Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"

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Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
MAGAZIN 2 · MAI 2022     CHF 8.–

 Federico Fellini.
Von der Zeichnung
    zum Film
        Seite 10

  Rudolf Koller.
Die Skizzenbücher
        Seite 20

 Emil Bührle und
 «Die Wahrheit»
        Seite 28
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
EDITORIAL                                                 3

                                                                                    Liebe Mitglieder der
Foto © Gelatin, Sofa (2019), Museum für Angewandte Kunst (MAK), Wien; Foto privat

                                                                                    Zürcher Kunstgesellschaft
                                                                                    Wo steht der schöne Blumenstrauss? – so wurde ich neulich gefragt. Mitten in der
                                                                                    Sammlung von Gabriele und Werner Merzbacher, und er ist jede Woche frisch und eine
                                                                                    Wucht. Wir freuen uns aufrichtig über den grossen Erfolg des Chipperfield-Baus bei
                                                                                    unserem Publikum, er hat seine erste Bewährungsprobe mit Bravour bestanden und
                                                                                    geniesst auch international hohe Anerkennung. Die vielen Rückmeldungen spornen uns an
                                                                                    zu Verbesserungen der Infrastruktur und der vielfältigen Informationsangebote, natürlich
                                                                                    auch zu Bührle, denn zu dem Rüstungskonzern Oerlikon-Bührle und seinem Eigentümer
                                                                                    soll weiter geforscht werden, und das finden wir gut, denn je mehr Fakten zutage
                                                                                    kommen, desto objektiver kann auch die Geschichte der Sammlung erzählt werden.
                                                                                         Im Chipperfield-Bau haben sich die Abläufe eingespielt: Die begeistert aufgenommene
                                                                                    Schau von Yoko Ono, die auf erfrischende Weise zeigt, was «interaktiv» heisst, können
                                                                                    Sie im neuen Wechselausstellungbereich bis Ende Mai sehen, dann kommt der legendäre
                                                                                    Filmregisseur Federico Fellini mit einer noch unbekannten Seite seines Schaffens. Dazu
                                                                                    können Sie die Themenausstellung «Kunst und Medizin» im grossen Ausstellungssaal und
                                                                                    die wunderbaren Tierzeichnungen von Rudolf Koller im Kabinett besuchen, also: ein
                                                                                    super Programm im Kunsthaus; und ich danke allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
                                                                                    für ihren bewundernswerten Einsatz. Hinter den Kulissen sind wir schon mitten in
                                                                                    den Vorbereitungen zur grossen Niki de Saint Phalle-Ausstellung, die gleich nach den
                                                                                    Sommerferien startet…
                                                                                         Die Zürcher Kunstgesellschaft kann erfreulicherweise weiterhin steigende Mitglieder-
                                                                                    zahlen verzeichnen. Gleich ob Sie langjährige treue oder neue Mitglieder sind, nun
                                                                                    haben Sie Gelegenheit, das Präsidium der Zürcher Kunstgesellschaft neu zu wählen, und
                                                                                    ich lade Sie auf diesem Weg ein, sich an dieser richtungsweisenden Entscheidung rege
                                                                                    zu beteiligen.
                                                                                         Wenn Sie unser Magazin regelmässig lesen, wissen Sie bestimmt die abwechslungs-
                                                                                    reichen Informationen zu schätzen, die es bietet. Es wird ergänzt durch ein breites Online-
                                                                                    Angebot zu Veranstaltungen, den Newsletter und vielfältige Social Media-Aktivitäten. Noch
                                                                                    immer und hoffentlich noch lange ist das Kunsthaus-Magazin, für dessen sorgfältige und
                                                                                                                    zuverlässige Redaktion ich unseren Kolleginnen und
                                                                                                                    Kollegen an dieser Stelle einmal herzlich danke, ein fester
                                                                                                                    Bestandteil unserer Kommunikation mit Ihnen, für die wir
                                                                                                                    viele positive Rückmeldungen erhalten.
                                                                                                                         Nicht zuletzt: Unseren Ball «The Roaring Twenties»,
                                                                                                                    den wir verschieben mussten, wollen wir im Herbst
                                                                                                                    stattfinden lassen, und wir freuen uns, wenn Sie sich Ihre
                                                                                                                    Tickets bald sichern.
                                                                                                                         Ich wünsche Ihnen einen schönen Sommer, und mit
                                                                                                                    Fellini heisst’s am Heimplatz demnächst: E la nave va!

                                                                                                                    Mit herzlichem Gruss
                                                                                                                    Ihr Christoph Becker
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
6                                                               GUT ZU WISSEN

                                                                                KULTURNEWS

                                                                                Geteilte Affinitäten –
                                                                                Triple Book Launch
                                                                                Mit drei Protagonist/innen, die von Zürich
                                                                                aus die Kultur bewegt haben! This Brunner,
                                                                                Jacqueline Burckhardt und Bice Curiger
                                                                                teilen auch eine enge Verbindung zum
                                                                                Kunsthaus. An diesem Abend werden drei
                                                                                biografisch gefärbte Veröffentlichungen
                                                                                gefeiert, die uns in spannende Geschichten
                                                                                aus der Kunst- und Filmwelt mitreissen.
                                                                                Von und mit This Brunner, Jacqueline
                                                                                Burckhardt und Bice Curiger, im Wort-
                                                                                wechsel mit u. a. Theres Abbt, Mirjam
    MITGLIEDER                                                                  Fischer, Cathérine Hug, Dora Imhof und

    Claude Monet – als
                                                                                Juri Steiner sowie in Anwesenheit der
                                                                                Gestalter/innen Beda Ackermann, Martina
                                                                                Brassel und Marie Lusa.

    multimediales Erlebnis                                                      Eine Zusammenarbeit mit den Kunstfreunden
                                                                                Zürich. Kunsthaus Zürich, Vortragssaal,
                                                                                Freitag, 17. Juni, ab 19 Uhr. Eintritt frei.
    «Monet’s Immersive Garden» ist eine 360-Grad-Erlebnis­
    reise durch die Geschichte und die Werke eines der
    grössten Künstlers des vergangenen Jahrhunderts.
    Vierzig Projek­toren erzeugen – in Verbindung mit Musik –
    eine berauschende Farbwelt und lassen die Gemälde
    auf aussergewöhnliche Weise lebendig werden.
    Bis 3. Juli 2022 in der Lichthalle Maag, Zürich.
    Online-Rabatt für Mitglieder der Zürcher Kunstgesellschaft:
    CHF 5.– Rabatt auf das Erwachsenenticket mit dem Promocode KH5MG.
    monets-immersive-garden.ch/kunsthaus

                                                                                                                               Fotos © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
            KULTURNEWS

            Provenienz­forschung
            Joachim Sieber, Provenienzbeauftragter
            des Kunsthaus Zürich und Vorstands­
            präsident des Schweizerischen Arbeitskreis
            Provenienzforschung wurde vom Parla-
            mentsdienst des Bundes als Fachexperte
            zur Frage der Provenienzforschung in
            der Schweiz an eine Anhörung der
            «Kommissionen für Wissenschaft, Bildung
            und Kultur» eingeladen.
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
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                                                                                     Zurich
                                                                                     Art Weekend
                                                                                     Das Zurich Art Weekend findet
                                                                                     jeweils am Wochenende vor
                                                                                     der Art Basel statt: dieses Jahr vom
                                                                                     10. bis 12. Juni. Mit über fünfzig
                                                                                     Ausstellungsorten, darunter Museen,
                                                                                     Galerien, Off-Spaces und Sam­m-
                                                                                     lungen, bietet es Raum für neue
                                                                                     Entdeckungen und internationale
                                                                                     Begegnungen. Das Kunsthaus
                                                                                     veranstaltet im Rahmen von «Take
                                                                                     Care: Kunst und Medizin» spezielle
                                                                                     «ZAW»-Events.

                                                                                     zurichartweekend.com

OBJEKT DER BEGIERDE

The Roaring Twenties
Ja, wir wagen es! Unseren Kostüm-Ball mussten wir bekanntlich
nicht nur einmal verschieben, aber Sie haben uns immer wieder
ermuntert, dass wir ihn endlich nachholen. Deshalb haben wir einen
neuen Termin ins Auge gefasst: Am Samstag, 1. Oktober wollen wir
es in der grossen Halle des Foyers Haefner und im goldenen Fest-
saal so richtig glitzern lassen – und natürlich hoffen wir, dass Sie alle
dabei sind. Zeit genug, an einem fantasievollen Kostüm zu arbeiten,
alles ist möglich, wenn es endlich wieder heisst: Tanzen – tanzen –
tanzen, und dann machen Sie unseren prachtvollen Chipperfield-Bau
– in einer Premiere – zum Riesenballsaal!
1. Oktober, ab 20 Uhr. Mit Gelegenheit zum Besuch der Sammlungen im 1. Stock
des Chipperfield-Baus. Detailprogramm und Vorverkauf ab Juni auf www.kunsthaus.ch.   KULTURNEWS
Preise: Vorverkauf CHF 50.–, Abendkasse CHF 60.–.
                                                                                     Kunstblick
                                                                                     Galeriemanager Sascha Worrich und
                                                                                     Radiomoderator Andreas Maurer
                                                                                     haben einen Podcast gestartet, um
        SHOP                                                                         hinter die Kulissen der Kunstwelt zu
                                                                                     schauen, mehr über Sammlerinnen
        Machen Sie sich                                                              und Sammler, ihre Leidenschaft
        auf die Socken!                                                              zur Kunst und die Geschichten hinter
                                                                                     ihren Kunstwerken zu erfahren.
        Möchten Sie einen kreativen Farbtupfer im Alltag setzen                      Sie unterhalten sich mit Kunstlieb­
        mit Ihrem Lieblingskunstwerk aus der Sammlung des                            habern, sprechen über die Anfänge
        Kunst­hauses? Gemeinsam mit dem Zürcher Label «Dilly                         ihrer Sammlungen und ihre auf­
        Socks» haben wir eine Sonderedition Kunsthaus-Socken mit                     regendsten Entdeckungen. Sie wagen
        Werken von Mondrian, Derain, Klee, van Gogh und Hodler                       einen Kunstblick in Ateliers, treffen
        kreiert. Ab sofort in unseren Shops erhältlich.                              sich mit Künstlerinnen und Ku­
                                                                                     ratoren und holen sich Tipps von
        Grössen: 36 – 40 und 41 – 46. Material: 83 % biologische                     Expertinnen aus Museen, Galerien
        Baumwolle, 16 % rezykliertes Polyamid, 1 % Elastan.                          und Auktionshäusern. Spannende
        Mitglieder: CHF 17.90 anstatt 19.90 (Mitglieder PLUS: CHF 15.90)
                                                                                     Einblicke aus der Welt des
                                                                                     Kunstmarktes gibt es gratis dazu.

                                                                                     www.kunstblick-podcast.com
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
8                                                                                       ANZEIGEN

                                                                                                                  Pre-Loved Jewelry
                                                                                                                      since 1978

                                     ART ON A PLATE
                                 Laurent Eperon, Chef de Cuisine
                            Zwei Michelin Sterne, 18 GaultMillau Punkte                                     An- und Verkauf von Antik- und Vintage-Schmuck
                     Talstrasse 1, 8001 Zürich, Telefon 044 220 50 22, www.aupavillon.ch                          Harry Hofmann AG | Rämistrasse 33
                                                                                                                       8001 Zürich | Switzerland

AD_Pavillon_Kunsthausmagazin_2021.indd 1                                                   09.12.21 16:19
                                                                                                                        So individuell wie ein Kunstwerk
                                                                                                                        sollte auch dessen Rahmung
                                                                                                                        sein. Unsere grosse Auswahl an
                                                                                                                        Bilderrahmen und Rahmenleisten,
                                                                                                                        ergänzt durch unseren Passepar-
                                                                                                                        tout- und Einrahmungsservice,
                                                                                                                        bietet Ihnen alle Möglichkeiten.
                                                                                                                        Vertrauen auch Sie
                                                                                                                        auf unsere Erfahrung.

                                                                                                                        Unsere Läden
                                                                                                                        Aarberg | BE
                                                                                                                        Münchwilen | TG
                                                                                                                        Unterentfelden | AG
                                                                                                                        Zürich | Zürich
                                                                                                                        Webshop und mehr:
                                                                                                                        www.boesner.ch

                Die richtigen Rahmen
                für grosse Kunst.
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
AUKTION
BASEL 22 . JUNI 2022
MODERNE UND ZEITGENÖSSISCHE KUNST

                                       VORBESICHTIGUNG 14.–19. JUNI 2022

                                       GEORG BASELITZ Kullervos Füsse, 1966–1967

Schwarzwaldallee 171 4058 Basel 061 312 32 00 info@bbw-auktionen.com www.bbw-auktionen.com
Federico Fellini. Von der Zeichnung zum Film Rudolf Koller. Die Skizzenbücher Emil Bührle und "Die Wahrheit"
10   AUSSTELLUNGEN

                     1
AUSSTELLUNGEN                                             11

Federico
Fellini
1. Juli – 4. September 2022
KURATORIN Cathérine Hug

                              Von der Zeichnung
                              zum Film

                              1 Deutsches Filmplakat zu «Il bidone», 1955
                              Offsetdruck nach einer Zeichnung Fellinis, 83,8 × 59,4 cm
                              Sammlung des Deutschen Plakat Museums im Museum Folkwang, Essen
                              © 2022, ProLitteris, Zurich
12                                               AUSSTELLUNGEN

 2   Danilo Donati, Bischofskostüm
 (Roter Planet mit Spiegeln), 1972 (Roma)
 Comune di Rimini - FM Fellini Museum

 3   Modeschau der Kleriker, 1972
 Offset-Druck, 21,2 × 27,2 cm
 Fondation Fellini pour le cinéma, Sion
 © Coll. Fondation Fellini pour le cinéma,
 Sion (Suisse)
                                                                                       2

                                                                 AUSSTELLUNGSORT
                                                                 UND KATALOG
                                                                 Die Ausstellung findet im mittel­
                                                                 grossen Ausstellungssaal im
                                                                 Chipperfield-Bau auf 600 m2 statt.
                                                                 Begleitend ist im Steidl Verlag der
                                                                 Katalog in deutscher Sprache
                                                                 (215 Seiten, über 250 Abbildungen)
                                                                 erschienen. Die Publikation,
                                                                 die für die Zürcher Station um eine
                                                                 Beilage ergänzt wurde, enthält
                                             3                   neue Texte von Tobias Burg,
                                                                 Nora Gomringer, Cathérine Hug
                                                                 und Gérald Morin. Sie ist ab
                                                                 Ausstellungsbeginn im Kunsthaus-
                                                                 Shop erhältlich.
AUSSTELLUNGEN                                                                  13
Federico Fellini (1920–1993) zählt zu den bedeutends-                    IM O-TON MIT EINEM VON FELLINIS
ten Regisseuren der Filmgeschichte. Produktionen wie                          ENGSTEN MITARBEITERN
«La strada» (1954), «La dolce vita» (1960), «Amarcord»          CATHÉRINE HUG:  Fellini schuf Zeichnungen nicht
(1973) und «La città delle donne» (1980) sind Filmklas-         nur für sich selbst, sondern auch für andere,
siker, die unter internationalen Kulturschaffenden dis-         um beispielsweise seine Vorstellungen von den
kutiert und vom Publikum gefeiert werden. Ihr Thema             Kostümen darlegen zu können.
reflektiert mit Prägnanz die italienische Gesellschaft,            GÉRALD MORIN: Vor den Kostümen kommen erst
aber auch westliche Werte­vorstellungen des 20. Jahr-           einmal die Schauspieler. Fellini ist zum Casting durch
hunderts. Was bisher wenig bekannt ist: Fellini war von         ganz Italien gereist. In den Zeitungen stand dann, dass
Jugend an auch ein unermüdlicher Zeichner, der seine            Fellini eine dicke Frau sucht, oder eine riesenhafte und
Träume und Ideen zuerst mit Filzstift, Kugelschreiber           so weiter. Er sieht sich dann Theater- und Filmschau-
oder Fineliner auf Papier skizzierte, bevor er sie am Set       spieler an, aber auch Menschen, die keine professionel-
in Szene setzte und auf Zelluloid bannte.                       len Schauspieler sind. Er verbringt viel Zeit mit ihnen
                                                                und macht Fotos. Sein Fotoarchiv umfasst schliesslich
               ÜBER DIE ZEICHNUNG                               fast 50 000 Abzüge. Er will nicht, dass ein Schauspieler
              ZU DEN FIGUREN IM FILM                            die Rolle spielt, er möchte, dass die Person, die er
Neben einzelnen Szenen oder Ausstattungsdetails galt            gefunden hat, diese Rolle verkörpert! Sobald er Men-
sein Interesse dabei in erster Linie den Figuren, die           schen – Profis oder Amateure – gesehen hat, beginnt er
seine Filme bevölkern. Er entwickelte Vorstellungen             sie zu zeichnen. Durch das Zeichnen versucht er, den
von einer Rolle unter anderem dadurch, dass er sie              Charakter der Person zu «synthetisieren». In dem
zeichnete. Diese schnellen Skizzen dienten ihm selbst
zur Orientierung, fanden aber auch Verwendung, um
dem Filmteam seine Ideen zu veranschaulichen.
Fellinis künstlerische Prägung – er war zuerst als Kari-
katurist und Erfinder humoristischer Zeichnungen für
Zeitungen tätig – brachte es mit sich, dass auch seine
Filmzeichnungen einen deutlichen Zug ins Karikatu-
renhafte, bisweilen Groteske haben. Es ist dieser spezi-
fische Stil, der die Zeichnungen unabhängig von den
filmischen Werken zu künstlerisch bemerkenswerten,
eigenständigen Schöpfungen macht.
   Die Ausstellung umfasst rund 500 Exponate: Zeich-
nungen, Set-Fotografien sowie Filmrequisiten. Das
Kunsthaus hatte 1984 unter der Ägide von Toni Stooss
eine solche Präsentation zu Lebzeiten des Regisseurs
gezeigt. Zuletzt hatte Sam Stourdzé Fellinis Gesamt-
werk am Jeu de Paume in Paris 2009 gewürdigt. Der
Grossteil der Exponate in unserer Ausstellung machen
Zeichnungen aus der Zürcher Sammlung von Jakob
und Philipp Keel aus; ergänzt werden die Zeichnungen
durch eine ebenso grosse Anzahl von überwiegend
schwarz-weissen Set-Fotografien von Mimmo
Cattarinich, Osvaldo Civirani, G. B. Poletto, Pierluigi
Praturlon und Tazio Secchiaroli. Gemeinsam mit den
Filmausschnitten machen diese Fotos im Zusammen-
spiel mit den Zeichnungen die Arbeitsweise Fellinis auf
lebendige Weise nachvollziehbar. Im Vergleich zum
Kooperations­partner Museum Folkwang in Essen, wo
die Ausstellung bis zum 20. Februar 2022 gezeigt
wurde, wird die Auswahl im Kunsthaus Zürich um rund
40 zusätzliche Leihgaben erweitert: Diese Kostüme,
Requisiten, Casting-Briefe und Fotografien stammen
aus der Fondation Fellini pour le cinéma in Sion, dem                       Federico Fellini, Ohne Titel (Gelsomina am Meer),
                                                                            1953–1954 (La strada)
2021 eröffneten Fellini Museum in Rimini sowie aus                          Filzstift und Fineliner, 29,7 × 21 cm
dem Privatbesitz des Dirigenten Graziano Mandozzi.                          Sammlung Jakob und Philipp Keel, © 2022, ProLitteris, Zurich
14   AUSSTELLUNGEN

                     4
AUSSTELLUNGEN                                                 15
Tagebuch, das ich von Fellini habe, befinden sich unter        Leute, die echte Lebenserfahrung hatten. Models hin-
anderem zwei Zeichnungen. Die erste Zeichnung, da-             gegen und die ganze Künstlichkeit, die sie verkörpern,
tiert vom 24. Mai 1975, ist eine Karikatur von Donald          mochte er überhaupt nicht (mit ein paar Ausnahmen),
Sutherland, der noch nicht Casanova ist. Zwei Monate           weil das für ihn unecht war. Was er liebte, war das Le-
später, am 21. Juli 1975, zeichnete er ihn erneut, dies-       ben in vollen Zügen ohne Selbstzensur. Er bewunderte
mal jedoch als Casanova. Deshalb zeichnet er schon bei         Frauen, die ihr Leben in Fülle leben, ein bisschen wie
den Castings, er möchte sehen, wie diese Person in ei-         prähistorische Göttinnen – diejenigen, die grosszügig
ner bestimmten Rolle aufgeht. Für Fellini ist das die          geben. Andererseits sagte er auch, dass es während des
wichtigste Funktion der Zeichnung. Dann ist sie aber           Krieges an Lebensmitteln gefehlt hat und einem zur
natürlich auch bei den eigentlichen Filmarbeiten nütz-         gleichen Zeit unter dem Druck des Katholizismus die
lich. Er gibt die Zeichnungen den Maskenbildnern, aber         Freude am Sex genommen wurde, die ganze vitale und
auch den Kostümbildnern. Auch bei den Bühnenbil-               schöpferische Kraft der Sexualität wurde unter den
dern nutzt er die Zeichnung, um seine Ideen anschau-           Teppich gekehrt. Als man dann nach dem Krieg endlich
lich zu machen.                                                die Möglichkeit hatte, wieder etwas zu essen, gab es
                                                               riesige Teller mit Spaghetti. Es ist dasselbe mit den
CH: Im Werk Fellinis gibt es viele erotische und               monumentalen Brüsten, man wollte das, was man ver-
sogar exzessive Zeichnungen, die Frauen mit                    passt hatte, alles in enormem Umfang. Darüber hinaus
riesigen Brüsten oder Männer mit gigantischen                  zeugen viele seiner erotischen Zeichnungen von einem
Geschlechtsorganen zeigen. Waren das persönli-                 ausgeprägten Sinn für Humor. Fellini hat eine Reihe
che Zeichnungen, die er so vielleicht nicht ge-                von Zeichnungen angefertigt, auf denen eine narzissti-
macht hätte, wenn sie von Anfang an auch für                   sche Figur mit einem riesigen erigierten Penis zu sehen
andere Augen bestimmt gewesen wären? Viel-
leicht hatten sie für ihn auch einen selbstironi-
schen Aspekt? Oder hatte es auch etwas mit der
Hippie-Ära und der sexuellen Revolution der
1960er-Jahre zu tun? Hat er auch ein wenig diese
Atmosphäre der Freiheit empfunden?
   GM: Ja und nein. Natürlich erlebte er als Kind und
Jugendlicher die Unterdrückung durch den Katholizis-
mus und den Faschismus. Karikaturist bei einer Satire-
zeitschrift zu sein, das war schon eine Befreiung. Und
wenn er grosse Brüste zeichnete, dann deshalb, weil er
das Leben in all seinen Spielarten mochte. Er liebte

4 Federico Fellini, Anita vestita da prete,
1959–1960 (La dolce vita)
Filzstift und Fineliner, 29,7 × 21 cm
Sammlung Jakob und Philipp Keel
© 2022, ProLitteris, Zurich

5   Federico Fellini, La passeggiata in carrozza
con lo zio matto, 1972–1973 (Amarcord)
Filzstift und Fineliner, 28 × 21,5 cm
Sammlung Jakob und Philipp Keel
© 2022, ProLitteris, Zurich
                                                                                                                         5
16                                                             AUSSTELLUNGEN

 ist, auf dem eine Kamera sitzt, die in Richtung des
 Gesichts zeigt, damit sich der Narzisst selbst foto­                                  VERANSTALTUNGEN
 grafieren kann. Das ist seine eigene Art, die Dinge ins                                 Filmscreening mit
 rechte Licht zu rücken.                                                               anschliessendem Gespräch
                                                                                       Freitag, 1. Juli, 18.15 – 20.15 Uhr
                                                                                       «Auf den Spuren von Fellini» (2013),
 Interview-Auszug aus dem Ausstellungskatalog. Morin war                               ein Dokumentarfilm von Gérald
 von 1971 bis 1977 Privatsekretär Fellinis sowie dessen                                Morin. Gespräch zwischen Gérald
 Assistent bei «Amarcord» und «Casanova». 2013 kam sein                                Morin, Regisseur und ehemaliger
                                                                                       Assistent von Fellini, Künstler und
 Dokumentarfilm «Auf den Spuren Fellinis» heraus, der                                  Verleger Philipp Keel und Fellinis
 im Rahmen der Ausstellung gezeigt wird.                                               Kostümbildnerin Gabriella Pescucci,
                                                                                       moderiert von der Kunsthistorikerin
                                                                                       Giorgia von Albertini.
 Die Ausstellung wird unterstützt von der Truus und
 Gerrit van Riemsdijk Stiftung und der Dr. Georg und                                     In Bildern denken
 Josi Guggenheim-Stiftung.                                                             14. Juli / 31. August, 18 –19.30 Uhr
                                                                                       Verschiedene Formen von Visuali-
                                                                                       sierungen: Von der Idee bis zum
                                                                                       Film. Gespräch in der Ausstellung
                                                                                       mit den Regisseuren Pierre Monnard
                                                                                       (14.7.) und Stefan Haupt (31.8.).

                                                                                         Open-Air-Kino im XENIX
                                                                                       Mittwoch, 10. August, 21.15 Uhr
                                                                                       Federico Fellinis «Le notti di
                                                                                       Cabiria» (1957). Mit Giulietta Masina,
                                                                                       François Périer, Amedeo Nazzari,
                                                                                       Franca Marzi, Aldo Silvani, Dorian
                                                                                       Gray.

                                                                                         Panel-Diskussion
                                                                                       Freitag, 26. August, 18.15 –19.45 Uhr
                                                                                       «Sex Appeal?». Kritische Debatte
                                                                                       über das Problematische und
                                                                                       gleichsam Visionäre bei Fellinis
                                                                                       Frauen- wie Männerfiguren. Es
                                                                                       diskutieren die Comedy-Künstlerin
                                                                                       Patti Basler, Stefan Zweifel, Kurator
                                                                                       der Ausstellung «Der erschöpfte
                                                                                       Mann» (Nationalmuseum, 2020),
                                                                                       und Cathérine Hug, Kuratorin der
                                                                                       Fellini-Ausstellung im Kunsthaus
                                                                                       Zürich. Moderiert wird das Gespräch
                                                                                       von der Journalistin Marguerite
                                                                                       Meyer.

                                                                               6

                                                                                   6    Brief an Fellini von einem unbekannten
                                                                                   Künstler mit dem Pseudonym OT, 12.1.1973
                                                                                   Fonds Gérald Morin, Fondation Fellini pour
                                                                                   le cinéma, Sion
                                                                                   Foto © Coll. Fondation Fellini pour le
                                                                                   cinéma, Sion (Suisse)

                                                                                   7    Foto eines unbekannten Künstlers
                                                                                   mit dem Pseudonym OT, 1973
                                                                                   Fonds Gérald Morin, Fondation Fellini pour
                                                                                   le cinéma, Sion
                                                                                   Foto © Coll. Fondation Fellini pour le
                                                                                   cinéma, Sion (Suisse)
                                                           7
KOETSER GALLERY

                        FRANS HALS 1582/83 – Haarlem – 1666
                   Porträt eines jungen Mannes, seine Handschuhe haltend
                               Öl auf Holz, oval, 25 x 18.5 cm

Kürzlich verkauft an die Sammlung Rose-Marie und Eijk van Otterloo, bestimmt
für das Centre for Netherlandish Art (CNA) im Museum of Fine Arts, Boston, USA

       ANFRAGEN: DAVID KOETSER, TALSTRASSE 37, 8001 ZURICH, SCHWEIZ
            T : +41 44 211 52 40 E : DAVID@KOETSERGALLERY.COM
                             KOETSERGALLERY.COM
18               ANZEIGEN

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20                                           AUSSTELLUNGEN

 Rudolf
    Koller
 Die Skizzenbücher
 Eine Ausstellung gibt Einblicke
 in die Welt seiner privaten Skizzen
 20. Mai – 14. August 2022   KURATOR Jonas Beyer
AUSSTELLUNGEN                                                                      21

                                                                                                                                    1

«Das Andenken Rudolf Kollers ist den Zür-    künstlerischen Reichtümer sich hier aller-   Publikum die Möglichkeit zu eröffnen,
chern teuer. Seine Gotthardpost ist das      dings zwischen jeweils zwei Buchdeckeln      einzelne Etappen in der Bildfindung direkt
meistgesuchte, meistreproduzierte Bild       verbergen, wird spätestens in dieser Aus-    nachzuvollziehen.
des Zürcher Kunsthauses, trotz Böcklin,      stellung in ganzer Fülle nachvollzogen          Diese Rundumschau bildet den
trotz Munch oder Cézanne.» Diese Aus-        werden können.                               Schluss- und Höhepunkt eines von der
sage, die vom damaligen Direktor des                                                      Stiftung Familie Fehlmann grosszügig
Kunsthauses René Wehrli stammt, datiert           VON SKIZZEN ZU ÖLSTUDIEN                geförderten Restaurierungs- und Digitali-
auf das Jahr 1966.                           Unsere Ausstellung bietet die einmalige      sierungsprojektes (siehe hierzu den nach-
   Während die «Gotthardpost» noch           Gelegenheit, dem Künstler dabei nachzu-      folgenden Beitrag), so dass die Skizzen-
heute ein Publikumsmagnet ist, hat sich      spüren, wie er den Skizzenbüchern seine
seither einiges getan und viele Bilder des   zeichnerischen Einfälle anvertraut hat.
Künstlers haben ihren Weg ins Depot ge-      Diese reichen von spielerischen Finger-
nommen. Auch die Skizzenbücher, immer-       übungen bis hin zu detaillierten, bildmäs-
hin besitzt das Kunsthaus 67 der insge-      sig ausgeführten Zeichnungen. Zudem
samt erhaltenen 85 Bücher, können aus        werden Kollers Skizzenbücher in einen                   1  Rudolf Koller, Ruhender Löwe
                                                                                                     Aus: Skizzenbuch P 65, fol. 2, 1851/1855
konservatorischen Gründen immer nur          Dialog zu dessen Ölstudien gesetzt, etwa                Grafitstift auf Papier, 13,8 × 38 cm
auszugsweise vorgestellt werden. Welche      zu jenen der «Gotthardpost», um dem                     Kunsthaus Zürich, 1905
22                                              AUSSTELLUNGEN

 bücher nun in frischem Gewand präsen-
 tiert werden können. An eigens für die
 Ausstellung eingerichteten Medienstatio-
 nen wird das Publikum zudem durch aus-
 gesuchte Skizzenbücher blättern und so-
 mit vor Ort die Vorzüge nacherleben kön-
 nen, die die Digitalisierung der Bücher mit
 sich gebracht hat.
    Ob mit Grafitstift, Feder oder Kohle
 gezeichnet – die Besucherinnen und Besu-
 cher erwartet die ganze Vielfalt von Kollers
 grafischen Ausdrucksmitteln. Dank der
 dabei offenbar werdenden zeichnerischen
 Könnerschaft sehen wir einen Künstler am
 Werk, der mit der Bezeichnung «Tierma-
 ler» zweifellos nur unzureichend charak-
 terisiert wäre. Gerade im Medium der
 Zeichnung zeigt sich Koller ausgesprochen
 beweglich und in hohem Masse experi-
 mentierfreudig. Diese Seite des Künstlers                                                                         2
 herauszustellen, war zentrales Anliegen
 bei der inhaltlichen Ausrichtung unserer
 Ausstellung.

                                                                    KATALOG
                                                                    Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit
                                                                    Beiträgen von Jonas Beyer, Silvan Faessler,
                                                                    Rebecca Honold und Simone-Tamara Nold
                                                                    (Verlag Scheidegger & Spiess), erhältlich im
                                                                    Buchhandel und im Museumsshop.

                                                                    2    Rudolf Koller, Erste Skizze zur
                                                                    «Gotthardpost», 1873
                                                                    Öl auf Leinwand, 32,5 × 41 cm
                                                                    Kunsthaus Zürich, Gottfried Keller-
                                                                    Stiftung, Bundesamt für Kultur, Bern, 1896
                                                                3
                                                                    3  Rudolf Koller, Studie zu «Idylle
                                                                    am Hasliberg»
                                                                    Aus: Skizzenbuch P 28, fol. 4, vor 1864
                                                                    Grafitstift auf Papier, 28,2 × 21,8 cm
                                                                    Kunsthaus Zürich, 1905
RESTAURIERUNG                                                                      23

Ein Digitalisierungs- und
Restaurierungsprojekt
TEXT Jonas Beyer / Rebecca Honold

Die Grafische Sammlung des Kunsthaus Zürich be-
sitzt eine grosse Anzahl an Skizzenbüchern von ganz
unterschiedlichen Künstlern. Gerade was den Um-
fang an Skizzenbüchern von Schweizer Meistern
angeht, ist das Kunsthaus Zürich gut aufgestellt, um
mit Otto Frölicher, Johann Gottfried Steffan und
Adolf Stäbli nur einige Namen zu nennen. Der weit-
aus reichste Bestand aber liegt mit den Skizzenbü-
chern Rudolf Kollers vor. Für die Sichtung der
67 Bände aus allen Schaffensperioden des Künstlers
müsste viel Zeit im Studiensaal der Grafischen
Sammlung aufgewendet werden.
   Doch nicht nur die schiere Menge erschwert den
Zugang zu Kollers Skizzen, sondern auch der Fakt,
dass bei Büchern jeweils nur eine aufgeschlagene
Doppelseite in einer Ausstellung präsentiert werden
kann. Dem Publikum bleibt daher das Gros der in
diesen Büchern befindlichen Zeichnungen verbor-               Aufnahmesituation im Digitalisierungszentrum der Zentralbibliothek Zürich
                                                              Foto © Peter Moerkerk
gen. Vermutlich wurden deshalb im frühen 20. Jahr-
hundert zahlreiche Seiten aus den Büchern entnom-
men und damit empfindlich in die ursprüngliche
Anlage dieser Bände eingegriffen. Im Katalog «Meis-
terwerke aus der Graphischen Sammlung» von 1984
heisst es diesbezüglich: «Eine Auswahl der besten
Studien [aus Kollers Skizzenbüchern] werden ein-       der Einband seine Funktion, den Zusammenhalt und
zeln aufbewahrt und für Ausstellungen bereitgehal-     den Schutz der Blätter sicherzustellen, nicht mehr
ten.»                                                  erfüllen.
   Der dritte Umstand, der den Zugang zu den Skiz-        Nachvollziehbar ist das insofern, als Skizzenbü-
zen erschwert, ist der schlechte Zustand einiger       cher bereits zu Lebzeiten eines Künstlers oder einer
Skizzenbücher. Während die Mehrzahl der Bände nur      Künstlerin grossen Strapazen ausgesetzt sind. Sie
kleine Schäden am Einband aufweisen, sind einige       werden auf Reisen mitgenommen und sind beim
wenige Exemplare so stark beschädigt, dass bereits     Skizzieren Wind und Wetter ausgesetzt. Es ist also
ein vermeintlich einfaches Umblättern das Risiko       wenig erstaunlich, dass die Spuren davon an den
von weiteren Schäden birgt. In diesen Fällen kann      Einbänden der Bücher sichtbar sind. Auch der Zu-
24                                                         RESTAURIERUNG

 stand der herausgelösten Einzelblätter ist bei Koller    den diese Rohdaten von einer eigens für dieses Pro-
 von der Geschichte ihrer Handhabung geprägt.             jekt angestellten Mitarbeiterin.
 Durch das Entfernen aus den Büchern und das Mon-            Waren die Einzeleinträge erst einmal in unserer
 tieren in Passepartouts finden sich Papier- und Kle-     Museumsdatenbank erfasst und pro Buch miteinan-
 berückstände auf den Zeichnungen, die Spannungen         der verknüpft, so fehlte nur noch ein einziger Schritt:
 und Verwerfungen auslösen.                               Die Datensätze mussten mit der Open Source-Soft-
                                                          ware «Goobi» gekoppelt werden, die das Kunsthaus
             ERLEICHTERTER ZUGANG                         Zürich schon seit Längerem für die Darstellung
 Ziel unseres Projektes bestand darin, den Zugang zu      mehrteiliger Objekte verwendet. Dank dieser tech-
 Kollers Skizzenbüchern zu vereinfachen und lang-         nischen Infrastruktur sind bereits Publikationen des
 fristig sicherzustellen. Der Weg dahin führte über die   Dadaismus oder Künstlerbriefe aus dem Museums-
 Digitalisierung und Restaurierung der Bände. So          archiv virtuell einsehbar – nun ergänzt um Einblicke
 wird es künftig einen einfacheren, das heisst eben       in künstlerisch wertvolle Skizzenbücher.
 auch digitalen Zugang zu den Werken geben. Bereits          Dank der engen Zusammenarbeit von Grafischer
 heute lassen sich zehn Bücher über «digital.kunst-       Sammlung und Restaurierungsabteilung liefen In-
 haus.ch» virtuell durchblättern, weitere sollen fol-     ventarisierung, Digitalisierung und Restaurierung
 gen. Unser Ehrgeiz erstreckte sich auch darauf, den      von Kollers Skizzenbüchern Hand in Hand. Das
 einstigen Gesamtzusammenhang der Skizzenbücher           Ergebnis spricht für sich: Der Bestand erhält durch
 zumindest virtuell wiederherzustellen. So werden         den digitalen Zugang eine höhere Sichtbarkeit und
 die digitalisierten Skizzenbücher dank der Integra-      gleichzeitig wird der Erhalt der originalen Skizzen-
 tion jener einst entnommenen Einzelseiten im Netz        bücher für die nächsten Generationen sicherge-
 wieder als ein in sich geschlossenes Ganzes erfahr-      stellt.
 bar.
     Bei den Originalen bleiben zwar die herausgelös-     Ermöglicht wurde dies durch die grosszügige
 ten Skizzen weiterhin von ihren ursprünglichen           finanzielle Unterstützung der Stiftung Familie
 Einbänden getrennt. Die Restaurierung garantiert         Fehlmann, Winterthur.
 jedoch die langfristige Erhaltung sowie gefahrlose
 Benutzung auch der originalen Bände und Einzelsei-
 ten. Zwei freiberufliche Restauratorinnen, speziali-
 siert auf die Behandlung von Kunstwerken auf Papier
 beziehungsweise Bücher, bearbeiteten die Einzel-
 blätter und Skizzenbücher in ihren jeweiligen
 Ateliers. Zum Schutz erhielten die Werke nach ab­
 geschlossener Restaurierung Umschläge bzw. Karto-
 nagen aus alterungsbeständigem Material.
     Auch die verschiedenen Arbeitsschritte, die es
 brauchte, um die Bücher im digitalen Raum zu nut-
 zen, wurden auf verschiedene Schultern verteilt:
 Während sich die Bücher im Digitalisierungszentrum
 der Zentralbibliothek Zürich scannen liessen, konn-
 ten die entnommenen Skizzenbuchseiten von unse-
 rem technischen Mitarbeiter hausintern fotografiert
 werden. Zusammengeführt und pro Seite mit jeweils
 einem Eintrag in unserer Datenbank versehen, wur-

                                                          Auswahl an Skizzenbüchern Rudolf Kollers
                                                          Foto © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich
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                                                                                                                           1

 Emil Bührle
 und « Die Wahrheit »
 TEXT Philippe Büttner

                                                                        Aktuell sind im Erdgeschoss des Müller-Baus Werk-
                                                                        gruppen aus der Sammlung zu verschiedenen thema-
                                                                        tischen Schwerpunkten zu sehen. Eine Rolle spielen
                                                                        dabei u. a. auch Emil Bührle und die Kontroverse um
                                                                        die Präsentation von Werken aus seiner Sammlung
 1   Ferdinand Hodler, Die Wahrheit, 1902
 Kunsthaus Zürich, Geschenk der Erben Alfred Rütschi, 1929              im Kunsthaus.
 Otto Charles Bänninger, Kopf Emil G. Bührle, 1956                         Ein Hauptwerk der Accrochage ist die 1902 ent-
 Kunsthaus Zürich, Leihgabe der Stadt Zürich, 1958
 © Nachlass Otto Charles Bänninger                                      standene erste Fassung von Ferdinand Hodlers sym-
 2
                                                                        bolistischer Komposition «Die Wahrheit». Hodler
     Oskar Kokoschka, What We Are Fighting For, 1943
 Öl auf Leinwand, 116,5 × 152 cm                                        hat die Wahl dieses Titels 1904 mit der französischen
 Kunsthaus Zürich, Geschenk Wilhelm Wartmann,
 Direktor des Kunsthauses 1908 – 1950, 1950
                                                                        Dreyfus-Affäre in Verbindung gebracht. Es handelte
 © Fondation Oskar Kokoschka / 2022, ProLitteris, Zurich                sich dabei um ein auf antisemitischer Verleumdung
SAMMLUNG                                              29
basierendes Militärgerichtsverfahren gegen den              Von besonderem Interesse ist diesbezüglich das
Hauptmann Alfred Dreyfus, das die französische           in die Accrochage integrierte, wohl in den 1930er-
Gesellschaft stark polarisierte.                         Jahren entstandene Gemälde «Fabrik II» des Zürcher
   Wir sehen hier also einerseits die ätherisch-reine    Malers Max Billeter. Nach Information der Lebens-
Gestalt der «Wahrheit» – andererseits aber deren         gefährtin des Künstlers, Ursula Rüefli, zeigt es
vom Licht des Wahren geblendeten Feinde. Diese           «Arbeiter in der Frühe (Oerlikon)». Nicht unwahr-
antithetische Konstellation erinnert ein wenig an die    scheinlich also, dass hier die Fabrik Bührles darge-
zugespitzte Darstellung des Einzugs von Werken der       stellt ist. Hier wären sie also, einige dieser
Bührle-Stiftung ins Kunsthaus Zürich, wie sie in den     Arbeiterinnen und Arbeiter, die nota bene mit ihrer
vergangenen Monaten in den Medien zu beobachten          Arbeit eine der Grundbedingungen dafür schufen,
war. Mit ihrer medialen Kampagne haben die Kriti-        dass heute im Kunsthaus hochkarätige Kunstwerke
kerinnen und Kritiker von Kunsthaus und Bührle-          aus der Sammlung Bührle zu sehen sind. Wie würde
Stiftung eine starke Wirkung auf die Öffentlichkeit      ihnen der Erweiterungsbau des Kunsthauses wohl
ausgeübt. Es wurde ein nochmals erweiterter Blick        gefallen? Demgegenüber zeigt das daneben hän-
auf die Konstellation Bührle/Kunsthaus erzwungen,        gende Bild «Masse» von Otto Baumberger Arbeits-
der wohl unausweichlich und wichtig war. Zugleich        lose während der Genfer Unruhen von 1932.
wurden die oft einseitig formulierten Stellungnah-          Ebenfalls zu sehen sind drei bedeutende Kriegs-
men der komplexen Thematik als Ganzer zumeist            bilder aus der Sammlung, eines von Oskar Kokoschka
kaum gerecht.                                            und zwei von Marc Chagall. Vor dem Hintergrund
   Emil Bührle selber ist in der Accrochage mit einer    der Thematik von Raub- und Fluchtgut, wie sie für
Gipsversion seines von Otto Charles Bänninger mo-        einen begrenzten Teil der im Kunsthaus gezeigten
dellierten Kopfes vertreten. Bührle ist und bleibt für   Werke der Bührle-Stiftung von Belang ist, wird man
Zürich, das Kunsthaus und die Schweiz eine höchst        vor diesen Bildern insbesondere der Evokation der
widersprüchliche Figur. Auf der einen Seite ist er       Judenverfolgung gewahr werden: In seinen beiden
u. a. aufgrund seiner Waffenverkäufe an die Natio-       Bildern «Le Martyr» (1940) und «La Guerre» (1964–
nalsozialisten, seinem Erwerb von Raubkunst und          1966) evoziert Chagall deren Präsenz anhand von
Fluchtgut während des Kriegs und seinem Ausnut-          Szenen im russischen Witebsk seiner Kindheit
zen von Zwangsarbeit bis heute zu Recht sehr um-         (heute Belarus). Kokoschkas radikales, 1943 in Lon-
stritten. Auf der anderen Seite war Bührle ein mass-     don entstandenes Bild «What We Are Fighting For»
geblicher Mäzen des Kunsthaus Zürich. Auch wer           prangert jeglichen Krieg und die sozialen Zustände
ihm vorwirft, er habe damit nur sein Image aufpolie-     an, die dazu führen. In ihm ist eine Figur mit er-
ren wollen, wird zugeben müssen, dass er damit viel      hobenen Armen zu sehen, die mit den Buchstaben
für die Kunststadt Zürich getan hat.                     «P. J.» bezeichnet ist. Sie stehen für «Perish Judah»,
                                                         den Slogan einer antisemitischen britischen Grup-
          AMBIVALENZ UND KEIN ENDE                       pierung. Diese Bilder erhalten heute angesichts des
Insbesondere gäbe es ohne ihn den 1958 eröffneten        russischen Angriffs auf die Ukraine über ihre spezi-
grossen Ausstellungssaal des Kunsthauses nicht. In       fischen historischen Inhalte hinaus eine erneuerte,
völliger künstlerischer Freiheit konnte das Kunst-       universelle Aktualität.
haus dort seit Jahrzehnten zahllose, zum Teil welt-
weit als vorbildlich wahrgenommene Ausstellungen
                                                                                                                   2
durchführen. Viele Besucherinnen und Besucher
haben in diesem Saal die freie Stimme, die verän-
dernde Kraft der Kunst vernommen. Und das gilt bis
heute.
   Erkenntnisgewinn, erwachsen aus dem mäzena-
tischen Tun eines ruchlosen Waffenfabrikanten?
Kein sympathischer Gedanke, aber so viel Ambiva-
lenz gilt es in dieser Geschichte wohl tatsächlich
auszuhalten. Dazu kommt noch ein weiteres ambi-
valentes Bührle-Thema, mit dem man sich in Zürich
und der Schweiz nicht nur leichttut: Bührle war
während Jahrzehnten der wichtigste private Arbeit-
geber in Zürich. Tausende von Arbeitnehmenden
waren in seiner Fabrik tätig und verdienten sich so
ihren Lebensunterhalt.
30                                                      ANZEIGEN

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                                                                            Seit 1917 fördert die Vereinigung Zürcher
                                                                   Kunstfreunde das Kunsthaus Zürich und damit auch
                                                                   das kulturelle Leben in der Limmat Stadt. Werden Sie
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5. März – 4. Juni 2022
32                                                                 RESTAURIERUNG

                                                                                   Das Werk «Untitled (White, Blacks, Grays
                                                                                   on Maroon)» von 1963 von Mark Rothko
                                                                                   ist eines der ganz grossen Highlights in der
                                                                                   Sammlung des Kunsthaus Zürich. Es steht

 Sonderprojekt
                                                                                   in Rothkos Œuvre am Anfang einer Reihe
                                                                                   von dunklen Werken, die etwas später zur
                                                                                   berühmten «Rothko Chapel» in Houston
                                                                                   führten.

 Rothko
                                                                                   STAUBIGE OBERFLÄCHE, VERÄNDERTE
                                                                                          FARBWAHRNEHMUNG
                                                                                   Mit seiner Maltechnik, Farbschicht um
                                                                                   Farbschicht auf- und aneinander zu setzen
                                                                                   und ineinander verschwimmen zu lassen,
 TEXT Tobias Haupt                                                                 schuf er seine unverkennbaren samtigen
                                                                                   Oberflächen, die den Betrachtenden noch
                                                                                   heute in den Bann ziehen. Die überwie-
                                                                                   gend matten und sehr dunklen Farbfelder
                                                                                   sind allerdings auch enorm empfindlich
                                                                                   gegenüber mechanischen Einwirkungen
                                                                                   jeglicher Art. So verursacht bereits jeder
                                                                                   kleine Kratzer, jede Berührung Glanzbil-
 Mark Rothko, Untitled (White, Blacks, Grays on Maroon), 1963                      dung. Um den ausserordentlich guten Er-
 Öl auf Leinwand, 227 × 175 cm
 Kunsthaus Zürich, 1971, © 1998 Kate Rothko Prizel & Christopher                   haltungszustand des Rothko-Gemäldes
 Rothko / 2022, ProLitteris, Zurich
RESTAURIERUNG                                                             33
                                            nicht aufs Spiel zu setzen, war das Werk
                                            deshalb in den vergangenen dreissig Jah-
                                            ren lediglich dreimal auf Reisen. Ausser-
                                            dem war bei den Kunsthaus-Restaurato-
                                            rinnen und -Restauratoren der Respekt
                                            vor der empfindlichen Oberfläche so
                                            gross, dass das Gemälde bei der wöchent-
                                            lichen Galeriepflege im Museum nicht
                                            abgestaubt wurde, was über die Jahre zu
                                            einer – inzwischen deutlich wahrnehmba-
                                            ren – Staubschicht auf der Gemäldeober-
                                            fläche geführt hat.

                                                  OBERFLÄCHENREINIGUNG,
                                                        ABER WIE?
                                            Durch die Aufnahme in das «Bank of Ame-
                                            rica Art Conservation Project» bestand die                links: Zerstörungsfreie
                                                                                                      Pigmentanalyse mit Micro-XRF-
                                            Gelegenheit, sich mit Zeit und Konzentra-                 Spektrometer
                                            tion der extrem heiklen Oberflächenreini-
                                                                                                      rechts: Oberflächenreinigung am
                                            gung zu widmen und das Gemälde für die                    Werk mit dem Luftpinsel
                                            Neupräsentation im Chipperfield-Bau
                                            vorzubereiten.
                                               Ziel war es, nach einer Recherche zu
                                            den in Frage kommenden Reinigungsver-
                                            fahren die optimale Methode für die Ober-
                                            flächenreinigung von «White, Blacks,
                                            Grays on Maroon» zu finden. Wichtige           die samtige Oberflächenwirkung und           scher Begriff für sehr verschiedene Farb-
                                            Inputs lieferte hierzu vor allem der fachli-   dunkle Tiefe wiederherzustellen.             töne verwendet wurde, so dass mit Ma-
                                            che Austausch mit anderen Restauratorin-                                                    roon nicht zwingend ein Braunton ge-
                                            nen und Restauratoren in Europa und den                  MAROON, ABER WO?                   meint sein muss.
                                            USA, die an ihren Museen und Sammlun-          Ausserdem sollte die seit Langem im             Die Ergebnisse der Analysen, v. a. auch
                                            gen jeweils wertvolle Erfahrungen bei der      Raum stehende Frage geklärt werden, wa-      mit dem Wissen um die Rothko’sche Ver-
                                            Oberflächenreinigung an Rothko-Gemäl-          rum zwar im Titel «Maroon» vorkommt,         wendung des Begriffs «Maroon», sind
                                            den gesammelt hatten. Dieser fachliche         ein «Kastanienbraun» im überwiegend          dann doch nicht so eindeutig, dass man
                                            Austausch machte sehr deutlich, dass der       schwarzen Bild aber nicht sichtbar ist.      eine durch zu viel Licht hervorgerufene
                                            Respekt vor den empfindlichen Oberflä-         Aufgrund seiner fast ununterbrochenen        Farbveränderung von einem ursprüngli-
                                            chen völlig zurecht bestand, und dass die      Ausstellungsgeschichte im Kunsthaus Zü-      chen Braun zum heutigen Schwarz tat-
                                            bevorstehende Reinigung ausschliesslich        rich wurde vermutet, dass es zu lichtindu-   sächlich hätte belegen können.
                                            trocken und möglichst berührungsfrei er-       zierten Farbveränderungen gekommen
                                            folgen sollte.                                 sein könnte. Die ausführlichen, zerstö-       EINZUG IN DEN CHIPPERFIELD-BAU
                                               In verschiedenen Versuchsreihen             rungsfreien Pigment-Analysen mittels         Um Transporterschütterungen zu vermei-
                                            wurde schliesslich eine Reinigungsme-          Mikro-Röntgenfluoreszenzspektroskopie        den, wurde rückseitig ein Schwingschutz
                                            thode entwickelt und verfeinert, die einen     (Mirco-XRF), welche im Frühsommer            aus Polyesterwatte sowie ein neuer Rück-
                                            weichen Pinsel um einen kontrolliert ge-       2021 in Kollaboration mit dem Schweize-      seitenschutz aus Museumskarton ange-
                                            führten Luftstrahl ergänzte. Der aus einer     rischen Institut für Kunstwissenschaft       bracht. Seit Oktober 2021 ist das Werk an
                                            Flachstrahldüse austretende Luftstrom          (SIK-ISEA) und dem Schweizerischen           seinem neuen Platz im Chipperfield-Bau
                                            bewirkte, dass sich zwischen den Spitzen       Nationalmuseum durchgeführt wurden,          ausgestellt. Dank der behutsamen Ober-
Fotos © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

                                            der Pinselhaare und der Gemäldeoberflä-        lieferten klare Hinweise auf eine Verwen-    flächenreinigung kann dort nun sowohl
                                            che jeweils ein kleines Luftkissen bildete,    dung von lichtempfindlichen Rotpigmen-       die Qualität als auch der ausserordentlich
                                            so dass die Pinselhaare die empfindliche       ten. Eine Farbausmischung von Rot und        gute Erhaltungszustand dieses fantasti-
                                            Gemäldeoberfläche kaum berührten. In           Blau könnte demnach durchaus eine Art        schen Gemäldes wieder völlig ungetrübt
                                            dieser Kombination war es möglich, den         Braun ergeben haben. Allerdings zeigten      bewundert werden.
                                            auf der Oberfläche anhaftenden Staub na-       Literaturrecherchen und Diskussionen
                                            hezu berührungslos zu entfernen, keine         mit Kunsthistorikern, dass der Begriff       Unterstützt durch das «Bank of America
                                            Reibung und damit Glanz zu erzeugen und        «Maroon» von Rothko wohl als generi-         Art Conservation Project».
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INTERN                                                           35

                                              Einmaleins
                                              für ein gutes
                                              Präsidium!
                                              TEXT Björn Quellenberg

                                                                                                                                       Ein Mann
                                                                                                                                       für alle Fälle!
                                              Was muss die zukünftige Präsidentin oder        Ausgeprägte Managementqualitäten:
                                                                                            →	                                        Dr. Conrad M. Ulrich, Präsident ad
                                                                                                                                       interim, hat den Verein durch die
                                              der zukünftige Präsident der Zürcher             strategisch denkend, integrativ
                                                                                                                                       Höhen und Tiefen der letzten neun
                                              Kunstgesellschaft mitbringen? Darüber            führend, strukturiert arbeitend         Monate manövriert – nach dem
                                              hat sich der Vorstand Gedanken gemacht.         Durchsetzungsvermögen, ohne in
                                                                                            →	
                                                                                                                                       plötzlichen Hinschied von Anne Keller
                                                                                                                                       Dubach. Von der Eröffnung der
                                              Herausgekommen ist ein Qualifikations-           die Kernkompetenzen der Direktion       Kunsthaus-Erweiterung zur Neuge-
                                              profil. Und ein Kandidat, der darauf passt.      einzugreifen                            staltung der Kooperation mit der
                                                 An seiner Sitzung vom 22. März 2022                                                   Sammlung Emil Bührle und von einem
                                              hat der elfköpfige Vorstand Philipp M.          Verständnis für die Rahmen-
                                                                                            →	                                        seit 1988 erstmals grundlegend neu

                                              Hildebrand, ehemaliger Präsident der             und Produktionsbedingungen von          verhandelten Subventionsvertrag mit
                                                                                                                                       der Stadt Zürich bis zur Einführung
                                              Schweizerischen Nationalbank, aktuell            Kulturbetrieben                         der neuen Direktorin Ann Demeester,
                                              Vice Chairman BlackRock und Trustee des         Kenntnisse der Anforderungen
                                                                                            →	                                        die ihr Pensum in den kommenden
                                                                                                                                       Monaten von zwanzig auf hundert
                                              British Museum als Kandidat für das Prä-         an Öffentlichkeitsarbeit                Prozent erhöhen wird.
                                              sidium nominiert. Vorausgegangen war            Gewinnendes Auftreten
                                                                                            →	                                        Ein grosser Dank im Namen von
                                              ein mehrmonatiger Evaluationsprozess.                                                    Direktion, Geschäftsleitung und dem
                                              Das Porträt des Kandidaten erscheint in         Erfahrung im Repräsentieren
                                                                                            →	
                                                                                                                                       ganzen Kunsthaus-Team an den
                                              der Abstimmungszeitung, die den wahlbe-          gegenüber Politik, Wirtschaft,          Vizepräsident und Quästor, der sich als

                                              rechtigten Mitgliedern zusammen mit den          Wissenschaft, Stiftungen und            Mitglied des Vorstands erneut zur
                                                                                                                                       Wahl stellt!
                                              Wahlunterlagen in den nächsten Tagen             Sponsoren
                                              zugeht.                                       Überzeugt Sie der Kandidat? Schon bald
                                                 Und das sind die Anforderungen, die an     haben Sie die Wahl. Ihre schriftliche
                                              den Vorsitz in unserem Verein gestellt        Stimmabgabe ist bis zum 26. Mai möglich.
                                              werden:

                                                Gute Vernetzung in lokale und
                                              →	
                                                  nationale Kunstkreise
Foto © David Biedert Photography AG, Zürich

                                                Sehr gute gesellschaftliche
                                              →	
                                                  Vernetzung in Zürich
                                                Gute Beziehungen mit der
                                              →	
                                                  Wirtschaft
WANN KLINGELT ES
                 BEI IHNEN?

Sonnerie eines Mehrfamilienhauses, das wir kürzlich verkaufen durften.

Seit zehn Jahren vermarkten wir feine Immobilien aus allen Epochen und für
Kunden jeglicher Couleur – am liebsten aber für Leute wie Sie. Nicht auf
Knopfdruck, sondern mit maximalem Engagement und so, dass es am Ende
in Ihrer Kasse klingelt.
Interessiert? Dann läuten Sie doch einmal bei uns: Tel. 044 915 46 00
oder welcome@fsp.immo

                                                  www.fsp.immo
INTERN                                                                            37

                                                                                                                                             Auch andere Institutionen, wie etwa
                                                                                                                                             das Radiostudio und verschiedenste

                                           Arthandling
                                                                                                                                             städtische Einrichtungen haben wir
                                                                                                                                             schon mit Kunst bedient.

                                                                                                                                             Was war Ihr aussergewöhnlichstes
                                                                                                                                             Erlebnis hier am Kunsthaus?
                                                                                                                                                Das aussergewöhnlichste Erlebnis
                                           Arthandling erfordert Fingerspitzen­gefühl.                                                       war eine Besetzung des Kunsthauses an
                                           Die Kolleginnen und Kollegen befassen sich                                                        einem Samstag Ende der 1990er-Jahre.
                                                                                                                                             Die Gruppe kam damals von der Bäcke-
                                           fast täglich mit den Werken im Museum,                                                            rei Berner, welche sie schon besetzt
                                           und zwar hautnah. Das Kunsthaus-Magazin                                                           hatte. Die Leute blieben ziemlich ruhig
                                           unterhielt sich mit dem langjährigen Mitarbeiter                                                  und verhielten sich normal. Sie ver-
                                                                                                                                             brachten den ganzen Tag in der Ein-
                                           Marcel Manderscheid.                                                                              gangshalle. Als ich sie am Abend bat zu
                                                                                                                                             gehen, da wir alle gerne nach Hause ge-
                                           INTERVIEW Kristin Steiner                                                                         hen wollten, verliessen sie das Haus
                                                                                                                                             ohne Aufstand und Radau.

                                                                                                                                             Sie treten dieses Jahr in den Ruhe-
                                                                                                                                             stand. Was möchten Sie Ihrem
                                                                                                                                             Nachfolger mit auf den Weg
                                                                                                                                             geben?
                                           Sie sind ja seit 35 Jahren hier am        Wenn sie wieder zurückkommen, prü-                         Meinem Nachfolger wünsche ich
                                           Kunsthaus. Was beinhaltet Ihre            fen wir ob alles in Ordnung ist, sowohl                 genauso schöne Erlebnisse wie ich sie
                                           Arbeit und wie hat sich Ihr Job im        die Dokumente wie auch die Werke sel-                   hatte. Ich hoffe, dass er einige Künstler
                                           Laufe dieser Jahre verändert?             ber – auch hier wieder in Zusammenar-                   kennenlernen wird. Einige werden
                                              Seit ich 1987 im Kunsthaus angefan-    beit mit der Restaurierungsabteilung.                   sicher unkompliziert und offen und
                                           gen habe, hatte ich verschiedenste Auf-   Ab und zu kommt es auch vor, dass wir                   andere werden vielleicht ein bisschen
                                           gaben. Anfangs habe ich mit einem Kol-    als Kunstkuriere mit unseren Werken                     anstrengender sein. Aber alles in
                                           legen die Klimaanlage und die Heizung     zu anderen Museen unterwegs sind.                       allem – es waren meist gute Jahre.
                                           bedient und gewartet, später wechselte
                                           ich zum Arthandling und zur Sicherheit,
                                           da das Team damals zu klein war. Das
                                           war mit sehr viel Verantwortung ver-
                                           bunden, da wir für die Sicherheit der
                                           Werke, des Hauses und der Besucher
                                           verantwortlich waren.
                                              Heute, da die Sicherheit nicht mehr
                                           zu unseren Aufgaben gehört, hat sich
                                           unser Alltag nochmals verändert: In Zu-
                                           sammenarbeit mit dem Sammlungskon-
                                           servator hängen wir in den Sammlungs-
                                           räumen des Kunsthauses die Werke auf.
                                           Hier ist Fingerspitzengefühl und Sorg-
                                           falt gefordert. Werden Werke aus der
Foto © Franca Candrian, Kunsthaus Zürich

                                           Sammlung an eine externe Ausstellung
                                           ausgeliehen, arbeiten wir mit Registra-
                                           rin und Restauratoren zusammen – die
                                           Werke werden geprüft, für den Trans-
                                           port vorbereitet, entsprechend den res-
                                           tauratorischen Vorgaben eingepackt               Das Team Arthandling (v.l.n.r.): Brian Mahrer, Ralph Bertschinger, Marcel Manderscheid,
                                           und an den Transporteur übergeben.               Frank Thelen, Johannes Schiel (Leitung)
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                                                Wo jeder Klang
                                                zum Erlebnis
                                                wird.

                                FIGARO
                                 LE NOZZE DI

     Partner Opernhaus Zürich

     PREMIERE 19 JUN 2O22
James
                 Barnor
                  Accra / London

                                                                                                                                 Sick-Hagemeyer shop assistant with bottles, taken as a colour guide
                  – A Retrospective

                                                                                                                                 © James Barnor/Autograph ABP, London
13.03.2022

                                                                                                                                 James Barnor

                                                                                                                                 Accra, 1971
– 31.07.2022
Palazzo Reali                                                                                    Initiiert und organisiert von
Via Canova 10
Lugano

Marcel                                                               01.05.2022
                                                                     – 13.11.2022
Broodthaers
Industrielle
                                                                     LAC
                                                                     Piazza Bernardino Luini 6
                                                                     Lugano

Gedichte                                                             www.masilugano.ch

Hauptpartner    Wissenschaftlicher Partner   Mit Unterstützung von   Gründer                     Institutioneller Partner
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                            « Yoko Ono »
                            3. März 2022

                            1   Jon Hendricks, langjähriger Freund und Vertrauter
                            von Yoko Ono, vertrat die Künstlerin während des Aufbaus und
                            unterstützte Mirjam Varadinis, Kuratorin der Ausstellung.

                            2   Das interaktive Ausstellungserlebnis des Jahres!
                            Jede und jeder kann Teil der Performance werden.

                            3   Live Performance – SKY PIECE TO JESUS CHRIST,
                            1965 / 2022.

                            4   Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ein Ort zum Wünschen –
                            der «Wish Tree» im Garten.

                                                                                                   1

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Fotos © Caroline Minjolle

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 Preview
 « Alexandra Bachzetsis »
 24. März 2022

 1   Die Künstlerin Alexandra Bachzetsis
 mit Direktor Christoph Becker.

                                                  1

                                                  Preview «Take Care:
                                                  Kunst und Medizin»
                                                  7. April 2022

 2

                                                                                        4

                                                  2   Überlebensgross! Das «Labor in den NCCR»
                                                  und seine Schöpferin Maria Pomiansky (links im Bild).

                                                  3    Manon vor ihrer Installation «Lachgas».

                                                  4   Wird jemand die Videobotschaften vermissen?
                                                  Kuratorin Cathérine Hug überrascht mit einer
                                                  persönlichen Einführung.
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GLOSSE

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                                Deadline im
                                Krieg
                                Das Wort wirkt passend unpassend zugleich. Heute
                                schreibe ich den 23. März 2022. In ein paar Stunden muss
                                ich meine Kolumne abgeben. Seit der Eröffnung von Yoko
                                Onos Ausstellung hoffe ich darauf, dass ich schreiben kann:
                                «War is over». Seit dem 24. Februar 2022 müsste ich wohl
                                schreiben «if Mr. Putin wants it». Die ganze Zeit kämpfe
                                ich mit einer dystopisch anmutenden Glosse, will Ihnen
                                das lieber nicht antun. Aber es fällt schwer.
                                    Die Fragen, die sich mir stellen und gleichzeitig schmer-
                                zen: Wie wirksam ist Kunst? Kann Kunst Schrecken ändern?
                                    Ja, Yoko thematisiert Frieden, sie macht Kunst mit den
                                Menschen, sie lässt sie an den künstlerischen Prozessen
                                teilhaben, was wunderbar ist und sich mit meiner Haltung
                                trifft. Mit Namen beschriftete Marmeladengläschen gefüllt
                                mit Wasser, «Adolf Hitler» gemeinsam mit Wissenschaft-
                                lern, Künstlern, Literaten, Musikern auf ein Regalbrett dra-
                                piert. «Wir sind alle nur Wasser». Wie wahr und wie philo-
                                sophisch. Dennoch macht das eine Wasserglas Schönes und
                                das andere Schreckliches. Mit ihrer Kunst irritiert Yoko si-
                                cher konservative Geister, die sich nur an berühmten Pin-
                                selstrichen begeistern können. Sie merken, ich arbeite mich
                                vorsichtig an mein «Aber» und hoffe, dass Sie mir verzei-
                                hen. 1969 auf ihrer Hochzeitsreise, inszenierten Yoko und
                                John ihr berühmtes «Bed in» analog zu den «Sit ins», die
                                weltweit gegen den Vietnamkrieg stattfanden. 1972 ging ein
                                Foto um die Welt, das ich nicht vergessen kann, war ich
                                doch damals noch ein Mädchen, genau wie Kim Phuc. Kim,
                                die nackt vor dem Napalm-Angriff flüchtet, sie hatte sich
                                ihre brennenden Kleider vom Leib gerissen.
                                    Ob Kim wohl die acht Tage des berühmten Paares im
                                flauschigen Bett eines schönen Hotels als politische Aktion
                                gegen den Krieg empfunden hat? Andererseits klemmt sich
                                ein Gedanke in mein Hirn: Wenn doch alle Machthaber im
                                Bett bleiben würden, und wenn sie sich träfen, dann nur in
                                flauschigen Betten, neben sich ihre Liebste oder Liebsten.
                                Vielleicht würde es sie weicher machen, nachdenklich, was
                                letztendlich zählt, da wir doch nur Wasser sind, in verschie-
                                denen Hüllen. Hoffen wir, dass die Welt nicht verdampft,
                                und wir nicht in meiner Interpretation nach der Video-
                                installation von Yoko «am Arsch» gehen. Jetzt gehe ich aufs
                                WC und spüle die Angst weg und halte die Deadline ein. Als
    Fotos © Caroline Minjolle

                                braves Wasser schreibe ich meinen Wunsch für den Wish
                                Tree: Frieden, Gesundheit und Liebe für alle.

                                Ihre Sabine Meisel
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