Sarah Georges, und an meine Eltern
und Geschwister, die mir immer wieder Motivation und neue Denkanstösse gegeben haben.

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Ein See für Seewen oder wie ein Tourismusprojekt ein Dorf verändern kann - Maturarbeit 2013, Gymnasium Münchenstein - Forum Schwarzbubenland
Ebene des Seebodens im Winter (Abbildung 1)

Anmerkung: Nur aus Gründen der Lesbarkeit findet bei den Bezeichnungen nicht die männliche und weibliche
Form Verwendung.

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Einleitung
Da ich persönlich mit einem See Freizeit, Ferien und Erholung, verbinde, war mir schnell klar, dass
auch meine Maturarbeit in Richtung Tourismus gehen sollte. Als ich zum ersten Mal von der Revitali-
sierung des Seewener Sees hörte, sah ich mich in Gedanken bereits über den See paddeln. Ich wollte
mit meiner Arbeit dazu beitragen, dass dieser See in der Bevölkerung grössere Bekanntheit erlangt.
Wie bei der Frage nach dem Huhn und dem Ei, überlegte ich mir, was wohl zuerst da sein muss: ein
See oder die Besucher. Kommen bereits regelmässig Touristen in eine Region, scheint sich auch ein
Seeprojekt eher zu lohen. Auf der anderen Seite könnte ein See zur treibenden Kraft werden, die den
Tourismus erst lanciert. Ich formulierte also meine Fragestellung wie folgt: Hat ein revitalisierter See
genügend Potential, um das Dorf Seewen zu einem Tourismusort zu machen?

Wozu braucht ein Dorf wie Seewen denn überhaupt Tourismus. Sollte man nicht lieber auf das
Sprichwort „Schuster bleib bei deinen Leisten“ hören und beim Altgewohnten bleiben? Nein, lautet
die Antwort. Im ersten Teil meiner Arbeit zeige ich, dass es genügend Umstände und Probleme in
Seewen gibt, die dringend nach einer Lösung suchen. Und der Tourismus ist eine solche Lösung.

Weiter scheint es mir nötig, ein wenig auf die Geschichte des Seewener Sees einzugehen und zu zei-
gen, wie der See entstanden ist und weshalb er heute nicht mehr existiert. Aber auch den Aspekt der
Revitalisierung will ich nicht ganz auslassen und so beschreibe ich zuerst, weshalb die Idee gerade in
letzter Zeit so aktuell war und wie man in der Öffentlichkeit darauf reagiert hat. Die Tatsache, dass
der See in nur 84 Tagen wieder hergestellt werden könnte ist mindestens so interessant wie die
Überlegung, wie der neue See einmal aussehen könnte1. Nachdem ich dann den See von verschiede-
nen Seiten beleuchtet habe, kehre ich zum Ausgangspunkt zurück und untersuche die Chancen See-
wens und des Sees für den Tourismus. Zur Analyse dieses Potenzials habe ich drei verschiedene Me-
thoden gewählt. In gewisser Weise bedingen und ergänzen sich alle drei. Als erstes habe ich unter-
sucht, welches Angebot und welche Nachfrage in Seewen zurzeit bestehen, welche Angebote mit
einem See neu dazukommen und welcher Konkurrenz diese ausgesetzt sind. Zur Bewertung des Po-
tenzials vergleiche ich die Stärken und Schwächen und schaue, welche Risiken und Chancen für den
Tourismus in Seewen bestehen. Eine zweite Methode vergleicht das Angebot Seewens mit jenem von
Titisee, einer erfolgreichen Destination mit einem See. Diese Methode dient einerseits als Inspirati-
onsquelle und erlaubt andererseits, die Resultate aus der ersten Analyse differenzierter zu beurtei-
len. Die dritte Methode rechtfertigt sich schliesslich damit, dass in den ersten beiden Schritten ein
grundlegender Mangel im Übernachtungsangebot Seewens festgestellt wurde und der gleichzeitigen
Erkenntnis, dass dies ein gravierendes Hindernis für die touristische Entwicklung darstellt. Daraus
entstanden ist eine Umfrage bei den internationalen Grosskonzernen aus der Finanz- und Pharma-
branche, ob nicht vielleicht ein Interesse besteht, für Geschäftsreisende und Firmenkunden ein Hotel
am Seewener See zu errichten. Die Resultate aller drei Methoden ermöglichten eine gute Bewertung
des touristischen Potenzials und somit die Beantwortung meiner Fragestellung.

1
    Frey/Gebhard, S.26
                                                                                               Seite | 7
1. Ausgangslage

1.1 Seewen, der Schauplatz meiner Maturarbeit
Zu Beginn erlaube ich mir eine Frage: Waren Sie schon einmal in Seewen? Kennen Sie das Dorf und
die Landschaft im Schwarzbubenland, am äussersten Rand des Kantons Solothurn? Bestimmt werden
Sie mir diese Frage nun mit ja beantworten. Trotzdem scheint es mir wichtig, dass Sie beim Lesen den
Handlungsort meiner Maturarbeit ganz präsent vor Augen haben, gerade so, als wären Sie jetzt dort.
Dann werden Sie viele Zusammenhänge besser verstehen und meine Folgerungen nachvollziehen
können. Kommen Sie also mit auf einen Spaziergang nach Seewen und tauchen Sie ein in die Frage:
Braucht Seewen einen See?

Unsere Reise beginnt in Grellingen. Hier steigen wir ins Postauto und fahren die steile Strasse nach
Seewen hinauf. Es geht durch den Wald, vorbei an schroffen Felswänden und riesigen Gesteinsbro-
cken, die links und rechts die Strasse säumen. Noch ein paar Kurven, dann öffnet sich vor uns eine
weite Ebene. Im Gegensatz zu der sonst so hügeligen Landschaft bildet sie einen starken Kontrast.
Der flache Boden und rings herum die steilen, bewaldeten Anhöhen geben der Landschaft beinahe
die Form einer Badewanne. Am Ende dieser Ebene, wo die Strasse bereits wieder ansteigt, beginnt
das Dorf Seewen. Das Postauto hält an und wir steigen aus. Eine warme Frühlingssonne bringt den
letzten Schnee auf den Dächern zum Schmelzen. Irgendwo pfeifen ein paar Vögel ihr Lied, sonst ist es
ganz still. Auf der Strasse begegnen wir keiner einzigen Person. Das Dorf scheint ausgestorben zu
sein. Die einzigen Bewohner, die sich zeigen, sind ein paar Schafe, Pferde und ein Grüppchen Lamas.
Friedlich grasen sie auf den feuchten Wiesen zwischen den alten Bauernhäusern. Nach einigen hun-
dert Metern erblicken wir ein Schild mit der Aufschrift „Heute Ruhetag“. Tatsächlich scheint das Dorf
in eine Art Dornröschenschlaf gefallen zu sein. Vieles wirkt wie aus einer längst vergangenen Zeit.
Direkt an der Hauptstrasse befindet sich eine alte Tanksäule. Auch die Glocke, mit der man früher
den Tankwart rufen konnte, ist noch da. Nur - der Tankwart ist wahrscheinlich schon lange in Pension
gegangen. Gegenüber auf der anderen Strassenseite zeigt sich ein trauriges Bild: Ein grosses Areal
mit Gärtnerei und Blumenladen steht verwaist da. An der Mauer steht schwarz auf weiss „Zu Verkau-
fen“. Am anderen Ende des Dorfes sieht es auch nicht besser aus. Hier will ein Besitzer seinen Besitz
loswerden und um klar zu machen, dass in seinem Haus niemand mehr ein- und ausgeht, hat er den
Hauseingang mit lauter alten Motorrädern und Velos zugestopft. Wollen denn hier eigentlich alle
weg? Wir gehen weiter und kommen an ein altes Hotel. Es scheint niemand da zu sein. Rund ums
Haus stehen allerlei Geräte, Putzmaterial und verrostetes Blech. Zum Glück sind wir heute nicht auf
der Suche nach einer Unterkunft. Etwas später taucht ein drittes Gasthaus auf. Wir klopfen an die
Fensterscheibe und ein freundliches Gesicht erscheint. Die Besitzerin erzählt, man habe in den letz-
ten Jahren den Betrieb immer mehr reduzieren müssen, das sei hier aber überall so. Immerhin habe
sie von Zeit zu Zeit einige Gastarbeiter aus dem Ausland, die hier wohnten, tröstet sich die Frau. Wir
wünschen alles Gute für die Zukunft und gehen weiter. Nach ein paar Schritten stehen wir vor dem
Dorfladen. Als wir das Geschäft betreten, ist die Verkäuferin bei einem gemütlichen Gespräch mit
einem Kunden. Auch hier ist nicht viel los. Man spüre deutlich die Konkurrenz der grossen Super-
märkte wie Aldi und Lidl, sagt die Frau und fügt hinzu, es sei das einzige Lebensmittelgeschäft im Dorf

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und so komme wenigstens die ältere Bevölkerung, welche nicht mit dem Auto zum Einkaufen fährt,
hierher. Wir danken freundlich und treten wieder auf die Strasse hinaus. Etwas weiter hinten steht
ein relativ modernes Schulgebäude. Es ist die Primarschule. Die Kinder von Seewen können hier die
erste bis sechste Klasse besuchen. Wie lange noch, ist unklar, denn auch hier kämpft man mit Prob-
lemen. Ab dem nächsten Schuljahr können nur noch drei Klassen gebildet werden und aus finanziel-
len Gründen denkt man bereits über eine Zusammenlegung der Primarschule mit den Nachbarsge-
meinden nach2. Nun wäre es doch interessant, einmal einen Blick in die Statistiken zu werfen, um zu
schauen, wie sich das Dorf in den letzten zehn Jahren entwickelt hat. Also statten wir der Gemeinde-
verwaltung einen kleinen Besuch ab. Die wenigen Räume sind winzig klein. Eine Sitzgelegenheit
scheint es nicht zugeben. Dafür erhalten wir hier die gesuchten Informationen. Die meisten Kennzah-
len für das Jahr 2012 sind noch nicht veröffentlicht, aber wir können auch mit den Statistiken aus den
Vorjahren Vorliebe nehmen. Folgende Zahlen beziehen sich auf den Zeitraum von 2001-2011.

Im Jahr 2001 hatte Seewen noch 994 Einwohner3. Dann stieg die Einwohnerzahl bis auf 1035 im Jahr
2009. Bereits 2011 wohnten aber nur noch 984 Personen in Seewen. Verändert hat sich auch die
Altersstruktur. Der Anteil der über 65-jährigen Personen an der Gesamtbevölkerung Seewens lag von
2001 bis 2008 relativ konstant zwischen 15,0% und 15,6%, stieg dann aber plötzlich an und betrug
2011 bereits 19,9 %. Der allgemein sichtbare Trend der Überalterung macht also auch vor der Ge-
meinde Seewen nicht Halt. Die Lebenserwartung der Bevölkerung steigt, die Geburtenrate nimmt
gleichzeitig ab und so wird der Anteil älterer Menschen gegenüber dem Anteil jüngerer immer wie
grösser. Ebenfalls geschrumpft sind die Arbeitsplätze im Dorf. Im Jahr 2001 boten die verschiedenen
Betriebe aus Landwirtschaft-, Industrie- und Dienstleistungssektor Arbeit für 256 Personen. Zehn
Jahre später wurden nur noch 193 Personen beschäftigt. Dabei ist die Verteilung der Beschäftigten
auf die drei Sektoren annähernd unverändert geblieben. Im Jahr 2011 arbeiteten noch immer die
meisten Personen in der Landwirtschaft, nämlich 37,8%. Weniger Arbeitsplätze bot der Dienstleis-
tungssektor mit 34,7% und am wenigsten Bedeutung hatte der industrielle Sektor mit 27,5% aller
Beschäftigten. Auch ein Blick in die Finanzkennzahlen der Gemeinde lässt erkennen, dass die gegen-
wärtige Situation nicht gerade rosig ist4. Für das Jahr 2013 ist einen weitere Neuverschuldung prog-
nostiziert. Gleichzeitig liegt der Selbstfinanzierungsanteil lediglich bei 7,6 %. Das bedeutet, dass nicht
einmal ein Zehntel des erwirtschafteten Ertrags für mögliche Investitionen oder zur Schuldentilgung
verwendet werden kann. Somit ist die Finanzkraft der Gemeinde als schwach einzustufen5.

Von Wachstum und Lebendigkeit ist hier wenig zu spüren. Im Gegenteil. Die Lage der Gemeinde
Seewen könnte man mit Stillstand, Überalterung und Abbau beschrieben. Die düsteren Perspektiven
und der enge Raum der Gemeindeverwaltung wirken bedrückend. Lieber gehen wir wieder hinaus an
die frische Luft. Auf dem Weg zur Postautohaltestelle wird uns bewusst, dass es hier wirklich an allen

2
  Weber, 2013
3
  http://www.so.ch/departemente/finanzen/amt-fuer-finanzen/statistik/eckdaten/gemeinden-a-
z/seewen.html (3.3.2013)
4
  Einladung zur Gemeindeversammlung in Seewen vom 13.12.2012
5
  http://www.gemeinden.sg.ch/home/zahlen/kennzahlen/selbstfinanzierungsanteil.html (3.3.2013)
                                                                                                 Seite | 9
Ecken und Enden fehlt. Da bröckelt der Putz von den Häusern und das Trottoir bricht auseinander,
dort stehen Landwirtschaftsgeräte nutzlos und ungeordnet herum.

                                     Dorfimpression (Abbildung 2)

Bis das Postauto kommt, dauert es noch einige Minuten. Gerade jetzt fängt es an zu regnen. Viel-
leicht finden wir in der Postfiliale auf der anderen Strassenseite Schutz vor dem Regen und der auf-
kommenden Kälte. Doch die Post hat mitten am Nachmittag geschlossen. Ein Blick auf die Öffnungs-
zeiten verrät, dass die Filiale bereits um 10.00 Uhr morgens schliesst und erst abends um 16:30 Uhr
wieder öffnet. Diese beschränkten Öffnungszeiten sind uns zwar nicht gerade willkommen, aber
Hauptsache, Seewen hat überhaupt noch eine Post. Da erklärt uns ein Passant, dass noch in diesem
Jahr abgeklärt werden soll, ob sich der Standort überhaupt ausbezahlt oder ob man die Postfiliale
allenfalls aufgeben muss. Endlich kommt das Postauto. Bevor wir einsteigen, werfen wir noch einen
letzten Blick zurück. Die schwarzen Wolken am Himmel wirken bedrohlich nah. Im Dorf ist es nun
noch stiller geworden. Nur die weisse Dorfkirche blickt vom höchsten Punkt des Ortes mitleidig auf
die Dächer und Gärten herab, gerade so, wie eine Henne, die ihre schlafenden Küken betrachtet und
dabei sagen will: „Habt nur Geduld, wenn sie genügend geschlafen haben, wachen sie wieder auf und
sind quicklebendig!“ Ob aber Seewen noch rechtzeitig aus seinem Schlaf erwacht? Hinter uns im
Postauto sitzen zwei ältere Wanderer. Sie grübeln nicht über düstere Zukunftspläne, sondern schau-
en lebhaft auf die weite Ebene hinaus. Bei der Station Seetalhöhe sagen sie zu einander: „Stell dir
vor, hier war vor langer Zeit einmal ein See! Weisst du, die ganze Ebene war mit Wasser bedeckt,
unglaublich, nicht? Wie toll wäre es doch, wenn Seewen auch heute wieder einen See hätte!“ Da
beginnen bei uns die Alarmglocken zu läuten und wie ein Blitz schiesst uns die Lösung des Problems
durch den Kopf: Seewen braucht einen See. Damit könnte man dem Dorf wieder neues Leben und
neuen Schwung verleihen. Ein See ist der langgesuchte Ausweg aus der Misere.
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1.2 Wertschöpfung Tourismus
Weshalb aber soll es gerade ein See sein, der die Gemeinde Seewen von Sorgen und finanziellen Nö-
ten befreit? Sind etwa mit einem See alle Probleme schlagartig weggeblasen? Nein, das bestimmt
nicht. Aber ein See könnte den Zugang zu einem der wichtigsten und bedeutendsten Wirtschafts-
zweige ermöglichen, nämlich dem Tourismus. In der Schweiz brachte der Tourismus alleine im Jahr
2010 Einnahmen in der Höhe von 35.5 Mrd. Franken und Beschäftigung für insgesamt 144‘800 Voll-
zeitäquivalente6. Die Gemeinde Seewen ist ein wirtschaftliches Randgebiet und hat nur einen
schwach ausgeprägten Industrie- und Dienstleistungssektor. Viele Leute müssen auswärts nach Ar-
beit suchen und überlegen sich, ob sie nicht gerade ganz wegziehen möchten. Der Tourismus könnte
diesen Nachteil ausgleichen, neue Arbeitsplätze und Einkommen schaffen, die Abwanderung ein-
dämmen und so für viele Leute zu mehr Wohlstand führen. Wie aber muss man sich diesen positiven
Einfluss des Tourismus vorstellen? Das Zauberwort heisst Wertschöpfung. Wie eine unsichtbare Hand
sorgt die Wertschöpfung dafür, dass nicht nur ein Einzelner vom Tourismus profitiert, sondern der
Gewinn über eine ganze Kette von Personen und Unternehmen verteilt wird und schliesslich der
Wohlstand jedes Einzelnen sowie der Wohlstand der Gemeinde steigen7.

Wie eine solche Wertschöpfungskette funktioniert, soll hier an einigen einfachen Beispielen gezeigt
werden: Nehmen wir an, die Besucher kommen mit dem öffentlichen Verkehr nach Seewen. Im Post-
auto bezahlen sie einen Fahrpreis für das Billet. Nach einem Spaziergang um den See gönnen sie sich
ein feines Mittagessen in einem Restaurant. Danach besuchen sie das örtliche Museum und schrei-
ben von ihren Erlebnissen ein paar Postkarten. Am Nachmittag kaufen sie in einer Modeboutique
einen Pullover und zwei neue Jeans, gleich um die Ecke lassen sie sich beim Friseur wieder einmal die
Haare schneiden und am Ende des Tages entscheiden sie sich, im Hotel zu übernachten. Bei all diesen
Aktivitäten, angefangen von der Fahrt mit dem Postauto bis zur Übernachtung im Hotel, geben die
Besucher Geld aus. Aus dieser direkten Nachfrage der Gäste entsteht bei den Unternehmen ein di-
rekt touristischer Umsatz8. Diese direkte Wirkung des Tourismus steht am Anfang der Wertschöp-
fungskette. Darüber hinaus gibt es aber eine indirekte Wirkung. Da das Postauto mehr Geld erhält,
stellt es nun einen weiteren Fahrer an und baut den Fahrplan weiter aus. Das Restaurant muss für
mehr Gäste kochen, es bezieht Fleisch und Gemüse direkt von einem landwirtschaftlichen Betreib in
der Gemeinde. Das Museum kann sich dank den höheren Besucherzahlen endlich eine neue Beleuch-
tungsanlage leisten. Es gibt der Elektrofirma von nebenan den Auftrag zur Installation. Die Post erhält
ebenfalls mehr Arbeit und verlängert ihre Öffnungszeiten. Die Modeboutique und der Coiffeursalon
planen eine Vergrösserung ihres Geschäfts und engagieren einen Architekten. Das Hotel braucht
einige zusätzliche Betten und gibt die Produktion bei der Schreinerei in Auftrag. Zusätzlich wird für
die Bedienung der Gäste am Empfang eine neue Stelle ausgeschrieben. All diese Vorgänge sind indi-
rekt durch das von den Besuchern ausgegebene Geld ermöglicht worden. Auf dieser zweiten Stufe
entsteht bei vielen weiteren Unternehmen ein indirekt touristischer Umsatz. Nun gibt es aber noch
eine dritte, sogenannte induzierte Wirkung. Der neuangestellte Postautofahrer, das Personal im Re-

6
  http://www.swisstourfed.ch/index.cfm?parents_id=1115 (24.3.2013)
7
  Rütter, S. 10-11
8
  Rütter, S. 10-11
                                                                                             Seite | 11
staurant, der Bauer auf dem Bauernhof, die Angestellte im Museum und auch die Besitzerin der
Modeboutique und des Coiffeursalons verdient ihr Geld zumindest teilweise aus dem Tourismus.
Was passiert mit diesen neu generierten Einnahmen? Sie werden anderswo wieder ausgegeben und
stellen dadurch Geld für neue Investitionen und Beschäftigungen zur Verfügung. Die Wirtschaft be-
ginnt zu wachsen, es stehen plötzlich mehr Arbeitsplätze zur Verfügung. Anstatt dass die Leute ab-
wandern, ziehen neue Arbeitskräfte und Steuerzahler nach Seewen. Der Wohlstand der Einwohner
und die gut funktionierende Wirtschaft wirken sich positiv auf die Gemeinde aus. Ihr stehen nun ge-
nügend Mittel zur Verfügung, um das Ortsbild zu verschönern, die Schule zu erhalten oder den An-
schluss an den öffentlichen Verkehr zu verbessern. Es werden Bedingungen für eine nachhaltige Zu-
kunft geschaffen und insgesamt gewinnt der Standort Seewen als Lebens- und Wohnraum an Attrak-
tivität.

2. Geschichte des Seewener Sees
Im vorherigen Kapitel haben wir gesehen, dass der Tourismus eine grosse Chance für die Gemeinde
Seewen sein könnte. Nur kurz wurde hingegen angedeutet, weshalb man bei der Suche nach einem
Weg in eine bessere Zukunft geradewegs auf den See gestossen ist. Die äusserst interessante Tatsa-
che, dass es bis vor einigen hundert Jahren in Seewen tatsächlich einen See gegeben hat, ist vielen
Leuten unbekannt. Deshalb wollen wir nun etwas genauer betrachten, wie der See entstanden ist
und weshalb er sich heute nicht mehr an Ort und Stelle befindet.

Von Osten her kommend fliesst ein Bach in gemächlichem Tempo durch das Dorf Seewen und weiter
über die Ebene. Es ist der Seebach. Dort, wo die Strasse nach Grellingen in der Schlucht verschwin-
det, wird auch das Gefälle des Baches sehr stark. Genau an dieser Stelle hatte sich der Bach am Ende
der letzten Eiszeit durch die rückwärts gerichtete Erosion stromaufwärts immer tiefer in die Felsen
gegraben9. Die überhängenden Felswände wurden instabil. Unterstützt durch die tektonische Struk-
tur des Hanges und den langsam auftauenden Permafrost, brachen vom Homberg grosse Felsen los
und rutschten in das Gebiet Fulnau nieder, wo Sie den Eingang in die Schlucht und den Abfluss des
Seebachs ins Tal verstopften.

9
    Haeberli et al., S.293
                                                                                          Seite | 12
Übersichtskarte (Abbildung 3)

Gut möglich, dass auch starke Niederschläge, fehlende oder nur spärliche Vegetation, Erdbewegun-
gen und Erdbeben zum Bergsturz beigetragen haben. Für diesen Zeitraum am Übergang vom Pleisto-
zän ins Holozän ist nämlich im gesamten Juraraum eine erhöhte Erdbebenaktivität nachgewiesen10.
Überreste des Bergsturzes sieht man noch heute. Entlang der Strasse von Seewen nach Grellingen
liegen riesige Felsblöcke verstreut herum. Hinter einem Wall von Gesteinsschutt begann sich der
Bach nun zu einem See aufzustauen. Normalerweise überleben derartig entstandene Seen nicht lan-
ge11. Gerade feinkörniges Material wird rasch abgetragen und fortgespült. In anderen Fällen wird das
Hindernis überflutet oder das Gewässer sucht sich einen neuen Lauf. Beim Seewener See war dies
nicht der Fall. Erstens bestand die Felssturzmasse aus grossen Blöcken an kompaktem Gestein. Zwei-
tens hatte der Seebach ein relativ kleines Einzugsgebiet12. Die Wassermassen waren daher nicht stark
genug, um die Barriere zu durchbrechen. Der Bach führte natürlich auch Material mit sich und lagerte
dieses auf dem Grund des Sees ab. Durch die zunehmende Abdichtung des Bodens mit Lehm und Ton
reduzierte sich im Lauf der Zeit die Möglichkeit für ein unterirdisches Ablaufen des Wassers durch
Karststellen im Boden. So war es möglich, dass der Seewener See während ungefähr 13‘500 Jahren
Bestand hatte. Dieses Alter haben die Untersuchungen der bis zu 23 Meter mächtigen Seeablagerun-
gen ergeben13. Mit Hilfe der Radiokarbonmethode und der Pollenanalyse konnte nicht nur die Ent-
stehungszeit des Sees und somit das ungefähre Alter des Bergsturzes berechnet werden, es konnte
auch gezeigt werden, dass sich der See durch die Jahrtausende immer wieder veränderte. Zu Beginn

10
   Haeberli et al., S.303
11
   Haeberli et al., S.303
12
   s.o.
13
   s.o.
                                                                                          Seite | 13
bedeckte der See nur ein kleines Gebiet am westlichen Ende des Seebeckens. Vor ca. 7000 Jahren
setzte dann eine starke Sedimentation ein. Der See breitete sich immer weiter nach Osten in Rich-
tung des heutigen Dorfes Seewen aus. Zwischenzeitlich wich das Seeniveau aufgrund trockener Peri-
oden mit wenig Niederschlag wieder etwas zurück. Um das Jahr 600 erreichte der See dann seine
grösste Ausdehnung. Das Wasser kam nun bis zum heutigen Basler Weiher am anderen Ende des
Dorfes. Die heutigen Siedlungen wären damals nahezu vollständig überflutet gewesen. Der Grund für
solch ein hohes Seeniveau ist nicht bekannt. Es wird spekuliert, dass ein kleiner Felssturz in jüngerer
Zeit, im Gebiet Welschhans die Talsperre noch einmal erhöhte14. Erstaunlicherweise war der See nur
ungefähr 50 Jahre nach seiner grössten Ausdehnung schon wieder beträchtlich zurück gegangen. Hier
könnte zum ersten Mal ein menschlicher Einfluss auf das Seeniveau stattgefunden haben. Die Funde
zahlreicher Alemannengräber am östlichen Seeufer aus der Zeit zwischen 650 und 680 n. Chr. sind
ein Beweis dafür, dass das Gebiet, vielleicht gerade wegen dem See, schon früh besiedelt wurde.
Während besonders trockenen oder feuchten Perioden war der See zwar gewissen Schwankungen
ausgesetzt, im Grossen und Ganzen behielt er aber in den folgenden Jahrhunderten seine Grösse.
Interessant ist auch die Meinung der Forscher, der See habe eine Wassertiefe von 10 Meter nie über-
schritten15. Die Ablagerungen am Grund des Sees beanspruchten ein gewisses Volumen und ver-
drängten das Wasser. So wäre zu erklären, dass sich der See während seiner Entwicklung immer wie-
der ausdehnte, dabei aber nicht wesentlich tiefer wurde. Im Bewusstsein, dass rund 60% aller Seen,
die durch einen Felssturz aufgestaut wurden, schon innerhalb eines Monats wieder verschwinden
und über 90% nicht länger als ein Jahr existieren16, kann die Aufstauung des Baches im Seewener
Hochtal, dort, wo Tafeljura und Faltenjura in einander übergehen, zu Recht als etwas Einzigartiges
betrachtet werden.

Der See hat denn auch dem Ort seinen Namen gegeben. Die Ansiedlung um den Dorfhügel im Osten
des Sees wird in der ersten schriftlichen Erklärung „Sewin“ genannt, was so viel heisst wie „am See
gelegen“. Das Seewener Wappen zeigt ein Gewässer mit einem Fisch, zwei Schilfpflanzen und einen
Stern. Fisch und Wasser könnten einerseits auf den Fischreichtum des Sees hinweisen, die Schilf-
pflanzen andererseits deuten möglicherweise auf eine zunehmende Verlandung hin. Erste Versuche,
den See auszutrocknen misslangen17. Im Jahr 1588 gelang es dem Wegmeister Conrad Strub vom
Hauenstein einen 260 Meter langen Stollen, das Seeloch, in den Fels zuhauen und so wurde das Was-
ser grösstenteils abgelassen. Der Bau eines solchen Stollens dürfte für die damalige Zeit etwas Aus-
sergewöhnliches gewesen sein. Eine Sage erzählt, man habe beim Tunneldurchstich zum Tode verur-
teilte Häftlinge eingesetzt und diesen die Freiheit versprochen, falls das Werk gelinge18. Ungeschick-
terweise war der Abfluss aber zu hoch gelegt worden und so blieb der Seeboden eine Sumpfland-
schaft.

14
   Haeberli et al., S.304
15
   Haeberli et al., S.291
16
   Haeberli et al., S.303
17
   http://www.seewen.ch/de/gemeinde/portrait/geschichte/welcome.php?action=showinfo&info_id=1112
(25.3.2013)
18
   s.o.
                                                                                             Seite | 14
Als Grund für die Entleerung des Sees werden immer wiederkehrende Stechmückenplagen ge-
nannt19. Gerade wenn der See vielleicht schon zu einem grossen Teil verlandet war und sich viele
kleine Restwasserpfützen gebildet hatten, dürfte die massenhafte Vermehrung der Mücken zum
Problem geworden sein. Ausschlaggebend für den Bau des Stollens und das Ablassen des Sees waren
die Mücken aber kaum. Denn auch nach der angestrebten Trockenlegung blieb der Seeboden ein
feuchtes Gelände. Vielmehr dürften landwirtschaftliche Interessen und das Schaffen neuer Nutzflä-
chen im Vordergrund gestanden haben. Dass das Sumpfgebiet tatsächlich geschätzt wurde, zeigt die
Haffnerchronik aus dem Jahr 1666. Dort ist die Rede von den „schönsten und besten Matten … herr-
licher Wies oder Anwachs … mit grösstem Nutzen für die Untertanen“20. Das Ablaufen des Wassers
durch das Seeloch verlief nicht ohne Probleme. Bereits 1633 wurden die Bewohner von Seewen und
Hochwald dazu aufgefordert, die Wiedereröffnung des eingefallenen Seelochs voranzutreiben21. Um
zu verhindern, dass bei Hochwasser grössere Gegenstände in den Tunnel gelangten und diesen ver-
stopften, baute man davor einen Rechen, welcher von Zeit zu Zeit gereinigt werden musste. Diese
Arbeit besorgte ein vom Vogt eingesetzter Hans aus dem Welschland22. Noch heute trägt das Gebiet
beim Eingang in den Stollen den Namen Welschhans. Der Seeboden blieb dann über drei Jahrhunder-
te unverändert. Erst mit einer grossangelegten Drainage im Jahr 1919 und der Begradigung des See-
bachs 1923 konnte der Boden vollständig entwässert und für den landwirtschaftlichen Anbau nutzbar
gemacht werden.

3. Auslöser und Anreize für die Idee eines Sees
Welchen Umständen ist es zu verdanken, dass die Idee von einem revitalisierten Seewener See gera-
de heute so aktuell ist?

Gewiss war den Bewohnern Seewens über all die Jahrhunderte die Vergangenheit ihres Dorfes mit
dem See bekannt. Bis vor wenigen Jahren gründete dieses Wissen aber lediglich auf überlieferten
Erzählungen und Berichten, und darauf, dass der See im Wappen und im Ortsnamen Seewen weiter-
hin präsent geblieben war sowie in der Landschaft seine Spuren hinterlassen hatte. Die ungefähr 2,5
km lange und 450 m breite Ebene des Seebodens ist nämlich für die sonst so hügelige Landschaft
sehr ungewöhnlich und auffallend. Die Suche nach alten Karten, auf denen der Seewener See vor
seiner Entleerung abgebildet ist, blieb erfolglos23. Weder das Staatsarchiv in Solothurn noch die Be-
stände der ETH Zürich enthalten eine solche Karte. Es ist gut möglich, dass auch in den vergangenen
Jahrhunderten so mancher Seewener über die Wiederherstellung des Sees nachgesinnt hat. Wirklich
interessant wurden solche Ideen aber erst, als wissenschaftliche Untersuchungen Aufschluss über die
Entstehung, Entwicklung und das Alter des Sees lieferten. Forscher der ETH Zürich, der Universität

19
   s.o.
20
   http://www.seewen.ch/de/gemeinde/portrait/geschichte/welcome.php?action=showinfo&info_id=1113
(25.3.2013)
21
   http://www.seewen.ch/de/gemeinde/portrait/geschichte/welcome.php?action=showinfo&info_id=1114
(25.3.2013)
22
   http://www.seewen.ch/de/gemeinde/portrait/geschichte/welcome.php?action=showinfo&info_id=1112
(25.3.2013)
23
   Herzog, 2013
                                                                                           Seite | 15
Basel und weiterer Institute führten im Seeboden während mehr als 30 Jahren aufwändige geologi-
sche und hydrologische Untersuchungen durch.

Je länger man sich mit Seewen befasst, umso besser versteht man, wieso die Revitalisierung des Sees
eine reizende Idee ist. Dort wo früher der See war, ist der Boden sehr schwer und verdichtet. Nach
Regenfällen läuft das Wasser nur schlecht ab und es bildet sich Staunässe. Der hohe Grundwasser-
spiegel liefert dem Boden zusätzliche Feuchtigkeit. In klaren Nächten strömt zudem die kalte Luft von
den umliegenden Hängen auf den Seeboden hinunter und staut sich dort zu einem Kaltluftsee. All
dies beeinträchtigt die landwirtschaftliche Produktion. Die Anbaubedingungen für Ackerpflanzen, wie
Mais, Gerste oder Weizen sind ungünstig und bloss in trockenen und heissen Sommern werden grös-
sere Erträge erzielt.

Der Seeboden ist aber nicht nur gegenüber den Bemühungen der Landwirte widerspenstig. Hin und
wieder zeigt er auch sein ursprüngliches Wesen als Teil einer Wasserlandschaft. Wer nämlich nach
ausgiebigen Regenfällen die Strasse von Grellingen nach Seewen hochfährt, stellt erstaunt fest, dass
sich auf der ganzen Ebene grosse Pfützen und Wasserflächen gebildet haben. Ganz extrem wird die-
ses Phänomen bei Hochwasser sichtbar. Dann tritt der Seebach über die Ufer und überschwemmt
das Gebiet grossflächig. Die Drainagerohre aus dem letzten Jahrhundert erfüllen ihren Zweck offen-
sichtlich nicht mehr.

                                        Hochwasser (Abbildung 4)

Vielleicht wird deshalb der Seeboden auf Wanderkarten manchmal bläulich eingefärbt, gerade so als
ob noch immer ein See existierte. So zum Beispiel auf der Internetseite der Gemeinde Seewen, wo
Wanderfreunden ein Rundweg um den ehemaligen Seewener See angeboten wird. Zumindest trägt
das Gebiet ja noch heute den Flurnamen See.

Ein weiterer Anreiz für die Revitalisierung des Sees besteht in der Tatsache, dass auf dem gesamten
Seeboden kein einziges Gebäude steht. Die Nutzung ist rein landwirtschaftlicher Art. In der Regel sind
neue Seen, insbesondere Stauseen, mit Zwangsumsiedlungen und dem Überfluten von Wohnflächen,
bis hin zu ganzen Dörfern, verbunden. In Seewen wäre das nicht der Fall.

                                                                                            Seite | 16
Ein Blick auf die Landkarte zeigt noch einen anderen, interessanten Umstand. In der weiteren Umge-
bung gibt es gleich zwei weitere Gemeinden mit dem Namen Seewen. Noch weit erstaunlicher ist die
Tatsache, dass gleich beide an einem See liegen. Bei der einen Ortschaft handelt es sich um das Dorf
Seewen am Lauerzer See im Kanton Schwyz. Der andere Namensvetter ist in Frankreich zu Hause.
Das kleine Dorf namens Sewen liegt am Fuss des Ballon d’Alsace, in den Vogesen. Es verfügt ebenfalls
über einen kleinen See. Nun liegt es doch auf der Hand, dass sich das Seewen im Schwarzbubenland
mit seinen Namensvettern vergleicht und ebenfalls einen See haben möchte.

4. Entwicklung und Verlauf in den Medien
Wie wurde der Gedanke in den Medien aufgenommen? Wie wurde die Idee in den Köpfen der Leute
und in verschiedenen Arbeiten weiterentwickelt? Wo steht die Vision eines Seewener Sees heute?
Diesen interessanten Fragen sei hier Raum gegeben.

Im Winter 2002/2003 gestaltete das Kantonsmuseum Baselland eine Dauerausstellung unter dem
Namen „Natur nah - 14 Geschichten einer Landschaft“. Im Rahmen der Ausstellung wurde die Idee in
den Raum gestellt, den Seewener See wieder entstehen zu lassen und so eine attraktive Erholungs-
landschaft zu schaffen. Zur Veranschaulichung liess das Museum ein 3D-Landschaftsmodell und eine
Videoanimation des Sees anfertigen. Den Besuchern wurde ein erster Eindruck von einem See ver-
mittelt und man versuchte in der Öffentlichkeit die Neugierde für ein solches Projekt zu wecken. Die
Ausstellung sah sich als der Beginn eines langen Prozesses zur Neugestaltung der Ebene unterhalb
von Seewen24. Parallel zur Ausstellung erschien die Idee ein erstes Mal in den Medien. Die BaZ be-
richtete im Dezember 2002 mit einem ganzseitigen Artikel über den Seewener See, kam aber zu dem
Fazit, man müsse zuerst die Wasserqualität des Seebachs verbessern, bevor man über ein Projekt in
dieser Grössenordnung und die damit verbundenen Herausforderungen nachdenke25.

Als nächstes schaltete sich die Universität Basel ins Thema ein. Studierende des Geografischen Insti-
tuts erarbeiteten im Sommer 2003 im Rahmen eines Projektkurses eine Machbarkeitsstudie zur Revi-
talisierung des Seewener Sees. Unter dem provokativen Titel „Wer schenkt Basel einen See“ unter-
suchten die Teilnehmenden einerseits die Machbarkeit eines neuen Sees in Seewen und andererseits
die Akzeptanz eines solchen in der Bevölkerung. Die Resultate der Studie wurden der Gemeinde an
einer öffentlichen Veranstaltung präsentiert. Die Studenten konnten mit ihrer Arbeit zeigen, dass ein
See technisch machbar wäre und dass eine Mehrheit der Einwohner Seewens die Idee befürwortete.
Juristische und finanzielle Fragen waren in der Studie nicht berücksichtigt worden. Gegenüber der
Basellandschaftlichen Zeitung zeigte sich der damalige Gemeindepräsident, Hubert Gehrig, von der
Idee angetan, betonte aber, man wolle nicht voreilig handeln26. Darauf war das Thema nicht mehr
allzu präsent in der regionalen Medienlandschaft. Im Jahr 2007 entflammte eine Diskussion um den
Basler Weiher. Das drittgrösste stehende Gewässer des Kantons Solothurn befindet sich am oberen
Ende des Dorfes Seewen und speist den Seebach, welcher nachher durch die Allmend und den ehe-

24
   http://www.oekoskop.ch/pdf/5_natur_nah.pdf (31.3.2013)
25
   Masé, S.21
26
   Weber, S. 19
                                                                                           Seite | 17
maligen See fliesst. Der Kanton Solothurn meldete Interesse am Basler Weiher, der bis anhin im Be-
sitz der Stadt Basel gewesen war, forderte aber, dass das Gebiet „See“ und der Basler Weiher als
Einheit zusammen blieben, da ja beide durch den Seebach verbunden würden27. So kam dann auch
die Idee des Seewener See wieder zur Sprache.

                                      Basler Weiher (Abbildung 5)

Die Verantwortlichen der Gemeinde Seewen liessen aber verlauten, das Projekt sei aus Kostengrün-
den nicht realisierbar28. Ebenfalls im Jahr 2007 verfasste der Geograf und heutige Gemeindepräsi-
dent von Seewen, Philippe Weber, ein Landschaftsenwicklungskonzept, kurz LEK. Darin zeigte er die
Notwendigkeit eines Sees aus einer komplett neuen Perspektive29. Zuerst wurde ein sehr düsteres
Bild der wirtschaftlichen und finanziellen Lage der Gemeinde geschildert: Rückläufige Umsätze der
Gewerbe- und Dienstleistungsbetriebe, mangelnde Konkurrenzfähigkeit als Wohngemeinde und feh-
lende Freizeitinfrastrukturen. Am Schluss kam er zum Fazit, die Gemeinde müsse etwas unterneh-
men, um „dem schleichenden Untergang und dem stetig voranschreitenden Zerfall zu entrinnen“ 30.
An dieser Stelle nun kam der See als Motor zur nachhaltigen Standortförderung der Gemeinde ins
Spiel. Ja, er wurde sogar als Lösung der vielschichtigen Probleme und als Weg in eine bessere Zukunft
gepriesen. Somit rückte er ins Zentrum der Entwicklungspläne Seewens. Es wurde ein Zeitrahmen
aufgestellt, nach welchem das Seeprojekt bis zum Jahr 2015 umgesetzt sein sollte31. Heute betrach-
tet der Gemeindepräsident von Seewen das LEK als eine etwas euphorische Projektskizze. Laut Herrn
Weber dürfe das Dokument keinesfalls als verbindliche Gemeindestrategie angesehen werden, man
sei in der Entwicklung des Seeprojekts auch nicht so weit fortgeschritten, wie dies gemäss dem LEK
der Fall sein müsste32.

27
   Weber, S.20
28
   s.o.
29
   Weber, S.5
30
   s.o.
31
   Weber, S.14
32
   Weber, 2013
                                                                                           Seite | 18
Nachdem sich also das Kantonsmuseum, das Geografische Institut der Universität Basel und auch die
Gemeinde Seewen mit der Idee beschäftigt hatten, kam 2010 ein weiterer Akteur ins Spiel. Bei der
Suche nach Möglichkeiten, wie man das Schwarzbubenland in Zukunft touristisch attraktiver machen
könnte, stiess der regionale Tourismusverband auf den Seewener See. Der Gedanke wurde willkom-
men aufgenommen und weiterverfolgt. Im April 2012 präsentierte man auf der Gewerbeausstellung
in Seewen zwei Fotomontagen, welche das Dorf an einem schönen blauen See zeigen. Und das Resul-
tat blieb nicht aus: Mit wenigen Ausnahmen zeigten sich die Leute begeistert von der Vorstellung,
vielleicht schon bald an einem See zu wohnen. So mancher Besucher spazierte in seinen Gedanken
bereits um den friedlichen See herum oder nahm ein erfrischendes Bad im kühlen Nass. Auch die
Basler Zeitung griff das Thema wieder auf. Diesmal war von Skepsis nichts mehr zu spüren. Unter
dem Titel „Der Traum vom See lebt weiter“, wurde kräftig für den Seewener See geworben. Als einzi-
ges Hindernis auf dem Weg zur Realisierung wurde das mangelnde Geld genannt33. Schon drei Mona-
te später wurde die nächste Schlagzeile veröffentlicht: „Ruderer wollen See im Dorneck“ 34. Die Basler
Zeitung brachte dabei zum ersten Mal den Basler Ruderclub mit dem See in Verbindung. Die grosse
Ähnlichkeit von Grösse und Form zum Rotsee hatte das Interesse der Ruderer geweckt. Der Seewe-
ner See wird daher als idealer Austragungsort für Ruderwettkämpfe vorgeschlagen. Der Präsident
des Ruderclubs Basel kündigte im Artikel an, man wolle sich am Projekt finanziell beteiligen und wei-
tere Investoren suchen. Nun schien die Vision endlich ins Rollen zu kommen. Doch dem war nicht so.
Schon nach kurzer Zeit wurde es in den Medien wieder ganz still um den Seewener See. Dass die
Bevölkerung mit Gewässern aber eine attraktive Erholungsmöglichkeit verknüpft, zeigte ein Vorstoss
der jungen BDP beider Basel. In einem offenen Brief forderten diese im Februar 2013 einen See auf
dem Schänzli in Muttenz35. In den Medien kamen nun verschiedene Seeprojekte der Region wieder
zur Sprache, darunter auch der Seewener See. Neue Informationen zum Stand der Dinge wurden
aber keine eingebracht.

Nun fragt man sich bestimmt, wie es denn mit der Vision Seewener See aktuell steht, weshalb nicht
schon längst die ersten Bagger aufgefahren sind und das Wasser den See schon zur Hälfte gefüllt hat.
Auf Anfrage erklärte mir die Gemeinde Seewen, man habe beim Institut für Wasserbau der Techni-
schen Hochschule Rapperswil eine Studie zur Realisierung des Projekts in Auftrag gegeben, in den
nächsten Monaten seien aber noch keine Resultate zu erwarten36. Angesichts der vielen offenen
Fragen, vor allem finanzieller und juristischer Art, dürfte es noch eine ganze Weile dauern, bis der
erste Seewener ein Bad direkt vor seiner Haustüre nehmen kann.

5. Machbarkeit des Seewener Sees
Bisher wurde viel von einem revitalisierten See, von einem neuen Seewener See oder von der Vision
„See“ gesprochen. Doch, was muss man sich darunter überhaupt vorstellen? Wie gross wird der See
sein, wie lang und wie breit? Wie wird der See hergestellt? Mit welchen Problemen wird man dabei

33
   http://www.forum-regio-plus.ch/images/presseartikel/baz_270412.jpg (31.3.2013)
34
   http://bazonline.ch/basel/land/Ruderer-wollen-See-im-Dorneck/story/16814075 (31.3.2013)
35
   Paone, S.19
36
   Weber, 2013
                                                                                             Seite | 19
konfrontiert? All dies sind berechtigte und spannende Fragen. Von Seiten der Gemeinde Seewen gibt
es leider noch keine konkreten Planungsabläufe. Die bereits erwähnte Machbarkeitsstudie der Uni
Basel vermittelt uns aber einen interessanten Einblick, wie die Revitalisierung in Zukunft einmal ab-
laufen könnte.

5.1 Form des Sees
Unter einem See versteht man gewöhnlich eine Hohlform des Festlandes, welche mit Wasser gefüllt
ist.37 Im Falle des Seewener Sees besteht diese Hohlform aus dem Talboden und wird rechts und
links durch die Talwände begrenzt. Der heutige Seeboden würde somit auch den Boden des zukünfti-
gen Sees bilden. Der Vorgang, wie der See nun wieder hergestellt werden soll, erscheint ziemlich
banal. Man staut den Seebach und setzt die Ebene unter Wasser. Da der Boden zum grössten Teil aus
tonhaltigen Seesedimenten besteht, ist er wasserundurchlässig. Das Wasser kann also nicht ablaufen
und es bildet sich ein See. Wie beim Füllen einer Badewanne wird der See grösser und tiefer, je mehr
Wasser in das Becken hineingelassen wird.

5.2 Verschiedene Seevarianten
In der Machbarkeitsstudie wurde zunächst diskutiert, welche Grösse der See haben sollte. Es wurden
drei verschiedene Varianten vorgeschlagen; eine kleine, eine mittlere und eine grosse. Mit Hilfe eines
digitalen Höhenmodells wurde das Gelände erfasst. So konnte berechnet werden, welche Fläche ein
See in Abhängigkeit von seiner Wassertiefe hätte. Gleichzeitig konnte damit auch das Volumen der
drei Varianten erfasst werden. Variante 1 ist bescheiden. Der See wäre ungefähr 23 ha oder ca. 0.23
km2 gross und hätte eine durchschnittliche Tiefe von gerade mal 1 m. Variante 2 ist schon etwas
grösser. Das Wasser würde sich hier über eine Fläche von 33 ha oder 0.33 km2 ausdehnen. Die See-
tiefe läge durchschnittlich bei 1.6 m. Variante 3 wäre mit einer Grösse von 46 ha bzw. 0.46 km2 und
einer durchschnittlichen Tiefe von 2.85 m der grösste der drei vorgeschlagenen Seen.

Liesse man nun noch mehr Wasser einlaufen, würde der See zwar immer grösser und tiefer, gleich-
zeitig würde er aber auch Strassen und Häuser überfluten. Schon bei Variante 3 nähert sich der See
stark der Strasse und den Häusern am unteren Dorfrand. Bei Hochwasser könnte dies zu Problemen
führen. Folglich müsste dann die Strasse höher gelegt und die Gebäude mit baulichen Massnahmen
vor Überflutung geschützt werden. Da dies wohl kaum erwünscht ist, wird klar: Mit dieser Methode
kann kein beliebig grosser und tiefer See erstellt werden.

5.3 Problematik eines Flachsees
Die geringe Seetiefe fällt bei allen drei Varianten auf. Sie übersteigt kaum die Tiefe eines gewöhnli-
chen Schwimmbeckens. Solche Flachseen haben gewichtige Nachteile.

Erstens kann ein flacher See nur sehr eingeschränkt genutzt werden. Bei einer Wassertiefe von unter
zwei Metern ist das Schwimmen unangenehm und schon das Befahren mit kleinen Ruderbooten
schwierig bis unmöglich.

37
     Frey/Gebhard, S.13
                                                                                            Seite | 20
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