Eine Spindel - Digital Manufacturing Magazin
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7/21 www.digital-manufacturing-magazin.de D, A, CH: 14,40 Euro, weitere EU-Länder: 16,60 Euro | ISSN 1867-9781 AUFBAU UND OPTIMIERUNG IT-GESTÜTZTER PRODUKTIONSPROZESSE Industrie 4.0 | Internet der Dinge Bild Flugzeug: shutterstock/aapsky AUTOMATISCHER WERKZEUGWECHSEL BESCHLEUNIGT UMRÜSTUNG VOM PASSAGIER- ZUM FRACHTFLUGZEUG Eine Spindel macht den Unterschied
SCHON MAL DARÜBER NACHGEDACHT, MANU FACTU RER IHRER EIGENEN VISION ZU SEIN? GEMEINSAM MEISTERN WIR DEN WEG IN DIE ZUKUNFT DES MANUFACTURINGS. Wer nachhaltig erfolgreich sein möchte, muss heute das Morgen in die Hand nehmen. Als Beratungs- unternehmen und Digitalisierungsexperte kennen wir die derzeitigen Herausforderungen und die sich daraus ergebenden Chancen im Ökosystem der Discrete Manufacturing Industry. Wir unterstützen Sie bei der digitalen Transformation vom Produkt- zum Serviceanbieter und ermöglichen Ihnen so den Weg in eine erfolgreiche Zukunft. Mehr dazu auf www.mhp.com MHP : DRIVEN BY EXCELLENCE
I TO R I A L Sparen mit System E D zeit virtuell zu analysieren und real zu optimieren. Die Energiekosten lassen sich dann über ein kontinuier liches Energiemonitoring senken. Liebe Leserinnen und Leser, Der Beitrag auf den Seiten 42 und 43 belegt wie derum, dass spürbare Einsparungen nicht unbe im letzten Editorial habe ich auf die gewaltigen dingt an große Investitionen in die Energieinfrastruk- Herausforderungen hingewiesen, vor denen viele tur gekoppelt sind. Anhand von Praxisbeispielen Industrieunternehmen auf dem Weg zur CO2-Neu- erfahren Sie, wie smartes Energiemanagement funk- tralität stehen. In dieser Ausgabe vertiefen wir nun tioniert und welche Energieeinsparpotenziale ver- das Energie-Thema und haben für Sie Fachbeiträge steckte Verbraucher bieten. Aber auch in den zusammengetragen, die zeigen, wie Unternehmen Produktionsprozessen selbst steckt Optimierungs bereits heute mehr Energieeffizienz erzielen können. potenzial. In diesem Beitrag finden Sie ein Beispiel, Zunächst gilt: Was verbessert werden soll, muss das zeigt, wie sich die ungenutzte Abwärme aus an- zuerst zuverlässig gemessen werden. Produzierende deren Prozessen nutzen lässt, um das Reinigungs- Unternehmen müssen in der Lage sein, ihre CO2-Aus- wasser aufzuheizen, mit dem Komponenten und stöße und Energieverbräuche objektiv zu ermitteln. Werkzeuge gereinigt werden. Das schont Ressour- Im digitalen Zeitalter übernimmt das die daten cen und hilft, Kosten einzusparen. BESUCHEN SIE DIGITAL gesteuerte Fertigung. Mit ihr lässt sich die Nachhal- MANUFACTURING AUCH tigkeit erfolgreich managen. Genau darum geht es im Viel Spaß beim Lesen! AUF FACEBOOK, TWITTER, Beitrag auf den Seiten 24 und 25. Ein wichtiger Aspekt XING UND LINKEDIN. ist dabei der digitale Zwilling der Produktion. Denn er Rainer Trummer ermöglicht es, Verschwendungen in Fabriken in Echt- Chefredakteur ERST SIMULIEREN DANN AUTOMATISIEREN Ob Sie nur eine neue Roboterarbeitszelle oder gleich einen ganzen Produktionsbetrieb entwerfen, mit der für Fertigungsspezialisten entwickelten und auf einer leistungsstarken, flexiblen und skalierbaren Plattform basierenden 3D-Simulationssoftware Visual Components planen Sie für den Erfolg. Layoutplanung Produktionsoptimierung Virtuelle Inbetriebnahme Offline-Programmierung Virtual Reality Erfahren Sie, wie Sie mit unseren Lösungen Zeit sparen, Kosten senken und die Produktionsleistung verbessern können. Fordern Sie eine kostenlose Produktdemo an unter www.visualcomponents.com/de/
INHALT 14 LACKIERROBOTER Ein Lackproduzent setzt mit einem Lackierroboter von ABB flexibel Prozesse um und bringt so Lacke schneller zum Serieneinsatz. Bild: Csaba Mester TITELSTORY Ungenutzte Passagierflugzeuge werden zunehmend zu Frachtflugzeugen umgebaut. Die Unternehmen ST Engineering Aerospace und Manufacturing Operations Management Helios Applied Systems automatisieren dabei Mit einer digitalisierten Produktion zum Spitzen-Wodka 28 Prozesse mittels einer Roboterzelle, in der eine Kennzahlen mit dem MES generieren Motorspindel der Zimmer Group arbeitet. Den Blick weiten 30 SEITE 10 ERP und Lean Management Keine Zeit für Verschwendung 32 Werkzeugeinstellung vernetzt News Die neuen Möglichkeiten 34 Aktuelles aus der Branche 6 Toolmanagement in der Praxis TITELSTORY: Röntgenstrahlen bändigen 36 Automatischer Werkzeugwechsel beschleunigt Flugzeugumrüstung Industrial Internet of Things Eine Spindel macht den Unterschied 8 Industrie-Router als Basis für IIoT-lösungen 38 Expertenumfrage Automatisierung Automation und digitale Services KI voll im Trend 10 rund um die Maschine Die Vorzeichen berücksichtigen 40 Industrierobotik Ein Roboter als Farbenjongleur 14 Intelligentes Energiemanagement in der Produktion Künstliche Intelligenz Wann, wenn nicht jetzt? 42 in der Fertigungssteuerung Hier plant die KI 16 EDITORIAL 3 Mehr Transparenz durch MES Softwareumstellung treibt die eigene Prozessoptimierung 18 MARKETPLACE 44 VORSCHAU, IMPRESSUM 46 MES an ERP-System anbinden Heiße Stähle cool geplant 20 Effizienter durch einheitliche Datenbasis Wichtige Faktoren für die Smart Factory 22 REDAKTIONELL ERWÄHNTE INSTITUTIONEN, ANBIETER UND VERANSTALTER Datengesteuerte Fertigung ABB S. 14, Arno Werkzeuge S. 36, Bosch Connected Industry S. 42, Bosch Rexroth S. 7, Auf dem Weg zur CO2-neutralen Fertigung 24 Coretigo S. 10, Coscom S. 6, Extended3D S. 6, Forcam S. 24, gbo datacomp S. 22, MES, APS Gfos S. 18, Heitec S. 10, Inform S. 26, Kelch S. 34, MB Connect Line S. 38, Mitsubishi Vorausschauende Produktionsplanung per APS-System 26 Electric S. 11, MPDV S. 7, 16, Optalio S. 11, Phoenix Contact S. 12, Proalpha S. 32, Proxia S. 21, Robominds S. 6, Schwäbische Werkzeugmaschinen (SW) S. 40, Siemens S. 12, 28, T.Con S. 30, Walter S. 7, Weidmüller S. 13, Zimmer Group S. 8 4 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
INHALT 26 ADVANCED PLANNING & SCHEDULING Bausch+Ströbel plant die Produktion seiner Abfüllanlagen für Impfstoffe und andere Arzneimittel heute mit einem APS-System. Was die Einführung gebracht hat, erfahren Sie hier. Bild: Bausch+Ströbel 32 ADDITIVE FERTIGUNG Ein Schweizer Systemlieferant setzt bei einer Fertigungstiefe von 75 Prozent voll auf Lean Management. Selbst das einge- setzte ERP ist dabei immer wie- der auf dem Prüfstand. Bild: Ringele AG
NEWS COSCOM TITELANZEIGE: ZIMMER GROUP Mess- und Prüfmittel EINE SPINDEL MACHT DEN standardisiert anbinden UNTERSCHIED Fertigungs-IT-Plattform- Die Corona-Pandemie hat die Passagierluft- Anbieter Coscom betrach- fahrt hart getroffen. Während jedoch der tet nach eigenen Angaben Personenverkehr darnieder liegt, boomt Mess- und Prüfmittel genau- der Luftfracht-Sektor. Durch das verstärkte so als Betriebsmittel im Zer- Wachstum des Online-Handels steigt der Bedarf, die spanungsprozess, wie etwa ungenutzten Passagierflugzeuge zu Frachtflugzeugen Fräs- und Drehwerkzeuge. umzubauen. Ein Flugzeugumbau ist jedoch sehr komplex Deshalb sollten auch Mess- und erfordert hochqualifizierte Techniker und eine Viel- Bild: Coscom und Prüfmittel von Beginn zahl von Teilen, deren Verarbeitung zeitlich aufeinander eines Fertigungsauftrages abgestimmt sein muss, um einen reibungslosen Ablauf an den entsprechenden und eine rechtzeitige Fertigstellung zu ermöglichen. Da Stellen verfügbar sein. Häu- auch in der Flugzeugindustrie heutzutage immer mehr sogenannte Maintenance/Repair /Operation-Prozesse fig jedoch sähen klassische Tool- linie VDI/VDE 2623 vereinheitlichte (MRO) automatisiert werden, konnte die Zimmer Group Management-Systeme ausschließ- Calibration-Data-Exchange-Format jetzt mit einer in einer Roboterzelle integrierten, luftge- lich das CAD/CAM-Umfeld oder (CDE). Es soll künftig auch mög- kühlten Spindel inklusive Ethercat-Bedienterminal und die Werkzeugvoreinstellung als re- lich machen, Prüfmitteldaten über Frequenzumrichter einen Beitrag zur Automatisierung levant an. Das Coscom-System be- Internet-basierte Technologien dieser komplexen Umrüst-Prozesse leisten. trachtet hingegen die komplette zwischen verschiedenen Anwen- Betriebsmittelbereitstellung, was dungen auszutauschen. Die An- Zimmer Group bedeutet, dass auch die in der Fer- wendung dieser Richtlinie erlaubt Im Salmenkopf 5 tigung qualitätssichernden Prozes- also den zuverlässigen und schnel- 77866 Rheinau se miteinbezogen werden. Deshalb len Austausch von Prüfmitteldaten Deutschland möchte der Anbieter die operati- zwischen unterschiedlichen Syste- Telefon: +49 (0) 78 44 / 91 39-0 ven QS-Systeme mit einer standar- men, Abteilungen, Unternehmen Fax: +49 (0) 78 44 / 91 39-11 99 disierten Datenschnittstelle in sei- oder Werken. Deshalb nutzt der An- E-Mail: info@zimmer-group.de ne Shopfloor-Plattform integrieren. bieter sie in seiner Lösung Eco-Sys- www.zimmer-group.de Dazu nutzt Coscom das in der Richt- tem, um QS-Systeme anzubinden. EXTEND3D UND SPS ROBOMINDS UND HANDLING AWARD AR in der Qualitätssicherung Dritter Platz gesichert Extend3D, Anbieter von 3D-Augmen- toren, die Markierungen auf dem Bau- Robominds hat beim Handling Award ted-Reality-Systemen zur Werkerunter- teil erzeugen und dem Werker zeigen, in der Kategorie Robotik die Neuheit stützung, zeigt auf der SPS vom 23. bis wo er Bereiche bearbeiten muss. Der Robobrain Neuros eingereicht. Das 25. November eine Inline-Kontrolle für Clou ist, dass Referenzpunkte kontinu- Betriebssystem für intelligente Robo- Karosseriebauteile. Dazu wird am Mes- ierlich mitwandern. Seit kurzem lassen tik in der Industrie erreichte das Fina- sestand eine Elektrohängebahn inklusi- sich zudem die Position der Werkzeuge, le und den dritten Platz. Neuros steht ve Laserprojektoren, Schaltschrank und hier Schleif- und Polierwerkzeuge, sowie für Neural Robotic Operating System. SPS aufgebaut. Der Demonstrator soll die Verweildauer an den Arbeitspositio- Es ist auf den Industrie-PC Robobrain verdeutlichen, was das Projektionssys- nen erfassen. Auf diese Weise erkennt optimiert und unterstützt eine breite tem des Unternehmens in der Fließfer- das System, in welchem Stadium die Be- Palette an Komponenten wie Greifer, tigung leisten kann. Eine Fahrzeugtür arbeitung ist und welches Werkzeug ak- Roboter und Vision-Systeme. Mit der fährt durch das Sichtfeld zweier Projek- tuell verwendet wird. Auf zu schleifende Automatisierungsumgebung lassen Stellen projiziert das System sich Anwendungen in unterschiedli- zum Beispiel ein Dreieck, auf chen Industrien und bei verschiede- zu polierende einen Kreis. nen Unternehmensgrößen umsetzen. Die Form des Symbols ver- Die Funktionen der Robotikkompo- ändert sich erst, wenn der nenten lassen sich als sogenannte Bearbeitungsschritt erledigt Skills über den Robominds-Skill-Store Bild: Extend3D ist. Wenn das Teil an allen beziehen und adaptieren. Auch be- Stellen korrekt poliert ist, er- steht die Möglichkeit diese mittels ei- lischt die Projektion. ner SDK selbst zu entwickeln. 6 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
NEWS MPDV UND BOSCH-REXROTH OT und IT zu schließen. Mit der App niert so, dass beispielsweise Prozess- sollen sich künftig maschinen- und werte und Signale mit betriebswirt- IT und OT verbinden prozessorientierte Daten aus der Au- schaftlichen Daten wie Auftrags- oder tomatisierungsplattform erfassen Artikelnummer verknüpft werden. Bosch Rexroth hat für seine Automa- und um den betriebswirtschaftlichen Diese durch den SFG verarbeiteten tisierungsplattform ctrlX Automation Kontext ergänzen lassen. Zwecks Wei- Daten werden dabei automatisch in neue Partner ins Boot geholt – mit da- terverarbeitung und Analyse stellt die ein standardisiertes, semantisches In- bei ist auch der Fertigungs-IT-Anbieter App die aggregierten Daten externen formationsmodell eingeordnet. Fer- MPDV. Im Fokus dabei: Die App Smart Business-Anwendungen zur Verfü- tigungsorientierte Daten können so Factory Gateway (SFG) des Anbieters, gung. Das kann ein MES, ein ERP oder direkt in die Business-Anwendungen dessen Ziel es ist, die Lücke zwischen auch ein KI-Tool sein. Die App funktio- integriert werden. WA LT E R Schnellliefer- Service ausgebaut Über den Schnelllieferservice Xpress bietet Walter seinen Kunden Sonderwerkzeuge mit maximal vier Wochen Lie- ferzeit an, also in rund der Hälf- te der sonst üblichen Zeit – bei standardähnlichem Preis. Das war auch bisher bereits für be- stimmte Fräser, Bohrer oder auch Wendeschneidplatten möglich; nun weitet der Werk- zeuglieferant das Angebot auf Stechwerkzeuge und -Schneid- einsätze aus. Damit lassen sich jetzt auch die Monoblock- Stechwerkzeuge G1011 und G4011 sowie die zwei- bezie- hungsweise vierschneidigen Schneideinsätze der Systeme DIGITALISIERUNG IST DX und GX beziehungsweise KOMPLEX UND TEUER. MX über Walter Xpress bestel- len: in den Schaftgrößen 10 bis UND DIE ERDE IST EINE 50 Millimeter, als Vierkantschaft SCHEIBE. mit Anstellwinkeln von 0 bis 90 Unsere digitalen Produkte und Services beschleunigen Grad oder mit „Capto“ C3 bis C8. Ihre Fertigungsprozesse und senken dabei die Kosten. Der Anwender erhält schnellen Ob Warenausgabesysteme oder eine vernetzte Fertigung: Zugriff auf ein breites Portfolio Unsere Digital-ExpertInnen finden die genau passende Lösung. zum radialen Einstechen, Ab- www.hoffmann-group.com stechen und Stechdrehen, mit und ohne Präzisionskühlung, das er individuell für sich aus- legen kann. Er kann sein Werk- zeug, gemeinsam mit einem Walter-Ansprechpartner vor Ort online konfigurieren: mit der für ihn passenden Schaftvariante, in verschiedenen Anstellwin- keln, mit und ohne Innenküh- lung. Stefan, E-Business-Experte www.digital-manufacturing-magazin.de
TITELSTORY: AUTOMATISCHER WERKZEUGWECHSEL BESCHLEUNIGT FLUGZEUGUMRÜSTUNG Eine Spindel macht den Unterschied Der Bedarf, ungenutzte Passagierflugzeuge zu Frachtflugzeugen umzubauen, steigt. Ein Flugzeugumbau ist jedoch technisch komplex. Die Unternehmen ST Engineering Aerospace und Helios Applied Systems konnten die aufwändigen Prozesse mit Unterstützung einer Roboterzelle automatisieren. Einen wichtigen Anteil daran hat eine Motorspindel der Zimmer Group. VON GREGOR NEUMANN D ie Corona-Pandemie hat weltweit Angetrieben durch den Luftfracht-Boom Lieferketten gestört und Produk und das Wachstum des Online-Handels tionsbänder lahmgelegt. Seit über steigt so der Bedarf, ungenutzte Passa- einem Jahr ist die Wirtschaft im gierflugzeuge zu Frachtflugzeugen um- Die Roboter-Wechseleinheit Ausnahmezustand. Besonders hart hat es zubauen. Dies beschreibt der Begriff „Pas- ermöglicht es, die Motor dabei die Luftfahrtindustrie getroffen. Der senger to freighter“ (P2F). Basierend auf Luftverkehr wird aufgrund der Corona- dem aktuellen Markt, erwarten Analysten spindel gegen ein anderes Krise global in einem bislang beispiel eine wachsende Nachfrage in diesem Be- Werkzeug oder Handling- losen Ausmaß beeinträchtigt: Tausende reich. Neben Flugzeugherstellern profitie- Aggregat auszuwechseln. Flüge wurden storniert, teilweise werden ren auch Wartungsbetriebe, Fluggesell- komplette Flugzeugflotten geparkt und schaften und Leasingunternehmen von eingemottet. den Umrüstungen. mehr sogenannte MRO-(Maintenance/ Die Maßnahmen zur Eindämmung der Repair/Operation)-Prozesse automatisiert. Corona-Pandemie treffen neben dem Komplexer Flugzeugumbau Die Verstärkung der Bodenstruktur von Passagierverkehr auch die Luftfracht (ein- Ein Flugzeugumbau ist technisch gesehen Passagierflugzeugen, um schwerere Nutz- schließlich Luftpost), denn eigentlich jedoch sehr komplex. Dafür sind hoch- lasten aufzunehmen, ist solch ein arbeits- transportieren Passagierflugzeuge einen qualifizierte Techniker und eine Vielzahl intensiver Prozess. Dabei müssen Tau- großen Teil (zirka 50 Prozent) der Luftfracht. von Teilen erforderlich, deren Verarbei- sende von Löchern gebohrt werden. Profiteure der aktuellen Krise sind Fracht- tung zeitlich aufeinander abgestimmt Hier setzt die Luft- und Raumfahrtab- Airlines/Mixed Carriers (Frachter und PAX- sein muss, um einen reibungslosen Ab- teilung des in Singapur ansässigen Maschinen) sowie Charter- Airlines, die lauf und eine rechtzeitige Fertigstellung Unternehmens ST Engineering Aero- in diesen Zeiten sehr wahrscheinlich auf zu ermöglichen. Noch vor wenigen Jah- space Ltd. – einem Spezialisten für den Rekordergebnisse zurückblicken können. ren hat man viele Arbeitsschritte manu- Flugzeug umbau – auf die Unterstüt- ell durchgeführt, heute werden jedoch zung einer Roboterzelle. Das Unterneh- auch in der Flugzeugindustrie immer men arbeitet dafür seit 2019 mit dem ebenfalls in Singapur angesiedelten Unternehmen Helios Applied Systems Für die Flugzeugumrüstung lieferte die Zimmer Group eine luftgekühlte Spindel inklusive EtherCAT-Bedienterminal und Frequenzumrichter. Bild: ST Engineering 8 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
TITELSTORY: AUTOMATISCHER WERKZEUGWECHSEL BESCHLEUNIGT FLUGZEUGUMRÜSTUNG zusammen, um solche aufwändigen Pro Die Motorspindeln der Zimmer zesse zu automatisieren. Group ermöglichen eine hohe Produktivität und Präzision. Dies führt zu einer hohen Werkstück- Kollege Roboter hilft qualität. Bild: Zimmer Group Im Werk von ST Engineering bei Paya Lebah bohrt die Roboterzelle Dutzende Löcher in die Bodengitter des Flugzeug- typs 767-300ER von Boeing, um die- Flexibel durch Roboter-Wechseleinheit sen gemäß des STC (Supplemental Type Um bei künftigen Anwendungen flexi- Certificate) von Boeing in eine Frachtma- bler zu sein, wurde die Spindel an eine schine umzurüsten. Dieses Zertifikat ist Roboter-Wechseleinheit (WWS100F-001/ eine ergänzende Musterzulassung eines WWWS100L-001) – ebenfalls von der Flugzeugs und wurde durch eine Luft- Zimmer Group – montiert. Diese Robo- fahrtbehörde genehmigt. ter-Wechseleinheit ermöglicht es, die Bei der Umrüstung bewegt sich die Motorspindel gegen ein anderes Werk- Roboterzelle entlang der Bodenstruktur, zeug oder Handling-Aggregat auszu- so dass der Roboter die entsprechen- wechseln, um dadurch die Mehrfachnut- zeugt. Besonders begeistert waren wir den Löcher nach einem vordefinierten zung eines Roboters zu ermöglichen. auch vom Service der Zimmer Group, die Plan bohren kann. Die Zelle steht in ei- Zusätzlich hat der Automatisierungs uns während der ganzen Installation im- ner H alle, die praktischerweise direkt an spezialist eine Aufbewahrungsstation mer helfend zur Seite standen,“ so Mana- die umzurüstenden Flugzeuge angrenzt. für die Werkzeugaufnahme geliefert. Die ging Director Shyi-Herng Kan. Die Roboterzelle besteht aus einer hy HSK-Aufnahmen und Werkzeuge selbst draulisch anhebbaren, beweglichen Platt- wurden vor Ort von Helios zur Verfügung In der Zukunft vielbeschäftigt form, einem Yaskawa-Roboter mit 180 gestellt. Helios nutzt die Zimmer-Spindel Während sich der Roboter derzeit auf das Kilogramm Nutzlast, einem End-of-arm- mit einer Feldbusanbindung (EtherCAT). Bohren von Bodengittern konzentriert, Tool mit einem speziellem, von Helios arbeitet das Team von ST Engineering entwickelten Bildverarbeitungssystem mit Helios daran, die Maschine so zu pro- und einer Motorspindel mit sechs Kilo- grammieren, dass sie sich auch zum Set- watt Leistung sowie einer Hohlschaft- Wir schätzen die Zimmer Group zen von Senknieten einsetzen lässt. „Wir kegelaufnahme für den automatischem glauben, dass die Roboter diese Prozesse Werkzeugwechsel. als langjährigen Partner und sind gut bewältigen können“, betont Hui Fung von den Qualitäten der Spindel Lee, SVP und Leiter der Abteilung Innova- Auf die Spindel kommt es an absolut überzeugt.“ tion und kontinuierliche Verbesserung bei Neben Parametern wie Rundlaufgenau- ST Engineering Aerospace in einem Inter- igkeit und hohen Drehzahlen, war für SHYI-HERNG KAN, MANAGING DIRECTOR BEI HELIOS view der Zeitschrift „cargo facts“. die Wahl der richtigen Spindel eine wich- In den kommenden Monaten wird der tige Voraussetzung, dass sich diese mit- Die komplette Parametrierung hat das Roboter bei ST Engineering auch für an- tels Roboter-Wechseleinheiten einfach Unternehmen ebenfalls von dem Rhein dere Funktionen und für die Arbeit an an den bestehenden Roboter adaptieren auer Automatisierungsexperten erhalten. anderen Flugzeugmodellen program- lässt. Fündig wurde Helios beim Automa- Wichtige Punkte waren auch der umfang- miert, einschließlich der Umrüstung tisierungsspezialisten Zimmer Group aus reiche Produkt-Support und die Unterstüt- von Airbus-Frachtern. „Wir wissen, dass Rheinau in Deutschland. Dieser besitzt zung bei Software-Fragen während der das P2F-Verfahren sehr komplex ist und weltweit 13 Niederlassungen – drei da- Installation und beim Betrieb der Anlage. viele Menschen für den gesamten Um- von in Asien. Die Zimmer Group lieferte stellungsprozess benötigt werden“, er- Helios ihre luftgekühlte Spindel der Serie Gelungene Zusammenarbeit klärt Lee und führt fort: „Daher suchen HF145-001 mit einer Leistung von sechs „Durch die steife Konstruktion und dem wir ständig nach Möglichkeiten, unsere Kilowatt und einer maximalen Drehzahl sehr ruhigen Lauf der Spindel – auch bei Produktivität zu verbessern.“ Aufgaben, von 24.000 U/min, komplett mit Ether- höheren Drehzahlen – ist das Bohrergeb- die sich für eine Automatisierung eig- CAT-Bedienterminal, allen notwendigen nis sehr gut. Man muss bedenken, dass nen, seien in der Regel standardisiert Kabeln und mit dem abgestimmten Fre- diese Teile nicht ganz flach sind, so dass und sehr repetitiv, so Lee. Ab nächstem quenzumrichter. Dieser eignet sich be- das Vision-System die Position und den Jahr plant ST Engineering das Bohren sonders für exakte Positionieraufgaben Winkel jeder Bohrung erkennen muss“, er- von Bodengittern für die A321-200P2F- mit integrierter Sicherheitstechnik (STO) läutert Sunil Raibagi, Projektverantwort- Umrüstungsprogramme zu automatisie- und für Vorgänge bei geringer oder ho- licher und Vice President Business Deve- ren, die es über EFW – ein Joint Venture her Drehzahl. Darüber hinaus bietet der lopment and Strategy der Zimmer Group. mit Airbus – besitzt. RT Umrichter eine optimale Performance Auch der Kunde Helios zeigt sich zufrie- beziehungsweise Leistungsausbeute bei den: „Wir schätzen die Zimmer Group als perfekter Abstimmung von Spindel und langjährigen Partner und sind von den GREGOR NEUMANN arbeitet im Bereich Medien Frequenzumrichter. Qualitäten der Spindel absolut über- & Kommunikation bei der Zimmer Group. www.digital-manufacturing-magazin.de 7/ 2 0 2 1 9
EXPERTENUMFRAGE: AUTOMATISIERUNG Nicht nur KI ist ein wichti- ges Tool im Zukunftsbau- kasten der Automatisie- rungstechnik – aber es ist eines, das aktuell beson- ders im Fokus ist. Bild: Greenbutterfly/Adobestock KI voll im Trend Im Vorfeld der SPS Smart Production Solutions haben wir sieben Experten befragt, was für sie die aktuellen Trends 2. Die heutigen, komplexen Produktionsprozesse werden durch die zunehmende Digitalisierung für den Anwen- der transparent und somit handhabbar. Aus der Vielzahl der in der Automatisierung sind. Hier die Antworten. Produktions-Parameter und -Messwerte können neue Soft- waresysteme Rückschlüsse auf die Produktqualität und den Zu- stand der Maschinen ziehen, den Anwender informieren, alar- UNSERE FRAGEN AN DIE EXPERTEN mieren und notwendige Maßnahmen regelbasiert einleiten. 3. 1 it der SPS findet nun endlich wieder eine Präsenzmesse für die M KI wird weiter in die Fabrikautomation vordringen. Automatisierung statt. Welche Trends sehen Sie in der Fabrikauto Predictive Maintenance, Predictive Quality, Condition- matisierung mit Blick auf die Produktion im Vorfeld des Branchentreffs? Monitoring sind heute bereits als System-Lösungen verfüg- 2 elche Vorteile ergeben sich aus einer zunehmenden Digitalisierung W bar. Industrielle Bildverarbeitung und Cyber-Security sind der Produktion für die Anwender? weitere Anwendungen, die für Lösungen mittels KI prädesti- niert sind. Sie wird ihre Stärken in holistischen Systemen bei- 3 elche Rolle spielt die künstliche Intelligenz (KI) im Fertigungsalltag W spielsweise durch kombinierte Analyse von Bild- und Produk- heute und in Zukunft? tionsprozess-Daten, beweisen. Martin Reich Oliver Matipa Business Development Director Vertriebsleiter, Heitec AG DACH, Coretigo Israel 1. Als Spezialist für IO-Link-Wireless-Lösungen sehen wir in unseren Marktsegmenten drei Trends mit hohen Zuwachsraten, die durch IO-Link-Wireless-Lösungen initi- 1. Der Trend geht weiter in Rich- tung Smart Factory: „Schnel- ler zur vernetzen Produktion“ ist un- iert wurden: Es entstehen neue, flexible Maschinenkonzepte ser Leitmotiv. In den Fokus rücken Der Trend geht weiter in für die adaptive Fertigung, hochoptimiert und adaptiv. Als verstärkt Themen wie Absicherung Richtung Smart Factory: zweites entstehen IO-Link-Wireless-Sensoren und -Aktoren, und Optimierung der Produktion „Schneller zur vernetzen die die Grundlage für diese Maschinenkonzepte bilden. Der durch den digitalen Zwilling, trans- dritte Trend sind intelligente smarte Retrofit Lösungen, die parente Übersicht von Produkti- Produktion“ ist unser bestehende Anlagen zu modernen Anlagen transformie- onsdaten für Werks- und Produkti- Leitmotiv. ren und mit neuester Konnektivität ausrüsten. Die Vielfalt onsleiter mittels Dashboards oder an Sensordaten wird zukünftig in allgemein die Vorteile, die sich aus Remoteanwendungen er- zentralen, intelligenten, cloudba- geben. Die Chancen aus all dem werden immer stärker wahr- sierten Softwarelösungen analy- genommen. Auch nicht außer Acht zu lassen, ist der wach- Es entstehen neue, flexible siert und spielen zukünftig eine sende Trend zu mehr Cloudapplikationen. Maschinenkonzepte für die wichtige Rolle in der Produktions- optimiert und adaptiv. Planung und -Steuerung. Qualität adaptive Fertigung, hoch- und Wettbewerbsfähigkeit sind die treibenden Faktoren. 2. Wer auf Digitalisierung zurückgreift, hat definitiv mehr Chancen als Risiken. Wer seinen Bedarf kennt und auf die richtigen Lösungen setzt, profitiert von einer höheren Pro- 10 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
EXPERTENUMFRAGE: AUTOMATISIERUNG zesssicherheit und einer besseren Transparenz. So lassen sich zur Anomalie-Erkennung wären die lokalen Geräte jedoch beispielsweise Maschinenzustände für die vorausschauende überfordert. Hier ist wieder die Cloud gefragt. Wegen diesem Instandhaltung und Abwicklungsgrade von Aufträgen über- komplexen Zusammenspiel wird insbesondere der Zwischen- sichtlich abfragen und darstellen. Das ermöglicht eine bessere ton – „Edge Computing“ – in der Zukunft weiter an Bedeutung Planung für Hochproduktionsphasen, schnellere Reaktionszei- gewinnen. Denn die Edge kann schnell auf Ereignisse reagie- ten bei unvorhergesehenen Ereignissen oder auch ein schnel- ren und bringt gleichzeitig ausreichend Rechenleistung mit. leres Beheben von Störgründen durch eine Störgrundanalyse. Dies gilt für die schnelle Reaktion auf Ereignisse, aber auch für Digitalisierung in der Produktion dient als datengetriebene die Sicherheit der Unternehmensdaten. KI klingt immer erst Entscheidungshilfe zur Optimierung der Prozesse und Abläufe. kompliziert, das Gute ist jedoch: ihre Anwendung wird für die Nutzer zunehmend einfacher werden, denn vorgefertigte KI- 3. KI dient als Entscheidungsunterstützung auf allen Ebe- nen der Fertigung. Perspektivisch kann KI in Zukunft durch das Einspielen relevanter Daten selbst Entscheidungen Modelle und Prozess-Know-how der Anbieter unterstützen den Anwender beim Umgang und Anlernen der spezifischen KI. Das neuronale Netz muss der Anwender dann letztendlich treffen. So können Prozesse und Abläufe präziser und unvor- nicht mehr programmieren. eingenommener ausgewertet werden. Damit wird der kontinu- ierliche Verbesserungsprozess unterstützt und die Qualität der Produktion wie auch der Produkte steigt. Benedikt Sturm CTO & Mitgründer, Optalio Thomas Lantermann Senior Consultant Digitalization, 1. Mitsubishi Electric Einer der größten Trends ist weiterhin der digitale Zwil- ling. Damit können Anwender nicht nur den Produkti- onsaufbau, sondern auch Arbeitsabläufe darstellen und simu- 1. Ein wichtiges Thema ist unter anderem der digitale Zwilling und seine diversen Vorteile für Anwender und Anbieter von Automatisierungs- lieren. Die Verantwortlichen können damit die Maschinen und Einstellungen sehr genau aufeinander abstimmen. Und das be- reits vor der realen Umsetzung von beispielsweise Umbauten technik. Speziell die Bereiche des oder einer Produkteinführung. Ein weiterer Trend ist der hin zur digitalen Typenschildes, Life Cycle KI in der Fertigung. Daten verfügbar zu machen, ist aus tech- Die zunehmende Digita- Management, vorbeugende War- nischer Sicht nichts Neues. Jetzt geht es darum, diese auch zu tung und KI werden im Mittelpunkt nutzen und Mehrwehrte daraus zu ziehen. KI ist dafür präde- lisierung vereinfacht die stehen. Der positive Trend hält an, stiniert. Eine intelligentere Produktionsplanung, eine voraus- Interoperabilität und den dass IT und OT weiter zusammen schauende Instandhaltung und die Steuerung von Produktle- Datenaustausch zwischen wachsen. Das ermöglicht die trans- benszyklen sind hier nur einige Anwendungsbeispiele. den Komponenten. parente Einbindung der Produk- tion in die Wertschöpfungskette. Auch werden die Themen IoT-Gateways, Edge Computing, Analyse von Daten (in der Edge und Cloud) und KI vielfältig 2. Durch die Digitalisierung verbessert sich der Nutzen von Daten dramatisch. Sie ermöglicht tiefgehende Analysen, woraus sich diverse Optimierungspotenziale er- gespiegelt und allgegenwärtig sein. geben. Beispielsweise können Verantwortliche mithilfe einer KI-basierten Datenanalyse von Pro- 2. Die zunehmende Digitalisierung vereinfacht die Intero- perabilität und den Datenaustausch zwischen den Kom- ponenten. Sie fördert einheitliche Schnittstellen wie TSN, OPC duktionsplänen und Kapazitäten Engpässe erkennen und beheben. Maschinendaten lassen sich aber UA, MQTT und den Einsatz von Open-Source-Lösungen. All das auch für die Instandhaltung nutzen. Jetzt geht es darum, die verbessert die Transparenz. Dies gilt für die Automatisierungs- Auswertungen decken Anomalien bestehenden Trends auch hardware aber auch für Programmier-Werkzeuge und Enter- auf und verhindern Stillstände so- zu nutzen und Mehrwehr- prise-Software. Daten-Analyse in der Edge und in der Cloud wie Ausschuss. Die Beispiele lassen optimieren die Produktion weiter und führen zu Energie-Ein- sich beliebig fortführen. te daraus zu ziehen. KI ist sparungen und Ressourcen-Effizienz in vielen Bereichen. dafür prädestiniert. 3. KI dringt künftig in alle Bereiche der Wertschöpfungs- kette vor. Das bringt Chancen und Herausforderungen 3. KI hat bereits Einzug in die Fertigung gehalten und wird zunehmend an Bedeu- tung gewinnen. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig – und für die Produktion mit sich. Denn bei den schnellen Abläufen längst noch nicht ausgereizt. Das liegt an der Leistungsfähig- in der Roboter-Automatisierung kann eine Analyse der Echt- keit von KI und ihrem immensen Potenzial: von der Analyse zeitdaten in der Cloud bei den Reaktionszeiten nicht mithal- komplexester Vernetzungen bis hin zur eigenständigen Muste- ten. Die vorbeugende Wartung muss direkt in den Geräten rerkennung. Sie zeigt Handlungsbedarf auf und analysiert dazu mittels KI durchgeführt werden. Mit großen Datenmengen Datenmengen, die der Mensch selbst nicht erfassen kann. www.digital-manufacturing-magazin.de 7/ 2 0 2 1 11
EXPERTENUMFRAGE: AUTOMATISIERUNG UNSERE FRAGEN AN DIE EXPERTEN einer Anlage sein, wobei der Algorithmus das Werkzeugalter, die Qualität des Verbrauchsmaterials und die aktuellen Umge- 1 it der SPS findet nun endlich wieder eine Präsenzmesse für die M bungsbedingungen berücksichtigt. Machine Learning kann zu- Automatisierung statt. Welche Trends sehen Sie in der Fabrikauto dem Hilfestellung bei der Erkennung von Abweichungen zum matisierung mit Blick auf die Produktion im Vorfeld des Branchentreffs? Normalverhaltens der Maschine geben. 2 elche Vorteile ergeben sich aus einer zunehmenden Digitalisierung W der Produktion für die Anwender? 3 elche Rolle spielt die künstliche Intelligenz (KI) im Fertigungsalltag W heute und in Zukunft? Marcus Bliesze Vice President Marketing Factory Automation, Siemens AG, Digital Industries, Factory Automation 1. Da ist zunächst der zunehmend profitable Einsatz von digitalen Zwillingen: Mittels eines vollständig webba- Frank Woortmann sierten Prozessleitsystems beispielsweise lässt sich die Produk- Vice President Vertical Market tionsflexibilität stark er- Management Factory Automation, höhen. Zudem richtet Phoenix Contact sich der Fokus verstärkt auf die Nachhaltigkeit Wichtig für den Erfolg ist aber durch energieeffizien- nicht eine Technologie. Es gilt KI 1. Da fallen mir spontan folgende wichtige Trends ein: CO2- Reduzierung und Effizienzsteigerung durch Digitalisie- rung. Es gibt einen starken Umsetzungswillen in der Industrie, te Produktion und In- frastruktur. Auch die Standardisierung ist ein ebenso zu nutzen wie Additive Fertigung, Autonome Robotik, Energieverbräuche einzusparen und entsprechende Maßnah- wichtiges Thema, mit Simulation, Konnektivität und men einzuführen. Ziel ist es, nachhaltiger zu produzieren. Das der OT- und IT-Netzwer- erfordert eine vollständige standortübergreifende Vernetzung ke zusammengeführt intelligente Geräte, Cybersicher- zwischen OT- und IT-Systemen, nur so lassen sich alle Daten werden sollen. Das er- heit und Datenanalytik. auswerten und nutzbringend zur Optimierung einsetzen. leichtert die datenge- stützte Entscheidungsfindung von der Maschine bis zur Fab- 2. In der unternehmenseigenen Fertigung haben wir festgestellt, dass wir durch die Digitalisierung (Opti- mierungs-)Projekte wesentlich schneller umsetzen können. rikebene. Auch der sichere und trotzdem flexible Fernzugriff wird wichtiger. Und viele Unternehmen möchten ihr Geschäft skalieren, wobei Marktplätze und Eco-Systeme helfen. Sie bie- Weil alle Prozess- und Maschinendaten in vergleich- und aus- ten ein moderne Einkaufsplattformen auch für produktionsna- wertbarer Form vorliegen, können wir schneller zielgerichte- he Software und Dienstleistungen. te Entscheidungen treffen. Dabei unterstützen KI-basierte Systeme unsere Produktionsexperten bei- spielsweise durch automatische 2. Für die digitale Transformation brauchen Unternehmen die passenden Lösungen und Services, die ihnen, Vortei- le bringen: Qualitätssteigerung in der Produktion durch höhe- Da fallen mir spontan Verbesserungen oder Vorschläge. re Transparenz durch Informationen in Echtzeit beispielsweise; folgende wichtige Trends Ziel ist immer, einen größtmögli- eine Steigerung der Produktionsleistung durch digitale Arbeits- ein: CO2-Reduzierung und chen Output bei möglichst gerin- abläufe; schnellere Produktneueinführungen durch virtuelle Effizienzsteigerung durch gem Ressourcenverbrauch und ho- Tests; höhere Anlagenverfügbarkeit durch gezielte Diagnose her Produktqualität zu erreichen. und exakte Kalkulation von Anlagenwartungen. Darauf haben Digitalisierung. Insgesamt haben wir auf diese wir unser Lösungsportfolio ausgerichtet und berücksichtigen Weise das komplette Fertigungs- dabei die spezifische Anforderungen verschiedener Branchen. management – also welche Produkte zu welcher Zeit auf welcher Maschine hergestellt werden – optimiert und be- kommen außerdem eine detaillierte Übersicht, wie groß der CO2-Fußabdruck eines einzelnen Produkts ist. 3. Dank künstlicher Intelligenz (KI) lässt sich das enorme Potenzial auf Basis heute bereits vorhandener Daten aus den Produktionsumgebungen bereits schrittweise erschließen. Und erste reale KI-Anwendungen sind bereits im industriellen 3. KI wird eine wesentliche Komponente beim Betrieb von Maschinen und Anlagen sein. Mit Blick auf die Alterspy- ramide gestaltet es sich immer schwieriger, vakante Fachkräf- Alltag angekommen: Spracherkennung zum Bearbeiten einfa- cher Aufträge, das Erfassen von Umgebungen mittels Kameras, Laser- oder Röntgenstrahlen bis hin zu virtuellen persönlichen testellen wieder zu besetzen. Deshalb wird es notwendig sein, Assistenten in der Logistik. Wichtig für den Erfolg ist aber nicht dass Machine-Learning-Algorithmen den Betreiber und An- eine Technologie. Es gilt KI ebenso zu nutzen wie Additive Ferti- lagenführer bei der optimalen Funktion der Maschine unter- gung, Autonome Robotik, Simulation, Konnektivität und intelli- stützen. Das kann die Ermittlung von Einstellungsparametern gente Geräte, Cybersicherheit und Datenanalytik. 12 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
EXPERTENUMFRAGE: AUTOMATISIERUNG mengen zu analysieren und logisch zu verknüpfen. So können am Ende echte Mehrwerte generiert wer- den. Dabei ergänzen die KI- und Machine-Learning- Methoden die Automatisierungslösungen durch Dr. Björn Griese neue, bisher nicht zu erzielende Erkenntnisse. Eine Leiter Innovation- und verbreiteter Anwendungsfall ist die vorausschauen- R&D-Center, Weidmüller de Erkennung von Fehlerbildern. Hier kann mit Hilfe der KI die regelmäßige Wartung durch die zustands- basierte notwendige Instandhaltung ersetzt wer- 1. In den vergangenen Jahren hat das Thema Digitalisie- rung insgesamt ordentlich Fahrt aufgenommen. Immer mehr Funktionalitäten zur Steuerung einer Produktion wan- den. In der Zukunft wird noch weit mehr möglich sein. KI kann auch bei der dynamischen Anpassung der Fertigungsabläufe eingesetzt werden. JBI dern in die Cloud. Damit wird in den Fabriken ein echter Mehrwert möglich. Mit Indus- trial IoT-Technologien können wir eine durchgängige Kom- munikation vom Sensor bis in EINE NEUE ÄRA die Cloud aufbauen, mit de- KOLLABORATIVER nen sich Produktionsanlagen sehr einfach und intuitiv digi- TECHNOLOGIE talisieren lassen. BEGINNT 2. Die Flexibilisierung der Produktion ermöglicht dem Anwender einen sehr tie- fen Einblick ins Produktionsge- schehen und dies unabhängig vom Ort der Produktionsstät- te. Es stehen immer mehr Pro- duktionsdaten für die Analyse zur Verfügung. Eine Effizienz- und Produktivitätssteigerung lässt sich allerdings nur dann erzielen, wenn die gesammel- ten Daten durch Verarbeitung auch wirklich Mehrwerte ge- nerieren. Hier unterstützen wir unsere Kunden von der Daten- erfassung und -vorverarbei- tung über die Datenkommuni- kation bis zur Analyse. Die KI- und Machine- Learning-Methoden er- gänzen die Automatisie- rungslösungen durch neue, bisher nicht zu erzielende Sicher Leichtgewicht Höchste Schnelle Einfache ISO 10218-1 40 kg Zuverlässigkeit Einrichtung Programmierung Erkenntnisse. (inkl. ISO/TS15066) 3. Künstliche Intelligenz (KI) ist ein zentrales Mittel in der industriellen Pro- WWW.FANUC.DE duktion, um große Daten- www.digital-manufacturing-magazin.de
INDUSTRIEROBOTIK Ein Roboter als Farbenjongleur Der Lackproduzent Peter/Lacke bildet mit Robotik schnell und flexibel kundennahe Prozesse ab und bringt so Lacke schneller zum Serieneinsatz. Im Mittelpunkt steht der Lackierroboter IRB 5510 von ABB. VON MARC WISCHNEWSKI U m Lackiervorgänge so effizient wie möglich zu gestal- ten, setzen Unternehmen vielerorts auf Robotik. Gerade in der Automobilindustrie sind Roboter in den Lackier- Schnell, flexibel und für jeden Einsatz straßen kaum noch wegzudenken, bringen sie neben gewappnet: Der Lackproduzent Peter/Lacke hat sich im Rahmen der Lackentwicklung für den Effizienzvorteilen auch ein Plus an Schutz für die Mitarbei- Robotik entschieden. Kernelement der neuen tenden. In vorgelagerten Prozessen jedoch – wie der Entwick- Testanwendung bildet der Lackierroboter lung von Farben und Lacken – sind manuelle Prozesse häufig IRB 5510 von ABB. Bilder: Csaba Mester an der Tagesordnung. Ein wenig anders sieht es dagegen bei Peter/Lacke aus: Der Lackproduzent hat in seinem neuen Tech- nikum erstmals einen Industrieroboter von ABB implementiert und somit eine weltweit – und zählt namhafte Größen flexible Testanwendung geschaffen, die aus den Segmenten Automotive, Lifestyle dem realen Abbild seiner Kunden sehr und Glas zu seinen Kunden. Erst kürzlich nahekommt. So lassen sich Validierun- Da viele unserer Kunden mit wurde am Stammsitz im ostwestfälischen gen signifikant beschleunigen. Hiddenhausen ein neues Technikum zur Robotern lackieren, bestand Entwicklung von Farben und Lacken fer- Hidden Champion schnell Konsens darin, dass wir tiggestellt. Unterstützt werden die Mit Die Peter/Lacke Holding GmbH ist ein für unser neues Technikum arbeitenden vor Ort dabei erstmals von klassischer Hidden Champion. Gegrün- einem Lackierroboter – dem flexiblen det 1906, produziert das Unternehmen ebenfalls in Robotik investieren.“ und präzisen IRB 5510 von ABB. mit seinen mehr als 600 Mitarbeitern und FRANK ZUCHT, DIRECTOR GLOBAL APPLICATION „Da viele unserer Kunden mit Robotern Mitarbeiterinnen heute in neun Ländern BEI PETER/LACKE. lackieren, bestand schnell Konsens da- rin, dass wir für unser neues Technikum ebenfalls in Robotik investieren. Ziel war es, die Lackierprozesse unserer Kunden so repräsentativ wie möglich abzubilden. Ein großer Fokus lag dabei auf der Auto- mobilbranche, die einerseits den höchs- ten Automatisierungsgrad aufweist und anderer seits unser größtes Kundenseg- ment darstellt“, betont Frank Zucht, Direc- tor Global Application bei Peter/Lacke. Flexible Anpassbarkeit an die jeweilige Kundenanforderung Sobald beim Lackproduzenten ein neu- es Kundenprojekt startet, werden die exakten Lackierparameter des Kunden Dank Schnellwechselsystem abgefragt. Anschließend finden in der lassen sich die unterschiedlichen Anwendungstechnik Vorversuche mit Zerstäuber in kürzester Zeit aus- den unterschiedlichen Parametern und tauschen. Zur Versorgung mit Ein- oder Zweikomponenten Lackeinstellungen statt. Das jeweils bes- lacken steht eine geregelte te Ergebnis nimmt der technische Außen- Anlage zur Verfügung. dienst mit zum Kunden, um es auf dessen 14 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
INDUSTRIEROBOTIK GmbH & Co. KG – ein Unternehmen mit lang- jähriger Erfahrung in der Implementierung von Lackiersystemen. Nach eingängiger Analyse und Vorprojektierung setzte L&S eine entsprechende Robotik-Lösung in nur zwei Monaten um. Sie be- steht aus dem Lackierroboter IRB 5510 von ABB, der mit verschiedenen Applikationssystemen, di- versen Lackierpistolen und einem Hochrotations- zerstäuber ausgestattet ist. Dank Schnellwech- selsystem lassen sich die unterschiedlichen Zerstäuber in kürzester Zeit austauschen. Zur Versorgung mit Ein- oder Zweikomponenten lacken steht eine geregelte Anlage zur Verfü- gung. Darüber hinaus können verschiedene Pumpen oder Druckgefäße für Kleinstmengen angeschlossen werden. Ebenso maßgeblich für die zügige Projekt umsetzung war der Einsatz der Simulations- und Offline-Programmiersoftware RobotStudio Mikro- von ABB, mit der man die komplette Roboter anlage in einer virtuellen 3D-Umgebung erstel- len, simulieren und testen konnte. fertigung „Den größten Vorteil der neuen, roboterge- stützten Anlage sehen wir darin, dass Peter/ in hochster Lacke nun in der Lage ist, auch komplexere 3D- Anlagen transferieren zu können. Ziel ist es, ein serientaugliches Ergebnis in möglichst kurzer Zeit Teile, die sie vorher manuell lackieren mussten, automatisiert lackieren zu können – mittels Prazision zu erzielen, ohne die Kundenprozesse in der S erie pneumatischer Zerstäubung oder Hochrota zu beeinträchtigen. Weil sich jedoch neue Lackier- tion. Beide Verfahren lassen sich dabei mit und Suchen Sie 3D-DLP- verfahren – wie etwa über einen Hochrotations- ohne elektrostatische Unterstützung ausfüh- zerstäuber – bis dato nur eingeschränkt in der ren“, betont Peter Hornschu, Vertriebsleiter bei Systeme, welche hauseigenen Versuchswerkstatt simulieren ließen, L&S Oberflächentechnik. „Damit kann exakt wie die Qualität von waren weitere Test beim Kunden unumgänglich. in der realen Umgebung des Kunden getestet Mikrospritzguss und Dies wiederum verlängerte die Zeit für die Validie- werden – was wiederum die Zeit für die Validie- der CNC-Bearbeitung rung entsprechend. rung signifikant verkürzt.“ Um alle unterschiedlichen Lackier-Applika erreichen? tionen abbilden zu können, die die Kunden Mehr Sicherheit für Mitarbeiter von Peter/Lacke einsetzen, war eine flexible Der Einsatz einer robotergestützten Testapplika- Robotik-Lösung gefragt: „Wir benötigten die tion hat sich für den Lackhersteller aus Hidden BITTE SEHR: Möglichkeit, schnelle Wechsel der Applikations- hausen gleich doppelt gelohnt. Neben der Mög- BMF3D.DE methode vorzunehmen, etwa von pneumati- lichkeit, schneller und vielseitiger zu testen und scher Zerstäubung auf eine Hochrotationsglocke damit früher die Serienreife seiner Lacke zu er- und umgekehrt. Wir haben keinen Serienbetrieb, langen, hat sich mit dem Wegfall manueller Ver- sondern arbeiten die neuen Aufgabenstellungen fahren auch die Sicherheit für die Mitarbeiter täglich ab“, fährt Frank Zucht fort. und Mitarbeiterinnen erhöht. Kaum verwunder- lich, dass das Unternehmen auch in Zukunft auf Validierungen signifikant beschleunigt Robotik setzt: „Wir sind sehr zufrieden mit dieser Um diese Herausforderung zu meistern, wandte neuen Lösung. Damit konnten wir für uns neue sich Peter/Lacke an die L&S Oberflächentechnik Anwendungen erschließen. Zudem planen wir, ein weiteres Lackierverfahren speziell für den Einsatz von Wasserlacken zu integrieren. Wir wer- den auch weiterhin genau beobachten, wie wir Robotik für die Entwicklung zukünftiger Lacke Die Robotik-Lösung besteht aus einem nutzen können. Ich sehe hier enormes Potenzial“, Lackierroboter IRB 5510 von ABB, der mit so Frank Zucht abschließend. RT verschiedenen Applikationssystemen, Lackierpistolen und einem Hochrota MARC WISCHNEWSKI ist Senior Sales Manager tionszerstäuber ausgestattet ist. bei ABB Robotics Deutschland. www.digital-manufacturing-magazin.de
KI KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN DER FERTIGUNGSSTEUERUNG r plant die Hie ereits m sind b Bei Vaco Maschinen te moderns ose Trans- rl und fahre tz. s te m e im Einsa portsy le m e n- ie Imp Da war d I eine logi- von K tierung sequenz . sche Kon acom Bilder: V mehrwöchiger Testzeitraum, bei dem die KI auf Herz und Nieren geprüft wur- kels in Serie fertigen, gleicht hier kaum de: Alle Planungen wurden als Simula- ein Produkt dem anderen. Es gibt keine tion gespeichert und genauestens be- Durchgängigkeit wie beim Spritzguss. gutachtet. Im März erfolgte dann der Kapazitäten, Qualifikationen, Rüstzeiten Michael Wetzel-Staar, Fertigungsleiter Go-live: „Man hätte es nicht schneller und vieles mehr: Der Fertigungsplaner bei Vacom, erläutert: „Wir haben nicht machen können“, resümiert Michael 1.000 Aufträge mit dem gleichen Ablauf. Wetzel-Staar. Seitdem nimmt die Künst- berücksichtigt bei der Auftragsplanung Wir haben 1.000 Aufträge, die alle einen liche Intelligenz die Planung vor. eine Vielzahl von Variablen. Dabei ist das unterschiedlichen Ablauf haben und bei Gerade die Tatsache der Individual- denen sich die logistischen Wege X-Mal und Einzelteilfertigung macht laut Mi- Ergebnis nie perfekt. Was bringt der kreuzen. Manche Bauteile gehen fünf- chael Wetzel-Staar, Fertigungsleiter bei Einsatz von KI? VON ANDREA BERNEKER bis zehnmal zwischen der Fräserei und Vacom, den Einsatz von KI für das Un- der Schweißerei hin und her.“ ternehmen so wichtig. Die gesamte Pla- Vacom hat bereits seit mehreren Jah- nungstätigkeit, die sonst mehrere Stun- D er Einsatz von Künstlicher Intelli- ren das Manufacturing-Execution-System den täglich in Anspruch genommen hat, genz (KI) setzt in vielen Bereichen (MES) Hydra sowie du das Advanced-Plan- erledigt jetzt die Künstliche Intelligenz. neue Potentiale frei. Warum sie ning-and-Scheduling-System (APS) Fedra „Wir nutzen die KI für die Einplanung der also nicht auch in der Fertigungs- von MPDV im Einsatz. Die Implementie- Aufträge und Arbeitsgänge am jeweili- planung anwenden? Ein Blick in die Pra- rung der einzelnen Applikationen erfolgte gen Arbeitsplatz. Davor war das Ein- und xis zeigt: „KI – übernehmen Sie!“ ist kei- seit 2015 sukzessive in mehreren Phasen. Umplanen eine rein manuelle Tätigkeit“, ne fixe Idee mehr, sondern reif für den Während das ERP üblicherweise als kommentiert Wetzel-Staar. Produktionsalltag. Leitsystem fungiert, sind bei Vacom ERP, Sobald sich nur ein Auftrag verspäte- Warehouse Management System (WMS) te, hieß es: Noch mal von vorn. Auch die Aus Tradition anders und MES inzwischen gleichberechtigt. neuen Aufträge mussten mit allen Ar- Die Vacom Vakuum Komponenten & beitsgängen zeitaufwendig einzeln ge- Messtechnik GmbH wurde 1992 in Jena KI seit März 2021 live plant werden. gegründet. Die Spezialität sind Vakuum- Die Entscheidung, die bestehende Pla- Das macht nun die Software in einem kammern sowie entsprechende Sonder- nung durch AI Planning von MPDV zu täglichen Planungslauf vollautomatisch, bauteile für Anwendungen im Hochva- ergänzen, fiel 2020. Noch im Sommer in den auch alle Neuaufträge einfließen. kuumbereich nach Kundenwunsch. Im startete die Testphase, im Herbst wurde Dieser Vorgang läuft über Nacht. Dann Gegensatz zu Unternehmen, die gro- die Planung im Produktivsystem imple- herrscht Datenruhe und die KI kann die ße Stückzahlen ein und desselben Arti- mentiert. Anfang 2021 folgte dann ein Planung sauber aufsetzen. 16 7/ 2 0 2 1 www.digital-manufacturing-magazin.de
KÜNSTLICHE INTELLIGENZ IN DER FERTIGUNGSSTEUERUNG Verfügung stehen. Eine lückenlose Per- sage- sonaleinsatzplanung samt Urlaubs- und r die Aus Nicht nu u ßen ist nach a Schichtzeiten sowie möglichst genaue fähigkeit auch nimmt n– Annäherungswerte bei den einzelnen Ar- gestiege n Planern die KI de rbeiten ab. beitsgängen zählen daher zu den Grund- eA repetitiv voraussetzungen für ein optimales Pla- nungsergebnis. „Wenn es bei den Planzeiten zu Ab- weichungen kommt und ein Auftrag schneller fertig ist oder doch mal länger dauert, führt das zu einer falschen Pla- nung. Da kann die KI noch so gut sein“, erläutert Wetzel-Staar. Verbesserte Termintreue und Durchlaufzeiten Das Hauptziel des KI-Einsatzes bei Va- com ist, die Termin- und Liefertreue zu erhöhen. Die KI ermöglicht durch die enorme Menge an Daten und deren Analyse, vorausschauender zu planen. Wahrscheinlichkeitsaussagen über Fer- tigungsereignisse der Zukunft werden „Bei uns sind alle Systeme aufeinander damit immer genauer. abgestimmt. Wir brauchen erst den au- Weiteres Ziel ist, die Durchlaufzeiten tomatischen Lauf von unserem ERP-Sys- Wir sind in der Lage, dem deutlich zu verringern. Wegen der Auf- tem, damit die neuen Aufträge erzeugt Kunden bei der Auftrags- tragsmenge und Komplexität war es bis- werden. Daraus entstehen Planaufträge, lang schwierig, den Überblick über alle die von der Disposition umgesetzt wer- bestätigung zu sagen, wann Teile und deren Status zu behalten. Mit- den. Sobald diese umgesetzt sind, ste- er sein kundenspezifisches hilfe des neuen Systems sollen nun die hen sie zur Einplanung in Fedra an“, er- Bauteil bekommt.“ Zeiträume, in denen ein Auftrag in der läutert Wetzel-Staar. Fertigung ist, verschlankt und verkürzt MICHAEL WETZEL-STAAR, FERTIGUNGSLEITER, VACOM werden. Das wiederum reduziert Umlauf- Es geht nicht mehr anders bestände und somit gebundenes Kapital. Bei Vacom sind etwa 1.200 Aufträge im stetigen Umlauf mit jeweils bis zu 20 Ar- geht. Er hat noch die Möglichkeit, einzu- Blick in die Zukunft beitsgängen, zwei bis drei Aufträge pro greifen. Auch wenn die KI die Ressour- Für ein Unternehmen aus dem Hoch- Maschine pro Tag und einen Planungshori- cen optimal und zuverlässig plant und technologiebereich, das wie Vacom zont von sechs Monaten. Damit die Künst- Michael Wetzel-Staar das Vertrauen in modernste Maschinen und fahrerlose liche Intelligenz immer mit ausreichend die KI als relativ hoch bezeichnet, hinter- Transportsysteme im Einsatz hat, war Daten versorgt ist, werden die Personalein- fragen die Mitarbeiter gerade jetzt in der die Implementierung von KI in der Pla- satzdaten für sieben Monate hinterlegt. Anfangszeit noch, ob sich die Aufträge nung eine logische Konsequenz, um „Das kann kein Mensch überblicken. nicht doch vielleicht besser planen las- den Weg in die Zukunft weiter zu be- Deshalb brauchen wir ein System, das er- sen – meist aber mit wenig Erfolg. schreiten. Auch nächste Schritte sind kennt, was als Nächstes bearbeitet werden Laut Michael Wetzel-Staar liegt allein bereits angedacht: Damit die Künst- kann und die folgenden Arbeitsgänge au- die Zeiteinsparung für die Planung bei liche Intelligenz noch exakter planen tomatisch einplant. Was die Produktions- rund 50 Prozent: „Der Kollege hat die kann, sollen künftig auch die Wegezei- menge und die Kapazität betrifft, können Hälfte seiner Arbeitszeit mit der Pla- ten berücksichtigt werden: „Das wird wir uns ohne das System nicht mehr wei- nung verbracht, jetzt hat er genügend gerade schon umgesetzt“, erklärt Mi- terentwickeln: Es geht nicht mehr anders“, Zeit, Dinge im ERP glatt zu ziehen.“ Das chael Wetzel-Staar. Zunächst einmal erklärt Michael Wetzel-Staar. sei unter anderem deshalb nötig, weil steht aber das ERP im Fokus: „Mit dem das ERP nicht vorsieht, dass ein anderes MES sind wir genau da, wo wir sein wol- Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser System die komplette Fertigungspla- len. Aber das Verzahnen ist noch der Die fertige Planung wird zwar abgespei- nung übernimmt – und zum Beispiel ei- Knackpunkt. Jetzt müssen wir erst mal chert – aber noch nicht final übernom- nen Start- oder Endtermin vorgibt. Dar- daran arbeiten.“ JBI men: Bevor die Produktion am nächsten aus resultieren manuelle Anpassungen. Morgen anläuft, schaut ein zuständiger Doch auch die KI benötigt Aufmerk- Kollege der KI über die Schulter, in dem samkeit und Pflege. Denn sie ist nur so ANDREA BERNEKER ist Marketing er die sogenannte Eskalationsliste durch gut wie die Informationen, die ihr zur Specialist Content bei MPDV. www.digital-manufacturing-magazin.de 7/ 2 0 2 1 17
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