Das Multimodale Interview

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Das Multimodale Interview
Das Multimodale Interview
Das Multimodale Interview
Gliederung
1.   Begriffsbestimmung Einstellungsinterview
2.   Verbreitung und Akzeptanz
3.   Funktionen des Einstellungsinterviews
4.   Qualitätskriterien eignungsdiagnostischer Verfahren
5.   Validität des Einstellungsinterviews
6.   Exkurs: Soziale Urteilsbildung
7.   Das Multimodale Interview
8.   Ausgangspunkt
9.   Theoretische Grundlagen
10. Aufbau des MMI
11. Konstruktionsabschnitte
12. Beispiele
13. Psychometrische Qualität
Das Multimodale Interview
Begriffsbestimmung
                      Einstellungsinterview
●
    Gesprächssituation zwischen zwei oder mehreren
    Personen
     –   Repräsentanten der auswählenden Organisation
         einerseits
     –   Stellenbewerbern andererseits

●   Gelegenheit zum Austausch
     –   bewerbungsrelevanter person-, arbeits- und
         organisationsbezogener Informationen

●
    Grundlage
     –   Auswahlentscheidungen seitens der Organisation
     –   Organisationswahl seitens der Bewerber
●   Synonyme
     –   Interview, Einstellungsinterview, Auswahl- und
         Vorstellungsgespräch
     –   entspicht dem engl. employment interview

●   Interview dient dem Stellenanbieter als Informationsquelle über
     –   Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnisse
     –   Interessen und andere personenbezogene Informationen des
         Kandidaten

●   Fragen beziehen sich auf
     –   Berufserfahrung, Berufsausbildung, Aspekte des Lebenslaufs und
         deren subjektive Verarbeitung, gelegentlich auch auf persönliche
         Bereiche
     –   in erweiterten Gesprächsformen auch arbeitsprobenartige
         Komponenten (Rollenspiele, Präsentationen)
●   Einsatz des Interviews
     –   als einzige Methode zur Eindruckbildung und
         Entscheidungsfindung
     –   als Teil eines umfangreichen Auswahlverfahrens
     -> dient dann meist der Vorselektion, später z.B. AC

●   Durchführungsmodus
     –   völlig freie Gesprächsform
     –   teilstrukturiertes Interview
     –   vollstrukturiertes Interview, mit standardisiertem Ablauf

●   vertretene Zugangsweisen der Eignungsdiagnostik
     –   eigenschaftsorientierte Ansätze
     –   simulationsorientierte Ansätze
     –   biografieorientierte Ansätze
Akzeptanz und Verbreitung
●   Interview genießt hohe Wertschätzung seitens der Verwender und
    der Bewerber

     –   valide Methode
     -> um sich Bild und Informationen vom Gegenüber zu verschaffen

     –   Gesprächssituation mit direktem persönlichem Austausch
     -> größeres Vertrauen gegenüber mündl. Information

     –   dient dem Unternehmen zur Öffentlichkeitsarbeit

     –   dient dem Bewerber als Info über Tätigkeit und Anforderungen

     –   bietet die Möglichkeit sich über weiteres Vorgehen auszutauschen
         (weitere Auswahlprozedur, Einstellung, etc.)
     –

     –   telefonische Interviews oder Interviews per Videokonferenz eher
         unbeliebt
Anwendungshäufigkeit von eignungsdiagnostischen Verfahren in großen
         deut. Unternehmen zur externen Personalauswahl
        (aus Schuler, Frier & Kaufmann, 1993, S.34) N=105

                      Verfahren                        Anwendungshäufigkeit
          Analyse der Bewerbungsunterlagen                     98%
           Zusätzlich eingeholte Referenzen                    71%
    Strukturiertes Interview durch Personalabteilung           70%
    Unstrukturiertes Interview durch Fachabteilung             69%
                     Arbeitsprobe                              44%
                  Assessment Center                            39%
                     Intelligenztest                           34%
                  Persönlichkeitstest                          21%
              Graphologische Gutachten                         9%
Funktionen des Einstellungsinterviews
                              (aus Schuler, 2002, S. 3)
               Organisation                                  Bewerber
                Sich vorstellen, darstellen, einen guten Eindruck machen
                        Kontakt aufbauen (Vertrauen, Sympathie)
Qualifizierten Bewerber gewinnen            Stellenangebot erziehlen
Angebot unterbreiten
Qualifikation, Leistungsprognose
Auswahl zw. Bewerbern                       Entscheidung zw. potentiellen Arbeitgebern
Eindruck aus Bewerbungsunterlagen prüfen Selbstbeurteilung ermöglichen
      Information über Tätigkeit, Arbeitsplatz, Arbeitsanforderungen, Unternehmen
Selbstselektion ermöglichen                 Arbeitsbedingungen abschätzen
Unternehmenskultur vermitteln               Stil des Unternehmens kennen lernen
Commitment vorbereiten
Als Mittel der Sozialisation nutzen
Info über Arbeitsmarkt gewinnen             Eigenen Marktwert eruieren
                       Absprachen treffen, Bedingungen aushandeln
              Selbstwertdienliche Funktionen für Interviewer und Bewerber
                                  Symbolische Bedeutung
Qualitätskriterien eignungsdiagnostischer
                     Verfahren
                      (aus Schuler, 2002, S. 16)

Psychometrische   Organisationale      Soziale Qualität   Eth.-rechtl.
Qualität          Effizienz (Nutzen)   (Akzeptabilität)   Gesichtspunkte
Anforderungsbezug Nutzen/Kosten        Information        Prozess/Verfahrens-
                                                          qualität
Objektivität      Aufwand              Transparenz        Soziale Validität
Reliabilität      Kompetenz-           Partizipation/     Allg.
                  erfordernis          Kontrolle          Persönlichkeitsrecht
Validität         Verfügbarkeit        Feedback           Arbeitsrecht
Validität des Einstellungsinterviews
●   Metaanalyse von Huffcutt und Arthur (1994)
    –   unterscheiden 4 Stufen der Strukturierung
    –   r=.20 niedrigste Strukturierung und r=.57 höchste Strukturierung

●   Marchese und Muchinsky (1993)
    –   Korrelation von r=.45 zwischen Strukturierung und Validität von
        Auswahlgesprächen
    –   keine Effekte auf Validität: Zahl der Interviewer, Länge des
        Interviews, Geschlecht und Beruf der Bewerber

●   Schuler und Moser (1995)
    –   prädiktive Validität des Gesamtwertes des MMI, bezogen auf
        Kriterien des Ausbildungs- und Berufserfolges zw. r=.30 und r=.50
        (unkorrigiert)
●   Schuler, Moser, Diemand & Funke (1995)
    –   MMI hat inkrementelle Validität über Intelligenztest hinaus, im
        Bezug auf Kriterien des Ausbildungs- und Berufserfolges

●   Schuler und Funke (1989)
    –   konventionelle Interviews messen: Intelligenz, globale
        Persönlichkeitsmerkmale, soziale Kompetenz
    –   strukturierte Interviews messen: Fachkenntnisse,
        Berufserfahrung, soziale Kompetenz

●   Schuler und Funke (1989)
    –   Multimodales Interview misst mehrere psychologische Konstrukte
        u.a. soz.Kompetenz, psychische Stabilität, Leistungsmotivation
Exkurs: Soziale Urteilsbildung
●
    Diagnosebedingungen
●   Stark von der Verantwortung des Einstellungsinterviews abhängig
    ->einziges Verfahren zur Auswahl oder Bestandteil einer
      multimethodalen Diagnosestrategie

●   Basisrate (Prozentsatz der Geeigneten unter den Bewerbern)
     ->wenn Basisrate gering, Validität des Interviews sehr bedeutsam

●   Selektionsquote (Anteil der Auszuwählenden)
    ->Senkung steigert den Anteil erfolgreich ausgewählter

●   Kosten- und Zeitvorgaben
    -> Bestimmen den Aufwand des Auswahlverfahrens
●   entscheidendste Diagnosebedingung ist welches
    Interviewverfahren zur Auswahl eingesetzt wird
    –   strukturiert oder unstrukturiert
    –   Einfluss auf Validität und somit Fehlerquote und
        nötige Anwendung von anderen Verfahren

●
    Vorinformation
    –   Interviewer ist nicht mehr frei bei der Urteilsbildung,
        da ihm Vorinformation über die Kandidaten
        vorliegen
    –   Interviewer ist nicht in der Lage Vorinformationen
        bei der Auswahl zu ignorieren
    –   z.B. Intelligenzeindruck aufgrund der Schulnoten
    –   Bewerbungsunterlagen, Ergebnisse von Tests od.
        Assessment Center od. Informationen von Dritten
●
        Die Person des Interviewers
    ●   Interviews hängen in Gegensatz zu Tests immer von der
        durchführenden Person ab
•       Eigenschaften qualifizierter Interviewer
         •   Erfahrung (mit Menschen, Lebenserfahrung)
         •   Ähnlichkeit mit dem Beurteiltem
         •   Intelligenz
         •   Selbsterkenntnis
         •   Komplexität
         •   Distanz
         •   Ästhetische Orientierung
         •   Soziale Intelligenz
         •   herzliches, engagiertes Wesen
         •   Anpassungsfähigkeit
●   alle Interviewercharakteristika sind plausibel, manche sind
    verschiedentlich belegt wurden
●   Schuh (1979)
    ->Zuhören von Interviewern hat motivationale Komponenten

●   Ähnlichkeit zwischen Interviewer und Bewerber ist positiver Prädiktor
    der Urteilsqualität
    ->Diagnosen werden durch die Möglichkeit erleichtert von sich auf
      andere zu schließen

●   erfahrene Beurteiler geben strengere Urteile ab, als unerfahrene
    Beurteiler
●   keine Verbesserung der Interviewvalidität durch erfahrene Interviewer
Verhaltenstendenzen des Interviewers
●       Asymmetrie der Auswahlsituation
        –   Bewerber bemüht sich um ein Einstellungangebot
        –   Interviewer ist darauf aus den „Pferdefuß“ am
            Bewerber zuerkennen

    ●   Interviewer überschätzt die Attraktivität seiner Organisation

    ●   Redezeit von Interviewern ist im Schnitt doppelt so hoch, wie
        die des Bewerbers

    ●   Interviewer führen strukturierte Interviews oft nicht
        sachgemäß durch, weil Bewerber unstrukturierte Interviews
        vorziehen

    ●   große Anzahl von Fehlern die Interviewer begehen
Mechanismen der Informationsverarbeitung
 ●   Erster Eindruck
     –   Eindrücke in den ersten Minuten eines Gesprächs werden stärker
         gewichtet als spätere (aber, nicht jeder erste Eindruck ist voreilig)

 ●   Übergewichtung negativer Information

 ●   Bestätigungstendenz
     –   Interviewer wollen ihre Hypothesen über den Bewerber aufgrund
         der Vorinformation bestätigen
     –   mehr Zuwendung bei positivem Eindruck über den Bewerber,
         weniger Infosammeln, mehr Organisation anpreisen

 ●   Sympathieeffekte
     –   Korrelation zwischen Sympathie und allgemeiner Bewertung r=.49
     –   bei erwarteter späterer Zusammenarbeit r=.80
     –   Sympathieeinschätzung enthält auch Leistungsbeurteilung,
         deshalb gar nicht so schlecht
●   Überstrahlung (Halo)
    –   emotionale Bewertungen strahlen auf andere Urteilsaspekte aus
    –   keine stat. sustantielle Beziehung zw. Halo und Akkuratheit von
        Beurteilungen (Murphy und Balzer, 1989)

●   Maßstabseffekte
    –   Personen werden immer im Vgl. zu anderen beurteilt
    –   -> Problem wenn Vergleichsstichprobe zu klein
    –   Adaptationsniveau des Beurteilers
    –   -> wahrnehmbares Verhalten wird an verschiedenen Ankern
          gemessen
    –   Spezialfall: Interviewer misst Bewerber am eigenen Selbstbild

●   Stress
    –   beeinflusst die Qualität der Urteilsbildung

●   Beschränkte Kenntnis eigener Informationsverarbeitung
Strategien der Komplexitätsreduktion

 ●   sehr komplexe Aufgabe sich ein zutreffendes Bild von einen Bewerber zu
     machen
     -> Strategien um auf einfache Weise Entscheidung zu treffen

 ●   Überstrahlung durch einzelne Merkmale oder durch den Sympathiegrad

 ●   Bemühung ein konsistentes, abgerundetes Bild zu gewinnen
      –   Teilelemente werden im Sinne des Gesamteindrucks interpretiert

 ●   Konzentration auf „Schlüsselereignisse“ oder Einzelbeobachtung, denen
     überragende Aussagekraft zugeschrieben wird
      –   Extremfall: magic items -> quasi abergläubische Annahmen
Wirkung des Interviewers

 ●   Positiv
     ●   verbal geschickt
     ●   gewährleisten eines kontinuierlichen Interviewverlaufs
     ●   angenehme Persönlichkeit
     ●   Freundlichkeit
     ●   non direktives Vorgehen -> erscheint beeinflussbar
     ●   Bemühung um Fairness
     ●   ältere/Status höhere Interviewer werden besser beurteilt

 ●   Negativ
     ●   Dominanz -> Stress
     ●   Ausspielen von Macht
     ●   Fragen zum persönlichen Bereich die Bewerber irrelevant findet
Das Multimodale Interview
Ausgangspunkt
●   Das Multimodales Interview wurde in Konsequenz der Defizite
    herkömmlicher Auswahlverfahren entwickelt.
●   aus Defiziten erfolgte Ableitung von Verbesserungsvorschlägen

    1. anforderungsbezogene Gestaltung von Interviews

    2. Beschränkung auf Merkmale die nicht andersweitig zuverlässiger
       erfasst werden können

    3. Durchführung in strukturierter bzw. teilstandardisierter Form

    4. Prüfung der Fragen u. Dimensionen nach psychometr. Prinzipien

    5. Übernahme validierter Fragen aus Tests u. biogr. Fragebogen

    6. Anreicherung durch Komponenten aus simulationsbezogenen
       Verfahren
7. Verwendung geprüfter und verankerter Skalen zur
    Eindrucksbildung und Antwortbewertung

 8. Trennung von Informationssammlung und Entscheidung

 9. bei geringer Objektivität Einsatz mehrerer Beurteiler

10. Gestaltung der Gewichtungs- und Entscheidungsprozedur nach
    psychometrischen Prinzipien

11. Vorbereitung der Interviewer durch Training

12. Validierung des Interviewverfahrens
   -> Inhaltsvalidierung, Konstruktvalidierung, prognostische
     Validierung an Außenkriterien
Theoretische Grundlagen

●   wichtigste Grundlage des MMI ist der trimodale Ansatz der
    Berufseignungsdiagnostik
    –   mit verschiedenen eignungsdiagnostischen Methoden wird
        systematisch anderes erfasst
    –   verschiedenen eignungsdiagnostischen Methoden liegt
        unterschiedliche Logik in der Beziehung zwischen Zeichen und
        Bezeichnetem zugrunde

●   MMI wurde als Versuch konzipiert alle 3 diagnostischen Ansätze zu
    intigrieren
    –   Anreicherung des Interviews durch Komponenten aus anderen
        diagnostischen Verfahren z.B. aus Tests, Fragebögen,
        Assessment Center
        -> Alternative zu aufwendigen Potentialanalyseverfahren
Theoretische Gesichtspunkte der Einzelkomponenten

 ●       biografische Fragen
     –    vergangenes Verhalten ist ein guter Prädiktor zukünftigen
          Verhaltens

 ●       situative Fragen
     –    Verhaltensintentionen sind Wegbereiter realen Verhaltens
          (Zielsetzungstheorie, Locke & Latham, 1990)

 ●       realistische Tätigkeitsinformation
     –    Anspruchsniveausenkung
     –

 ●       Person-Organisations-Fit-Hypothese (Bestandteil der Hollandschen
         Berufsinteressentheorie)
     –    höhere Berufszufriedenheit, wenn Berufswahl individuellen
          Interessenausprägungen entspricht
Der Aufbau des Multimodalen Interviews
●   umfasst im Regelfall 8 Komponenten

●   Reihenfolge der Komponenten ist weitestgehend festgelegt

●   für die meisten Beurteilungen liegen 5-stufige verhaltensverankerte
    Einstufungsskalen vor

●   Wechsel von standardisierten und freien Gesprächsteilen
     –   angenehme Gesprächsatmosphäre

●   Dauer des Gesprächs ca. 30 Minuten, selten länger als 1 Stunde

●   teilweise nach 10 – 15 min Zwischenbilanz
     –   Abbruch in eindeutig negativen Fällen
     –   v.a. wenn keine ausreichende Vorselektion
Komponenten des Multimodalen Interviews
                           (aus Schuler, 2002, S. 191-193)

      Komponenten                                       Inhalt
1. Gesprächsbeginn              •   Begrüßung
                                •   kurzes informelles Gespräch
                                •   Hauptaufgabe: freundliche, offene
                                    Gesprächsatmosphäre schaffen
                                •   Beurteilung:
                                •   ->keine
2. Selbstvorstellung des        •   Bewerber berichtet in freier Form über seinen
Bewerbers                           Werdegang
                                •   Themen: Berufserfahrung bzw. Ausbildung,
                                    Berufswahl, berufsbezogene Erwartungen
                                •   Beurteilung:
                                •   -> hinsichtlich der Dimensionen, die Anforderung der
                                    Position entsprechen (summarische Beurteilung der
                                    Äußerungen)
                                •   -> beobachtbares Verhalten in der Situation
3. Freier Gesprächsteil   •   Fragen die sich auf vorangegangene
                              Selbstvorstellung beziehen oder sich aus der
                              Auswertung der Bewerbungsunterlagen ergeben
                          •   keine Standardisierung der Fragen (Anzahl, Inhalt)
                          •   Beurteilung:
                          •   -> Bewertung erfolgt in summarischer Form
4. Berufsinteressen,      •   Fragen zu berufsbezogenen Interessen
Berufs-und                •   Fragen zu Motiven und Hintergründen der Berufswahl
Organisationswahl         •   Fragen zu Beweggründen der Bewerbung und des
                              Arbeitgeberwechsels
                          •   Fragen zur Selbsteinschätzung (Vgl. Selbstbild und
                              vermuteten Tätigkeitsanforderungen)
                          •   Beurteilung:
                          •   -> verhaltensverankerte Einstufungsskalen
                          •   bei berufserfahrenen Bewerbern
                          •   -> Ersatz der Berufswahlfragen durch Fragen zu
                              Handlungswissen
                          •   -> z.B. praxisbezogene Kenntnisfragen
                          •   Beurteilung:
                          •   -> Richtig oder Falsch
5. Biografiebezogene    •   Fragen die sich an Eigenschaftskonstrukten
Fragen                      orientieren
                        •   Fragen zu Verhalten in eng umrissenen beruflichen
                            Situationen
                        •   alle festgestellten Anforderungsdimensionen werden
                            mit biografischen Fragen abgedeckt
                        •   es ist wichtig, dass von konkreten Bespielen berichtet
                            wird, um typische Handlungsweisen des Bewerber zu
                            gewinnen
                        •   Beurteilung:
                        •   -> verhaltensverankerte Einstufungsskalen
6. Realistische         •   Informationen über Tätigkeit (oder Ausbildung),
Tätigkeitsinformation       Anforderungen und Unternehmen
                        •   Gesichtspunkte die sich auf Interessen des
                            Bewerbers beziehen und zur Selbstselektion und
                            Entscheidungsfindung beitragen
                        •   positive und negative Aspekte sollten enthalten sein
                        •   Nachfragen des Bewerbers werden Platz gegeben
                        •   Beurteilung:
                        •   -> keine
7. Situative Fragen     •   Knappe Schilderung einer erfolgskritischen Situation
                        •   -> Frage nach dem Verhalten des Kandidaten in
                            dieser Situation
                        •   Fragen beziehen sich auf organisationsspeziefische
                            und generelle Problemsituationen
                        •   Fragen repräsentieren breites Tätigkeitsspektrum
                        •   Beurteilung:
                        •   -> verhaltensverankerte Einstufungsskalen
8. Gesprächsabschluss   •   Nachfragen des Bewerbers
                        •   Informationen über das weitere Vorgehen
                        •   Beurteilung:
                        •   -> keine
Konstruktionsabschnitte
1. Festlegung der Zielsetzung und der Zielgruppe
2. Auswertung vorliegenden anforderungsbezogenen Materials
3. Interviews mit Führungskräften
4. Durchführung einer Anforderungsanalyse auf Critical Incident-
   Basis
5. Durchführung einer Anforderungsanalyse mit dem
   standardisiertem Verfahren „Bedeutsamkeit und Erfüllungsgrad“
6. Festlegung der Anforderungsdimensionen
7. Auswahl und Überarbeitung vorhandener Interviewfragen nach
   Kompatibilität mit den Anforderungsdimensionen
8. Formulierung neuer tätigkeitsspezifischer Interviewfragen
   entsprechend den Anforderungsdimensionen
9. Ausarbeitung einer vollständigen Fassung des Multimodalen
   Interviews für die Zielgruppe
10. Durchführung eines Interviewtrainings für die Anwender inklusive
    Feinabstimmung des Interviews
Beispiele
●   Beispiele für Unternehmen Schankwirtschaft,
    Speisegastronomie und Großgastronomie

●   faktoranalytische Datenanalyse ergab 5
    Anforderungsdimensionen
    –   Organisation, Motivation, Selbstkontrolle,
        Serviceorientierung, Führung
    –   Anforderungsdimensionen werden in den Fragen
        umgesetzt
    –   bestimmte Art von Fragen eignen sich für bestimmte
        Anforderungsdimensionen
●   Frage zum Handlungswissen in der Schankwirtschaft

      „Laut Schankverordnung sind Sie verantwortlich für die Sauberkeit
       ihrer Bierleitungen. Wie oft müssen sie spätestens die Leitungen
       reinigen oder reinigen lassen?“

       Richtige Antwort: alle 14 Tage

●   Fragen zum Handungswissen sind weitestgehend unabhängig von
    den Anforderungsdimensionen
●   Biografiebezogene Frage , Anforderungsdimension
    „Selbstkontrolle“

„Viele sagen, sie könnten mehr schaffen, wenn der Stress weniger
  wäre. Ist das bei ihnen auch so?“

3 Punkte: Nein, Anstrengung/Leistung wächst mit den Anforderungen

wichtig: Beantwortung durch Verhaltensschilderungen, eigene
         Beispiele

●   biografiebezogene Fragen haben engsten Bezug zu
    Anforderungsdimensionen
●   Biografiebezogene Frage, Anforderungsdimension Teamfähigkeit

●   sequentieller Aufbau
●   Eingangsfrage ist offen gestellt, weitere Fragen konkreter

    “Welche Erfahrungen haben sie mit der Gruppenarbeit gemacht? Nennen
      sie bitte ein Beispiel.“
    “Sind in der Gruppenarbeit auch mal Probleme und
      Meinungsverschiedenheiten aufgetreten?“
    “Was haben sie unternommen, um die Probleme zu lösen?“
    “Was ist dabei herausgekommen?“

      1 – Arbeitet weniger gerne im Team, empfindet Probleme und
          Meinungsverschiedenheiten als unangenehm und hält sich deshalb
          aus dem Problemlösungsprozess lieber heraus
      5 – Bewertet Teamarbeit als sehr produktiv, erkennt rasch Probleme in der
          Gruppe, steuert kreative Vorschläge zur Problemlösung bei und ist bei
          der Durchführung der Problemlösung engagiert dabei.
Situative Frage aus der Schankgastronomie

 “Ein Gast sitzt seit längerer Zeit still an der Theke. Unternehmen sie
   etwas oder lassen Sie ihn in Ruhe?“

     1 – Ich lasse ihn in Ruhe.
     3 - Ich spreche ihn an/beginne ein Gespräch mit ihm.
     5 – Ich versuche, ihn in ein Gespräch zu ziehen und ihn dabei mit
          seinem Nachbarn bekannt zu machen, so dass sie sich weiter
          unterhalten können.

●   situative Fragen können Anforderungsdimensionen zugeordnet
    werden -> (können mehrere Anforderungsdimensionen abdecken)

●   im Beispiel z.B. Serviceorientierung

●   Situative Fragen eignen sich gut um den Bewerber über zu
    erwartende Anforderungen zu informieren
●   bei positiver Beantwortung der Frage gehen Bewerber
    Commitment ein, sich in späteren Situationen auch so zu verhalten

●   Kenntnis der Tätigkeit und ihrer erfolgskritischen Momente
    notwendig, um gute Fragen formulieren zu können

●   situative Fragen und Fragen zum Handlungswissen sind um so
    tauglicher, je spezifischer sie auf die fragliche Tätigkeit bezogen
    sind -> „mentale Tätigkeitssimulation“

●   Fragen die beschönigtes Antwortverhalten provozieren, sollten im
    Vorversuch aussortiert werden
Frage zur Berufs- und Organisationswahl

●   Können spezifisch oder allgemein formuliert sein

    “Was erwarten sie sich von ihrer künftigen Tätigkeit bei XX?“
    “Haben sie schon Vorstellungen über ihre berufliche Entwicklung?“

     1 – Wenig konkrete Erwartungen; möchte berufliche Entwicklung
       auf sich zukommen lassen. Oder: weit überzogene Erwartungen

     3 – Anspruchsvolle Erwartungen; ansatzweise Vorstellungen über
       künftige Entwicklung

     5 – Realistische und differenzierte Erwartungen. Anspruchsvolle
       Erwartungen bezüglich der eigenen beruflichen Entwicklung, die
       in Abhängigkeit von eigener Anstrengung und Leistung gesehen
       wird.
Psychometrische Qualität des MMI
Objektivität

●   MMI besteht aus mehreren unabhängigen Einzelkomponenten
     –   Bestimmung der Objektivität oder Beurteilerübereinstimmung für
         Einzelkomponenten möglich

●   Studie von Schuler und Funke (1989)
    Multimodales Interview bei der Einstellung von Auszubildenden
●   Selbstvorstellung         r = .32
●   Berufswahlfragen          r = .90
●   biografische Fragen       r = .83
●   situative Fragen          r = .71

●   Objektivität des gesamten MMI liegt in versch. Datensätzen zw. r = .71 und
    r = .92
     –   bei tainierten Interviewern r = .10 höher als bei untrainierten Interviewern
Reliabilität

 ●   Kennwerte der internen Konsistenz (Cronbachs Alpha) aus einer
     Studie von Schuler und Fruhner, 1993

 ●   Selbstvorstellung          a=.72
 ●   biografische Fragen        a=.68
 ●   situative Fragen           a=.58 und a=.70
 ●   Gesamtinterview            a=.82

 ●   F&E Studie
     -> Reliabilitäten von Anforderungsdimensionen
     -> Reliabilitäten einzelner Anforderungsdimensionen schwanken von
        a=.70 – a=.84
Validität
 ●   wichtige Rolle beim MMI spielt der Anforderungsbezug
     -> sämtliche Fragenteile basieren auf empirisch ermittelten
        Tätigkeitsinhalten und können Inhaltsvalidität für sich reklamieren

 ●   prognostische Validität der Summenwerte des Multimodalen
     Interviews in verschiedenen Studien zwischen r=.30 und r=.50
     (unkorrigiert)

 ●   Studie von Schuler, Fruhner, Karkoschka & Moser (1994)
     ●   tätigkeitsunspez. Assessment Center, Teil davon MMI
     ●   Teilnehmer: Studierende versch. Fachrichtungen im Hauptstudium
     ●   Kriterium:     Erfolgsindikatoren, 4 Jahre später erhoben
         –   bemerkenswerte Beziehung zu objektiven Erfolgskriterien:
         –   Arbeitsstunden pro Woche (r = .40)
         –   Zahl der Stellenangebote (r = .34)
         –   aber auch Work Involvement (r = .38) und organis. Commitment (r = .30)
             prognostizierbar
         –   keine Vorhersage der Vorgesetztenbeurteilung (r = .05)
●   Konstruktvalidität
    -> die zu erfassen angestrebten psychologischen Konstrukte sind
       ermittelbar

●   MMI bei dem Leistungsmotivation erfasst werden sollte
    -> Korrelationen von r=.57 und r=.54 mit Faktoren des Leistungs
       Motivations -Test (LMT; Hermans; Petermann & Zielinski, 1978)
       Leistungsstreben und Ausdauer und Fleiß

●   geringe Korrelation zu nichtsprachlichem Intelligenztest
    -> negative Abgrenzung -> konkurrente Validität
Quellen

Schuler, H. (2002). Das Einstellungsinterview. Göttingen: Hogrefe.

Schuler, H. & Marcus, B. (2001). Biografieorientierte Verfahren der
  Personalauswahl. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch der
  Personalpsychologie (S.190-226). Göttingen: Hogrefe.
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