Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen
Erfahrungsaustausch Betrieb
von Hochwasserrückhaltebecken
in Baden-Württemberg

             19. Jahrestagung - Berichtsband

Messsysteme und Datenmanagement
im Pegelwesen
18. September 2012 in Heilbronn
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen
Erfahrungsaustausch Betrieb
von Hochwasserrückhaltebecken
in Baden-Württemberg

             19. Jahrestagung - Berichtsband

Messsysteme und Datenmanagement
im Pegelwesen

18. September 2012 in Heilbronn
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen
Impressum

Berichtsband zur 19. Jahrestagung
16. Jahrgang, September 2013
ISSN 1438-3586

Herausgeber:
WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH
Karlstraße 91
76137 Karlsruhe
Telefon **49 (0) 721 824 489 20
Telefax **49 (0) 721 824 489 29
info@wbw-fortbildung.de
www.wbw-fortbildung.de

Redaktion:
Dr. Sandra Röck / Thorsten Kowalke,
WBW Fortbildungsgesellschaft für Gewässerentwicklung mbH
Rita Falkenburg, fabula.rasa

Gestaltung:
Markt & Strategie, Agentur für Medien & Kommunikation,
Eckhard Tröger, Freiburg

Umschlagbild:
Gundo Klebsattel

Gedruckt auf Papier aus 100% Recyclingstoffen,
chlorfrei gebleicht – umweltfreundlich hergestellt

Nachdruck – auch auszugsweise – nur unter Quellenangabe
und Überlassung von Belegexemplaren gestattet

Karlsruhe, im September 2013
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 3

        Inhaltsverzeichnis

        Programmübersicht                                                        |4

        Probestau: Praktische Erfahrungen mit Pegeln und Messtechnik             |6
        am Beispiel des Hochwasserrückhaltebeckens HRB Cappel von Öhringen
        Horst Geiger

        Notwendigkeit zuverlässiger Pegeldaten                                   | 10
        Thiele Brandt, Stefan Wallisch

        Mess- und Steuerungsanlagen von Einzelbecken                             | 16
        am Beispiel des Kulturwehres Kehl/Straßburg
        Harald Klumpp

        Datenmanagement eines Beckensystems                                      | 20
        Gerold Werner

        Exkursion:                                                               | 24
        Mit dem Schiff auf dem Neckar in Heilbronn
        Jakobine Biehl

        Verzeichnis der Veröffentlichungen                                       | 30

                                                                                        |3
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     Programm

      9.00 – 9.30    Eröffnung und Begrüßung
                     Wilfried Hajek, Bürgermeister für Bauen, Planen, Wohnen und Umwelt der Stadt Heilbronn
                     Prof. Franz Nestmann, Präsident des Wasserwirtschaftsverbandes Baden-Württemberg e.V.
                     Hans-Martin Waldner, Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft Baden-Württemberg

     Moderation:     Gundo Klebsattel
                     Schluchseewerk AG

     Eröffnungsvortrag

      9.30 - 10.00   Stadt am Fluss - Heilbronn und der Neckar
                     Annette Geisler, Stadtarchiv Heilbronn

     Verlässliche Messsysteme und Datenmanagement zur Gewährleistung des zuverlässigen Anlagenbetriebs

     9.50 - 10.10    Probestau: Praktische Erfahrungen mit Pegeln und Messtechnik
                     Horst Geiger, Große Kreisstadt Öhringen

     10.10 - 10.30   Die Notwendigkeit einer zuverlässigen Pegelmessung
                     Dr.-Ing. Stefan Wallisch, Brandt-Gerdes-Sitzmann Wasserwirtschaft GmbH Darmstadt

     10.30 - 10.40   Diskussion

     10.40 - 11.00   Kaffeepause

     11.00 - 11.20   Mess- und Steuerungsanlagen von Einzelbecken
                     am Beispiel des Kulturwehres Kehl/Straßburg
                     Harald Klumpp, Regierungspräsidium Freiburg

     11.20 - 11.40   Datenmanagement eines Beckensystems
                     Gerold Werner, Zweckverband Hochwasserschutz Elsenz-Schwarzbach

     11.40 - 11.50   Diskussion

     11.50 - 13.30   Pause und Präsentation
                     Präsentation der Messtechnik durch die Firmen

                     Endress+Hauser Messtechnik GmbH+Co. KG
                     OTT Hydromet GmbH
                     Rittmeyer GmbH Niederlassung Süd
                     SEBA Hydrometrie GmbH & Co. KG
                     VEGA Grieshaber KG

     An fünf Stationen werden Sie über die neuesten Produkte und Verfahren der Anbieter informiert.
     An jeder Station erfolgt eine 15-minütige Präsentation.

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 4 -5

        13.30 -14.30         Mittagspause

        Exkursion

         14.30 - 14.45       Einführung in die Exkursion
                             Jakobine Biehl, Stadt Heilbronn

        14.45                Exkursion
                             Sperrtor, Schleuse und Hafen - ein Blick vom Neckar
                             Bootsfahrt vom Götzenturm zur Insel

        17.30                Ende der Veranstaltung

                                                                                   |5
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     Probestau: Praktische Erfahrungen mit Pegeln und
     Messtechnik am Beispiel des Hochwasserrückhaltebeckens
     Cappel von Öhringen
     Horst Geiger

     1. Kurzvorstellung des Hochwasserrückhalte-                die Entscheidung, da nach Probestauvorschrift (vom
        beckens Cappel                                          31.8.2008) der Probestau mindestens für vier Tage zu
                                                                halten war.
     Das der Stadt Öhringen gehörende und von ihr betrie-
     bene Hochwasserrückhaltebecken HRB Cappel (Tro-            4. Ablauf des Probestaus mit Feststellungen
     ckenbecken im Hauptschluss mit Qab = HQ25) hat ein
     Rückhaltevermögen von 320.000 m³. Dieses knappe            Am Dienstag 7.12.2010 ab 9:45 Uhr begann der Stau in
     Rückhaltevolumen stellt für das 72 km² große Einzugs-      Absprache mit dem zuständigen Landratsamt. Selbst-
     gebiet in Verbindung mit der unterhalb auf ein HQ25        verständlich wurden alle nötigen und auch interes-
     ausgebauten Ohrn nur ein Schutzgrad für ein HQ50 für       sierenden Stellen darüber informiert und alle nötigen
     das Stadtgebiet sicher. Das Bauwerk wird ca. 1 km un-      Schritte eingeleitet. Was leider nicht gelang - obwohl
     terhalb und nach Einmündung des größten Zuflusses          eigentlich unter Vertrag – war, ein Team zur Durchfüh-
     wasserstandsabhängig gesteuert. Die Dammhöhe über          rung der Durchflussmessung herbei zu bringen. Es gab
     Grund beträgt 6 m. Zur Regelung wurden drei Tafel-         insgesamt fünf(!) Absagen, obwohl fast eine Woche Vor-
     schütze mit den Abmessungen von 3 x 2,5 m und zur          laufzeit bestand.
     Hochwasserentlastung drei Stauklappen mit den Ab-          Da die Steuerautomatik normal unterwasserabhängig
     messungen von 3 x 1,50 m angelegt, die den maximal         läuft, musste der Stauwärter bei jedem Regen das mitt-
     zulässigen Stau von 235,00 mNN wegen der Oberlieger        lere Tafelschütz manuell öffnen bzw. wieder schließen,
     gezielt mit Gegengewichten halten. Sowohl für das HRB      um den Stauspiegel auf der vorgegebenen 233,75 mNN
     selbst als auch für die Stauklappen gab es einschlägi-     zu halten. Der höchste Stau lag bei 233,80 mNN - also
     ge Modellversuche. Das Bauwerk wurde am 20.7.2007          es gelang sehr gut, obwohl wir gerne die Stauklappen
     eingeweiht.                                                getestet hätten. Diese waren nur knapp 30 cm einge-
                                                                staut.
     2. Randbedingungen zum Probestau                           In Absprache mit dem planenden Ingenieurbüro Fritz
                                                                erfolgte das Ablassen am Montag 13.12.2010 ab 14:15
     Sowohl nach dem Regelwerk (DIN 19700 Teil 12 Nr. 9.5),     Uhr: alle 5 Minuten wurde das mittlere Schütz um 5 %
     dem Planfeststellungsbeschluß des Landratsamtes            weiter geöffnet und damit eine kleine Hochwasserwel-
     Hohenlohekreis vom 2.3.2005 unter Nummer III 5.10          le produziert. Das Becken mit seiner Füllung von rund
     als auch dem Abnahmeprotokoll der Bauleistungen            200.000 m³ war gegen 17:35 Uhr leer. Am Landespegel
     vom 24.5.2007 sollte ein Probestau vor Ablauf der Ge-      Ohrn in Ohrnberg kam die Welle gegen 18:30 Uhr noch
     währleistung (vier Jahre) erfolgen. Mindestens ¾ des       mit einer Erhöhung um Q = ca. 20 m³/s an (insgesamt
     Vollstaus (Zv): 233,75 mNN ergibt ein Einstauvolumen       nicht mal HQ2). Selbst beim Kocherpegel Stein war die
     von 170.000 m³. Damit sind rund 11 ha überflutet.          Welle mit einer Erhöhung des Wasserstandes von 30 cm
     Eine Mindestwasserabgabe von 800 bis 1000 l/s (MQ)         um 22:30 Uhr noch festzustellen. Da leider keine Ab-
     ist dabei einzuhalten. Das Regenereignis muss mindes-      flussmessung am Steuerpegel erfolgte - das muss drin-
     tens 30-50 l/m² bzw. die HW-Warnstufe gelb (HQ2) sein.     gend nachgeholt werden - kann der Abfluss dort nur
     Der Probestau sollte außerhalb der Vegetationsperiode      anhand der vorliegenden hydraulischen Berechnungen
     sein.                                                      zu Q = 25 bis 35 m³/s geschätzt werden.
                                                                Der Stauwärter war dabei über 70 Stunden im Einsatz,
     3. Wahl des Zeitpunktes zum Probestau                      unterstützt durch seinen Stellvertreter weitere 20 Stun-
                                                                den. Der Betriebsbeauftragte war mindestens 50 Stun-
     Da es seit der Fertigstellung keine nennenswerten Er-      den vor Ort im Einsatz, weitere ungezählte Stunden zu
     eignisse gab, begünstigte kurz vor Ablauf der Gewähr-      Hause.
     leistung, ein kleines Ereignis im Dezember 2010 mit        Ein geringer Schaden an den landwirtschaftlichen Kul-
     Vorregen, Schneelagen und durch den virtuellen Re-         turen und die Kosten der Aufwendungen zur Besei-
     genschreiber VRS vorhergesagten weiteren deutlichen        tigung von Anlandungen wurden in Abstimmung mit
     Niederschlagsmengen, die Entscheidung. Der zum fol-        dem Landwirtschaftsamt den betroffenen Landwirten
     genden Wochenende hin gemeldete Frost bestärkte            erstattet.

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19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 6 - 9

   Für den homogenen Damm wurden Setzungs- und                                   men ein Serviceeinsatz organisiert, bei dem ein uner-
   Porenwasserdruckmessungen durchgeführt. Es wurde                              klärlich erhöhter Materialverschleiß am Schneckenrad
   versucht, alles Mögliche beim Probestau zu dokumen-                           des Getriebes (Messing) festgestellt wurde. Das Schne-
   tieren.                                                                       ckenrad wurde freundlicher Weise auf Kulanzbasis
                                                                                 ausgewechselt. Beim weiteren Tafelschütz war alles in
   Treibzeug                                                                     Ordnung. Es wurde bestätigt, dass keine Bedien- und
                                                                                 Wartungsfehler begangen wurden.
   Der Grobrechen wurde einige Zeit vor dem Probestau                            Auf die vorgesehenen aber leider nicht stattgefundenen
   vom Treibzeug freigeräumt. Das Räumgut wurde nicht                            Durchflußmessungen zum Steuerpegel wurde bereits
   sofort abgefahren und blieb im Stauraum zum Abtrock-                          hingewiesen.
   nen zurück. Im Zuge des Einstaus schwamm ein Haufen
   mit größeren Stämmen und Hölzern auf, der mit feine-                          Absperrungen
   rem Material blieb liegen. Selbstverständlich trieb die-
   ses sperrige Schwimmgut auf die Stauklappen zu und                            Beim Einstau wird plangemäß sehr bald der tiefer lie-
   es begannen ernsthafte Überlegungen, um es zu besei-                          gende Teil der Landesstraße L 1049 überflutet. Die
   tigen. Der aufkommende Sturm ließ das Schwimmgut                              durch behördliche Anordnung nach Polizeiaussagen
   dann an unkritischer Stelle am Ufer anlanden.                                 mustergültig erfolgten Absperrungen wurden durch
                                                                                 einige Verkehrsteilnehmer (ob jung oder alt) schlicht
   Fotodokumentation mit Helikopter                                              nicht beachtet. Diese fuhren ins Wasser und mussten
                                                                                 durch den Abschleppdienst geborgen werden - versi-
   Da in der Nachbarschaft eine Firma mit charterbaren                           cherungstechnisch sicher auf eigene Verantwortung.
   Helikopter ansässig ist, mit deren Hilfe zu anderen An-                       Zahlreiche Verkehrsteilnehmer zeigten kein Verständnis
   lässen bereits Bilder aus der Luft gemacht wurden, war                        wegen der Sperrung. Diese standen wohl unter erhebli-
   schnell ein Flugtermin bei einem sehr günstigen Preis                         chen beruflichen Zeitdruck. Aufgrund der Absperrungen
   abgesprochen. Bei klarem aber sehr frostigem Wetter                           musste der öffentliche Nahverkehr und der Räum- und
   konnten durch einen befreundeten und mit Helikopter                           Streudienst kurzfristig modifiziert werden.
   geübten Fotografen hervorragende Bilder vom teilge-
   füllten HRB aufgenommen werden, mit deren Hilfe der                           Ablassen
   Umfang der Überflutung gut belegt werden kann. Durch
   den erst sehr späten Einstau (erst ab HQ25) kann eine                         Beim Ablassen des Einstaus wurden durch die Anwe-
   Flutung möglicherweise in den nächsten Jahren nicht                           senden zum ersten Mal die auftretenden Wassergewal-
   mehr erlebt und aufgezeigt werden.                                            ten im Tosbecken erlebt. Sehr interessant zu beobach-
                                                                                 ten waren die Luftaufnahmen im Stau besonders an
   Probleme                                                                      den Wangen des Tafelschützes. Auf Wunsch können
                                                                                 die dazu entstandenen kleinen Filme zur Verfügung ge-
   Ein bedeutendes Problem zeigte sich am Montag vor                             stellt werden. Auch wurden die dabei entstehenden Vi-
   dem Ablassen. Zur Regelung des Staus wurde seither                            brationen im Dammkörper festgestellt, die über die Be-
   ausschließlich das mittlere Tafelschütz verwendet. Bei                        tonwände übertragen werden. Nur bei einem planmäßig
   dem hohen Wasserdruck sollten auch die beiden an-                             regelmäßigen Betrieb des Tafelschützes müssten dazu
   deren Tafelschütze getestet werden. Kurz nach Öffnen                          ergänzende Belüftungseinrichtungen montiert werden.
   löste der Überlastschutz des AUMA Stellantriebes eine                         Der planmäßige Betrieb des HRB findet aber extrem
   Störung aus. Das Schütz wurde danach mit der Rohr-                            selten erst ab HQ25 statt.
   zange (des glücklicherweise vorhandenen Werkzeuges),
   die am Horizontalgestänge zum Getriebe angesetzt                              5. Messdatenabgleiche
   wurde, und dem Handrad mit vereinten Kräften manuell
   wieder geschlossen. Obwohl die Gewährleistung von                             Um die Öffentlichkeit zum Ablaufen von Hochwasser
   bewegten Teilen nach zwei Jahren schon abgelaufen                             und zum Betrieb des HRB auf moderne Weise infor-
   war, wurde gemeinsam mit den ausführenden Baufir-                             mieren zu können, werden kontinuierlich Betriebsdaten

                                                                                                                                          |7
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg - Messsysteme und Datenmanagement im Pegelwesen
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     sowie Wasserstandsdaten der Landespegel und der               rung. Schließlich sind die eingerichteten Messtechniken
     eigenen Online-Pegel über das wasserwirtschaftliche           und deren Aufzeichnungen mindestens beim Probestau
     Verbundleitsystem ins Internet gestellt. Mit zahlreich        und danach in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
     angelegten ergänzenden Lattenpegelstandorten ließen           Auf die Messdaten muss man sich verlassen können.
     sich mit deren Ablesungen hydraulische Nachrechnun-           Obwohl von Öhringen eine Firma zur Durchführung der
     gen durchführen. Über den Probestau und hier beson-           Durchflussmessungen lang vorher beauftragt war, ka-
     ders über die Aufzeichnungen der beobachteten ablau-          men diese Messungen nicht zustande, weil alle Geräte
     fenden künstlichen kleinen Hochwasserwelle konnten            im Einsatz waren. Hier wird angeregt, dass z.B. eine re-
     die Anzeigen mit den Ablesungen verglichen werden.            gionale gemeinschaftliche Lösung (Anschaffen eigener
     Dabei wurden zum Teil sehr gravierende Abweichungen           Messgeräte mit Einweisung einzelner Personen) zu-
     festgestellt. Am schlimmsten war die Abweichung der           stande kommt. Auf die Herstellung und Fortschreibung
     Daten der Internet-Seite. Die Aktualisierung erfolgte nur     wirklich nutzbarer Q / h - Beziehungen zumindest zum
     alle zwei Stunden und wurde daher zwischenzeitlich auf        Steuerpegel kann nicht verzichtet werden. Bei Anbin-
     ¼ Stunde verändert. Es wäre schade, wenn die gute             dung der online-Informationen zum HRB und der eige-
     Nutzung dieses Informationsweges durch die Bürger             nen Pegel in FLIWAS kann einheitlich die FLIWAS-Zeit
     sonst darunter leiden würde.                                  verwendet werden.
     Dabei wurde auch festgestellt, dass die zur Sicherheit
     eingerichtete zweite Radarsonde eine Abweichung von           Auf Bilder wird hier verzichtet und ausdrücklich auf den
     60 cm aufwies. Das kann nicht akzeptiert werden und           Bericht zum Probestau im Internet verwiesen (siehe Li-
     ist zwischenzeitlich justiert. Bei der Dokumentation der      teratur). Der Bericht wird demnächst anhand der weite-
     verschiedenen Anzeigen zum HRB wurde ein weiteres             ren Ergebnisse und Entwicklungen fortgeschrieben.
     Problem erkannt: unterschiedliche Uhrzeiten. Sowohl
     das Display, das Telefon im Betriebsgebäude, die Han-
     dys oder das Digifoto, als auch der Leitsystemzeit wa-        Literatur
     ren unterschiedlich. Zwischenzeitlich wurde bekannt,
     dass die cpu-Zeit im Betriebsgebäude auch abwich.             [1] http://www.oehringen.de/fileadmin/files/Buerger-
     Eine Dokumentation ist dann eigentlich nicht möglich.             Info/Staedtische Einrichtungen/Hochwasseschutz/
     Derzeit ist man dabei, dieses Thema so zu lösen, dass             DokuProbestauHRB2010_12.pdf
     eine Funkuhr im System die „Masterzeit“ eines Servers         [2] Geiger, H.: Exkursion zu HRB-Bauwerken im west-
     vorgibt, der dann stündlich das ganze Leitsystem mit              lichen Hohenlohekreis.
     allen Außenstationen (cpu`s) justiert. Das scheint die            In: Berichtsband 17. Jahrestagung 2010. S. 62-66
     Lösung zu sein.                                               [3] Geiger, H.: Vom Hochwasserschutzkonzept zum
     Obwohl zuvor schon ständig Kontrollen an den Mes-                 Hochwasserrisikomanagement.
     seinrichtungen erfolgten, deckte der Probestau deutli-            In: Wasserwirtschaft 101 (2011) Heft 11, S. 40-44.
     che Defizite bei den Messdaten auf, die es nicht geben
     sollte. Auf die Messdaten muß man sich verlassen kön-
     nen.

     6. Fazit

     Besonders für Neulinge im Bereich des Betriebs von            Anschrift des Verfassers
     Hochwasserrückhaltebecken sollte versucht werden,
     das noch unbekannte Bauwerk ohne Stress und Hek-              Horst Geiger
     tik kennen zu lernen und zu erfahren / erleben. Inso-         Stadt Öhringen
     fern ist die Wahl des Zeitpunktes zum Probestau be-           Marktplatz 15, 74613 Öhringen
     sonders wichtig. Es sollte kein deutliches Hochwasser         horst.geiger@oehringen.de
     angekündigt sein. Da der Verfasser bereits einige Be-
     triebserfahrungen an HRB auch bei seltenen Hochwas-
     serereignissen aufwies, konnte beim Probestau immer
     die nötige Ruhe bewahrt werden, die sich dann auf den
     Stauwärter samt Stellvertreter übertrug. Alle Einrichtun-
     gen und Anlagen sind beim Probestau zu testen und bei
     Bedarf nachzurüsten bzw. defekte Teile zu erneuern.
     Ebenso sind noch nicht vorhandene und doch nötige
     Gerätschaften (z.B. Bootshacken zum Abweisen von
     Treibzeug) anzuschaffen. Es sollten nach Möglichkeit
     alle möglichen Dokumentationen hierbei besonders per
     Foto durchgeführt werden zur eventuellen Beweissiche-

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 6 - 9

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       Notwendigkeit zuverlässiger Pegeldaten
       Thiele Brandt, Stefan Wallisch

       1. Bedeutung von Pegeln                                      ausreichend, um Hochwasserschutz zu betreiben oder
                                                                    Hochwassergefahrenkarten u. a. zu erstellen. Vielmehr
       An Pegeln wird der Wasserstand kontinuierlich aufge-         bedarf es neben der kontinuierlichen Aufzeichnung
       zeichnet. Daraus wird die Wasserstandsganglinie W(t)         des Wasserstandes auch einiger Messungen des Ge-
       dieses Gewässerquerschnitts ermittelt. Dermaßen sys-         schwindigkeitsprofils, um Wertepaare für die Abflüsse
       tematische Beobachtungen der Gewässer erfolgen seit          Q bei bestimmten Wasserständen W zu erhalten. Aus
       Beginn des 19. Jahrhunderts. Davor wurden an expo-           diesen Wertepaaren wird dann eine Wasserstand-Ab-
       nierten Stellen und in Chroniken lediglich extreme Ab-       fluss-Beziehung, die sogenannte Pegel- oder Abfluss-
       flusszustände bei Niedrigwasser und insbesondere bei         kurve Q = f (W) entwickelt.
       Hochwasser markiert und beschrieben (Abbildung 1).           Damit ist es möglich, die Wasserstandsganglinie W(t) in
                                                                    eine Abflussganglinie Q(t) umzurechnen, die die Grund-
                                                                    lage für die Bearbeitung nahezu aller wasserwirtschaft-
                                                                    lichen Fragestellungen bildet.
                                                                    Die Güte der Abflussganglinie Q(t) entspricht somit – von
                                                                    Messfehlern abgesehen – der Güte der Abflusskurve
                                                                    Q(W).

                                                                    2. Pegelnetz in Baden-Württemberg

                                                                    Die Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württem-
                                                                    berg mit Sitz in Karlsruhe betreibt ein Pegelnetz mit über
                                                                    200 Pegeln (Abbildung 2). Die zugehörigen Pegeldaten
                                                                    Q und W sind kontinuierlich im Internet unter
                                                                    www.hvz.baden-württemberg.de abrufbar.

                                                                    Wie die Übersicht über das Taubereinzugsgebiet in Ab-
                                                                    bildung 3 exemplarisch zeigt, ist die Anzahl der Pegel-
                                                                    stellen in den letzten Jahren geringer geworden, was
                                                                    wohl folgende Ursachen hat:

                                                                    - Die sorgfältige Datenerhebung ist aufwändig. Deshalb
                                                                    muss sich auf weniger Pegelstellen konzentriert werden,
                                                                    denn keine Daten sind besser als falsche Daten.
                                                                    - Der Abfluss in immer mehr Gewässerabschnitten ist
                                                                    durch anthropogene Einflüsse überprägt, sei es im Nied-
                                                                    rigwasserbereich durch Entnahmen und Kläranlagen
                                                                    oder im Hochwasserbereich durch Gewässerausbau
                                                                    und Rückhaltungen.
                                                                    Damit reduzieren sich die Möglichkeiten für die Einrich-
                                                                    tung geeigneter Pegelstellen.

       Abb. 1: Hochwassermarken an einem Gebäude                    3. Abflusskurven

                                                                    Abflusskurven sind „qualifizierte“ Ausgleichskurven
                                                                    durch die zeitgleich erhobenen Wertepaare W und Q.
                                                                    Dabei gibt es allerdings einige Umstände, die es zu be-
       Allerdings lassen sich wegen der Unstetigkeit des Fließ-     achten gilt.
       querschnittes Wasserstände kaum extrapolieren und
       kaum auf andere Gewässerquerschnitte übertragen.             Extrapolation der Abflusskurve
       Damit sind die registrierten Wasserstände allein nicht       Da häufig Messungen (Wertepaare W und Q) bei Hoch-

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 10 - 15

Abb. 2: Übersicht über das Pegelnetz der Hochwasservorhersagezentrale Baden-Württemberg
(Quelle: www.hvz.baden-wuerttemberg.de)

    Abb. 3: Übersicht über die Gewässerpegel im Einzugsgebiet der Tauber

                                                                                          | 11
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       wasser fehlen, muss die Abflusskurve extrapoliert wer-        Die Extrapolation wird häufig über die Fließformel von
       den. Besonders unsicher wird diese Vorgehensweise,            Manning-Strickler vorgenommen, in dem aus vorliegen-
       wenn der Extrapolationsbereich größer als der durch           den Messpunkten der Faktor
       Messungen abgesicherte Bereich ist, d.h. Messwerte            kSt · J½ = Q · UMess2/3 / AMess5/3
       nur im Bereich von Niedrig- und Mittelwasserabflüssen         UMess = zum Abfluss QMess gehöriger benetzter Umfang
       vorliegen. Ein Beispiel für diesen Fall ist der Pegel Au-     AMess = zum Abfluss QMess gehöriger Fließquerschnitt
       mühle am Mühlbach bei Darmstadt                               gebildet wird. Unterstellend, dass dieser Faktor auch bei
                                                                     höheren Abflüssen konstant bleibt, können extrapolierte
                                                                     Abflüsse QEx aus der Querschnittsgeometrie AEx (W) und
                                                                     UEx (W) berechnet werden:
                                                                     QEx = kSt · J½ · AEx5/3 / Uex2/3
                                                                          = QMess (AEX / AMess)5/3 · (UMess / UEx)2/3
                                                                     Die hierbei angenommene Konstanz des Faktors kSt ·
                                                                     J1/2 ist aber beileibe nicht immer gegeben, z. B. wenn
                                                                     eine rückstauende Brücke, veränderter Böschungsbe-
                                                                     wuchs oder Ausuferungen für Unstetigkeiten sorgen.

                                                                     Ausuferungen
                                                                     Ufert es im interessierenden Hochwasserbereich bereits
                                                                     aus oder ist der Pegel umläufig, so steigt die Schwierig-
                                                                     keit, eine verlässliche Abflusskurve für diesen Bereich
                                                                     festzulegen. Am Beispiel des in Abbildung 4 gezeigten
                                                                     Pegels Aumühle ist festzustellen, dass die Abflusskurve
                                                                     auf die sprunghafte Querschnittserweiterung nicht re-
                                                                     agiert, was nicht richtig ist.
       Abb. 4: Pegel Aumühle am Mühlbach bei Darmstadt

       Abb. 5: Amtliche Abflusskurve des Pegels Aumühle mit gemessenen Wertepaaren W/Q (gemessene Wertepaare W/Q:
       		 HLUG – Hessisches Landesamt für Umwelt und Geologie)

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Streuende Messdaten                                                         4. Überprüfung von Abflusskurven
Streuende Wertepaare W und Q können verschiedene
Ursachen haben:                                                             Pegelstellen sollten nur dort platziert werden, wo strö-
- Messungen unterschiedlicher Qualität,                                     mender Abfluss herrscht. Bei schießendem Abfluss
- jahreszeitliche Schwankungen durch                                        wäre die Steigung der Abflusskurve geringer und die
   Bewuchseinfluss,                                                         Messgröße Wasserstand schlechter zu erfassen. Beides
- Änderung des Böschungsbewuchses,                                          wirkt sich negativ auf die Aussagekraft der Abflusskurve
- allmähliche Bettumlagerung (Auswirkungen bei klei-                        aus. Strömenden Abfluss an der Pegelstelle vorausge-
   nen Abflüssen am deutlichsten).                                          setzt, verbleiben zwei Möglichkeiten, die Abflusskurve
Ein Beispiel für einen Pegel mit streuenden Wertepaa-                       zu verifizieren:
ren W und Q ist der Pegel Schorndorf an der Rems.                           - rechnerischer Nachweis durch Spiegellinienberech-
                                                                                nungen (1 D, 2 D), wobei die untere Randbedingung
                                                                                so weit entfernt liegen muss, dass sich diesbezüg-
                                                                                lich unsichere Annahmen am Pegel nicht auswirken
                                                                            - weitere Messungen im Extrapolationsbereich, wo-
                                                                                bei die höheren Abflüsse evtl. durch das Ablassen
                                                                                von Stauanlagen o.ä. künstlich erzeugt sein können
                                                                            Für 1D-Spiegellinienberechnungen sind nur Gewässer-
                                                                            profile im Unterwasser des Pegels (strömender Abfluss)
                                                                            erforderlich. Bei Verwendung eines 2D-Ansatzes ist
                                                                            darüber hinaus auch ein ausreichend langer Gewässer-
                                                                            abschnitt im Oberwasser des Pegels im Modell abzu-
                                                                            bilden, um in Höhe des Pegels eine ausgebildete, von
                                                                            Randeinflüssen freie Lösung berechnen zu können. In-
                                                                            nerhalb der durch Erfahrungen abgesicherten Bereiche
                                                                            werden die Böschungs- und Sohlrauheiten für die vor
                                                                            Ort anzutreffenden „Materialien“ so festgelegt, dass die
                                                                            berechnete Abflusskurve die gemessenen Wertepaare
                                                                            von W und Q im Mittel möglichst gut nachbildet.
Abb. 6: Pegel Schorndorf an der Rems

Abb. 7: Amtliche Abflusskurve Pegels Schorndorf mit gemessenen Wertepaaren W/Q (gemessene Wertepaare
		 W/Q: LUBW - Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg)

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       Abb. 8:   Amtliche Abflusskurve des Pegels Aumühle mit gemessenen Wertepaaren W/Q und gerechneter
                 Abflusskurve

       Abb. 9:   Amtliche Abflusskurve des Pegels Schorndorf mit gemessenen Wertepaaren W/Q und gerechneter
                 Abflusskurve

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19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 10 - 15

Die über Spiegellinienberechnungen
ermittelten Abflusskurven sind für
die Pegel Aumühle und Schorndorf
in Abbildung 8 bzw. in Abbildung 9
dargestellt.
In beiden Fällen zeigen sich verblei-
bende Unsicherheiten. Die Zuord-
nung von Abflüssen zu höheren Was-
serständen bleibt bei diesen Pegeln
problematisch.

5. Hydraulische und hydrologische
Erkenntnisse aus Pegeldaten

Liegen gesicherte Abflusskurven vor,
so können sie als Eichgröße zur (ab-
schnittsweisen) Rauheitsfestlegung             Abb. 10: Abflussspendendiagramm für einjährliche Ereignisse [1]
der Unterwasserprofile herangezo-
gen werden. Das Wissen um die bei
allen Fließformeln benötigten Rauhei-
ten entstammt zum guten Teil diesen
Pegelinformationen.
Noch deutlicher als bei der Hydraulik basiert unser hy-     nungen die geeignete Methode zur Überprüfung von
drologisches Wissen auf den Pegeldaten und der zu-          Abflusskurven in Extrapolationsbereichen.
verlässigen Umrechnung in Abflüsse. Denn aus den            Generell ist die Überprüfung einer Abflusskurve angera-
Abflussganglinien Q (t) der Pegelstellen werden über        ten, wenn sie im Bereich der Hochwasserabflüsse nur
statistische Verfahren die charakteristischen Abflüsse      durch wenige Punkte belegt oder älter ist und auf ihrer
- Niedrigwasser (z.B. NNQ, MNQ),                            Grundlage kostenintensive Investitionsentscheidungen
- Mittelwasser MQ,                                          getroffen werden sollen.
- Hochwasser (z.B. HQ1, MHQ, HQ10, HQ100)
berechnet. Mittels Normierung durch die Einzugsgröße        Literatur
Aeo werden daraus Abflussspenden q = Q/Aeo erhalten,
die wiederum regionalisiert werden können. Nachfol-         [1] Bund der Ingenieure für Wasserwirtschaft, Abfall-
gende Abbildung 10 veranschaulicht dies exempla-                 wirtschaft und Kulturbau e.V. (2007):
risch an den für die Auslegung von Misch- und Nie-               Merkblatt M3: Ableitung von immissionsorientierten
derschlagswassereinleitungen in Nordrhein-Westfalen              Anforderungen an Misch- und Niederschlagswas-
maßgeblichen 1-jährlichen Hochwasserabflussspenden               sereinleitungen unter Berücksichtigung örtlicher
flacher Gebiete.                                                 Verhältnisse

Die Güte der Abflussspenden und aller darauf aufbau-
ender Regionalisierungen ist damit direkt an die Güte
der Pegeldaten gekoppelt.

6. Zusammenfassung
                                                                            Anschrift der Verfasser
Pegeldaten bilden eine wesentliche Grundlage für na-
hezu alle wasserwirtschaftlichen Vorhaben und den zu                        Dr.-Ing. Thiele Brandt
ihrer Umsetzung zu erstellenden Planungen. Die Belast-                      Brandt Gerdes Sitzmann Wasserwirtschaft GmbH
barkeit dieser Daten ist daher von besonderer Bedeu-                        Pfungstädter Straße 20
tung. Aufgrund vieljähriger Aufzeichnungen ist überwie-                     64297 Darmstadt
gend eine gute Abschätzung von Niedrig-, Mittel- und                        t.brandt@bgswasser.de
Hochwasserabflüssen möglich.
Insbesondere die Abschätzung von Hochwasserabflüs-                          Dr.-Ing. Stefan Wallisch
sen verliert aber an Aussagekraft, wenn der Verlauf der                     Brandt Gerdes Sitzmann Wasserwirtschaft GmbH
Abflusskurve am betreffenden Pegel nicht durch Mess-                        Pfungstädter Straße 20
werte belegt ist sondern durch Extrapolation ermittelt                      64297 Darmstadt
wurde. In diesem Fall sind Wasserspiegellinienberech-                       s.wallisch@bgswasser.de

                                                                                                                           | 15
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       Mess- und Steuerungsanlagen von Einzelbecken
       am Beispiel des Kulturwehres Kehl/Straßburg
       Harald Klumpp
       1. Der Rückhalteraum Kulturwehr Kehl/Straßburg

       Der Hochwasserrückhalteraum „Kulturwehr Kehl/Straß-
       burg“ (KWK) ist im Verbund mit den Poldern Altenheim
       I+II mit insgesamt 55 Mio. m³ (KWK allein 37 Mio. m³)
       der größte derzeit einsatzbereite Hochwasserrückhal-
       teraum am Oberrhein. Aufgrund seiner Größe leistet er
       seit 25 Jahren einen wesentlichen Beitrag für den Hoch-
       wasserschutz der Anlieger nördlich von Iffezheim.

                                                                      Abb. 2: Mosaikbild im Steuerstand der Wehranlage mit
                                                                              den Stauwärtern Herr Hurst und Herr Held
                                                                              [©Regierungspräsidium Freiburg]

                                                                      3. Die Messeinrichtungen

                                                                      Oberflächenpegel im Rückhalteraum
                                                                      Gemäß DIN 19700 [1] [2] [3] wurde das Kulturwehr Kehl/
       Abb. 1: Das Kulturwehr Kehl/Straßburg mit Blick nach           Straßburg im Staubereich und im Unterlauf mit Pegeln
               Kehl bzw. Straßburg [Wolfgang Maerzke,                 versehen, deren Aufzeichnungen über landeseigene Sig-
               Maerzke Grafik Design, Leonberg;                       nalkabel kontinuierlich zur Leitwarte übertragen werden.
               ©Regierungspräsidium Freiburg]                         Alle Einrichtungen sind vor Ort mit Anzeigen ausgestattet.
                                                                      Mit den Druckluftpegeln (Einperlverfahren) im Oberwas-
                                                                      ser (D19) und im Unterwasser (D20) der Wehranlage wird
       Der Hochwassereinsatz erfolgt nach einem international         durch den Stauzielregler der Abfluss über das KWK ge-
       festgelegten Betriebsreglement. Er beginnt erst bei einem      regelt. Der Druckluftpegel D13 am Zufluss in den Rück-
       Rheinabfluss von mehr als 3.800 m³/s am Pegel Karlsru-         halteraum überwacht in Verbindung mit dem Abflusswert
       he/Maxau mit weiter steigender Tendenz des Hochwas-            „Hauptwehr Straßburg“ den Zufluss in den Rückhalte-
       sers. Bisherige Hochwassereinsätze waren 1988, 1990,           raum.
       im Februar und Mai 1999 sowie im Juni 2013.                    Die Erfassung der wichtigsten Mess- und Steuergrößen
                                                                      erfolgt aus Gründen der Betriebssicherheit und Verfüg-
                                                                      barkeit redundant. Hierzu werden zwei teilweise örtlich
       2. Die Leitwarte im Steuerstand des Kulturwehres               getrennte unabhängige Erfassungssysteme (Einperlver-
                                                                      fahren, Drucksonde) vorgehalten und im Bedarfsfall durch
       Die Überwachung und Steuerung des Kulturwehres                 das Wehrpersonal manuell umgeschaltet.
       Kehl/Straßburg und der südlich anschließenden Polder           Die Kalibrierung der Messgrößen erfolgt im wöchentlichen
       Altenheim I+II erfolgt zentral über die Leitwarte, die auf     bzw. 14-tägigen Turnus, der durch ein computergestütz-
       dem Steuerstand im Betriebsgebäude eingerichtet ist.           tes Unterhaltungsprogramm je nach Bedeutung festge-
       Abhängig von der vom Hauptwehr Straßburg zugelei-              legt wird.
       teten Wassermenge erfolgt die Regelung automatisch             Hier wird durch Abgleich des Lattenpegels mit dem ge-
       durch die sechs Wehrsegmente.                                  messenen Pegelwert und dem in die Leitwarte angezeig-
       Das analoge Mosaikbild, das als Handsteuerebene                ten Wert der Übertragungsweg und die Funktion geprüft.
       dient, ermöglicht einen schnellen Überblick.                   Im Falle eines Totalausfalles der Pegeleinrichtungen bei
                                                                      Hochwasser besteht die Möglichkeit, den Wasserstand
       In den Steuerstand werden alle betriebsrelevanten              an der Pegellatte abzulesen und per Mobiltelefon oder
       Mess- und Steuerungsdaten übertragen.                          Betriebsfunk in die Leitwarte weiterzugeben.

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19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 16 - 19

Abb. 3: Lageplan der Oberflächenpegel (Druckluftpegel)                      Abb. 5: Oberflächenpegel D20 im Unterwasser des
        in den Rückhalteräumen                                                      Kulturwehres Kehl/Straßburg
         [©Regierungspräsidium Freiburg]                                            [©Regierungspräsidium Freiburg]

Abb. 4: Oberflächenpegel D19 im Oberwasser des                              Abb. 6: Oberflächenpegel D13 im Zulaufbereich des
        Kulturwehres Kehl/Straßburg                                                 Rückhalteraumes Kulturwehres mit zusätzlichem
        [©Regierungspräsidium Freiburg]                                             Lattenpegel [©Regierungspräsidium Freiburg]

                                                                                                                                    | 17
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       Grundwasser-Warnpegel zum Schutz der Ortslagen
       In der angrenzenden Ortslage Marlen ist ein Grundwas-
       ser-Warnpegel installiert, der routinemäßig einmal pro
       Tag über Telefon von der Leitwarte abgerufen wird und
       seine gespeicherten Messwerte überträgt. Zusätzlich
       ist die Messwerterfassung so programmiert, dass bei
       einem bestimmten Grenzwert eine Übertragung vom
       Pegel zur Leitwarte erfolgt.

                                                                   Abb. 8: Wehranlage mit sechs Wehrverschlüssen bei
                                                                           Hochwasser [©Regierungspräsidium Freiburg]

                                                                   Die Öffnungsweite der Wehrverschlüsse am KWK wer-
                                                                   den mit zwei unabhängigen Winkelcodierer (Drehgeber)
                                                                   am Vorortsteuerstand im jeweiligen Wehrpfeiler erfasst
                                                                   und auf getrennten Leitungen in die Steuerwarte über-
                                                                   tragen.

       Abb. 7: Grundwasser-Warnpegel in der Ortslage Kehl-
       		 Marlen [©Regierungspräsidium Freiburg]

       Verschlussorgane
       Die Kombination eines Staubalkenwehres mit einer fes-
       ten Schwelle ist auf die besondere Doppelfunktion des
       Kulturwehres zurückzuführen:
       - Im Normalbetrieb wird der Restrhein aufgestaut und
          der Durchfluss bis zu 35 m³/s durch die Turbine der
          Wasserkraftanlage am Kulturwehr geleitet. Bei grös-
          seren Wassermengen wird die mittlere feste Schwelle
          überströmt. Durch den Dauerstau wird der binnensei-
          tige Grundwasserspiegel gestützt.
       - Bei Hochwasser wird der Rückhalteraum durch die
          links und rechts neben der festen Schwelle gelegenen
          sechs Verschlussorgane - sogenannte Drucksegmen-         Abb. 9: Vorortsteuerstand im Wehrpfeiler der
          te - gesteuert (gefüllt oder entleert).                          Wehranlage [©Regierungspräsidium Freiburg]

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
 19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 16 - 19

Die Wehröffnung wird sowohl am Vorortsteuerstand im                        6. Kommunikation
Wehrpfeiler wie auch am Mosaik in der Steuerwarte an-
gezeigt. Bei unterschiedlichen Segmentöffnungen wird                       Für den Betrieb einer Hochwasserschutzanlage muss
ein Messwertfehler als Alarm ausgegeben.                                   es eine sichere Kommunikation zwischen Bediensteten,
                                                                           Betriebsleiter und anderen betroffenen Stellen bestehen.
                                                                           Da im Hochwasserfall mit dem Ausfall der öffentlichen
4. Die Steuerungsanlagen                                                   Telefonverbindungen und Mobilfunkstrecken gerechnet
                                                                           werden muss, wird am KWK auch der Betriebsfunk wei-
Alle relevanten Meldungen und Messdaten werden von                         terbetrieben. Alle Fahrzeuge für den Betriebshof KWK
den Außenstationen über ein Kupferkabel mit dem ein-                       sind mit Funkgeräten ausgerüstet. Zusätzlich stehen für
gesetzten Rittmeyer - Fernwirkprotokoll online auf das                     den Notfall noch fünf Handfunkgeräte zur Verfügung.
Mosaikbild, in den Normalstauregler (OW/Q-Regler) und
die Prozess- und Datenhaltungsrechner in der Steuer-
warte übertragen.                                                          Literatur
Im Normalbetrieb wird ein konstanter Wasserspiegel im
Oberwasser des Kulturwehres durch eine Siemens SPS                         [1]    DIN 19700-10:2004-07 (2004): „Stauanlagen - Teil 10:
(Speicher Programmierbaren Steuerung) gehalten. Die                               Gemeinsame Festlegungen“; Normenausschuss
Koppelung der SPS mit den Vorortsteuerständen erfolgt                             Wasserwesen (NAW) im DIN Deutsches Institut für
im Übergabeschrank. Der Zentralrechner in der Steuer-                             Normung e.V., Beuth Verlag GmbH, Berlin
warte übernimmt außerdem noch folgende Aufgaben:                           [2]    DIN 19700-11:2004-07 (2004): „Stauanlagen -Teil 11:
- Archivierung aller eingehenden Daten und Mess-                                  Talsperren“; Normenausschuss Wasserwesen
    werte, sowie der abgeleiteten und errechneten                                 (NAW) im DIN Deutsches Institut für Normung e.V.,
    Werte und Störmeldungen                                                       Beuth Verlag GmbH, Berlin
- Berechnung der Rückhaltevolumina und Abflüsse                            [3]    DIN 19700-12:2004-07 (2004): „Stauanlagen - Teil 12:
- Anzeigen von Tätigkeitsempfehlungen                                             Hochwasserruckhaltebecken“; Normenausschuss
                                                                                  Wasserwesen (NAW) im DIN Deutsches Institut für
Außerdem ist ein Leitstellensystem für die binnenseiti-                           Normung e.V., Beuth Verlag GmbH, Berlin
gen Schutzmaßnahmen in den angrenzenden Ortslagen
Kehl-Marlen und Kehl-Goldscheuer am Kulturwehr Kehl/
Straßburg vorhanden. Dies ist primär für die Steuerung
und Überwachung der Anlagen der Schutzmaßnahmen                            Anschrift des Verfassers
in den angrenzenden Ortslagen vorgesehen und stellt
gleichzeitig eine Redundanz zum Zentralrechner und                         Harald Klumpp
der Fernwirkstation dar, die alle wesentlichen Meldun-                     Regierungspräsidium Freiburg
gen und Mess- und Zählwerte parallel zum Leitsystem                        Abt. Umwelt, Ref. 53.3 (Integriertes Rheinprogramm)
auch direkt auf die Mosaikwand ausgeben.                                   Dienstsitz Offenburg
                                                                           Wilhelmstraße 24
                                                                           77654 Offenburg
5. Anlagenkontrolle                                                        harald.klumpp@rpf.bwl.de

Im Rahmen der Eigenkontrolle werden turnusgemäß
Sicht- und Funktionskontrollen an den Bauwerken,
Mess- und Steuerungsanlagen nach einem compu-
tergestützten Prüf- und Instandhaltungsplan durchge-
führt.
Nicht planbare Ereignisse (Störungen) wie Über- oder
Unterschreiten des Beckenwasserstandes, Ausfall einer
Pegelmessung oder erhöhte Zu- bzw. Abflüsse werden
sofort per Cityrufpager an die Rufbereitschaft übermit-
telt. Hierdurch ist eine kontinuierliche Überwachung
und Einsatzbereitschaft gewährleistet.

                                                                                                                                         | 19
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       Datenmanagement eines Beckensystems
       Gerold Werner

       1. Vorgehensweise, Notwendigkeit, Beispiele aus             Hochwasserschutz Einzugsbereich Elsenz-Schwarzbach
          der Praxis                                               wurde 1997 gegründet. Bis heute sind 40 Hochwasser-
                                                                   schutzmaßnahmen fertig gestellt. Die bisherige Investiti-
       Im Einzugsgebiet von Elsenz und Schwarzbach gab es          onssumme beträgt rund 43 Millionen Euro.
       1993 und 1994 zwei große Hochwasserereignisse. Der
       bezifferte Sachschaden lag bei 150 Mio. Euro – der un-      Das festangestellte Betriebspersonal des Zweckver-
       bezifferte Schaden lag mehrfach höher (zwei Todesopfer,     bandes besteht aus drei Personen. Die Stauwärter sind
       viele Firmenschließungen, Arbeitsplatzverluste, Sach-       selbständige Landwirte, die auf Basis von Verrech-
       schäden, usw.). Das Hochwasserschutzkonzept sieht           nungssätzen mit ihrem Personal und Gerät alle Arbei-
       eine Kombination von 50 Hochwasserrückhaltebecken           ten an den Anlagen des Zweckverbandes erledigen.
       (HRB) und 36 Gewässerbaumaßnahmen vor. Das gesam-           Der Zweckverband selbst besitzt also keinen Betriebs-
       te Einzugsgebiet ist 540 qkm groß. Der Zweckverband         hof mit Gebäude, Personal, Fuhrpark und Geräten. Die

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 20 - 23

Stauwärter besuchen den Ausbildungskurs der WBW                             Die Hochwasserrückhaltebecken sind je nach Betriebs-
Fortbildungsgesellschaft, werden jährlich weiterge-                         art (gesteuert/ungesteuert) unterschiedlich ausgestat-
schult, und nehmen an den Anlageschauen teil. Mit der                       tet. Wichtig ist, dass die Messtechnik zuverlässig ist
Vielzahl der Stauwärter ist der Zweckverband flexibel                       und ständig funktionsfähig betrieben wird. Dazu gehö-
beim Besetzen der Stauanlagen bei einem Hochwas-                            ren auch die Auswertungs- und Übertragungssysteme.
ser. Aber umso wichtiger ist es dann, alle Informationen                    Die vor Ort gemessenen Werte werden an das Prozess-
zum aktuellen Status der Hochwasserschutzanlagen                            leitsystem ins Internet übertragen. Der Vorteil eines
und des Hochwasserereignisses zu bekommen. Und                              internetbasierenden Prozessleitsystems ist, dass man
hier kommen wir zur Messtechnik und zum Überwa-                             sich im Büro oder von zu Hause aus, bzw. von jedem
chungssystem. Zur Information, wo geschieht gerade                          Punkt mit Internetanschluss, in das Prozessleitsystem
was, zur Koordination von weiteren Alarmierungen und                        einwählen kann, wenn die Alarmmeldungen über stei-
Maßnahmen ist eine Mess-, Überwachungs- und Über-                           gende Pegel auf dem Handy eingehen.
tragungstechnik erforderlich. Wir können nicht überall
gleichzeitig sein. Bei einer Einzugsgebietsfläche von                       Konkret kann jeder über www.zvhws.de die Homepage
540 qkm, auf der die Anlagen verteilt sind, müssen wir                      des Verbandes einsehen und gelangt von dort aus wei-
uns über den aktuellen Stand der Hochwasserlage ins                         ter ins Prozessleitsystem, das hier der Einfachheit hal-
Bild setzen. Durch die Internettechnologie ist gewähr-                      ber Hochwasser-Überwachungssystem genannt wird.
leistet, dass alle Daten sofort aktuell zur Verfügung ste-                  Die Punkte auf der Karte des Zweckverbandes stellen
hen.                                                                        die einzelnen Pegel und HRB dar. Je nach Pegelstand

                                                                                                                                       | 21
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       ändern sich die Farben von grün über gelb bis rot. Bei       Hochwasseralarm- und Einsatzplanes veranlassen. Eine
       Anklicken der Punkte, oder bei Auswahl eines HRB aus         weitere Nutzung der Daten ist der Zugriff der Bevölke-
       der linksbündigen HRB-Liste, öffnet sich die Daten-          rung, der Einrichtungen und Betriebe. Diese können er-
       Ansicht der gewünschten Hochwasserschutzanlage,              heblichen Schaden verhindern, wenn sie sich mit den
       und es können die aktuellen Werte über Beckenpegel,          richtigen Maßnahmen der Vorsorge auf das kommende
       Restvolumen usw. abgelesen werden. Bestimmte Funk-           Hochwasser einstellen. Die gemessenen Hochwasser-
       tionen, wie das Einschalten des Lichts vor Ort, oder die     daten werden an das Betriebsführungssystem übertra-
       Darstellung der Einstau/Abfluss-Statistik sind passwort-     gen und finden, neben den Angaben zur Unterhaltung,
       geschützt. Da alle gesteuerten Anlagen auch mit einer        Anlagenschau und Vermessung, Einfluss in den Jahres-
       Webcam ausgestattet sind, ist die Webcam-Übersicht           bericht, bzw. Sicherheitsbericht.
       sehr hilfreich, um schnell zu erkennen, wo und wie sich
       das Hochwasser darstellt und entwickelt.

       Die Daten werden bei uns intern genutzt für Lagebe-
       richte, Alarmierungen, Besprechungen und Maßnah-
       men. Die Mitgliedsgemeinden selbst können anhand
       der ersichtlichen Lagen, ihre Maßnahmen anhand ihres

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 20 - 23

Anschrift des Verfassers

Gerold Werner
Zweckverband Hochwasserschutz
Elsenz-Schwarzbach
Hauptstr. 31
74915 Waibstadt
zv-hochwasserschutz@waibstadt.de

                                                                                 | 23
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       Exkursion: Mit dem Schiff auf dem Neckar in Heilbronn
       Jakobine Biehl

       Der Necker fließt auf einer Länge von rund 20 Kilome-       Hochwassergeschehen in der Stadt Heilbronn
       tern durch die Gemarkung der Stadt Heilbronn; davon
       liegen circa fünf Kilometer direkt im Stadtgebiet. Seit     Die Stadtchronik dokumentiert die Hochwasser der
       Jahrhunderten gilt der Neckar als „Schicksalsfluss der      letzten Jahrhunderte. Vor allem in der ersten Hälfte des
       Stadt“. So beschrieb es auch der ehemalige Stadtpla-        19. Jahrhunderts gab es zahlreiche Ereignisse zu unter-
       ner und Heimatforscher Willi Zimmermann in seinem           schiedlichen Jahreszeiten, im Winter teilweise mit Eis-
       gleichnamigen Buch, in dem die Rolle des Neckars in         gang. Besonders dramatisch war ein Hochwasser, das
       der Wirtschaftsgeschichte Heilbronns dokumentiert ist.      am 30. Oktober 1824 durch die Stadt floss. Am histo-
       Die letzten Jahrhunderte sind geprägt von zahlreichen,      rischen Wilhelmskanal wurde ein Pegelstand von 6,87
       zum Teil sehr heftigen Hochwasserereignissen, die Kon-      Metern festgehalten. Der Abfluss wurde mit rund 2.400
       sequenzen für den Aufbau und Betrieb von Wasserbau-         Kubikmeter pro Sekunde angegeben. Zum Vergleich:
       anlagen nach sich zogen.                                    In hochwasserfreien Zeiten beträgt der Neckarabfluss
                                                                   in der Stauhaltung circa 90 Kubikmeter pro Sekunde.
                                                                   Damals war das ganze Tal mit einem Teil der Stadt über-
                                                                   schwemmt. Ein Dammdurchbruch unterhalb des Stadt-
                                                                   gebiets führte zu erheblichen Schäden in der Gemeinde
                                                                   Horkheim. Auch 1931 war ein ähnliches Jahrhundert-
                                                                   hochwasser zu verzeichnen.

                                                                   Abb. 2: Hochwasser 1883: Heilbronn –
                                                                           Kirchbrunnenstraße
                                                                           [© Stadt Heilbronn; Stadtarchiv]

                                                                   Doch längere Zeiträume ohne Hochwasser führten auch
                                                                   dazu, dass das Bewusstsein für die Gefahren in überflu-
                                                                   tungsgefährdeten Gebieten in den Hintergrund rückte.
                                                                   Ein Baustein zur Bewusstseinserhaltung abgeflossener
                                                                   Ereignisse waren und sind Hochwassermarken, die seit
                                                                   Beginn des 19. Jahrhunderts an Hausfassaden aufge-
                                                                   zeichnet wurden. Am Fleischhaus in der Innenstadt be-
                                                                   finden sich beispielsweise zwei Markierungen von 1817
       Abb. 1: Der Neckar auf der Gemarkung der
                                                                   und 1824.
                Stadt Heilbronn
                                                                   Eine weitere Hochwassermarke befindet sich an einer
       [© Stadt Heilbronn; Vermessungs- und Katasteramt]
                                                                   Unterführung im Stadtteil Klingenberg. Hier sind haupt-

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 24 - 29

sächlich die Hochwasser des 20. Jahrhunderts verzeich-                      Maßnahmen zur Verbesserung des Hochwasser-
net, von denen das höchste im Mai 1978 stattgefunden                        schutzes
hat. Dabei überspülte das Wasser nahezu den Gehweg
des Klingenberger Stegs, der die Ortsteile Klingenberg                      Seit dem katastrophalen Oder-Hochwasser des Jahres
und Horkheim miteinander verbindet.                                         1997 arbeitet die Stadt Heilbronn intensiv an der Ver-
Bei diesem Ereignis wurde ein Abfluss von 1.600 Kubik-                      besserung des regionalen Hochwasserschutzes. Mit
meter pro Sekunde verzeichnet, der sich auch bei dem                        den bisherigen Schutzanlagen hat die Stadt zwar be-
ähnlich großen Hochwasser von 1990 wiederholte. Die-                        reits einen guten Hochwasserschutz, doch nach neu-
ser Wert entspricht einer statistischen Wiederkehrzeit                      esten Untersuchungen reichen die bisherigen Schutz-
von unter 50 Jahren. Die Hochwassermarke im Stadtteil                       anlagen nicht aus, um größere Hochwasser schadlos
Böckingen weist ebenfalls das Hochwasser von 1924                           abzuwehren. Eine Vielzahl der Dämme und Deiche ent-
als Ereignis mit dem höchsten Wasserstand auf.                              spricht heute nicht mehr den allgemein anerkannten
                                                                            Regeln der Technik. Deshalb will die Stadt Heilbronn
                                                                            gemeinsam mit dem Land Baden-Württemberg bis zum
                                                                            Jahr 2025 insgesamt 36 Millionen Euro in den Hoch-
                                                                            wasserschutz am Neckar investieren. Ziel dabei ist es,
                                                                            Überschwemmungen vorzubeugen, die statistisch ge-
                                                                            sehen alle 200 Jahre auftreten (HQ200). Die gefährdeten
                                                                            Bereiche sind vor allem das Stadtzentrum, die an den
                                                                            Neckar angrenzenden Stadtteile und insbesondere das
                                                                            Industriegebiet am Neckar.
                                                                            Zahlreiche Einzelmaßnahmen zum Hochwasserschutz
                                                                            sollen in den nächsten Jahren verwirklicht werden. In
                                                                            der Summe sollen sie verhindern, dass der Neckar-
                                                                            kanal – auch im Bereich der Hafenbecken – sowie der
                                                                            alte Neckar im Stadtgebiet über ihre Ufer treten. Für die
                                                                            vorhandenen Überschwemmungsgebiete Horkheimer
                                                                            Insel, Böckinger Wiesen sowie Neckaraue sind keine
                                                                            zusätzlichen Maßnahmen geplant.

Abb. 3: Hochwassermarken in den Stadtteilen                                 Abb. 4: Hochwassergefahrenflächen im Bereich Heilbronn
        Klingenberg und Böckingen                                                   [Quelle: Institut für Wasser und Gewässerentwick-
        [© Stadt Heilbronn; Amt für Straßenwesen]                                   lung, Bereich Wasserwirtschaft und Kulturtechnik]

                                                                                                                                        | 25
Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg   g
                                                                                              19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 24 - 29

       Hochwasserschutz an den Gewässern 2. Ordnung                Als größtes Rückhaltebecken im Zweckverband Böllin-
                                                                   ger Bach wurde im Jahr 2012 das Gundelbachbecken
       An den Gewässern 2. Ordnung ist der Hochwasser-             vor Biberach fertiggestellt und in Betrieb genommen.
       schutz bereits wesentlich weiter fortgeschritten. Ge-
       meinsam mit vielen Landkreiskommunen hat sich die
       Stadt Heilbronn zu mehreren Hochwasserschutzzweck-
       verbänden zusammengeschlossen. Im jeweiligen Flus-
       seinzugsgebiet wird hier der Hochwasserschutz ge-
       meinsam hergestellt.
       Der älteste der vier Hochwasserschutzzweckverbän-
       de ist der Wasserverband Sulmtal, der eine Fläche von
       rund 122 Quadratkilometern umfasst. Später wurden
       die Zweckverbände Leintal mit 119 Quadratkilometern,
       Böllinger Bachtal mit knapp 50 Quadratkilometern und
       Schozachtal mit rund 94 Quadratkilometer gegründet.
       Die nahezu 400 Quadratkilometer umfassende Fläche
       dieser vier Gewässereinzugsgebiete benötigt insge-
       samt 45 überörtlich wirkende Hochwasserrückhalte-
       becken für einen hundertjährlichen Hochwasserschutz
       (HQ100) der Ortslagen. 35 dieser Becken wurden bereits
       erstellt, zehn weitere sind in den nächsten Jahren noch     Abb. 6: Gundelbachbecken vor Biberach
       zu realisieren.                                                     [© Stadt Heilbronn; Amt für Straßenwesen]
       Auf der Gemarkung der Stadt Heilbronn bestehen in-
       zwischen sieben Hochwasserrückhaltebecken, für drei
       weitere steht die Realisierung noch aus. In den letzten
       Jahren wurden einige Becken fertiggestellt, so 2010         Bereits 2005 wurde das bestehende Hochwasserrück-
       das Becken am Deinenbach vor Sontheim, das zum              haltebecken Köpferstausee grundlegend saniert. Das
       Schozachverband gehört.                                     Becken liegt inmitten des Naturschutzgebietes Köpfer-
       2011 wurde das Hochwasserrückhaltebecken L16 im             tal.
       Stadtgebiet Heilbronn-Frankenbach in Betrieb genom-         Im Rahmen der Sanierung erfolgte gleichzeitig die Wie-
       men. Mit 270.000 Kubikmeter Stauraum ist es das größ-       derherstellung der ökologischen Durchgängigkeit des
       te Becken im Leintalverband.                                Köpferbaches, der im Nebenschluss des Sees läuft.

       Abb. 5: HRB L16 in Heilbronn Frankenbach                    Abb. 7: Hochwasserrückhaltebecken Köpferstausee
               [© Stadt Heilbronn; Amt für Straßenwesen]                   [© Stadt Heilbronn; Amt für Straßenwesen]

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Erfahrungsaustausch Betrieb von Hochwasserrückhaltebecken in Baden-Württemberg
19. Jahrestagung 2012 - Berichtsband, S. 24 - 29

Schiffsexkursion auf dem Neckar in Heilbronn

Im Anschluss an den Vortrag zum Hochwassergesche-
hen in Heilbronn sowie der geplanten und realisierten
Maßnahmen zum Hochwasserschutz fand eine zwei-
stündige Schifffahrt auf dem Neckar mit dem Perso-
nenschiff Neckarbummler statt. Die Fahrt begann an
der Anlegestelle Badstraße am Westufer des Altneckars
und endete an der Anlände des Bauhofes des Wasser-
und Schifffahrtsamtes Stuttgart.
Als erstes Wasserbauwerk passierte das Schiff das am
Abzweig des Altneckars gelegene Hochwassersperr-
tor, welches die wichtigste Hochwasserschutzeinrich-
tung der Stadt Heilbronn ist. Das Sperrtor schützt die
Innenstadt bereits bei kleinen Hochwasserereignissen.
Diese Schutzmaßnahme hat höchste Bedeutung für die
Heilbronner Innenstadt, denn bereits ab Ereignissen der
Stärke HQ 20 käme es hier zu Überflutungen mit erheb-                       Abb. 9: Wehr- und Schleusenanlage der Neckarstaustufe
lichen Schäden.                                                             [© Stadt Heilbronn; Vermessungs- und Katasteramt]

                                                                            Als bedeutendster Hafen am Neckar ist der Heilbronner
                                                                            Hafen der siebtgrößte Binnenhafen Deutschlands. Er ist
                                                                            Ausgangs- und Endpunkt für Schiffstransporte zu den
                                                                            großen nördlich gelegenen Seehäfen und besteht aus
                                                                            mehreren Hafenbecken. Hauptsächlich werden Mas-
                                                                            sengüter wie Kies, Sand, Steinsalz, Kohle, Mineralöle,
                                                                            Holz und Futtermittel umgeschlagen.
                                                                            Zunächst passierte das Schiff den Kanalhafen, danach
                                                                            den im Bereich der Altneckareinmündung gelegenen
                                                                            Salzhafen. Etwas weiter neckarabwärts befindet sich
                                                                            der Osthafen. Die Gesamtfläche des Hafengebiets be-
                                                                            trägt 78 Hektar, davon sind 27 Hektar Wasserfläche. Die
                                                                            Gesamtlänge der Kaianlage beläuft sich auf rund 7,7
                                                                            Kilometer.
                                                                            Der Containerterminal ist die jüngste Ergänzung des
                                                                            Heilbronner Hafens. Er wurde nach 18-monatiger Bau-
                                                                            zeit im Juli 2012 mit Gesamtkosten von rund 17 Milli-
                                                                            onen Euro fertiggestellt und inzwischen in Betrieb ge-
                                                                            nommen. Auf einer 22 Quadratkilometer großen Fläche
                                                                            wurde ein Liegeplatz für ein Motorschiff sowie entspre-
                                                                            chende Kran- und Gleisanlagen geschaffen.

Abb. 8: Hochwassersperrtor am Abzweig des Altneckars
        [© Gundo Klebsattel]

Nach der Einbiegung in den Neckarkanal folgte als
nächstes Wasserbauwerk die Wehr- und Schleusen-
anlage Heilbronn. Während der Bauzeit in den Jahren
1948 – 1952 wurde die Baustelle mehrfach überflutet.
Schleuse und Wehr sind Teil der Neckarstaustufe. Die
Kammern der Doppelschleuse haben eine Größe von
107 x 12 Metern, die Fallhöhe beträgt 3,2 Meter. Auch
das Kraftwerk Heilbronn und die kleinere Wilhelm-                           Abb. 10: Probebetrieb im neuen Containerterminal
schleuse gehören zur Staustufe.                                                      [© Stadt Heilbronn; Hafenamt]

                                                                                                                                      | 27
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