FORUM ALPINUM 02-2021 - Schweizerische Gesellschaft ...
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FORUM ALPINUM 02-2021 Gebirgsmedizin: Das erste Standardwerk ist da! Seite 4 Interview mit Machern Matthias Hilty in die UIAA gewählt: Seite 11 Portrait eines Perfektionisten Telemedizin in den Bergen: Seite 13 App e-Rés@mont endlich auch auf Deutsch Ausrüstungspartnerschaft mit Zukunft: Seite 15 SGGM, Lowa und Norrøna spannen zusammen Der Kampf gegen die Gletscherschmelze: Seite 16 Die verrückten Ideen des Felix Keller www.sggm-ssmm.ch
Inhalt | Ausgabe 02 – Mai 2021 Inhalt 03 Tommy Dätwyler | Editorial 04 Neues Standardwerk für die Notfallmedizin Interview mit Hermann Brugger und Corinna Schön 11 Neues Schweizer Mitglied in der UIAA Portrait von Matthias Hilty 13 Telemedizin www. spit zhorn.ch e-Rés@mont-App nun auch auf Deutsch 14/15 Neue Ausrüstungspartnerschaften w w w. s p i t z h o r n . c h 16 Der Kampf gegen die Gletscherschmelze Interview mit dem Glaziologen Felix Keller Nicht ein Unikat sondern 23 Agenda | Wichtige Daten dein Unikat SWISS HANDMADE www.karlenswiss.ch Titelbild: Die SGGM-Ärzte sind neu eingekleidet und als Norrøna-Botschafter unterwegs: Corinna Schön (rechts) und Melanie Kuhnke (Foto zvg.) Impressum Forum Alpinum Herausgeber / Éditeur Layout / Mise en page Schweizerische Gesellschaft für Gebirgsmedizin Druckform – die Ökodruckerei Société suisse de médecin de montagne Gartenstrasse 10, 3125 Toffen Società Svizzera di Medicina di Montagna Erscheinen Präsidium / Présidence 4 x jährlich / par an Corinna Schön Email: praesident@sggm-ssmm.ch Redaktionsschluss Ausgabe 03 – 2021 Mitte Juni 2021 Kassier / Caissier Michael Bigger Druck / Impression Email: kassier@sggm-ssmm.ch Druckform – die Ökodruckerei Gartenstrasse 10, 3125 Toffen Beitritts-Anmeldung / Inscription d’entrée Sekretariat SGGM Jahrgang Daniela Berther, Langenjohnstrasse 4, 7000 Chur 27, Nr. 2, April 2021 Email: sekretariat@sggm-ssmm.ch Redaktion / Rédaction Tommy Dätwyler Mobile: +41 79 224 26 39 Email: redaktion@sggm-ssmm.ch tommy.daetwyler@bluewin.ch 2 | Forum Alpinum 02–2021
Tommy Dätwyler | Editorial Ein Plädoyer für Gelassenheit und Hartnäckigkeit Liebe SGGM-Freunde, liebe Leserinnen und Leser Nach dem «Dazwischen», nach dem, was der Zielstrebigkeit zuwiderläuft. Ich will nicht «zurück zur Natur», ich will Kinder dürfen Fehler machen, nicht zuletzt auch, um da- mich nicht «auf das Wesentliche beschränken» und ich will raus zu lernen. mich auch nicht weiterhin auf mich selber besinnen und Man muss kein Pädagoge sein oder eigene Kinder haben, in mir die Ruhe finden, die mir schon so lange gefehlt um hinter dieser Aussage zu stehen. Gänzlich unbestritten haben soll. Manchmal weiss ich nicht mehr, wo ich die ist auch die Feststellung, dass Angst vor Fehlern, wenn Gelassenheit und die Hartnäckigkeit hernehmen soll. nicht dumm, so mindestens krumm macht und entspre- Beide sind die Basis für grosse Projekte, Ideen und gute chend Lernprozesse und Erfolgserlebnisse verhindert. Das Gefühle. Zum Beispiel auch für die auf den ersten Blick sollte auch bei uns Erwachsenen vermehrt in Betracht ge- utopische Idee, Gletscher zu beschneien, um sie vor der zogen werden. Klimaerwärmung zu schützen und ganze Talschaften am Was ich dabei aber immer wieder vergesse, ist das grosse Leben zu erhalten. Der Bündner Glaziologe Felix Keller hat Mass an Toleranz, das es für die Umsetzung dieser Binsen- Hartnäckigkeit bewiesen und seine Gelassenheit behalten. wahrheit braucht. Wieviel Frustrationstoleranz und Mut Mehr zu seinem unglaublichen Projekt auf Seite 16. bei den Machern und wieviel Toleranz bei den Beobachtern Auch Hermann Brugger, der Leiter des Instituts für alpine und Kritikern, «wenn mal etwas in die Hosen geht.» Notfallmedizin «Eurac Research» in Bozen (I) hat jahrelang «Wir können Corona» hat Bundesrat Alain Berset vor einem ein Projekt hartnäckig vorangetrieben. Solange, bis mit Jahr gesagt. Er sollte nicht Recht behalten. Wir sind immer dem 700 starken Buch «Mountain Emergency Medicine» noch am Ausprobieren, am Suchen, am Lernen – und es zum ersten Mal ein umfassendes Standardwerk zum Thema braucht Toleranz. Toleranz, Menschen, Regeln und Fehlern Bergmedizin vor ihm auf dem Tisch lag. Mehr dazu ab gegenüber. Mehr als in normalen Zeiten. Und damit ist Seite 4. vieles so wichtig und schwer geworden. Ich wünsche Gelassenheit und Hartnäckigkeit, auf dass Es sind die Leichtigkeit und das Leichte grundsätzlich, was auch vermeintlich Unwichtiges dem Leben wieder Freude mir unterdessen spürbar fehlt. Es ist das eigentlich Un- einhauchen kann und Hartnäckigkeit zu besonderen Er- wichtige, das Zwischendurch vielleicht, die Pausen zum gebnissen führt. Dureschnuufe und das Soziale, keine Bildschirmsitzungen! Ich sehne mich nach dem geschäftlich Unbedeutsamen. Tommy Dätwyler, Redaktor «Forum Alpinum» 30.10.2021, Interlaken Aula Sekundarschulhaus Call for Presentations & Abstracts 11. Schweizer Bergrettungsmedizin-Tagung sekretariat@sggm-ssmm.ch & SGGM Generalversammlung 2021 11ème rencontre suisse de médecine d’urgence et de sauvetage en montagne & Assemblée Générale SSMM 2021
Buchtipp «Alpine Notfallmedizin» | Tommy Dätwyler Neu: Das erste umfassende Standardwerk für Gebirgsmedizin Alles über alpine Notfallmedizin zwischen zwei Buchdeckeln «Mountain Emergency Medicine», so heisst das erste umfassende und aktuelle Standardwerk für alpine Notfallmedizin. 80 erfahrene Mediziner aus 12 Ländern haben für das neue, rund 700 Seiten starke Nachschlagewerk ihr Wissen auf Papier gebracht und die alpine Notfallmedizin aus allen Blickwinkeln beleuchtet. Das auf englisch verfasste Buch soll über den Alpenraum hinaus für Furore sorgen und überall dort Hilfe bieten, wo medizinisches Wissen und Erfahrung nötig und hilfreich sein können. Im Interview mit dem Forum Alpinum erklären Herausgeber Hermann Brugger, Leiter des Instituts für alpine Notfallmedizin, Eurac Research in Bozen (Italien), und Corinna Schön, Rechtsmedizinerin und Mitautorin, wie die neue «alpine Notfallmedizin-Bibel» entstanden ist. Interview: Tommy Dätwyler Forum Alpinum: Hermann Brugger, nach vier Jahren Arbeit liegt das neue pitels oder Korrekturen desselben und zwischendurch gab Standardwerk «Mountain Emergency Medicine» nun endlich schwarz auf es dann wieder sehr lange Pausen, wo es für mich nichts weiss auf dem Tisch. Wie fühlt man sich nach so einem Marathon? (mehr) zu erledigen gab. Das Ganze auf Englisch zu Papier Hermann Brugger: Wunderbar, wie das Ende einer langen zu bringen, war für mich persönlich dann noch eine be- Reise. Druck und typisch italienisches Design sind sehr sondere Herausforderung – englisch reden ist ja das eine, professionell. Das Editing war zwar kräfteraubend für uns einen Fachtext möglichst korrekt auszuformulieren ist aber Editors aber im Grunde bin ich froh, den Verlag «Edra» in eine ganz andere Liga. Auch wenn man wusste, dass das Mailand gefunden zu haben. Er gehört nicht zu den Mono- später sprachlich noch alles überarbeitet wird, wollte man polisten und hat vielleicht auch deshalb viel Enthusiasmus ja keine grammatikalische Katastrophe abliefern… in dieses Projekt hineingebracht. Das Team des Verlages war von Anfang an mit vollem Einsatz und Begeisterung dabei. Weshalb hast Du Dich auf zwei doch sehr spezielle Themen konzentriert? Ken Zafren und Luigi Festi haben immense Arbeit geleistet. Corinna Schön: Dass ich für die forensischen Fragestel- lungen angefragt wurde, liegt mit meinem Hintergrund Was war die grösste Herausforderung? als bergrettungsinteressierte Rechtsmedizinerin irgendwie Hermann Brugger: Eine mir liebe aber grosse Aufgabe war auf der Hand. Meine Präsentationen zum Thema Spuren- es, alle 80 Autorinnen und Autoren zu motivieren und quasi sicherung und Todesfeststellung am Berg waren bei den über die ganze Zeit bei Laune zu halten. Sie alle sind ak- tive Mediziner, zum Grossteil Anästhesisten, Notfall- und Intensivmediziner, die für Schreibarbeit wenig Zeit zur Verfügung haben. Einige haben grosse Expertisen verfasst, «Spurensicherung und Forensik sind verfügen aber über wenig «schriftstellerische» Erfahrung Themen, die im Bergsport immer mehr und nicht wenige sind nicht englischsprachig. Und so war an Bedeutung gewinnen.» es bei Gott nicht leicht, 48 Kapitel zu koordinieren, korri- Corinna Schön, Gerichtsmedizinerin, Autorin, gieren und unzählige Male gegenzulesen. Allerdings war Präsidentin SGGM es mir von Anfang an klar, dass das Buch nur in englischer Sprache Sinn macht. Wir haben in den Europäischen Al- pen sicher weltweit das grösste alpine notfallmedizinische Know-how und das gilt es zu exportieren. Deshalb wäre es Mitgliedern der ICAR auf für mich unerwartetes Interesse nicht zielführend gewesen, das Buch in deutscher, italie- gestossen! Dass ich auch beim «Luftsport»-Kapitel mit- nischer oder französischer Sprache zu veröffentlichen. Die schreiben durfte, hängt wohl damit zusammen, dass ich Länder, welche im Bereich der Notfallmedizin noch weniger mich vor einiger Zeit – auch berufsbedingt - gezielt mit dem Erfahrung haben, werden es uns danken. Thema Basejumping auseinandergesetzt hatte und somit auch in diesem Bereich einen forensischen Input liefern Corinna Schön, als Mitautorin erlebt man den Werdegang eines solchen konnte. An Spurensicherung überhaupt zu denken, ist das Standardwerkes vielleicht anders: Was war besonders – und wie hast du eine (eine Thematik, die im Bergsport zum Glück immer den Entstehungsprozess erlebt? mehr an Bedeutung gewinnt), diese dann korrekt umzuset- Corinna Schön: Für mich als Autorin war es so ein hin und zen und zu berücksichtigen, dass es teilweise sportartspezi- her zwischen relativ stressigen und dann wieder ruhigen fisches Wissen braucht, um Material und Ereignisse über- Phasen. Mal musste alles sehr schnell gehen bei recht eng haupt beurteilen zu können, ist das andere. gesetzten Fristen bezüglich Abgabe des fertiggestellten Ka- 4 | Forum Alpinum 02–2021
Tommy Dätwyler | Buchtipp «Alpine Notfallmedizin» Stolz auf das neue Werk: Hermann Brugger, Herausgeber und Leiter des Instituts für alpine Notfallmedizin, Eurac Research in Bozen, Italien Dr. med. Corinna Schön, Mitautorin, Fachärztin für Rechtsmedizin, Präsidentin SGGM Forum Alpinum 02–2021 | 5
NEW ON THE SHELF H. Brugger, K. Zafren, L. Festi, P. Paal, G. Strapazzon MOUNTAIN EMERGENCY SOLUZIONI e • Price: € 139 / $ 174 / £ 139 • Pages: 672 MEDICINE • Hardcover UZIONI e SERVIZI Mountain emergency medicine has undergone rapid development, driven by increasing numbers of people living, working, and playing in the mountains. Rescuers, including medical personnel, require theoretical and practical training in safety as well as in mountain emergency medicine. They must put their own safety first, whilst providing effective care to victims of illness or injury. This book is an introduction to mountain emergency medicine. The editors have adopted a comprehensive approach based, as much as possible, on evidence. Where evidence is lacking, the editors have relied on the expertise of the authors to give guidance to rescuers. Reading this book is not a substitute for practical training, but is intended to offer the knowledge base necessary for trained rescuers to provide medical care safely and effectively in the mountains. “In Mountain Emergency Medicine is found the sum of all important research and experience in mountain medicine. Indispensable for all mountaineers, health care providers and mountain rescue doctors.” Reinhold Messner SOLUZIONI e SERVIZI BUY IT ON www.edizioniedra.it www.amazon.com www.edrapublishing.com The International Commission of Mountain Emergency Medicine (ICAR MedCom) endorses the educational value of Mountain Emergency Medicine.
Tommy Dätwyler | Buchtipp «Alpine Notfallmedizin» Übersichtlich und plausibel erklärt: Das neue Nachschlagewerk... Was hat in schwierigen Situationen die Motivation genährt? ICAR MedCom habe ich die besten Experten in alpiner Corinna Schön: Nicht lange bevor ich für die Mitarbeit an Notfallmedizin kennengelernt und wusste, wer für die ein- diesem Buch angefragt wurde, war ich bei einem anderen zelnen Kapitel in Frage kommt und das Beste geben kann. Buch intensiv eingebunden. Das hat mir zu dieser Zeit gros- Dabei haben sowohl die fachliche Kompetenz als auch die sen Spass bereitet. Und da es sich diesmal «nur» um zwei Ka- praktische Berufserfahrung die wichtigste Rolle gespielt. pitel gehandelt hat, habe ich den Aufwand für überschaubar Die Autoren haben die Einladung zur Teilnahme an diesem gehalten. Dies auch, weil ich damals ausreichend zeitliche Buch alle mit grosser Begeisterung angenommen. Ressourcen hatte. Weil ich mich beruflich und privat für diese Thematik interessiere, habe ich nicht lange überlegt. An wen richtet sich nun dieses mit fast 700 Seiten doch schwergewichtige Ausserdem gebe ich offen und ehrlich zu, dass es mich Buch, auf Tour mitzunehmen ist es sicherlich nicht? mit einem gewissen Stolz erfüllt hat, hier mitarbeiten und Hermann Brugger: Nein, das ist kein Handbuch, obwohl es einen Teil zu diesem grossen Werk beisteuern zu dürfen. auch als e-book erhältlich ist und somit auch «auf Tour» auf Ein Motivationsproblem gab es in diesem Sinne gar nicht. dem Tablet gelesen werden kann. Es ist ein Standardwerk mit 700 Seiten, das für ein fundiertes Studium der Materie Waren alle Autorinnen und Autoren so motiviert? gedacht ist. Für jemanden, der sich eingehend mit alpiner Hermann Brugger: Wir waren bei den Korrekturarbeiten Notfallmedizin befassen möchte, ist das die umfassendste extrem dankbar, dass die meisten Autoren so hochmoti- Grundlage, die derzeit verfügbar ist. viert waren. Das hat die Buchgestaltung sehr positiv be- einflusst. Natürlich konnten wir nicht von allen Autoren Kann es auch für medizinische Laien spannend und hilfreich sein? Hermann Brugger: Manche Kapitel sind sicher auch für den nicht-medizinischen Leser spannend, da das Buch 60 Fallbeispiele und zahlreiche sehr gute Abbildungen ent- «Wer dieses Wissen hat und in die Praxis hält. Aber in erster Linie richtet sich das Werk an eine umsetzt, wird imstande sein, alpine Unfälle medizinisch ausgebildete Leserschaft. optimal zu behandeln.» Corinna Schön: Ich kann nur für «meine» Kapitel reden. Hermann Brugger, Alpin-Mediziner und Herausgeber Für medizinische Laien ist das forensische Kapitel nur be- dingt hilfreich, da ich keinem Berggänger wünsche, dass er privat am Berg mit Todesfällen konfrontiert wird. Aus grenzenlosen Einsatz erwarten, aber eine gewisse Hart- Sicht der Bergrettung werden aber immer wieder medizi- näckigkeit unsererseits und das Verständnis dafür bei den nische Laien (Bergretter ohne fachspezifische medizini- Autorinnen und Autoren hat schliesslich in allen Kapiteln sche Ausbildung) mit allenfalls tödlichen Unfällen in Kon- ein gutes Resultat erzielt. takt kommen, so dass meine Beiträge für diese (hoffentlich nur selten) relevant werden kann. Situativ kann also auch Wie muss man sich die Suche nach den richtigen Spezialistinnen und ein Laie aus forensischer Sicht einen guten Beitrag leisten, Spezialisten vorstellen? Drängen sich die einzelnen Autoren aufgrund sofern er den Inhalt des Kapitels kennt. Und da ich es ihrer Reputation auf oder ist das zwischendurch gar nicht so einfach? aufgrund meiner Gutachtertätigkeit gewöhnt bin, allge- Und was bedeutet eine solche Anfrage – einmal abgesehen von Mehr- meinverständlich und ohne medizinische Fachausdrücke arbeit? zu schreiben, sollte zumindest dieses Kapitel für alle ver- Hermann Brugger: Durch meine langjährige Tätigkeit in ständlich sein. der Internationalen Kommission für Alpine Notfallmedizin Forum Alpinum 02–2021 | 7
Tommy Dätwyler | Buchtipp «Alpine Notfallmedizin» Wie steht es um die Verständlichkeit für behandelt, ist keine eigene Diszip- Wissens bisher noch nie gegeben, und Nicht-Ärzte? lin und kein universitäres Lehrfach. ich denke, bis zur nächsten Auflage in Hermann Brugger: Das Buch ist in Trotzdem hat die Forschung der letzten zwei oder drei Jahren wird dieses Werk einer medizinischen Fachsprache ge- Jahre viel dazu beigetragen, um den aktuell und spannend bleiben. schrieben, die jedoch allgemein gut Evidenzgrad zu erhöhen. Das Werk verständlich ist. fasst alle wissenschaftlichen Ergeb- nisse zu einem Grossen und Ganzen Kommen wir zum Inhalt… Was hat das neue zusammen und ist topaktuell. Einige Werk in den Augen der Macher zu bieten? Kapitel könnte man aber bereits jetzt Hermann Brugger: In den 80 Kapiteln neu schreiben, da in gewissen Gebie- werde alle Aspekte der alpinen Not- ten in der Zeit der Bucherstellung be- fallmedizin bis ins Detail behandelt. reits neue Ergebnisse erzielt wurden. Das Buch enthält den letzten Stand des Wissens und fasst die enormen Corinna Schön: Blickt man auf die wissenschaftlichen Fortschritte der Zeit, die ein solches Buch von der letzten Jahrzehnte auf diesem Gebiet Idee bis zum Verkauf braucht, so ist zusammen. Es ist somit kein «Koch- diese Frage mehr als berechtigt. Hier buch» für den raschen Einsatz son- hängt es sicherlich sehr vom Inhalt / dern liefert das Grundwissen über die dem Thema der einzelnen Kapitel ab, pathophysiologischen Besonderheiten wie schnell diese unter Berücksichti- von Unfällen im Gebirge, deren Dia- gung vom Fortschritt in Medizin und gnose und optimale Behandlung. Wer technischer Rettung ihre Aktualität dieses Wissen hat und in die Praxis verlieren oder behalten. umsetzt, wird imstande sein, alpine Unfälle optimal zu behandeln. Was hat oder was kann das neue Buch, was Buchbestellung über: andere nicht können? Wie aktuell kann ein solches Buch überhaupt Hermann Brugger: Es ist das erste um- www.editzioniedra.it sein? fassende Standardwerk in alpiner Not- Hermann Brugger: Die alpine Not- fallmedizin für Notärzte und ausgebil- www.amazon.com fallmedizin wurde und wird in vielen dete Bergretter in englischer Sprache. www.edrapublishing.com Ländern immer noch stiefmütterlich Ein Buch in dieser Art hat es meines WALLIS • BALTSCHIEDER • BALTSCHIEDERKLAUSE (2783m) • BIETSCHHORN (3934m) Kennt Ihr, oder? Noch nicht? Dann nichts wie hin … Die Hütte: Ein Ort der Ruhe, der Bergenergie, des Wohlfühlens (ein kleiner Geheimtipp – nie ausgebucht) Das Tal: Ein Traum von Fauna und Flora und Urtümlichem (Suonen) Der Weg: Zum Abschalten, lang – einzigartig abwechslungsreich Mehr Infos und Bilder, um Euch «gluschtig» zu machen: www.baltschiederklause.ch (oder jstettler1@gmx.ch – Jolanda, Hüttenwartin) Forum Alpinum 02–2021 | 9
EXPED – EXPEDITION EQUIPMENT VERGLAS 30 LEICHTRUCKSACK FÜR ALPINE TAGESTOUREN Puristisch, leicht und vielseitig modifizierbar: Der VERGLAS überzeugt mit einem minimalen Deckel und einfach zu bedienenden Spindrift-Kragen für einen schnellen Zugriff von oben. Noch schneller geht es über den seitlichen Reissverschluss-Zugang. Die schlank- kompakte Packsackform sorgt für ergonomischen, körpernahen Sitz. Minimierte Daisy Chains an der Vorderseite bieten Befestigungsmöglichkeiten für Eispickel, Seil und Helm. schneller Zugriff körpernaher Sitz abnehmbarer Hüftgurt DAS MAXIMALE NATURERLEBNIS MIT MINIMALEN MITTELN | www.exped.com Exped-Produkte sind im Berg- und Outdoor-Fachhandel erhältlich. Die grösste Auswahl findest du in folgenden Geschäften: Bächli-Bergsport, Lausanne, Conthey, Bern, Thun, Basel, Aarau, Kriens, Chur, Zürich, Volketswil, Pfäffikon SZ, St. Gallen; Gallen Yosemite, Lausanne, Vevey, Zermatt; Le Globe-Trotter, Genève;; Trango Sport, Bulle; Le Nomade, Vevey; Look Montagne, Martigny Martigny; Follomi Sports, Sion; Defi Montagne, Peseux; Primal Instinct, Bettlach; Berger Schuhe & Sport, Konolfin- gen;; Bordogna Bergsport, Solothurn; Yana Cocha, Baden;; Von Moos Sport + Hobby, Luzern; BergePUR, Zug; Trail and Outdoorshop, Küssnacht a. Rigi; Go Vertical, Chur, Pontresina; Ruedi Bergsport, Zürich; Scandinavian Outdoor Shop, Bachenbülach,, Aventura-Travel, Uster. EX_Verglas_A4_CHd_Alpinum 2_21.indd 1 22.03.2021 14:40:59
Bergsport-Weltverband UIAA | Portrait Matthias Hilty Matthias Hilty: SAC-Delegierter in der Medcom des Bergsport-Weltverbandes «Ich bin ein Träumer mit klar definierten Zielen» Er ist stellvertretender Leiter der Intensivstation Viszeral und Tho- raxchirurgie am Institut für Intensivmedizin des Züricher Unispitals und seit Jahren SGGM-Mitglied: Anfang April ist Matthias Hilty auf Vorschlag der SGGM vom SAC Zentralvorstand als SAC Delegierter für die Medizinische Kommissioin (Medcom) des internationalen Dachver- bandes des Kletter- und Bergsteigerverbände UIAA nominiert worden. Das UIAA Management Committee muss diese Wahl noch bestätigen. Matthias Hilty ersetzt als Schweizer Kommissionsmitglied Urs Hefti, der das Präsidium der UIAA-Medcom übernommen hat. Höhenmedizin hat den Intensivmediziner schon früh fasziniert und wohl auch die Wahl der medizinischen Fachrichtung beeinflusst, denn Höhenmedizin gebe wichtige Einblicke in relevante Prozesse bei kritisch kranken Patienten. Matthias Hilty hat sein Wissen und seine Erfahrung auch schon als Was schätzt Du an deinen Freunden besonders? Referent in SGGM-Kursen weitergegeben und bei vielen Forschungs- In den Bergen und am Arbeitsplatz – dass ich mich zu 100% projekten auf dem Jungfraujoch, im Himalaya und in der hypobaren auf sie verlassen kann. Forschungskammer am EURAC-Institut in Bozen einsetzen können. Als Was hast Du auf der grossen Forschungsexpedition am Himlung wichtigen Anteil an der faszinierenden Kombination Medizin/Bergs- Himal – an der auch die SGGM beteiligt war – gelernt? port bezeichnet der dreifache Familienvater die Natur-Erlebnisse in Eine solche Expedition zeigt sehr deutlich, was mit einem den Bergen und die Zusammenarbeit mit Gleichgesinnten im Dienste guten Team erreicht werden kann, wenn alle am gleichen der Menschen. Hier stellt er sich den Fragen des «Forum Alpinum». Strick ziehen. Kein Beitrag ist unbedeutend. Und einmal Matthias Hilty wird unser «direkter Draht» in die Medcom der UIAA mehr, die Ehrfurcht vor der Natur. Nicht nur, dass man sich sein und uns über die Arbeit der internationalen Bergmediziner auf auf einer Expedition oder Bergtour mit «Haut und Haaren» dem Laufenden halten. der Natur in die Hände gibt, sondern auch die unglaubli- che Freude, die unendlich ausgeklügelten Mechanismen Interview: Tommy Dätwyler der Natur ergründen zu dürfen. Forum Alpinum: Matthias, was treibt Dich an? Wieso hast Du Dich für das Amt in der Medcom der UIAA beworben? Die Medcom der UIAA ist, wie die SGGM, ein Bindeglied Matthias Hilty: Vor bald 250 Jahren hat einmal jemand ge- um das stetig wachsende medizinische Wissen zur Ver- sagt, «Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner besserung der Verhältnisse von beruflich und freizeitbe- selbstverschuldeten Unmündigkeit». Damit hat eine Reise dingt den Elementen der Gebirge ausgesetzten Menschen begonnen, die nie zu Ende sein wird. Jeder von uns kann einzusetzen. Ich erachte es als Privileg, diese Schnittstelle einen kleinen dazu Beitrag leisten, die Grenzen des Ver- unterstützen zu dürfen, und auf internationaler Ebene die ständnisses unserer Umwelt und unser selbst zu erweitern. Erfahrung und Standpunkte der Bergnation Schweiz ein- Was ist Dir völlig egal? zubringen. Was andere über mich denken – meistens zumindest. Was ist das Beste daran, Arzt zu sein? Vor was hast Du Angst? Mein Wunsch war es immer, die Ergründung der menschli- Ich habe weniger Angst um mich selbst, als um meine Liebs- chen Physiologie damit zu verbinden, mit den Menschen zu ten. Der Gedanke, dass ich Risiken nicht nur für mich selbst arbeiten und in Situationen wo es nötig ist, das Wiederer- in Kauf nehme, sondern dies auch Konsequenzen für meine reichen der physiologischen Homöostase zu unterstützen. Familie oder Freunde haben könnte, macht mir manchmal Schliesslich ist es das, was uns von der fortwährenden Angst. Es ist eine grosse Gabe, mit den eigenen Ängsten Erhöhung der Entropie abgrenzt. umgehen zu können – mal besser und mal schlechter. Welchen Rat gibst Du Deinen Kindern mit auf den Weg? Hast Du einen Tick? Never give up. Ich versuche am Ende immer etwas Positives zu sehen. Andere würden es manchmal als krampfhaft bezeichnen. Was macht Dich wütend? Im Alltag schätze ich es nicht, mit voreingenommenen Was kannst du in deinen Augen besonders gut? Meinungen und schlecht begründeten Einschätzungen Ich denke, zwei Dinge: die Liebe zum Detail zu zelebrieren, konfrontiert zu werden. Dies natürlich im Kontrast zu Si- vor allem bei Dingen, die mir Freude machen, und eine tuationen wie beim Bergsteigen, wo die Erfahrung priori- gewisse Persistenz zu koppeln mit dem Glauben, dass es siert werden soll. schon klappen wird. Forum Alpinum 02–2021 | 11
Portrait Matthias Hilty | Bergsport-Weltverband UIAA Was freut Dich immer Was liegt auf Nachttisch? wieder ungemein? Ladekabel und eine Kerze. Der langsame Wech- Was liegt Dir näher: Klein bei geben oder gross reklamieren? sel der Perspektive Ich erachte einen sinnvollen Kompromiss nicht als Nieder- im Aufstieg zu einem lage. Man soll sich aber nicht scheuen bei Bedarf ein wenig alpinen Gipfel, die zu reklamieren, um einen solchen zu erreichen. Weite zu spüren un- ter freiem Himmel, Was tust Du für Deine Work-Life-Balance? die absolute Konzen- Manchmal gelingt es mir meine beiden Hobbies, die Fa- tration auf das Erle- milie und die Berge, unter einen Hut zu bringen. Bei der ben des Moments. Arbeit schafft die Forschung für mich einen Gegenpol zum klinischen Alltag. Wie umschreibst Du selber Deinen Charakter? Wie bist du zur SGGM gekommen? Ich bin vor vielen Jahren mit meiner besten Kollegin mit Ein Träumer mit klar definierten Zielen. dem Rucksack ans Staatsexamen gegangen und nach ge- taner Arbeit direkt nach Zermatt an den Expeditionskurs Worauf bist Du stolz? der SGGM gereist. Beim Vortrag von Marco Maggiorini hat Plötzlich zu erkennen, wie sich die Teile zusammenfügen mir dann «den Ärmel reingezogen». können. Und natürlich auf meine drei Töchter. Was wünschst Du der SGGM für die Zukunft? Wie riecht es, wenn Du bei der Arbeit das Fenster öffnest? Der Bergsport wird immer beliebter. Damit haben auch die Mein Fenster im alten Büro ging direkt zum Helikopter- SGGM und die Medcom der UIAA die Chance, einen zu- landeplatz hinaus, wo zeitweise konstant gestartet und nehmenden Bedarf an strukturierter Information zu füllen gelandet wird. Ich gehöre hingegen eher zu den Leuten die und einen verantwortungsvollen Ansatz in der Bergen zu sich nach dem emissionsfreien Antrieb sehnen und weniger fördern. Der SGGM wünsche ich, die Entwicklung von der dem Geruch von Kerosin nachtrauern. Ich muss nur noch familiären Arbeitsgruppe zur nationalen Kompetenzstelle den Kopf drehen und kann mir beim Blick auf das Vreneli für Gebirgs- und Höhenmedizin erfolgreich weitergehen den Geruch der Alpenblumen vorstellen. zu können. SWISS SKI SKINS Die Schweizer Bergführer und Bergführerinnen vertrauen auf Skifelle von Colltex Andreas Fedier, Bergführer Colltex ist offizieller Partner des Schweizer Bergführerverbandes SBV 12 | Forum Alpinum 02–2021
Tommy Dätwyler | Telemedizin Telemedizin in den Bergen: Gratis-App für Hilfe zur Selbsthilfe e-Rés@mont – Endlich auch auf Deutsch Medizinische Unterstützung, wenn nötig persönliche Beratung oder sogar Verhalten einer Verschlechterung vorbeu- die schnelle Alarmierung von Rettungskräften für alle, die in den Bergen gen», sagt Niels holthof, GRIMM-Arzt und mit einem Smartphone unterwegs und in Not sind: Das verspricht die neu Co.-Entwickler der App. Wenn das nicht auch auf Deutsch erhältliche App «e-Rés@mont». Die von der Walliser reicht, hilft die nun in vier Sprachen Bergrettungsorganisation GRIMM (Groupe d’intervention médical en (D,F,I,E) erhältliche Gratis-App, weitere montagne) und der Fachhochschule Westschweiz/Wallis (HES-SO) entwi- nötige Schritte zielführend einzuleiten. ckelte Mobile-App richtet sich grenzüberschreitend an alle Outdoorsport- ler im ganzen Alpenbogen und wird laufend ausgebaut. Ein Muss für alle Berggänger Ein medizinischer Leitfaden bietet auf Auch ohne Internet: Der Wisch für medizinische Beratung dem Smartphone jederzeit Zugang zu Infor- Mit der für I-Phone- und Android-Systeme entwickelten mationen über höhenbedingte Krankheiten und andere in Applikation können Bergsteiger und Wanderer bei gesund- den Bergen auftretende Krankheitsbilder. So soll möglichst heitlichen Problemen anhand eines medizinischen Leitfa- vielen Outdoor-Sportlern eine schnelle und gezielte Erken- dens, Checklisten und mit Hilfe von diversen Algorithmen nung und Behandlung von akuten Krankheitssymptomen selber eine erste, einfache medizinische Einschätzung von ermöglicht und eine breite Bergsportgemeinde für medi- Problemen vornehmen. «Dank diesen Informationen kön- zinische Probleme in den Bergen sensibilisiert werden. Die nen App-Nutzer ihre Symptome unter Umständen selber App vermittelt breites Wissen in allen bergsport-relevan- beurteilen und behandeln oder dank einem angepassten ten Gesundheitsbereichen und Beratung bei Notfällen, vom akuten Sonnenbrand oder Schneeblindheit bis hin zu lebensbedrohlichen Höhenkrankheiten. Eine Checkliste, die ausgefüllt werden sollte, bevor telefonisch ein Arzt alarmiert wird, kann eine schnelle und hilfreiche Beratung am Tele- fon vereinfachen. Zudem bietet die App neben Notrufnummern auch verschiedene Kontakt- adressen für höhenmedizinische Beratung in «Die App vermittelt breites Wissen in allen bergsport-relevanten Gesundheitsbereichen und Beratung bei Notfällen.» verschiedenen Alpenländern (CH, D, F, I) sowie ein Erkennungssystem für GPS-Positionen, um diese im Fall eines Notrufs übermitteln zu kön- nen. Die Applikation, die von Fachleuten aus den Be- reichen Rettungswesen und Bergmedizin aus der Schweiz, Frankreich und Italien lanciert wurde, ist während ihrer Entwicklung in sechs LEATHER SHOES Walliser SAC-Hütten erfolgreich getestet. Da- bei konnten mehrere Bergsteiger mit App-Un- FROM terstützung ihre Symptome evaluieren, bevor WILD RED DEER ihnen mit telefonischer Beratung durch Ärzte der GRIMM geholfen werden wurde. (yr.) swiss, sustainable, handcra f ted w w w.cer vovolante.com Forum Alpinum 02–2021 | 13
Firmenportrait Norrøna | Ausrüstungspartnerschaft SGGM Unternehmens, geradlinige Produkte Norwegisch-Schweizerischer zu entwickeln, die über alle wichtigen Details verfügen und ihre Nutzer im- Brückenschlag mer wieder überraschen. So entsteht funktionelle Kleidung, die alles hat, um selbst extremsten Bedingungen zu trotzdem, aber frei von unnützen Details ist. Bereits 2003 hat Norrøna zum Beispiel mit Vestveggen Gore-Tex XCR-Jacke als erster Anbieter in Eu- ropa Jacken mit geklebten Reissver- schlüssen angeboten. Ebenso will die Firma dem Klimawan- del und der Umweltverschmutzung entgegenwirken. Die norwegische Marke legt seit der Gründung Wert auf hohe Qualität und lange Lebensdauer. Zudem wurden in den letzten Jahren firmenintern die Emissionen reduziert und die Verwendung von recycelten und zertifizierten Materialien vor- angetrieben und strenge soziale und ethische Standards festgelegt. «Wir wollen den Konsumenten transpa- rente Informationen und Einblick in Ansprechendes und faszinierendes skandina- technisch ausgereifte Outdoorausrüs- unsere hohen Standards geben», heisst visches Design, hohe Qualität und Benutzer- tung mit modernem Design geworden. es am Hauptsitz in Oslo. Neben der freundlichkeit und grosse Ansprüche an die Ob Bergsteigen, Skitouren, Langlauf Verwendung von umweltfreundlichen Nachhaltigkeit bereits bei der Produktion: oder Snowboard-Sport – das norwe- Baustoffen setzen die Norweger auf Das vereinen die Outdoorprodukte der norwe- gische Unternehmen steht für Inno- 100 Prozent erneuerbare Energie. gischen Traditionsfirma Norrøna. Die Firma vation und Funktionalität bei Out- Zudem kommen fast alle Mitarbeiten- mit dem helmbewehrten Wikinger im Logo ist doorausrüstung und Nachhaltigkeit den entweder zu Fuss, mit dem Fahr- – zusammen mit Lowa – mit der SGGM für bereits bei der Produktion. Damit soll rad oder mit öffentlichen Verkehrs- vier Jahre eine neue Ausrüstungspartner- die Vision «Welcome to nature» ein mitteln zur Arbeit. «Viele unserer schaft eingegangen. echtes Versprechen bleiben. Ziele sind sehr ambitioniert, dennoch wollen wir uns selbst beweisen, dass Vor über 90 Jahren setzte sich der Schön und funktionell, aber frei von man Grenzen verschieben kann», be- Norweger Jørgen Jørgensen zum Ziel, unnützen Details tont Jørgensen. qualitativ hochwertige Outdooraus- 2002 fasst Norrøna seine Designphi- rüstung zu produzieren, welche der losophie unter einem Begriff zusam- Mehr Infos auf https://www.norrona.com/ rauen und schroffen Natur Skandi- men: Loaded Minimalism™. Die Phi- de-DE/Corporate-Social-Responsibility/ naviens standhalten kann. Es waren losophie spiegelt die Bemühungen des zu Beginn Lederriemen, Rucksäcken aus Segeltuch und Baumwollkleidung. Heute ist es Outdoor-Ausrüstung, die höchsten Kriterien standhält. Tradition als Auftrag und Vermächtnis Am Ziel und an der Leidenschaft der Traditionsfirma hat sich seit 1929 nichts geändert. Nur die Technik und das Material sind anderes geworden, moderner und funktioneller. In vierter Generation geleitet, führt das Familien- unternehmen Norrøna heute ganz in der Nähe von Oslo das Erbe von Jørgen Jørgensen mit ausgeklügelten Techni- ken und viel Herzblut weiter. Damit ist Norröna zum Synonym für clevere, 14 | Forum Alpinum 02–2021
Ausrüstungspartnerschaft SGGM | Pressemitteilung Am Berg ist die Qualität der Ausrüstung matchentscheidend Schweizer Gebirgsmediziner tragen Lowa und Norrøna Gemeinsam im Dienst aller Bergsportler: Der Sportschuh-Hersteller Für den Geschäftsführer von Lowa (Schweiz) als Branchenleader im Bergschuh-Bereich und die in- Lowa Schweiz, René Urfer, novative norwegische Outdoor-Marke Norrøna zeichnen während vier ist es «die weitere Pflege ei- Jahren für die Ausrüstung der Schweizerischen Gesellschaft für Ge- ner langen Freundschaft». birgsmedizin SGGM verantwortlich. Die beiden Hersteller hochwertiger Lowa und die SGGM ver- Outdoor-Ausrüstung sind bis 2023 offizielle Ausrüstungspartner der bindet seit Jahren eine enge Partnerschaft. «Mit der für weitere vier Jahre erneuerten Schweizer Gebirgsärzte und ihrer Bergführer. Zusammenarbeit will Lowa Schweiz alles daransetzen, Gemeinsam mit ihren Ausrüstungspartnern Lowa und dass Menschen in der Natur und am Berg ihre Möglich- Norrøna wollen die Gebirgsärzte und Ausbildungsprofis der keiten nutzen können.» Dass dabei auch die (Ausrüstungs-) Schweizerischen Gesellschaft für Gebirgsmedizin (SGGM) Sicherheit und im Notfall die medizinische Versorgung in den kommenden Jahren das medizinische Know-How durch gut ausgebildete und ebenso ausgerüstete Gebirgs- von Medizinern und Laien fördern und als Fachpartner ärzte wichtig ist, werde oft vergessen. Medizin des Schweizer Alpenclubs SAC für eine qualita- tiv hochstehende medizinische Versorgung in den Bergen sorgen. «Gemeinsam stehen wir, zusammen mit den Ret- Die 1994 gegründete SGGM ist eine Non-Profit- tungsorganisationen, für Qualität und Sicherheit in den Organisation und engagiert sich in der Aus- und Bergen», sagt SGGM-Präsidentin Corinna Schön. Weiterbildung, Lehre und Forschung im Bereich alpinistische Rettungs- und Sportmedizin für Ärzte Beide Ausrüstungspartner setzen in sämtlichen Geschäfts- und Laien. Seit 2007 ist die SGGM medizinische bereichen seit langem auf Nachhaltigkeit und Fairness, Fachpartnerin des Schweizer Alpenclubs SAC. ohne dabei Abstriche bei der Qualität zuzulassen. Die www.sggm-ssmm.ch SGGM-Mediziner werden damit auch Botschafter hochwer- tiger Outdoor-Ausrüstung am Berg. «Bei Rettungseinsätzen in Fels, Schnee und Eis ist die Qualität der Ausrüstung Lowa ist europaweit Marktführerin bei Outdoor- mitunter matchentscheidend», begründet Corinna Schön schuhen und produziert ausschliesslich in Europa ihre Freude an der neuen, bis Ende 2023 abgeschlossenen über 2,5 Mio. Paar Schuhe pro Jahr. Kooperation. Die einheitliche Ausrüstung aller SGGM-Ex- ponenten ermöglicht im Ausbildungsalltag am Berg und www.lowa.com bei Tagungen, Kongressen und Weiterbildungsveranstal- tungen eine schnelle Identifikation der SGGM-Vertreter. Der norwegische Ausrüster Norrøna hat 1977 «Mit Wissen und Technik sicher in der Natur» den Prototyp der ersten Gore-Tex-Jacke Europas «Welcome to nature! Um draussen in der Natur Rettungs- produziert. Mit dem Ziel, hochfunktionelle Produkte in bester Qualität kräfte auszubilden und bei Notfällen helfen zu können, möglichst nachhaltig herzustellen, hat Norrøna Anfang Oktober 2020 in braucht es nicht nur medizinisches Wissen, sondern auch Litauen eine eigene Factory eröffnet! Das norwegische Unternehmen will die richtige Ausrüstung. Es ist deshalb grossartig für uns, den ökologischen Fussabdruck weiter verkleinern und neue Lösungen für eine Organisation wie die SGGM zu unterstützen und mit das Recycling von Materialresten etablieren. unserem Know-How mitzuhelfen, in der Schweiz eine qua- www.norrona.de litativ hochstehende Bergrettung zu ermöglichen und in der gebirgsmedizinischen Ausbildung Akzente zu setzen,» meint Jørgen Jørgensen, in vierter Generation CEO von www.sggm-ssmm.ch Norrøna zum neuen Engagement des norwegischen Out- www.lowa.ch door-Ausrüsters in der Schweiz. Ziel sei es auch, die Marke www.norrona.com Norrøna in den Schweizer Alpen besser zu verankern. Forum Alpinum 02–2021 | 15
Gletscherschmelze | Gletscherdoktor Felix Keller Der Engadiner «Gletscherdoktor» Felix Keller: «Der Kampf gegen die Gletscherschmelze hat erst begonnen» «Es ist möglich, mit Schmelzwasser Gletscher zu beschneien und diese vor den tödlichen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen», davon ist der Engadiner Glaziologe Felix Keller seit rund sechs Jahren überzeugt. Er hat sich mit dieser Überzeugung selber überrascht. Seine Botschaft: Wir können im besten Fall den Morteratsch-Gletscher schon in zehn Jah- ren wieder länger werden lassen oder aber mindestens die Eisschmelze massiv abbremsen. Dazu braucht es aber noch viele Anstrengungen und nicht zuletzt auch einen klaren politischen Willen. Das grosse, weltweit einmalige Schweizer Projekt, welches die einheimi- sche Seilbahntechnologie mit der bewährten Beschneiungstechnik ver- bindet, könnte dereinst sogar im Himalaya ganze Täler vor dem totalen Abschmelzen der Gletscher bewahren. Noch ist es aber nicht soweit. Felix Keller will alles versuchen, um seine «Schwangerschaft mit diesem Projekt» erfolgreich abzuschliessen und sein «Baby» auf die Welt zu Glaziologe Felix Keller: «Manchmal muss man den Mut haben, an etwas zu bringen. An Pioniergeist fehlt es dem Leiter des Zentrums für Angewand- glauben, was man sich noch nicht vorstellen kann.» te Glaziologie nicht, hat er doch schon viele ursprünglich kritische Geister von seiner verrückten Idee überzeugt. Im Interview mit dem «Forum über die Einfachheit der Idee und ich habe dafür durchaus Alpinum» erklärt Felix Keller, wie die auf den ersten Blick schräge Idee Verständnis, ich hatte ja damals zugegebenermassen wirk- überhaupt erst entstanden ist, was es braucht, damit das Pilotprojekt lich im Trüben gefischt…. Es war schliesslich beim Fischen funktioniert und wie die Erfahrungen am Morteratschgletscher später die Gletschermilch (das trübe Gletscherwasser im Bach), auch in anderen Regionen umgesetzt werden könnten. welche bei mir das Licht anknipste. Die spontane Idee lau- tete: «Fischerrute weg! – und das Schmelzwasser recy- Interview: Tommy Dätwyler celn!». Die Einsicht «Das Wasser muss oben bleiben – und wir müssen daraus Schnee machen und so das Gletschereis Forum Alpinum: Felix Keller, hat sie der Leidensdruck, den sie als Bünd- schützen» hat sich damals in meinem Kopf festgesetzt, ja ner Glaziologe beim Anblick schmelzender Gletscher empfinden, auf die irgendwie eingebrannt. Ich war mir sicher, dass es für alles auf Idee gebracht, man könnte Gletscher wie Skipisten künstlich beschnei- eine Lösung gibt, man muss sie nur finden… ! en und den Rückzug der weissen Riesen so stoppen? Felix Keller: Ja, man kann das so sagen… es war 2015 der Von der Theorie zur Praxis ist s manchmal ein weiter Weg… Anblick des abgedeckten Diavolezza-Gletschers und die Das stimmt. Das war auch hier so… Über die Musik, beim Kenntnis davon, dass bereits mit der Abdeckung eines klei- Musizieren, fand ich schliesslich die Überzeugung, dass es nen Gletschers während des Sommers ein grosser Effekt theoretisch möglich aber wohl unökologisch ist, oben am erzielt wird und das Abschmelzen des Eises mindestens Gletscher selber zu schneien… Aber schliesslich bin ich teilweise verhindert werden kann. Im Endeffekt aber war es über das Schweizer Patent der Luzerner Beschneiungstech- der Geschäftsführer der Academia Engiadina (www.acade- nik-Firma Bächler «gestolpert». Diese Profis schaffen es, mia-engiadina.ch ), der mich bei meiner Ehre als Glaziologe ohne elektrische Energie, nur mit Schwerkraft und Wasser- gepackt und gemeint hat: «Wenn Du wirklich etwas taugen druck, Schnee zu produzieren. Dieser Kontakt hat gefunkt! würdest, würdest Du den Morteratschgletscher retten». Mit Die Innerschweizer waren für dieses Projekt schnell Feuer diesem freundschaftlichen Augenzwinkern hat er mir ei- und Flamme und so haben wir meine Idee gemeinsam ein nen gewaltigen Floh hinters Ohr gesetzt. Zum Glück - sage erstes Mal durchgerechnet und wir sind – eigentlich über- ich rückblickend. raschend – 2016 zum Schluss gekommen, dass ein solches Projekt möglich wäre… als Grossprojekt, denn wir kamen Die Idee Gletscher künstlich zu beschneien ist auf den ersten Blick so auch zum Schluss, dass wir, um den ganzen Gletscher bestechend wie utopisch. Wie hat ihr Umfeld auf diese überraschende über den Sommer mit einer 10 Meter dicken Schneedecke Idee reagiert? Viele reagierten anfangs skeptisch und konnten zuzudecken, pro Tag 32 000 Tonnen Schnee produzieren es sich gar nicht so richtig vorstellen. Sie waren erstaunt müssten… das hat uns fast aus den Socken gehauen. Aber 16 | Forum Alpinum 02–2021
Gletscherdoktor Felix Keller | Gletscherschmelze wer hat im Jahr 2000 gedacht, dass 20 Jahre später jeder – wirklich jeder – ein Handy im Hosensack mit sich herumträgt. Wäre es keine Variante, wie auf anderen Glet- schern auch die Eismassen des Morteratschglet- schers mit Vlies abzudecken? Natürlich ist Vlies eine Methode, von welcher wir wissen, dass sie zuver- lässig funktioniert. Doch auf einem bewegten Untergrund eines grösse- ren Gletschers würde dies nicht um- setzbar sein, da die Vliese verschoben und zerrissen würden. Verschiedene Personen kontaktierten mich und schlugen vor, den Gletscher mit So- larpanels abzudecken. Das hätte einen ähnlichen Effekt wie ein Vlies. Viel- Aufwändige aber erfolgreiche Tests bei der Talstation Diavolezza leicht können diese Solarpanels auf den Schneiseilen angebracht werden und damit die sonnigen Sommerzei- ten nützen, in welchen man ohnehin nicht schneien kann. Mit dem Strom, den man ja auf dem Gletscher nicht brauchen kann, würde ich dann wei- ter unten anfallendes Schmelzwasser hochpumpen. Damit liesse sich ein weiteres Problem lösen, nämlich dass die genügend weit oben anfallende Schmelzwassermenge ein limitieren- der Faktor sein könnte. Ihre «Schwangerschaft» hat also vor fünf Jah- ren begonnen … und Schwangere können sich das Eltern sein, das später kommt, oft über- haupt nicht vorstellen… Genau so war es, und diese Schwan- gerschaft wurde eine intensive Zeit… Vielleicht ein «Geschenk des Himmels» und in der Schweiz erfunden: Schneeseile Wir haben gemerkt, dass wir im Hin- blick auf eine Problemlösung die Be- schneiungstechnologie mit der Seil- bahntechnologie paaren müssten…. Und genau das haben wir getan. Der Flumser Seilbahnbau-Firma Bartho- let war genau der richtige Partner. Sie haben die für unser Projekt nö- tigen Schneeseile entwickelt. Es sind eigentlich Wasserleitungen, die über den Gletscher gespannt werden kön- nen. An den Seilen sind Düsen be- festigt durch die das Schmelzwasser gepresst und als Schnee versprüht werden kann. Strom braucht es dazu nicht, das Wasser kann alleine mit dem natürlichen Wasserdruck von oben durch das Seil zur Düse fliessen. Schneeseil: Was einfach tönt ist technisch hochkomplex… (Fotos: Mayk Wendt) Forum Alpinum 02–2021 | 17
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Gletscherdoktor Felix Keller | Gletscherschmelze So könnte sich der Schwund des Morteratschgletschers mit und ohne Rettungsversuch entwickeln. (Foto: Academia Engadina) Der so über dem Gletscher erzeugte Schnee reflektiert die langes Schneeseil testen. Es wird also 20 Mal länger… und Sonneneinstrahlung und das Eis ist geschützt. vielleicht gelingt es uns später, über dem Morteratschglet- scher mit sieben 1000 Meter langen Schneeseilen jeden Tag Schneeseile, das tönt exotisch – weshalb funktioniert die Gletscherbe- mit 5000 Kubikmeter Schmelzwasser 5000 Tonnen Schnee schneiung nicht mit herkömmlichen Schneekanonen? zu schneien… Noch vor 10 Jahren hätte ich nie daran zu Die herkömmlichen Schneeerzeugungssysteme funktio- glauben gewagt! nieren nur auf stabilen Untergrund und sind in ihrer Leis- tungsfähigkeit begrenzt. Der Morteratschgletscher bewegt sich beispielsweise an gewissen Stellen mit über 50m Jahr «Es gibt fast immer eine Lösung, und damit er im Bereich der Bovalhütte ganzjährig schnee- man muss sie nur finden!» bedeckt bleibt, müssen wir rund 32'000 Tonnen Schnee pro Felix Keller Tag produzieren können. Dies ist nur über den Einsatz von Schneiseilen erreichbar. Technisch wäre es also möglich, doch muss jetzt die Theorie in die Praxis Wie funktioniert denn das Gletscherwachstum, wenn der Mensch Frau transformiert werden. Seit dem 20. Januar ist bei der Talstation der Holle spielt? Diavolezza-Bahn eine Testanlage in Betrieb. Funktioniert der Knowhow- Ja das ist die entscheidende Frage. Vielleicht müssen wir wTransfer vom Schreibtisch in die Realität? uns zuerst darüber unterhalten, was denn mit Wachstum Ja, das 30 Meter lange Schneeseil funktioniert! Jetzt soll gemeint ist. Ich habe noch nie gehört, dass wenn jemand der Testbetrieb ausgeweitet werden. Im Winter 2022/23 wollen wir am Corvatsch zum ersten Mal ein 600 Meter Forum Alpinum 02–2021 | 19
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Gletscherdoktor Felix Keller | Gletscherschmelze seinen Gürtel etwas weiter schnallen muss – also seine uns glaube ich ziemlich einig: Unser Projekt stellt einen Körpermasse wächst – er von Wachstum spricht (wäre viel- massiven Umwelteingriff dar, den man nicht wegdisku- leicht noch eine elegante Art ,um über die Zunahme der tieren kann oder darf. Man könnte einzig bemerken, dass störenden Fettpolster zu sprechen?). Beim Gletscher ist Schneiseile im Gegensatz zu Stauseen, welche z.B. von Gla- es interessanterweise genau umgekehrt: Beim Gletscher- ziologen der ETH favorisiert werden, wieder zurückgebaut wachstum gehen die meisten davon aus, dass die Eismasse werden können. Bei der Frage zur nachhaltigen Entwick- wächst. In unseren Überlegungen haben wir uns jedoch auf lung habe ich von Umweltvertretern schon Bemerkungen die Auswirkung der Beschneiung auf die Gletscherlänge in Richtung «Pflästerlipolitik» gehört, die für mich nicht konzentriert. Wenn man nun bewusst an das Gletscher- nachvollziehbar sind. Es ist keine Frage, dass im Vergleich längenwachstum denkt, kann man die Wirkung von Frau zum Klimaschutz unser Gletscherschutz nur eine Symp- tombekämpfung oder eben ein «Pflästerli» darstellt. Doch wenn man sich die beiden zentralen Fragen hinsichtlich «Schwangere können sich vor einer nachhaltigen Entwicklung anschaut, sieht dies ganz der ersten Geburt auch nicht vorstellen, wie es dann anders aus. Es geht bei diesen beiden Fragen um die in- später ist…» ner- und intragenerationale Gerechtigkeit oder einfacher ausgedrückt, um die Gerechtigkeit innerhalb der heutigen Felix Keller Gesellschaft (z.B. Nord-Süd Gefälle) und der Gerechtigkeit gegenüber zukünftigen Generationen. Wenn es uns mit Holle ziemlich anschaulich erklären: Schnee ist ein 100%- unserem Gletscherschutz gelingt, Menschen heute und iger Schmelzschutz für das darunterliegende Eis. Gelingt in Zukunft das für die Existenz notwendige Wasser zu es möglichst weit oben den Schmelzprozess vollständig sichern, ist es schon ein sehr heilsames «Pflästerli». Wenn zu stoppen, gibt es wieder massiv viel mehr Eis, welches ich mit dem Vorwurf «Symptombekämpfung» jeweils kon- über die dann ebenfalls wieder intensiver ablaufenden frontiert werde, frage ich jeweils zurück, ob diese Person Gletscherbewegung nach unten transportiert wird. Sobald dies auch einem Bürgermeister beispielsweise aus dem dieses Eis unten angekommen ist, kann im besten Falle Ladakh vorwerfen würde, wo heute wegen den geschmol- der Gletscher wieder länger werden. Beim Morteratschglet- zenen Gletschern Siedlungen aufgegeben werden müssen. scher beträgt diese «Wartezeit» oder Reaktionszeit unter Bis jetzt habe ich noch nie darauf eine Antwort bekommen. den heutigen Klimabedingungen 10 Jahre. Verschlechtern sich die Bedingungen weiter, kann es also auch sein, dass Was braucht es dann noch, damit ihre Vision Realität wird? es uns «nur» gelingt den Schmelzprozess massiv abzubrem- Es braucht neben den technischen Voraussetzungen auch sen. Da für den Gletscher nicht nur die Temperaturentwick- den klaren politischen Willen zur Umsetzung. Dabei geht lung, sondern auch die Schneefälle wichtig sind und diese es nicht nur darum, dass die Beschneiung eines Gletschers in den letzten Wintern im Hochgebirge eher zugenommen während 30 Jahren rund 100 Millionen Franken kostet, haben, ist es schwierig eine Prognose zu machen, weshalb sondern auch um den Grundsatz, ein solches Projekt, das wir uns entschieden, die aktuellen Bedingungen für un- ohne Zweifel ein grosser Eingriff in die Natur darstellt, sere Berechnungen zu verwenden und gleichzeitig darauf auch umzusetzen. Ich finde es deshalb auch korrekt, dass hinzuweisen, dass ein Längenwachstum nur möglich ist, sich die eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommis- wenn die Bedingungen einigermassen dem heutigen Zu- sion politisch mit der Umsetzung dieser Rettungsaktion stand entsprechen, wie ich es soeben beschrieben habe. befassen soll und hoffentlich auch einmal wird. Ich bleibe zuversichtlich. Unsere Kinder und Enkelkinder werden uns Ein Wunschtraum, dessen Erfüllung noch in den Sternen steht? nicht fragen, ob wir gesehen haben, was mit den Gletschern Ja, aber ungeträumte Träume werden nie erfüllt… und passiert, sondern was wir getan oder nicht getan haben. sollte uns dieser «erfinderische Hosenlupf» gelingen, dann könnte das einmal auch für ganze Talgemeinschaften im Und zum Schluss… die immer matchentscheidende Frage: Wer zahlt? Himalaya und in anderen Bergregionen die Rettung be- Bis jetzt haben sich einige Geldgeber, die sich für eine deuten. Rund 200 Millionen Menschen allein im Himalaya nachhaltige Entwicklung engagieren, an den Projektkosten sind nämlich vom Schmelzwasser lebendiger Gletscher ab- beteiligt. Es sind Stiftungen (Daniel Karbacher Fonds, Emi- hängig. Auch diese Tatsache gibt mir täglich Energie, auch le Dreyfus Stiftung, Stiftung für Hochschule und Technik daran zu glauben… aber ich bin auch niemandem böse, der Hochschule Luzern, Cover Projekt Foundation, Verein der nicht daran glaubt und das ganze kritisch beobachtet. Glaciers Alive), Wirtschaftskreise (Graubündner Kanto- Wie reagieren überhaupt Naturschutzgesellschaften auf Ihr Projekt? Nur nalbank #gkb2020), Firmen wie Bartholet und Bächler Freude werden sie nicht haben… sowie diverse Amststellen wie die Eidg. Innovationsför- Die Naturschutzgesellschaften sind für mich sehr wichtig, deragentur «Innosuisse», das Amt für Natur und Umwelt denn ich bin einerseits selber Mitglied beim WWF und Graubünden, die Region Maloja oder die Gemeinde Pontre- andrerseits engagiere ich mich als Fachdidaktiker für Um- sina. Ich könnte mir aber gut vorstellen, dass es für unser weltlehre an der ETH Zürich stark für Umweltbildung. In Land nicht schlecht wäre, wenn wir uns gemeinsam für meinen Augen muss man bei dieser Frage zwischen dem solche Wasserfragen engagieren. Umwelteingriff und Fragen zur nachhaltigen Entwicklung unterscheiden. Bei der Frage zum Umwelteingriff sind wir www.mortalive.ch Forum Alpinum 02–2021 | 21
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