Es bleibet dabei - der Sonntag ist frei! - Evangelische Akademie ...

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Es bleibet dabei - der Sonntag ist frei! - Evangelische Akademie ...
1. Mai = Sonntag

Es bleibet dabei –
der Sonntag ist frei!
Arbeitshilfe zum Tag der Arbeit 2011
mit Materialien für Gottesdienste und Aktionen
zum Thema sozialverträgliche
Arbeitszeiten und Sonntagsschutz

                                             Kirchlicher Dienst
                                             in der Arbeitswelt
                                             Arbeitsgemeinschaft
                                             in der EKD
Es bleibet dabei - der Sonntag ist frei! - Evangelische Akademie ...
Vorwort

    Liebe Leserin, lieber Leser,

    in diesem Jahr fällt der 1. Mai auf einen Sonntag. Für uns ein Anlass zu fragen: Ist der
    Sonntag noch zu retten ? Wie können wir uns selbst über seinen Sinn, seine Ge­staltung
    und seine lebensfördernden Möglichkeiten klar werden ?

    Leben ist mehr als Arbeit. Dafür ist der Sonntag ein Symbol. Über Jahrhunderte hinweg
    hat sich der Sonntag als allge­meiner Besinnungs-, Begegnungs- und Ruhe­tag bewährt
    und bestimmt den Lebensrhythmus der Menschen. Er ist der einzige Tag der Woche,
    der sich ökonomisch nicht rechnen muss. Er ist um der Menschen willen da.

    In unserer hochkomplexen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft, in der Pro­duktion
    und Konsum nicht mehr durch Tages- oder Jahreszeiten natürliche Unterbrechungen
    erfahren, ist der Sonn­tag als Taktgeber und Regulativ zunehmend nicht mehr erkenn-
    bar. Heute scheint Zeit nur noch Geld zu sein. Arbeits- und Produktionszeiten verteilen
    sich auf alle 365 Tage im Jahr. Mit zunehmender Sonntagsarbeit sind wir auf dem
    besten Wege, eine Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft zu werden. In dem ewigen Kreislauf
    von Konsumieren und Pro­du­zieren unterscheiden sich Tag und Nacht, Werktag und
    Sonntag kaum von einander und vermischen sich zu einem grauen Einerlei.
        Eine so strukturierte Gesellschaft verliert auf Dauer ihren Zusammenhalt, weil sich
    Menschen nicht mehr zweckfrei begegnen können und sich zivilgesellschaftliche Kräfte
    nicht mehr vernetzen lassen. Der Trend ist eindeutig. Durch immer neue Ausnahme­
    regelungen müssen immer mehr Menschen sonntags arbeiten.

    Die Beiträge in dieser Broschüre wollen das Nachdenken und die öffentliche Diskussion
    über den Sonntag und seine Gestaltung anregen und vertiefen, damit auch in Zukunft
                       das Wochenende und insbesondere der Sonntag als Ruhetag für die
                       Mehrheit unserer Bevölkerung erhalten bleibt. Denn erhalten lässt
                       sich der Sonntag nur, wenn wir für ihn eintreten und ihn für uns nutzen
                       – als Zeit, die uns geschenkt ist.

                           Peter Janowski
                           Pfarrer, Vorsitzender des Kirchlichen Dienstes
                           in der Arbeitswelt der EKD

    Inhalt

    Zum Thema                                               Das Bundesverfassungsgericht stärkt den
                                                            Sonntagsschutz                              18
    Wem gehört die Zeit?
    Den Zeiträubern eine Grenze setzen                4     Freizügigkeit am Europäischen Arbeitsmarkt –
                                                            Chance oder Bedrohung?                       20
    Gottesdienstbaukasten                                   12 gute Gründe für den freien Sonntag       21
    Was ist Gute Arbeit?                                    Der Beitrag der Religion(en) zu einer
    Predigt zu Johannes 21,1–14                       6     menschenwürdigen Arbeit                     22
    Der Sonntag – ein Geschenk des Himmels                  Erste europäische Konferenz zum Schutz
    Predigtskizze zu Amos 8,4–7 und 10                8     des arbeitsfreien Sonntagsdt                24
    Liturgische Elemente                             10
                                                            Aus der Praxis
    Du sollst den Feiertag heiligen!
    Dialog-Baustein in einem Gottesdienst            12     Miteinander für die Sonntagsruhe            25
    Was kostet uns der (Verlust des) Sonntag?               Ein Toaster im Haushalt reicht!
    Redeentwurf                                      14     Interview                                   26

    Hintergrund                                             Geschichten, Gedichte und Zitate            28
    Auf dem Weg in die Rund-um-die Uhr                      Literaturtipps und Internetlinks            30
    Gesellschaft?                                    16     Impressum                                   31

+++ Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. Aber am siebenten Tage ist der Sabbat
Zu Beginn

                        Grußwort des Ratsvorsitzenden der
                        Evangelischen Kirche in Deutschland
                        Präses Nikolaus Schneider

                          Der „Tag der Arbeit“ ein Sonntag? Der Sonntag ein Tag der Arbeit?
                          Diese Fragen in ihrem Spannungsverhältnis und mit all ihren Facetten
                          kommen in den Blick, wenn, wie in diesem Jahr, der 1. Mai, an dem
     der „Tag der Arbeit“ begangen und gesetzlich geschützt gefeiert wird, auf einen Sonn­
     tag fällt. Damit ist ein aktuelles Thema angesprochen, bei dem Kirchen und Gewerk­
     schaften das gleiche Ziel verfolgen. Es geht darum, die Sonntags­ruhe zu schützen und
     darum, die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Menschen gerade an Sonntagen zu
     sichern und zu verbessern.
         Das Bundesverfassungsgericht hat im Dezember 2009 auf kirchliche Verfas­sungs­
     beschwerde hin eine Grundsatzent­schei­dung zum Schutz des Sonntags getroffen. Die
     Umsetzung dieser Entschei­dung in den Bundesländern ist nicht einfach. Kirchen und
     Gewerkschaften bleiben aufgefordert, hier aufmerksam zu sein und darauf hinzuwirken,
     dass der Schutz des Sonntags gesichert bleibt.
         Die Evangelische Kirche in Deutsch­land weiß den KDA in diesem Bemühen als einen
     engagierten Akteur an ihrer Seite. Er ist ein Träger der „Allianz für den freien Sonntag“,
     einem bundesweiten Netzwerk vielfältiger Akteure aus Kirchen und Ge­werkschaften.
     Diese Allianz hat die Kir­chen bereits bei ihrer Verfassungsbe­schwerde gegen die Aus­höh­­
     lung des Sonntags­schutzes unterstützt. Wenn nun der 1. Mai 2011, der „Tag der Arbeit“,
     auf einen Sonntag fällt, so ist dies ein guter Anlass, sich an die gemeinsame Aufgabe
     zu erinnern, sicherzustellen, dass der Sonntag nicht zu einem Tag der Arbeit wird.
     Ich wünsche allen Bemühungen, die sich dieser Aufgabe annehmen, Gottes Segen.

                        Grußwort des Bundesvorsitzenden
                        des Deutschen Gewerkschaftsbundes
                        Michael Sommer

                           Deutschland scheint die Wirtschafts- und Finanzkrise besser überstan­
                           den zu haben als andere Staaten. Die guten Wirt­schafts­daten und das
                           Ausbleiben eines dramatischen Einbruchs des Arbeits­marktes dür­fen
     jedoch nicht darüber hinweg täuschen, dass die Arbeits- und Lebensbe­dingungen der
     Menschen in Deutschland weiterhin durch ein hohes Maß an Unsicherheit geprägt sind.
         Teilzeit­arbeit, Leiharbeit, Mini- und Midi­jobs, Altersteilzeit sowie Telearbeit und neue
     Selbständigkeit haben zu einem deutlichen Rückgang des Normalarbeits­verhältnisses
     und zu massiver Zunahme nicht Existenz sichernder Erwerbsarbeit geführt. Hinzu kommt
     eine neue Leistungs­politik in den Unternehmen, aber auch in öffentlichen Verwaltungen,
     mit der das Konkurrenzprinzip des Marktes verbetrieblicht wird. Besonders deutlich
     wird die Verlagerung der Verantwortung der Unternehmen auf die Erwerbstätigen bei
     den sogenannten Randbelegschaften, den Leiharbeitnehmerinnen und -arbeitnehmern,
     befristet Beschäftigten, Werk­vertragsnehmern und Praktikanten. Diese wachsenden
     Gruppen sind aus der unternehmerischen Verantwortung teilweise bis weitestgehend
     ausgeklammert – mit weitreichenden Konsequenzen für den Arbeits- und Gesundheits­
     schutz, die Weiterbil­dung, die Mitbestimmung, die Innovations­fähig­keit und die
     Unter­nehmenskultur.
         Mit dieser Entwicklung in der Arbeitswelt schreitet die Vermarktlichung der Lebens­
     welt voran. Verlängerte Ladenöffnungs­zeiten und die Aufweichung des Sonn­tags­
     schutzes führen nicht nur zu verschlechterten Arbeitsbedingungen, sondern haben weit-
     reichende negative Folgen für das soziale Leben. Der DGB weiß sich mit dem KDA einig,
     sich gegen eine voranschreitende Kommerzialisierung des gesellschaftlichen Mitein­
     anders zu engagieren. Für den DGB ist es das Mindeste, sich weiterhin für faire Löhne,
     gute Arbeit und soziale Sicherheit einzusetzen. Diese Zielsetzung wird im Zentrum des
     1. Mai 2011 stehen. Ich freue mich, dass sich der KDA, wie schon in den vergangenen
     Jahren, daran aktiv beteiligt.

                                                                            Tag der Arbeit 2011   3
des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein
Zum Thema

    Wem gehört die Zeit? –
    Den Zeiträubern eine Grenze setzen
    Wir müssen nüchtern eingestehen:               längst verloren, die Nachtarbeit nimmt
    Wir haben den bisherigen Kampf um den          dramatisch zu und der Sonntagsschutz
    Sonntag verloren. Ein fürchterlicher           leidet unter Auszehrung. In Zukunft werde
    Rückschritt ist eigetreten. Die legendäre      die 43- bis 45-Stunden-Woche aber für
    Kampagne der IG Metall Anfang der              immer mehr Menschen zur Normalität
    60er Jahre mit dem Motto „Vati gehört          werden, so der Direktor des Instituts der
    samstags mir“ hatte eine Epoche der            Deutschen Wirtschaft, Michael Hüther.
    Arbeitszeitverkürzung angestoßen: mehr         Die Arbeitgeber geben aber im wahrsten
    Urlaub, die Fünf-Tage-Woche, die               Sinn des Wortes keine Ruhe.
    35-Stunden-Woche.
                                                   Feiertage sind nicht gottgeben,
    Dieser Prozess der Arbeitszeitverkürzung       sondern uns übergeben
    ist umgedreht worden: 1987 verlangten          Es ist gar nicht so, dass eine jahrhunder-
    die Unternehmen erstmals, den gesetz-          tealte Tradition des freien Sonntags erst
    lichen Sonntagsschutz zu lockern. 2003         jetzt unter Druck geraten würde und jetzt
    erfolgte die Freigabe von vier verkaufsof-     verteidigt werden müsste. Als sich in
    fenen Sonn- und Feiertage pro Jahr.            Deutschland in der ersten Hälfte des
    2006 hat der der Bundestag die Gesetz­         19. Jahrhunderts die Industrialisierung
    ge­bungs­kompetenz in Sachen Laden­            immer mehr durchsetzte, fiel nach und
    schluss an die Länder übertragen. Hessen       nach auch dieser arbeitsfreie Sonntag.
    hat die schärfste Deregulierung der Zeit       Die erste Denkschrift der Inneren Mission
    durchgesetzt: von Montag 0:00 h bis            aus dem Jahr 1854 forderte die Wieder­
    Samstag 24:00h und spricht scheinheilig        einführung des bereits verdrängten Sonn­
    davon, den Sonntag zu schützen. Jetzt          tags. Es dauerte bis 1891, als ein Arbeiter­
    steht die Arbeitszeitverlängerung auf der      schutzgesetz in Kraft trat, das neben
    Tagesordnung: Der Buß- und Bettag              Bestimmungen zum Betriebsschutz und
    wurde zum Arbeitstag, die Wochen­arbeits­­     zur Arbeitsaufsicht auch die Sonntags­
    zeiten fransen aus, der Samstag ist            ruhe wieder einführte. Zehn Jahre später

      4    Tag der Arbeit 2011

Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt. 2. Mose 20, 9–10
wurde das erste Ladenschlussgesetz am          sie entsorgt würden, noch Verwendung
     1. Oktober 1900 eingeführt. Das zeigt:         finden …
     Der freie Sonntag ist eine Errungenschaft          Erkenntnis 3: Der Konsumismus findet
     der modernen Zeit und musste mühselig          auf dem Rücken derer statt, die gezwun-
     erkämpft werden. Die Errungenschaft des        gen sind, sich mit ihrer Lebenszeit den
     freien Sonntags steht abermals zur             Konsumwünschen der „Konsumbürger“
     Disposition – und mit ihm der Sozialstaat.     unterzuordnen.
         Erkenntnis 1: Der Sonntag war schon
     einmal verschwunden und musste wieder          Der Druck auf den Sonntag ist ein Doppel­
     erkämpft werden. Der Sonntagsschutz ist        angriff: Er zerstört die Kultur und baut
     Teil der modernen Sozialstaatsent­wick­        sozialstaatliche Errungenschaften ab.
     lung. Der freie Sonntag ist eine kulturelle    Beim Kampf um den Sonntag geht es um
     und zivilisatorische Errungenschaft, die       einen Zielkonflikt zwischen den religiösen,
     abermals zur Disposition steht. Wer heute      kulturellen und sozialen Gesichtspunkte
     den Sonntag aushöhlt, der baut den             auf der einen und wirtschaftlichen Erwä­
     Sozialstaat ab.                                ungen auf der anderen Seite. Der Sonntag
                                                    ist gerade dadurch Sonntag, dass er
     Wir brauchen eine gesellschaftliche Be­        nichts kostet und nichts bringt. Er hat eine
     we­gung, die dafür sorgt, dass die Sonn-       Währung, die nicht an der Börse taxiert
     und Feiertage erhalten bleiben. Der freie      und in Geld eingetauscht werden kann,
     Sonntag musste erkämpft werden wie der         denn kulturelle und soziale Errungen­
     Rechts- und Sozialstaat auch. Erst eine        schaf­ten stehen nicht auf einer Ebene mit
     Koalition von Kirchen und Gewerkschaf­         ökonomischen Interessen. Der Sonntag
     ten war stark genug, das Humanum einer         ist eine ökonomiefreie und unbewirtschaf-
     freien Zeit als Teil der sozialstaatlichen     tete Zeit. Können wir uns den Sonntag
     Entwicklung politisch durchzusetzen. Die       noch leisten oder lassen die Laden­
     Begründung im Grundgesetz spiegelt             schluss­zeiten möglichen Umsatz entge-
     diese erfolgreiche Koalition im Kampf für      hen? Wer fragt, ob wir uns den Sonntag
     den Sonntagsschutz mit der Formel wie-         oder den Sozialstaat noch leisten können
     der: „Tag der Arbeitsruhe und der seeli­       glaubt, ein kulturelles oder soziales Gut
     schen Erhebung“ (Art. 140, GG).                verrechnen zu können. Vielleicht besteht
         Erkenntnis 2: Wenn Kirchen und             die größte Gefahr für den Sonntag darin,
     Gewerkschaften nicht gemeinsam für den         wenn man nicht mehr davon weiß, dass
     Erhalt des Samstags, des Sonntags und          kulturelle Werte und ökonomische Güter
     weitere Arbeitszeitverkürzung kämpfen,         nicht zum gegenseitigen Tausch zur
     werden sie am Ende beide als Verlierer         Verfügung stehen.
     dastehen.                                          Erkenntnis 4: Der Kampf um den
                                                    Sonn­tag muss aus der Sonntagsfrage he-
     Wir leben in einer Kultur des Konsumis­        raustreten. Der versprochene Wohlstand
     mus. Konsumieren wird zum Lebensziel           und Reichtum macht arm: Mitten im an-
     und zu einem Event. Dann kommen                wachsenden Reichtum sind wir so arm
     Familien wie zu einem Familienerlebnis         dran, dass wir sogar kulturelle Werte der
     am Sonntag in die Shoppingcenter. Der          Feiertagskultur für das Immer-Mehr-
     Konsumismus hat nicht nur eine glit­           Haben-Wollen opfern.
     zern­de Vorderfassade sondern auch seine
     Rückseite. Der Sonntag soll das Rad der        Feiertage zeigen, was in der Gesellschaft
     Dienstleistungsgesellschaft in Schwung         wichtig ist und geben Auskunft darüber,
     bringen. Die Kosten dafür haben die            wer das Sagen hat in einer Gesellschaft.
     Beschäftigten mit schlechten Arbeits­          Deshalb geht es im Kampf um den
     bedingungen zu zahlen: Teilzeitarbeit,         erwerbsfreien Sonntag um eine Macht­
     400-Euro-Jobs, befristete Arbeit. Wer          frage: Wem gehört die Zeit meines Lebens
     aber seinen Beitrag zur Umsatzsteigerung       und unserer gemeinsamen Lebenszeit?
     gar nicht leisten kann, der wird ausge-
     schlossen: Das sind die Armen, die Hartz-
                                                    Prof. Dr. Franz Segbers
     IV-Empfänger. Für sie gibt es Sozialkauf­      apl. Professor für Sozialethik
     häuser und Tafeln, wo die Waren, bevor         Universität Marburg

                                                                                     Tag der Arbeit 2011   5
+++ Haltet meine Feiertage; ich bin der Herr, eurer Gott. 3. Mose 19,3 +++ Wer arbeitet, dem ist der
Gottesdienstbaukasten

    Was ist Gute Arbeit?
    Predigt zu Johannes 21,1–14

    Was ist Gute Arbeit? Am Sonntag und               Sehen wir auf unsere Arbeitswelt, so
    zugleich 1. Mai als Tag der Arbeit könn­      fragt sich: Wie gehen wir mit unserem be-
    ten wir die Arbeit neu wahrnehmen: als        ruflichen Erfolg um? Sind wir stolz allein
    Teilhabe aller Menschen an auskömm-           auf unsere Leistung – und vergessen,
    licher Arbeit und am gerechten Genuss         auf wie vielen Schultern jeglicher Ertrag
    der Früchte des Lebens aus Gott.              beruht?
    Wenn wir hier der Arbeits-Geschichte              Ob wir – in Wirtschaft, Politik und
    Jesu und seiner Mit-Arbeitenden als           Kirche – bereit sind, den Beitrag anderer
    Fischer am See begegnen, können wir           am Erfolg zu würdigen und ihn miteinan-
    zu diesem Verständnis von Arbeit gelan-       der zu teilen oder nicht, das entscheidet
    gen: Zu Guter Arbeit als Teilhabe aller       sich: hier durch Jesu Wort als Gute Arbeit
    am Ertrag – in Gottes Namen !                 – in Gottes Namen. In unserer Gesell­
                                                  schaft steht leider bisher außer Frage,
    Jesus zeigt sich in der Arbeitswelt           dass Un­ternehmen ihre Gewinne einfah-
    (Verse 1–2)                                   ren, ohne den Beschäftigten einen nen-
    Menschen sind durch ihre Arbeit zusam-        nenswerten Anteil daran in Form höherer
    men. Nicht weil sie einander so toll finden   Löhne zu geben. Und ebenso wenig
    oder Freunde sind, sondern weil gemein-       schei­nen Kapi­taleigner und Unterneh­
    same Arbeit die Ernährung aller ermöglicht    mens­­leitungen bereit zuzugeben, dass
    und darum lebensnotwendig ist. Fast alle      sich die Rettung ihrer Unternehmen
    von uns sind heute sehr fern davon, wo        den gewaltigen Staats­zuschüssen aus
    und wie unsere Nahrung gewonnen wird.         dem Ertrag der Arbeiten­den und Be­
    Nur wenn Gefährdungen der Nah­rungs­          schäftigten verdankt.
    ketten durch Skandale in das Be­wusst­            Die Jünger Jesu erkennen jedoch als
    sein der Öffentlichkeit treten, kann für      Mit-Arbeitende an Gottes Schöpfung,
    kurze Zeit manchem dämmern, was wäre,         wem sie den unverhofften Ertrag ihrer
    wenn es morgen nichts mehr in den Läden       Arbeit verdanken. Und hier kennt der, den
    zu kaufen gäbe? Um die Versor­gung aller      man später den „Fels der Kirche“ nennen
    zu gewährleisten, stellt sich also die        wird, keinen Dünkel. Petrus hat keine
    Frage: Wie sieht Gute Arbeit aus?             Chefallüren. Statt als Boss seine Unter­
                                                  gebenen zu mobben und anderen die dre-
    An Gottes Segen ist alles gelegen             ckige Arbeit anzuschaffen, springt er
    (Verse 3–5)                                   selbst höchst persönlich ins kalte Wasser.
    Petrus und seine Kollegen begeben sich        Und zieht den Ertrag an Land.
    an die Arbeit. Um des gemeinsamen
    Ertrags willen.                               Jede/r ist wertvoll als Mitarbeiter/in
        Was ist demgegenüber oft die Motiva­      (Verse 8–9)
    tion bei uns zur Arbeit und für beruflichen   So zeigt die Arbeits-Geschichte Jesu:
    Erfolg? Unser persönlicher Gewinn und         Gute Arbeit bringt gemeinsamen Ertrag
    der eigene Vorteil? Der auferstandene         für alle !
    Jesus erinnert dagegen an Gute Arbeit als         Viel ist heute vom Vorbild der Eliten
    Mit-Teilung des Lebens in Gottes Namen        die Rede – auch in der Kirche; wenig aber
    für den Nächsten wie für uns.                 davon, inwiefern die „Ackermänner“ hier-
                                                  zulande mehr leisten als eine Alleinerzie­
    Glaube und Gute Arbeit                        hende, eine Reinigungskraft mit mehreren
    (Verse 6–7)                                   Jobs oder ein Hartz-IV-Aufstocker, der im
    Aus dem Mangel wird Fülle aufs Wort –         strömenden Regen die Wochenblätter von
    durch Jesus: „Werft zur Rechten die           Haustür zu Haustür trägt, um ein paar
    Netze aus !“ Allein auf Hoffnung hin han-     Euro mehr zu verdienen, damit er seinen
    deln seine Jünger – und erleben so ihren      Kindern die nötigen Schulsachen kaufen
    gemeinsamen Ertrag.                           kann?

      6    Tag der Arbeit 2011

Schlaf süß. Prediger Salomo 5,11 +++ Du sollst daran denken, dass auch du Knecht in Ägyptenland
Die Jünger Jesu als Mit-Arbeiter an         Reich ist der Ertrag für alle bestimmt,
     Gottes Schöpfung wissen dagegen die            und niemand hat das Recht, andere vom
     Arbeit ihres Kollegen Petrus hier richtig zu   Tisch zu verweisen.
     deuten: Einer für alle – alle für einen.
                                                    Der gute Arbeit-Geber zeigt sich
     An ihren Früchten werdet ihr                   gerecht in Gottes Namen
     sie erkennen                                   (Vers 14)
     (Verse 10–11)                                  Gottes Wirken zeigt sich in Guter Arbeit
     In der Solidarität gemeinsam Arbeitender       für alle und ermöglicht einen Ertrag, der
     findet Petrus die Kraft, den Ertrag für alle   teilbar wird. Weil Jesus Anteil gibt am
     an Land zu ziehen. Und er rechnet das          Guten allen gegenüber.
     Gemeinsame ihrer Arbeit zusammen. So               Damit ist in seiner Nachfolge für un-
     bringt durch Jesu Wort die Gute Arbeit         sere Gegenwart gesagt, dass aus Guter
     der Jünger jenen Ertrag hervor, der allen      Arbeit in Gottes Namen jeder Frau und
     zuteil werden kann – in Gottes Namen.          jedem Mann ein auskömmlicher Lohn zu-
     Dieses Netz besteht die Zerreißprobe. Da       steht. Und so stellt es auch keinen
     geschieht kein Ausschluss aus der Arbeits-     Sündenfall dar, dass Kirche sich einsetzt
     Gemeinschaft, keine Zumutung schlecht          für Mindestlohn und menschenwürdige
     bezahlter Leiharbeit und billiger Ein-Euro-    Arbeit. Denn mitten im Alltag und in der
     Jobs. Durch Jesus wird hier niemand an         Arbeit begegnet Menschen durch Jesu
     den Rand gedrängt. Alle – die großen wie       Wort Gott als die gute Gabe des Lebens.
     die kleinen Fische – sind im großen Netz       Dazu sind alle eingeladen: zur Teilhabe
     der Güte Gottes in Hülle und Fülle zusam-      am Ertrag aus Guter Arbeit – in Gottes
     men. So lädt Jesus seine Jünger/innen ein      Namen.
     zur Teilhabe am Guten – hier und jetzt.
                                                    Amen.
     Mahl-Zeit ! Auf dass alle satt werden
     (Verse 12–13)
     An der Tafel Jesu gibt es also keine Kluft
     zwischen solchen, deren Tische sich bie-
     gen vor Fülle oder die ihre Reichtümer auf
     Auslandskonten transferieren, und den­
     jenigen, deren Weniges an Bedarf nicht
                                                    Dr. theol. Roland Pelikan
     einmal mehr die Tafeln der Gemeinwesen­        Sozialpfarrer
     arbeit decken können. Vielmehr: in Gottes      KDA Bayern

                                                                                Tag der Arbeit 2011   7
warst und der Herr, dein Gott, dich von dort heraus geführt hat mit mächtiger Hand und ausgerecktem
Gottesdienstbaukasten

    Der Sonntag – ein Geschenk des Himmels
    oder
    Wann ist endlich der Sabbat vorüber,
    damit wir wieder verkaufen können?
    Predigtskizze zu Amos 8,4–7 und 10

    Heute feiern wir den Sonntag, den Tag             Eigentlich ist das gar nicht so schwer:
    der Auferstehung, den Protesttag gegen        im wöchentlichen Rhythmus werden wir
    den Tod. Und wir feiern den 1. Mai, den       daran erinnert. Jeder Sonntag erzählt uns
    Tag der Arbeit, den Protesttag für ein        davon, weil jeder Sonntag ein Geschenk
    gutes Leben. Wir feiern Quasimodo­geniti,     des Himmels ist. Der Sonntag ist zum Los­
    das ist der altertümliche lateini­sche        lassen da, zum Feiern und Bei-sich-selbst-
    Name für diesen ersten Sonntag nach           sein; für Muße, Quatsch und Freundschaft;
    Ostern. Und er bedeutet: wir dürfen           für Familie, Gottesdienst, Kinder und
    uns nach Ostern fühlen „wie die neu           Tollerei; für Kunst, Musik und Sich-fallen-
    geborenen Kinder“.                            lassen. Am Sonntag sollen wir uns nicht
                                                  einwickeln, nicht unterdrücken oder be-
    Wir wissen: Kinder wollen leben, sie          nutzen lassen. Darum hat schon das alte
    brauchen ihr Auskommen, sie brauchen          Volk Israel keine Geschäfte erlaubt und
    Zuwendung und sie brauchen die Aus­           keine Arbeit am Sabbat und an Feiertagen.
    sicht auf eine gute Zukunft. Natürlich gilt
    das auch für Erwachsene. Genau dies for-      Dabei wissen wir: immer gibt es auch
    muliert der Deutsche Gewerkschaftsbund        starke Kräfte, die uns den Himmel auf Er­
    mit seinem Motto für den heutigen Tag:        den gründlich vermiesen. „Zeit ist Geld“,
    „Das ist das Mindeste – Faire Löhne, Gute     so sagen sie. Und unsere Arbeits­kraft
    Arbeit, Soziale Sicherheit“. Darum berüh-     wollen sie möglichst rund um die Uhr. Sie
    ren sich am heutigen Sonn- und Feiertag       bezahlen schlecht und fordern ihr Geld
    Himmel und Erde. Und das soll nicht nur       durch unseren Konsum gnadenlos wieder
    heute so sein: das können wir mitnehmen       zurück. Darum erziehen sie uns zu Geld­
    von diesem Tag.                               ausgebern und Konsumenten. Sogar am

      8    Tag der Arbeit 2011

Arm. Darum hat dir der Herr, dein Gott, geboten, dass du den Sabbattag halten sollst. 5. Mose 5,15
Sonntag haben sie nur den Profit im Kopf.      Sonntagen ermöglicht werden? Oder
     Sie wollen verkaufen und Geschäfte ma-         waren ihm bereits die scheinheiligen Argu­
     chen und verwandeln so den Himmel zur          mente bekannt, mit denen Feste erfunden
     Hölle.                                         werden, damit die Öffnung der Läden zu
          Ja, es ist die Hölle, wenn eine Gesell­   den geltenden Gesetzen passend ge-
     schaft dabei ist, die letzten noch verblie-    macht werden? Wenn es nämlich darum
     benen Fenster gemeinsamer Ruhezeiten           geht, Profite zu steigern, gibt es offen-
     dicht zu machen. Es ist die Hölle, wenn        sichtlich kein Halten mehr. Nur kollektives
     eine Gemeinschaft ihre soziale Mitte ver-      Innehalten kann hier noch helfen. Darum
     liert und nicht mehr zur Ruhe kommt, weil      ist der Sonntag schlicht unersetzlich.
     sie der Religion des Geldes verfallen ist.     Denn ein Stück vom Himmel kommt am
     Klarsichtig erkannt hat das schon der          arbeitsfreien Sonntag zur Erde.
     Prophet Amos aus dem Alten Testament               Von Betrug spricht Amos, vom Fäl­
     unserer Bibel. Mit einer zornigen Rede         schen der Waagen. Heute macht man das
     wendet er sich im 8. Jahrhundert v. Chr.       subtiler: man verkleinert unmerklich den
     an die Reichen und an die schrankenlosen       Inhalt der Packungen. Auch dass sich
     und betrügerischen Geschäftemacher:            noch Abfälle verkaufen lassen, kennen wir
                                                    gut – bis hin zum Dioxin in Futtermitteln.
       „Hört dies, die ihr den Armen zertretet,     Und dass der Preis für die Arbeit zum
       um die Bedürftigen des Landes zu             Kleingeld wird, gilt heute nicht länger nur
       beseitigen,                                  in Lateinamerika. Das wird zur bitteren
       die ihr sagt: Wann geht der Neumond          Erfahrung von immer mehr Menschen in
       vorüber,                                     unserem Land. „Die Hilflosen kauft ihr mit
       damit wir Getreide verkaufen,                Kleingeld“ – so redet Amos zu den
       und der Sabbat, damit wir Kornsäcke          Geschäftemachern, die der Gier verfallen
       öffnen,                                      sind. Und dann redet er weiter. Er redet
       damit wir den Messbecher verkleinern         über die Folgen. Er redet über Gott, der in
       und das Silbergewicht vergrößern,            das Geschehen eingreift:
       und die Waage fälschen, die schon ge-
       fälscht ist,                                  „Ich werde eure Feste in Trauerfeiern
       um die Hilflosen zu kaufen für Kleingeld      verwandeln
       und die Armen für ein Paar Sandalen.          und alle eure Lieder in eine Totenklage;
       Auch den Getreideabfall verkaufen wir !       Ich bringe auf alle Hüften ein
       Gott schwört angesichts der Arroganz          Sackgewand
       Jakobs:                                       und auf jeden Kopf eine Glatze;
       Ich werde alle ihre Taten niemals             Ich mache es wie die Trauer um ein ein-
       vergessen.“                                   ziges Kind
       (Amos 8, 4–7)*                                und die Zukunft zu einer bitteren Zeit.“
                                                     (Amos 8, 10)*
     Die Rede des Amos ist anklagend, hart
     und erschreckend aktuell. Er redet zu          Ja, es ist wahr: Menschen können die
     denen, die Arme zertreten und Bedürftige       Erde zur Hölle machen und in eine bittere
     beseitigen. Und das sind die Gleichen,         Zukunft taumeln. Wir können aber auch
     die ihren Profit auch noch zu den heiligen     den Tanz beenden, indem wir Ruhe geben
     Zeiten der Festtage machen wollen. Das         und den Sonntag als Geschenk des
     heißt ganz aktuell für uns heute:              Himmels verstehen. Doch damit müssen
     Sozialstaat und Sonntagsschutz sind zwei       wir auf der Erde beginnen: durch unseren
     Seiten einer Medaille. Denn arbeitsfreie       Einsatz für soziale Sicherheit, gute Arbeit
     Zeiten hebeln das Gesetz des Stärkeren         und faire Löhne.
     aus. Darum markiert der biblische Sabbat
     und Feiertag deutlich die Grenze zur
     Ausbeutung und zum Diktat des Profits.         Martin Huhn
                                                    Industrie- und Sozialpfarrer
                                                    Kirchlicher Dienst in der Arbeitswelt
     Kannte etwa Amos schon die juristischen
                                                    Industrie- und Sozialpfarramt Nordbaden
     Tricks, mit denen heute allenthalben in
     Deutschland Verkaufsveranstaltungen an         *Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache

                                                                                Tag der Arbeit 2011   9
+++ In sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist,
Gottesdienstbaukasten

    Liturgische Elemente
    Gottesdienst, Gebete, Kyrie

    Herr Jesus Christus,                                und dabei Kraft, Zeit und Phantasie
    der Sonntag gibt jeder Woche Rhythmus,              einbringen,
    Struktur und ein Stück Freiheit.                    dass sie gewissenhaft und mutig
    Mit der Gefährdung des Sonntags setzen              Gerechtigkeit suchen
    wir ein wertvolles Geschenk aufs Spiel.             und für ihre Kolleginnen und Kollegen
    Ohne Sonntag gibt es nur noch Werktage !            eintreten.
    Herr, erbarme dich.                                 ¢ Gemeinde: Gott, erhöre uns.
    Es gibt auch Menschen, die Angst haben
    vor dem Sonntag.                                    Wir bitten für die Gewerkschafterinnen
    Sie fürchten statt der Ruhe Langeweile,             und Gewerkschafter,
    statt Einkehr Einsamkeit, statt Besinnung           dass sie in ihrem Eintreten für Gerechtigkeit
    innere Leere.                                       und menschengerechte Arbeitsbedingungen
    Christus, erbarme dich.                             auch in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten
    Der Sonntag ist der Tag der Gemeinschaft,           nicht den Mut verlieren.
                                                        ¢ Gemeinde: Gott, erhöre uns.
    ob im gemeinsamen Gottesdienst, in der
    Familie oder mit Freunden.                          Wir bitten für die Arbeitgeberinnen und
    Hier finden wir die Chance, nicht die Zeit          Arbeitgeber,
    zu vertreiben,                                      dass ihnen stets bewusst ist,
    sondern sie zu füllen mit intensivem Leben.         dass die Verfügung über Eigentum und
    Herr, erbarme dich.                                 Kapital eine Verpflichtung mit sich bringt,
    Der Herr erbarme sich unser.                        dass sie bei all ihren Planungen und
    Er vergebe uns, wo wir gleichgültig und             Entscheidungen
    egoistisch waren.                                   das Wohl der Beschäftigten nicht aus den
    Er stärke und ermutige uns, unseren                 Augen verlieren.
    Glauben zu leben — jeden Werktag und                ¢ Gemeinde: Gott, erhöre uns.
    jeden Sonntag.
    Amen.                                               Wir bitten für die Menschen, die von Er­
                                                        werbslosigkeit bedroht oder betroffen sind,
    Aus: Aktionsheft „Allianz für den freien Sonntag“
                                                        dass sie ihr Selbstwertgefühl und ihren
                                                        Mut nicht verlieren
                                                        und dass sie Arbeit finden und jenen
                                                        politischen Respekt, der ihnen gebührt.
    Fürbittengebet
                                                        Und wir bitten für ihre Familien,
    Gott, du bist unsere Zuversicht und unser           dass sie die Kraft haben, dies nicht als
    Mut beim Arbeiten und beim Feiern:                  Makel zu empfinden,
    Wir bitten für unsere Gesellschaft und für          sondern als Abschnitt einer besonderen
    alle, die in ihr tätig sind,                        Belastung und Herausforderung.
                                                        ¢ Gemeinde: Gott, erhöre uns.
    in der Familie und im Geschäftsleben, in
                                                        Amen.
    Industrie und Landwirtschaft,
    in den Dienstleistungsbetrieben, Behörden
    und Ämtern, in der Politik und wo immer
    es sei:                                              Lieder

    dass alle Arbeit von Gott gesegnet sei und           Komm, Herr, segne uns
    uns und anderen helfe,                               Bewahre uns Gott
    sinnvoll, erfüllt und menschenwürdig zu leben.       Sonne der Gerechtigkeit
    ¢ Gemeinde: Gott, erhöre uns.                        Brich mit den Hungrigen dein Brot
                                                         Gott gab uns Atem, damit wir leben
    Wir bitten für die Männer und Frauen in              Lobet den Herren, all, die ihn ehren
    der Arbeitswelt,                                     In Gottes Namen fang ich an
                                                         Bewahre uns Gott
    die sich für den Dienst als Betriebs- und            Herr, wir bitten: Komm und segne uns
    Personalräte zur Verfügung stellen

      10     Tag der Arbeit 2011

und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn. 2. Mose 20,11
Segen                                               Nimm den Sonntag als ein Fest

     Wir gehen aus der Ruhe in die neue                  Nimm den Sonntag als ein Fest:
     Woche und bitten Gott um seinen Segen:              Trage immer saubere Kleider
                                                         und sprenge Parfum auf Dein Haar !
     Gott, segne und behüte uns dort, wo wir
                                                         Genieße den Tag mit dem Menschen,
     arbeiten in Industrie und Verwaltung,               den Du liebst,
     Handel und Handwerk und Dienstleistung.             solange er dauert …
     Herr, lass dein Angesicht über uns                  Gott hat dir diesen Tag unter der Sonne
     leuchten dort, wo wir zuhause sind:                 geschenkt.

     in unseren Familien, bei Freunden und               Martina Spohr:
     Nachbarn.                                           frei nach Prediger 9,8–9, Die Bibel

     Gott, sei uns gnädig dort, wo wir uns en-
     gagieren in Kirche und Gesellschaft für
     deine gute Botschaft.                               Alles hat seine Zeit
     Gott, erhebe dein Angesicht auf uns und
     gib uns Frieden.                                    Alles hat seine Zeit
                                                         und alles Vorhaben unter dem Himmel seine
     Zeig uns, dass unser Leben mehr ist als
                                                         Stunde
     alles, was wir daraus machen können.                Arbeiten hat seine Zeit; Ausruhen von der
     Du, Gott, bist unser Friede.                        Arbeit hat seine Zeit;
     Amen.                                               Schaffen hat seine Zeit; sich am Geschaffenen
                                                         freuen hat seine Zeit;
     Aus: Aktionsheft „Allianz für den freien Sonntag“
                                                         Funktionieren hat seine Zeit;
                                                         Visionieren hat seine Zeit;
                                                         Wissen anwenden hat seine Zeit;
                                                         neues Wissen lernen hat seine Zeit;
     Feierabend
                                                         Wachsein hat seine Zeit; Schlafen hat seine
                                                         Zeit;
     Endlich abgelöst für ein paar Minuten               Eiligsein hat seine Zeit; Müßigsein hat seine
     die Füße schmerzen                                  Zeit;
     der Rücken verspannt                                Weckerklingeln hat seine Zeit;
                                                         Von-der-Sonne-geweckt-werden hat seine
     Die Augen schließen                                 Zeit;
     die Bilder bleiben                                  Zeitung lesen hat seine Zeit; Gedichte lesen
     die Schlange voller Wagen                           hat seine Zeit;
     das Piepsen der Scanner                             Der Arbeitsweg hat seine Zeit;
                                                         Ins-Blaue-fahren hat seine Zeit;
     Schönen Feierabend hatte eine Kundin
                                                         Der Blaumann hat seine Zeit;
     gesagt                                              der Sonntagsanzug hat seine Zeit;
     nett gemeint                                        Der weiße Kittel hat seine Zeit;
                                                         das Sonntagskostüm hat seine Zeit;
     Lieber Gott ich möchte aussteigen
                                                         Das Kino hat seine Zeit; das Theater hat seine
     Strand auf Teneriffa                                Zeit;
     Gouda im Sonderangebot
                                                         Das Eis am Stil hat seine Zeit;
     hat Florian Mathe geschafft
                                                         der Cafèhausbesuch hat seine Zeit;
     Lieber Gott hilf mir                                Das Morgenmüsli hat seine Zeit;
     noch zwei Stunden                                   der Sonntagsbrunch hat seine Zeit;
                                                         Auf den Verkehr achten hat seine Zeit;
     hoffentlich kriege ich den früheren Bus
                                                         in die Luft gucken hat seine Zeit;
     Klaus hat gekocht                                   Mit beiden Beinen auf dem Boden stehen hat
     Silke wird schon schlafen                           seine Zeit;
                                                         die Beine baumeln lassen hat seine Zeit.
     Sie lächelt im Schlaf
                                                         Der Alltag hat seine Zeit; der Sonntag hat
     Nur noch zwei Stunden
                                                         seine Zeit?
     meine Familie                                       Der Alltag hat seine Zeit; der Sonntag braucht
     ich habe Arbeit Gott sei Dank                       unseren Schutz …
                                                         Der Alltag hat seine Zeit; wir brauchen die Zeit
     Martin Huhn, in: Gott in vielen Stimmen.
     Mannheim 2001                                       am Sonntag !

                                                         Martina Spohr:
                                                         frei nach Prediger 3,1–11, Die Bibel

                                                                                    Tag der Arbeit 2011   11
+++ Besser eine Hand voll mit Ruhe als beide Fäuste voll mit Mühe und Haschen nach Wind. Prediger
Gottesdienstbaukasten

    Du sollst den Feiertag heiligen !
    Dialog-Baustein in einem Gottesdienst zum Thema Feiertagsheiligung

    Der/die Pfarrer/in verliest das 3. Gebot:     christlichen Tradition der Sonntag –
    „Du sollst den Feiertag heiligen“ und         geheiligt werden soll … Unser Sonntag
    „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn         ist also auch solch ein Feiertag. Er kehrt in
    heiligest. Sechs Tage sollst du arbeiten      einem festen Rhythmus wöchentlich
    und alle deine Werke tu  n. Aber am sie-      wieder. Der Sonntag ist DER Feiertag
    benten Tage ist der Sabbat des Herrn,         überhaupt.
    deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit
    tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter,     Gemeindemitglied: Das heißt ja, wir
    dein Knecht, deine Magd, dein Vieh,           können ganz regelmäßig in uns gehen,
    auch nicht dein Fremdling, der in deiner      uns aus­ruhen und besinnen ?
    Stadt lebt. Denn in sechs Tagen hat der
    Herr Himmel und Erde gemacht und das          Pfarrer/in: Ja, das heißt es. Der Alltag
    Meer und alles, was darinnen ist, und         braucht ganz andere Fähigkeiten von uns
    ruhte am siebenten Tage. Darum segnete        Menschen als der Feiertag. Zum Alltag
    der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“     z. B. gehört die Arbeit. Es zählen Selbst­
    Er/Sie will mit seiner/ihrer Rede fort­       kontrolle, Sach­lich­keit, Genauigkeit,
    fahren …                                      Sorgfalt, Zuverlässig­keit, Pünktlichkeit.
                                                  Ganz andere Fähigkeiten hingegen gehö-
    Pfarrer/in: Liebe Gemeinde…                   ren zum Sonntag. Hier wird gebraucht,
                                                  was der Alltag zurückdrängt: Gefühle,
    Gemeindemitglied (steht auf und fällt         Gemüt, Ergriffenheit, Feiern, Freiheit,
    ihm/ihr ins Wort): Entschuldigung Herr/       Wahrnehmen der Schönheit und der Fülle
    Frau Pfarrer/in, dass ich reinplatze. Aber    des Lebens. Unser Bewusstsein und unser
    mir ist nicht ganz klar, was das eigentlich   Denken hat die Möglichkeit, über das
    heißt „den Feiertag heiligen“ ?               Praktische und Nützliche hinauszuwach-
                                                  sen. Unser Blick weitet sich … Und das
    Pfarrer/in: „Heiligen“ bedeutet soviel wie    ist wahrlich ein Fest !
    etwas von den gewöhnlichen Dingen
    unterscheiden, ihm eine besondere             Gemeindemitglied: Also, ich muss sagen,
    Bedeutung geben. „Den Feiertag heiligen“      über diese Bedeu­tung des Sonntags habe
    bedeutet demnach das Besondere eines          ich noch nie so richtig nachgedacht.
    solchen Tages zu würdigen. Für jeden          Aber jetzt finde ich es eigentlich umso er-
    einzelnen Menschen und damit für die          schreckender, dass dieser unentbehrliche
    gesamte Gesellschaft ist es wichtig,          Tag immer wieder im Gespräch ist, wenn
    solche Zeiten der Ruhe und Besinnung zu       es um Ladenöffnungs­zeiten geht. Meine
    haben, um sich zum Beispiel zu verge­         Güte, da steht ja ganz schön was auf dem
    wissern, ob der beschrittene Weg noch         Spiel …
    der Richtige ist – zum Wohle für sich
    selbst und für andere – und gegebenen­        Pfarrer/in: Ja, da haben Sie recht. Aber
    falls auch die Richtung zu wechseln …         leider ist es gar kein Spiel. Der Wert des
                                                  Sonntags scheint vielen Menschen nicht
    Gemeindemitglied: Dann wäre es ja ein         mehr bewusst zu sein. Weder denen, die
    richtiges Drama, wenn wir solche Tage         ihn zum Einkaufen nutzen wollen, noch
    nicht mehr zur Verfügung hätten – wo          denen, die ihre Geschäfte öffnen wollen …
    diese Besinnung doch so wichtig ist …
                                                  Gemeindemitglied (fällt ihm/ihr ins Wort):
    Pfarrer/in: Ja, das wäre in der Tat sehr      … und ausgetragen wird es auf dem
    traurig ! Und damit sind nicht nur unsere     Rücken derer, die an den Sonntagen arbei-
    bekannten Feiertage gemeint. Ich habe         ten gehen müssen. Ich denke da einfach
    ja zu Beginn vorgelesen, dass der siebte      mal weiter: Im Augenblick geht es ja nur
    Tag, der Sabbat – das ist in unserer          um einige Sonntage im Jahr. Aber das ist

      12   Tag der Arbeit 2011

Salomo 4,6 +++ Sechs Tage soll man arbeiten, aber am siebenten Tag ist Sabbat, völlige Ruhe, heilig
bestimmt nur die Spitze des Eisbergs –         eine andere Welt – vielleicht sehen darin
     d. h. wenn einmal damit angefangen wird,       die Menschen einen neuen Sinn ?!
     geht es ganz schnell dazu über, immer
     mehr Sonntage zu öffnen und dafür auch         Gemeindemitglied (aufgebracht):
     die Gesetze zu ändern und schneller als        Das ist doch kein Sinn. Das ist die Ver­
     wir gucken können, wird dann auch in           schleierung von Kommerz ! (Nachdenklich)
     allen anderen Bereichen gearbeitet (und        Aber vielleicht haben Sie recht:
     keiner kann mehr Sonntags einkaufen            Die Möglichkeit, zu jeder Tages- und
     gehen…). Ja, wenn wir erst einmal eine         Nachtzeit einkaufen gehen zu können,
     Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft haben,            wird uns heute als neue Freiheit verkauft.
     gibt es überhaupt keine gemeinsamen            Aber das ist doch keine Freiheit, das ist
     Ruhezeiten mehr…                               nach wie vor Abhängigkeit. Freiheit ist
                                                    doch etwas ganz anderes …
     Pfarrer/in: Ganz genau. Unsere Bezie­
     hungen müssen gepflegt werden und das          Pfarrer/in: Freiheit meint frei sein von den
     braucht gemeinsame Zeit. Es ist gar nicht      alltäglichen Abhängigkeiten und Verfüg­
     auszudenken, was gesellschaftlich              barkeiten. Zeit haben für Menschen und
     passieren würde, wenn es diese gemein-         Dinge, die mir außerhalb des Alltags noch
     samen Zeiten nicht mehr gäbe. Viele            wichtig sind. Zeit haben für Besinnung …
     klagen doch schon jetzt über die zuneh-
     mende Vereinzelung …                           Gemeindemitglied: Genau ! Es geht um
                                                    Zeit ! Nur mit Zeit kann man nämlich über
     Gemeindemitglied: Das ist ja unglaublich,      den Sinn des Lebens nachdenken.
     was da alles dranhängt. Ich glaube, so         Kommerz kann jedenfalls nicht der Sinn
     weit denken die meisten Menschen gar           des Lebens sein !
     nicht, die es heute ganz gut finden, wenn
     die Geschäfte auch sonntags aufhaben.          Pfarrer/in (lächelt): Sie sagen es !
     (Lacht) Ha, die „heiligen“ lieber den
     Feiertag in der Einkaufsmeile, anstatt mal     Gemeindemitglied: Na wenn das kein
     über seinen Wert nachzudenken…                 Grund ist, den Feiertag zu heiligen und
                                                    den Sonntag zu schützen ?!
     Pfarrer/in: Da sprechen Sie einen interes-
     santen Aspekt an: Das Einkaufen dient          Pfarrer/in: Das war ein gutes Schlusswort
     nicht länger nur der Bedürfnisbefriedi­gung,   für unser Gespräch. Ich danke Ihnen.
     sondern ist ein Wert an sich geworden.
     Ein Fest sozusagen …                           Gemeindemitglied: Ich danke Ihnen
                                                    auch ! (setzt sich)
     Gemeindemitglied: Meinen Sie ?

                                                    Martina Spohr
     Pfarrer/in: Ja, schauen Sie sich doch mal
                                                    Diplom-Sozialökonomin
     die ganzen neuen Galerien an, mit dem          Referat Wirtschaft-Arbeit-Soziales
     ganzen Glitzer, Cafés und so. Das ist wie      Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck

                                                                              Tag der Arbeit 2011   13
dem Herrn. Wer eine Arbeit tut am Sabbattag, soll des Todes sterben. 2. Mose 31,15 +++ Der Sabbat
Gottesdienstbaukasten

    Was kostet uns der (Verlust des) Sonntag?
    Anregungen für eine kirchliche Ansprache anlässlich
    einer weltlichen Veranstaltung zum Thema Sonntagsschutz

    Der Sonntag ist für die jüdisch-christ-     Wem der Feiertag nicht mehr heilig ist,
    liche Glaubenstradition nicht irgendein     der sieht natürlich einen Zwang ihn ab­zu­
    Thema neben anderen, sondern die zen-       schaffen, wenn die Produktionsunter­
    trale und unverzichtbare Kernbotschaft,     brechung zu teuer wird. Man könnte zu­
    um deren Verwirklichung zu kämpfen          gespitzt verallgemeinernd formulieren:
    und zu streiten lohnt. Der Sabbat und           Wer den Gewinn als vornehmlichen
    der Sonntag stehen stellvertretend für      Sinn des Wirtschaftens begreift, wird der
    alles Humane, alles Soziale, alles Recht.   Versuchung anheimfallen, Symbole und
    Im jüdischen Sabbat und dem christ-         Tage, wie Sonntage und Feiertage immer
    lichen Sonntag steckt eine Art Über­        wieder in Frage zu stellen, weil alles was
    lebenscode für Lebensgemeinschaften –       das Gewinnmachen behindert, letztlich als
    wer ihn abschafft, wer dessen Sinn nicht    gefährlich und als geschäftsschädigend,
    mehr versteht, ihn als Wettbewerbs­         ja als Unsinn begriffen wird.
    hindernis betrachtet und als verlorenen
    Arbeitstag verrechnet, verrechnet sich      Die Diskussion und das Nachdenken über
    fundamental und bringt sich um eine         den freien Sonntag ist Anstoß und Anlass
    lebensdienliche Zukunft.                    gleichermaßen über den individuellen wie
                                                gesellschaftlichen Umgang mit der Zeit
    Wer fragt „Was kostet uns der Sonntag?“     nachzudenken und die Bedeutung von
    Der hat den Sonntag bereits zum Ab­         Pausen, von Unterbrechungen und Lebens­
    schuss freigegeben. Wer fragt, was der      rhythmen verstärkt in den Blick zu nehmen.
    Sonntag kostet, hat ihn bereits in einen    Zeitnischen und Zeitoasen werden unter
    Arbeitstag verwandelt und den Gewinn        bestimmten Bedingungen ebenso wie alle
    berechnet, der uns entgeht, wenn wir ihn    anderen ungenutzten Zeiten zu „Störun­
    ungenutzt verstreichen lassen. Und damit    gen“ im Betrieb, da sie als „unnütz“ er-
    ist der Sonntag zerstört. Der Sonntag       scheinen, sobald man sie durch die „Zeit
    ist nämlich gerade darum Sonntag, dass      ist Geld“-Brille betrachtet.
    er nichts kostet und ökonomisch nichts
    bringt (Fulbert Steffenski spricht vom      Ein System aber, das keine regenerativen
    Sonntag als von einem „liebenswerten        Räume und Zeiten dazwischen, keine heil-
    Nichtsnutz“).                               samen Unterbrechungen, keine kleinen

     14    Tag der Arbeit 2011

ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen. Markus 2,27 +++
und großen Sonntage mehr kennt und            transfers. Sie gedeihen und reifen nur auf
     kultiviert, steuert zwangsläufig auf seinen   den kurvigen, holprigen und zuweilen
     Zusammenbruch zu. Wachstum um des             auch staubigen Wegen und Umwegen des
     Wachstums Willen ist kein sinnvoller Zweck    Experimentierens, des Suchens und
     und schon gar kein vernünftiges Ziel.         Aus­­­­probierens.
         Sozialer Zusammenhalt, aber auch ge-          Unserem Land und seinen Einwohner/
     sellschaftliche und individuelle Stabilität   innen mangelt es ganz und gar nicht an
     sind auf heilsame Unterbrechungen, auf        Schnellstraßen – ganz Deutschland liegt
     Zeiten des Dazwischen angewiesen.             an der Autobahn. Es fehlt auch nicht an
         Das enorme Prozesstempo, der uns          Trubel und Ablenkung und den meisten
     umgebenden elektronischen Zauberge­räte       fehlt es nicht einmal an Geld.
     trennt uns zunehmend vom Puls unserer             Doch besteht ein allseitig spürbares
     eigenen Natur und lässt uns die Rhyth­men     Defizit an Geduld, an Besinnung, an Orten
     der äußeren(Natur) vergessen.                 und Zeiten des Nachdenkens und der Ruhe.

     Was an dieser Entwicklung besonders           Es lohnt sich, ja es ist dringend geboten
     beunruhigt: Neben einer bestimmten und        darüber nachzudenken,
     bewährten Sozialkultur bleiben Menschen       ■■ wie schnell wir unser Leben leben wollen,
     auf der Strecke. Menschen, die nicht mit-     ■■ was uns letztlich wirklich wichtig ist und
     halten können oder nicht mithalten wollen.       was uns gut tut,
     Denn die Zeit-ist-Geld-Logik bestraft und     ■■ wie viel Tempo genug ist,
     benachteiligt alle jene Personen, die sich    ■■ an welchen Stellen die Dynamik, das
     Zeit lassen, die mit ihren Mitmenschen,          Tempo, der Veränderungsprozesse ent-
     der Natur und mit sich selbst fürsorglich,       schleunigt werden muss,
     achtsam und liebevoll umgehen und die         ■■ wie wir die richtige Balance zwischen
     Liebe und Freundschaft schnellem Geld            Dynamik und Entschleunigung finden,
     und hohem Tempo vorziehen. Und sie be-           damit „Wirtschaften im Dienst der
     straft noch härter die, die nicht mithalten      Menschen“ kein Schlagwort bleibt,
     können, weil in ihnen bestimmte körper-       ■■ wie ich mit meiner Zeit um gehe und
     liche, seelische und soziale Vorausset­          wie mit meiner Zeit umgegangen wird,
     zungen dafür nicht vorhanden oder ver-        ■■ wo es noch gemeinsame Erfahrungen
     braucht sind …                                   mit Solidarität und mit gemeinsamen
                                                      freien, nicht verwertbaren, unproduk-
     Bei diesen Fragen geht es um mehr als            tiven Zeiten gibt,
     um eine Spielwiese für wertkonservative       ■■ und wie sich der freie Sonntag retten
     Gutmenschen. Es geht um die Substanz             und neu gewinnen lässt?
     unserer Gesell­schaft, unserer Lebenswelt,
     unserer Arbeitswelt.
                                                   Herbert Lucan
        Bildung, Liebe, Freundschaft, Genuss,
                                                   Industrie- und Sozialpfarrer i. R.
     Kunst und Kultur entfalten sich nicht auf     Referat Wirtschaft-Arbeit-Soziales Evangelische Kirche
     den superschnellen Highways des Kapital­      von Kurhessen-Waldeck

                                                                               Tag der Arbeit 2011   15
Sechs Tage sollt ihr sammeln; aber der siebente Tag ist der Sabbat, an dem wird nichts da sein.
Hintergrund

     Auf dem Weg in die
     Rund-um-die Uhr Gesellschaft?
     Sonntage werden immer häufiger zu Werktagen.
     Zugleich breiten sich Samstags- und Abendarbeit aus.
     Verlässliche Sozialzeiten nehmen ab.

     10,7 Millionen Menschen in Deutschland         beschleunigt. 2009 hat die Kurve auf-
     müssen auch an Sonn- und Feiertagen            grund der Wirtschaftskrise, in der viele
     zur Arbeit gehen – drei Millionen mehr         Betriebe eher Kurzarbeit als Sonder­
     als noch Mitte der 90er Jahre.                 schichten einlegten, einen Knick. Die
     Mikrozensus-Daten zeigen, dass heute           noch nicht vor­liegenden Daten für das
     schon gut jede/r vierte Erwerbstätige in       Aufschwung-Jahr 2010 werden voraus-
     Deutschland (28 Prozent) davon betrof-         sichtlich erneut ein Plus an Sonntags­
     fen ist – in einigen Bundesländern wie         erwerbstätigkeit ausweisen.
     Berlin bereits jede/r Dritte.
                                                    (siehe Grafik: Sonntagsarbeit in
     Die Ausbreitung der Sonntagsarbeit be-         Deutschland 1995–2009)
     trifft fast alle Wirtschaftszweige. Immer
     mehr Menschen arbeiten „gelegentlich“          Neben der Sonntagsruhe verlieren auch
     oder „regelmäßig“ an Sonn- und Feier­          andere Säulen unserer Zeitkultur an
     tagen. Die Zahl derjenigen, die „ständig“      Verbindlichkeit. Auch der freie Samstag
     sonn- und feiertags arbeiten, nimmt da-        und der Feierabend sind für fast die
     gegen leicht ab. Der Trend zur Sonntags­       Hälfte der Erwerbstätigen nicht mehr
     arbeit rührt offenbar nicht von den klas-      selbstverständlich. Verlässliche Zeitinseln
     sischen Sonntagsarbeiter/innen wie             für die Familie und Freundeskreis, für
     Pfarrer/innen, Krankenschwestern, Gast­        Erledigun­gen am Samstag, für den
     wirt/innen, Künstler/innen oder Polizist/      Sportverein, ehrenamtliches Engagement,
     innen, deren Einsatz trotz oder gerade         Kultur und Erholung werden weniger.
     wegen des Sonntags immer schon unbe-           Eine „Rund-um-die-Uhr-Gesellschaft“
     stritten notwendig war. Vielmehr sind          kündigt sich an.
     neue Berufsgruppen betroffen, die früher
     kaum sonntags arbeiten mussten, etwa           (siehe Grafik: Atypische Arbeitszeiten in
     Verkäufer/innen, Industriearbeiter/innen,      Deutschland 1995–2009)
     Bauarbeiter oder Angestellte in diversen
     Dienstleistungsbranchen.
                                                    Philip Büttner
          Der Anstieg der Sonntagsarbeit hat        Sozialwissenschaftlicher Referent
     sich im vergangenen Jahrzehnt stark            KDA-Bayern

      16    Tag der Arbeit 2011

2. Mose 16,26 +++ Sechs Tage sollst du arbeiten; am siebenten Tag sollst du ruhen, auch in der Zeit des
Sonntagsarbeit in Deutschland 1995–2009

     Anzahl der Erwerbstätigen, die gelegentlich, regelmäßig oder
     ständig an Sonn- und Feiertagen arbeiten müssen (in Millionen)

       12 Mio.

       10 Mio.
                                                                                 ¢ gelegentlich

        8 Mio.

        6 Mio.

        4 Mio.
                                                                                 ¢ regelmäßig

        2 Mio.

                                                                                 ¢ ständig
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     Atypische Arbeitszeiten in Deutschland 1995–2009

     Anteile der Erwerbstätigen, die auch samstags, sonntags,
     abends, nachts oder im Schichtdienst arbeiten (in Prozent)

         50 %

                                                                                 ¢ Samstagsarbeit
         45 %
                                                                                 ¢ Abendarbeit

         40 %

         35 %

         30 %
                                                                                 ¢S
                                                                                   onn- und
         25 %                                                                     Feiertagsarbeit

         20 %

                                                                                 ¢ Nachtarbeit
         15 %
                                                                                 ¢ Schichtarbeit

         10 %

          5%

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     Berechnungen: Allianz für den freien Sonntag

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Pflügens und des Erntens. 2. Mose 34,21 +++ Wer ist unter euch, der sein einziges Schaf, wenn es ihm
Hintergrund

    Das Bundesverfassungsgericht stärkt
    den Sonntagsschutz
    In seinem Urteil vom 1. Dezember 2009           einigungsfreiheit. Darin, dass Sonn- und
    erklärte das Bundesverfassungsgericht           Feiertage dem ökonomischen Nutzen­
    die in Berlin praktizierte Ladenöffnung         denken eine Grenze ziehen und dem
    an allen vier Adventssonntagen für nicht        Menschen um seiner selbst willen dienen,
    verfassungsgemäß. Damit brachten                sehen die Verfassungsrichter einen
    die Verfassungsrichter einen aus der            Bezug zum höchsten Verfassungsgut:
    Weimarer Reichsverfassung stammen-              der Menschenwürde.
    den Artikel unseres Grundgesetzes zu
    neuer Geltung: „Der Sonntag und die             Ausnahmen dürfen nicht zur
    staatlich anerkannten Feiertage bleiben         Regel werden!
    als Tage der Arbeitsruhe und der see-           Ausnahmen von der Sonntagsruhe müs-
    lischen Erhebung gesetzlich geschützt.“         sen laut Bundesverfassungsgericht als
    Doch welche weiteren Konsequenzen               solche erkennbar bleiben. Das Regel-
    wird das Karlsruher Urteil haben? In sei-       Ausnahme-Verhältnis darf somit nicht auf
    ner ausführlichen Begründung bietet der         den Kopf gestellt werden, wie etwa bei
    Richterspruch gute Hebel, den Sonn-             der pauschalen Öffnung an allen Advents­
    und Feiertagsschutz in Deutschland              sonntagen. Dieses Verhältnis ist nach
    wieder zu stärken. Diese Hebel müssen           dem Urteil aber auch für andere Aus­nah­
    nun auch politisch genutzt werden.              men – etwa Kur- und Bäderorte-Rege­
                                                    lungen, die Sonntagsverkauf fast rund
    Sonntagsschutz ist Grundrechtsschutz!           ums Jahr ermöglichen – kritisch zu
    Die Bedeutung des freien Sonntags ist           überprüfen.
    durch das Urteil des Bundesverfassungs­
    gerichts aufgewertet worden. Im Sonn-           Jede Ausnahme bedarf eines
    und Feiertagsschutz konkretisieren sich         öffentlichen Interesses!
    dem Gericht zufolge verschiedene Grund­         Sonntagsöffnungen im Einzelhandel müs-
    rechte wie das der Religionsfreiheit, der       sen im öffentlichen Interesse stehen.
    körperlichen Unversehrtheit, des Schut­         Dieses muss umso bedeutsamer sein, je
    zes von Ehe und Familie oder der Ver­           umfangreicher die Verkaufsveranstal­tun­gen

      18    Tag der Arbeit 2011

am Sabbat in eine Grube fällt, nicht ergreift und ihm heraushilft? Wieviel mehr ist nun ein Mensch als
sind. Ein bloßes „Shopping-Inte­res­se“                   tigte betreffen und zugleich den öffent­
     von Kunden oder ein wirtschaftliches                      lichen Charakter des Tages verändern.
     Inte­res­se von Händlern recht­fertigen da-
     gegen laut Bundesver­fassungsgericht                      Der Sonntagsschutz gilt
     keine verkaufsoffenen Sonntage.                           24 Stunden lang!
     Der größte Teil der sonntäglichen                         Der freie Sonntag lässt sich nach dem
     Shopping­events – in Berlin ebenso wie in                 Urteil nicht mehr in schützenswerte und
     anderen Bundesländern – ist aber nach                     weniger schützenswerte Abschnitte un-
     Beobach­tung der Sonntagsallianz ganz                     terteilen. Mit der bloßen Schonung der
     offen kommerziell motiviert und muss                      üblichen Gottesdienstzeiten muss man
     daher neu in Frage gestellt werden. Auch                  sich nicht zufrieden geben. Der ganze Tag
     Ausnahmen für Sonntagsarbeit in anderen                   genießt laut Bundesverfassungsgericht
     Branchen sind darauf zu überprüfen, ob                    eine staatliche Schutzgarantie.
     sie nicht bloßem Profitkalkül folgen und
     damit verfassungswidrig sind. Und womit                   Das Grundgesetz schützt bewusst
     könnte ein Sonntagsshopping überhaupt                     den Sonntag als Ruhetag!
     begründet werden? Diese Frage lässt das                   Die Verfassung nimmt mit dem Schutz
     Urteil offen. Das „Versor­gungsinteresse                  der Sonn- und Feiertage eine Wertung
     der Bevölkerung“ kann als Begründung                      vor, die auch in der christlich-abendlän-
     angesichts nicht vorhande­ner Notlagen                    dischen Tradition wurzelt. Der freie Sonn­
     und langer werktäglicher Öffnungszeiten                   tag kann nicht mit dem Verweis auf die
     in der Regel kaum überzeugen.                             Feiertage anderer Religionen in Frage
                                                               gestellt werden.
     Shopping dient nicht der
     seelischen Erhebung!                                      Sonntagschutz ist eine Staatsgarantie,
     Die Behauptung, Shopping selbst diene                     die sich einklagen lässt!
     der seelischen Erhebung und stehe des-                    Mit der Zulassung ihrer Verfassungs­
     halb nicht im Widerspruch zum Sonntags­                   beschwerde sind die Klagemöglichkeiten
     schutz, ist mit dem Verfassungsurteil                     der Kirchen vor den Verfassungs- oder
     zurückzuweisen. Einkaufen ist eine werk-                  Verwaltungsgerichten auch künftig erwei-
     tägliche Tätigkeit. Einkaufsevents beein-                 tert worden. Dies gilt ebenso für andere
     trächtigen die Sonn- und Feiertage sogar                  Grundrechtsträger wie etwa einzelne
     doppelt, da sie besonders viele Be­schäf­                 Beschäftigte oder Gewerkschaften.

     Aus: Sieben Hebel für einen besseren Sonntagsschutz. Information der Allianz für den freien Sonntag

     Freizügigkeit am Europäischen
     Arbeitsmarkt – Chance oder Bedrohung?
     Am 1. Mai 2011 fällt eine entscheidende                   und Bulgarien haben die bestehenden
     Hürde für Arbeitnehmer/innen aus vielen                   Beschränkungen bei der Arbeitsaufnahme
     Ländern Osteuropas: sie brauchen                          noch bis Anfang 2014 Bestand. Mit der
     keine gesonderte Arbeitserlaubnis mehr,                   Freizügigkeit der Arbeitnehmer/innen wird
     um eine Tätigkeit in Deutschland                          ein weiterer Schritt zur Verwirklichung
     aufzuneh­men.                                             eines gemeinsamen Marktes in der EU
                                                               realisiert, der auf den vier Grundfreiheiten
     Sieben Jahre nach Beitritt der neuen EU-                  Freiheit des Personenverkehrs, des
     Mitgliedsländer Estland, Lettland, Litauen,               Warenverkehrs, des Kapitalverkehrs und
     Polen, Slowakei, Slowenien, Tschechien                    von Dienstleistungen beruht.
     und Ungarn gelten auch für sie die vollen                     Mit den offenen Grenzen wurden die
     Freizügigkeitsregelungen. Für Rumänien                    Türen für Missbrauch weit geöffnet. So

                                                                                           Tag der Arbeit 2011   19
ein Schaf! Darum darf man am Sabbat Gutes tun. Matthäus 12,11–12 +++ Und er sah die Ruhe, dass
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