Künstliche Intelligenz - Wo steht Deutschland? - DAS TECHNOLOGIE-MAGAZIN dialog - VDE
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Produktprüfung & Zertifizierung Für die Sicherheit von Elektroprodukten ist das VDE-Institut weltweiter Partner für Verbraucher, Industrie, Behörden, Handel und das Elektro- handwerk. www.vde.com/institut
EDITORIAL Mehr Weltstandards für faire Marktzugänge Protektionismus, Subventionismus und künstliche Barrieren bedrohen unser Handelssystem, den technologischen Fortschritt und damit auch das Wirtschaftswachstum und den Wohlstand weltweit. Aus Sicht des Technologieverbandes VDE ist es grob fahrlässig, weiter an der Ab- schottungsspirale zu schrauben, auch wenn der Wunsch nach mehr Schutz gegen Wettbewerbs- verzerrungen verständlich ist. Was im Zeitalter der globalen digitalen Vernetzung zählt, ist ein optimaler Mix aus Competition und Cooperation, die richtige Balance aus Wettbewerb und Zu- sammenarbeit. Starke Innovationen verbunden mit einem offenen, fairen Handelssystem sind die entscheidende Erfolgsbasis. Sofern auf den Märkten gleiche Spielregeln gelten. Europa muss gleichzeitig maximales Engagement für Schlüssel- technologien und herausragende technische Infrastrukturen zeigen, insbesondere für modernste Mikroelektronik und 5G, dem Ner- »Was im Zeitalter der globalen vensystem der digitalen Welt. So ist es zwar erfreulich, dass die eu- digitalen Vernetzung zählt, ist die ropäische Chipforschung in den nächsten Jahren mit insgesamt richtige Balance aus Wettbewerb 1,75 Milliarden Euro von der EU gefördert wird und dies weitere 6 Milliarden Euro privater Investitionen generieren soll. Aber die und Zusammenarbeit.« IC-Hersteller in China haben allein 2018 fast doppelt so viel inves- tiert, mehr als die japanischen und europäischen Hersteller zusammen. Wollen wir in Zeiten von Globalisierung und multilateral verbundener Handelssysteme auch in Zukunft noch eine be- deutende Rolle im Netzwerk der Industrienationen spielen und damit unsere Wohlstandsposi tion auch für die nächsten Generationen weiter ausbauen, müssen Politik und Wirtschaft Inno- vationen am Standort Deutschland mit aller Kraft nach vorne treiben. Vor diesem Hintergrund fordert der VDE höchstes europäisches Engagement für Hightech- Innovationen und fairen Wettbewerb für Zukunftstechnologien. Gerade in Zeiten von immer mehr Protektionismus und Handelsbarrieren sind weltweite Technikstandards wichtige Schlüs- sel für offene und faire Marktzugänge. Die internationale Zusammenarbeit in der elektrotech- TITELFOTO: SERGEY TARASOV / FOTOLIA; SEITE 03: UWE-NOELKE / VDE nischen Normung zeigt, dass und wie das geht. Als eine der zentralen Zukunftstechnologien gilt die Künstliche Intelligenz (KI). Den Ent- wicklungen der KI, ihren Auswirkungen auf Industrie 4.0, auf die Medizintechnik, aber auch auf die mit ihr verknüpften ethischen Fragen ist der Schwerpunkt der vorliegenden Ausgabe ge- widmet. Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre, Ihr Ansgar Hinz, VDE-Vorstandsvorsitzender 03
INHALT 12 Künstliche Intelligenz ist eine der Schlüsseltechnologien des digitalen Wandels. Ihre rasante Fortentwicklung stellt Entwickler und Anwender vor große Herausforderungen – und regt wichtige gesellschaftliche Diskurse an. SPEKTRUM TITEL 06 MELDUNGEN 12 STANDORT DEUTSCHLAND Einheitensystem / Medizintechnik / Cyber Wo steht Deutschland in Sachen KI im interna- Security / Wissenschaftsjahr 2019 / Robotik / tionalen Vergleich? Ein Gespräch mit der neuen Batterieproduktion / Energiewirtschaft / Leiterin des DFKI, Prof. Dr. Jana Koehler. Elektromobilität / 3D-Druck 18 START-UPS 07 PERSONALIA Die deutsche KI-Start-up-Szene boomt. Florian Spiteller / Dr. Volker Kefer / Die Anzahl und die Bandbreite der Anwendun- Vera Schneevoigt / Joe Kaeser gen lassen staunen. Ein Überblick. 08 RUNDRUF 20 MEDIZIN Raus aus der Kohle, ran an die Netze – was einfach Die Medizin erfährt gerade einen KI-getriebenen klingt, ist in der Realität ein Kraftakt. Was muss Umbruch. Er verspricht mehr Effizienz und nun getan werden, damit die Energiewende in weniger Irrtümer. Deutschland gelingt? 24 INDUSTRIE 4.0 11 INTERVIEW Viele KI-Anwendungen sind an eine leistungs- Training für Körper und Geist: Mit brainjo will fähigere Datenübermittlung gebunden – nicht Gründer und CEO Christian Michael Gnerlich das umsonst steht 5G im Fokus der Hannover Messe. erste Fitnessstudio für das Gehirn anbieten. 27 ETHIK Künstliche Intelligenz entwickelt sich rasant – so schnell, dass die Diskussion KI-relevanter ethischer Fragen kaum folgen kann. 04
30 34 Die Autobranche steht vor einem radikalen Umbruch: Die Elektronikarchitektur Vor-Ort-Termin in den USA: Evelozcity CEO Karl-Thomas Neumann im Ge- künftiger Bordnetzkommunikation wird sich mit an klassischer IT orientieren. spräch mit dem VDE über die Mobilitätskonzepte der Zukunft. THEMEN KOMPAKT 30 FAHRZEUGELEKTRONIK 38 VDE-GRUPPE Hochautomatisiertes Fahren erfordert ein 42 Höchstmaß an Komplexität der im Auto verbauten Elektronikteile. Die Folge ist eine AUS DEN REGIONEN Vielzahl hochspezialisierter Kleincomputer an 44 Bord. Unter dem Stichwort „Serverbasierte Architektur“ bahnt sich ein Wandel in der VDE YOUNG NET Automobilindustrie an. FOTOS: SEITE 04: FULLVECTOR / FOTOLIA; SEITE 05: CONTINENTAL AG (L.), SVEN DOORNKAAT (R.) 46 TERMINE 34 ELEKTROMOBILITÄT 48 Mit dem kalifornischen Elektromobilitäts- Start-up Evelozcity geht Ex-Opel-Vorstand SERVICE / IMPRESSUM Karl-Thomas Neumann neue Wege: Jeder 50 muss sich ein Elektrofahrzeug leisten können, so sein Credo. Der VDE hat ihn besucht und DEBATTE mit ihm über seine Vision der Mobilität der Zukunft gesprochen. 05
SPEKTRUM EINHEITENSYSTEM MEDIZINTECHNIK Das Maß der Dinge Fest zugreifen Das Urkilogramm ist bald Ge- Eine gelähmte Hand wieder bewegen können: Für betroffene Patienten schichte. Ab Mai gilt ein neues Ein- ein Traum, der dank eines neu entwickelten Exoskeletts Realität werden heitensystem, das auf unveränderli- kann. Der besondere Clou dieser sehr leichten und trotzdem stabilen chen Naturkonstanten basiert. Entwicklung: Das Gerät soll auch mit Hirnströmen steuerbar sein. Auf der 26. Generalkonferenz für Greifen, Halten, Öffnen und Schlie- ständig anlegen und sich die Modu- Maß und Gewicht (CGPM) ist ein ßen – die Funktionen einer mensch- le einzeln an die Hand stecken. Das grundlegender Wandel im interna lichen Hand sind ein komplexes Zu- Handexoskelett ist aus einem spezi- tionalen Einheitensystem beschlossen sammenspiel aus Muskeln, Knochen ellen Kunststoff hergestellt. Dadurch worden. Physikalische Einheiten wie und Nervenfasern. Beeinträchtigun- ist es möglich, die einzelnen Modu- Kilogramm, Ampere, Mol und Kelvin gen wie der Verlust der Muskelkraft le mit einer geringen Wandstärke zu werden künftig auf der Grundlage von und die eingeschränkte Bewegungs- fertigen, was vor allem bei den Fin- Naturkonstanten definiert, die nach fähigkeit der Hände bedeuten für germodulen wichtig ist. Das Exoske- heutigem Kenntnisstand unveränder- die betroffenen Patienten einen er- lett wiegt mit Motoren und Elektronik lich sind. Damit verliert auch das Ur- heblichen Verlust an Lebensqualität. ungefähr 400 Gramm – das Hand- kilogramm in Paris seine Bedeutung. Forscher des Instituts für Industriel- modul wiegt circa 80 Gramm. Die Änderung war nach Ansicht der le Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) Ein nächster Schritt im Projekt Experten dringend nötig, da bei re- an der Universität Stuttgart haben wird die Steuerung sein. Derzeit ist gelmäßigen Vergleichsmessungen von nun ein Handexoskelett entwickelt, das Modul als eigenständiges, am Un- Urkilogramm und seinen Kopien das mit dem die Greiffähigkeit einer ge- terarm tragbares Gerät mit elektro- Urkilogramm immer leichter zu wer- lähmten Hand wiederhergestellt wer- myografischen und Abstandssensoren den schien – womöglich hervorgeru- den kann. verbunden, um zunächst die elektro- fen durch die Reinigungsprozedur. Das Exoskelett besteht aus einem mechanische Funktionalität des Exo- Zu den sieben auserwählten Natur- zentralen Montagemodul sowie ein- skeletts zu evaluieren. „Das Exoskelett konstanten, die ab 20. Mai das Einhei- zelnen, beweglichen Fingermodulen. soll in der kommenden Entwicklungs- tensystem regeln, gehören die Lichtge- Die besonderen Vorteile des Modells: phase zusätzlich mit Hirnströmen ge- schwindigkeit im Vakuum, die Ladung Zum einen können die Module indi- steuert werden, die beispielsweise mit eines Elektrons und die Zahl der Teil- viduell für jeden Patienten ausgestal- Augenbewegungen kombiniert wer- chen in einem Mol, die sogenann- tet und vor allem die Fingermodule den“, erklärt Erfinder Jonathan Eck- te Avogadro-Konstante. Die weiteren sehr flexibel gestaltet werden. Damit stein, der als wissenschaftlicher Mit- Konstanten sind: die Planck- und die erhält der Patient auch die Möglich- arbeiter im Bereich Antriebssysteme Boltzmann-Konstante, die Frequenz ei- keit, seine Hand zu spreizen und seit- und Exoskelette am IFF arbeitet. Die nes bestimmten Hyperfeinstrukturüber- lich zu bewegen sowie einzelne Finger Innovation soll nun in Zusammenar- gangs in Cäsium-133-Atomen und ein zu bewegen. Zum anderen können beit mit Unternehmen weltweit wirt- photometrisches Strahlungsäquivalent. die Patienten das Exoskelett selbst- schaftlich umgesetzt werden. 06
Personalia +++ 1 FLORIAN SPITELLER ist neuer Bereichsleiter External Relations & 1 2 Support bei VDE|DKE. In dieser Funktion beschäftigt er sich unter anderem mit strategischen Fragestellungen rund um die gesamte Normungspolitik und unterstützt die Managementgremien von IEC und CENELEC. Zu den weiteren Aufgaben zählen Monitoring und Bewertung normungsrelevanter Entwicklungen in mehr als 70 Nationen weltweit. Spiteller war zuvor für Ver- trieb und Marketing des Sensorenherstellers ETO SENSORIC verantwortlich und ist seit seinem Studium engagiertes Mitglied im VDE. +++ Der VDI hat einen neuen Präsidenten. 2 DR. VOLKER KEFER hat sein Amt zum 1. Ja- nuar 2019 angetreten. Kefer ist Geschäftsführer des Beratungsunterneh- mens Kefer Consulting und Kefer Invest sowie Aufsichtsratsvorsitzender bei Vossloh. Bis 2016 war er stellvertretender Vorstandsvorsitzender der DB AG. 3 4 +++ 3 VERA SCHNEEVOIGT hat bei Bosch Building Technologies die neu geschaffene Position des Chief Digital Officers sowie die Entwicklungsleitung übernommen. Zuletzt war sie als Geschäftsführerin von Fujitsu Technology Solutions tätig. Schneevoigt berät Vertreter der Bundes- und Landespolitik zu Fragen des Einflusses der Digitalisierung auf die Arbeitswelt und legt großen Wert auf die Förderung von Frauen – gerade in digitalen Berufen. 2018 war sie unter den Gewinnerinnen des 25-Frauen-Awards der Businessplattform EDITION F. +++ Siemens-Chef 4 JOE KAESER leitet den Asien-Pazifik-Aus- schuss der Deutschen Wirtschaft. Er hat das Amt von Dr. Hubert Lienhard übernommen. Der ehemalige Voith-Chef hatte vor Kaeser viereinhalb Jahre lang den Vorsitz des Ausschusses inne. CYBER SECURITY beteiligt, auf deutscher Seite wirken von Forschung und Entwicklung als das Bundeskriminalamt, das Karlsru- auch im Einsatz bei den Polizeibehör- Razzia im Darknet her Institut für Technologie (KIT) so- den. „Komplexe rechtliche Vorgaben wie das Unternehmen dence mit. müssen schon frühzeitig auf techni- Neue Wege im Kampf gegen kri- Ziel des Projekts ist die Entwick- scher Ebene umgesetzt werden, etwa DB AG/MAX LAUTENSCHLÄGER (2), BOSCH (3), SIEMENS (4) ,ROSERODIONOVA / SHUTTERSTOCK (U.) minelle Aktivitäten im Internet: An- lung von Software zur Unterstüt- in Form der Privacy by Design“, er- FOTOS: SEITE 06: CARLOSCASTILLA / FOTOLIA (L.), UNIVERSITÄT STUTTGART (R.); SEITE 07: VDE (1), satzpunkt sind Kryptowährungen zung der polizeilichen Ermittlungen. klärt Prof. Dr. Franziska Boehm, Lei- als gängiges Zahlungsmittel bei Im Fokus steht die Abwicklung krimi- terin der ZAR-Forschungsgruppe. anonymisierten illegalen Cyberak- neller Geschäfte mithilfe von Kryp- Datenschutzaspekte müssten dabei tivitäten. towährungen wie etwa Bitcoin, die auf schon bei der Grundkonzeption von der Blockchain-Technologie basieren. Software bedacht und implementiert Für Polizei und Justiz ist die Aufde- Hier entwickeln die Projektpartner werden. ckung krimineller Taten im Darknet Software, um elementare Ermittlungs- eine enorme Herausforderung, bie- schritte zu unterstützen, mit denen tet es doch den Tätern die beste Vo- gerichtsfestes Beweismaterial zusam- raussetzung, um anonym zu bleiben. mengestellt werden kann. Ein zweiter Im vom Austrian Institute of Techno- Schwerpunkt liegt auf der Analyse von logy (AIT) koordinierten Programm Darknet-Plattformen, die für illegale TITANIUM werden nun neue foren- Aktivitäten genutzt werden. sische Technologien zur besseren Er- Das Zentrum für Angewand- mittlung und Erforschung von Cyber- te Rechtswissenschaft (ZAR) des kriminalität im Darknet entwickelt. 15 KIT stellt im Rahmen des Pro- Forschungseinrichtungen, IT-Unter- jekts sicher, dass die rechtlichen nehmen und Polizeibehörden aus sie- und ethischen Vorgaben eingehal- ben europäischen Ländern sind daran ten werden – sowohl im Kontext
SPEKTRUM WISSENSCHAFTSJAHR 2019 ENERGIEWENDE Entdecken, was Ran an die Netze möglich ist Der Kohleausstieg ist beschlossene Sache. Doch wie geht es jetzt Das Wissenschaftsjahr 2019 lädt weiter? Was muss nun getan werden, damit die Energiewende in dazu ein, über Künstliche Intelli- Deutschland gelingt? genz und die Gestaltung der Zu- kunft zu diskutieren. Der VDE ist als Partner dabei. PROF. DR. ARMIN SCHNETTLER, Leiter der Kon- Systeme und Anwendungen, die auf zernforschung Energie und Elektronik bei Siemens Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, und Mitglied des VDE-Präsidiums sind vielfach Bestandteil unseres Le- „Zum einen müssen wir die Technologien bis zur Reife bens: Industrieroboter, die schwere weiterentwickeln und die Netzinfrastruktur aufbauen – Arbeiten übernehmen, smarte Com- sowohl für Strom als auch für Gas. Zudem müssen puter, die in kurzer Zeit riesige Da- wir neue Leitsysteme entwickeln, die automatisiert tenmengen verarbeiten können oder den Netzführern Entscheidungshilfen vorschlagen – virtuelle Assistenzsysteme – aus pri- und die nicht zu passiv sind wie in der Vergangenheit. vatem und beruflichem Umfeld ist KI Letztendlich gilt es auch, die Bevölkerung viel früher, nicht mehr wegzudenken. schneller und transparenter zu informieren, damit uns Doch wie funktioniert KI eigent- die Energiewende gelingt.“ lich? Wie wollen wir die Zukunft mit KI und wie die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine gestal- ten? Was ist möglich – und wo liegen PROF. DR. CHRISTIAN REHTANZ, Vorsitzender die ethischen Grenzen des Mögli- der Energietechnischen Gesellschaft ETG im VDE chen? Welche Auswirkungen hat KI „Der Ausbau erneuerbarer Energien an Land, auf See auf unser Zusammenleben als Ge- und auf den Dächern muss massiv vorangetrieben sellschaft? Diese und weitere Fragen werden. Gleichzeitig ist der notwendige Netzaus- sollen im Wissenschaftsjahr 2019 mit bau auf allen Ebenen sowie bei den europäischen dem Thema KI von Bürgerinnen und Nachbarn schleunigst zu realisieren. Die techno- Bürgern im Dialog mit Institutionen, logieneutrale Integration erneuerbarer Energien in Bildungseinrichtungen, Hochschu- den europäischen Elektrizitätsmarkt ist dringend len und Unternehmen diskutiert wer- erforderlich, wobei CO2-Steuerungsreglements kon- den. Durch Filmvorführungen, Dis- sequent anzuwenden und weiterzuentwickeln sind. kussionsrunden, Mitmach-Aktionen Notwendige Flexibilitäten auf Verbraucherseite sowie und vielen weiteren Veranstaltungen Sektorenkopplung sind ebenfalls durch technologie- wird der komplexe Bereich Künst- neutrale Marktmechanismen anzureizen und durch liche Intelligenz ergründet. Aktuelle konsequente Digitalisierung herzustellen.“ Forschungsprojekte und -ergebnis- se werden über den Expertenblog auf der Website vorgestellt. Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftler geben HANS-GEORG KRABBE, Vorstandsvorsitzender ABB dort einen direkten Einblick in ihre „Deutschland ist auf einem guten Weg. Damit die Ener- Arbeit. giewende gelingt, gilt es den Netzausbau zu beschleu- Der VDE ist Partner des Wissen- nigen und eine zukunftsfähige Infrastruktur aufzubauen. schaftsjahres 2019 und unterstützt Wärme- und Verkehrssektor sind ebenfalls gefordert, die Initiative mit zahlreichen Veran- ihren Beitrag zu leisten. Die Elektromobilität wird dabei staltungen. Alle Bereiche des VDE eine zentrale Rolle spielen. Die Energiewende muss je- sind eingeladen, sich mit eigenen Ak- doch bezahlbar bleiben, um die Wettbewerbsfähigkeit tionen einzubringen und aktiv über der deutschen Industrie nachhaltig zu sichern. Für die- die Gestaltung der Zukunft mit KI se Balance müssen wir die Chancen der Digitalisierung zu diskutieren. Weitere Informationen noch stärker und konsequenter nutzen.“ zum Wissenschaftsjahr 2019 sind hier zu finden: www.vde.com/de/arbeitsfelder/po litik/berlin/partnerschaft-wissen schaftsjahr-2019 08
ROBOTIK BATTERIEPRODUKTION Schau mir in die Augen, Kleines! Geballte E-Power Fast so intuitiv wie die Zusammenarbeit unter Menschen: Roboter lernen, In Thüringen entsteht eine der Mimik und Gestik ihrer menschlichen Kollegen zu erkennen. Die Kolla- größten Batteriezellenfabriken Eu- boration wird dadurch deutlich effizienter. Aber: Künstliche Helfer am ropas. Die Planung der Kapazität Arbeitsplatz werden von der Bevölkerung zunehmend kritisch gesehen. wird schon jetzt massiv erhöht. Die Kollaboration von Mensch und Maschine, dass die Armbewegun- Das geplante Batteriezellenwerk des Roboter gehört in den Werkshallen gen nicht ihr gelten. Herzstück der chinesischen Herstellers CATL in schon fast zum Alltag. Bislang stoppt Mensch-Roboter-Interaktion sind in- Erfurt könnte größer werden als ur- aus Sicherheitsgründen der Robo- telligente Algorithmen und 3D-Ka- sprünglich geplant. Europachef Mat- ter jedoch seine Bewegung, sobald meras, die dem Roboter quasi als thias Zentgraf hält eine Kapazität von der Mensch einen großräumigen Si- Auge dienen. bis zu 100 Gigawattstunden für rea cherheitsbereich um ihn herum be- Vielleicht können solche Technolo- listisch. Ursprünglich hatte CATL ge- tritt. Wissenschaftler des Fraunho- gien das Image von Robotern in der plant, in der ersten Ausbaustufe eine fer-Instituts für Werkzeugmaschinen Gesellschaft steigern. Die Psycholo- Fabrik mit einer Kapazität in Höhe von und Umformtechnik (IWU) haben gen Timo Gnambs von der Johannes 14 Gigawattstunden pro Jahr zu errei- eine Technologie entwickelt, mit der Kepler Universität Linz und Markus chen. Für 2026 waren dann 60 Giga- die Zusammenarbeit mit industriel- Appel von der Julius-Maximilians- wattstunden im Gespräch. Nun hat FOTOS: SEITE 08: SIEMENS, PRIVAT, ABB (V.O.N.U.); SEITE 09: FRAUNHOFER IWU (L.), CATL (R.) len Großrobotern jetzt fast so intui- Universität Würzburg haben Daten das Unternehmen laut dem Bran- tiv funktionieren soll wie mit mensch- der Eurobarometer von 2012, 2014 chendienst electrive seine Planungen lichen Kollegen – und damit deutlich und 2017 analysiert. Bei diesen reprä- nach oben geschraubt. Laut Zentgraf effizienter. Nähert sich der Mensch sentativen Erhebungen wurden insge- gebe es nun deutlich mehr Anfragen dem Arbeitsbereich rund um den Ro- samt 80.396 Bürgerinnen und Bürger von Automobilherstellern als erwartet. boter, erkennt dieser dessen Gesten, aus 27 Ländern Europas im Auftrag Grund seien die neuen CO2-Ziele. Er Gesicht und Körperhaltung. So kann der Europäischen Union zu aktuel- geht daher von einem Bedarf in Höhe der Mensch seinem metallenen Kol- len Themen befragt. Das Ergebnis: von 100 Gigawattstunden im Jahr legen beispielsweise über Hand- und Die Vorbehalte der Bevölkerung ge- 2025 aus. Die Produktion in Erfurt Armgesten Arbeitsaufträge geben. gen Roboter am Arbeitsplatz sind ge- soll schon 2021 starten. Ursprünglich „Unsere Technologie holt die Gesten- wachsen, so die Psychologen. Werden wollte CATL bis 2022 rund 240 Mil- steuerung in den Industriebereich“, Roboter im Allgemeinen noch relativ lionen Euro in den Standort investie- sagt Mohamad Bdiwi, Abteilungslei- positiv bewertet, gaben die Befragten ren. Das chinesische Unternehmen ter am Fraunhofer IWU. jedoch deutlich negativere Bewertun- hat sich bereits ein ausreichend großes Neben den Händen des Menschen gen ab, sobald sie mit konkreten An- Areal in Thüringen gesichert. Es han- behält der Roboter auch dessen Ge- wendungen konfrontiert wurden, wie delt sich um zwei Flächen mit jeweils sicht im Blick. Schaut der Mensch etwa Altenpflegerobotern oder selbst- 35 Hektar plus weitere 17 Hektar für zur Seite oder nach hinten, weiß die fahrenden Autos. einen Zulieferer-Park. 09
SPEKTRUM ENERGIEWIRTSCHAFT ELEKTROMOBILITÄT Lass die Sonne rein Schnell zur vollen Ladung Erneuerbare Energiequellen sind Das Aufladen eines Elektrofahrzeugs so schnell und einfach machen wie auf dem Vormarsch. Allen voran herkömmliches Tanken – das soll nun an einer Ladestation in der baye- die Solarenergie mit einem großen risch-schwäbischen Provinz möglich sein. Gewährleistet wird dies durch Zuwachs an der Stromerzeugung. eine gesteigerte Ladeleistung von bis zu 450 Kilowatt. Sonnenenergie liegt ganz weit vorn. Tanken bei einem Auto mit Verbren- automatisch der maximal zulässigen Wissenschaftler des Fraunhofer-In- nungsmotor geht schnell und ist in Ladeleistung des Fahrzeugs an. stituts für Solare Energiesysteme wenigen Minuten erledigt. Elektro- Das im Projekt eingesetzte Ener- (ISE) haben die Jahresauswertung zur autos brauchen an den herkömmli- gieversorgungssystem von Siemens Stromerzeugung in Deutschland im chen Ladestationen oft lang, bis aus- kann bereits mit Spannungen von Jahr 2018 vorgelegt. Danach verzeich- reichend Energie für die nächsten bis zu 920 Volt arbeiten und soll die nete die Solarenergie mit einem Plus Kilometer getankt ist. Das soll sich Grenzen der Schnellladefähigkeit von von 16 Prozent den größten Zuwachs, nun ändern: Im Rahmen des For- Fahrzeugbatterien erproben. In das vor der Windenergie mit 5,4 Prozent. schungsprojekts FastCharge wurde System wurden sowohl die Hochleis- Die Nettostromerzeugung aus Kohle, im bayerisch-schwäbischen Jettingen- tungselektronik für die Ladeanschlüs- Gas und Wasserkraft nahm dagegen Scheppach der Prototyp einer La- se als auch die Kommunikations- ab. Der Anteil aller erneuerbaren Ener- destation mit einer Leistung von bis schnittstelle zu den Elektrofahrzeugen giequellen an der öffentlichen Netto- zu 450 Kilowatt eingeweiht. Die in integriert. Dieser Lade-Controller stromerzeugung – also dem Strom- dem Projekt entstandenen Elek tro- sorgt für eine automatische Anpas- mix, der tatsächlich aus der Steckdose Forschungsfahrzeuge können in we- sung der abzugebenden Leistung, so- kommt – lag bei über 40 Prozent. Die niger als drei Minuten für die ersten dass verschiedene Elektroautos mit deutschen Photovoltaikanlagen speis- 100 Kilometer Reichweite geladen einer Infrastruktur geladen werden ten 2018 etwa 45,7 Terawattstun- werden. Für nahezu volle Batte rien können. Dank der modularen Archi- den (TWh) ins öffentliche Netz ein. werden lediglich rund 15 Minuten tektur des Systems soll dies auch bei Die maximale Solarleistung wurde benötigt. mehreren Fahrzeugen simultan mög- am 2. Juli 2018 um 13:15 Uhr mit Die Ultra-Schnellladestation ist lich sein. etwa 32 Gigawatt erreicht, das waren für Elektromodelle aller Marken mit FastCharge wird von einem Indus- 39 Prozent der gesamten Stromerzeu- der in Europa üblichen Typ-2-Vari- triekonsortium unter der Führung gung zu diesem Zeitpunkt. Von April ante des Combined Charging Sys- von BMW betrieben. Weitere Partner bis August 2018 war die monatliche tem (CCS) geeignet und kann ab so- sind PHOENIX CONTACT, Por- Stromerzeugung von PV-Anlagen hö- fort kostenlos genutzt werden. Je nach sche, Siemens sowie der E-Mobilitäts- her als von Steinkohlekraftwerken. Die Fahrzeugmodell kann sie sowohl für Spezialist Allego. FastCharge wird mit Wasserkraft trug aufgrund des extrem Fahrzeuge mit 400-Volt- als auch insgesamt 7,8 Millionen Euro durch trockenen Sommers nur mit 17 TWh 800-Volt-Batteriesystemen eingesetzt das Bundesministerium für Verkehr zur Stromerzeugung bei. werden. Die Ladeleistung passt sich und digitale Infrastruktur gefördert. 10
GEHIRNTRAINING Training für Körper und Geist Das Start-up brainjo hat Großes oder genauer: Sportliches vor – die Entwicklung des ersten Fitnessstudios für das Gehirn. Im Interview erklärt der Gründer und CEO Christian Michael Gnerlich, der sich im Arbeitskreis des VDE Nordbayern engagiert, was genau es damit auf sich hat und warum Italien 2006 Fußballweltmeister wurde. Was ist brainjo? den zum Beispiel im Topmanagement Wir wollen mit brainjo physische Trai- oder bei Leistungssportlern Anwen- ningsgeräte mit Methoden für geistiges dung. Die italienische Fußballnational- Training verbinden. Dazu entwickeln mannschaft beispielsweise hat vor der wir eine Softwarelösung, welche die WM 2006 damit trainiert. Und wurde Daten sammelt, die an den verschie- Weltmeister. Für uns ist es interessant, denen Geräten erhoben werden. Die- solche Dinge in ein Lifestyle-Umfeld wie se werden dann durch eine intelligente eben ein Fitnessstudio zu holen. Datenanaylse ausgewertet und mitein- ander korreliert. So lässt sich ein per- Warum muss es eigentlich ein Fit- sonalisiertes Training schaffen, das auf nessstudio sein? Gehirnjogging jeden einzelnen Trainingsteilnehmer zu- zum Beispiel kann ich ja auch mit geschnitten ist. Schließlich ist ja schon einer App auf meinem Smartphone CHRISTIAN MICHAEL GNERLICH, lange bekannt, dass physisches Trai- machen. Gründer und CEO von brainjo ning auch große Auswirkungen auf den Wir haben im vergangenen Jahr ein geistigen Zustand haben kann. Proof of Concept erarbeitet und unsere Geräte im nichtmedizinischen Bereich Wie weit ist Ihr Projekt? Welche Methoden für das geistige getestet. Dabei erhielten wir die Reak- Zunächst wollen wir jetzt EXIST durch- Training kommen zum Einsatz? tion, dass die Anwender das gerne im laufen – das ist ein Förderprogramm Aktuell arbeiten wir mit Biofeedback Rahmen ihres normalen Fitnessstudio- des Bundesministeriums für Wirtschaft und Neurofeedback. Dabei werden Aufenthalts machen würden. Die Men- und Energie. Dabei möchten wir den wie bei einem EEG Gehirnströme ge- schen wollen geistiges und physisches ersten Prototypen bauen. Diesen wür- messen. Auf diese Weise kann ein Training gebündelt an einem Ort durch- den wir gerne in einem betriebsinter- Teilnehmer quasi mit seinen Gedanken führen. Außerdem haben wir so die nen Fitnessstudio installieren, um erste ein Computerspiel steuern. Das dient Möglichkeit, alle Daten in einer zentralen Studien mit Kunden durchzuführen. Im dazu, schneller in einen konzentrierten Datenbank zu speichern, Zusammen- besten Fall findet sich danach ein In- Zustand zu kommen und diesen länger hänge zu erkennen und das Training zu vestor, der die Entwicklung zum vollen aufrechtzuerhalten. Solche Geräte fin- personalisieren. Produkt möglich macht. FOTOS: SEITE 10: JONAS GLAUBITZ / FOTOLIA (L.), SIEMENS (R.); SEITE 11: PRIVAT 3D-DRUCK se, sondern als Ganzes druckt. Das additive Verfahren seien vergleichs- „Computed Axial Lithography“- weise langsam und die Qualität der Revolution in der (CAL)-Verfahren macht zunächst Oberflächen begrenzt. Die CAL- Aufnahmen eines Objekts aus ver- Technologie könne Objekte im Zen- additiven Fertigung? schiedenen Blickwinkeln. In einem timeterbereich in 30 bis 120 Sekun- Projektor werden die Einzelbilder zu- den drucken, so die Wissenschaftler. US-Forschern ist es gelungen, sammengesetzt und als Lichtmuster Außerdem ließen sich Komponenten Objekte als Ganzes statt wie bis- auf eine zähflüssige, lichtempfindli- konstruieren, die andere bereits vor- her schichtweise zu drucken. Ins che Lösung geschickt. Überschüssi- handene feste Objekte umschließen – piriert wurde das Verfahren von ges Material kann später abgegossen so könnten also mehrere Materialien der Computertomographie. und weiterverwendet werden. miteinander kombiniert werden. Der Prozess sei von den Bildre- Denkbare Einsatzgebiete für die Wissenschaftler um Brett Kelly von konstruktionsverfahren der Compu- CAL-Technik liegen zum Beispiel der Universität Kalifornien haben tertomographie inspiriert worden, in der Medizintechnik zur Herstel- ein Verfahren entwickelt, das Objek- schreiben die Forscher in der Fach- lung von Implantaten oder in der te nicht wie sonst üblich schichtwei- zeitschrift Science. Herkömmliche Luftfahrtindustrie. 11
TITEL KÜNSTLICHE INTELLIGENZ 12
STANDORT DEUTSCHLAND VIEL LICHT, ABER AUCH SCHATTEN! Spitzenreiter oder Entwicklungsland: Wo steht Deutschland in Sachen Künstlicher Intelligenz wirklich? Der VDE dialog hat eine Handvoll Expertinnen und Experten gefragt – allen voran Prof. Dr. Jana Koehler vom DFKI, die „neue Chefin für die Künstliche Intelligenz“ (F.A.Z.). INTERVIEW CHRISTIAN SÄLZER, MARTIN SCHMITZ-KUHL In ihrem neuen Büro auf dem Cam- Wenn es eine KI-Weltrangliste pus der Universität in Saarbrücken gäbe, auf welchem Platz würde stapeln sich noch nicht ausgepack- Deutschland stehen? te Umzugskisten. Das ist nicht ver- Anhand welcher Kriterien wollen Sie wunderlich. Immerhin ist Prof. Dr. das festmachen? Natürlich kann man Jana Koehler gerade erst von der die Innovationskraft eines Landes be- Hochschule Luzern nach Deutsch- werten oder einen bestimmten Indus- land zurückgekehrt, um hier eines triesektor vergleichen, Sie können die der weltweit größten Forschungszen- Professuren mit KI-Bezug oder die tren für Künstliche Intelligenz zu lei- Arbeitsplätze in der IT zählen. Aber ten – das DFKI. In der wirtschafts- sagt ein einzelnes Kriterium so viel nahen Einrichtung mit Standorten aus? In der Summe bin ich sicher, in Kaiserslautern, Saarbrücken und dass Deutschland unter den Top Five Prof. Dr. Jana Koehler, Bremen sowie einem Projektbüro in ist. Vorsitzende der Geschäfts- ILLUSTRATIONEN (SEITE 12 –17): FULLVECTOR / FOTOLIA, (COMPOSING: MARTIN WOLCZYK); FOTO: SEITE 13: DFKI führung des Deutschen Berlin arbeiten fast 600 hochqualifi- Forschungszentrums für zierte Wissenschaftler an rund 240 Selbst Ihr Vorgänger am DFKI, Künstliche Intelligenz Forschungsprojekten. Finanziert wer- Prof. Dr. Wolfgang Wahlster, der den diese durch Bund und Bundes- stets die Stärke des KI-Standor- länder sowie private Gesellschafter – tes Deutschland betont, sagt, dass deutsches Amazon aufzusetzen. Es neben Mittelständlern viele deutsche die USA und China bei KI-Anwen- gibt eine globale Arbeitsteilung und und internationale Konzerne, darun- dungen auf digitalen Kundenplatt- kein Land ist in jedem Bereich Spit- ter auch Google. formen, also im Onlinehandel, in zenreiter. Koehler tritt ihr Amt an, wäh- der Werbung und bei den sozialen rend in Deutschland eine kontro- Medien, einen uneinholbaren Vor- Und in welchem Bereich ist verse Standortdebatte geführt wird: sprung haben. Deutschland Spitzenreiter? So möchte Bundeskanzlerin Angela Natürlich haben die USA Google, Nehmen Sie die HARTING Techno- Merkel mit ihrer nationalen KI-Stra- Facebook und Amazon und hat Chi- logiegruppe, den Weltmarktführer für tegie „Deutschland und Europa bei na Alibaba – und entsprechend große Steckverbindungen – auch da geht es der Künstlichen Intelligenz weltweit Datenmengen aus der virtuellen Welt um KI. Steckverbindungen mögen zum Spitzenreiter“ machen. In einer werden dort generiert. Aber sind wir nicht so sexy sein wie Google oder SPIEGEL-Kolumne hieß es dazu, deswegen abgehängt? Unsere Wirt- Facebook, aber kein Gerät der Welt das klänge so, als verspreche Grie- schaft ist nach wie vor top und unse- funktioniert ohne Stecker. Genau chenland, die nächste Fußball-WM re Daten aus Maschinenbau und Me- solche Unternehmen aber sind es, zu gewinnen. Dazu muss man wis- dizintechnik sind Grundlage für neue die Arbeitsplätze schaffen und für sen: In der FIFA-Weltrangliste steht Industrien und Serviceangebote. Ich sozialen Wohlstand sorgen. Google Griechenland auf Platz 45. hielte es nicht für sinnvoll, jetzt ein macht tolle Sachen. Aber wie viele 13
TITEL KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Arbeitsplätze schafft Google und was hat der durchschnittliche Amerikaner davon? Bei KI geht es um Lösungen Nur Mittelmaß für Prozesse in praktisch jedem Un- bei KI-Start-ups ternehmen. Es ist ganz klar, das sagen auch amerikanische Business-Ana- „Künstliche Intelligenz (KI) lysten: Mögen USA und China in der hat eine strategische Be- digitalen Welt spitze sein, in der realen deutung für den Standort Welt werden die Deutschen weiterhin Deutschland. Dies spiegelt eine führende Rolle spielen – auch sich allerdings noch nicht in mit und dank KI. Zumal wir in der den in KI tätigen deutschen Grundlagenforschung sehr gut sind. Start-ups wider: Sowohl absolut wie auch relativ zur Anzahl aller Unternehmen nimmt Deutschland in Be- Heißt das, dass Sie Deutschlands zug auf KI-Start-ups international den 9. Rang ein. Vorne sind absolut betrachtet KI-Chancen vor allem bei indus Länder wie die USA und China, relativ zur Größe des jeweiligen Landes aber auch triellen Anwendungen sehen? Israel, Finnland und Schweden. Es gibt viele Bereiche, in denen wir Die Gründe für das deutsche Abschneiden sind vielfältig: Die KI-Start-up- vorne dabei sind, sei es der Maschi- Landschaft steckt noch in den Anfängen. Es gibt in Bezug auf Gründungen und nenbau, die Elektroindustrie, Ge- Forschungseinrichtungen zum Thema keine Konzentration, sondern viele Zen- sundheit, Finanzen oder Telekommu- tren. KI-Gründungen sind damit auch abseits großer Forschungseinrichtungen nikation – und in all diesen Bereichen möglich, gleichzeitig gibt es so möglicherweise weniger Spillover und Synergi- geht es heute schon und wird es künf- en. Auch die öffentliche Förderung von KI ist verbesserungswürdig: Zwar hat die tig auch um Künstliche Intelligenz Bundesregierung erste Schritte in die richtige Richtung getan, aber nun gilt es, gehen. öffentliche Gelder effizient einzusetzen und private Investitionen anzuregen. Um im internationalen Wettbewerb um KI mithalten zu können, ist auch eine Bislang wendet laut einer aktuel- gemeinsame europäische Anstrengung sinnvoll. Dabei kommt gerade Deutsch- len Studie von BCG GAMMA nur land zupass, dass – anders als beispielsweise in den USA, wo der Fokus bei KI die Hälfte aller deutschen Unter- auf personenbezogenen Daten liegt – im starken Industriesektor laufend nicht- nehmen KI-Technologien an und personenbezogene Daten anfallen. Deren Nutzung für KI-Produkte und -Anwen- bei den meisten ist das erst ein dungen könnte sich zu einem komparativen Vorteil für Deutschland und Europa vorsichtiges Herantasten. ausbauen lassen.“ Die Hälfte wäre bereits enorm gut. Wenn man sich bei Gartner die Dr. Vera Demary (l.), Dr. Henry Goecke (r.), Institut der deutschen Wirt- schaft Köln a ktuellen Zahlen anschaut, sind auch ituation passt. Und es gibt unsere S in den USA viele Unternehmen in Living Labs, in denen man sich sehr der Erprobungsphase. Viele experi- konkret anschauen kann, wie KI in mentieren und sammeln in Ruhe Er- der Anwendung funktioniert. Hinzu fahrung, und das ist auch völlig in kommt: Wir investieren auch in die Ordnung. Man muss sich vom Hype 80 Prozent „Nicht-KI“. Denn in fast nicht verrückt machen lassen. Jedes jeder Lösung ist der KI-Anteil relativ Unternehmen muss für sich schauen, klein. Damit es funktioniert, müssen welche Möglichkeiten sich ihm bie- sie enorm viel herumbauen. Das ist ten. Wichtig ist, dass wir dem Mittel- sehr aufwendig, aber nur so kommt stand dabei helfen. Denn mittelstän- die Lösung zum Kunden. dische Unternehmen haben oft nicht die freien Ressourcen, um passge- Viele sehen die Lage in Deutsch- naue KI-Lösungen zu entwickeln und land kritischer, auch den Stand zu integrieren. Sie brauchen Partner der Forschung. Der SPIEGEL mit dem entsprechenden Know-how hat kürzlich vorgerechnet, dass und auch der Bereitschaft, mit ins Ri- auf KI-Konferenzen wie der NIPS siko zu gehen. Genau das machen wir in den USA oder der ICML in beim DFKI. Unsere Mitarbeiter sind Schweden kaum deutsche Beiträ- in den Unternehmen vor Ort, hören ge vertreten waren. genau zu, was die Probleme sind, und Allein unser DFKI-Kompetenzzen- wählen dann aus vielen Methoden die trum für Deep Learning in Kaisers Lösung aus, die für diese konkrete lautern hat dieses Jahr drei Papiere
auf der NIPS. Außerdem: NIPS und Man muss sich klarmachen, wie kom- ICML sind zwar wichtige Konferen- plex und langwierig der Weg von der zen, aber IJCAI, AAAI, ECAI und Invention zur Innovation ist. Was in andere, mehr spezialisierte Konfe- den Markt kommt, ist vor 30 oder renzen, sind genauso wichtig. Es gibt 40 Jahren erforscht worden. Die ers- eben nicht die eine KI. KI vereint ten neuronalen Netzwerke sind aus ganz unterschiedliche Technologien den 1940ern, für Roboterstaubsau- und Aynwendungsfelder. Nein, die ger von heute begann die Forschung Forschung ist nicht das Problem in vor einem Vierteljahrhundert. Das Deutschland. Wir sind sogar oft früh sind lange Horizonte und es gibt im- dabei. Verbesserungspotenzial findet mer Durststrecken, die man aushal- sich vor allem in den nachgelagerten ten muss. Unser Problem ist, dass Phasen des Innovationsprozesses. wir in diesem Prozess vielleicht zu oft zu früh aufgeben. Das haben die Sie meinen also, dass aus guten Amerikaner uns voraus: Sie fördern Ideen keine kommerzialisierbaren sehr zielorientiert und bleiben dran, Produkte oder Dienste werden? auch wenn es Fehlschläge gibt. Das Kai-Fu Lee, ehemaliger Präsi- Start-up, das Siri entwickelte, war ein dent von Google China, sagt, dass Ergebnis eines DARPA-Forschungs- Deutschland zwar exzellente Uni- programms von vier mal fünf Jahren. versitäten habe, die Wissenschaft- Hinzu kommt, dass es Start-ups in ler ihre Erkenntnisse aber nicht Europa oft nicht schaffen, aus eigener anwenden. Kraft zu wachsen. Häufig werden sie dann in einem frühen Stadium von Ein riesiger Rückstand internationalen Firmen aufgekauft. ist aufzuholen Sie haben Ihre Stelle im DFKI an- getreten, kurz nachdem die Bun- „Das grundsätzliche Problem des deutschen Tech- desregierung ihre KI-Strategie nikdiskurses: das richtige Maß. Zu oft schwebt, wenn präsentierte und ein Fördervolu- wir von KI reden, der Geist der Artificial General Intel- men von drei Milliarden Euro bis ligence im Raum, der dem Menschen letztlich überle- 2025 angekündigt hat. Nun wird genen Entität, vor der selbst Elon Musk und Stephen von vielen kritisiert, dass dies zu Hawking warnen und warnten. wenig sei und andere Länder deut- Doch reden wir stattdessen von der kleinstmög- lich mehr investieren. lichen automatisierbaren, wertschöpfungsrelevanten Es ist nicht verwunderlich, dass China Entscheidung, dann sind wir längst im Zeitalter praktischer Anwendung ange- mit 1,3 Milliarden Einwohnern hö- kommen. Jetzt braucht es Daten, Daten, Daten und deren Aggregation. Jetzt here Summen investiert als Deutsch- braucht es Mustererkennung und Data Scientists. Und da verlieren wir uns man- land mit 80 Millionen. Und die För- gels echter Visionen hierzulande wieder im Klein-Klein, lassen trainierte Netz- derung der Bundesregierung soll ja werke Brillenmodelle vergleichen und Flugpreise anpassen und unsere wenigen auch als Hebel für Länder und In- Datenwissenschaftler dezentral dasselbe, längst gelöste Problem bearbeiten: dustrie wirken. Hinzu kommt, dass Predictive Maintenance für alle! auch die Europäische Union Gelder Doch dafür ist die Unfähigkeit, sich Anwendungen im Mittelfeld zwischen bereitstellt und die europäischen KI- Salestool und KI-Gottheit vorzustellen, nur ein Grund. Es gibt in Deutschland ja Gesellschaften sehr gut vernetzt sind. FOTOS: SEITE 14: IW MEDIEN; SEITE 15: MAXTHRELFALLPHOTO durchaus ein KI-Bewusstsein, Start-ups und spannende Ansätze von Merantix Es gibt keinen Grund, das schlecht- bis MAIoT. Allein: Im Wettstreit um die Datenmengen, die zum KI-Training nö- zureden. Entscheidend ist, wie erfolg- tig sind, hält China die Führung. Und im Wettstreit um die klugen Köpfe liegt reich wir dieses Geld in hohe Qualität mit Palantir eine letztlich sehr amerikanische Firma vorn. Um in diesem Span- investieren. nungsfeld relevant zu werden – und dazu müssen wir uns klarmachen, dass wir das heute nicht sind und, anders als von Beruhigungsapologeten wie dem DFKI Trotzdem drückt sich in der För- behauptet, ein riesiger Rückstand aufzuholen ist –, braucht es einen informiert dersumme auch aus, welchen Stel- fördernden Staat und die sektorenübergreifende Zusammenarbeit deutscher Un- lenwert man der Zukunftstechno- ternehmen. Beides sehe ich derzeit nicht.“ logie KI zuspricht. Allein für die Verkehrsinfrastruktur werden in Christoph Bornschein, CEO der Digitalagentur TLGG, Berlin Deutschland 18 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben. 15
TITEL KÜNSTLICHE INTELLIGENZ Das ist auch enorm wichtig. Es nutzt hochmotivierte Teams, die eine Visi- wenig, eine Eliteforschung aufzu- on haben, für die sie brennen. Und bauen, wenn für Wirtschaftsleistung ich bezweifle, dass es unserer Wirt- und Wohlstand zentrale Infrastruktu- schaft guttäte, die KI-Förderung ren im Land marode sind. Das ist die und -Forschung zentralistisch zu ge- Situation in den USA: Dort gibt es stalten. Was wir brauchen, sind sehr Hightech-Inseln, aber weite Teil des gute Universitäten sowie Qualität in Landes sind abgehängt. Ich glaube der Breite und auch in der Tiefe, das nicht, dass wir das wollen. Unser breit heißt, hervorragende Berufsausbil- aufgestellter Mittelstand braucht eine dung und Fachhochschulen. Top-Infrastruktur, um erfolgreich zu sein. Ich glaube auch, dass wir vor al- Die Bundesregierung will 100 lem noch mutigere und spannende- neue KI-Professuren schaffen. Wo re Ideen brauchen – und das ist nicht sollen die Fachleute denn herkom- vom Geld abhängig. men – zumal sie anderswo wesent- lich mehr verdienen können? Wie soll das Geld denn ausgege- Natürlich gibt es einen Wettbewerb ben werden? Braucht es zum Bei- um die besten Köpfe. Die Grundla- spiel ein Leuchtturmprojekt an genforschung ist extrem global, ob in einem attraktiven Standort, um Stanford, an der ETH Zürich oder internationale Spitzenkräfte an- am DFKI – überall arbeiten Leute zuziehen? aus der ganzen Welt. Man wird also Auch Google war anfangs kein auch Experten aus dem Ausland ho- Leuchtturm, das waren drei oder vier len müssen. Ich halte eine deutsche Leute. Um die Welt zu verändern, Universitätsprofessur aber durch- braucht es am Anfang meist nicht aus für attraktiv. Man ist finanziert, viel. Was man braucht, sind kleine hat neben der Grundausstattung sehr gute Möglichkeiten Drittmittel einzu- werben und die meisten Lehrstühle haben inzwischen viele Mitarbeiten- Deutschland könnte de. Häufig unterschätzt werden auch die „weichen“ Faktoren: Man will treibende Kraft werden doch dort arbeiten, wo man in einer intakten Umwelt sicher und in sozi- „Deutschland war schon in der Vergangenheit alem Frieden leben kann. Warum ist KI-Vorreiter. Von dort kamen zum Beispiel seit den zum Beispiel die Schweiz für interna- 1980ern und 1990ern nicht nur die ersten selbstfah- tionale Forscher so attraktiv? Unter renden Autos, sondern auch das für die moderne KI anderem, weil sie ein stabiles Sozial- ganz zentrale Deep-Learning-Verfahren LSTM. Diese system hat und öffentliche Dienstleis- Durchbrüche wurden seinerzeit allerdings nicht an tungen perfekt organisiert sind. bekannten KI-Instituten erzielt, sondern erwuchsen aus Einzelinitiativen kleiner, verstreuter Forschungs- Die KI-Strategie der Bundesre- gruppen. Deutschland hat es damals leider versäumt, frühzeitig auf diesen An- gierung umfasst ein Bündel von fangserfolgen aufzubauen, alles hochzuskalieren und große KI-Institute um diese Maßnahmen, von Kompetenzzen- Thematik herum ins Leben zu rufen, auch um die Kommerzialisierung voranzutrei- tren für den Mittelstand 4.0 bis ben. Führende Köpfe wanderten stattdessen ab ins Ausland. Heute befinden sich zu KI-Observatorien. Ist das der die Unternehmen mit den höchsten Gewinnen in diesem Bereich nicht in Europa, richtige Weg? sondern am Pazifik. Grundsätzlich ist es klug, die Vielfalt Doch es ist noch nicht zu spät! Denn Europa und gerade der deutschsprachi- beizubehalten, neue Ideen mutig auf- ge Raum wären eigentlich dazu bestimmt, treibende Kraft der nächsten KI-Welle zugreifen und alle Phasen des Inno- zu werden, bei der es um intelligente Maschinen und Roboter gehen wird. Schon vationsprozesses noch besser zu ver- jetzt ist das nämlich der Ort, wo die meisten der raffinierten Maschinen hergestellt zahnen. Ich glaube, dass das Modell werden, von zahlreichen Unternehmen, die weltweit führend in ihren Märkten des DFKI in vielerlei Hinsicht ein gu- sind. Allerdings: Dafür wird man (mehr) Geld ausgeben müssen – für neue Orga- ter Weg ist, um effizient zu konkre- nisationen, Institute, Start-up-Förderungsmaßnahmen, „Moonshot“-Projekte und ten Lösungen zu kommen, die die Ähnliches.“ Unternehmen, aber auch die Gesell- schaft voranbringen. Nehmen Sie Prof. Dr. Jürgen Schmidhuber, wissenschaftlicher Direktor des Schweizer zum Beispiel unsere Aktivitäten am KI-Forschungsinstituts IDSIA DFKI Berlin im Bereich Bildung und Smart City. Wir sind eine gemeinnüt- 16
zige GmbH mit öffentlichen und pri- vaten Gesellschaftern, Standorten an den Universitäten und dem Fokus Gefahr, den Anschluss auf Innovationstransfer. Gleichzei- zu verpassen tig sind wir über unsere Gesellschaf- ter aus Industrie und Mittelstand sehr „Technologisch sind Anbieter aus den USA insge- eng mit der Wirtschaft verbunden. So samt überlegen – oder werden zumindest so wahr- kommen tolle Ideen aus der Grund- genommen, wie unsere Studie zu den Potenzialen lagenforschung schneller in die Pra- der künstlichen Intelligenz (KI) in der Industrie 4.0 xis und grundlegende Praxisproble- darlegte. Zudem werden aufstrebende Länder wie me schneller in die Theorie. Auch die beispielsweise China zunehmend zu ernsthaften Ausbildung profitiert, wenn Theorie Konkurrenten. Dass Anbieter aus Deutschland aus und Praxis sich ergänzen. Erfolgrei- einer technologischen Betrachtung heraus Nachhol- che Beispiele sind das Retail Lab für bedarf haben, zeigt sich darin, dass die USA bei zentralen KI-Anwendungen wie den Handel oder die Smart Factory Predictive Analytics und Intelligenten Assistenzsystemen wie auch bei relevanten für Industrie 4.0. Querschnittstechnologien wie Computer Vision, Aktionsplanung und Optimierung sowie Maschine Learning führend sind. Ein mögliches Risiko besteht darin, dass Sie sprachen vorhin von einem Unternehmen – insbesondere auch die Anbieter – aus Deutschland nicht aus- FOTOS: SEITE 16: NATIONAL GEOGRAPHIC; SEITE 17: INSTITUT FÜR INNOVATION UND TECHNIK (IIT) „Hype“. Wo sehen Sie den vor al- reichend in die KI investieren und damit Gefahr laufen, aus einer internationalen lem? Perspektive den Anschluss zu verpassen. Die Vorstellung, dass die eine KI all Aber: Der Markt für KI in Deutschland bietet erhebliche Chancen und ein be- unsere Probleme löst, ist überzogen achtliches Wertschöpfungspotenzial. Gerade bei den KI-Anwendungen intelligen- und auch gefährlich. Unsere Proble- te Automatisierung und intelligente Sensorik sind deutsche Unternehmen bereits me müssen wir selbst lösen, eine Viel- weit vorne. Und auch ansonsten genießen Anbieter aus Deutschland und der EU zahl von Technologien hilft uns da- einen Vertrauensvorschuss. Diese Chance gilt es zu nutzen.“ bei. Ein Beispiel: Wir sind noch sehr weit entfernt davon, dass Maschi- Dr. Inessa Seifert, VDI/VDE Innovation und Technik GmbH und Studienleite- nen Sprache wirklich verstehen kön- rin im Team der Begleitforschung von PAiCE. nen, aber die Spracherkennung hat immense Fortschritte gemacht und funktioniert jetzt in kontrollierten kontrollierten Bedingungen gehalten. Verhalten entwickeln zu können, mit Umgebungen gut. Aber haben Sie Es ist auch keine gute Idee, den Men- dem man diese Ziele erreicht. Men- sich mal gefragt, warum Amazon bei schen mittels KI ersetzen zu wollen. schen können und machen das. Bei Alexa keinen Akku eingebaut hat? Er ist die Quelle der Wertschöpfung, KI geht es um die Frage, ob auch Technisch wäre das problemlos mög- also bringen wir ihn doch besser in Computer das können. Und wenn ja: lich. Indem Sie sie an der Steckdose eine spannendere Arbeit! Innovati- Sollen wir ihnen erlauben, sich selbst- lassen müssen, wird sie jedoch unter on ist weit mehr als Rationalisierung. ständig Ziele zu setzen? Sind die- Was wir brauchen, sind Anwendun- se Ziele kompatibel mit unseren Zie- gen, die unser Leben besser machen len? Und welche Arten von Verhalten und uns bei den großen Herausforde- dürfen Maschinen entwickeln? Ich rungen helfen – wie Klimawandel, de- bin der Meinung, dass wir Menschen mografische Entwicklungen, globale den Maschinen die Ziele vorgeben Mobilität oder Ressourcenknappheit. und ihr Verhalten kontrollieren soll- ten. Wir dürfen KI kurzfristig nicht Die Bundesregierung will KI vo- überschätzen, langfristig aber auch ranbringen und gleichzeitig „ge- nicht unterschätzen. Und wir können sellschaftliche Grundwerte und viel tollere Sachen machen, wenn wir individuelle Grundrechte“ in Zei- uns nicht von dem Hype leiten lassen, ten Künstlicher Intelligenz wah- sondern auf die realen Möglichkeiten ren. Anders als etwa in China gibt schauen. es hierzulande nicht nur Vorbehal- te gegen das Sammeln von Daten, sondern auch gesetzliche Schran- ken. Ist das nur hinderlich oder auch eine Chance? Könnte ein reflektierter Umgang mit KI ein Markenzeichen deutscher oder CHRISTIAN SÄLZER, europäischer Innovationen sein? MARTIN SCHMITZ-KUHL Ja, das glaube ich. Intelligenz bedeu- sind freie Autoren aus Frankfurt am Main und Re- tet für mich, sich Ziele setzen und dakteure beim VDE dialog. 17
TITEL KÜNSTLICHE XXX INTELLIGENZ KI starts up Laut Institut der deutschen Wirtschaft gibt es derzeit 164 KI-Start-ups, mit Abstand die meisten von ihnen übrigens in Berlin. Auffällig dabei: die große Bandbreite der Anwendungen. Sieben Beispiele. Maschinelles Scouting bei Werder Bremen Die Daten zur Analyse von Fußballspielen sind enorm angewachsen. Jede Aktion wird erfasst und selbst vor und nach den Spielen werden in sozialen Netzwerken und Medien unentwegt weiter Daten generiert. Ein KI-Tool des Bremer Start-ups JUST ADD AI unterstützt die Scouts der Vereine – angefangen bei Werder Bremen – Wenn Maschinen bei ihrer Talentsuche, indem es all diese Daten emotional werden aus- und bewertet. Mit eigenen neuronalen Netzen sollen künftig auch der Marktwert von Das Unternehmen audEERING, ein Spin-off der Spielern und ihr Entwicklungspotenzial prognos- TU München, wurde Ende vergangenen Jahres tiziert werden. für sein intelligentes Audio-Analyseverfahren mit dem Innovationspreis Bayern ausgezeichnet. Die Technologie erkennt mithilfe von KI rund 50 menschliche Emotionen. Langfristiges Ziel ist es, damit zu erreichen, dass Maschinen nicht nur verstehen, was wir sagen, sondern wie und unter welchen Umständen – damit sie irgend- wann auch wirklich empathisch reagieren und smart in unseren Alltag integriert werden können. 18
Eine App, die vor Ernteausfällen schützt Das Berliner Start-up PEAT hat bereits abgehoben und bekam 2017 nicht nur den Der Riecher für den Digitalpreis „The Spark“, sondern stand auch nächsten Bestseller in der US-amerikanischen Zeitschrift Fortune Das Hamburger Start-up QualiFiction hat einen in der Liste der sechs Unternehmen, die die Bestseller-Algorithmus entwickelt. Der soll Welt verändern können. Der Grund: Mit ihrer Verlagen dabei helfen, die zahllosen Manuskrip- App Plantix können Bauern Krankheiten oder te zu sichten. Das Programm, das schon in Schädlinge erkennen. Ein spezieller Algorith- einigen Verlagshäusern im Einsatz ist, wurde mus analysiert Fotos von Pflanzen, die der vorab mit rund 10.000 Büchern und den Nutzer zuvor hochgeladen hat. Ein künstli- entsprechenden Verkaufszahlen „gefüttert“. ches neuronales Netz versucht dann, Damit soll es zwar nicht die Textgüte beurteilen typische Muster zu identifizieren, um Erkran- können, wohl aber, ob der Text voraussichtlich kungen auszumachen und Handlungsanwei- wirtschaftlich erfolgreich sein wird – angeblich sungen zu geben. mit einer Trefferquote von 77 Prozent in 30 bis 60 Sekunden. Die KI und das Reagenzglas Das junge Biotech- und Life-Sciences- Start-up BIOMES ist eine Ausgründung der TH Wildau. Das Unternehmen hat die erste DNA-basierte Darmflora-Analyse auf den Markt gebracht, die die Gesamtheit aller bekannten Bakterien-Genome im menschli- chen Darm identifizieren soll. Die Interpreta tion der Analyse basiert auf einer Wissens datenbank, die nahezu alle weltweiten Mikrobiom-Studien vereint. Mit der nächsten Finanzierungsrunde will das Start-up weitere Mikrobiom-Analysen wie etwa Haut- oder Viele Daten auswerten, Mundflora-Tests auf den Markt bringen. viel Geld verdienen Es wundert nicht, dass am Standort Frankfurt viele neue KI-Unternehmen starten, die ihr Styling-Beratung Geschäft im Finanzsektor machen wollen. Eine vom Chatbot besondere Nische hat sich hierbei das 2015 gegründete Start-up EVANA ausgesucht. Denn Das Potsdamer Start-up HypeTag hat mit es ist ein sogenanntes PropTech, also ein Inspora einen Chatbot entwickelt, der seinen Unternehmen, das die Immobilienbranche © АРТЁМ КОВЯЗИН, © RAMAN KHILCHYSHYN, © DAVOODA, Nutzern Outfit-Tipps gibt. Der Algorithmus hat digitalisieren will. Um das Durchsuchen aller vom Know-how menschlicher Stylisten gelernt relevanten Informationen rund um den Kauf oder und schlägt seit Anfang des Jahres jetzt die Verwaltung einer Immobilie zu übernehmen, selbstständig – auf Basis von Kleidergröße, bastelten die Gründer an einer KI-Software- © KUROKSTA © PUCKUNG / FOTOLIA Passform, Wetter und anderen Faktoren – pas- lösung – und sammelten dafür allein in der sende Outfits vor. Diese Idee überzeugte auch Finanzierungsrunde im vergangenen Jahr FOTOS: XXX Wendelin Wiedeking. Der ehemalige Por- mehrere Millionen Euro ein. sche-Boss soll einen hohen sechsstelligen Betrag in das Unternehmen investiert haben. 19
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