FOR-MED Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Ausgabe 01/2021
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FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Impressum Herausgeber: Prof. Dr. Frank Daumann Prof. Dr. rer. pol. h. c. Herbert Rebscher Reviewer Board: Prof. Dr. Christoph Rasche Prof. Dr. Gerald Schmola Dr. Thomas Rudolf PD Dr. Uwe Leder Prof. Dr. Frank-Ulrich Fricke Prof. Dr. Michael Hartmann Chefredakteurin: Aylin Faber E-Mail: aylin.faber@for-med.de Layout/Design: Aylin Faber Verlag: FOR-MED GmbH Postfach 10 06 47 95406 Bayreuth info@mba-health-care.de Hinweise zur Erscheinung: Die Zeitschrift der For-Med Gesellschaft für Betriebswirtschaft in der medizinischen Praxis mbH erscheint einmal pro Quartal. Für Autoren und Anzeigen: Wenn Sie eine eigenen Beitrag oder eine Anzeige veröffentlichen möchten, nehmen Sie gerne Kontakt zur Redaktion auf: info@mba-health-care.de ISSN: 2627-5023 Copyright: Die Zeitschrift sowie alle enthaltenen Beiträge inkl. Abbildungen und Tabellen sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist nicht zulässig. Der Nach- druck, die Übersetzung wie auch andere Verwendungen sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion und des Verlages unter Angabe der Quelle gestattet.
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis Hybridstrategien für die Pharmaindustrie als machtpolitische Arena des Gesundheitswesens - Christoph Rasche, Nataliia Brehmer und Christian Schultz .....................................................................................................1 Innovationstransfer im regulierten Gesundheitswesen: Technologiestrategien für Hybrid-Marktsysteme - Christoph Rasche, Christian Schultz und Nataliia Brehmer ...................................................................................................13 Anzeigen medhochzwei-Stipendium für MBA Health Care Management an der Universität Bayreuth
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Hybridstrategien für die Pharmaindustrie als machtpolitische Arena des Ge- sundheitswesens Abstract Bei Hybridstrategien handelt es um Positionierungsoptionen Rekurrierend auf die Forschungsdisziplin der Competitive Dy- an der Nahtstelle von Corporate Political Activities und Corpo- namics (CD) einschließlich ihrer spieltheoretischen Implikationen rate Commercial Activities, die sich wechselseitig verstärken und wird in diesem Beitrag konsequent die Logik der Political Dyna- komplementär ergänzen. Diese spielen in der Pharmaindustrie mics (PD) angewendet, um das Unternehmensgeschehen unter eine wichtige Rolle, weil diese einem rigiden Marktordnungsrah- Nicht-Markt-Bedingungen und das Management in politischen men unterworfen ist, der sich einer puristischen Marktlogik ent- Arenen (vgl. Rasche, 2020) aus Sicht der Pharmaindustrie zu ana- zieht. lysieren. Während die CD das wettbewerbsstrategische System freier und funktionierender Märkte repräsentieren, umfasst PD ein System nicht-markt-induzierter Normen, Regeln und Verhal- 1 Die Pharmaindustrie im Kontext des 5-D-Modells tensweisen im Spannungsfeld heterogener Anspruchsgruppen In diesem Beitrag wird zunächst das 5-D Modell am Beispiel und Umweltzustände, wie sie auf der Makroebene einerseits im der Pharmaindustrie präsentiert. Anschließend werden die PESTEL-Modell Widerhall finden (vgl. Rasche, 2014) und anderer- Marktfelder der Pharmaindustrie umrissen und herausgearbei- seits auf der Mikroebene Gegenstand spieltheoretischer Überle- tet, dass konventionelle Marktstrategien nur unvollständig das gungen sind (vgl. Rasche 2002). Strategierepertoire in den Teilsegmenten repräsentieren und das den bisher wenig beachteten Nicht-Markt-Strategien eine Die tektonischen Verschiebungen in der Pharmaindustrie las- sehr viele größere Bedeutung zukommen muss. In diesem Bei- sen sich mit den „5-D“ charakterisieren, die für Discontinuity, Dis- trag werden die CD- und die PD-Denkschulen in das CPD-Modell order, Disruption, Destruction und Development stehen. Diese (Competitive and Political Dynamics) integriert. Nur so kann der Faktoren münden in ein kaskadenförmiges Modell der CPD-Tur- Hybridcharakter und die Grauzonen des Wettbewerbs im Phar- bulenz, dessen Kulminationspunkt die Emergenz und Entwick- mamarkt adäquat erfasst werden. Abschließend werden mit lung einer branchenweiten neuen CPD-Ordnung ist. Hilfe des Multifokalen Managements potenzielle Hybridstrate- Discontinuity: Spätestens seit dem Kollaps des Blockbuster- gien in der Pharmaindustrie abgeleitet. Die Darstellungen mün- Modells in der Pharmaindustrie, wonach sich der Großteil des den in die Entwicklung des Hybrid-Strategy Frameworks (HSF). Gewinns und der Wertsteigerung über die Kapitalisierung einiger Die Pharmaindustrie ist kein homogenes Wertschöpfungssys- weniger „Mega-Medikamente“ erklärt ist die Ära relativer tem, sondern vielmehr eine komplexe Struktur interdependen- Marktstabilität beendet. Eine prekäre Gesetzeslage in Kopplung ter Sub-Systeme im Kontext unterschiedlicher Markt- und Wett- mit zunehmend kritischen Anspruchsgruppen und Institutionen bewerbsarenen. Diese grundlegende Erkenntnis hat tiefgrei- lassen die Pharmabranche zunehmend zu einer Critical Industry fende Konsequenzen für das Management von Pharmaunterneh- werden. Hierbei handelt es sich um Wirtschaftszweige, die fort- men. Denn im Gegensatz zur konventionellen Branchenstruktur- während in das Blickfeld von Politik und Gesellschaft rücken, weil logik rund um den Strategieprotagonisten Porter und dessen 5- deren Produkte, Wertketten und Geschäftsmodelle rechtlich Forces-Modell (vgl. Porter, 1980), das die Branchenstruktur auf und/ oder moralisch in Zweifel gezogen werden. Insofern gilt für heuristischem Wege erfasst und generische Wettbewerbsstrate- die Pharmaindustrie, dass die einzige Konstante die Diskontinui- gien ableitet, erzwingen der Hyperwettbewerb (vgl. D’Aveni tät darstellt. Diskontinuierliche Trends lassen sich in aller Regel 1998) und das Multifokale Management (vgl. Rasche 2002) eine als schleichende Entwicklungen erkennen und prognostizieren, neue Art des strategischen Handels. wie z.B. soziodemographische Veränderungen, die einen hohen Bedarf für altersmedizinische Problemlösungen indizieren. Glei- 1
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen ches gilt für den „Markt für Zivilisationskrankheiten“ (z.B. Adipo- toren, Kernkraftwerke, pharmakologische Substanzen). Manage- sitas, Metabolisches Syndrom, Krebs), der zynischer Weise auch mentignoranz gegenüber disruptiven Veränderungen gefährdet für Entwicklungs- und Schwellenländer relevant wird. Der Vorteil langfristig das Überleben des eigenen Unternehmens. Das Ma- diskontinuierlicher Entwicklungen besteht in ihrer Erkennbarkeit nagement muss dem Impuls an der Alten Ordnung festhalten zu und Prognostizierbarkeit, so dass die Pharmaindustrie korres- wollen widerstehen. Ein krampfhaftes Festalten an obsoleten pondierende CPD-Reaktionen antizipieren kann. Es liegt oft keine Geschäftsmodellen und Dino-Strategien führt langfristig zu evi- Pfadbrechung im Sinne eines Paradigmenwechsels vor, sondern denter Wertvernichtung. Deshalb gilt es aus Sicht der Pharmain- der eingeschlagene Weg wird „pfadbestätigend“ weiterverfolgt. dustrie, das „richtige Zeitfenster“ für den Systemwechsel abzu- passen. Dabei sind so genannte Liabilities of Age und Liabilities Disorder: Disorder umfasst einen Zustand relativen CPD- of Newness (zu früh oder zu spät am Markt) zu vermeiden, die Chaos in dem die vormals stabile Trias aus Markt, Wettbewerb z.B. bei einer verfrühten Genehmigung und Einführung von und Politik zwar erschüttert ist, aber keine Pfadbrechung im Corona-Vakzinen ebenso drohen, wie bei einer verschleppten Sinne eines Paradigmenwechsels angezeigt ist. Jedoch müssen Markteinführung. Während im ersten Fall Produkthaftungsfol- die etablierten Pharmakonzerne damit rechnen, dass die „Alte gen zu befürchten sind, ergeben sich im zweiten Fall „Kapital- Weltordnung“ substanziell beeinträchtigt wird. In der Logik der markthaftungsfolgen“ in Form verpasster Gewinnchancen. Das Cross-Impact-Analyse ergeben sich für die betroffenen Unter- Bonmot Gorbatschows „Wer zu spät kommt, der verpasst das Le- nehmen auf der Makro-, Meso- und Mikroebene einschneidende ben!“ trifft hier den Nagel auf den Kopf, wie das globale Wett- CPD-Veränderungen, die zur grundlegenden Reflektion der ein- rennen um Corona-Vakzine zeigt. Umgekehrt versuchen sich die geschlagenen Markt- und Nicht-Markt-Strategien zwingen. Pharmaunternehmen im Fall einer verfrühten und risikobehafte- Trotzdem ist der Zustand der Unordnung auf Basis der akkumu- ten Produkteinführung rechtlich zu exkulpieren, um exorbitan- lierten CPD-Ressourcen grundsätzlich beherrschbar. Konkret be- ten Schadensersatzforderungen vorzubeugen. deutet dies, dass das Portfolio an Markt- und Nicht-Markt-Kom- petenzen ausreicht, um Pharmaunternehmen künftig in geord- Destruction: Spontan-eruptive Ereignisse sind keine prognos- nete, „komfortable“ Bahnen zu lenken. Viele Pharmakonzerne tizierbaren Entwicklungen (unabhängig von ihrer pfadbrechen- investieren deshalb proaktiv in Realoptionen abseits des Kernge- den oder pfadbestätigenden Natur), sondern Konstellationen schäfts des chemischen Pharmakologie, um z.B. den Markt für unmittelbaren Zerstörung der Alten Ordnung. Die Corona-Pan- Pharmakogenetik und Precision Medicine zu besetzen. Nicht zu- demie oder der Fukushima-Super-GAU haben dazu geführt, dass letzt aus diesem Grund stehen Kooperationen mit Science-driven die radikalen Entscheidungen auf CPD-Ebene eine Entwertung Start-ups auf der Agenda, die den Zugang zur Grundlagenfor- ganzer Wirtschaftszweige und die teilweise Aussetzung der zivil- schung eröffnen, ohne dass entsprechende Ressourcen in der ei- gesellschaftlichen Ordnung zur Folge haben können. Der verord- genen Wertkette vorgehalten werden müssen (vgl. Göbel et al., nete Ausstieg aus der Nuklearverstromung, trotz dessen überaus 2021). Andere artverwandte Managementmaßnahmen umfas- vorteilhafter CO2-Bilanz, oder einschneidende Lockdown-Maß- sen die unterschiedlichen Formen des Technologietransfers (vgl. nahmen, die fast alle „analogen Geschäftsmodelle der zwischen- Schultz, 2021), etwa in Form der Einlizensierung, bei der letztlich menschlichen Interaktion“ betreffen, sind hier zwei präsente das Wissen Dritter im Rahmen einer fein ziselierten Make-or- Beispiele. Im Fall der Corona-Pandemie führen die verhängten Buy-Politik genutzt wird. Shutdowns zu einer radikalen Verlagerung der Wertschöpfung im Sinne einer radikalen Wertmigration von einer „septischen Disruption: In der Theorie der disruptiven Innovation, die auf Menschen-Welt“ in eine „aseptische Maschinen-Welt“ der digi- Clayton Christensen zurückgeht (vgl. Christensen, 1997), können talen Problemlösung. Online-Healthcare, Online-Teaching oder Veränderungen sowohl schleichend als auch abrupt auftreten. Online-Business stehen stellvertretend für eine neue (Post- Entscheidend ist, dass das Management auf potenziell pfadbre- )Corona-Ära digitalisierter 24/7-Wertschöpfung, die sich Dank chende und damit Markt- und Geschäftsmodell erschütternde Künstlicher Intelligenz (KI), Machine Learning (ML) oder Data Ereignisse und Entwicklungen frühzeitig angemessen reagiert Analytics (DA) „weg vom Menschen und hin zur Maschine“ ver- (vgl. Schultz, 2019). Durch die Legislative kann es zu stichtagsbe- lagern. Während Assistenzsysteme die menschliche Arbeitsleis- zogenen Disruptionen kommen, die zu einem definierten Zeit- tung unterstützen (computer-gestützte Lernmethoden in der punkt etwa das Marktende für ein Medikament oder Wirkstoff Pharmazie), tragen Autonomiesysteme zur Substitution und Ent- bedeuten können. Allerdings lassen sich auf dem Verhandlungs- wertung menschlicher Kompetenz bei (vgl. Frey & Osborne, und Mediationswege oft Soft-Landing-Optionen im Sinne akzep- 2013). tabler Übergangsregelungen aushandeln (z.B. Verbrennungsmo- 2
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Development: Wenn Schumpeter in der Innovation einen Prozess der kreativen Zerstörung sieht, dann lässt sich auf der methodischen Ebene eine sachlogische Nähe zum Design Thin- king erkennen (vgl. Hospers, 2005). Hierbei handelt es sich letzt- lich um eine Philosophie des Neu-Denkens, Neu-Reflektierens und Neu-Schaffens, die die „Ruinen der Alten Ordnung“ zum Ge- genstand des New Business Development (NBD) macht. Für die Pharmaindustrie stellt sich damit die Frage nach so genannten Blue Oceans (vgl. Kim, 2005), die sinnbildlich für attraktive Ent- wicklungschancen stehen. Dagegen repräsentieren Red Oceans die ruinöse Alte Ordnung zerstörter Märkte, Branchen und Ge- schäftsmodelle, für die im Sinne der Unternehmenssicherung nach Alternativen gesucht werden muss. Das WAM-KAM-Modell (vgl. Rasche, Braun von Reinersdorff & Schultz, 2020) steht für ein existenzsicherndes Konsolidierungs-Achsen-Management Abbildung 1: 5-D-Modell in der Pharmaindustrie (KAM), das mit einem zukunftssicherndem Wachstums-Achsen- Management (WAM) komplettiert wird. Angewandt auf die Das 5-D-Modell der Marktdynamik in der Pharmabranche dif- Pharmaindustrie sensibilisiert letzteres für das Spektrum der ferenziert einerseits nach vier Stufen der Dynamik, die von der möglichen Wachstumspfade im Sinne neuer Therapien, Pharma- Diskontinuität bis zur Zerstörung reichen. Anderseits wird unter- zeutika, Dienstleistungen, Leistungsbündel, Zielgruppen, Absatz- schieden, ob auf jeder Stufe eine Pfadbestätigung oder eine kanäle, Ländermärkte, Wertschöpfungsprozesse oder ganzer Ge- Pfadbrechung vorliegt. Sowohl die Pfadbestätigung als auch die schäftsmodelle. Dem Management der Pharmaindustrie wird im Pfadbrechung können eher sanfter oder radikaler Natur sein, wie doppelten Sinne die Fähigkeit zur Beidhändigkeit (Ambidextrie) die Konstellation der Destruktion zeigt. Hier kann eine radikale abverlangt, weil es einerseits das Markt- mit dem Nicht-Markt- Pfadbestätigung einen derart hohen Innovations- und Innovati- System synchronisieren muss und andererseits die Strate- onsdruck auslösen, dass einzelne Anbieter ihren Erfolgspfad gie(r)evolution von der Vergangenheit über die Gegenwart in die mangels Ressourcen und/oder Folgegeschwindigkeit verlassen Zukunft gemeistert werden muss. müssen. Sie werden sozusagen im Rahmen ihrer „Lieblingssport- art“ von der Konkurrenz abgehängt, ohne dass die Sportart ge- In einem Gesamtkonzept des strategischen Managements wechselt wird. Die Unternehmensentwicklung in der Post-Zer- wird die CPD-Logik in das 5-D Modell integriert und kann damit störungsära folgt dabei derselben Logik, indem entweder einge- in der Pharmaindustrie nutzbringend angewendet werden, da schlagene (historische) Pfade in modifizierter Form weiterver- sich deren Akteure immer im Spannungsfeld von Competitive Dy- folgt werden sollen oder durch völlig neue Wachstumspfade er- namics (CD) und Political Dynamics (PD) entlang der 5-D bewe- setzt werden. Die Unternehmensentwicklung findet im hier ver- gen (siehe Abb. 1). standenen Sinne entlang einer oder mehrerer Wachstumsachsen statt, die als Optionen dargestellt werden. Jede Form der Dyna- mik bietet dabei die Chance zur Unternehmensentwicklung im Rahmen der Political Dynamics einerseits und der Market Dyna- mics (MD) andererseits. PD und MD sollten zu einer PMD-Logik werden, die nach hybriden Managementqualitäten verlangt. 3
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen 2 Marktfelder der Pharmaindustrie Aus der Perspektive des ressourcenbasierten Ansatzes han- delt es sich hierbei um einen Prozess der sequenziellen Wissens- Wie bereits dargestellt ist die Pharmaindustrie ein komplexes veredelung im Sinne einer From-Propsal-2-Profit-Logik. Letztere Marktfeldsystem, das nachfolgend systematisiert werden soll. So ebnet den Weg für eine mehrstufige Wissensverwertung bis hin fällt es durchaus schwer, den relevanten Markt der Pharmain- zur Stufe der Endleistungskommerzialisierung. Die P2P-Kaskade dustrie abzugrenzen, weil je nach eingenommener Perspektive der Wissensverwertung beinhaltet die Option der sequenziellen höchst unterschiedliche Deutungen möglich sind. An dieser Kooperation im Sinne einer Staffelstabübergabe von Science- Stelle wird ein Marktspektrum skizziert, das vom Markt für Startups an Big-Pharma-Konzerne, die das Finish der marktorien- Grundlagen- und Anwendungsforschung bis zum Markt für tierten Wertschöpfungsprozesses übernehmen (vgl. Knape, Huf- Healthstyle Nutrition reicht. Deutlich wird dabei die große Band- nagl & Rasche, 2019). breite an Problemlösungen, die die Pharmaindustrie im engeren und weiteren Sinne zu generieren imstande ist. Markt für embryonale Off-Label- und Emergency-Therapies: Hierbei handelt es sich eher um therapeutische Rocket-Science- Markt für pharmakologische Grundlagen- und Anwendungs- Innovationen mit Schrittmacherpotenzial. Oft geht es darum, forschung: Hier handelt es sich um die Genese wissenschaftli- eine therapeutische Notsituationen zu meistern, die zu beschleu- cher Erkenntnisse bezüglich neuer Wirkstoffe und Targets, ohne nigten Genehmigungs- und Zulassungsverfahren führen können. dass eine Kommerzialisierung oder Marktnähe gegeben sind. Der Zu denken ist an den Turbo-Prozess der Corona-Vakzin-Zulas- pharmazeutische Lebenszyklus wird initial mit der Phase des na- sung, um eine pandemische Katastrophe bewältigen zu können. turwissenschaftlichen Erkenntnisziels ins Leben gerufen, ohne Nicht-Markt-Strategien haben entscheidend dazu beigetragen, dass konkrete Therapien, Krankheitsbilder oder Zielgruppen den erforderlichen Marktzugangsdruck zu erzeugen, weil sich identifiziert werden können. Im Rahmen der Anwendungsfor- keine Regierung des Vorwurfs aussetzen möchte, einer perspek- schung wird auf „Kleintiermodelle“ (Mäuse und Ratten) rekur- tivischen Herdenimmunisierung aufgrund unnötiger Zulassungs- riert, die zu einem späteren Zeitpunkt die klinische Forschung barrieren im Wege zu stehen. Bei Off-Label-Therapien handelt es samt Probanden ermöglichen. Insbesondere Tierexperimente um Anwendungen abseits der Hauptindikation, die den Status unterliegen strengen Regularien und bedürfen einer aufwendi- seltener Sonderindikationen haben, für die bislang keine phar- gen Genehmigung. Gleiches gilt für die embryonale Stammzel- mazeutischen Problemlösungen existieren. Off-Label-Therapien lenforschung und die Rote Biotechnologie als Säulen der perso- lassen sich als Rettungsanker für medizinische Notsituationen in- nalisierten Medizin, die insbesondere in Deutschland Restriktio- terpretieren, bei denen – mangels Behandlungsalternativen – nen auf Grund ethischer Skepsis unterliegt. Nicht-Markt-Strate- zum individuellen Wohl des Patienten auf aufwendige Genehmi- gien können hier entscheidend helfen, Politik, Öffentlichkeit und gungs- und Zulassungsverfahren verzichtet wird. Es kommt oft- Gesellschaft für deren Nutzen zu sensibilisieren. Verhindert wer- mals vor, dass ein Wirkstoff außerhalb der zugelassenen Haupt- den soll, dass aufgrund einer gesellschaftspolitischen Technolo- diagnose bei einer Reihe anderer Krankheitsbilder nutzenstif- giefeindlichkeit hoch innovative Therapiefelder in liberalere tend sein kann. In einer solchen Konstellation können Corporate Rechtsräume, wie Singapur oder China verlagert werden und Political Strategies zu einer zügigen Legitimierung grauer Offline- Deutschland als Wissenschaftsstandort an Relevanz verliert. Therapien führen, die auf diese Weise einen sicheren Rechts- und Medizinstatus erhalten. Markt für pharmakologische FuE-Lizensierung: Zahlreiche Bio-Science-Startups verfolgen gar nicht das Ziel eigene Medika- Markt für verschreibungspflichtige Medikamente mit Pa- mente anzubieten, da es ihnen an komplementären Aktivposten tentschutz: Dieses pharmazeutische Leistungsfeld verkörperte auf politischer, technischer und wirtschaftlicher Ebene für eine lange Zeit das Kerngeschäfte vieler Anbieter, weil IP-geschütze finale Produktzulassung mangelt. Allein schon die skalierte Groß- Blockbuster für Milliardeneinnahmen sorg(t)en. Besonders inte- serienproduktion, die Therapiezulassung und die weltweite Ver- ressant sind großvolumige und stark wachsende Therapiefelder. triebsplanung würde viele dieser jungen Unternehmen überfor- Die Krankheitsursachen liegen oftmals in ungesunden Lebens- dern. Nicht zuletzt aus diesem Grund gilt die Devise „Partner or weisen großer Bevölkerungsgruppen, so dass eine kurative „Re- Perish“, was den Schulterschluss mit den Pharmagiganten nahe- habilitationsmedizin“ zum Einsatz kommt. Anstatt Krankheitsbil- legt, weil diese über die dringend benötigten Komplementär- der präventiv zu vermeiden oder auf den menschlichen Lebens- kompetenzen verfügen. So besteht das Geschäftsmodell vieler stil positiv einzuwirken, also die Krankheitsursachen zu bekämp- Bio-Science-Startups in der Vermarktung von Eigentums- und fen, lindern Medikamente, Therapien und Interventionen ledig- Verfügungsrechten in Form erlösgenerierender Lizenzvergaben. 4
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen lich die Symptome. Ungeachtet der ethischen Problematik re- Markt für Nahrungsergänzungsmittel und Vitalprodukte: flektiert die Blockbuster-Philosophie das ökonomische Kalkül ei- Der Markt für Supplements adressiert gesundheitsbewusste Ziel- ner Gewinnerzielung durch Krankheit, wie sich überdeutlich am gruppen, die sich unter anderem in Drogeriemärkten mit Vitami- Beispiel chronischer Zivilisationskrankheiten (Diabetes, Adiposi- nen-, Mineral- und Proteinpräparaten „versorgen“, um dadurch tas, Hypertonie) zeigt. Diese sind zynisch gesprochen über lange in erster Linie die subjektive Lebensqualität zu steigern. Viele der Zeiträume therapiebedürftig und deshalb besonders lukrativ. Po- dort angebotenen Produkte dürfen verkauft werden, ohne dass litisch induzierte Disease-Management-Programme sollen dazu eine medizinisch-therapeutische Evidenz vorliegt. Zu denken ist beitragen diese perverse Marktlogik zu durchbrechen, damit an zahlreiche Vitalprodukte auf Naturbasis, die sich in den Markt durch den Erhalt der Gesundheit gespart wird, anstatt mit der für nicht-schulmedizinische Heilversprechen einfügen. Hochleis- Krankheit „Kasse zu machen“. Die forschende Pharmaindustrie tungssportler haben bei Nahrungsergänzungsmitteln sorgfältig initiiert regelmäßig gesellschaftspolitische Kampagnen, um ihren auf Verunreinigungen zu achten, um bei Dopingkontrollen nicht Nutzen für notleidende Patienten zu kommunizieren. positiv getestet zu werden. Markt für verschreibungspflichtige Medikamente ohne Pa- Markt für diätische Lebensmittel: Viele Lebensmittel folgen tentschutz: Hierbei handelt es sich um das weite Spektrum der einer diätischen Logik, indem sie z.B. zuckerfrei, glutenfrei oder Generika, die keinem Patentschutz unterliegen, aber verschrei- laktosefrei sind. Dieser Markt ist vergleichsweise schwach regu- bungspflichtig sind. Sie sind wirkstoffgleich mit den Markenprä- liert, weil die angebotenen Produkte auf der einen Seite aktiv be- paraten und werden verordnet, um Kosten zu reduzieren. So ha- worben werden dürfen. Trotzdem muss die Kundenkommunika- ben Patienten ein Anrecht auf Wirkstoffe, nicht aber auf Marken- tion wahrheitsgemäß, aufklärend und informierend sein, um namen. Generika unterliegen einem verkürzten Zulassungs- und beim Verbraucher keine Risiken entstehen zu lassen. Nicht- Genehmigungsverfahren, weil die inkorporierten Substanzen be- Markt-Strategien sind hier insofern von Relevanz, als dass die Po- reits mit der Komplettierung des ersten Lebenszyklus vollum- litik, Gesellschaft und Öffentlichkeit für „lukrative“ Ernährungs- fänglich getestet sind, so dass für den Generika-Zyklus verein- trends sensibilisiert werden soll. Zu denken ist hier an den milli- fachte Bedingungen gelten. Pharmaunternehmen haben die ardenschweren Markt für Süßstoffe, wie Aspartam, Xylit, Stevia Möglichkeit, einen zweiten Generika-Lebenszyklus zu initiieren oder Cyclamat, die immer wieder in Kritik der Ernährungswissen- und dadurch zusätzliche Einnahmequellen zu erschließen. In der schaft geraten und deshalb vor der öffentlichen Kritik geschützt Logik des Markenmanagements handelt es sich hierbei um eine werden müssen. Trading-down-Strategie mit Zweitmarkencharakter. Für ver- schreibungspflichtige Generika gelten zwar erleichterte Zulas- Markt für Healthstyle Nutrition: Der gesunde Lebensstil sungs- und Genehmigungsregularien, doch dürfen diese im Ge- avanciert zu einem Millionengeschäft für die Lebensmittelin- gensatz zu generischen OTC-Geschwistern gegenüber den End- dustrie, die fortwährend den Nutzen fettarmer, proteinreicher verbrauchern nicht aktiv beworben werden. Zudem sorgen bei oder ballaststoffreicher Lebensmittel mit teilweise exotischem verschreibungspflichtigen Medikamenten verschärfte Compli- Charakter anpreist. Nicht-Markt-Strategien erfüllen hier den ance-Regeln dafür, dass auf die verschreibenden Institutionen Zweck – ähnlich den diätischen Lebensmitteln – die Mehrheits- kein „Hardselling“-Druck ausgeübt werden darf. gesellschaft vom Nutzen spezifischer Ernährungsweisen zu über- zeugen. Markt für apothekenpflichtige Over-the-Counter-Medika- mente (OTC): Hier muss die produktabgebende Institution eine Markt für Online-Pharmazie: Während auf der einen Seite Apotheke sein, um zu verhindern, dass nicht verschreibungs- pharmazeutische Online-Märkte gigantische Gewinnmargen ver- pflichtige, aber dennoch potente Wirkstoffe und Substanzen un- sprechen, droht dadurch auf der anderen Seite der schleichende ter Anleitung verkauft werden. Auf diese Weise soll der an Niedergang der Präsenzapotheke, die immer wieder ihre wichti- Selbstmedikation interessierte Kunden vor unsachgemäßer Me- gen Versorgungs- und Beratungsfunktionen betonen. Zudem dikation geschützt werden. So können z.B. Über- und Falschdo- lässt sich der globale Online-Markt für Pharmazie nur schwer sierungen bei OTC-Präparaten zu irreversiblen Gesundheitsschä- kontrollieren, wenn dieser unterschiedlichen Rechtssystemen den führen. Grundsätzlich besteht für die Pharmaindustrie ein unterliegt. Trotzdem muss ein Interesse der regulären Online- großes Interesse daran, den Markt für OTC-Präparate zu vergrö- Anbieter in einer Marktregulierung bestehen, um bei Vertrau- ßern und die Politik dazu zu bewegen die Verschreibungspflicht ensgütern wie Medikamenten keine grauen Märkte entstehen zu möglichst lax zu handhaben. lassen. Nicht-Markt-Strategien verfolgen aus Sicht pharmazeuti- 5
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen scher Online-Händler das Ziel einer stärkeren Retail-Deregulie- spezifischen Vertriebsstrategie außerhalb der 4-P des Marketing- rung, um die Privilegien der aus ihrer Sicht anachronistischen Mix entsteht. Präsenzapotheken abzuschwächen. Aus Sicht der Pharmaindustrie besteht das Interesse an ver- einfachten Genehmigungs- und Zulassungsverfahren aus natio- Markt für Graue und illegale Medikamente: Zum Leidwesen naler und internationaler Ebene. Ebenso kann kein Interesse an der Politik und Medizin floriert der Online-Handel für nicht zuge- der illegalen Vermarktung von Produktkopien über das Internet lassene, illegale oder therapeutisch fragwürdige Medikamente. bestehen. Globale Pharmakonzerne versuchen weiterhin, auf An dieser Stelle hat die legitimierte Pharmaindustrie ein genui- politischem Wege einen erleichterten Marktzugang z.B. in den nes Interesse an einer strengen Marktkontrolle durch die Politik, USA, China oder Indien zu erhalten. Umgekehrt werden politi- damit zugelassene Markenpräparate nicht durch inferiore oder sche Initiativen lanciert, die eine Renationalisierung der globalen sogar gesundheitsgefährdende Wettbewerbsprodukte ver- Pharma- und Medizintechnikwertschöpfung zum Gegenstand drängt werden. haben, um die hohe Abhängigkeit von in Indien oder China pro- duzierten Antibiotika zu reduzieren. Voraussetzung hierfür wä- Die hier diskutierten Marktfelder der Pharmaindustrie bewe- ren nationale Fördermaßnahmen, damit die nationale Antiobio- gen sich auf Grund ihrer unterschiedlich starken Regulierung in tikaproduktion in Deutschland und Europa rentabel betrieben einem Hybrid-Markt-Kontext. Nicht-Markt-Strategien kommen werden kann. dabei in unterschiedlichen Spielarten überall zum Einsatz, wenn- gleich diese bislang nur geringe wissenschaftliche Würdigung er- In einem Extremszenario ist es vorstellbar, dass pharmazeuti- fahren haben. Dabei befindet sich die Pharmaindustrie wie kaum sche Staatsbetriebe zum Ziel der Versorgungssicherheit etabliert eine andere Branche im Fadenkreuz von Politik, Markt und Wett- werden. Die Bewältigung der Corona-Pandemie zeigt überdeut- bewerb. lich, dass Gesellschaft, Politik, Medizin und Pharmaindustrie ein Nicht-Markt-Ökosystem abbilden, das sich einer rein betriebs- 3 Die Pharmaindustrie im Fadenkreuz von Politik, wirtschaftlichen Wertschöpfungslogik größtenteils entzieht (vgl. Markt und Wettbewerb Rasche, 2020). Vielmehr steht das normative Wertesystem im Vordergrund, das auf Gerechtigkeit, Transparenz und Fairness Die Pharmaindustrie zählt zu den Critical Industries, weil sie angelegt ist. Konkret bedeutet dies, dass Vakzine nach Dringlich- oftmals am Pranger von Politik und Gesellschaft steht. Dement- keit und Bedürfnis „zugeteilt“ werden, anstatt diese einer als sprechend groß ist der Legitimationsdruck gegenüber kritischen moralfern konnotierten Marktlogik zu unterwerfen. Anspruchsgruppen (z.B. Impfgegner, Schulmedizingegner, Kon- zerngegner), die mit Nicht-Markt-Strategien in Schach gehalten 3.2 Corporate Political Activities (CPA) versus Corporate werden müssen. Diese dienen aber auch der Aufklärung, Infor- mation und Überzeugung von kritischen Referenzgruppen, um Commercial Activities (CCA) bei diesen Einsicht und Milde zu erzeugen. An dieser Stelle wird zwischen Corporate Political Activities (CPA) und Corporate Commercial Activities (CCP) im Sinne einer 3.1 Markt- und Nicht-Markt-System der Pharmaindust- Markt-Logik bzw. Nicht-Markt-Logik differenziert. Nicht-Markt- rie Strategien akzentuieren diejenigen unternehmerischen Aktivitä- ten, die sich nicht mit dem traditionellen Bereich der Produkt- Impliziert das Markt-System in der Pharmaindustrie die weit- Markt-Technologie (PMT) befassen, sondern in politischen und gehende Verfügungsgewalt über die 4-P des Marketing-Mix, so gesellschaftlichen Arenen der Pharmaindustrie realisiert wer- verkörpert das Nicht-Markt-System das Spektrum der gesell- den. Während die Strategien in politischen und gesellschaftli- schaftspolitischen Strategien und Aktivitäten, die nicht rein be- chen Kontexten eine andere Gestalt als diejenigen in wirtschaft- triebswirtschaftlicher Natur sind (vgl. Rasche et al., 2019). Wie lichen Kontexten haben, verbindet sie ein gemeinsames Ziel. kaum eine andere Branche ist die Pharmaindustrie Regulativen Letztlich sollen komparative Wettbewerbsvorteile aufgebaut ausgesetzt, die eine Verhaltens- und damit konsequenterweise und verteidigt werden, die final zu wirtschaftlichen Vorteilen eine Angebotssteuerung zum Wohl der Patienten bewirken soll. führen. Wertsteigerungs- und Werterhaltungsimperative kön- Insbesondere bei hoch potenten Pharmazeutika handelt es sich nen somit auch Ziel von Nicht-Markt-Strategien sein, wenn über um informationsasymmetrische Vertrauensgüter, die nach einer den Umweg des politisch-gesellschaftlichen Dialogs ein substan- verbindlichen Aufklärung für Mediziner, Apotheker und Patien- zieller Marktvorteil erreicht werden soll (vgl. Oliver & Holzinger, ten verlangen. Verschreibungspflichtige Medikamente werden 2008). verordnet und nicht vermarktet, so dass die Notwendigkeit einer 6
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Sozio-politische Arenen bieten zusätzliche Optionen für die Kompetenzen, um ein definiertes Organisationsziel zu erreichen, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und strategischen Posi- gemeint ist. Zum einen müssen viele Pharmaunternehmen ihre tionierung. Die Vielfalt und Varianz der Aktivitäten, die unter der offene Nicht-Markt-Flanke schützen und zum anderen besteht Kategorie der Nicht-Markt-Strategien fallen, sind dabei stark die Kunst der Führung in der Verschränkung von Markt- und vom politischen System und seiner Konfiguration abhängig. Die Nicht-Markt-Kompetenzen zu einem holistischen Handlungsrah- Spannbreite der Nicht-Markt-Strategien reicht von philanthropi- men der Pharmaindustrie. schen Projekten, Kooperationen mit NGOs oder freiwilligen Ver- pflichtungen bis zum aggressiven Lobbyismus, Netzwerkaufbau 4 Hybrid-Strategien in der Pharmaindustrie: Positi- oder sogar der Kollusion und Korruption. Unbestritten ist, dass onierungsvorteile durch multifokale Führung auch eine „dunkle Seite“ der Nicht-Markt-Strategien existiert, da teilweise illegale oder nicht legitime Praktiken für die Sicherung Aus den bisherigen Darstellungen wird klar, dass bislang zwi- des Wettbewerbsvorteils zum Einsatz kommen. schen dichotomen Markt- und Nicht-Markt-Konstellationen dif- ferenziert wurde, ohne die vorhandenen Grauzonen und Schat- Das Forschungs- und Praxisfeld der Nicht-Markt-Strategien ist tierungen ausreichend zu würdigen. Zudem besteht ein strategi- gegenwärtig stark fragmentiert, so dass ein konsistenter Bezugs- sches Erfolgspotenzial in der Meta-Kompetenz zur Koordination rahmen fehlt. Nicht-Markt-Strategien wurden sowohl im Marke- von Markt- und Nicht-Markt-Herausforderungen einschließlich ting als auch im strategischen Management stark vernachlässigt. der korrespondierenden Fähigkeiten. Während aus dem Blick- So existiert eine Flut an Konzepten, Methoden und Tools, die al- feld des kompetenzstrategischen Ansatzes (vgl. Rasche, 1994, lesamt die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit durch strategi- 2002) Non-Market Capabilities diskutiert werden stellen Hybrid sche und operative Kosten-/Nutzenoptimierung zum Gegen- Capabilities eine neue Fähigkeitsdimension dar. Diese helfen stand haben. Diesem Waffenarsenal des marktorientierten Vor- dem Management zwischen Hemisphären zu vermitteln, indem teilsstrebens steht ein relatives Paradigmenvakuum auf dem Ge- Corporate Political Activities und Corporate Commercial Activi- biet der methodengestützten Nicht-Markt-Steuerung gegen- ties nicht nur aufeinander bezogen, sondern ganzheitlich ver- über. zahnt werden. Letztlich handelt es sich hierbei um ein interakti- ves System, dessen Effektivität durch professionelle Hybrid-Füh- Ein Ziel dieser Arbeit besteht in der Schließung dieser Erkennt- rung deutlich gesteigert werden kann. Sollen Corona-Vakzine flä- nislücke. Nicht-Markt-Strategien unterliegen zentralen Limitati- chendeckend distribuiert werden, so stellt sich zwangsläufig die onen. Es ist eine strikte Trennung zwischen Corporate Social Frage nach der Kommerzialisierung im Rahmen einer finanziellen Responsibility (CSR) und der Corporate Political Activity (CPA) zu Wertlogik. Jedoch lassen sich Corona-Vakzine nur dann erfolg- beobachten, obwohl zwischen beiden Handlungssphären sehr reich im Markt positionieren, wenn dabei gleichzeitig ein morali- wohl gemeinsame Schnittstellen existieren. Gesellschaft und Po- scher Werte- und Normenkanon beachtet wird. Das sozialdarwi- litik bilden in modernen Zivilgesellschaften ein dialektisches nistische Recht des Stärkeren hat im Kontext der Corona-Pande- Junktim, das nach Integration und Kohäsion verlangt. Anderer- mie zu diversen politischen Eklats geführt, zumal egozentrische seits mangelt es an einem multi-paradigmatischen Gesamtver- Alleingänge kaum aus der Krise führen. Vielmehr gefordert sind ständnis der Nicht-Markt-Strategie und damit assoziierter Prob- Hybrid-Strategien im Kontext von Politik, Markt und Wettbe- lemstellungen (vgl. Frynas et al., 2017). Eine integrative und ko- werb, um dem Anspruch einer gerechten Versorgungssicherheit häsive Betrachtungsweise ermöglicht dagegen die Erkennung und den firmenspezifischen Kommerzialisierungsimperativen von Synergien und Wechselwirkungen, die infolge der politi- Genüge zu tun. schen und gesellschaftlichen Strategien entstehen. Durch krea- tive Kombination vormals disparater Ansätze und Modelle lassen 4.1 Multifokale Positionierung in der Pharmaindustrie sich neue und nützliche Perspektiven auf eine Thematik erzielen, die zuvor zwar multiperspektivisch betrachtet wurde, jedoch Zumeist wird bei strategischen Positionierungskonzepten der ohne, dass die einzelnen Blickwinkel aufeinander bezogen wur- Eindruck erweckt, Unternehmen müssten ihre Produkte als Prob- den. Corporate Political Activities und Corporate Commercial Ac- lemlösungen auf dem Absatzmarkt positionieren. Dabei sollten tivities begründen in der Pharmaindustrie ein dialektisches Sys- insbesondere Pharmaunternehmen weitere Optionen in Erwä- tem mit Hybridcharakter, weil kaum eine Strategie in puristischer gung ziehen, um sich nachhaltige Vorteile zu verschaffen. Han- Form in Erscheinung tritt. Vielmehr agieren die Unternehmen delt es sich bei der Absatzmarkt-, der Wettbewerbs-, der Be- der Pharmaindustrie in einem Mischsystem der Grauzonen, die schaffungsmarkt- und der Finanzmarkt-Positionierung um typi- nach Hybrid Capabilities verlangen, womit eine Meta-Kompetenz sche Formen der Markt-Positionierung, so sollen nachfolgend zur Koordination des Spektrums an Markt- und Nicht-Markt- aus der Sicht der Pharmaindustrie die Formen der Nicht-Markt- 7
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Positionierung diskutiert werden. Zudem werden vier Optionen Produkten. Auch stellt sich die Frage des Lohn- und Umweltdum- der Markt-Positionierung mit Blick auf mögliche Nicht-Markt-As- pings im Rahmen des globalen Lieferkettenmanagement, weil pekte analysiert. zunehmend Pharmagiganten der ersten Welt in die soziale Ver- antwortung für die Wertschöpfungsbedingungen der dritten Absatzmarkt-Positionierung: Je nach Marktfeld der Pharma- Welt genommen werden. Pharmaunternehmen versuchen im industrie kann eine Positionierung pharmazeutischer Produkte Kampf um globale Wettbewerbsvorteile bereits auf der Beschaf- auf Absatzmärkten nur unter Beachtung erheblicher Regulative fungsseite im Magischen Dreieck von Qualität, Kosten und Zeit erfolgen. Wie eingangs bei der Analyse der Marktfelder ange- zu „punkten“. Die einfache Logik: Wenn auf der Absatzmarkt- klungen ist, verfügen die Pharmaunternehmen in seltensten Fäl- seite wenig strategische und operative Bewegungsspielräume len über die volle Gestaltungsmacht des Marketing-Mix, weshalb bestehen, dann kann eine exzellente Beschaffungsmarkt-Positi- dieser um den Political-Mix arrondiert wird. Hier steht der Auf- onierung entscheidend zur Unternehmensperformanz beitra- bau und die Verteidigung substanzieller Alleinstellungsmerkmale gen. in den Augen der relevanten Zielgruppen im Vordergrund. Ziel- gruppen können dabei Mediziner, Apotheker, Krankenkassen Finanzmarkt-Positionierung: Unter dem Schlagwort des In- und auch Patienten sein, wobei die Patienten im Fall verschrei- vestor-Relations-Management werden alle Maßnahmen, Aktivi- bungspflichtiger Medikamente zwar Nutzer, aber keine Kunden täten und Strategien subsumiert, die die Erlangung einer einzig- im engeren Sinne sind. Trotzdem lassen sich Patienten für politi- artigen Positionierung auf den Finanz- und Kapitalmärkten zum sche Zwecke instrumentalisieren, wenn sich diese für die Interes- Gegenstand haben. Bei Rocket-Science-Projekten in der Pharma- sen der Pharmaindustrie einsetzen, die ihnen „das Leben“ geret- industrie handelt es sich immer um vergleichsweise unsichere tet bzw. vor dem Krankheitstod bewahrt hat. Wetten auf die Zukunft, insbesondere die Ergebnisse grundla- gennaher Forschung lässt sich nicht valide prognostizieren. Wettbewerbs-Positionierung: Der Wettlauf um Corona-Vak- Trotzdem gilt es Investoren und Kapitalgeber über den Projekt- zine indiziert einen aggressiven Technologie- und Wissenschafts- fortschritt und mögliche Renditechancen fair und objektiv zu in- wettbewerb, der nicht nur über Preis-/Leistungsmerkmale, son- formieren, damit der Unternehmenswert, als Summe der eige- dern auch auf der weltpolitischen Bühne ausgetragen wird. Zum nen Aktien, wächst. Der Innovationserfolg in der Pharmabranche einen avancieren Corona-Impfstoffe zum Prestigeprojekt für Un- ist dabei oft auch eine Funktion effektiver Nicht-Markt-Strate- ternehmen, Wirtschaft und Gesellschaft. Zum anderen soll das gien, die auf der Makroebene für eine günstige politische Wet- nationale Versorgungsziel einer Herdenimmunisierung durch terlage sorgen sollen, indem sich Politik und Gesellschaft für die Impfung maximaler Populationen so schnell wie möglich erreicht Interessen der Pharmaindustrie einsetzen bzw. diese tolerieren. werden, um den Lockdown schrittweise beenden zu können. Ins- So kann aus Sicht der Pharmaindustrie kein Interesse an restrik- besondere in der Pharmaindustrie sind der Aufbau und die Ver- tiver Kontrolle der Finanz- und Kapitalmärkte bestehen, die mög- teidigung substanzieller Wettbewerbsvorteile nicht ohne Inan- liche Investoren abschrecken könnte. Ebenso könnten sich über- spruchnahme des Nicht-Markt-Systems denkbar. So unterliegen harte Informationspflichten für die Pharmaindustrie negativ aus- z.B. die Five Forces des Wettbewerbsstrukturmodells gravieren- wirken, etwa wenn Betriebsgeheimnisse im Rahmen der Kapital- den Nicht-Markt-Einflüssen, die keinesfalls ignoriert werden dür- marktkommunikation „verraten“ werden müssen. fen (ergänzend Rasche, 2002). Patentstreitigkeiten und juristi- sche Winkelzüge zur Behinderung der Konkurrenz sind in der Nicht-Markt-Positionierung: Die zuvor gestreiften Positionie- Pharmabranche ebenso an der Tagesordnung wie die Gestaltung rungsoptionen werden fast immer von Nicht-Markt-Herausfor- des Wettbewerbs durch Corporate Political Activities, die für ein derungen flankiert, die sich zwar außerhalb einer betriebswirt- günstiges Wettbewerbsklima sorgen sollen. schaftlichen Logik bewegen, aber dennoch maßgeblichen Ein- fluss auf das Vorteilssystem der Unternehmung haben. Markt- Beschaffungsmarkt-Positionierung: Das globale Versor- Vorteile entstehen oft erst über die Bande der Corporate Political gungs- und Lieferkettenmanagement spielt in der hoch arbeits- Activities, die von moralisch einwandfreien Maßnahmen über teiligen Pharmabranche eine zentrale Rolle, da bei Bedarf For- fragwürdige, aber legitime Interventionen bis hin zu illegalen schungs- und Produktionsschritte in Staaten mit günstigen Schritten reichen. Im hier verstandenen Sinne handelt es sich bei Standortbedingungen verlagert werden sollen. Dadurch ergeben legitimen Strategien, um zwar rechtlich zulässige Aktivitäten, die sich nicht nur kostenstrategische Chancen, sondern auch evi- aber moralisch-ethisch verwerflich sein können. Dennoch bewe- dente Bedrohungen für den Fall der Lieferkettenerosion und da- gen sich diese innerhalb des Rechtssystems und Marktordnungs- mit einhergehender Versorgungsengpässe bei systemrelevanten rahmens, weshalb nur moralische, aber keine rechtlichen Folgen 8
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen drohen. Ein hoch profitables Pharmaunternehmen dürfte seine Vorwurf konfrontiert werden, mit den Krankheiten der Men- Wertkette in das Ausland verlagern, um noch größere Profite zu schen Geld verdienen zu wollen. So stehen einige Pharmaunter- erzielen. Nationale Arbeitsplätze gingen dabei verloren, wodurch nehmen im Verdacht, kein Interesse an den Krankheitsursachen trotz der formalen Rechtsmäßigkeit eine Moraldebatte über zu zeigen und lediglich die Symptome therapieren zu wollen. „Manager, Macht und Moneten“ ausgelöst werden könnte. „Die Auch wird immer wieder gemutmaßt, dass sie sich lediglich auf Pharmaindustrie verkauft ihre Seele gierige Finanzinvestoren“ besonders lukrative Krankheitsbilder und Zielgruppen fokussie- würde wohlmöglich eine negative Presseschlagzeile lauten, die ren würden. Bei dieser Form der Zielgruppenpharmazie drohen zu einem Reputationsschaden führen könnte. Nicht zuletzt aus Versorgungsaspekte in den Hintergrund zu treten, weil nicht die diesem Grund verfolgen viele Pharmakonzerne im Rahmen ihrer moralische Zielfunktion der bestmöglichen Versorgung, Heilung globalen CSR-Offensiven eine Politik der gesellschaftlichen Legi- und Leidminderung in den Vordergrund tritt. Vielmehr stünden timierung ihrer Geschäftsmodelle. Die präventive Unterbindung finanzielle Wertsteigerungs- und Gewinnmotive – so das Credo und Sanktionierung illegaler Geschäftspraktiken im Rahnen einer der Kritiker – im Vordergrund. Nachhaltige Nicht-Markt-Strate- Zero-Tolerance-Policy ist dabei nur eine Mindestanforderung an gien in der Pharmabranche sollten deshalb einen „Moralstress- ein nachhaltiges Compliance-Management, das weit über ein rei- test“ bestehen, der die Übernahme sozialer Verantwortung be- nes Complaint-Management im Sinne einer retrograden Scha- tont. denbegrenzung hinausgeht. Demzufolge sollte eine nachhaltige Nicht-Markt-Positionierung auf drei Säulen aufbauen. 4.2 Hybridstrategien und Hybridkompetenzen in der Pharmaindustrie: Hybrid-Strategy-Framework (HSF) Legalität: In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob Nicht- In der Vergangenheit wurden Corporate Political Activities Markt-Strategien gegen gültige Bestimmungen und Gesetze ver- (CPA) und Corporate Commercial Actvities (CCA) oft als gegen- stoßen, was eine Law Compliance nach relevanten Rechtsräu- sätzliche Kategorien diskutiert. Tatsächlich bestehen zwischen men induziert. Im Rahmen der Rechtsfolgenabwehr sind präven- diesen Sphären Interdependenzen und Grauzonen, die durch ein tive Maßnahmen zu ergreifen, die spätere Regresse, Prozesse verantwortungsvolles Management reflektiert werden sollten. und Pönalen verhindern. Das Legal-Compliance-Management ist Zudem erfüllen Hybrid-Strategien die Rolle einer Meta-Strategie, demzufolge eine genuine Führungsaufgabe, die nicht an subal- weil sie von Beidhändigkeit (Ambidextrie) geprägt ist, da zwi- terne Stellen delegierbar ist. schen politischen und kommerziellen Zielfunktionen im Sinne ei- ner überformenden Gesamtstrategie (Grand Strategy) vermittelt Legitimierung: Hier handelt es sich um eine normative Kate- wird. Die Planung und Realisierung hybrider Strategien erzwingt gorie der Wertekonformität, die eine Befolgung und Beachtung ein Spektrum hybrider Kompetenzen mit dem Ziel, dass Pharma- ökonomisch-gesellschaftlicher Verhaltensimperative impliziert, unternehmen nicht nur auf politischem oder kommerziellen Par- ohne dass für diese eine Rechtgrundlage existiere. In einer alt- kett brillieren, sondern durch Verschränkung beider Arenen Sy- modischen Diktion könnte auch von der Wirtschaftsetikette ge- nergievorteile erzielen. sprochen werden, deren Respektierung erwartet wird, um als Good Corporate Citizen akzeptiert zu werden. Die Nicht-Markt- Das Hybrid-Strategy-Framework (HSF) sensibilisiert für die Positionierung muss sowohl legal als auch legitim sein. Moralisch Synthese von Markt- und Nicht-Markt-Strategien einschließlich legitime, aber illegale Handlungen wie Patentverletzung bei der der oft vernachlässigten Grauzonen-Strategien. Hybridstrategien Produktion von Corona-Vakzine durch stark betroffene Entwick- sind beidhändiger Natur, indem sie zwischen den Anforderungen lungs- und Schwellenländer stellen dabei Grenzbereiche dar, da beider Systemwelten vermitteln. Die professionelle Wahrneh- die Linderung akuter Not gegenüber einzelwirtschaftlicher Inte- mung dieser diplomatischen Vermittlungsfunktion verlangt nach ressen zu priorisieren ist. „Moral and Money“ müssen an dieser Hybridkompetenzen. Diese stellen einen systemischen Ausgleich Stelle durch Mediation und Verhandlung versöhnt werden. zwischen Market-Capabilities und Non-Market-Capabilities her. Deshalb fällt Ihnen die Rolle einer Meta-Kompetenz zu. Das HSF Moralität: Jenseits von Legalität und Legitimierung erhält die zwingt Unternehmen zu einem Führen und Managen im Hand- Nicht-Markt-Positionierung ein ethisch-philosophisches Funda- lungsdreieck von Legalität, Legitimität und Moralität. Wird allen ment durch ein altruistische Moralsystem, das für einen men- drei Dimensionen entsprochen, so kann von einem nachhaltigen schen- und umweltfreundlichen Grundtenor der Unternehmens- Strategiesystem gesprochen werden, weil es den hier entwickel- politik steht. Zahlreiche Pharmaunternehmen befinden sich in ei- ten Stresstest bestanden hat. nem Zustand der Moral- und Vertrauenskrise, weil sie mit dem 9
FOR-MED – Zeitschrift für das Management im Gesundheitswesen Autoren Prof. Dr. Christoph Rasche Univ.-Prof. Dr. rer. Pol. Habil. Diplom-Sportökonom Chris- toph Rasche ist Leiter der Sektion „Management, Profes- sional Services und Sportökonomie“ an der Universität Potsdam. Von 1995-1998 war Herr Prof. Rasche Top-Ma- nagement-Berater bei der Unternehmensberatung DRO- EGE & Comp. AG. Er übt(e) u.a. Gastprofessuren an den Universitäten Innsbruck und Acaiá de Henares aus, fun- giert als wissenschaftlicher Beirat des Deutschen Instituts für Beratungswissenschaft und ist Vorstand des IFK Pots- dam e.V.. Herr Prof. Rasche lehrt in diversen MBA-Pro- grammen, arbeitet als Berater für Expertenorganisatio- nen und engagiert sich aktiv für das Existenzgründerma- nagement. Abbildung 2: Hybrid Strategy Framework (HSF) Nataliia Brehmer Die Corona-Pandemie lässt sich aus Sicht der Pharmaindustrie Nataliia Brehmer ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Management, Professional Services und mit dem HSF-Modell analysieren. Der Wettlauf um Medizinpro- Sportökonomie und Dozentin an der human- und wirt- dukte und -dienstleistungen, wie FFP2-Masken, Beatmungskapa- schaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Pots- dam. zitäten und Vakzine findet gleichzeitig in mehreren Arenen statt. Insofern kann von einem Multi-Arenen-System gesprochen wer- Telefon: +49-331/977-1691 den, das auf den ersten Blick Markt- oder Nicht-Markt-Charakter E-Mail: Nataliia.brehmer@uni-potsdam.de hat. Auf den zweiten Blick lässt sich die Nicht-Markt-Arena in eine politische, gesellschaftliche, ethisch-normative oder auch Prof. Dr. rer. pol. Christian Schultz versorgungsstrategische Handlungsebene untergliedern. Zudem Prof. Dr. rer. pol. Christian Schultz leitet das Fernstudium der hwtk (Univer- sity of Applied Sciences) in Berlin und Baden-Baden. Für seine Promotions- existieren mehrere Markt- und Wettbewerbsarenen, wie die be- arbeit zur „Finanzierung technologieorientierter Unternehmen in Deutsch- schriebenen Marktfelder der Pharmaindustrie zeigen. Im Rah- land“ im Jahr 2010 an der Universität Potsdam erhielt er den anerkannten Wolfgang-Ritter-Preis. Seit 2015 ist er ordentlicher Professor und kon- men der Corona-Bekämpfung werden gleichzeitig alle Register zentriert sich auf innovative Lehre in den Disziplinen des Entrepreneurship, gezogen, weil sich sehr unterschiedliche Anspruchsgruppen und des Technologiemanagements sowie der Unternehmensfinanzierung. Seine Forschungsarbeiten werden in wissenschaftlichen als auch in praxisorientie- Institutionen berufen fühlen auf den genannten Arenen direkt ren Journalen publiziert. oder indirekt Flagge zu zeigen. Die Impfstoffproduzenten stehen vor der Herausforderung mittels Hybridstrategien und Hybrid- kompetenzen die Suche nach dem Goldenen Schnitt aufzuneh- men. Literaturverzeichnis D'Aveni, R. A. (1998): Waking up to the new era of hypercompe- tition, in: Washington Quarterly, 21(1), 183-195. Christensen, C. M. (1997): The Innovator’s Dilemma: The revolu- tionary book that will change the way you do business, New York. Frey, C. B., & Osborne, M. (2013): The future of employment: How susceptible are jobs to computerisation? Oxford Martin School (OMS) working paper, University of Oxford, Oxford. Frynas, J. G., Child, J., & Tarba, S. Y. (2017): Non-market social and political strategies–new integrative approaches and in- terdisciplinary borrowings, in: British Journal of Manage- ment, 28 (4), 559-574. Göbel, M., Gräfen, H. D., & Schultz, C. (2021, forthcoming): Tech- nology transfer through intersectoral partnerships – The case of digitization in the German health sector, in: Mietzner, D. 10
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