Endgültiger Titel Manipulation und Verführung - fuks eV
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ISSN ISSN 0937-0803 0937-0803 2014 | März 2014 | November TITELTHEMA IN POLITIK, GESELLSCHAFT UND FORSCHUNG MANIPULATION IN POLITIK, GESELLSCHAFT UND WISSENSCHAFT Manipulation und Verführung Endgültiger Titel Herausgegeben von fuks e.V. fachübergreifendeHerausgegeben von fuks e.V. Unternehmensberatung Karlsruher Studenten fachübergreifende Unternehmensberatung Karlsruher Studenten
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K A R LSRUHER TR A NSFER Editorial Manipulation und Verführung Unsere tatsächliche Gegenwart wird Wahren entspricht. Fraglich ist selbst, ob regelmäßig durch unsere Wahrnehmung dies objektiv überhaupt erfassbar sein verzerrt. Denn die Wirklichkeit, welche kann. wir erfassen, ist lückenhaft, subjektiv, oft Ähnlich der optischen Täuschungen trügerisch oder auch einfach nur falsch. blendet uns die Umwelt und führt uns irre, Ganze Regierungen verschleiern Tat- sodass wir uns gezwungen sehen auf unser sachen und Geschehnisse, die niemals ans subjektives Bewusstsein zurückzugreifen. Tageslicht treten werden. Die Presse als ein Bedenkt man all diese Dinge, so muss homogenes Informationsinstrument hat man zwangläufig sämtliche Informationen, längst ausgedient, sofern sie es denn jemals Berichte und Eindrücke, ja sogar unsere vermochte objektive Berichterstattung zu eigene Meinung hinterfragen und sich ge- betreiben. Gleichsam kreative, wie auch legentlich auch mit Kontrapositionen aus- gerissene Künstlerköpfe drängen uns dazu einandersetzen, um so unter Umständen Dinge zu kaufen, die wir im Grunde gar dann das etwas klarer zu sehen, was uns nicht wollen, geschweige denn brauchen die Scheuklappen der Umwelt sonst so ge- und die in der Realität nichts mehr mit konnt verwehren. dem perfekt mittels Photoshop in Szene Schließlich ist es genau diese bewusste gesetzten Produkten gemein haben, die Individualität, welche den Menschen vom uns ursprünglich doch so penetrant an- Tiere unterscheidet, sodass wir im Stande gepriesen wurden. Bereits kleine Kinder sind unser Weltbild von dem der anderen haben ein ausgeklügeltes System zu wel- zu differenzieren, sollte unsere Wahrneh- chem Zeitpunkt und in welchem Winkel mung uns triftige Gründe hierfür liefern. sie ihren Schmollmund ziehen und die Letztendlich sind wir trotz allem auf Kulleraugen glänzen lassen müssen, um unsere Sinne sowie die damit verbundenen das Objekt der Begierde von den Eltern zu Sinneseindrücke angewiesen, denn ohne bekommen und selbst gegen die Täuschun- sie sind wir lediglich der Mensch, welcher gen der Natur sind wir nicht gefeit. So lässt in der Wüste mit geschlossenen Augen den beispielsweise die afrikanische Wunderbee- Versuch unternimmt geradeaus zu gehen. re Süßes sauer schmecken und verwirrt da- Und kommen vom Weg ab. mit unseren Geschmackssinn. Im Grunde kann einem Niemand ge- nau sagen, ob das, was wir in einem Au- Anastasia Evsyukova genblick erfahren dem Tatsächlichen, dem Chefredakteurin
Im Detail 04 Wahrnehmung Meister der (Ent-)Fesselung 06 Harry Houdini Wählen, aber wie? 10 Die schwierige Entscheidung der „richtigen“ Wahl. Wie gerecht ist eine Wahl? Politik und Macht - Eine gefährliche Verbindung? 16 Ist die Demokratie eine schlechte Regierungsform? Das Gehirn malt - Die Mechanismen der menschlichen Sinne 20 Wie manipulieren uns die Sinne? Ist Einfluss messbar? 24 Wie erstellen Forbes etc. ihre Rankings
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Inhalt Zwischen den Welten 26 Im Gespräch mit Sebastian Fitzek über das Dasein als Autor Lügen enttarnen 30 Wie erkennt man Lügen Auf den Spuren des Sandmanns 34 Im Gespräch mit Prof. Maximilian Bergengruen über Manipulation und Verfolgungswahn in der Literatur Hormone und Manipulation 36 Wie können Hormone den Körper manipulieren? Die Kunst der Verführung 38 Ist Verführung lernbar? Er ist nicht süchtig 40 Eine fiktive Geschichte über Spielsucht Verführerischer Flimmerkasten 44 Die tägliche Versuchung Karlsruher Transfer / November 2014 3
Im Detail Unsere Wahrnehmung entsteht als ein Die vom Auge weitergegebene Infor- Zusammenspiel von dem, was unsere mation versucht das Gehirn aufzube- Augen erfassen und dem, was unser Ge- reiten, indem es Objekte mithilfe der hirn an Informationen verarbeitet. Ge- Erfahrung miteinander vergleicht und rade die wichtigen Faktoren für diesen dementsprechend zuordnet. Visuelle Prozess, nämlich die Erinnerung und Täuschungen kommen zustande, weil die Erfahrung, sind es jedoch, die uns das Gehirn durch den Vergleichsprozess trügerisch eine Illusion vorzugaukeln versucht das wahrgenommene Objekt vermögen. zu erkennen. Und verkennt es dann paradoxerweise.
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Meister der (Ent-)Fesselung Mit seinen gleichermaßen sensa- tionellen wie lebensgefährlichen Vorstellungen zieht Harry Houdini im frühen 20. Jahrhundert die Welt in seinen Bann. Die Massen sind begeistert, die Medien gelüstet es nach immer neuen aufsehenerregenden Darbie- tungen. Keine Herausforderung ist ihm zu groß – bis sein Ehrgeiz ihn schließlich das Leben kostet. Der Karlsruher Transfer blickt zurück auf das Leben des wohl größten Illusionisten aller Zeiten. von Christian Füllner 6 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Das Publikum hält den Atem an - die Span- Ein echter Magier mit paranormalen Fähig- eine Vielzahl an Münzen verteilt sich auf nung steigt ins Unermessliche. keiten? Ein Mann, der seine außergewöhn- dem Boden. In wenigen Momenten wird sich auf der Büh- lichen Leistungen einer besonderen, aber ne Dramatisches abspielen. natürlichen Begabung verdankte? Oder ein Erfolglose Anfänge als Magier Genau in ihrem Zentrum befindet sich ein aus Scharlatan, der sein Publikum nach Strich Mahagoni und Metall gefertigter Tank, von und Faden belog und manipulierte? Nachdem Erik Weisz in seiner Kind- unten bis oben mit Wasser gefüllt. Doch nicht heit als Zeitungsverkäufer, Schuhputzer, dieser Tank zieht die Blicke der Zuschauer auf aber auch als Zirkusakrobat Geld für die Kindheit in Armut sich, sondern das, was sich in diesem Moment Familie verdient hat, beginnt er im Alter noch darüber abspielt. Denn mit den Füßen Als am 24. März 1874 in Budapest der von 17 Jahren damit als Zauberkünstler in einer Metallplatte verankert hängt dort junge Erik Weisz als vierter Sohn eines un- aufzutreten. Fortan nennt sich der junge kopfüber eine menschliche Gestalt, bekleidet garischen Rabbis geboren wird, ahnt noch Mann Harry Houdini – Harry wohl als nur mit einem Schwimmanzug. Direkt neben niemand, welche große Karriere ihm ein- Anlehnung daran, dass ihn seine amerika- dem Tank steht eine vermummte Person, eine mal bevorstehen wird. Und auch als er im nischen Freunde statt „Erik“ eher „Ehrie“ Axt in der Hand und bereit, sofort einzugrei- Alter von vier Jahren mit seiner Familie in oder eben „Harry“ rufen, und Houdini aus fen, sollte eintreten, was wohl jeder im Publi- die Vereinigten Staaten auswandert, ist er Bewunderung für den französischen Ma- kum befürchtet. gier Jean-Eugène Robert-Houdin, der sein Langsam aber sicher wird die Gestalt in den großes Idol geworden ist. Tank hinabgelassen, bis sie sich vollständig Doch auch der Zauberkünstler Houdi- „They were not magicians, unter Wasser befindet; sodann wird der Tank ni hat es zu Beginn nicht leicht. Er versucht mithilfe der Metallplatte von oben verschlos- they were illusionists.“ sich an der gesamten Bandbreite der Zau- sen. berei, von Kartentricks über Illusionen bis Die Glasfront des Tanks gibt einen letzten zu seinen ersten Entfesselungstricks, tritt Blick auf die gefangene Gestalt frei, dann von Ruhm und Geld noch weit entfernt. zunächst mit seinem Bruder, später dann verbirgt ein Vorhang das weitere Geschehen. Zunächst in Wisconsin, später in New mit seiner Frau Bess in Wanderzirkussen York wächst der junge Erik in ärmlichen und auf Jahrmärkten auf – ohne großen Verhältnissen auf; schon früh muss er dazu Erfolg. Z u Beginn des 20. Jahrhunderts wa- beitragen, den Lebensunterhalt der Fa- Nach fünf schwierigen Jahren steht ren Situationen wie die geschilder- milie zu sichern. An seinem Antrieb, den Houdini kurz davor, die Künstlerkarriere te kein Einzelfall. Mit seinen un- Eltern das Leben zu erleichtern, wird sich an den Nagel zu hängen. Für 20 Dollar ist glaublichen, spektakulären und nicht selten bis zu seinem Lebensende nichts ändern: er sogar sein Geheimnis der Befreiung aus riskanten Auftritten hielt der Amerikaner Auch in den erfolgreichsten Jahren geht der Handschellen zu verraten bereit, und schal- Harry Houdini die ganze Welt in Atem. größte Teil des verdienten Geldes an seine tet eigens dafür ein Inserat in der Zeitung. Doch so recht erklären, wie es Houdini ge- Mutter. Dass niemand darauf eingeht, verdeutlicht lang, aus den schier ausweglosesten Situati- Bereits in jungen Jahren entwickelt nur Houdinis Scheitern. onen mit fast spielerischer Leichtigkeit zu Erik Weisz ein großes Interesse für die Zau- entkommen, konnte sich niemand. Nicht berei. Eines Tages, so heißt es, erbettelt er Meister der Vermarktung wenige behaupteten deshalb, er besäße Geld auf der Straße und versteckt es in sei- übersinnliche Kräfte und entkäme dem nem Haar und seinen Kleidungsstücken. Im Nachhinein erweist es sich als gro- Wassertank oder anderen Gefängnissen, in- Als er zu Hause von seiner Mutter begrüßt ßes Glück, denn Houdini gibt nun doch dem er sich dematerialisiere. wird, sagt er „Schüttele mich, ich bin ma- nicht auf und bald stellen sich erste Ach- Wer war der Große Houdini wirklich? gisch“. Die Mutter tut, wie geheißen, und tungserfolge ein. Seine Kunst, sich aus Karlsruher Transfer / November 2014 7
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Handschellen zu befreien, beeindruckt Houdinis größte 1899 Martin Beck, einen Theatermanager, der ihm zu regelmäßigen Auftritten in an- Coups gesehenen Theatern und im Folgejahr sogar zu einer Europatour verhilft. Er ist es auch, der Houdini überzeugt, sich künftig auf Buried Alive: die Entfesselungs- und Befreiungstricks zu Houdini lässt sich lebendig sechs Fuß un- konzentrieren. ter der Erde begraben. Auch weil ihn die Houdini avanciert zum „Handcuff H O Durchführung 1915 fast das Leben kostet, King“, der in der Lage ist, sich jedem Paar wählt er später andere Varianten, zum Bei- Handschellen zu entledigen. Seine wach- spiel das „Begräbnis“ in einer versiegelten sende Popularität verdankt er auch einer Kiste. ausgeklügelten Vermarktung. In einer Zeit, in der Mund-zu-Mund-Propaganda enor- me Bedeutung zukommt, sorgt Houdini Milk Can Escape: vor seinen Auftritten für mächtige Rekla- Houdini entkommt, obwohl gefesselt, ei- me, indem er beispielsweise sein Publikum ner mit Wasser gefüllten, verschlossenen, oder die örtliche Polizei herausfordert, sich überdimensionierten Milchkanne. mit ihren Handschellen an ihm zu versu- chen. Befreien kann er sich immer. Schon bald tritt er in den größten The- Chinese Water Torture Cell: atern und Zirkussen Europas und der Ver- Houdini wird kopfüber in einem einigten Staaten auf. Auch auf der Bühne Wassertank versenkt, wobei – zumin- ist er ein Meister der Show. Manchmal hat dest bei späteren Auftritten – die Füße er sich schon nach wenigen Minuten befreit am Deckel des Tanks arretiert sind. und wartet genüsslich hinter dem Vorhang, während das Publikum den Atem anhält. Ständig stellt sich Houdini neuen her- „Mein Gehirn ist der Strait Jacket Escape: ausfordernden Befreiungsaktionen – auch, Schlüssel, der meinen Houdini befreit sich ohne Hilfsmittel aus ei- um seinen Imitatoren immer einen Schritt Verstand freisetzt.“ ner Zwangsjacke, wobei er zur Steigerung voraus zu sein. Bis zu 40.000 Zuschauer des Schwierigkeitsgrades häufig kopfüber wohnen seinen spektakulären Auftritten gefesselt an einem Kran oder einem Wol- bei – Houdini ist ein Star, omnipräsent in überzeugt Houdini nicht, er wähnt einen kenkratzer hängt. Auf dem Höhepunkt sei- den Medien, erhält sogar mehrere Rollen in Betrug dahinter und gerät mit Doyle in nes Schaffens benötigt er für eine derartige Hollywood. Streit. Auch die Spiritisten sind erbost, sind Befreiung lediglich etwa drei Minuten. sie doch der Auffassung, dass Houdini in seinen Vorführungen echte magische Fä- Kampf den Spiritisten higkeiten einsetzt, öffentlich aber leugnet, Overboard Box Escape: Als 1913 seine geliebte Mutter stirbt, diese zu besitzen. Mit Handschellen und Fußfesseln verse- ohne dass er sich von ihr verabschieden Houdini wird so zum größten Kriti- hen begibt sich Houdini in eine Kiste, die kann, gerät Houdinis Leben an einen ker der Spiritisten und startet eine Aufklä- anschließend mit Gewichten beschwert im Wendepunkt. Nichts wünscht er sich sehn- rungstournee. Er platzt in Séancen oder New Yorker East River versenkt wird. Nach licher als noch einmal mit ihr in Kontakt nimmt verkleidet an ihnen teil, nur um weniger als drei Minuten taucht er bereits treten zu können. Sein Freund Sir Arthur im richtigen Moment die Betrüger zu ent- wieder an der Wasseroberfläche auf – Conan Doyle lädt ihn ein, an einer Séance larven. Er schreibt A Magician Among the natürlich ohne Fesseln. teilzunehmen, um den Geist der Mutter zu Spirits, ein Buch, in dem er die Tricks und beschwören. Doch das Ergebnis der Séance Effekte selbst ernannter Medien verrät, und 8 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG O U D I N I widmet sich diesem Thema ausführlich in Stundenlang macht er sich mit den neus- Sein Ehrgeiz und sein Übermut sind es seinen eigenen Vorstellungen: In den letz- ten Schlösser- und Handschellen-Modellen schlussendlich auch, die zu seinem frühen ten 13 Jahren seines Lebens macht die Auf- vertraut, bis er ihre Funktionsweise hun- Tod mit 52 Jahren beitragen. Immer wieder klärungsarbeit mehr als ein Drittel seines dertprozentig verstanden hat und jede ihrer propagiert er, seine stählerne Bauchmusku- Bühnenprogramms aus. Schwächen kennt. Im Alltag nutzt er jede latur könne jedem Schlag standhalten. Als Zugleich ist Houdini aber auch sehr freie Sekunde für Kartentricks oder das Lö- dann im Oktober 1926 ein Student plötz- fasziniert von Tod und Übersinnlichem. sen von Knoten, um seine Fingerfertigkeit lich mehrmals zuschlägt, ohne Houdini Nach seinem Tod, so haben sie es vorab zu erhalten und zu verbessern: Die linke Zeit zur Vorbereitung zu lassen, verschlech- besprochen, versucht seine Frau Bess jähr- Hand trainiert Houdini so lange, bis er tert sich sein Zustand dramatisch. Die lich mit ihm Kontakt aufzunehmen. Erst beidhändig ist. Er besitzt sogar eine große Schläge verstärken schon länger anhaltende nach zehn Jahren gibt sie es auf. Die Fesseln Badewanne im eigenen Haus, in der er täg- Bauchschmerzen, es kommt zu einer aku- des Jenseits bleiben wohl die einzigen, die lich trainieren kann, die Luft anzuhalten ten Blinddarmentzündung. Houdini nicht zu lösen vermag. – am Ende schafft er es mehrere Minuten Houdini jedoch kann sich nicht in lang. Zaum halten und sagt seinen Auftritt zwei Houdinis Ehrgeiz nimmt jedoch fast Tage später nicht ab. The show must go on. Alles für die Show krankhafte Züge an: Er ist sehr egozent- Schon während der Vorstellung verliert er Houdini ist ein Perfektionist. Para- risch und den Konkurrenten gegenüber erstmals das Bewusstsein, wenige Tage spä- normale Fähigkeiten besitzt er nicht. Sei- unnachgiebig. Sogar Fehler seines einsti- ter verstirbt er – welch tragischer Zufall – ne beeindruckenden Auftritte sind das gen Vorbilds Houdin macht er öffentlich, an Halloween, dem Tag der Geister. Ergebnis harten und intensiven Trainings. beschuldigt ihn außerdem des Plagiats. Karlsruher Transfer / November 2014 9
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Wählen, aber wie? Eine kleine Reise durch die Geschichte der Social Choice Theorie. Für Anregungen und hilfreiche Kommentare bei der Abfassung dieses Artikels bin ich Anselma Wörner und Tobias Dittrich sehr dankbar. von Professor Clemens Puppe Institut für Volkswirtschaftslehre Karlsruher Institut für Technologie (KIT) W ir treffen unentwegt gemein- 1 Warum nicht einfache Vor allem aber kann es passieren, dass be- same Entscheidungen und Mehrheitswahl? stimmte Parteien im Unterhaus “überre- müssen dabei verschiedene präsentiert” sind, d.h. dass Parteien mit individuelle Interessen und Vorlieben an- Im Mai 2011 fand im Vereinigten Kö- einer niedrigeren Gesamtunterstützung in gemessen berücksichtigen: bei der Wahl nigreich ein Wahlrechtsreferendum zur Fra- der Bevölkerung dennoch einen größeren der Abendunternehmung im Freundeskreis ge statt, ob die bestehende einfache Mehr- Anteil der Sitze im Unterhaus erhalten. (Kino, Theater, oder lieber in die Kneipe?), heitswahlregel (dort unter dem Namen Aus diesen Gründen wurde eine Reform bei der Wahl des Urlaubsortes der Familie “First-Pass-The-Post” (FPTP) bekannt) in hin zum “Alternative Vote” Verfahren vor- (ans Meer, in die Berge, oder eine Städter- ein Rangfolgewahlrecht (“Alternative Vote” geschlagen. Bei diesem Verfahren müssen eise?), bei der Bestellung eines neuen Vor- (AV), auch als “Instant-Runoff-Voting” be- die Wähler eine vollständige Rangfolge standsmitglieds der Fachschaft (den jungen kannt) geändert werden soll. aller Kandidaten abgeben (im Gegensatz dynamischen, aber unerfahrenen Erstse- Das Vereinigte Königreich ist in Wahlkreise zur einfachen Mehrheitswahl, bei der es ge- mester, die Feten-geprüfte Aktivistin aus mit etwa gleicher Bevölkerungszahl unter- nügt, dass jeder Wähler seinem jeweiligen dem 9. Semester, oder lieber den Kompro- teilt. In jedem Wahlkreis wird genau ein Lieblingskandidaten eine Stimme gibt). In misskandidaten?) und schließlich natürlich Kandidat für das Unterhaus in Westmins- einem ersten Schritt scheidet der Kandidat auch bei der Bestimmung der generellen ter gewählt. Die einfache Mehrheitswahl- mit den wenigsten ersten Plätzen in den politischen Richtung des Landes anlässlich regel (“First-Past- The-Post”) besagt, dass Rangfolgen der Wähler aus. Man betrachtet allgemeiner demokratischer Wahlen. der Kandidat mit der einfachen Mehrheit dann die um diesen Kandidaten reduzier- Was aber heißt es, die “individuellen In- im Wahlkreis den entsprechenden Sitz im ten aber ansonsten unveränderten Rangfol- teressen und Vorlieben angemessen zu Parlament gewinnt, während alle anderen gen und bestimmt, welcher Kandidat unter berücksichtigen”? Wie sollen die Regeln Kandidaten in diesem Wahlkreis leer ausge- diesen die wenigsten ersten Plätze erzielt, ausgestaltet werden, nach denen in diesen hen. Dies kann natürlich dazu führen, dass dieser wird wieder gestrichen usw. Sieger ist und ähnlichen Situationen gemeinsame im britischen Unterhaus Kandidaten ver- der Kandidat, der zuletzt verbleibt. Die Be- Entscheidungen getroffen werden? treten sind, die nur geringe Unterstützung fürworter dieser Methode haben im In diesem kurzen Artikel soll ausgeführt in ihrem jeweiligen Wahlkreis erhalten Jahre 2011 die folgende Werbetafel benutzt. werden, dass dies ein interessantes und haben (aber eben immer noch die relativ keinesfalls triviales Problem ist. größte). 10 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG den anderen Kandidaten in einem paarweisen Vergleich geschlagen hätte. Man nennt einen Kandidaten, der jeden anderen Kandidaten im paarweisen Ver- gleich schlägt, einen “Condorcet Gewin- ner”. Beachte, dass ein solcher Condorcet Ge- winner nicht in jeder Situation existieren muss. Man könnte nun argumen- tieren, dass, wenn es schon einen Condorcet Gewinner gibt, dieser auch im- mer gewählt werden sollte. Tatsächlich gab und gibt es einige Autoren, die diese Ansicht vertreten (unter anderem auch Figur 1: FPTP versus AV Condorcet selbst, von dem weiter unten noch zu berichten sein wird). Der Stand- punkt ist aber durchaus anfechtbar. In der dargestellten Situation würden würden im ersten Wahlgang eines der Pubs Nehmen wir zum Beispiel an, 51% der die Kaffeeliebhaber gewinnen, nur weil und das Kaffeehaus die meisten Stimmen Wähler besitzt unter den drei Kandidaten sich die 70 % Biertrinker nicht einigen erhalten. In der anschließenden Stichwahl A, B und C die Rangfolge A > B > C können, in welche der Kneipen man gehen käme das Kaffeehaus jedoch nur auf 30% (“A vor B vor C”) während die restlichen soll. Je nach genauer Gestalt der vollstän- der Stimmen und das Pub würde mit 70% 49% die Rangfolge B > C > A (“B digen individuellen Rangfolgen über die der Stimmen gewinnen. vor C vor A”) haben, wie im folgenden Bei- verschiedenen Alternativen würden ver- Aber auch diese verfeinerte Wahlregel birgt spiel gezeigt. schiedene Kandidaten nach der Alternative Probleme. Im ersten Wahlgang der fran- Beispiel 1 Vote Methode gewinnen. Geht man aller- zösischen Präsidentschaftswahlen im April dings davon aus, dass “Kaffee” in den Rang- 2007 erhielt der Kandidat der folgen der Biertrinker immer an letzter Stel- konservativen UMP, Nicolas Sarkozy, etwa 51% der 49% der le steht, würde sich das Kaffeehaus niemals 31% der Stimmen, die Kandidatin Wähler Wähler als Sieger durchsetzen können. der sozialistischen Partei, Ségolène Royal, A B Eine andere (und einfachere) Methode, die etwa 26%, der Kandidat der liberalen B C das beschriebene Problem lösen kann, ist Zentrumspartei, François Bayrou, etwa C A die einfache Mehrheitsregel mit Stichwahl 19% und der rechtsextreme Kandidat (“Plurality with Runoff”). Jean-Marie Le Pen etwa 10% der Stimmen. Bei dieser Methode, die unter anderem bei Kein anderer der zwölf zugelassenen In dieser Situation ist Kandidat A zwar ein den französischen Präsidentschaftswahlen Kandidaten erhielt mehr als 5% der Stim- Condorcet Gewinner, wird aber zum Einsatz kommt, wird zunächst eine men. Im Mai 2007 gewann Sarkozy auch von 49% der Wähler als schlechtester einfacheMehrheitswahl durchgeführt, die Stichwahl gegen Royal mit ca. 53% der Kandidat eingestuft. Dagegen kann d.h. jeder Wähler gibt seinem Lieblingskan- Stimmen. Das Ergebnis wurde von Kandidat B den Status eines “Kompromiss- didaten eine Stimme. Die beiden Kandida- vielen Franzosen bedauert, insbesondere kandidaten” für sich beanspruchen. ten, die im ersten Wahlgang die meisten weil Meinungsumfragen vor der Wahl Die Wahl des Condorcet Gewinners A Stimmen bekommen haben, treten dann darauf hindeuteten, dass der liberale Kandi- kann in dieser Situation also nicht ohne in einer Stichwahl gegeneinander an. Sie- dat Bayrou sowohl Royal als auch Weiteres als unanfechtbar betrachtet wer- ger ist, wer in diesem zweiten Wahlgang Sarkozy im paarweisen Mehrheitsvergleich den. Wir werden weiter unten darauf die meisten Stimmen bekommt. Verwendet geschlagen hätte. In der Tat spricht zurückkommen. man dieses Verfahren im obigen Beispiel, vieles dafür, dass Bayrou zu dieser Zeit je- Es gibt aber ein stärkeres Argument, das Karlsruher Transfer / November 2014 11
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG gegen die einfache Mehrheitsregel mit an- Mit anderen Worten, die größere Unter- Weise die Heldin des Buches, Natana, zur schließender Stichwahl spricht: diese Regel stützung für Kandidat A schadet diesem Äbtissin eines Klosters gewählt wird verstößt nämlich gegen ein sehr grundle- Kandidat und sorgt nun dafür, dass ein an- (“En qual manera Natana fo eleta abades- gendes Monotonieprinzip, die sogenannte derer Kandidat (in diesem Fall C) sa”). Dabei spielen paarweise Mehrheitsver- “Positive Responsiveness”. gewinnt! gleiche Betrachten wir das folgende Beispiel: Verletzungen der Positive Responsiveness zwischen den verschiedenen Kandidatin- oder ähnlicher Monotonie Bedingungen nen eine entscheidende Rolle. Beispiel 2 werden als sehr problematisch angesehen. Es gäbe 17 Wähler mit folgenden Rangfol- So hat das Bundesverfassungsgericht gen zwischen den drei Kandidaten A, im Jahre 2008 das Deutsche Bundestags- B und C: wahlrecht wegen des verwandten Phänomens des “negativen Stimmgewichts” 6 5 4 2 als verfassungswidrig erklärt und Wähler Wähler Wähler Wähler eine Neuregelung des Bundestagswahl- A C B B rechts veranlasst.2 B A C A In Frankreich gibt es gegenwärtig ebenfalls C B A C eine Reihe von Initiativen mit Figur 2: Ramon Llull dem Ziel, das französische Präsidentschafts- In dieser Situation erhalten A und B im wahlrecht zu reformieren.3 Bislang Etwa 160 Jahre nach Lullus hat sich der ersten Wahlgang (einfache Mehrheitswahl) war allerdings keine dieser Initiativen er- Philosoph, Theologe, Jurist, Mathematiker die meisten Stimmen (beide Kandidaten er- folgreich, übrigens genauso wenig wie und Astronom Nikolaus von Kues (Nico- halten 6 Stimmen). Die Stichwahl zwischen das Wahlrechtsreferendum im Vereinigten laus Cusanus, 1401 – 1464) diesen beiden gewinnt A mit 11 zu 6 Stim- Königreich. mit dem Problem der Ausgestaltung von men (da sich die fünf Wähler mit C > A > Wahlverfahren beschäftigt. In seiner 2 Von Lullus über Cusanus zu B in einer Stichwahl zwischen A und B für Schrift De concordantia catholica (1433) Borda und A entscheiden). entwickelt er eine Methode, wie die Nehmen wir nun an, die beiden Wähler Condorcet römisch-deutschen Kaiser gewählt werden mit der Rangfolge B > A > C ändern ihre Die “Social Choice Theory”, wie die sollten. Die von Nikolaus vorgeschlagene Meinung zu A > B > C, d.h. diese beiden Theorie kollektiver Entscheidungen im an- Methode war ein Punkteverfahren, das die Wähler sehen nun den gelsächsischen gleich zu beschreibende “Borda- vorherigen Sieger A sogar noch vor Kandi- Sprachraum heißt, hat seit jeher einige der Regel” vorwegnahm. dat B. Wenn sich ansonsten nichts originellsten und weiter verändert, erhalten wir die folgende klügsten Köpfe angezogen und zu interes- Situation: santen Beiträgen inspiriert. Die frühesten überlieferten theoretischen Abhandlungen 6 5 4 2 zu dem Thema stammen von Wähler Wähler Wähler Wähler dem mallorquinischen Schriftsteller, Philo- A C B A sophen, Poeten, Logiker, Martyrer B A C B und Begründer der katalanischen Literatur, C B A C Ramon Llull, auch bekannt unter seinem lateinischen Namen Lullus (ca. Figur 3: Nicolaus Cusanus 1232 – 1315/16). Im 24. Kapitel seines Nun erhalten A und C die meisten Stim- berühmten Werkes Blanquerna (1283), Der Streit, der zwischen Jean-Charles Che- men im ersten Wahlgang (8 Stimmen nach allgemeiner Auffassung der erste valier de Borda (1733 – 1799), für A und 5 Stimmen für C), die Stichwahl Roman der europäischen Literaturge- Mathematiker, Ingenieur, Seefahrer und gewinnt aber C mit 9 zu 8 Stimmen. schichte, beschreibt Lullus, auf welche Mitglied der französischen Akademie 12 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG der Wissenschaften, und dem Marquis de Kandidat A ist mit 4 Stimmen der Gewin- 3 2 Borda Condorcet (1743 – 1794), Philosoph, ner bei einfacher Mehrheitswahl, wird Wähler Wähler Punkte Mathematiker, Revolutionär und ebenfalls aber von einer absoluten Mehrheit als Mitglied der Akademie der Wissenschaften, schlechtester Kandidat eingeschätzt (anders A B 3 mehr als dreihundert Jahre später stattfand, als in Beispiel 1 oben). Vergibt man den B C 2 gehört zu den intellektuellen drei Kandidaten Punkte nach Bordas Me- C A 1 Sternstunden der modernen Wissenschaft. thode, so gehen 4*3+3*1+2*1= 17 Punkte Es ging dabei um die Aufnahme an Kandidat A, 4*2+3*3+2*2=21 Punk- neuer Mitglieder in die Akademie, die bis te an Kandidat B und 4*1+3*2+2*3=16 Kandidat B ist der Borda Gewinner (mit dahin die einfache Mehrheitswahlregel Punkte an C. In diesem Fall ist also B der 32+23 Punkten), aber der Condorcet benutzte. Borda schlug dabei ein spezielles sogenannte “Borda Gewinner.” Gewinner ist A. Insbesondere würde also Punkteverfahren, die sogenannte bei einer paarweisen Mehrheitsabstimmung “Borda Regel” vor. Bei einem Punktever- der Borda Gewinner B gegen Kandidat A fahren bringt jeder Wähler verlieren, was im Übrigen genau die Kandidaten in eine Rangfolge. Die je- Condorcets Argument gegen die Borda Re- weils besten Kandidaten erhalten eine gel war. feste Punktezahl, die jeweils zweitbesten Ein weiteres Argument, das gegen die Wahl eine geringere Punktezahl usw. Sieger ist von B in diesem Beispiel spricht, der Kandidat, der die höchste Summe er- lässt sich aus der folgenden Beobachtung hält, wobei über die entsprechenden ableiten. Alle Wähler sind sich einig, Punktezahlen aller Wähler addiert wird. dass Kandidat C von Kandidat B dominiert Ein solches Verfahren wird z.B. beim wird. Die entscheidende Frage Eurovision Song Contest verwendet. Die lautet also “A oder B?” während C für den Figur 4: Jean-Charles Chevalier de Borda Borda Regel entspricht einer äquidistanten Ausgang der Wahl keine Rolle Verteilung der Punkte, also bei m Kandida- Das Borda Verfahren erfüllt die Bedingung spielt. Streicht man nun Kandidat C in al- ten z.B. m Punkte für die der Positive Responsiveness, d.h. rückt der len Rangfolgen ergibt sich die folgende jeweils Erstplatzierten, m - 1 Punkte für die Borda Gewinner in der Rangfolge eines Situation: jeweils Zweitplatzierten, usw., und Wählers um einen Platz schließlich 1 Punkt für die jeweils Letzt- nach vorne (bei ansonsten unveränderten 3 2 Borda platzierten. Rangfolgen), so bleibt dieser Kandidat Wähler Wähler Punkte Das folgende Beispiel erläutert Borda’s Mo- der Borda Gewinner. Außerdem wählt das tivation für sein Verfahren. Borda Verfahren in Beispiel 3 auch den A B 2 Condorcet Gewinner. Wie man anhand B A 1 Beispiel 3 von Beispiel 1 allerdings leicht sehen Es gäbe 9 Wähler mit folgenden Rang- kann, wählt die Borda Regel keineswegs folgen zwischen den drei Kandidaten A, immer den Condorcet Gewinner; in der Nun ist A sowohl der Borda als auch B und C. Tat ist dort der Borda Gewinner der “Kom- der Condorcet Gewinner. Mit anderen promisskandidat” B. Betrachten wir dazu Worten, die Tatsache, dass B der Borda 4 3 2 Borda die folgende Variante von Beispiel 1. Gewinner in der ursprünglichen Situation Wähler Wähler Wähler Punkte ist, hängt entscheidend vom Vorhan- Beispiel 4 A B C 3 densein des Kandidaten C ab, der aber B C B 2 Es gäbe 5 Wähler mit folgenden Rang- für den Ausgang der Wahl keine Rolle C A A 1 folgen zwischen den drei Kandidaten A, B spielen sollte. und C. Karlsruher Transfer / November 2014 13
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG zaggregationsregeln” bezeichnen, die nicht den letzten Platz abgerutscht ist). Dies ist nur jeweils einen kollektiven Gewinner, eine Verletzung von IIA; insbesondere zeigt sondern eine ganze kollektive Rangfolge das Beispiel also, dass die Borda Aggregati- bestimmen.8 Arrow formuliert nun einige onsregel diese Bedingung verletzt. plausible Mindestanforderungen an solche Die letzte von Arrow’s Forderungen ist un- Präferenzaggregationsregeln und zeigt, dass umstritten: es darf nicht sein, dass diese nicht miteinander vereinbar sind. die kollektive Rangfolge in jeder möglichen Die erste Forderung lautet, dass die Aggre- Situation mit der Rangfolge eines festen gationsregel in jeder denkbaren Situation, Wählers übereinstimmt (“No Dictator- d.h. für jede mögliche Verteilung individu- ship”). Man beachte, dass diese Forderung eller Rangfolgen, anwendbar sein soll (“Un- durchaus damit verträglich ist, dass die kol- restricted Domain”, im folgenden UD). lektive Rangfolge immer Die zweite Forderung ist, dass ein Kandidat mit der individuellen Rangfolge eines Wäh- einem anderen Kandidaten in der kollek- lers übereinstimmt, es darf nur nicht immer Figur 5: Marquis de Condorcet tiven Rangfolge vorgezogen werden muss, derselbe Wähler sein. falls dies in allen individuellen Rangfolgen Die Kontroverse zwischen dem Chevalier gilt (“Weak Pareto Principle”, im folgenden Arrows Unmöglichkeitstheorem: Falls es de Borda und dem Marquis de WP). mehr als zwei Kandidaten gibt, so Condorcet wurde zwar bald vergessen, Die dritte Forderung ist die berühmte “In- ist jede Präferenzaggregationsregel, die UD, spielt aber in der gegenwärtigen wissen- dependence of Irrelevant Alternatives” WP und IIA erfüllt, diktatorisch in dem schaftlichen Diskussion immer noch eine (im folgenden IIA) Bedingung: die Anord- Sinne, dass die kollektive Rangfolge immer wichtige Rolle. nung zweier Kandidaten in der mit der individuellen Rangfolge eines fes- kollektiven Rangfolge darf nur von der An- ten Wählers übereinstimmt. Insbesondere ordnung dieser beiden Kandidaten in den gibt es also im Fall von drei oder mehr Kan- 3 Es gibt kein Wahlverfahren individuellen Rangordnungen abhängen. didaten keine Präferenzaggregationsregel, ohne Nachteile: Um diese Bedingung zu verstehen, können die alle vier obigen Forderungen erfüllt. Das Unmöglichkeitsresultat von wir wieder Beispiel 4 betrachten. Das Bei- Arrow spiel zeigt nämlich, dass die Borda Regel die Bedingung der Independence of Irrelevant Es dauerte etwa weitere 100 Jahre bis Alternatives verletzt.9 Wie bereits bemerkt, der Mathematiker E. J. Nanson im Jahre ist Kandidat B der Borda Gewinner in 1883 eine erste systematische Untersu- der ursprünglichen Situation, in der drei chung verschiedener Wahlverfahren ver- Wähler die Rangfolge A> B >C und zwei öffentlichte (und seine eigene, heute nach Wähler die Rangfolge B > C > A besitzen. ihm benannte Methode entwickelte).7 Insbesondere liegt also Kandidat B in der Eine entscheidende Wende nahm die Soci- Borda Rangfolge vor Kandidat A. Nehmen al Choice Theorie aber im Jahre 1951 mit wir nun an, die beiden Wähler mit der der Veröffentlichung von Kenneth Arrows Rangfolge B > C > A ändern ihre Meinung Figur 6: Kenneth J. Arrow “Social Choice and Individual Values”. In zur neuen Rangfolge B > A > C. seinem Buch, das aus seiner Dissertation Dann wird A der Borda Gewinner und steht erwuchs, beweist Arrow sein berühmtes nun in der kollektiven Borda Rangfolge Es gibt verschiedene mögliche Lesarten die- Unmöglichkeitstheorem (eine Lücke im vor B, obwohl sich die relative Anordnung ses fundamentalen Resultats. Eine ist die ursprünglichen Beweis berichtigte Arrow zwischen A und B in keiner individuellen folgende: Wenn es kein universell akzepta- in der zweiten Auflage 1963). Arrow be- Rangfolge geändert hat (was sich geändert bles Wahl- bzw. Aggregationsverfahren trachtet verallgemeinerte Wahlverfahren, hat, ist ja nur, dass der “irrelevante” Kandi- gibt, dann wird eine kollektive Entschei- im Folgenden werden wir sie als “Präferen- dat C in zwei Rangfolgen vom zweiten auf dung nicht nur von den individuellen 14 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Rangfolgen der Wähler sondern immer chen kann. Nehmen wir wieder wie dort folgen und ein Wähler derart, dass dieser auch vom gewähltenWahlverfahren abhän- an, drei Wähler besitzen die Rangfolge A > Wähler durch nicht-wahrheitsgemäße gen. Diese Interpretation gibt zum Beispiel B > C und zwei Wähler die Rangfolge B > Angabe der Rangfolge einen für ihn güns- Wolfgang Leininger in seinem Artikel “The C > A. Der Borda Gewinner ist nach wie tigeren Wahlausgang erzeugen kann. Die Fatal Vote: Berlin versus Bonn”, in dem er vor Kandidat B, d.h. die drei Wähler mit Konsequenz des Gibbard-Satterthwaite die historische Abstimmung im Deutschen der Rangfolge A > B > C erhalten bei wahr- Theorems ist, dass Wahlen im Bundestag zur Hauptstadtfrage nach der heitsgemäßer Angabe der Rangfolgen ihren allgemeinen als interaktive, strategische Wiedervereinigung analysiert. Er kommt jeweils zweitliebsten Kandidaten. Wenn Entscheidungssituationen aufgefasst wer- dabei zu dem Schluss, dass man – bei un- diese drei Wähler nun aber wissen, dass den müssen, d.h. als strategische Spiele. veränderten Rangfolgen der Bundestagsab- die Borda Regel zur Anwendung kommt, Und zwar als recht komplexe: denn wenn geordneten – zu einem anderen Ergebnis haben sie einen Anreiz, statt der wahren manche Wähler (manchmal) einen Anreiz gekommen wäre (nämlich Bonn als Haupt- Rangfolge jeweils die Rangfolge A > C > B zur strategischen Stimmabgabe haben, stadt des wiedervereinigten Deutschlands), anzugeben (also Kandidat B auf den letzten falls die anderen Wähler wahrheitsgemäß wenn ein anderes Wahlverfahren benutzt Platz zu verweisen), denn dann lautet der abstimmen, wie sollen sie sicher sein, dass worden wäre. Borda Gewinner A, der Lieblingskandidat jene nicht auch einen Anreiz haben, stra- dieser drei Wähler. tegisch zu wählen? Und die Angabe wel- Diesen durchaus gravierenden Nachteil cher Rangfolge ist dann optimal? Welche 4 Jedes Wahlverfahren ist der Borda Regel hat der Chevalier übrigens gemeinsamen Angaben führen zu “gleich- manipulierbar: selbst gekannt und dazu bemerkt: gewichtigen” Zuständen, in denen keiner Das Gibbard-Satterthwaite “Meine Methode ist nur für ehrliche Men- einen weiteren Anreiz hat, sich abweichend Theorem schen bestimmt”. Aber gibt es nicht-dikta- zu verhalten? torischeWahlverfahren, die immun gegen- Und wie verhalten sich wirkliche Wähler in Sollten wir unter diesen Umständen über solcher strategischer Manipulation realen Entscheidungssituationen? Nun sind nicht einfach auf die problematischste der sind? Der geneigte Leser wird es an dieser wir mitten in der Spieltheorie, dem Forderungen von Arrow, Bedingung IIA, Stelle sicher schon ahnen: Nein, solche Mechanism Design und der Verhaltensöko- verzichten und z.B. Bordas Regel benutzen Wahlverfahren gibt es nicht! Dies ist der nomie angekommen. Das sind auch (die ja die anderen Forderungen von Ar- Inhalt des folgenden berühmten Theorems, sehr spannende Themen, aber für ein ande- rows Theorem erfüllt)? das unabhängig voneinander von dem res Mal. Ein gewichtiger Einwand gegen die Bor- Mathematiker und Philosophen Alan da Regel ist, dass sie manipulierbar ist in Gibbard und dem Ökonomen Mark Sat- dem Sinne, dass es manchmal von Vorteil terthwaite bewiesen wurde. sein kann, die individuelle Rangfolge nicht wahrheitsgemäß sondern “strategisch” Gibbard-Satterthwaite Theorem: Falls es anzugeben. Dies hängt eng mit der Ver- mehr als zwei Kandidaten gibt, letzung von IIA zusammen, wie man sich so existiert für jedes nicht-diktatorische- wiederum anhand des Beispiels 4 klarma- Wahlverfahren eine Verteilung von Rang- PROFESSOR CLEMENS PUPPE studierte Mathematik und Philosophie in Heidelberg und Berlin. Seine Promoti- on absolvierte er an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften der Universität Karlsruhe. Nach einem Forschungsaufenthalt als Post-Doctoral Fellow an der Harvard University habilitierte er sich im Jahre 1997 an der Universität Wien. Im selben Jahr erhielt er einen Ruf als C3-Professor an die Universität Bonn. Seit 2003 ist er Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftstheorie an der Universität Karlsruhe. Karlsruher Transfer / November 2014 15
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Politik und Macht – Eine gefährliche Verbindung? Winston Churchill sagte einmal „Die Demokratie ist die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.“ Welche Bedeutung haben diese Worte heute für uns? von Timotheus Stark D ie Macher der er- chen Floskeln der handelnden folgreichen Web- Akteure, deren Antworten mit TV-Serie „House of ein Lächeln und einem lapidaren Cards“ lassen Politik im Lichte „Glauben Sie mir“. des Churchill-Zitats erscheinen. In düsterer Atmosphäre verfolgt Doch wirklich substantielle Kri- der Zuschauer wie Kevin Spacey, tik am etablierten Politikbetrieb in der Hauptrolle des machia- geht über das übliche Politiker- vellistischen Demokraten Frank „Bashing“ hinaus. Bereits 1962 Underwood, seinen intriganten begründete der spätere Wirt- Weg vom „Majority Whip“ bis schaftsnobelpreisträger James zum Präsidentenamt der USA Buchanan zusammen mit Gor- geht. Skrupellos tut er alles um don Tullock die Public-Choice- seine Position zu verbessern. Schule mit der Veröffentlichung So manipuliert er Gegner und des Buches „The Calculus of Kollegen oder tauscht frühere Consent“. Damit begann ein Gefallen gegen Gefolgschaft ein. Umdenken bei der Betrach- Vertrauen wird ersetzt durch tung der Politik. Berühmt ist Druckmittel in der Hinterhand. Buchanans Umschreibung des Im weiteren Verlauf erklärt er Forschungsfeldes als „politics wi- zum Amtsantritt als Vizepräsi- thout romance“. Da er im letz- dent süffisant „Demokratie ist ten Jahr im Alter von 93 Jahren sowas von überschätzt“, weil er verstarb, werden wir nie erfah- es schließlich ohne eine einzige Stimme ge- die Serie die Realität in Washington zu 99 ren, was er von der Serie „House of Cards“ schafft hat, nur einen „Herzschlag entfernt Prozent abbilde. Das ist sicherlich etwas gehalten hätte. vom Präsidentenamt“ anzukommen. übertrieben, doch Spacey konnte sich den Politikbetrieb in den USA ansehen. Sein Politik ohne Romantik. In den Wirt- Der Hauptdarsteller zu den Hintergrün- Fazit: Politiker beneide er nicht. Aus diesem schaftswissenschaften bedeutet dies, die den: Abgeordnete hätten ihm erzählt, dass Alltag übernahm er für die Serie die übli- handelnden Personen als rationale Men- 16 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG schen wahrzunehmen. Diese haben ihr ei- Wunsch nach Interessenvertretung wieder- man sich auch den mit Abstand häufigsten genes Interesse im Blick: Sie wollen nicht geben. Für den Durchschnittswähler spie- Beruf der Abgeordneten an, so passt der nur Geld, sondern auch Macht, Ansehen len also Erwägungen wie „Was ist gut für Jurist vermeintlich gut in das Schema. Er und Wiederwahl. Das Bild vom gütigen mein Land?“ durchaus eine Rolle und der ist dazu trainiert, für Fälle unabhängig von und wohlmeinenden Politiker wird von Einfluss des Einkommens wird weit über- seinen eigenen Ansichten „aufrichtig“ und der Public-Choice-Schule hinterfragt, das schätzt. überzeugend einzutreten und erfüllt damit Geschehen mit Modellen der Nutzenmaxi- perfekte Voraussetzungen für die Politik in mierung analysiert und die Auswirkungen Statistiken in den USA haben zudem ge- Partei und Parlament. auf das politische System betrachtet. Was zeigt, dass die Wahlentscheidungen von bedeutet das für die Demokratie? Ökonomen und Nicht-Ökonomen zu Doch was wäre, wenn eine Wahl am Ende Die Basis der Demokratie besteht aus den verschiedenen Themen weit auseinander doch eine perfekte Interessenvertretung Wählern. Wie trifft er seine Wahlentschei- gehen, solange der Wähler uninformiert hervorbrächte? Wären die Probleme gelöst? dungen und wie nimmt er Einfluss auf das ist. Informiert er sich unabhängig von sei- Mitnichten. politische Geschehen? ner sozialen Schicht und seinem Alter sind seine Wahlentscheidungen meist nah an Buchanan zeigt uns, dass wir uns von der denen der Ökonomen. Was bedeutet das These verabschieden müssen, dass Politiker Das Bild vom gütigen und für die Politik und die Parteien, wenn der wohlwollend seien. Etwas, das vielen nicht wohlmeinenden Politiker schlecht informierte Durchschnittswähler gefällt, ist insbesondere bei Politikern om- zur Wahl geht? Dieser Wähler entschei- nipräsent: Die eigene Nutzenmaximierung. wird von der Public-Choice- det nach Bauchgefühl und somit meist in Und selbst wenn wir vom Wohlwollen der Schule hinterfragt. Übereinstimmung mit einem aktuellen Politiker ausgingen, müssten wir uns den- Stimmungstrend. Dies sind unter anderem noch von der Vorstellung der Politiker als Die Public-Choice-Ökonomen gehen da- Vorurteile gegen Ausländer, eine pessimis- platonische „Philosophenkönige“ verab- von aus, dass Menschen – in ihrem Sinne tische Sicht auf die Zukunft, Angst vor der schieden. Platon ging davon aus, dass Phi- – rational handeln. Sei es, um ihren Nutzen Entwicklung des Arbeitsmarktes und Be- losophen an der Macht die Gesellschaft in zu maximieren, oder nach einem altruisti- fürchtungen über die Allmacht der Märkte die richtige Richtung lenken könnten. Wir schen Ideal anderen Menschen zu helfen. und Unternehmen. sollten uns aber davor hüten, die Fehlbar- Doch was passiert an der Wahlurne tatsäch- keit von Politikern zu unter- und ihre In- lich? Politiker sind sich dieser Neigungen wohl telligenz zu überschätzen. Schaut man sich bewusst und gehen gerne darauf ein. Ideo- die ökonomische Bildung der Politiker an, Der Ökonom Bryan Caplan stellt in seinem logien, starke Persönlichkeiten und Grup- so kann man nicht davon ausgehen, dass Buch „The Myth of the Rational Voter“ die penzwänge können die Wähler stark beein- sie sich großartig vom Durchschnitt un- These auf, dass Wähler rational irrational flussen. Angela Merkel hat beispielsweise als terscheiden. Zudem mangelt es den staat- handeln. „vertrauenserweckende Mutti“ beeindru- lichen Institutionen erheblich an Informa- ckenden Erfolg, wobei kaum einer weiß, tionen, die in ihrer Dezentralität nur am Für den Wähler sind die Kosten einer wofür sie eigentlich politisch steht. Schaut Markt bestmöglich gesammelt werden kön- Wahlentscheidung verschwindend gering und eine Haftung für daraus resultierende Wahlergebnisse gibt es nicht. Da der direk- TIMOTHEUS STA R K te Einfluss des Wählers auf das Wahlergeb- studiert am Karlsruher Institut für Technologie nis ebenfalls verschwindend gering ist und Technische Volkswirtschaftslehre. gleichzeitig der Preis für Altruismus an der Er ist Local Coordinator der European Students for Wahlurne gegen null geht, entscheidet am Liberty und hat den Hayek-Club Karlsruhe Ende meist das Bauchgefühl. Im Ergebnis gegründet. sagen Wahlen so mehr über Stimmun- gen aus als dass hier Wählerstimmen den Karlsruher Transfer / November 2014 17
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG nen. Individuelle Präferenzen und Qualitä- ohne Einmischung der höheren Ebene wür- Rechts gleichen, was auch durch vermehrt ten sind und bleiben privates Wissen, auf den die Haushaltsdisziplin fördern und die vorgeschriebene, qualifizierte Mehrheiten das kein staatlicher Zentralplaner Zugriff Einbeziehung der Wähler stärken. Zudem gestützt werden könnte. Durchaus zielfüh- hat. Schaut man sich beispielsweise die Ab- kann der Wettbewerb von Ländern und rend ist auch ein Verbot von öffentlichen wrackprämie an, kann man erkennen, dass Kommunen dazu führen, dass Willkür re- Schulden bzw. Schuldenbremsen. Wunsch und Wirklichkeit einer staatlichen duziert und Wohlstand gefördert wird, weil Handlung weit auseinander liegen. Gekauft Bürger nun mehr Wahlfreiheit in Bezug auf Mehr denn je sind aber auch privates Enga- wurden nämlich meist Autos aus Asien. ihre Regierung bzw. Mandatsträger haben. gement und Unternehmergeist gefragt. In Deutschland gibt es beispielsweise Solidar- Gingen wir nun trotzdem vom Wohlwol- gemeinschaften zur Krankenvorsorge, die len und Allwissen der Politiker aus, so stellt sowohl günstiger sind als die Krankenkas- sich die Frage, ob die Instrumente des Staa- „Macht hat die Tendenz sen, als auch mehr und bessere Leistungen tes überhaupt in der Lage sind, die hehren zu korrumpieren, absolute anbieten. Einkommen und Krankenvorge- Ziele der Politiker durchzusetzen. Hier tref- Macht korrumpiert absolut!“ schichte spielen keine Rolle. Durch freiwil- fen wir auf eine Vielzahl von Problemen, Lord Acton liges Engagement ist so eine effiziente und die das staatliche Handeln stark behindern. patientennahe Alternative zu den Kranken- Das fängt an bei der Tatsache, dass Politiker kassen entstanden, die leider um politische Aufgaben delegieren müssen – hinein in die Anerkennung kämpfen muss. vielen Ebenen staatlicher Bürokratie. Stets Ebenfalls können direktdemokratische Ele- gibt es eine Menge Spielraum und dieser mente vor allem auf der kleineren Ebene Demokratie unterscheidet uns heute von wächst von Ebene zu Ebene. Auch hier tritt eine disziplinierende Wirkung haben. Per- den unfreien Gesellschaften in unserer der Eigennutz zu Tage: Die Abteilungen fekte Wahlentscheidungen sind zwar auch Welt. Wir sollten froh sein, dass wir den möchten möglichst viel Geld und Zustän- hier nicht zu erwarten, jedoch zwingt die Weg von der Diktatur zu einer Demokratie digkeiten an sich reißen. Lobbyisten kön- direkte Demokratie den Bürger sich mehr mit Rechtsstaat und freier Meinungsäuße- nen hier Gesetze und Subventionen ohne zu informieren und den Diskussionen zu rung geschafft haben. Jedoch sollten wir großes Aufsehen beeinflussen, gerade wenn folgen. Je kleiner die Ebene, desto stärker uns davor hüten, inhärente Probleme der es sich um „kleine“ Änderungen und Geld- kann man der Irrationalität des Wählers Demokratie zu ignorieren. Staatliches Han- beträge handelt, die in den Medien kaum durch institutionelle Kongruenz entgegen- deln erscheint deshalb nötig, weil es auch thematisiert werden. Außerdem sind staat- wirken. Das bedeutet, dass Nutznießer, scheinbares Marktversagen gibt, welches liche Institutionen und ihre Bürokratien im Entscheidungsträger und Steuerzahler eine uns nicht gefällt. Jedoch verlieren wir bei Vergleich zu Unternehmen am Markt träge stärkere Einheit bilden. Das Konzept der Marktversagen „Staatsversagen“ aus dem und beratungsresistent. Der Wettbewerb Haftung wird hierdurch bei der Stimmen- Blickwinkel und schaffen hierbei Proble- fehlt hier meist völlig und die Anreize zur abgabe gestärkt und die Erfahrungen in der me und Kosten, welche das Marktversagen Verbesserung sind niedrig. Schweiz zeigen, dass überproportional die- meist deutlich übertreffen. Reden wir von jenigen zur Wahl gehen, die sich informiert einer „Macht der Märkte“ oder einzelner Wie lassen sich diese Probleme vermeiden? haben oder die von dem Gesetz betroffen Unternehmen, so wollen wir dieser gerne Gibt es sinnvolle Instrumente, um staatli- sind. mit dem Staat begegnen. Doch wirtschaft- che Willkür zu reduzieren und das Eigen- liche und staatliche Macht unterscheiden interesse der Politiker auf die Interessenver- Eine starke Rolle könnten auch Verfassungs- sich gewaltig. Wirtschaftliche Macht wird tretung zu lenken? Im Kontrast zur weiter regeln spielen, die den Handlungsraum der durch den Wettbewerb attackiert, staatli- voranschreitenden Harmonisierung Euro- Politiker einen klar begrenzen. Dazu gehö- che Macht ist absolut und erlaubt keinen pas sollten Subsidiarität und Systemwett- ren beispielsweise das Verbot für staatliche Wettbewerb. Der große Historiker Lord bewerb gestärkt werden. Steuer- und Haus- Stellen diskriminierende Zwangsmaßnah- Acton ergänzte diese Erkenntnis mit deut- haltskompetenzen müssen auf die kleinen men zu ergreifen, sei es aufgrund von Ver- lichen Worten: „Macht hat die Tendenz zu Ebenen klar verteilt werden. Klare Zustän- mögen, Einkommen oder Herkunft. Die korrumpieren, absolute Macht korrumpiert digkeiten für die Länder und Kommunen Politik würde so mehr einer Herrschaft des absolut!“ 18 Karlsruher Transfer / November 2014
M A NIPUL ATION V ER FÜHRU NG Hey Du! Ja Du! Wir suchen Dich! LOGISTICS EXCELLENCE: INNOVATION DURCH FORSCHUNG TUP.COM BEWIRB DICH NOCH HEUTE Das Familienunternehmen DR. THOMAS + PARTNER GmbH Im Verlauf der letzten Jahrzehnte ist der Name DR. THOMAS DR. THOMAS + PARTNER GmbH & Co. KG & Co. KG (TUP) baut mit über 30 Jahren Erfahrung auf einer + PARTNER zum Inbegriff intelligenter Intralogistiklösungen Materialflussplanung und Automatisierungstechnik soliden Basis für Innovation. Ein Team von über 100 Spezi- geworden. Die technologische Spitzenposition verdankt das Am Sandfeld 9, D-76149 Karlsruhe alisten bildet das Rückgrat der Firma, zudem ist der Drang Unternehmen den erstklassigen Beschäftigten. TUP bietet Tel: +49 (0)721 7834 0, Fax: +49 (0)721 7834 119 nach Optimierung und neuen Herausforderungen der Antrieb anspruchsvolle Jobs in verschiedenen Bereichen. Z.B. JAVA E-Mail: infoka@tup.com, Web: http://tup.com der Karlsruher Softwareschmiede. TUP ist ein zuverlässiger Softwareentwicker (w/m) oder App-Entwickler, Android/iOS Partner bei konzeptionellen Fragen, kleinen wie großen Pro- (w/m). Aktuelle Stellenangebote findest du unter: Susann Mertens, Personalreferentin jekten, der Modellierung von Software sowie bei der Auswahl Schicke deine aussagekräftigen der passenden Technik. http://tup.com/karriere-bei-tup Bewerbungsunterlagen an: career@tup.com Besucht die Vorlesung “IT-Grundlagen der Logistik” (LVNr. 2118083) von Prof. Dr.-Ing. Frank Thomas am KIT. Im Sommersemester 2015 - Start am 15. April 2015 - immer mittwochs 14.00 bis 15.30 Uhr (IFL Geb. 50.38, Selmayr-HS Raum 0.22). Karlsruher Transfer / November 2014 Wir freuen uns auf Euch! 19
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