Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de

Die Seite wird erstellt Silvia Seitz
 
WEITER LESEN
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
Forschung im Blick
2015|2016
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
Impressum
Herausgeber
© 2015
Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung
Deichmanns Aue 31–37
53179 Bonn
www.bbsr.bund.de

Redaktion
Christian Schlag

Layout und Satz
KOMBO MedienDesign Rainer Geyer

Bestellung
selbstverlag@bbr.bund.de

Druck
Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Bildnachweis:
Titel: Powell83/fotolia.com; Vorwort: Milena Schlösser
S. 9: Jürgen Hohmuth/zeitort.de;S. 10: Carsten Frenzel/flickr.com
(CC BY-SA 2.0); S. 11: Frerk Meyer/flickr.com (CC BY-SA 2.0); S. 13:
abbilder/flickr.com (CC BY-SA); S. 15: Jürgen Hohmuth/zeitort.de;
S. 16: ChenPG/fotolia.com; S. 18 u. 19: Lars-Christian Uhlig; S. 24:
Jürgen Hohmuth/zeitort.de; S. 27: Ian Prince, skuawk.com
(CC0 1.0); S. 28: geralt/pixabay.com (CC0 1.0); S. 31: Fabian Dosch;
S. 32: Reymer Wulf; S. 36: Rolf Handke/pixelio.de; S. 43: Mar-
co2811/fotolia.com; S. 45: bluedesign/fotolia.com; S. 47: Jörg
Sabel/pixelio.de; S. 48: I. Rasche/pixelio.de; S. 49: M. Fisch; S. 51:
Tiberius Graccus/fotolia.com; S. 56: ABT Immobilien GmbH; S. 57:
Jürgen Hohmuth/zeitort.de; S. 59: Mathias Metzmacher; S. 61:
Mathias Metzmacher; S. 63: Friedberg/fotolia.com; S. 65: Wolf-
gang Reier; S. 67: Andreas Meichsner; S. 71: ZEBAU GmbH/Jens
Gebhardt; S. 72: Helga Kühnhenrich; S. 75: Milena Schlösser

Das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) ist
eine Ressortforschungseinrichtung im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit. Es berät die Bundesregierung bei Aufgaben der Stadt-
und Raumentwicklung sowie des Wohnungs-, Immobilien- und
Bauwesens.
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
Forschung im Blick 2015 |16
Jahresbericht des
Bundesinstituts für Bau-, Stadt-
und Raumforschung (BBSR) im
Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung (BBR)

Bonn 2015
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

unser Land steht unter besonderem Eindruck der Zu­wan­
derung. In diesem Jahr werden Schätzungen zufolge mehr
als eine Million Menschen nach Deutschland kommen. Die
Experten sind sich darin einig, dass wir auch künftig mit
vergleichbaren Zahlen rechnen müssen. Das wird unsere
Städte und Gemeinden verändern.

2014 hatte jeder fünfte Einwohner Deutschlands einen
Migrationshintergrund. Dieser Anteil wird steigen. Das
erhöht den Integrationsdruck in den Kommunen, vor allem
in den Großstädten. Im öffentlichen Diskurs und in der
politischen Diskussion werden zwar die Potenziale von
Zuwanderung für die Volkswirtschaft durchaus wahrge-
nommen. Andererseits werden auch vermutete Überfor-
derungen diskutiert, wenn es beispielsweise um die
Sozialsysteme, die regionalen Arbeits- oder auch die
Wohnungsmärkte geht.                                        spielt dabei eine große Rolle. Darüber hinaus braucht es
                                                            die finanzielle Unterstützung von Bund und Ländern.
Gelingt es uns, die Zuwanderung nach Deutschland durch
Anreize räumlich zu lenken? Wie können wir in kurzer        Die aktuelle Ausgabe soll Ihnen wiederum einen Einblick
Zeit neue Wohnungen in ausreichender Zahl auch dort         in unsere Forschung und Politikberatung zu „Bau, Stadt
schaffen, wo schon jetzt dringend benötigter Wohnraum       und Raum“ bieten. Bereits absehbar freilich ist, dass
fehlt? Auf welche Weise können wir Integration nicht nur    sich unser Aufgabenspektrum durch drei sogenannte
in den sozial benachteiligten Stadtquartieren erleichtern   Zukunftsinvestitionsprogramme erheblich erweitern
und wie kann das die Städtebauförderung unterstützen?       wird: Im Fokus stehen dabei Nationale Projekte des
                                                            Städtebaus, die Sanierung kommunaler Einrichtungen im
Für die Aufgabe „Integration“ kann raumwissenschaft-        Bereich Sport, Jugend und Kultur sowie Modellvorhaben
liche Forschung keine Blaupause liefern, aber sehr wohl     nachhaltiges Wohnen für Studenten und Auszubildende.
Hinweise auf die Weiterentwicklung von Förderprogram-
men und -instrumenten geben. Die fachliche Begleitung       Ich wünsche Ihnen eine interessante Lektüre.
des Leitprogramms der Städtebauförderung „Soziale
Stadt“ sowie Forschungsprojekte und Modellvorhaben
im Experimentellen Wohnungs- und Städtebau bieten
schon jetzt erfolgversprechende Beispiele, wie Städte       Ihr Harald Herrmann
und Gemeinden diese Aufgabe schultern. Auch privates        Direktor und Professor des Bundesinstituts für
Engagement – etwa von Unternehmen und Stiftungen –          Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR)
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
BBS | INHALT

INHALT   Vorwort

         Einleitung
         Bauen und Wohnen, Stadt und Raum: Zur Unteilbarkeit eines
         inneren Zusammenhangs....................................................................................... 8

         FOKUS: Stadt- und Regionalentwicklung............................................................ 14

         Förderprogramm für national bedeutsame Städtebauprojekte:
         ein Ansatz mit Potenzial..........................................................................................17

         Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen..............................................21

         Smart Cities – Mitgestalten!.................................................................................. 25

         Grün in der Stadt..................................................................................................... 29

         Monitoring der Städtebauförderung schafft Transparenz ............................... 33

         Europa ist voller Unterschiede – und hat dennoch vieles gemeinsam...........37

         Neue Wege in der Visualisierung von Verkehrsströmen...................................41

         FOKUS: Wohnen/Immobilien................................................................................ 46

         BBSR-Wohnungsmarktprognose 2030................................................................ 50

         Wohnungsbestände im Wandel ........................................................................... 54

         Verwahrloste Immobilien....................................................................................... 58

         FOKUS: Bauwesen.................................................................................................. 64

         Nachhaltig und umweltgerecht Bauen ............................................................... 66

         Effizienzhäuser Plus – vom Praxistest zur Breitenanwendung........................ 70

         Wie das Bauwesen digital wird  – Building Information Modeling (BIM)...... 74

          Interview
         „Wir brauchen mehr Kooperation“ – Harald Herrmann,
          Direktor und Professor des BBSR, im Gespräch............................................... 78
         Anhang...................................................................................................................... 83

                                                                                                                           BBSR | 7
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

                              Das BBSR berät und unterstützt das          und erarbeitet Analysen, Berichte und
                              Bundes­bauministerium und andere            Prognosen. Ihm obliegt die Betreuung
                              Res­sorts in einem breiten Spektrum von     und Umsetzung der einschlägigen
                              Grundsatz­fragen. Dabei ist es von beson-   Ressortforschungsprogramme sowie
                              derer Bedeutung, dass die Themen des        das Management von Geschäftsstel-
                              Bauens und der Architektur, der Stadt-      len und Initiativen. Darüber hinaus
                              und Raumentwicklung, des Wohnungs-          vertritt es die Ressort­interessen des
                              und Immobilienwesens tiefgreifende          Bundesbauministeriums und teilweise
                              Wechselwirkungen und Rückkopplungs-         auch anderer Ministerien in Gremien.
                              effekte mit anderen Politikfeldern haben.
                                                                          Brücken zwischen
                              Mit eben diesem Bewusstsein arbeitet        den Politikfeldern bauen
                              das BBSR. Zum einen sieht es seine
                              Aufgabe darin, die Politik der Bundes-      Allerdings muss man sehen, dass die
                              regierung durch die Bereitstellung          einzelnen Politikfelder zwar untereinan-
                              statistischer Informationen von der         der vielerlei Berührungspunkte haben,
                              Quartiers- bis zur europäischen Ebene,      sich indes als weitgehend getrennte
                              durch Ad-hoc-Beratung sowie kurz- bis       Sphären im fachöffentlichen Diskurs
                              mittelfristig angelegte Forschung auf den   meist nur distanziert begegnen. Auch
                              Gebieten der Stadt- und Regionalent-        sind ihre Handlungs- und Entscheidungs­
                              wicklung zu unterstützen. Im Mittelpunkt    logiken andere; die jeweiligen gesell-
                              steht dabei die Modell-, Fallstudien- und   schaftlichen Wirkungen sind ebenfalls
                              Pilotvorhabenforschung. Es geht darum,      höchst unterschiedlich. Das BBSR sieht
                              Lösungsansätze vor Ort immer gemein-        u. a. seine Aufgabe darin, hier verstärkt
                              sam mit den Städten und Gemeinden zu        Brücken zu bauen und „zusammen zu
                              entwickeln. Freilich geht es auch um die    bringen, was zusammen gehört“.
                              Frage der regionalen Daseinsvorsorge
                              sowie die Sicherung der Lebensqualität      Die zentrale Frage lautet: Wie schafft
                              im Zusammenhang mit dem Demogra-            man es, die bau- und raumwirksamen
                              fischen Wandel. Zum anderen verzahnt        sektoralen Politikfelder, die Fachpolitiken
                              das BBSR wissenschaft­liche, analyti-       und Fachplanungen so zu koordinie-
                              sche und bautechnische Kompetenzen          ren, dass gesellschaftspolitische Ziele
                              und erbringt Forschungs- und wissens-       erreicht werden? Das BBSR fühlt sich
                              basierte Dienstleistungen für die Bau-,     der Kultur des Interessenausgleichs
                              Wohnungs- und Immobilienpolitik. Es         verpflichtet; seine grundsätzliche Her-
                              analysiert  den Erkenntnisbedarf für die    angehensweise ist eher planerisch als
                              relevanten Themen und Politikziele; es      normativ. Wie beispielsweise im Metier
                              berichtet zu ausgewählten Fachfra-          der räumlichen Planung üblich, werden
                              gen, erstellt Beiträge zur Regelsetzung     alle für das jeweilige Thema relevanten

8 | BAUEN UND WOHNEN – STADT UND RAUM
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
BBSR | EINLEITUNG

                                                                                           Das System „Stadt“ ist komplex.
Gesichtspunkte, Erfordernisse, Zwän-         unsichtbaren (weil oft mittelfristigen        Forschung muss verschiedene
ge und Ziele analysiert, gewichtet und       oder indirekten) Effekte von paralle-         Fachpolitiken und deren Wech-
gegeneinander abgewogen. Dabei wird          len Fachpolitiken ins Visier nimmt.           selwirkungen berücksichtigen.
insbesondere auch die jeweilige Um-
setzbarkeit im gesellschaftspolitischen      Ein beredtes Beispiel stellt aktuell das
Kontext gewürdigt. Sich im Dickicht          Thema des städtischen Wohnens dar.
konkurrierender Ansprüche einen Weg          Hier gilt es, die komplexen Entwicklun-
zu bahnen, wird kaum je gelingen, indem      gen auf den Wohnungsmärkten zeitnah
man unabhängig von topographischen           und differenziert zu analysieren und
Gegebenheiten eine starre Schneise           der Politik in einem emotionalisierten,
schlägt. Mit anderen Worten: Es geht         öffentlichkeitsrelevanten Themenfeld mit
nicht darum, ein wünschenswertes             faktenbasierten, belastbaren Auswer-
Globalziel abstrakt zu definieren, daraus    tungen solide Entscheidungsgrundlagen
dann einzelne Schritte abzuleiten und  –     zu liefern. Die binnen kurzer Zeit deutlich
sei es per Zwang – umzusetzen. Verbes-       angestiegenen Versorgungsdefizite in
serungen sukzessive umzusetzen, darum        dynamischen Wachstums- und Universi­
geht es – das basierend auf Partizipation,   tätsstädten mit kräftig steigenden Mie-
Kompromiss und Machbarkeit. Dabei            ten und Preisen, mittelfristig weiterhin
sind nicht nur Synergien mit Fachpoli-       zunehmende Haushaltszahlen, Zuwan-
tiken wie Wirtschaft, Bildung, Verkehr,      derungen aus dem Ausland, demografie­
Integration usw. zu suchen. Vielmehr         bedingte Strukturverschiebungen auf
ist ein Selbstverständnis zu entwickeln,     der Nachfrageseite und gleichzeitig
anhand dessen man sich als überwöl-          verschärfte energetische Qualitätsan-
bende und gestaltende Zusammenschau          forderungen bei parallel steigenden
etabliert, die gerade die tendenziell        Leerständen in strukturschwachen

                                                                            BAUEN UND WOHNEN – STADT UND RAUM | 9
Forschung im Blick 2015|2016 - Bund.de
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

Mit dem starken Gewicht der
Ballungsräume für die Entwicklung    Regionen setzen die Wohnungs- und            Schicksal ganzer Volkswirtschaften an
der Bundesrepublik sollte auch ein   Immobilienmärkte Deutschlands unter          den Erfolg eines einzigen Ballungsraums
Bedeutungszuwachs der Stadt-         Druck. In Verbindung mit der Energie-        geknüpft: so erwirtschafteten etwa
entwicklung auf Bundesebene          wende und verstärkten Umweltschutz-          Stadtregionen wie Dublin, Kopenhagen
einhergehen. Metropole Hamburg.      anstrengungen steigen vielerorts die         oder das niederländische Randstad
                                     Kosten des Wohnens deutlich und              jeweils allein mehr als die Hälfte des
                                     drohen die Zahlungsfähigkeit vieler          Bruttoinlandprodukts (BIP) ihres Landes.
                                     Bürgerinnen und Bürger zu überfordern.       Doch obwohl die Bedeutung der (Groß-)
                                     Das kann die soziale Stabilität im Land      Stadtregionen durch eine Vielzahl an
                                     gefährden. Als einzige in diesem Bereich     Studien eindrucksvoll untermauert
                                     wissenschaftlich arbeitende Institution      ist, hat sich „Stadtentwicklung“ als
                                     des Bundes ist das BBSR gefordert, die       prioritärer Gegenstand professioneller
                                     Wirkungen aktueller politischer Maßnah-      Expertise und politischen Engagements
                                     men auf Wohnen und Stadtentwicklung          auf Bundesebene bislang kaum entspre-
                                     (u. a. Mietpreisbremse, Mietenpaket  II,     chend etablieren können. Zwar lancierte
                                     Klimaschutzsofortprogramm 2020,              das damalige Bundesbauministerium
                                     KfW-Förderungen) zu evaluieren.              2007 als Konsequenz der Leipzig Charta
                                                                                  zur nachhaltigen europäischen Stadt
                                     Bundespolitische Bedeutung                   eine Nationale Stadtentwicklungspoli­
                                     der Stadtentwicklung                         tik, aber nach wie vor wird von vielen
                                                                                  Beteiligten räumliche Entwicklungspoli-
                                     Nicht minder kompliziert ist die Frage der   tik (Raumordnung) immer noch mehr als
                                     weiteren Stadt- und Raumentwicklung.         Politik für ländliche Regionen verstanden.
                                     Ein breites Spektrum wissenschaftlicher
                                     Untersuchungen belegt, dass Städte           Ende März 2015 haben die Staatssekre­
                                     die Motoren gesellschaftlicher und           täre einen ressortübergreifenden
                                     wirtschaftlicher Entwicklung sind, dass      Beschluss zur nachhaltigen Stadtent-
                                     von ihnen Wachstum und Innovation            wicklung gefasst, der neue Dynamik in
                                     ausgehen, mit Auswirkung auf ganze           das Politikfeld auf Bundesebene bringen
                                     Regionen, ja Staaten oder den Globus         wird. An der Umsetzung wird sich auch
                                     insgesamt. Nicht selten ist sogar das        das BBSR beteiligen. Stichworte sind

10 | BAUEN UND WOHNEN – STADT UND RAUM
BBSR | EINLEITUNG

                                                                                          Baustelle Stadt: Verschiedene
 hier die soziale, inklusive und chancen-     Maßnahmen etc. Die Aufzählung wäre          Nutzungsansprüche in Einklang
 gerechte Stadt, die ressourceneffiziente,    leicht zu verlängern. Eine gemeinsame       zu bringen, verlangt Pragma-
 grüne Stadt oder die Smart City. In der      Wirkung lässt sich aber weder abschät-      tismus. Hafencity Hamburg.
„Innovationsplattform Zukunftsstadt“          zen noch unter Kontrolle bringen.
 werden diese Themen – auch mit Unter-
 stützung des BBSR – zusammengedacht.         Wenn bauliche und räumliche Entwick-
                                              lungsstrategien auf einer (zu) hohen Abs-
Als politikberatende Einrichtung arbeitet     traktions- und Maßstabsebene formuliert
das BBSR getreu dem Bismarck’schen            werden, dann mangelt es ihnen notge-
Diktum, dass Politik die Kunst des            drungen an tagtäglichen Kollisionen mit
Mög­­l­ichen darstellt. Es entwickelt         der politischen bzw. fachlichen Wirklich-
seine In­halte und Themen pragmatisch,        keit. Die aber brauchen sie, um in ihrer
Schritt für Schritt, flexibel und korri-      Relevanz gleichsam „entdeckt“ zu wer-
gierbar  – ohne indes auf eine länger-        den. Sich baulich-räumlich niederschla-
fristige Pers­pektive zu verzichten. Es ist   gende Entwicklungsprobleme können nur
geprägt von der Einsicht, dass zahlreiche     gelöst werden, wenn sie pars pro toto an
Akteure unter­schiedlichste Ansprüche         einer Stelle gebündelt, in ihren Voraus-
an Bau und Raum formulierten. Diese           setzungen, Maßnahmen und Wirkungen
äußern sich beispielsweise in unter-          gegeneinander abgewogen werden,
nehmerischen Standortentscheidungen,          beispielsweise Wohnungsbedarfe gegen
Logistikkonzepten von Großverteilern,         Umwelterfordernisse. Weil es bei Fragen
bodenrechtlichen Spezifikationen,             des Planen-Bauen-Wohnens kaum je
verkehrsinfrastrukturellen Vorhaben,          ein eindeutiges Richtig oder Falsch gibt,
regional­plane­rischen Leitbildern, wohn-     sind geeignete Antworten zumeist nur im
soziologischen Präferenzen, Arbeits-          dialektischen Sowohl-als-auch zu haben.
marktentwicklungen, energetischen
                                                                                            Kontakt
                                                                                            Dr. Robert Kaltenbrunner
                                                                                            Leiter der Abteilung II
                                                                                            Bau- und Wohnungswesen
                                                                                            Tel.: +49 228 99401-2500
                                                                                            robert.kaltenbrunner@bbr.bund.de

                                                                          BAUEN UND WOHNEN – STADT UND RAUM | 11
Stadt- und Regionalentwicklung
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

                                 FOKUS
                        Stadt- und Regionalentwicklung
                                 Dr. Markus Eltges

Wie werden sich unsere           In seiner Forschung zur Stadt- und           bereitungen zum Raumordnungsbericht
Städte in den nächsten zehn      Regionalentwicklung unterstützt das          2016, der seinen inhaltlichen Schwer-
oder zwanzig Jahren verän-       BBSR die Bundesregierung durch               punkt im Politikfeld „Daseinsvorsorge“
dern? Welche Auswirkungen        statistische Analysen von der Quar-          finden soll. Aber auch hier müssen die
wird Zuwanderung durch           tiers- bis zur europäischen Ebene,           räumlichen Folgen aus den steigenden
Flüchtlinge auf unsere Städte    durch Modellvorhaben, Fallstudien            Flüchtlingszahlen untersucht werden.
und Regionen haben? Werden       und Pilotprojekte. Hinzu kommt die
sich die Stadtgesellschaft und   Konzeption von Berichten der Bundes-         Die Forschung des BBSR zur Stadt-
innerstädtische Strukturen       regierung wie dem Raumordnungs- und          und Raumentwicklung richtet sich
verändern? Wie gehen wir mit     dem Stadtentwicklungsbericht.                derzeit an folgenden Clustern aus:
schrumpfenden Regionen um?
Wie verändern neue Technolo-     Zu Beginn des Jahres 2014 wurde              nnSoziale, inklusive und chancen­
gien das Leben in den Städten    der Nationalbericht Habitat III für            gerechte Stadt. Das Thema Integrati-
und auf dem Land? Das            Deutschland im Entwurf verfasst. Bis           on von Zuwanderern und Flüchtlingen
BBSR widmet sich in seiner       zur Habitat-Konferenz in Quito 2016            wird hier im Zentrum stehen. Es sind
Forschung zur Stadt- und Regi-   wird die Entwicklung und Mitarbeit an          langfristige Strategien und Antworten
onalentwicklung diesen und       der „New Urban Agenda“ ein Schwer-             gefragt, die auch eine stadtentwick-
weiteren Fragen.                 punkt sein. Denn nationale Themen              lungspolitische Komponente haben
                                 der Stadtentwicklung müssen mit                müssen. Denn Integration findet vor
                                 europäischen und weltweiten in eine            Ort statt. Für das Programm Soziale
                                 Balance gebracht werden, um Gehör auf          Stadt stehen die Schlussfolgerungen
                                 der internationalen Bühne zu finden.           aus der Zwischenevaluierung der res-
                                                                                sortübergreifenden Strategie auf der
                                 In der Raumordnung stehen die For-             Tagesordnung. Beides Meilensteine,
                                 schung zur Sicherung der regionalen            die ihren Widerhall in der Weiterent­
                                 Daseinsvorsorge sowie die Sicherung            wicklung des Leitprogramms der
                                 der Lebensqualität des ländlichen Rau-         Städtebauförderung finden müssen.
                                 mes durch die digitale Infrastruktur im      nnGrüne Stadt. Das BBSR hat ein Grün-

                                 Mittelpunkt. Ein weiterer Schwerpunkt          buch „Grün in der Stadt – Für eine
                                 sind die Modellvorhaben „Lebendige             lebenswerte Zukunft“ mit zahlrei-
                                 Regionen“. Darin werden die Regionen           chen Partnern erarbeitet, in dessen
                                 aufgefordert, die Konsequenzen aus             Mittelpunkt die integrierte Sichtweise
                                 den fiskalischen Veränderungen durch           des Grüns steht. 2015 startet der
                                 die Schuldenbremse ab 2020 in ihren            Weißbuch-Prozess, an dessen Ende
                                 Entwicklungsstrate­gien zu berücksich-         konkrete Ziele und Handlungsinstru-
                                 tigen. Planung und Finanzen sollen darin       mente für Bund, Länder und Gemein-
                                 enger zusammengeführt werden. Hierbei          den stehen sollen. Ab 2016 sollen
                                 stehen auch Wachstumsregionen im Fo-           über Modellvorhaben und Fallstudien
                                 kus. Schließlich beginnen in 2015 die Vor-     Lösungsmöglichkeiten bei Konflikten

14 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                                                                    Den Perspektiven von Klein­
  im Falle der Nachverdichtung gemein-    nnPeriphere  Kleinstadt. Das for-         städten widmet sich ein aktuelles
  sam mit den Städten und Gemeinden         schungspolitische Augenmerkt gilt       Forschungs­vorhaben im Experimen-
  erarbeitet werden. Eine Studie soll       den Potenzialen von Kleinstädten        tellen Wohnungs- und Städtebau.
  zudem die Frage reflektieren, ob das      in peripheren Lagen. Diese Städte
  städtebauliche Leitbild der Garten-       sind in der Mehrheit durch Schrump-
  stadt auf die heutige Zeit übertragen     fung gekennzeichnet. Es geht um
  werden kann. Im Kern geht es um           die Frage, welche Potenziale diese
  die Frage, wie „Gartenstadt“ im           Städte jenseits des Fremdenverkehrs
  hochverdichteten Bestand aussehen         oder freier (Gewerbe-)Flächen haben
  und gelebt werden kann und soll.          und wie es gelingt, diese Kleinstädte
nnSmarte Stadt. Es gilt, einen Hand-        für gut ausgebildete Zuwande-
  lungsrahmen für die Städte und            rer attraktiv zu machen. Auch die
  Gemeinden zu entwickeln und zu            Entwicklungschancen durch Digitali-
  untersuchen, wie sich die zunehmen-       sierung sollen untersucht und durch
  de Digitalisierung auf den Verkehr,       gute Beispiele hinterlegt werden.
  auf den Stadtraum aber auch auf
  das Regieren in Städten auswirkt        Als wissenschaftliche Einrichtung sieht
  und auswirken kann. Die Smart-City-     das BBSR in diesem neuen Programm
  Forschung ist nur eine Facette der      eine einmalige Chance, die Aufgaben
  Forschung unter der Marke „Stadt        im Bereich des Städtebaus zu vertiefen
  von übermorgen“. Wie werden wir         und zu erweitern. Zu einer inhaltlichen
  künftig arbeiten und wohnen? Sind       Perspektive für das Programm gehört
  unsere Städte für das Klima der         auch, dass das Instrument der Ressort­
  Zukunft angepasst? Setzen sich neue     forschung für die Vorbereitung von
  Mobilitätskonzepte durch? Dies sind     Investitionsprojekten genutzt werden
  grundlegende Fragen einer Natio-        muss, um den Projekten einen nationalen
  nalen Stadtentwicklungspolitik.         Vorbildcharakter durch konzeptionell
                                          gute Vorarbeiten zu ermöglichen.

                                                                          STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG | 15
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

Die Digitalisierung verändert das
Leben in den Städten – wie gut      Fachwissenschaftliche Begleitung          Mit der interaktiven Anwendung „INKAR
sind wir darauf eingestellt? Ein    von Investitionsgrammen ergänzen          online“ geht das BBSR neue Wege in der
neues Forschungscluster des         das Aufgabenportfolio                     Visualisierung regionaler Statistiken. Die
BBSR soll einen Handlungsrah-                                                 Anwendung ist kostenfrei und steht
men für Kommunen entwickeln.        Mit dem Nachtragshaushalt 2015            Interessierten unter www.inkar.de zur
                                    legte das Bundesbauministerium ein        Verfügung. Dieses Angebot wird nach
                                    Zukunftsinvestitionsprogramm für die      und nach ausgebaut. Gleiches gilt für das
                                    Städte und Gemeinden für die Jahre        Transportstrom-Visualisierungs-Modell
                                    2016 bis 2018 auf, um einerseits das      (TraViMo) – ein Instrument für die
                                    schon bestehende Programm „Natio-         Visualisierung von Verkehrsströmen. Mit
                                    nale Projekte des Städtebaus“ um 100      ihm lassen sich erstmals regionale
                                    Millionen Euro aufzustocken und um die    Schwer­punkte des Güter- und Personen-
                                    Sanierung kommunaler Einrichtungen        verkehrs veranschaulichen. Die Kombi-
                                    im Bereich Sport, Jugend und Kultur       nation mit weiteren Datengrundlagen
                                    mit einem Fördervolumen von 140  Mil-     und wissenschaftlichen Modellen erlaubt
                                    lionen  Euro zu unterstützen. Davon       eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten,
                                    werden 100  Millionen Euro dem BBSR       darunter die Notfallplanung im Falle
                                    übertragen. Das BBSR hat hier vor allem   eines Verkehrsträgerausfalls, die
                                    die Aufgabe übernommen, gemeinsam         Bewertung von verkehrspolitischen
                                    mit den Städten und Gemeinden Projekte    Maßnahmen und die Abschätzung von
                                    zu qualifizieren und investiv umsetzen.   Investitionseffekten in den Regionen.

Kontakt
Dr. Markus Eltges
Leiter der Abteilung I
Raum­ordnung und Städtebau
Tel.: +49 228 99401-2001
markus.eltges@bbr.bund.de

16 | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                 THEMA
                         Förderprogramm für national bedeutsame
                         Städtebauprojekte: ein Ansatz mit Potenzial
                                 Lars-Christian Uhlig

Das Bundesministerium für        Im Koalitionsvertrag der Bundesregie-            tionale Wahrnehmbarkeit und Wirkung
Umwelt, Naturschutz, Bau         rung wurde Ende 2013 vereinbart, die             besitzen sowie einen überdurchschnitt-
und Reaktorsicherheit hat        Städtebauförderung als Erfolgsmodell             lichen Qualitätsanspruch hinsichtlich
ein neues Programm „Natio­       gemeinsamer Anstrengungen von Bund,              Bürgerbeteiligung, Städtebau und
nale Projekte des Städtebaus“    Ländern und Kommunen weiterzuentwi-              Baukultur aufweisen. Da die Mittel den
eingerichtet, für das jährlich   ckeln. 2014 hat der Bund die Finanzhilfen        Kommunen über einen Zeitraum von bis
50  Millionen Euro zur Förde-    auf 700  Mil­lionen Euro (2013: 455 Millio-      zu fünf Jahren zur Verfügung gestellt
rung von herausragenden          nen Euro) aufgestockt. Darin enthalten           werden, gibt es genügend Raum, um
Städtebauprojekten zur           ist ein neues Bundesprogramm zur För-            größere und anspruchsvollere Projekte
Verfügung stehen. Das BBSR       derung von „Investitionen in Natio­nale          zu realisieren. Die Themenschwerpunkte
ist mit der Umsetzung und        Projekte des Städtebaus“ im Umfang               des Programms wurden bereits im Zuge
der fachlichen Begleitung der    von 50 Millionen Euro. Im Unterschied            der parlamentarischen Beratungen
Projekte beauftragt              zu den Bundesmitteln der Städtebauför-           verbindlich festgelegt. Für die Jahre
                                 derung handelt es sich hierbei um ein            2014 und 2015 sind dies insbesondere
                                 Investitionsprogramm, bei dem der                Denkmalensembles von nationalem Rang,
                                 Bund den Kommunen direkt und unmit-              die energetische Erneuerung im Quartier
                                 telbar projektbezogene Zuwendungen               sowie Grün in der Stadt. Im Bundeshaus-
                                 gewährt, um damit gezielt Investitions-          halt 2015 stehen gleichfalls 50 Millionen
                                 schwerpunkte im Städtebau zu setzen.             Euro für das Programm zur Verfügung,
                                                                                  die sich durch das Zukunftsinvestiti-
                                 Das Bundesbauministerium hat das                 onsprogramm der Bundesregierung für
                                 BBSR mit der Umsetzung und fachlichen            das Jahr 2015 um weitere 100  Millionen
                                 Begleitung des Programms beauftragt.             Euro erhöhen. Für die Jahre 2016 und
                                 Dabei kann das BBSR nicht nur auf seine          2017 sind jeweils wieder 50 Millionen
                                 Expertise durch die wissenschaftliche            Euro vorgesehen, so dass dann insge-
                                 Begleitung der Städtebauförderung                samt über 100 Nationale Projekte des
                                 zurückgreifen, sondern auch auf die              Städtebaus vom BBSR inhaltlich und
                                 Erfahrungen bei der Umsetzung des                administrativ zu betreuen sein werden.
                                 Investitionsprogramms bei nationalen
                                 Projekten des UNESCO-Welterbes, die             Teilnahmewettbewerbe 2014 und
                                 das Referat „Baukultur und Städtebauli-         2015 fanden großen Widerhall
                                 cher Denkmalschutz“ seit 2009 begleitet.
                                                                                  Um die fachlichen Ansprüche deutlich
                                 Inhaltlich verfolgt das neue Bundespro-          zu machen, wurde jeweils ein Wettbe-
                                 gramm einen umfassenden Ansatz, mit              werb um die Aufnahme von Projekten
                                 dem herausragende städtebauliche Pro-            in das Bundesprogramm vorangestellt.
                                 jekte von nationaler Bedeutung gefördert         Im Jahr 2014 gingen beim BBSR – trotz
                                 werden sollen. Dementsprechend sollen            knapper Antragsfristen – 270 Projekt-
                                 die Projekte eine nationale und interna-         anträge ein. 2015 konnten 168 Bewer-

                                                                               NATIONALE PROJEKTE DES STÄDTEBAUS | 17
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

Speisehaus der Nationen im
ehemaligen Olympischen Dorf   bungen in die Bewertung einbezogen         tigen. Als sehr konstruktiv hat sich
in Wustermark.                werden. Alle Anträge wurden fachlich       dabei die Einbeziehung der Bundesbau-
                              geprüft und für die Auswahl durch eine     verwaltung in den Ländern im Hinblick
                              Expertenjury aufbereitet. Die Jury aus     auf baufachliche Fragen erwiesen.
                              Mitgliedern des Deutschen Bundestags,
                              Vertretern von Ländern und Kommunen        Investitionsprogramm stärkt inte­
                              sowie unabhängigen Fachleuten wählte       grierte Stadtentwicklungspolitik
                              unter der Leitung des Parlamentari-
                              schen Staatssekretärs Florian Pronold      Während der deutschen EU-Ratspräsi­
                              für 2014 21 Projekte und 2015 46 Pro-      dent­schaft 2007 unterzeichneten die
                              jekte aus allen Bundesländern aus.         für Stadtentwicklung zuständigen
                                                                         Ministerinnen und Minister die „Leipzig
                              In einer sehr intensiven Arbeitsphase      Charta zur nachhaltigen europäischen
                              galt es, aus den noch konzepthaften        Stadt“. Sie zielt darauf ab, Ansätze einer
                              Projektanträgen qualifizierte Förder-      integrierten Stadtentwicklungspolitik
                              bescheide zu machen. Dabei war die         stärker zu nutzen. Die Initiative der
                              Aufteilung der Fördermittel gemäß den      Nationalen Stadtentwicklungspolitik
                              Haushaltsvorgaben und den Schwer-          unterstützt Städte und Regionen darin,
                              punktsetzungen durch die Experten-         ökonomische, ökologische und so­ziale
                              jury zu berücksichtigen. In der Regel      Herausforderungen erfolgreich zu
                              bedeutete das eine Teilförderung und       bewältigen und lebenswerte Orte für alle
                              entsprechende Anpassungen der              Bevölkerungsgruppen zu schaffen. So
                              beantragten Einzelmaßnahmen in enger       sind beispiels­weise integrierte städte­
                              Abstimmung zwischen den Kommunen           bauliche Ent­w icklungskonzepte eine
                              und dem BBSR. Eine besondere Heraus-       Voraussetzung für die Aufnahme in eines
                              forderung lag darin, die städtebaulichen   der Pro­gramme der Städtebauförderung.
                              Ziele jedes einzelnen Projekts und die     Weit über 100 vom BBSR betreute Pilot-
                              des Gesamtprogramms zu berücksich-

18 | NATIONALE PROJEKTE DES STÄDTEBAUS
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                                                                        Kassel: Allee und Bergpark
                                                                                        Wilhelmshöhe.

projekte haben innovative konzeptionelle    Städtebauförderung ermöglicht das
Ansätze in der Stadtentwicklung verfolgt.   Bundesprogramm die Umsetzung von
                                            größeren Projekten, die im Rahmen einer
Das neue Bundesprogramm „Nationale          städtebaulichen Gesamtmaßnahme
Projekte des Städtebaus“ geht einen         nicht zu finanzieren wären. Gleichwohl
Schritt weiter, denn es können sowohl       können damit auch städtebauliche
konzeptionelle als auch investive Maß­      Projekte realisiert werden, für die es
nahmen gefördert werden. Das schafft        keine entsprechende Gebietskulisse gibt.
die Möglichkeit einer integrierten
Herangehensweise − vom Konzept bis          Die ersten Nationalen Projekte des
zur baulichen Umsetzung. Der Bund           Städte­baus werden ab 2017 fertig ge-
stellt den Kommunen dafür erhebliche        stellt sein. Der Anspruch an besonders
Mittel zur Verfügung (in der Regel zwei     gute Ergebnisse wurde von Seiten des
Drittel der Projektkosten); und das über    Ministeriums bereits mit dem Projektauf-
einen Zeitraum, der genügend Raum           ruf formuliert („Premiumqualität“). Vor-
für die Erarbeitung und Umsetzung           gesehen ist eine begleitende Evaluierung,
komplexer städtebaulicher Projekte          um frühzeitig Erkenntnisse für die Quali­
lässt. Damit werden die Kommunen            tätssicherung und Weiterentwicklung
in die Lage versetzt, selbst aktiv zu       des Programms zu gewinnen. Durch eine
handeln und ihre städtebaulichen Ambi­      vorausschauende Festsetzung zukünfti-
tionen zu realisieren. In Ergänzung zur     ger Themenschwerpunkte besteht damit

                                                                          NATIONALE PROJEKTE DES STÄDTEBAUS | 19
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

                                                                                         DK

                                                                                         Flensburg

                                                                                                                                              Stralsund
                                                                                                                                        Rostock
                                                                                                           Lübeck

                                                                                                  Hamburg Mölln

                                                                                 Bremen
                                                                                                     Lüneburg

                                                                                                                                                           Bernau      PL
                                                                                                                                                          bei Berlin
                                                                                                                                        Wustermark
                                                                             Porta                                                                                Rüdersdorf
                                                                            Westfalica                                                                             bei Berlin
                                                                                                                                                      Berlin
                                              NL                                                Alfeld
                                                                                               (Leine)
                                                                                                           Goslar                Dessau-
                                                                          Herford
                                                                                    Höxter                                       Roßlau
                                                                     Paderborn                Osterode am Harz
                                              Bottrop                                                                                       Lutherstadt
                                                           Gelsenkirchen                                             Quedlinburg            Wittenberg          Bad Muskau
                                     Oberhausen              Bochum                    Bad               Göttingen
                                                                                    Karlshafen
                                                    Krefeld                                                                                                     Hoyerswerda
                                                                                         Kassel             Bad Frankenhausen              Leipzig
                                                    Köln

                                                                                              Bebra          Gotha      Weimar
                                           Kerpen                                                                                   Gera

                                     BE                       Bendorf

                                                 Koblenz
                                                VG Loreley                                                                 Thurnau              CZ
                                                                                                            Bamberg

                                      LU
                                                                                                                Fürth

                                               Saarbrücken                   Mannheim                      Herrieden
                                                                                                                                   Regensburg

                                                                                                   Aalen             Berching
                                                              FR

                                                                                                  Ulm
                                                                                                                                        Burghausen
                                                                Freiburg im Breisgau
                                                                                                                                                          AT

                                                                                 Wagen im Allgäu           Kempten

                                                                                 CH
                                           100 km
                                                                                                                                                          © BBSR Bonn 2015

                                     Projektstandorte (Stand: 31.07.2015)
                                                                                                                                Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR
                                                                                                                                www.bmub.bund.de/N52065/ (Aufruf vom 23.07.2015)
                                            Projekt des Städtebaus aus 2015 (46)                                                www.bmub.bund.de/N51324/ (Aufruf vom 08.04.2015)
                                                                                                                                Geometrische Grundlage: BKG, Gemeinden, 31.12.2012
Nationale Projekte des Städtebaus.          Projekt des Städtebaus aus 2014 (20)                                                Bearbeitung: R. Schmell

                                     die Möglichkeit, dass sich Deutschland                                     perimentellen Wohnungs- und Städtebau
                                     bei der nächsten EU-Ratspräsidentschaft                                    oder durch Pilotprojekte der Nationalen
                                     im Jahr 2020 mit Projekten in einem                                        Stadtentwicklungspolitik vorstellbar.
                                     internationalen Rahmen präsentieren                                        Dies würde eine frühzeitige Festlegung
                                     kann, die einerseits auf der Basis der                                     der Förderschwerpunkte durch die Poli-
Internet                             Leipzig Charta beruhen und andererseits                                    tik erforderlich machen. Gelingt es, diese
Überblick der Projekte:              Antworten auf die städtebaulichen Fra-                                     neue Art der Förderung über das Jahr
www.bmub.bund.de/N52065/
                                     gen von morgen geben können. Im Sinne                                      2017 hinaus zu verstetigen, sollten solche
Kontakt                              einer effektiven Qualifizierung von Pro-                                   konzeptionell vorbereitenden Arbeiten in
Lars-Christian Uhlig
Referat I 7 – Baukultur und
                                     jekten wäre auch eine frühzeitige kon-                                     die Überlegungen zur Weiterentwicklung
Städte­baulicher Denkmalschutz       zeptionelle Vorbereitung durch den Ex-                                     des Programms einbezogen werden.
Tel.: +49 228 99401-1614
lars-christian.uhlig@bbr.bund.de

20 | NATIONALE PROJEKTE DES STÄDTEBAUS
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                THEMA
                        Die Lage entscheidet – ExWoSt-
                        Forschungsfeld „Potenziale von Kleinstädten
                        in peripheren Lagen“
                                Lars Porsche

Besonders Kleinstädte in         Die Diskussionen der letzten Jahre zu        Sinkende Bevölkerungszahlen
peripheren Lagen spüren          Städten und Stadtentwicklung waren
die Folgen des demografi-        und sind stark durch „global cities“,        Statistische Auswertungen des BBSR
schen Wandels. Ein neues        „mega­cities“, Großstadtagglomera­            zeigen, dass ein entscheidendes Krite­
Forschungsfeld des BBSR un-      tionen und Großstädte geprägt. Aber          rium für die Entwicklung einer Stadt
tersucht, wie diese Kommunen     auch die so genannten „secondary             ihre Lage ist. Für Kleinstädte lässt sich
ihre Zukunftschancen für eine    cities“ sind Thema, da ihnen mindestens      das am Beispiel der Bevölkerungs­
qualitätsvolle Stadtentwick-     eine gewisse ökonomische Funktion            ent ­w icklung veranschaulichen.
lung nutzen können, obwohl       zugesprochen wird. Kleinstädte haben
die Rahmenbedingungen            bisher in Forschung und Politik längst       Es zeigt sich, dass Kleinstädte in zen­
schwierig sind.                  nicht die Aufmerksamkeit inne, die sie       tralen Lagen, d. h. in der Nähe von
                                 verdienen. Die Debatten sind derzeit         Großstädten und Agglomerationen, im
                                 auf Fragen der Attraktivität großer          Durchschnitt Einwohner gewinnen.
                                 Städte und deren Herausforderungen           Diese müssen vor allem auf den damit
                                 wie den Umgang mit Wohnungsknapp-            einhergehenden steigenden Bedarf an
                                 heit und Integration konzentriert.           Wohnraum und technischer wie sozia­
                                                                              ler Infrastruktur reagieren. Peripher
                                Dabei erfüllen Kleinstädte für sich           gelegene Kleinstädte hingegen verlieren
                                und ihr Umfeld eine wichtige Stabili-         seit fast zehn Jahren zunehmend an
                                sierungs- und Entwicklungsfunktion.           Bevölkerung und müssen versuchen,
                                Darüber hinaus tragen sie zur Auf-            Infrastrukturen mindestens aufrecht zu
                                rechterhaltung des polyzentrischen            erhalten und altengerecht zu entwickeln.
                                Städtenetzes bei. Die Bedeutung der
                                Kleinstädte verdeutlichen wenige              In den vergangenen Jahren wurde die
                                Zahlen: Deren Anteil an den Stadt- und        Annahme vertreten, dass eine Zunahme
                                Gemeindetypen beträgt 58 Prozent.             an Arbeitsplätzen der entscheidende
                                33  Prozent der Bevölkerung leben dort.       Faktor sei, um Schrumpfung und Alte-
                                                                              rung zumindest zu bremsen. Dies trifft
                                Die Energiewende wäre ohne die Klein-         für Kleinstädte in peripherer Lage nicht
                                städte mit den hier vorhandenen geeig-        zu. Denn obwohl sie zwischen 2008 und
                                neten Standorten für „flächenintensive“       2013 auch vom konjunkturellen Beschäf­
                                Windkraft- und PV-Anlagen deutsch-            tigtenzuwachs profitieren konnten,
                                landweit nicht so weit fortgeschritten.       sinkt die Bevölkerungszahl weiterhin.
                                Aber Kleinstädte stehen auch vor großen
                                Herausforderungen. Je nach Lage sind          Für Kleinstädte in peripheren Lagen
                                diese sehr unterschiedlich ausgeprägt.        kommt erschwerend hinzu, dass das

                                                                              KLEINSTÄDTE IN PERIPHEREN LAGEN | 21
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

        %
  20
            Groß
                              Mittelstädte               Kleinstädte            Landgemeinden
            städte

  15

  10

   5

   0
                          zentral       peripher        zentral     peripher    zentral         peripher   Geschlechterverhältnis unausgeglichen
              2000 bis 2013                   2008 bis 2013                                                ist: Frauen von 18 bis 30 Jahre wandern
  Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR                                       © BBSR Bonn 2015     häufiger als ihre männlichen Alters-
                                                                                                           genossen ab. Diese Entwicklung hin
Bevölkerungsentwicklung nach Stadt- und Lagetypen.                                                         zu einem Männerüberschuss hat sich
                                                                                                           zwischen 2003 und 2013 verstärkt. Wo
                                                                                                           junge Mütter fehlen, werden weniger
       1990=100
       115                                                                                                 Kinder geboren. Hier wird es schwie-
                                                                                                           riger, Schrumpfung zu bremsen.
       110

                                                                                                           Herausforderungen
       105

       100
                                                                                                           Im Wettbewerb der Kommunen werden
                                                                                                           die strukturellen Nachteile von Klein­
        95                                                                                                 städten in peripheren Lagen auch die
                                                                                                           Sicherung gleichwertiger Lebensbedin-
        90                                                                                                 gungen erschweren.

        85
                     92           95         98         01         04          08         11       13      Schrumpfung und Alterung schlagen sich
                       Insgesamt                   Kleinstädte                                             zudem in den Kommunalfinanzen nieder.
                       Großstädte                  Landgemeinden
                                                                                                           Es verringern sich die Handlungsspiel-
                       Mittelstädte
                                                                                                           räume der Stadtpolitik. Deshalb ist es
        1990=100
        115                                                                                                notwendig, lokal spezifische Strategien
                                                                                                           für die Transformation von Stadt und
        110
                                                                                                           Stadtentwicklungszielen umzusetzen:
                                                                                                           Dazu zählen u. a. der Rückbau von außen
        105
                                                                                                           nach innen oder die Anpassung der
        100                                                                                                tech­nischen und sozialen Infrastruktur.
                                                                                                           Daseinsvorsorgeeinrichtungen müs-
         95
                                                                                                           sen nicht nur an die sich ändernden
         90                                                                                                Anforderungen angepasst werden,
                                                                                                           sondern es stellen sich auch Fragen der
         85
                     92           95         98         01         04          08          11      13
                                                                                                           Finanzierung und neuer Trägerschaften
                       Mittelstädte zentral gelegen                                                        sowie neuer Kooperationsformen mit
                       Mittelstädte peripher gelegen                                                       der Bürgerschaft. Denn allein finan-
                       Kleinstädte zentral gelegen
                                                                                                           zieren können die Kommunen diese
                       Kleinstädte peripher gelegen
       Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR                                © BBSR Bonn 2015
                                                                                                           Infrastrukturen meist nicht mehr. Eine
                                                                                                           Folge kann der Verlust (in-)formeller,
Bevölkerungsentwicklung nach Stadt- und Gemeindetypen.                                                     (grund-)zentralörtlicher Funktion sein,

22 | KLEINSTÄDTE IN PERIPHEREN LAGEN
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                                        DK

                                                                             Kiel

                                                                                                           Rostock

                                                                      Hamburg                   Schwerin

                                                  Bremen

                                                                                                                                           PL

                                                                                                                           Berlin
                                                                   Hannover
               NL                                                                                                      Potsdam
                                                                                             Magdeburg

                                                Bielefeld

                                                                                                                                          Cottbus
                    Essen      Dortmund                                                         Halle/S.

                    Düsseldorf
                                                          Kassel                                             Leipzig
                                                                                    Erfurt
                      Köln                                                                                                          Dresden
                                                                                                                       Chemnitz
                        Bonn

     BE

                                                Frankfurt/M.                                                     CZ
                             Wiesbaden

                                  Mainz
      LU

                                               Mannheim                                      Nürnberg
                    Saarbrücken

                             FR                         Stuttgart

                                                                Ulm

                                                                                                 München                   AT
                              Freiburg i.Br.

                                                  CH
           100 km
                                                                                                                                              © BBSR Bonn 2015

Relatives, am bundesweiten Trend                                                                     Betrachtete Entwicklungsindikatoren:
gemessenes Wachstum/relativeSchrumpfung:                                                              Bevölkerungsentwicklung 2008–2013
                                                                    Größere Kleinstädte
      stark wachsend                                                                                  Durchschnittlicher Wanderungssaldo der Jahre 2009–2013
                                                                    Kleine Kleinstädte
                                                                                                      Entwicklung der Erwerbsfähigen 2008–2013
      wachsend
                                                               Lage                                   Beschäftigtenentwicklung 2008–2013
      stabil                                                       zentral                            Entwicklung der Arbeitslosenquote 2007/8–2012/13
                                                                                                      Entwicklung der Gewerbesteuer 2007/8–2010/13
     schrumpfend                                                   peripher
                                                                                                    Klassifizierung nach der Häufigkeit der Entwicklungsindikatoren im
      stark schrumpfend                                            sehr peripher                    untersten (20% aller Werte) Quintil
                                                                                                    - stark schrumpfend: 3–6 Indikatoren im untersten Quintil
                                                                                                    - schrumpfend: 1–2 Indikatoren im untersten Quintil
Datenbasis: Laufende Raumbeobachtung des BBSR                                                       - stabil: keine Indikatoren im untersten oder obersten Quintil
Geometrische Grundlage: BKG, Einheitsgemeinden und Gemeindeverbände, 31.12.2013                     - wachsend: 1–2 Indikatoren im obersten Quintil
Bearbeitung: A. Milbert                                                                             - stark wachsend: 3–6 Indikatoren im obersten Quintil

                                                                                                                                  Wachsende und schrumpfende
                                                                                                                                  Kleinstädte in Deutschland.

                                                                                                                     KLEINSTÄDTE IN PERIPHEREN LAGEN | 23
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

Kleinstädte übernehmen wichtige
Versorgungsfunktionen für die um-
liegenden Gemeinden. Historischer
Stadtkern – Lübbenau/Spreewald.

                                    von dem auch die Umlandgemeinden          Voraussetzung ist eine gründliche Ana-
                                    betroffen wären. Für diese erfüllen       lyse der wirtschaftlichen, sozialen und
                                    Kleinstädte in peripheren Lagen Ver-      demografischen Rahmenbedingungen.
                                    sorgungs-, Kommunikations-, Stabilisie-   Modellvorhaben sollen ihre spezifischen
                                    rungs- und Entwicklungsfunktionen.        Handlungsanforderungen und Entwick-
                                                                              lungspotenziale identifizieren. Eine
                                    Erhalt und Ausbau des Arbeitsplatz-       wichtige Methode sind dabei Szenarien.
                                    angebots können den demografischen
                                    Trend in diesem Stadt- und Lagetyp kaum   Die Ergebnisse sollen weitere Klein­
                                    entgegenwirken. Daher gilt es genauer     städte in peripheren Lagen dabei unter-
                                    zu untersuchen, welche Strategien und     stützen, ihre zentralen Herausforderun-
                                    Maßnahmen erfolgversprechend sein         gen besser zu bewältigen. Gleichzeitig
                                    können, um dem negativen Bevölke­         soll auch ein Beitrag zur Stabilisierung
                                    rungstrend und Funktionsverlusten         und zukunftsfähigen Entwicklung des
Veröffentlichung
                                    zu begegnen und eine qualitätsvolle       gesamträumlichen Systems mit seinen
BBSR (Hrsg.): Klein- und Mittel-
städte in Deutschland – eine Be-    Stadtentwicklung zu ermöglichen.          unterschiedlichen Stadt- und Lagety-
standsaufnahme, Analysen Bau.                                                 pen in Deutschland geleistet werden.
Stadt.Raum, Band 10, Bonn 2012.
                                    Modellvorhaben sollen Entwick­
BBSR (Hrsg.): Wachsen oder          lungspotenziale identifizieren            Mit dem ExWoSt-Forschungsfeld
schrumpfen? BBSR-Analysen
KOMPAKT 12/2015, Bonn.
                                                                              will das Bundesbauministerium der
                                    Angesichts knapper kommunaler Res-        Bedeutung der Kleinstädte in periphe­
Internet
                                    sourcen ist Ziel des Forschungsfelds,     ren Lagen Rechnung tragen und
www.exwost-kleinstaedte.de
                                    Handlungsspielräume und Freiräume         gleich­zeitig eine Lücke in der Stadt-
Kontakt                             für Experimente zu erschließen, die die   forschung in Deutschland schließen.
Lars Porsche
Referat I 7 – Architektur und       aktuellen Fördermöglichkeiten wie die     Das Forschungsfeld ist Bestandteil
Städtebaulicher Denkmalschutz       Städtebauförderung kreativ ergänzen.      der „Initiative Ländliche Infra­s truktur“
Tel.: +49 228 99401-2351
                                                                              des Bundesbauministeriums.
lars.porsche@bbr.bund.de

24 | KLEINSTÄDTE IN PERIPHEREN LAGEN
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                  THEMA
                          Smart Cities – Mitgestalten!
                                  Dr. Peter Jakubowski

Stadtforschung benötigt            Das BBSR hat den Schwerpunkt                   z. B. im Bereich der städtischen Mobi­
strukturierte Analysen zu         „Smart Cities“ in der von ihm betreu-           lität oder der Urban Governance.
denkbaren Ausprägungen von         ten Ressort­forschung definiert und
Smart Cities – und vor allem       untersucht, was die Digitalisierung            Dabei laufen Digitalisierung und Data-
dazu, wie die öffentliche Seite    für die Städte bedeutet und wie Stadt-         fizierung auf unterschiedlichen Ebenen
der Stadtentwicklung heute         entwicklung den Weg zu smarteren               in schneller Abfolge sehr heterogen ab.
Leitplanken auf dem Weg zu         Städten gestal­ten kann. Zudem wer-            Vielfach hängt die breite Nutzung neuer
Smart Cities einziehen kann.       den zum Thema Smart Cities verstärkt           Datenservices, Verfahren und Produkte
                                   eigene Untersuchungen durchgeführt.            von der marktbestimmten Nutzerakzep­
                                                                                  tanz ab. Diese bestimmt dann die
                                  „Smart cities use information and               Geschwindigkeit und Ausprägung wieder
                                   communication technologies to be more          neuer Trends. Die digitalen Entwick-
                                   intelligent and efficient in the use of        lungen in unseren Städten lassen sich
                                   resources, resulting in cost and energy        also nicht wie mit einem Bebauungsplan
                                   savings, improved service delivery and         planen. Gestaltbar ist aber das Ob und
                                   quality of life, and reduced environmen-       Wie des öffentlichen Engagements
                                   tal footprint – all supporting innovation      auf dem Weg zu smarteren Städten.
                                   and the low-carbon economy“, sagt
                                   Stadtforscher Boyd Cohen. Der Ökonom           Forschungsfragen
                                   Andrea Caragliu ergänzt: „We believe
                                   a city to be smart when investments in         Auch wenn die Wirtschaft häufig den
                                   human and social capital and traditional       Umwelt- und Ressourcenschutz als
                                   (transport) and modern communication           Haupt­argument für die Digitalisierung
                                   infrastructure fuel sustainable economic       von Städten nennt, richtet das BBSR
                                   growth and a high quality of life, with a      seine Arbeitsschwerpunk­te im Bereich
                                   wise management of natural resources,          Smart Cities zunächst auf folgende
                                   through participatory governance.”             Fragen:

                                  Mit der Entwicklung und Einführung             Welche neuen Formen der Berücksich­
                                  digitaler Informations- und Kommuni-           tigung von Bürgerpräferenzen und
                                  kationsnetze werden die unterschiedli-         Bürger-Know-how können neue digitale
                                  chen städtischen Systeme miteinander           Technologien und Analysemethoden für
                                  verknüpft. So eröffnen sich – technisch        die Urban Governance von übermorgen
                                  induziert – neue Möglichkeiten der             eröffnen? Zum einen werden heute schon
                                  künftigen Stadtentwicklung. Digitale           beobachtbare Ansätze einer Stadtent-
                                  Technologien können Prozesse in den            wicklung von unten untersucht, beispiels-
                                  Städten effizienter machen. Sie eröffnen       weise Crowdsourcing oder Sharing-An­
                                  auch völlig neue Handlungsoptionen,            sätze zur Stärkung von Nachbar­schaften.

                                                                                                         SMART CITIES | 25
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

                                                                             Online-
                                          öffentliche                        Handel                           virtuelle &
                                        Fahrradverleih-                     Zentren &                      reale öffentliche
                                           systeme                           Verkehr                            Räume
                                                           Stadtverkehr                   neues Wissen –
                                                               von                           Games,
                                                           Übermorgen                       Prognosen

                                                                            Smart-City-
                                                                                                             Sci-Fi-Cities
                                                                              Charta

                                                                                           webbasierte
                                                          Internationales                   Medien –
                                                                                           Governance

                                                                             Digitale
                                                                             Spaltung

Forschungscluster „Smart Cities“
des BBSR.

                                   Zum anderen werden Bewertungssys­               Chicago investiert in die Datafizierung
                                   teme für städtische Dienstleistungen            seiner Stadt und schafft so eine kosten-
                                   sowie eine „Top-Down-Aktivierung“               los nutzbare innovative Rohstoffbasis für
                                   bürgerschaftlichen Engagements mittels          völlig neue Wertschöpfungsbereiche.
                                   IuK-Technologien analysiert.
                                                                                   Wie kann die breite Digitalisierung
                                   Inwieweit können durch den digitalen            Akteure, Interessen und Machtkons-
                                   Strukturwandel und eine breite Data-            tellationen in unseren Städten beein-
                                   fizierung der Stadt neue und tragfähige         flussen? Neue Akteure gewinnen an
                                   Säulen der Stadtökonomie entstehen?             Bedeutung für die Stadtentwicklung.
                                   Welche Bereiche der lokalen Wirtschaft          Das können sowohl die heute diskutier-
                                   können im Zuge der Digitalisierung und          ten Unternehmen wie Google, Yahoo,
                                   des Aufkommens neuer Geschäftsmo-               Apple oder Uber sein, aber auch andere
                                   delle künftig unter Druck geraten? Zur          Konstellationen der Datenökonomie, an
                                   Einordnung ein Beispiel: Chicago verfolgt       die wir heute noch nicht denken. Auch
                                   seit 2011 eine Initiative zum Aufbau            der Bereich der Predictive Analytics mit
                                   einer Open-Data-Ökonomie. Durch die             seinen Vorhersage- und Empfehlungs-
                                   offene Bereitstellung möglichst gro-            systemen hat das Potenzial, städtische
                                   ßer Teile des gesamten kommunalen               Akteurskonstellationen zu verändern.
                                   Datenaufkommens soll „Rohmate­
                                   rial“ für Entwickler und Ent­w icklungen        Welche Ausprägungen und Auswir-
                                   zur Verfügung gestellt werden. Hierzu           kungen kann eine digitale Spaltung
                                   werden u. a. datensammelnde Sensoren            der Stadtgesellschaft von übermorgen
                                   im Stadtgebiet verteilt, die in kurzen          haben? Wie kann man diesen Tendenzen
                                   Intervallen gigantische Datenmengen             entgegenwirken und welche Akteure
                                   generieren und in Echtzeit für Forschung        sollten dies tun? Die alleinige Konzent-
                                   und Entwicklung zur Verfügung stellen.          ration auf digitale Systeme in zentralen

26 | SMART CITIES
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                                                                    Wie sieht die Stadt von übermorgen
Bereichen des städtischen Zusammenle-      Stadtverkehr der Zukunft deutlich zu     aus? Die Smart-City-Forschung
bens kann zu neuen Formen von Segre-       verändern. Hieraus ergeben sich u. a.    kann das Bild schärfen.
gation, Stadt- und Politikverdrossenheit   folgende Fragen: Welche Akteure be-
und weiteren Problemen der Stadtge-        stimmen die Mobilitätsangebote in den
sellschaft führen. Wie wahrscheinlich      nächsten 25 Jahren? Welche Techno-
sind solche Entwicklungen und welche       logien werden das Verkehrsverhalten
Akteure können den Entwicklungen wie       nennenswert beeinflussen (können)?
entgegenwirken? Sind technologisch be-     Sind die heutigen Visionen realistisch
dingte „Spaltungen“ in Stadtgesellschaf-   oder werden Sie durch die „Trägheit“
ten ein neues Phänomen? Wenn nicht,        gebauter Infrastrukturen ausgebremst?
was kann man aus bisherigen Erfahrun-      Welchen Einfluss haben Design und die
gen für eine vorausschauende Politik der   Möglichkeiten datengestützter „Indivi-
Digitalisierung unserer Städte lernen?     dualisierung“ für den Stadtverkehr von
                                           übermorgen? Mit welchen Rahmen-
Aktuell drängen viele mobile, internet-    setzungen kann die öffentliche Hand
basierte Dienste auf die Mobilitäts-       innovative Entwicklungen fördern?
märkte, die das Potenzial haben, den

                                                                                                  SMART CITIES | 27
BBSR | FORSCHUNG IM BLICK 2015|2016

Smart Citizens in Smart Cities?
                                   Unser Ziel – mitgestalten!                  Interessen weiterer Beteiligter einzu-
                                                                               speisen. Politik und Verwaltung haben
                                   Die Smart City-Diskussion erfolgt derzeit   Saskia Sassen zufolge die Aufgabe, „die
                                   vorrangig technologieorientiert und kon­    Technologien zu urbanisieren“. Damit
                                   zentriert sich auf Ressourceneffizienz      das gelingen kann, hat die praxis­
                                   und die Entwicklung und Besetzung neu-      orientierte Stadtforschung wichtige
                                   er Geschäftsfelder. Es ist aber dringend    Aufgaben zu erfüllen: Sie muss verste-
                                   geboten, dass sich auch die öffentliche     hen, was im Zuge der Digitalisierung
                                   Seite der Stadtentwicklung positioniert.    auf unsere Städte zukommen kann und
                                   Es gilt, das Ziel einer integrierten und    sie muss für die Stadtentwicklungs-
                                   nachhaltigen Stadtentwicklungspolitik       politik auf den verschieden Ebenen
Veröffentlichung
                                   in die Diskussion einzubringen und die      übersetzen, wo sie gestalten kann.
BBSR (Hrsg.): Auf dem Weg zu
Smart Cities – Stadtzukünfte mit
neuen Technologien,
BBSR-Analysen KOMPAKT
04/2014, Bonn.

Kontakt
Dr. Peter Jakubowski
Referat I 5 – Verkehr und Umwelt
Tel.: +49 228 99401-2150
peter.jakubowski@bbr.bund.de

28 | SMART CITIES
BBSR | STADT- UND REGIONALENTWICKLUNG

                                      THEMA
                                Grün in der Stadt
                                      Dr. Fabian Dosch, Stephanie Haury, Juliane Wagner

Die Initiative „Grün in der           Urbane Freiräume erfüllen wesentliche            auf Mehrfachnutzungen von Freiflächen,
Stadt“ ist ein wichtiger              Funktionen für die Stadtgesellschaft:            begrünt Fassaden und Dächer und bietet
Meilen­stein zur Herstellung          etwa als Erholungs- und Begegnungs-              auch bei hoher Verdichtung ausreichend
grüner Städte und erfordert ei-       raum, für Klimaschutz, Lufthygiene               grüne und blaue Strukturen für die
nen langfristig ausgerichteten        und Gesundheitsprävention. Die funk-             vielfältigen Funktions- und Nutzungsan-
Prozess. Sie soll den Stadt-          tionierende Stadtgesellschaft braucht            sprüche. Ein neues Leitbild einer grünen
umbau und Strukturwandel              qualitätsvolle Freiräume mehr denn je,           Stadt von morgen ist die Gartenstadt des
für eine lebenswerte Zukunft          um mit den künftigen sozialen, klimatolo-        21. Jahrhunderts. Diese ist eingebettet in
unterstützen, Kommunen neue           gischen, ökologischen und ökonomischen           das Quartier, gleichzeitig grün und ver-
Ansätze für grüne Infrastruktur       Herausforderungen umgehen zu können.             dichtet, enthält viele gemeinschaftliche
aufzeigen und bestehende              Im Konkurrenzkampf von Städten um                Ansätze und vereint generationsüber-
Strategien und Programme zu           Unternehmen und Einwohner, vor allem             greifende Wohnformen mit dem Wunsch
Stadtgrün zusammenführen.             der Creative Class, aber auch hinsichtlich       eines Lebens in grüner Umgebung.
                                      der Lebensqualität in nachverdichten-
                                      den Städten ist Stadtgrün essenziell.            Reurbanisierung erfordert neue
                                                                                       Grünkonzepte
                                      Grüne Infrastruktur bildet das Kom-
                                      plement zur gebauten Stadt und ist               Durch Reurbanisierungsprozesse leben
                                      ein wesentlicher Teil zukunftsfähiger            immer mehr Menschen in städtischen
                                      Städte (vgl. Abbildung). Sie durchzieht          Räumen. Die meisten Großstädte in
                                      als grünes Netzwerk die Städte, setzt            Deutschland wachsen wieder. Die hohen

                                                                                biologische
                                                                                  Vielfalt
                                                                                    und
                                                                                Ökosystem-             Klima-
                                                            Bildung             leistungen           anpassung
                                                              und                                       und
                                                             Kultur                                    Risiko-
                                                                                                      vorsorge

                                                       Wert-                  grüne
                                                    schöpfung                                             Begegnung
                                                        und               Infrastruktur                       und
                                                     Lebens-                                              Integration
                                                      qualität

                                                                                              Ernährung
                                                                 Gesundheit
                                                                                                 und
                                                                    und
                                                                                                Natur-
                                                                 Bewegung
                                                                                              erfahrung
Funktionen von grüner Infrastruktur
(Quelle: Eigene Darstellung).

                                                                                                          GRÜN IN DER STADT | 29
Sie können auch lesen