Festschrift für Anton K. Schnyder - Herausgegeben von Pascal Grolimund Alfred Koller Leander D. Loacker Wolfgang Portmann
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Festschrift für Anton K. Schnyder Herausgegeben von Pascal Grolimund Alfred Koller Leander D. Loacker Wolfgang Portmann
Festschrift für Anton K. Schnyder zum 65. Geburtstag Herausgegeben von Pascal Grolimund Alfred Koller Leander D. Loacker Wolfgang Portmann
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, vorbehalten. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mik- roverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme. © Schulthess Juristische Medien AG, Zürich · Basel · Genf 2018 ISBN 978-3-7255-7364-6 © Umschlagbild: Fotolia/lil_22 www.schulthess.com
Inhaltsverzeichnis Vorwort .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... V Autorenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... XV Zur Person Leander D. Loacker Anton K. Schnyder – ein Portrait .. . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... XXIII Gion Jegher Eine Reihe von schönen Tagen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... XXXIII I Internationales Privat- und Zivilverfahrensrecht, Schiedsgerichts- barkeit sowie nationales Verfahrensrecht Jürgen Basedow Soft Law im Kollisionsrecht – Anmerkungen zu den Haager Grundsätzen über die Rechtswahl .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 3 Harald Baum Die Anwendung des «falschen» Rechts durch ein Schiedsgericht . . ..................... 19 Lukas Bopp Die Anerkennung ausländischer Restschuldbefreiung in der Schweiz unter Einbezug der EU-Insolvenzverordnung .. .............................................. 35 Gian Andri Capaul Zum Anknüpfungszeitpunkt im internationalen Erbrecht . . .............................. 49 Dietmar Czernich Die Haager Principles on Choice of Law in International Commercial Contracts in der Schiedsgerichtsbarkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 63 VII
Inhaltsverzeichnis Wolfgang Ernst / Predrag Sunaric Zum Gebrauch von EU-Recht durch Schweizer Gerichte – IPRG Art. 13 und Privatrecht von EU-Mitgliedstaaten .. . . . . . . . . . ........................................... 79 Andreas Furrer / Juana Vasella «Transportkollisionsrecht» – Zur Rolle des IPR bei der grenzüberschreitenden Beförderung von Gütern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 103 Daniel Girsberger / Dirk Trüten Weltweite Parteiautonomie bei internationalen Handelsverträgen und ihre Grenzen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 131 Pascal Grolimund «Materialisierung von Kollisionsrecht» .. . . . . . . . . . . . . ........................................... 145 Franz Hasenböhler / Sonia Yañez Strengbeweis und Freibeweis in der schweizerischen Zivilprozessordnung (ZPO). 157 Dominique Jakob Time to say goodbye – Die Auswanderung von Schweizer Familienstiftungen aus stiftungsrechtlicher und international-privatrechtlicher Perspektive ............. 171 Peter Jung Stille Gesellschaften im internationalen Verhältnis ......................................... 187 Jolanta Kren Kostkiewicz Schiedsklausel und ihre Bedeutung für den Immunitätsverzicht sowie für die Voraussetzung der Binnenbeziehung im Erkenntnis- und Vollstreckungs- verfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 209 Manuel Liatowitsch Das anwendbare Recht bei der deliktischen Haftung der Gesellschaft für ihre Organe im internationalen Konzern .. . . . . ........................................... 225 Alexander R. Markus / Zina Conrad Einstweiliger Rechtsschutz – international .. . . . . . . . ........................................... 235 VIII
Inhaltsverzeichnis Dorota Paczoska Kottmann Schiedsverfahren, Insolvenz und die verfängliche Qualifikation unter besonderer Berücksichtigung des polnischen Rechts .. ............................. 251 Stefanie Pfisterer Die Befristung der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeit eines Schiedsgerichts ratione temporis – eine Illusion? . . .................................. 275 Rodrigo Rodriguez Ein neues internationales Insolvenzrecht für das IPRG . . .................................. 295 Ivo Schwander Sonderanknüpfung? Sonderanknüpfungen und «Sonderanknüpfungen»! ........... 315 Kurt Siehr Anerkennung ausländischer Entscheidungen bei Leihmutterschaften auf Wunsch von Inländern .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 327 Miguel Sogo Streitgegenstand und Parteiautonomie im Zivilprozess und Betreibungsverfahren .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 341 Daniel Staehelin Die Revision des schweizerischen internationalen Insolvenzrechts und das UNCITRAL Model Law .. . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 357 Peter Strickler Kollisionsrecht im grenzüberschreitenden Insolvenzverfahren – der Spagat zwischen Universalität und Sonderanknüpfung .............................. 373 Fabian Suter Überlegungen zum Ordre public-Charakter des Pflichtteilsrechts . . .................... 385 Claudio Weingart Nachlassplanung, Nachlassspaltung, Nachlasskonflikt und EU-Erbrechtsverordnung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 395 IX
Inhaltsverzeichnis Corinne Widmer Lüchinger Die Berücksichtigung ausländischen Steuerrechts nach Art. 19 IPRG . . ............... 427 Andreas Wiede Freie Wahl von Billigflaggen und kollisionsrechtlicher Arbeitnehmerschutz – Ein Fallbeispiel zur Regelbildung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 455 II Schuldrecht, insbesondere Vertrags- und Haftpflichtrecht Domenico Acocella Rechtsdogmatik und Legitimation eines vertraglichen Rückabwicklungs- verhältnisses bei Vertragsentstehungsmängeln . . . ............................................ 493 Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts .. . . . ............................................ 515 Peter Breitschmid / Annina Vögeli Haftungsrisiken des Beraters bei «Umgehungstatbeständen» am Beispiel von Art. 527 Ziff. 4 ZGB .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 547 Christian Heierli Geldwäscher als «Begünstiger» (Art. 50 Abs. 3 OR) ........................................ 565 Helmut Heiss Unklarheiten der Unklarheitenregel – insbesondere in ihrem Verhältnis zur allgemeinen Rechtsgeschäftslehre .. . . . . . . . . . . . . . ........................................... 589 Alfred Koller Der vermittelte Ehe- oder/und Lebenspartner – Bemerkungen zu Art. 406a–406h OR – ein Überblick .. . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 611 Ernst A. Kramer Eine neue Fallstruktur zu den Reflexschäden: Zweifelsfragen zu BGE 142 III 433 . 621 Ahmet Kut / David Vasella Das Deliktsrecht nach dem Entwurf für ein «OR 2020» – ausgewählte Aspekte .... 631 X
Inhaltsverzeichnis Leander D. Loacker Arbeitsrechtliche Aspekte genetischer Untersuchungen beim Menschen . . ........... 647 Hans Nigg Die Krux der Anwendung der Adäquanzformel ............................................. 681 Wolfgang Portmann Der Arbeitnehmerbegriff im europäischen Kontext – Bewährtes und Neues im Licht aktueller Herausforderungen . . . . . . . . . . ............................................... 699 Hans Rudolf Trüeb Smart Contracts .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 723 Marc Weber Freizeichnungsklauseln in Auktionsbedingungen . . ......................................... 735 III Versicherungsrecht Hans-Ulrich Brunner Zum «Regressobligatorium» nach Art. 65 Abs. 3 SVG ..................................... 755 Andrea Eisner-Kiefer Die Revisionen des Bundesgesetzes über den Versicherungsvertrag: Neues Spiel, neues Glück? .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 769 Walter Fellmann Brokervertrag als multilateraler Innominatvertrag – vom Umgang mit dem Interessenkonflikt des Brokers .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 797 Mario Gassner / Martina Tschanz Die Weiterentwicklung des liechtensteinischen Versicherungsrechts ab 2006 . . ..... 813 Christoph K. Graber Geschäftsführung und Folgepflicht in der offenen Mitversicherung ................... 839 XI
Inhaltsverzeichnis Moritz W. Kuhn Zulässigkeit der Rückversicherungstätigkeit aus dem Ausland in der Schweiz – Auslegung von Art. 2 Abs. 2 lit. a VAG .. . . . . . . . . . . . . ........................................... 853 Andrea Pfleiderer Die aufschiebende Wirkung und das Verfahren bei der Rückerstattung von unrechtmässig erbrachten Leistungen im Sozialversicherungsrecht ................... 867 Ioannis Rokas Occurrence of the risk due to an intentional act by the policyholder in a fire insurance on account of a third party and the insurable interest of the bank which has a pre-notice of a mortgage on the insured building . . ......................... 877 Martin Schauer Die Entscheidung des EuGH «Endress/Allianz» und ihre Folgen für das österreichische Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 893 Manfred Wandt Die Gruppenversicherung in den Principles of European Insurance Contract Law (PEICL) .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 903 Rolf H. Weber / Rainer Baisch «Nudging» im Versicherungssektor .. . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 925 IV Gesellschaftsrecht Marc Amstutz Kodifikation des Konzernrechts? Was der Gesetzgeber von Cosimo de’ Medici (1389–1464) lernen kann .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 947 Peter Böckli Kommanditaktiengesellschaft: Drei Fragen zu einem Mischwesen des Gesellschaftsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 973 Christoph B. Bühler Konzernhaftungsrisiken und mögliche Vorkehrungen zu deren Minimierung ..... 989 XII
Inhaltsverzeichnis Jean Nicolas Druey Konzerntransparenz .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 1017 Lukas Handschin / Luca Kenel Voraussetzungen und Umfang der Rückerstattungspflicht gemäss Art. 678 Abs. 2 OR .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 1035 Laurent Killias Gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten vor Schiedsgerichten – Königsweg oder Sackgasse? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 1053 Hans Caspar von der Crone / Merens Cahannes Die Societas Unius Personae (SUP) aus Schweizer Sicht .................................. 1069 V Internationales und nationales Wirtschaftsrecht, insbesondere Wettbewerbs- und Kartellrecht Stephan Breitenmoser / Robert Weyeneth Sprünge der internationalen Rechtshilfe in Zivilsachen in öffentlich-rechtliche Untiefen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 1093 Ivo Lorenzo Corvini-Mohn Wein und Recht – die Geschichte eines geschichtsträchtigen Seminars . .............. 1113 Joachim Frick Die Zukunft grenzüberschreitender Finanzdienstleistungen ............................. 1123 Andreas Heinemann Die internationale Reichweite des Kartellrechts . . ............................................ 1135 Markus Hess Zunehmende Unklarheiten im Verhältnis zwischen öffentlichem Recht und Privatrecht – Gedanken an Beispielen aus dem Anleger- und Konsumentenschutzrecht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 1163 XIII
Inhaltsverzeichnis Reto M. Hilty Innovationsförderung durch Schutzbegrenzungen – ein Plädoyer für die Zwangslizenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 1179 Claire Huguenin / Oliver Dreyer Vertragsungültigkeit als Sanktion bei UWG-Verstössen ................................... 1197 Peter Nobel Wirtschaftsrecht und wirtschaftliche Betrachtungsweise .................................. 1217 Mark Pieth / Ingeborg Zerbes Geheimnisschutz. Vom Grundrecht zum Instrument wirtschaftlicher Machtsicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 1241 Przemyslaw Janusz Przezak Rechtliche Aspekte der Werbung und Verkaufsförderung von Medizinprodukten .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 1249 Ralf Michael Straub Der Konzern als Kartellrechtssubjekt .. . . . . . . . . . . . . . ............................................ 1269 Andreas Thier Überlegungen zu einer Geschichte des Wirtschaftsrechts in der Schweizerischen Eidgenossenschaft des 19. und 20. Jahrhunderts – das Wettbewerbsrecht als Beispiel .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 1305 Philipp Zurkinden / Boris Wenger Das Auswirkungsprinzip im schweizerischen Kartellrecht nach dem Bundesgerichtsurteil i.S. Gaba .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ........................................... 1327 Verzeichnisse Schriftenverzeichnis Anton K. Schnyder .. . . . . . . . . . . ........................................... 1341 Betreute Dissertationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................ 1359 XIV
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller* Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts Inhaltsübersicht Seite I. Einführung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 516 A. Erscheinung und Bedeutung .. . . . . . . . . . ............................................... 516 B. Charakteristik und Abwicklung des Airbnb-Geschäfts ............................ 517 C. Airbnb-Rechtsverhältnis als Konglomerat drei verschiedener Verträge ........ 518 D. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 519 II. Dienstleistungsverträge zwischen Airbnb und seinen Kunden . . ..................... 519 A. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 519 B. Vermittlung eines Unterkunftsvertrags als Hauptdienstleistung ................. 520 C. Streitbelegung durch Airbnb bei Leistungsstörungen .............................. 523 D. Vertragliche Haftung des Gastes für Schäden an der Unterkunft ................ 531 III. Unterkunftsvertrag zwischen Gast und Gastgeber .. ..................................... 532 A. Abgrenzung Unterkunftsvertrag und Dienstleistungsvertrag .................... 532 B. Allgemeine rechtliche Qualifizierung des Unterkunftsvertrags ................... 533 C. Vertragliche Haftung für Personen und Sachschäden des Gastes . . ............... 533 IV. Rechtsverhältnis zwischen Gastgeber und seinem Vermieter . . ....................... 534 V. AGB-Problematik .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 534 A. Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 534 B. Meinungsstand zu Geltung und Auslegung von AGB im schweizerischen Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 535 C. Rechtliche Beurteilung der AGB von Airbnb ....................................... 536 VI. Anwendbares Recht und internationale Zuständigkeit ................................ 540 A. Einleitung .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 540 B. Zuständigkeit .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 541 C. Anwendbares Recht .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 545 VII. Schlussbemerkungen .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ............................................... 546 * Wir danken Herrn MLaw Adrian Boxler ganz herzlich für die gewissenhafte und wertvolle Mitar- beit und Kontrolle dieses Beitrags. 515
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller I. Einführung A. Erscheinung und Bedeutung Das Unternehmen Airbnb (kurz für Airbedandbreakfast, also Luftmatratze und Früh- stück) wurde 2008 in San Francisco gegründet.1 Das hier allein interessierende Geschäft in Europa wird zwar heute hauptsächlich von der Airbnb Ireland UC mit Sitz in Dub- lin betreut, der Zahlungsverkehr wird aber durch die Airbnb Payments UK Ltd. abgewi- ckelt.2 Obwohl Airbnb weniger als 10 Jahre alt ist, hat das Unternehmen heute bereits weltweit und so auch in der Schweiz eine massgebliche Bedeutung erlangt. Airbnb vermittelt Un- terkünfte aller Art in 191 Ländern und in mehr als 65 000 Städten und Destinationen. In der Neujahrsnacht 2016/17 haben beispielsweise fast 2 Millionen Personen in einer über Airbnb vermittelten Unterkunft übernachtet.3 In der Schweiz wurden Mitte 2016 schätzungsweise 18 500 Unterkünfte mit 48 000 Betten angeboten. Die Übernachtung in Airbnb-Unterkünften dürften so etwa 5,4% aller Hotellogiernächte in der Schweiz aus- machen.4 Airbnb war ursprünglich wohl ein idealistisches Unternehmen, welches die Idee der «Sharing Economy» für unbenützte Wohnräume umsetzen wollte. Jedermann sollte da- mit auf einfache Art die Möglichkeit erhalten, seinen Wohnraum gegen ein bescheide- nes Entgelt mit anderen Personen zu teilen. Dem Gast sollte es Airbnb ermöglichen, sich günstig an einem anderen Ort im In- und Ausland aufzuhalten und zugleich vor Ort Per- sonen und Kulturen kennenzulernen. Heute entwickelt sich Airbnb offenbar immer mehr auch zu einer alternativen Form von professionell betriebenem Gastgewerbe. Auch in der Schweiz sind die Anbieter oft nicht mehr nur geschäftsunerfahrene Einzelpersonen, welche sich mit der Zurverfügungstel- lung von Wohnraum einen kleinen Nebenverdienst verschaffen, sondern immer mehr auch professionelle Anbieter von Wohnraum in grösserem Ausmass. Die Verfasser wollen die komplexe Vertragsstruktur zwischen Airbnb und seinen Nut- zern, den Gästen und den Gastgebern, wie sie in den AGB genannt werden, untersu- chen und damit einem Beitrag zum per Internet abgewickelten Vertragsrecht im Bereich 1 U. Lippitz, Alles nur heiße Luft?, 2014, abrufbar unter (besucht am 23.3.17). 2 Ob und in welchem Umfang sich an diesen Orten auch Server und/oder die wohl umfangreiche Ver- waltung befinden, ist den Autoren nicht bekannt. Offenbar gibt es aber auch entsprechende «Büros» in anderen Ländern wie beispielsweise in Deutschland, Frankreich oder der Schweiz. 3 Vgl. (besucht am 23.3.17). 4 Bericht des Bundesrates über die zentralen Rahmenbedingungen für die digitale Wirtschaft vom 11. Januar 2017, 104 f., abrufbar unter (besucht am 23.3.17). 516
Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts der «Sharing Economy» leisten. Dabei sollen sowohl materiell-rechtliche wie auch ver- fahrensrechtliche Fragen im nationalen und internationalen Recht beantwortet werden. Die Autoren freuen sich ausserordentlich, diesen Beitrag Herrn Prof. Anton K. Schny- der, dem Meister des nationalen und internationalen Privat- und Verfahrensrechts, wid- men zu dürfen. B. Charakteristik und Abwicklung des Airbnb-Geschäfts 1. Vermittelter Wohnraum und Unterkunftsgebühr Der zu vermittelnde Wohnraum wird vom Gastgeber bestimmt. Dieser ist Eigentümer des Wohnraums, hat diesen selber von einem Dritten gemietet oder ist sonst zur Ein- räumung von Nutzungsrechten am Wohnraum (in den AGB «Unterkunft» genannt) be- fugt. Die Unterkunft wird vom Gastgeber auf der Plattform «inseriert». Im Inserat wer- den insbesondere der Preis für die Unterkunft, die sog. Unterkunftsgebühr, und allfällige Benützungsregeln5 festgelegt. Der Gastgeber kann zur Abdeckung etwaiger Schäden zu- dem eine Kaution verlangen. Airbnb nimmt auf den Inhalt dieser Inserate keinen Einfluss und prüft mitunter auch in keiner Weise, ob die Angaben richtig sind und in welchem Zustand sich die Unterkunft befindet. Für die Einschätzung der Richtigkeit der Angaben stehen dem Gast immerhin regelmässig Bewertungen von früheren Benützern zur Ver- fügung. Im Weiteren hat der Gast die Möglichkeit, die Unterkunft bei Ankunft zu bean- standen und zurückzuweisen (hierzu II.C.). 2. Einrichtung eines Airbnb-Kontos Wer die Dienste von Airbnb beanspruchen möchte, muss zunächst ein Konto auf der Website eröffnen und – wie es in den Nutzungsbedingungen heisst – «Mitglied» werden. Die Mitgliedschaft hat selbst allerdings keine rechtliche Bedeutung, sondern ist lediglich eine Bezeichnung für Personen, welche ein Airbnb-Konto errichtet haben.6 Allerdings ist davon auszugehen, dass mit der Registrierung und der damit verbundenen Anerkennung der AGB der Abschluss eines Dauerschuldverhältnisses einhergeht, das für den Kunden aber vorderhand mit keinen Kosten verbunden ist.7 5 Denkbar sind etwa Regeln wie «keine Partys erlaubt» oder die Nennung von speziellen Check-in-Zei- ten. 6 Nutzungsbedingungen, Ziff. 1 Abs. 10 (Stand 27. Oktober 2016), abrufbar unter (besucht am 23.3.17). 7 Vgl. allerdings die Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 2 Abs. 1, nach welcher eine Bindung an die AGB bereits durch die «Nutzung» der Website angenommen wird. Hierfür dürfte aber u.E. das Vor- handensein eines Rechtsbindungswillen seitens der Kunden klarer Weise verneint werden. 517
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller Zur Einrichtung des Kontos muss man Airbnb weitreichende Daten liefern und eine Überprüfung der Identität und Kreditwürdigkeit dulden.8 Aus technischer Sicht besteht der Sinn des Kontos im Wesentlichen darin, dass darüber die Buchungsabwicklung vor- genommen werden kann und Airbnb gleichzeitig die notwendigen Angaben erhält, um der Kreditkarte des Mitglieds sämtliche in den AGB genannten Gebühren, die von ei- nem Gastgeber allfällig verlangte Kaution und andere Kosten (insb. Schadenersatz wegen Schäden an der Unterkunft u.ä.) direkt zu belasten. 3. Abschluss eines Unterkunftsvertrages Möchte eine Person verreisen, wählt sie aus dem Angebot der Plattform eine Unterkunft aus und lässt dem Gastgeber eine Reservierungsanfrage zukommen. Wird diese bestätigt, kommt damit zwischen Gast und Gastgeber ein Unterkunftsvertrag zustande, an dem Airbnb laut den AGB grundsätzlich nicht beteiligt ist.9 Airbnb bucht hierauf vom Konto des Gastes die inserierte Unterkunftsgebühr samt Gastgebühr ab und überweist sie dem Gastgeber (abzüglich der Gastgebergebühr) 24 Stunden nach vorgesehenem Bezug der Unterkunft.10 Bei der Gast- bzw. Gastgebergebühr handelt es sich um das jeweilige Ent- gelt, welches Airbnb seinen Kunden für die Nutzung seiner Dienste verrechnet.11 Nach Beendigung der Benützung können sich Gast und Gastgeber gegenseitig und der Gast im Speziellen auch die Qualität der Unterkunft bewerten. C. Airbnb-Rechtsverhältnis als Konglomerat drei verschiedener Verträge Das dem Airbnb-Geschäft zugrundeliegende Rechtsverhältnis ist dadurch charakterisiert, dass es aus einem Konglomerat von drei separaten Verträgen zwischen Gast, Gastgeber und Airbnb besteht, welche zueinander im Dreiecksverhältnis stehen. Sowohl Gast als auch Gastgeber schliessen mit Airbnb einen Vertrag, nachfolgend als Dienstleistungsvertrag bezeichnet, der verschiedene Leistungen umfasst: –– Für den Gast vermittelt Airbnb insbesondere eine Unterkunft, besorgt den Transfer der Geldleistungen und stellt bei Leistungsstörungen und Schäden an der Unterkunft ein Streitbeilegungsverfahren zur Verfügung. –– Für den Gastgeber bestehen die Dienstleistungen insbesondere darin, dass Airbnb ihm einen Gast vermittelt, bei Leistungsstörungen und Schäden an der Unterkunft 8 Zur Kritik bezüglich Datenschutz V. Mak, Private Law Perspectives on Platform Services, Airbnb: Home Rentals between AYOR and NIMBY, Journal of European Consumer and Market Law (Eu- CML), Issue 1/2016, 19 ff., 21. 9 Vgl. etwa Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 2 Abs. 3. 10 Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./B. Abs. 2. 11 Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./A. Abs. 2 f. 518
Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts ein Streitbeilegungsverfahren zur Verfügung stellt und eine (beschränkte) Garantie bei Schäden an der Unterkunft leistet. Neben diesen beiden Dienstleistungsverträgen besteht ein separater Unterkunftsvertrag zwischen Gast und Gastgeber. In den AGB wird verschiedentlich deutlich gemacht, dass Gast und Gastgeber für die Benützung der Unterkunft bilaterale Verträge abschliessen, an denen Airbnb nicht beteiligt ist bzw. nicht beteiligt sein will. Wie zu zeigen sein wird, greift Airbnb aber mit seinen Dienstleistungen, insbesondere mit dem Streitbeilegungs- verfahren, umfassend in dieses Rechtsverhältnis ein (hierzu II., insb. unter II.C.). D. Gang der Untersuchung Die nachfolgende Untersuchung umfasst drei Abschnitte zu folgenden Problemkreisen: –– Zunächst sollen die Dienstleistungsverträge zwischen Airbnb und seinen Kunden näher untersucht werden (II.). Ein zentraler Aspekt stellt dabei der Streitbeilegungs- mechanismus bei Leistungsstörungen dar. Im Weiteren sollen die Vertragsverhält- nisse zwischen Gast und Gastgeber (III.) sowie zwischen Gastgeber und seinem Ver- mieter (IV.) näher beleuchtet werden; –– Alsdann erfolgt eine Auseinandersetzung mit der ABG-Problematik (V.); –– Schliesslich sollen das anwendbare Recht und die internationale Zuständigkeit geklärt werden (VI.). II. Dienstleistungsverträge zwischen Airbnb und seinen Kunden A. Überblick Die Dienstleistungsverträge mit den Gästen bzw. Gastgebern sind besondere Innominat- verträge, welche verschiedenste Dienstleistungen umfassen, welche für andere Verträge typisch sind und damit auch deren Elemente beinhalten. Namentlich sind dies folgende Dienstleistungen und damit verbundene Vertragstypen: –– Vermittlung einer Unterkunft an den Gast bzw. eines Gastes an den Gastgeber gegen ein Entgelt: Diese Hauptdienstleistung von Airbnb enthält namentlich Elemente des Mäklervertrages (hierzu II.B.1.). –– Streitentscheidung bei Leistungsstörung und Schäden an der Unterkunft: Diese wich- tige Dienstleistung, welche Airbnb zugunsten von Gast und Gastgeber erbringt, weist Ähnlichkeiten zum sog. Escrow-Geschäft auf. Sie erinnert aber auch an prozessuale Verträge und Institute, wie den Schieds- und Schiedsgutachtervertrag (hierzu II.C.). 519
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller Bedeutungsvolle, hier jedoch nicht näher untersuchte Dienstleistungen sind auch die Ab- wicklung und der Transfer der Geldleistungen, welche sich aus dem Airbnb-Geschäft er- geben12 sowie die Bereitstellung einer Garantie für die Gastgeber zur Deckung von Schä- den an der Unterkunft. B. Vermittlung eines Unterkunftsvertrags als Hauptdienstleistung 1. Allgemeines Die Hauptdienstleistung von Airbnb gegenüber Gast und Gastgeber besteht ohne Zweifel darin, diesen gegen eine «Gebühr» den Abschluss eines Unterkunftsvertrages zu vermit- teln.13 Ob ein Entgelt an die Plattform entrichtet werden muss, hängt auch direkt mit dem Zustandekommen dieses Vertrages zusammen.14 Die entsprechende Tätigkeit ist damit typisch für einen Mäklervertrag nach Art. 412 ff. OR. In dessen Rahmen wird der Mäk- ler damit beauftragt, gegen ein Entgelt entweder die Gelegenheit zum Abschluss e ines Hauptgeschäfts nachzuweisen oder den Abschluss eines solchen zu vermitteln (Art. 412 Abs. 1 OR). Der Umstand, dass sich das Tätigwerden von Airbnb online abspielt und weitgehend automatisiert ist, darf im Lichte der heutigen digitalisierten Welt nicht gegen eine Qualifikation in diese Richtung sprechen.15 Auch ein überwiegend standardisiertes Ablaufverfahren wie das vorliegende sollte u.E. als Auftragserfüllung i.S.v. Art. 412 OR verstanden werden. Fraglich ist hingegen, ob es sich dabei um eine Art der Nachweis-, Zuführungs- oder Vermittlungsmäkelei handelt. Während das Zusammenführen von Vertragsinteressenten über Internet-Suchmaschinen wie «homegate.ch» oder «immoscout24.ch» als elektroni- sche Nachweismäkelei verstanden werden kann,16 zeigt eine genauere Untersuchung der Rolle, die Airbnb für das Hauptgeschäft zwischen Gast und Gastgeber spielt, dass dessen Einfluss weiter geht als der eines Nachweis- oder Zuführungsmäklers. So können Kunden über die Plattform nicht nur potenzielle Vertragspartner finden, sondern auch kommuni- zieren und gleich auch die anberaumten, von Airbnb weitgehend vordefinierten Verträge 12 Airbnb wirkt in diesem Zusammenhang als eigentlicher Finanzintermediär, womit insbesondere auch aufsichtsrechtliche Fragestellungen verbunden sein dürften, vgl. diesbezüglich etwa die Fragen von Nationalrat C. Sommaruga bzw. die entsprechende Stellungnahme des Bundesrates vom 1. Fe- bruar 2017, abrufbar unter (besucht am 23.3.17). 13 Vgl. Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./D. Abs. 1. 14 In diesem Sinne Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./B. Abs. 1 e contrario. 15 Ähnlich C. Huguenin/F. Hunold, Qualifikation der Verträge mit Online-Partnervermittlern, in: Private Law – national – global – comparative, Festschrift für Ingeborg Schwenzer zum 60. Geburts- tag, Band I, hrsg. von A. Büchler/M. Müller-Chen, Bern 2011, 827 ff., 844 f. zur Qualifikation von Online-Partnervermittlungsverträgen als Auftrag zur Ehe- oder zur Partnerschaftsvermittlung i.S.v. Art. 406a ff. OR. 16 So M. Streiff, Handkommentar zum Maklervertrag mit Fokus auf den Immobilienmakler, Wetzi- kon/Zürich 2009, 21. 520
Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts abschliessen – Airbnb stellt entsprechende, einfach zu verstehende Tools zur Verfügung. Auf diese Weise bewirkt Airbnb eine massgebliche Senkung der Transaktionskosten, die bei normalen Vertragsverhandlungen zwischen potenziellen Gästen und Gastgebern an- fallen würden, und begünstigt so letztlich entscheidend den Abschluss des Unterkunfts- vertrags. Damit nimmt Airbnb aktiv einen Einfluss auf das Zustandekommen dieses Ge- schäfts, der weit über das blosse Nachweisen oder Zuführen von Vertragsinteressenten hinausgeht.17 Betrachtet man folglich ausschliesslich das Grundkonstrukt von Airbnb, so kommt der Plattform quasi die Rolle eines elektronischen Vermittlungsmäklers zu. Da- ran ändert im Übrigen nichts, dass Airbnb in seinen Nutzungsbedingungen ausdrücklich festhält, nicht Immobilienmakler sein zu wollen.18 Schliesslich obliegt die Vertragsquali- fikation grundsätzlich dem Richter und Versuche durch entsprechende Klauseln Einfluss darauf zu nehmen, müssen unbeachtlich bleiben.19 2. Zulässige Form der Doppelmäkelei Für das Airbnb-Geschäft ist typisch, dass die Plattform in gleichem Masse für den Gast und den Gastgeber «tätig» ist und auch von beiden im Kleid der bereits erwähnten Ge- bühren einen Mäklerlohn bezieht. Da Airbnb folglich stets beidseitig agiert, liegt eine Form der Doppelmäkelei vor. Diese Art des Tätigwerdens ist zwar an sich nicht unzuläs- sig, doch birgt das gleichzeitige Wahrnehmen von Interessen für beide potenziellen Ver- tragspartner das Risiko von Interessenskonflikten in sich. Liegt ein solcher vor, so ist nach Art. 215 OR20 der Anspruch auf einen Mäklerlohn verwirkt.21 Während eine Doppeltätig- keit des Beauftragten im Rahmen der Nachweis- und Zuführungsmäkelei weitestgehend unproblematisch ist, geht die wohl h.L. davon aus, dass eine Doppel-Vermittlungsmäke- lei per se zu Interessenskollisionen führt und daher unzulässig ist.22 Ein unzulässiges Tä- tigsein ist in jedem Fall dann anzunehmen, wenn es zur Aufgabe des Doppelmäklers ge- 17 Auch dass Airbnb einer gewissen Kategorie von Gastgebern einen kostenlosen «Fotografenservice» für einen professionelleren Auftritt anbietet, spricht für eine Form der Vermittlungsmäkelei, vgl. hierzu allgemein (besucht am 23.3.17). 18 Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 2 Abs. 4. 19 Vgl. Huguenin/Hunold (Fn. 15), 838. 20 Art. 415 OR lautet wie folgt: «III. Verwirkung. Ist der Mäkler in einer Weise, die dem Vertrage wider- spricht, für den andern tätig gewesen, oder hat er sich in einem Falle, wo es wider Treu und Glauben geht, auch von diesem Lohn versprechen lassen, so kann er von seinem Auftraggeber weder Lohn noch Ersatz für Aufwendungen beanspruchen.» 21 BGE 111 II 368; 124 III 483. 22 T. Guhl/A. K. Schnyder, § 50 Besondere Arten des Auftrags, in: Das Schweizerische Obligatio- nenrecht mit Einschluss des Handels- und Wertpapierrechts, bearb. von T. Guhl/A. Koller/ A. K. Schnyder/J. N. Druey, 9. Aufl., Zürich 2000, § 50 Rz. 26; H. Honsell, Schweizerisches Obli- gationenrecht, Besonderer Teil, 9. Aufl., Bern 2010, 356 f.; C. Huguenin, Obligationenrecht, Allge- meiner und Besonderer Teil, 2. Aufl., Zürich 2014, Rz. 3369 m.w.H. 521
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller hört, für die Auftraggeber einen möglichst guten Preis für das angestrebte Hauptgeschäft zu erzielen.23 Im Falle der Geschäftspraktik von Airbnb ist u.E. trotz Vorliegen einer doppelseitigen Vermittlungstätigkeit kein Verstoss gegen Art. 415 OR anzunehmen. Dies aufgrund der Tatsache, dass mit Blick auf das weitgehend standardisierte Tätigwerden der Plattform die Möglichkeit eines einseitigen und treuwidrigen Verhaltens hinsichtlich der Vermitt- lungstätigkeit selbst wohl ausgeschlossen werden kann. Hinzu kommt, dass nach dem Prinzip von Airbnb der Preis für die Unterkunft nicht Verhandlungssache ist, sondern vom Gastgeber im Voraus festgelegt und bereits auf dem Inserat verbindlich ausgewiesen wird.24 Airbnb nimmt folglich auf die Preisgestaltung keinen Einfluss. 3. Servicegebühren Wie die Servicegebühren, d.h. die jeweiligen Gast- und Gastgebergebühren,25 bestimmt werden, lässt sich den Nutzungsbedingungen nicht entnehmen. Auf der Website von Airbnb findet sich indessen der Hinweis, dass die Gastgebühren normalerweise sechs bis zwölf Prozent der betreffenden Buchung entsprechen, im Einzelfall aber auch höher oder tiefer ausfallen können.26 Eine entsprechende Berechnungsgrundlage für die Gastgeber- gebühren lässt sich auf der Website hingegen nicht finden,27 doch dürfte diese in der Re- gel etwa acht Prozent der Buchungsgebühr betragen. Alles in allem scheint es aber so, als liege die Bestimmung des Entgelts weitgehend im Er- messen von Airbnb. Zwar wird den Gästen und Gastgebern die zu entrichtende Gebühr angezeigt, bevor sie miteinander online einen Unterkunftsvertrag abschliessen,28 doch wurde ein potenzieller Vertragspartner erst einmal über die Website gefunden, so ist ein von Airbnb unabhängiges Kontraktieren mit diesem gemäss den AGB ausgeschlossen.29 Der intransparente Modus zur Festlegung der eigenen Provision steht u.E. mindestens in einem gewissen Spannungsverhältnis zu Art. 27 Abs. 2 ZGB. Nach ständiger bundes- gerichtlicher Rechtsprechung gilt eine vertraglich begründete Beschränkung der wirt- schaftlichen Bewegungsfreiheit u.a. dann als exzessiv, wenn sie denjenigen, der sich ver- 23 Vgl. hierzu BSK OR I – Ammann, Art. 415 N 4, in: Basler Kommentar zu Art. 1–529 OR, Obligatio nenrecht I, hrsg. von H. Honsell/N. Vogt/W. Wiegand, 6. Aufl., Basel 2015 (nachfolgend BSK OR I – Bearbeiter/in, Fundstelle). 24 Vgl. Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./A. Abs. 1. 25 Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./A. Abs. 2, 3 und 5. 26 Der Prozentsatz nimmt dabei offensichtlich mit der Höhe der jeweiligen Buchungssumme ab, vgl. zum Ganzen (besucht am 23.3.17). 27 Vgl. (besucht am 23.3.17). 28 Dem Gastgeber wird die Gastgebergebühr bereits bei der Buchungsanfrage angezeigt, dem Gast vor dem Absenden der Buchungsanfrage, vgl. Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 9./A. Abs. 1 bzw. Ziff. 9./B. Abs. 1. 29 Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 14 Abs. 1 Pkt. 21. 522
Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts pflichtet, der Willkür des Vertragspartners ausliefert.30 Daraus lässt sich ableiten, dass es in aller Regel unzulässig sein dürfte, wenn die Bestimmung des Inhalts einer Vertrags- leistung nur der einen Vertragspartei überlassen wird.31 Zwar steht es den Airbnb-Kun- den theoretisch frei, nicht auf die «Offerte» von Airbnb einzutreten, doch fällt diesfalls im gleichen Zuge ein potenzieller Vertragspartner dahin. Nach dem Prinzip «take it or leave it» sind Gäste und Gastgeber daher faktisch gezwungen, sich der einseitigen Festlegung der Servicegebühr durch Airbnb zu fügen. Ein Kunde dürfte sich auch nicht im Nachhinein mit der Begründung gegen die Festle- gung der Servicegebühren zur Wehr setzen können, diese seien als übersetzt i.S.v. Art. 417 OR zu qualifizieren. Das Bundesgericht hielt hierzu fest, dass zur Beurteilung der Provisi- onshöhe auf den wirtschaftlichen Wert der Mäklerleistung selbst und nicht etwa auf den Arbeits- oder Zeitaufwand des Mäklers abzustellen ist – relevant ist also der wahre Wert seiner wirtschaftlichen Leistung.32 Auch wenn bei Vorliegen von Doppelmäkelei, wie im vorliegenden Fall, zudem beide Provisionssätze zusammenzurechnen sind,33 so erschei- nen uns auch Gesamtgebühren von etwa 20% zwar als hoch, aber wohl noch nicht über- setzt. C. Streitbelegung durch Airbnb bei Leistungsstörungen 1. Auslegung der Erstattungsrichtlinie nach dem Vertrauensprinzip Das Geschäft der Vermittlung und Benützung von privaten Räumen als Unterkunft ist naturgemäss «streitanfällig». Die Tatsache, dass am vorliegenden Geschäft zudem typi- scherweise Personen aus verschiedenen Ländern beteiligt sind, hat Airbnb wohl dazu veranlasst, ein eigenständiges Streitbeilegungsverfahren einzurichten, das unabhängig von nationalen Gerichten funktioniert. Das Streitbeilegungsverfahren ist in der sog. Erstattungsrichtlinie geregelt. Unter der Be- zeichnung «Reiseprobleme» werden zunächst die typischen Fälle der Leistungsstörung, wie die Stornierung einer Buchung zu Unzeit oder das Bereitstellen einer Unterkunft, welche nicht dem inserierten Angebot entspricht oder schmutzig ist, AGB-autonom um- schrieben.34 Sodann werden die Rechte genannt, welche den Parteien in diesen Fällen zustehen. Es sind dies für den Gast namentlich Rückzahlung oder Reduktion der Unter- kunftsgebühr und/oder Bereitstellung einer Ersatzunterkunft.35 Schliesslich ist das von Airbnb administrierte Verfahren geregelt. 30 BGE 111 II 337; 123 III 345. 31 So BK ZGB – Bucher, Art. 27 N 323, in: Berner Kommentar zum schweizerischen Privatrecht, Bd. I/2/2, Kommentar zu Art. 27 ZGB, hrsg. von H. Hausheer, 3. Aufl., Bern 1993. 32 BGE 138 III 671; vgl. auch BSK OR I – Ammann (Fn. 23), Art. 417 N 4. 33 BGE 111 II 370. 34 Richtlinien für Rückerstattung an Gäste (nachfolgend Erstattungsrichtlinie), Ziff. 1 Abs. 1 ff. (Stand 27. Oktober 2016), abrufbar unter (besucht am 23.3.17). 35 Erstattungsrichtlinie (Fn. 34), Ziff. 2. 523
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller Liegt ein Reiseproblem vor, kann der Gast die erwähnten Ansprüche geltend machen, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen erfüllt sind: –– Der Gast darf das Reiseproblem nicht selbst verursacht haben, –– muss sich vorgängig in angemessenem Rahmen um eine bilaterale Lösung mit dem Gastgeber bemühen und –– hat Airbnb innert 24 Stunden nach Beginn des vorgesehenen Buchungshorizonts schriftlich oder telefonisch über die Mängel zu informieren. –– Schliesslich muss er Airbnb mit der Mitteilung des Reiseproblems die zur Beurteilung des Falls notwendigen Informationen wie etwa Fotografien und/oder andere Beweis- mittel mitliefern und auch am weiteren Verfahrenslauf mitwirken.36 Nach Anmeldung des Reiseproblems steht es dem Gastgeber frei, das Vorliegen einer Leistungsstörung zu bestreiten und Airbnb entsprechende Unterlagen vorzulegen.37 Ge- stützt auf die Vorbringen und Unterlagen entscheidet Airbnb alsdann nach Ermessen, ob ein Reiseproblem im Sinne der AGB vorliegt sowie ob und gegebenenfalls welche Rechte dem Gast zustehen. Hierbei spielt das auf den Unterkunftsvertrag anwendbare Recht wohl keine Rolle. Vielmehr dürfte der Ermessensentscheid nach einem übernatio- nalen Standard erfolgen. Laut der Erstattungsrichtlinie sind die von Airbnb getroffenen Entscheidungen für Gast und Gastgeber verbindlich. Wörtlich heisst es hierzu: «Alle von Airbnb im Zusammen- hang mit der Erstattungsrichtlinie getroffenen Entscheidungen, insbesondere in Bezug auf die Höhe von Erstattungen, sind für die Gäste und Gastgeber endgültig und bindend.»38 Die Bindung besteht dabei nicht nur bezüglich der Verfügung über Geldbeträge, welche Airbnb vom Gast überwiesen und noch nicht an den Gastgeber ausbezahlt worden sind, sondern auch betreffend bereits überwiesene Beträge. Im Rahmen der AGB verpflich- tet sich der Gastgeber nämlich, Airbnb für die im Zusammenhang mit einer verfügten Rückerstattung ausbezahlten Beträge innerhalb von 30 Tagen nach erfolgter Aufforde- rung zu entschädigen. Gleiches gilt für die Übernahme der Kosten für eine Alternativ- unterkunft.39 Unabhängig von der nachfolgend zu untersuchenden Rechtsnatur und Gültigkeit die- ses Verfahrens ist hier zunächst einmal festzuhalten, dass dieses nach Treu und Glauben nur so von den Parteien verstanden werden kann, dass es gleich einer richterlichen Ent- scheidung zwischen Gast und Gastgeber grundsätzlich «definitives Recht» schafft. Wenn Airbnb beispielsweise im Ergebnis zur Auffassung gelangt, dass die Unterkunft nicht dem Inserat entspricht und dem Gast den gesamten Betrag zurückzahlt, dann darf dieser nach dem Vertrauensprinzip davon ausgehen, dass sich die Sache damit für ihn erledigt hat. Er 36 Vgl. zum Ganzen Erstattungsrichtlinie (Fn. 34), Ziff. 3 Abs. 2 ff. 37 Erstattungsrichtlinie (Fn. 34), Ziff. 4 Abs. 3. 38 Erstattungsrichtlinie (Fn. 34), Ziff. 2. 39 Zum Ganzen Erstattungsrichtlinie (Fn. 34), Ziff. 4 Abs. 2. 524
Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts muss nicht erwarten, dass der Gastgeber dann noch aus dem (bilateralen) Unterkunfts- vertrag gegen ihn vorgehen und die Sache gerichtlich beurteilen lassen kann. 2. Schiedsentscheidung, Schiedsgutachten oder Rechtsschutzverzicht? Die geschilderte Streitentscheidung erinnert an einen Schiedsentscheid oder ein Schieds- gutachten. Im definitiven und bindenden Charakter dieser Entscheidung könnte sodann auch ein Klageverzicht bzw. ein ständiges Prozessverbot gesehen werden. Klar ist zunächst, dass die Entscheidung von Airbnb keiner schiedsgerichtlichen Ent- scheidung gleichgestellt werden kann. Airbnb kommt als direkt in den Rechtsstreit invol- vierte Partei nicht als Schiedsrichter i.S.v. Art. 180 Abs. 1 lit. c IPRG in Frage. Einem von vornherein nicht unparteilichen Organ mangelt es per se an Schiedsgerichtseigenschaft.40 Genauso wenig kann in der Airbnb-Entscheidung ein Schiedsgutachten gesehen werden. Gemäss Art. 189 ZPO können nur streitige Tatsachen Gegenstand eines solchen sein.41 Hier geht es aber nicht nur um Tatsachenfeststellungen, sondern um Entscheidungen über Rechtsfragen. Prima vista könnte man aber daran denken, die Unterwerfung unter das Verfahren als Vereinbarung zwischen den Kunden darüber auszulegen, Airbnb mit einem sog. vertragsergänzenden Schiedsgutachten zu beauftragen.42 Solche Gutachten, die teilweise oder ausschliesslich Rechtsfragen zum Gegenstand haben, sind nicht unüb- lich und nach schweizerischem Verständnis auch durchaus zulässig.43 Sie müssen aber zumindest in analoger Anwendungen ebenfalls den Anforderungen von Art. 189 ZPO, insbesondere auch der Regel über die Unparteilichkeit, genügen.44 Demnach scheitert die Qualifikation als vertragsergänzendes Schiedsgutachten wiederum an der fehlenden Un- abhängigkeit von Airbnb (vgl. Art. 189 Abs. 3 lit. b analog i.V.m. Art. 47 Abs. 1 lit. a ZPO). Fallen Schiedsentscheid und Schiedsgutachten ausser Betracht, könnte man den definiti- ven Charakter des Streitbeilegungsverfahrens noch so interpretieren, dass Gast und Gast- geber mit dessen Duldung konkludent einen antizipierten Klagverzicht bzw. ein stän- diges Prozessverbot vereinbart haben. Selbst wenn dies aber dem Willen der Parteien 40 Vgl. in diesem Sinne T. Göksu, Schiedsgerichtsbarkeit, Zürich/St. Gallen 2014, Rz. 31 sowie A. Staehelin/D. Staehelin/P. Grolimund, Zivilprozessrecht, 2. Aufl., Zürich 2013, § 29 Rz. 3. 41 DIKE-Kommentar ZPO – Müller, Art. 189 N 16 m.w.H, in: ZPO Schweizerische Zivilprozessord- nung: Kommentar zu ZPO Art. 1–196, hrsg. von A. Brunner/D. Gasser/I. Schwander, 2. Aufl., Zü- rich/St. Gallen 2016 (nachfolgend DIKE-Kommentar ZPO – Bearbeiter/in, Fundstelle). 42 Vgl. für das deutsche Recht §§ 117 ff. BGB, wo in diesem Zusammenhang von der «Bestimmung der Leistung durch einen Dritten» gesprochen wird. 43 Vgl. I. Meier, Schweizerisches Zivilprozessrecht, Zürich/Basel/Genf 2010, 324; gl.M. DIKE-Kom- mentar ZPO – Müller (Fn. 41), Art. 189 N 19 sowie O. Pelli, Beweisverträge im Zivilprozess, Diss. Zürich, Zürich/St. Gallen 2012, 70, welche sich allerdings diesbezüglich für den Begriff «Schiedsgutachtervereinbarung materiellrechtlicher Natur» ausspricht. 44 M eier (Fn. 43), 324; gl.M. DIKE-Kommentar ZPO – Müller (Fn. 41), Art. 189 N 19 und Pelli (Fn. 43), Fn. 302. 525
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller entsprechen sollte, wäre eine solche Regelung infolge Verstosses gegen Art. 27 Abs. 1 ZGB klarer Weise unzulässig und unwirksam.45 3. Richterliche Vertragsanpassung zur Garantierung des Rechtswegs 3.1 Einleitung Steht fest, dass die Entscheidung von Airbnb nicht den Effekt einer (quasi-)richterlichen Entscheidung haben kann, obwohl dies offensichtlich dem Willen der Parteien entspricht, erweist sich die vorgesehene Regelung als lückenhaft. Eine Vertragslücke ist in analoger Anwendung von Art. 1 ZGB durch richterliche Vertragsergänzung nach dem hypotheti- schen Parteiwillen zu füllen.46 Hierfür bieten sich u.E. insbesondere zwei Lösungen an: –– Der definitive Charakter könnte so interpretiert werden, dass die Entscheidung ledig- lich in dem Sinne endgültig ist, als Gast und Gastgeber die von Airbnb geschaf- fene Rechtslage quasi als «Fait accompli» akzeptieren müssen. Den Parteien bleibt es jedoch offen, Ansprüche aus dem Unterkunftsvertrag gegeneinander geltend zu machen. Wie noch dargelegt wird, weist eine solche Deutung gewisse Parallelen zum sogenannten Escrow-Geschäft auf (hierzu sogleich 3.2). –– Nach einer anderen Lösung könnte angenommen werden, dass die Entscheidung in der Tat die gegenseitigen Ansprüche von Gast und Gastgeber untergehen und damit in diesem Sinne definitives Recht zwischen diesen entstehen lässt. Dafür könnte dieje- nige Partei, welche mit der Lösung von Airbnb nicht einverstanden ist, gegen Airbnb mit der Begründung Klage erheben, die Entscheidung der Plattform sei falsch. Bei Obsiegen der klagenden Partei müsste dann Airbnb die fragliche Leistung anstelle des ehemaligen Schuldners, also anstelle von Gast oder Gastgeber, erbringen. Diese Lösung hat Parallelen zur Schuldübernahme (hierzu sogleich 3.3). Nachfolgend sollen diese beiden Lösungsansätze näher untersucht werden. 3.2 Vertragsergänzung mit Analogie zum Escrow-Geschäft a) Charakteristik des Escrow-Geschäfts Beim Escrow-Geschäft handelt es sich um ein Drei-Parteien-Verhältnis, welches die Si- cherung der ordnungsgemässen Abwicklung eines davon unabhängigen Grundgeschäfts zum Ziel hat. Dabei wird einem Dritten, dem Escrow-Agenten, von der einen Partei des Grundgeschäfts die Verfügungsgewalt über eine bewegliche Sache mit dem Auftrag über- 45 P. Tuor/B. Schnyder/J. Schmid, § 11 Der Schutz der Persönlichkeit, in: ZGB – Das Schweizeri- sche Zivilgesetzbuch, bearb. von P. Tuor/B. Schnyder/J. Schmid/A. Jungo, 14. Aufl., Zürich 2015, § 11 Rz. 8. Vgl. dazu bereits P. Jäggi, Fragen des privatrechtlichen Schutzes der Persönlichkeit, ZSR 1960 II, 133a ff., 151a f., 200a und 261a. Gl.M. H. Eiholzer, Die Streitbeilegungsabrede, Diss. Freiburg 1998, Rz. 228 und 427, sofern das Prozessverbot nicht zeitlich und inhaltlich begrenzt ist. 46 BSK OR I – Wiegand (Fn. 23), Art. 18 N 61 m.w.H. 526
Airbnb aus Sicht des schweizerischen Rechts tragen, diese beim Eintreten von vordefinierten Freigabemodalitäten an die andere Partei auszuhändigen.47 Werden in der Schweiz typischerweise Speziessachen durch solche Ge- schäfte gesichert, so spricht u.E. nichts dagegen, durch das Einrichten eines entsprechen- den Escrow-Accounts auch die Auszahlung einer Geldforderung zu gewährleisten.48 Dies deckt sich im Übrigen auch mit dem ursprünglichen, angloamerikanischen Verständ- nis des Escrow-Geschäfts, welches auch Geld als taugliches Sicherungsobjekt versteht.49 Der Herausgabemechanismus ist in der Regel so ausgestaltet, dass der Escrow-Agent nach klaren, formalisierten und vom Grundgeschäft unabhängigen Bedingungen entscheiden kann, ob eine Auslieferung an den Schuldner des Grundgeschäfts erfolgen muss.50 Die Entscheidung des Escrow-Agenten ist für die Parteien insofern bindend, als dass selbst- verständlich beide Parteien die Herausgabe des in Escrow gegebenen Objekts nach den vereinbarten Bedingungen akzeptieren müssen. Die Entscheidung hat jedoch keinen Ein- fluss auf deren Rechte aus dem Grundgeschäft. Eine Partei kann demnach trotz Heraus- gabe der Sache geltend machen, nach den Leistungsstörungsregeln des Grundgeschäf- tes sei die Herausgabe zu Unrecht erfolgt und entsprechend den sich hieraus ergebenden Anspruch geltend machen. Der Escrow-Agent selbst kann von den Hauptparteien nach den allgemeinen Grundsät- zen von Art. 97 ff. OR auf Schadenersatz belangt werden.51 Insbesondere haftet er für die sorgfältige und unparteiliche Wahrung beider Parteiinteressen.52 Unbenommen bleibt es den Beteiligten freilich, im Rahmen des Escrow-Agreements und innerhalb der gesetzli- chen Schranken einen Haftungsausschluss zu vereinbaren.53 b) Analoge Anwendung der Escrow-Regeln auf das Streitentscheidungsverfahren Wendet man den Mechanismus des Escrow-Geschäfts analog auf das hier untersuchte Streitbeilegungsverfahren an, bedeutet dies, dass der Gast mit der Bezahlung der Un- terkunftsgebühren die aus dem Unterkunftsbetrag resultierende Forderung des Gastge- bers bei Airbnb in Escrow gibt.54 Gesichert wird dadurch die ordnungsgemässe Erfüllung des Unterkunftsvertrags nach den von Airbnb festgelegten und den Kunden akzeptier- ten Standards. Der vorliegende Streitbeilegungsmechanismus unterscheidet sich aber in- sofern vom typischen Escrow-Geschäft, als Airbnb die hinterlegte Forderung nicht nach 47 S. Gerster, Das Escrow Agreement als obligationenrechtlicher Vertrag, Diss. Zürich 1991, 3 ff.; S. Eisenhut, Escrow-Verhältnisse, Diss. Basel 2009, 13. 48 In diesem Sinne wohl auch Gerster (Fn. 47), 10, der als möglichen Sicherungsgegenstand immer- hin auch einen Kaufpreis nennt und P. R. Isler, Escrow-Vertrag bei Unternehmensübernahmen, in: Mergers & Acquisitions II, hrsg. von R. Tschäni, Zürich 2000, 181 ff., 182 f. 49 Für Nachweise vgl. Gerster (Fn. 47), 3. 50 Gerster (Fn. 47), 57. 51 Gerster (Fn. 47), 122; Eisenhut (Fn. 47), 181. 52 E isenhut (Fn. 47), 180 f. Zur Bestimmung des Haftungsmassstabs eignen sich in erster Linie die Bestimmungen des Hinterlegungsvertragsrechts, vgl. Gerster (Fn. 47), 122; differenzierend E isenhut (Fn. 47), 180. 53 Gerster (Fn. 47), 123; Eisenhut (Fn. 47), 181. 54 Ähnlich auch Mak (Fn. 8), 20. 527
Noemi Bhalla / Isaak Meier / Nicola Müller Prüfung weniger formaler Voraussetzungen erbringen muss, sondern im Streitfall kom- plexe Rechts- und Tatfragen mit einem grossen Ermessensspielraum zu entscheiden hat. Im Lichte der Vertragsfreiheit erscheint aber auch eine solche Konstruktion grundsätz- lich als zulässig, insbesondere weil sich die nachteiligen Folgen einer unrichtigen Ent- scheidung für Gast und Gastgeber in Grenzen halten. Die Parteien verlieren mit der Ent- scheidung keine Rechte aus dem Unterkunftsvertrag. Die Entscheidung von Airbnb hat lediglich faktisch einen Einfluss auf die Klägerrollenverteilung. Falls etwa Airbnb ein Reiseproblem anerkennt und dem Gast die Unterkunftsgebühr zurückbezahlt, muss der Gastgeber, welcher mit dieser Entscheidung nicht einverstanden ist, klagen. Wird umge- kehrt die Position des Gastgebers geschützt, muss der damit nicht einverstandene Gast den Klageweg beschreiten. Geht man von der hier vorgestellten Lösung aus, dürfte es sich in den seltensten Fällen lohnen, eine Klage gegen Airbnb selbst anzustrengen. Zwar könnte ein Kunde auf Basis von Art. 97 OR Schadenersatzansprüche gegen die Plattform geltend machen. Abgesehen vom allfällig ungültigen Haftungsausschluss für leichte Fahrlässigkeit,55 könnte wohl oh- nehin nur eine krasse Ermessensüber- oder Ermessensunterschreitung eine Haftung be- gründen. Denn da, wo dem Vertragspartner Ermessen eingeräumt wird, muss in einem gewissen Masse systembedingt mit grenzwertigen Entscheiden gerechnet werden. 3.3 Schuldübernahme durch Airbnb a) Privative Schuldübernahme durch Airbnb bei Leistungsstörungen Bei der an zweiter Stelle genannten Lösung wird davon ausgegangen, dass Airbnb mit der Streitentscheidung bei Reiseproblemen die sich aus der Leistungsstörung ergeben- den Pflichten des Gastgebers selbst übernimmt. Eine solche Haftungsübernahme liesse sich durch eine externe, privative Schuldübernahme i.S.v. Art. 175 OR bewirken.56 Die- ses Institut bewirkt einen eigentlichen Schuldnerwechsel, indem zwischen dem Gläubiger der betreffenden Forderung und dem Schuldübernehmer vereinbart wird, dass letzterer unter voller Befreiung des ursprünglichen Schuldners an dessen Position tritt (Art. 176 Abs. 1 OR).57 Dadurch entschwindet die eine Haftung und eine neue entsteht an ihrer 55 Nutzungsbedingungen (Fn. 6), Ziff. 26 Abs. 1. Zur Frage der Gültigkeit dieses Haftungsausschlusses siehe V.C.4. 56 Dem Streitbelegungsverfahren kann in Bezug auf das Gast-Gastgeber-Verhältnis nur dann ein end- gültiger Charakter zukommen, wenn der Gastgeber als dessen Ergebnis vollständig von seiner Leis- tungspflicht gegenüber dem Gast befreit wird. Weder die kumulative Schuldübernahme, in deren Rahmen einfach nur ein Schuldnerbeitritt erfolgt, noch der Garantievertrag i.S.v. Art. 111 OR ent- falten eine entsprechende Befreiungswirkung. Keines dieser beiden, mit der privativen Schuldüber- nahme verwandten Institute würde demnach «quasi-definitives Recht» zwischen Gast und Gastge- ber schaffen. 57 T. Guhl/A. Koller, § 35 Die Schuldübernahme, in: Das Schweizerische Obligationenrecht mit Einschluss des Handels- und Wertpapierrechts, bearb. von T. Guhl/A. Koller/A. K. Schnyder/ J. N. Druey, 9. Aufl., Zürich 2000, § 35 Rz. 8 . 528
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