FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
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FORUM Gesundheitspolitik in der Diskussion Institut für Gesundheitssystem-Entwicklung 3 • 2021 AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT – BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
MEDIA Jenseits von Paragraphen und Verträgen lebt unser Gesundheitssystem vom Gespräch und vom Austausch der Akteu- re. Vor allem Weiterentwicklungen unseres Gesundheitssystems finden nicht am Reißbrett statt, sondern im Diskurs der Akteure miteinander. Mit iX-Media wird diesem Austausch eine Plattform gegeben. Wir laden „auf allen Kanälen“ zum Dialog ein: Print, Audio und Video stehen Ihnen zur Verfügung, um Ihre Positionen, Ihre Ideen, Ihre Erkenntnisse der gesundheitspolitischen Community mitzuteilen. Mit Dr. Albrecht Kloepfer, Dr. Jutta Visarius, Dr. Martina Kloepfer und dem übrigen iX-Media-Team stehen langjährige Systemexperten hinter dem Projekt, die wissen wie gesundheitspolitisch der Hase läuft (und zukünftig laufen wird), die der Komplexität des Themas auch mit einfachen Worten gerecht werden können und denen auch die technischen As- pekte medialer Umsetzungen vertraut sind. Wenden Sie sich an uns – wir sind für Sie da! HIGHLIGHTS GESUNDHEITSPOLITISCHER WOCHENRÜCKBLICK Die iX-Highlights informieren immer montags über aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen und liefern relevante Hintergrundinformationen. In seinem gesundheitspolitischen Editorial bewertet Dr. Albrecht Kloepfer ein herausragen- des Wochenthema. In der Rubrik „Mondphasen“ kommen einmal im Monat Vertreter aus Politik oder Selbstverwaltung zu Wort. Aktuelle Dateien der Woche (Bundestagsdrucksachen, Studien etc.) können als Service zusätzlich kostenlos abgerufen werden. FORUM GESUNDHEITSPOLITIK IN DER DISKUSSION Die Zeitschriften-Reihe iX-Forum greift die großen gesundheitspolitischen Themen des Gesundheitswesens auf und bietet Ihnen die Möglichkeit, mit ausreichend Platz und in ansprechendem Rahmen Ihre Positionen, Ihre Ideen, Ihre Erkenntnisse der gesundheitspolitischen Szene mitzuteilen. Der Clou an der Sache: Die Hefte werden bundesweit an mehr als 2.500 gesundheitspolitische Entscheider und Meinungsführer versandt. – Wir sorgen dafür, dass Ihre Gedan- ken Beachtung finden! RADIO GESUNDHEITSPOLITIK ZUM HÖREN In monatlicher Folge widmet sich iX-Radio einem aktuellen gesundheitspolitischen Thema und lässt dazu die wichtigs- ten Entscheider zu Wort kommen. Erläuternde Moderationen beleuchten die Hintergründe und stellen das jeweilige Thema in den Kontext der unterschiedlichen Interessen. Ziel dabei ist, dass nicht nur die Szene sich selbst bespiegelt, sondern dass unser komplexes Gesundheitssystem auch Außenstehenden nahe gebracht wird. SPOTLIGHT VISUELLE PRÄSENZ IM GESUNDHEITSWESEN iX-Spotlight ist die Video-Plattform für Ihre bildstarke Kommentierung des aktuellen Zeitgeschehens im Gesundheits- system. Denn um überzeugende Statements sichtbar in Szene zu setzen, sind nicht nur eindrucksvolle Bilder aus- schlaggebend, sondern vor allem auch fundierte Kenntnisse des Systems. Mit Dr. Martina Kloepfer haben wir eine büh- nen- und filmerfahrene Expertin im Team, die auch Sie medienwirksam „in Szene setzen“ kann.
Aufbruch in eine neue Zeit – Bilanz und Ausblick zum Ende des Kabinetts Merkel IV AUSGABE 3 · 2021 Inhalt 4 Editorial Dr. Albrecht Kloepfer Herausgeber 6 Reformdrang und Corona – Bilanz der vergangenen vier Jahre Ulrike Elsner Vorstandsvorsitzende Verband der Ersatzkassen e.V. 9 Die Zukunft der Gesundheitspolitik braucht Selbstverwaltung und eine nachhaltige Versorgungs- und Finanzierungsstrategie Hans-Jürgen Müller, Hans Peter Wollseifer Vorstandsvorsitzende IKK e.V. 13 Die Krankenhauspolitik der Großen Koalition: Bilanz und Ausblick aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft Dr. Gerald Gaß Vorstandsvorsitzender DKG - Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. 17 Gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen Prof. Dr. Christoph Benz Präsident Bundeszahnärztekammer (BZÄK) 21 Versorgungssicherung ist ein strategisches MussDominik Burziwoda Dr. Kai Joachimsen Hauptgeschäftsführer BPI - Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie 24 Europa, Pandemie und Digitalisierung Gabriele Regina Overwiening Präsidentin ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. 27 Mehr Patientenorientierung wagen Oda Hagemeier Geschäftsführerin eurocom e.V. 32 In der 19. Legislaturperiode ist viel passiert – dennoch bleibt noch viel zu tun Dr. Jens Baas Vorsitzender des Vorstands Techniker Krankenkasse 35 Potentiale heben und Chancen nutzen Prof. Dr. Christoph Straub Vorstandsvorsitzender BARMER 39 Weckruf für eine große Gesundheits- und Pflegereform Andreas Storm Vorsitzender des Vorstands DAK-Gesundheit 43 Unverändert gefragt: Qualitätsorientierte Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung Dr. Irmgard Stippler Vorstandsvorsitzende AOK Bayern 46 Mut zu Veränderungen Thomas Bublitz Geschäftsführer Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK) 50 Digital Health für Fortgeschrittene Sebastian Zilch Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT - bvitg e.V. FORUM 3
Editorial Liebe Leserinnen, liebe Leser, Westfalen ist Kernland, wenn es um eine anstehende Krankenhausreform geht, und Laschet ist als Ministerprä- wer in, sagen wir, fünfzig Jahren auf die Gesundheitspo- sident schon jetzt viel intensiver in die gesundheitspoli- litik der 19. Legislaturperiode blickt, wird vor allem eine tische Diskussion involviert. Also: Selbst bei größter Kon- Überschrift finden: „Pandemie“. Vielleicht tauchen in der tinuität werden sich die gesundheitspolitischen Impulse Unterzeile noch Schlagworte wie „Digitalisierung“ und aus dem Kanzleramt verändern. „Apps auf Rezept“ auf, aber aktuelle Themen, die aus heutiger Sicht wichtig sein mögen (und tatsächlich auch Und wieviel stärker wird dies der Fall sein, wenn Farben wichtig sind!), wird im weiten Rückblick niemand mehr und Farbkombinationen in der Regierung, im Kanzleramt auf dem Schirm haben: Morbi-RSA? Krankenhausreform? und/oder im Ministerium wechseln? Aus dieser Perspek- Notfallversorgung? – Das sind Themen, die die Nachge- tive wird deutlich erkennbar, dass den anstehenden ge- borenen bei entsprechendem zeitlichem Abstand nur sundheitspolitischen Fragestellungen tatsächlich eine noch mit Mühe werden buchstabieren können. grundsätzliche Brisanz zufällt. Das aktuelle iX-Forum widmet sich aber dem Heute. Und Welche Weichenstellungen stehen an? „mittendrin“ merken wir, dass in den vermeintlich „klei- nen“ Themen eine deutliche Brisant steckt. Denn wir be- An erster Stelle: In der nächsten Legislaturperiode wird finden uns in einer Zeit der Weichenstellung, die – wie es das Geld knapp sein. Dafür sind gar nicht so sehr ver- für Weichenstellungen üblich ist – gravierende Auswir- meintliche Pandemiekosten verantwortlich, die sich im kungen für das Gesundheitssystem der Zukunft hat, auch Gesundheitswesen dramatisch niedergeschlagen hätten. wenn sich in der Rückschau kaum noch jemand an die Die Kassen leergeräumt hat vielmehr der aktuelle Ge- Details erinnern wird, mit denen damals die Weichen ge- sundheitsminister, der mit dem griffigen, aber in dieser stellt wurden. Pauschalität keineswegs richtigen Spruch „Krankenkas- sen sind keine Sparkassen“ nicht nur den Gesundheits- Gerade deswegen wird der Wechsel zwischen 19. und 20. fonds und seine Rücklagen, sondern auch die Notgro- Legislaturperiode so wichtig werden. Denn auch ohne schen jeder Einzelkasse ordentlich leergeräumt hat. Also, Pandemie stehen grundsätzliche Zäsuren an. Sicher ist: die Scheunen wären zu Beginn der 20. Legislaturperiode Die Ära Merkel wird enden. In welche Hände die Kanzler- ohnehin schon leer gewesen. schaft fallen wird, entscheiden die Wählerinnen und Wäh- ler, aber selbst bei größter Kontinuität – für die der Name Diesen leeren Scheunen werden allerdings zusätzlich Armin Laschet stehen dürfte – wird sich die gesundheits- auch noch mit einer schlechten Ernte konfrontiert. Denn politische Schwerpunktsetzung im Kanzleramt ändern: mag auch die Pandemie das Gesundheitssystem in seinen Für Angela Merkel war die Ausgestaltung und Weiterent- Ausgaben nicht überstrapaziert haben, bei den Einnah- wicklung unseres Gesundheitssystems erkennbar kein men wird sie sich dramatisch auswirken: Denn der Kon- Lieblingsthema. Möglich, dass hier die relativ geräusch- junktureinbruch der Jahre 2020 und 2021 wird sich im lose Versorgungskontinuität in Mecklenburg-Vorpom- nächsten Jahr nicht erholt haben. Vielmehr gehen Pessi- mern, eingebettet zwischen universitäre Leuchttürme und misten davon aus, dass beispielsweise eine mögliche ausgestattet mit dem einen oder anderen Highlight aus Pleitewelle bislang noch durch großzügig „gestreckte“ dem Innovationsfonds, Pate gestanden hat. Für Armin Insolvenzregeln kaschiert wurde – um dann im nächsten Laschet dürfte die Situation eine andere sein: Nordrhein- Jahr die Konjunktur (und damit die GKV-Einnahmen) um- 4
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV AUSGABE 3 · 2021 so härter zu treffen. Also: Leere Kassen sind im Jahr 2022 Und schließlich die Digitalisierung: Jens Spahn darf sich (und folgende?) unvermeidlich und werden die Diskussi- wohl zu Recht rühmen, hier unser System entscheidend on bestimmen. Dass die Autorinnen und Autoren des vor- vorangebracht zu haben. Aber auch hier stehen Weichen- liegenden iX-Forum intensiv über Geld reden, ist also stellungen an, die in Zukunft und in die Zukunft geführt kaum verwunderlich. werden müssen. Mit anderen Worten: Digitalisierung läuft nicht von alleine – und wenn Sie von alleine liefe, gnade Aber auch andere Themen bestimmen den Rückblick auf uns Gott (das gilt übrigens besonders für die vielgerühm- die Ära Merkel und den Ausblick auf die kommende Le- te „Künstliche Intelligenz“). Auch hier also liegen Aufga- gislaturperiode. Dass unsere schreibenden Gäste sich ben vor uns, denen sich unsere Autorinnen und Autoren Gedanken um die Zukunft der Selbstverwaltung machen, mit intensivem Engagement annehmen. ist kaum verwunderlich: Zu offensichtlich hat der noch amtierende Minister immer wieder in deren Befugnisse Insgesamt ist auf diese Weise ein iX-Forum entstanden, eingegriffen und wissen lassen – teils explizit, teils impli- dass als Wegmarken-Heft in einer deutliche Umbruchzeit zit –, dass er es besser könne. Aber selbst wenn das der bezeichnet werden kann – und dem auf diese Weise blei- Fall sein sollte (was in der Gesamtheit durchaus bezwei- bender Wert zukommen wird: Wer wissen will, was am felt werden darf): Was wäre denn mit all diesen Befugnis- Ende der „Ära Merkel“ gedacht und in die Zukunft formu- sen und Aufgabe, wenn es ein Minister – wie es die Regel liert wurde, wird hier ein Kompendium finden, auf das sein dürfte – nicht besser kann? Wer führt dann den La- immer wieder zurückgegriffen werden kann. den? Also, hier geht es nicht um Macht, sondern in der Tat um Kompetenz mit der unser milliardenschweres solida- Wir danken unseren Autorinnen und Autoren, dass Sie uns risches System zum Wohl von Versicherten und Patienten bei diesem Projekt so tatkräftig unterstützt haben, und geführt und (um-)gestaltet werden muss. wir wünschen Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, bei der Lektüre ein erkenntnisreiches Vergnügen. Und auch von den Notwendigkeiten einer solchen Umge- staltung ist in diesem Heft reichlich die Rede: Dass die Mit herzlichem Gruß Sektorengrenzen endlich durchlässiger werden müssen, Dr. Albrecht Kloepfer ist nicht nur dem Versorgungsbedarf und dem kontinuier- lichen Anwachsen chronischer Erkrankungen geschuldet (eine gute Nachricht übrigens: heißt sie doch, dass wir immer älter werden und schwere, bislang tödliche Erkran- kungen im besser behandeln können!). Aber je länger wir eine Versorgung kultivieren, die sich nicht am Patienten- bedarf orientiert, um so mehr verabschieden sich auch Ärzte und Gesundheitsfachkräfte aus dem System, weil sie eben patienten- und nicht vergütungs- oder gar ver- waltungsorientiert arbeiten wollen. Also: Auf die Selbst- verwaltung werden massive Ausgaben zukommen, und auch davon ist in diesem iX-Forum ein ums andere Mal die Rede. Dr. Albrecht Kloepfer FORUM 5
Reformdrang und Die vergangenen vier Jahre waren einerseits geprägt Corona – Bilanz der durch tiefgreifende Reformen, angestoßen von einem ent- schlossenem Gesundheitsminister, verabschiedet durch vergangenen vier ein Parlament, das in der Gesundheitsgesetzgebung im- mer wieder auch die Zustimmung der Opposition erhielt, Jahre und andererseits seit März 2020 bestimmt durch die Co- rona-Gesetzgebung zur Lösung von spezifischen Versor- gungs- und Finanzbedarfen. Prägend waren die Reform des Morbi-RSA, die Stärkung der Versorgung über finan- zielle Anreize und das Megathema der Digitalisierung – vom Ausbau der Telematikinfrastruktur über die elektro- nische Patientenakte bis zu DiGAs und DiPAs als neue Versorgungsangebote. Kaum ein Bereich des Gesundheitssystems blieb unbe- rührt vom Spahnschen Reformdrang. Und auch der Koa- litionspartner hat im Koalitionsvertrag Wegmarken ge- setzt. Dazu gehört die Wiederherstellung der vollständi- gen Beitragssatzparität gleich zu Beginn der Legislatur- periode mit dem Versichertenentlastungsgesetz. Damit ist eine Forderung, die der vdek seit vielen Jahren erho- ben hat, umgesetzt. Jetzt wird der kassenindividuelle Zu- satzbeitrag wieder jeweils hälftig von Versicherten und Arbeitgebern getragen. Eines der Großprojekte war das Faire-Kassenwettbe- werbs-Gesetz - natürlich interessengeleitet diskutiert, ging es doch um die Neujustierung der Kriterien für die Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den Abbau Ulrike Elsner, von Vor- und Nachteilen bei den im Wettbewerb stehen- Vorstandsvorsitzende den Krankenkassen. Durch eine umfassende Reform des Verband der Ersatzkassen e.V. Morbi-RSA wurde der Finanzausgleichsmechanismus zwi- schen den Krankenkassen neu austariert und durch ver- (vdek) schiedene Instrumente manipulationssicherer neu ge- staltet. Regionalkomponente, Risikopool, Präventions- pauschale und die Abschaffung von Sonderregelungen sorgen nun dafür, dass der Wettbewerb zwischen den Die 19. Legislaturperiode war aus Krankenkassen künftig fairer wird. Dafür hatten sich die gesundheitspolitischer Sicht Ersatzkassen im Verbund mit den Betriebs- und Innungs- mehr als außergewöhnlich! krankenkassen seit langem intensiv eingesetzt. 6
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV AUSGABE 3 · 2021 Kleinere Unschärfen im Morbi-RSA blieben. Etwa der feh- Und natürlich schlug sich auch die COVID-19-Pandemie lende Ist-Kosten-Ausgleich beim Kinderkrankengeld und in der Gesetzgebung nieder. Auskömmliche Rettungs- bei den RSA-Zuweisungen für Auslandskrankenversicher- schirme für die Leistungserbringer wurden aufgespannt te. Hier hat sich der Gesetzgeber mit dem Gesundheits- und die Kassen leisteten ihren Teil. Schnelles, flexibles versorgungsweiterentwicklungsgesetz mittlerweile auf und umsichtiges Handeln war notwendig. Aus diesen Er- den Weg gemacht. fahrungen sollte nun gelernt und die richtigen Schlüsse gezogen werden. Es sollte geprüft werden, welche der Dem sachkundigen Beobachter dürfte das Termin- vielen Sondermaßnahmen geeignet sind, die Regelver- service- und Versorgungsgesetz noch in Erinnerung ge- sorgung zu verbessern. Zur Bewältigung der Krise konnte blieben sein. Ein wahres Omnibusgesetz, dass das ge- die Politik sich auf die GKV stützen. Und die GKV als sundheitspolitische Berlin wochenlang in Atem hielt und selbstverwaltetes Gesundheitssystem hat in enger Koor- dessen zentralste Neuerung wohl war, den Versicherten dination mit den weiteren Sozialversicherungssystemen in der gesetzlichen Krankenversicherung Facharzttermine die Leistungsfähigkeit und Stabilisierungswirkung der so- anzubieten. Hierfür wurde die Systematik des sog. extra- zialen Sicherungssysteme unter Beweis gestellt. budgetären Honorars ausgebaut, was zu umfangreichen Vergütungserhöhungen für die niedergelassenen Ärztin- Es mag mit den vielen ad hoc Regelungen zur Bewältigung nen und Ärzte führte. Diese und andere Regelungen und der Corona-Pandemie zusammenhängen – eine Zukunfts- Leistungsausweitungen, wie etwa die Erhöhung des Fest- reform für den Krankenhaussektor bzw. die stationäre zuschusses für den Zahnersatz von 50 Prozent auf 60 Pro- Versorgungslandschaft fehlt. Strukturfragen wurden nicht zent oder das Verbot der Ausschreibungen für Hilfsmittel, geklärt. Personalmangel in der Krankenhauspflege, ver- haben wiederum zu erheblichen Kostensteigerungen bei änderte Versorgungsanforderungen infolge der demogra- den Krankenkassen geführt. fischen Entwicklung und die zunehmend ambulant mög- liche Versorgung erfordern eine Modernisierung der Ver- Auch kennzeichnend für die 19. Legislatur ist die digitale sorgungslandschaft. In urbanen Ballungsgebieten Agenda. Die Telematikinfrastruktur – seit der Einführung herrscht häufig eine Überversorgung mit Krankenhäusern der elektronischen Gesundheitskarte 1995 auch mangels im Gegensatz zu einer teilweisen Unterversorgung im eines verbindlichen Handlungsrahmens für die gemein- ländlichen, strukturschwächeren Raum. same Selbstverwaltung lange Sorgenkind – sollte nun endlich praktische Anwendungen ermöglichen. Gleich Zurecht wird mehr Qualität und Spezialisierung in den drei Digitalisierungsgesetze brachte Minister Spahn auf Häusern eingefordert. Nicht jedes Kreiskrankenhaus kann den Weg. Das Digitale Versorgungsgesetz, das Patienten- und muss die gesamte Bandbreite von Leistungen vorhal- daten-Schutz-Gesetz und zuletzt das Digitale Versorgung ten. Es braucht einen vernünftigen Ausgleich zwischen und Pflege-Modernisierungsgesetz. Kern der Digitalisie- einer flächendeckenden Grundversorgung von Kranken- rungsagenda: Die elektronische Patientenakte wird häusern und einzelnen Zentren, die Spitzenmedizin an- schrittweise ausgebaut und mit weiteren Anwendungen, bieten. In der Breite muss es zu einer konsequenten etwa dem E-Rezept oder dem E-Impfpass, für die Versi- Qualitätsverbesserung durch Leistungskonzentration cherten tatsächlich nutzbar gemacht. Darüber hinaus fin- kommen. Gerade die COVID-19-Pandemie hat doch den Gesundheits-Apps zur Unterstützung der Kranken- gezeigt, dass besonders kritische Fälle, wie beispielswei- und Pflegeversorgung mehr und mehr den Weg in die Re- se intensivmedizinische Beatmungsfälle, vor allem an gelversorgung. hochspezialisierten Fachkrankenhäusern oder Kranken- FORUM 7
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV häusern der Schwerpunktversorgung konzentriert wur- Dieser sektorenübergreifende Ansatz hat Zukunft. Durch den. Daraus sind für die Zukunft die richtigen Lehren zu den medizinischen Fortschritt können heute mehr Leistun- ziehen. Ein Gutachten des IGES-Institutes im Auftrag des gen als je zuvor ambulant durchgeführt werden, die früher vdek zeigte kürzlich ganz eindeutig, dass es einen positi- stationär vorgenommen werden mussten. Das realisiert ven Volume-Outcome-Zusammenhang gibt. Das heißt hohe Effizienzpotenziale in der stationären Versorgung. im Klartext, je mehr Eingriffe durchgeführt werden, desto besser ist es um die Qualität der Ergebnisse bestellt. Oder Eine Krankenhausstrukturreform wird in der kommenden um es ganz platt zu sagen: Übung macht den Meister! Legislatur nur eine der gesundheitspolitischen Aufgaben sein. Auf die Agenda gehört die Debatte um eine stärkere In gemeinsamer Verantwortung für eine moderne Kran- Datennutzung zur Optimierung der Versorgung ebenso kenhausstruktur müssen sich alle Akteure – Bund, Län- wie eine Stärkung der Kompetenzen der Selbstverwaltung der, Kommunen, die Krankenhäuser und die Krankenkas- bei der Entwicklung von digitalen Lösungen. Daneben sen – zusammensetzen. An den Erkenntnissen (verschie- braucht es den gesetzlichen Rahmen für eine einheitliche denster Wissenschaftler) zur Qualitätsverbesserung Krankenkassenaufsicht – neben einem funktionierenden durch Leistungskonzentration und zu ambulant-stationä- Morbi-RSA essentiell für einen fairen Wettbewerb. In der ren Zentren in ländlichen Räumen führt kein Weg vorbei. sozialen Pflegeversicherung wird es Lösungen brauchen, Zu einem solchen übergreifenden Reformbündnis gehört um die steigenden Eigenanteile abzufedern. auch zwingend, das die Bundesländer ihrer Finanzie- rungsverantwortung für die Investitionskostenfinanzie- Zur Stabilisierung der GKV–Finanzen bedarf es politischer rung nachkommen, etwa durch gesetzliche Investitions- Entscheidungen zur Kostendämpfung bei den Leistungs- quoten, leistungsbezogene Investitionsbewertungsrela- honoraren, zur vollständigen Refinanzierung der versiche- tionen und flankierende Bundesprogramme. rungsfremden Leistungen und zu einem abgesenkten Mehrwertsteuersatz. Um die Sonderlasten aus der Pan- Auch die aktuelle DRG-Systematik muss verändert wer- demie abzufedern, bedarf es eines weiteren, zusätzlichen den, da sie Fehlanreize für Mengenausweitung von oft- Steuerzuschusses für 2022. Nur so kann in dieser Aus- mals unnötigen Operationen setzt. Die DRGs müssen stär- nahmesituation die Belastung der Versicherten und Ar- ker Vorhaltekosten berücksichtigen. Bestimmte versor- beitgeber mit massiv steigenden Zusatzbeitragsätzen ver- gungskritische Abteilungen müssen zur Sicherstellung der mieden werden. Versorgung auch in der Fläche finanziert werden. Dazu müssen deren Leistungen klar definiert und in der Kran- Als Ersatzkassenverband haben wir unsere Vorschläge kenhausplanung und der Finanzierung berücksichtigt wer- für die gesundheitspolitische Agenda der kommenden den. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass nicht al- Bundesregierung in ein zehn-Punkte-Positionspapier ge- lein durch die Vorhaltekosten Krankenhausstandorte fi- fasst und auf unserer Homepage unter www.vdek.com nanziert werden, die nicht versorgungsrelevant bzw. be- veröffentlicht. darfsnotwendig sind. Andererseits müssen konsequent die Potenziale der Zu- Link zum sammenarbeit zwischen der ambulanten und der statio- Positionspapier des vdek nären Versorgung aktiviert werden. Schon jetzt ist das mög- lich und Modelle wie Krankenhaus-MVZs funktionieren. 8
AUSGABE 3 · 2021 Die Zukunft der Gesundheitspolitik Zwar haben in den letzten Jahren Experten immer wieder braucht Selbstverwaltung das Schreckgespenst Pandemie beschworen. Allerdings wurden offenbar keine vorkehrenden Maßnahmen getrof- und eine nachhaltige fen. So traf die Pandemie auf einen Öffentlichen Gesund- heitsdienst (ÖGD) in beklagenswertem Zustand und deck- Versorgungs- und te gnadenlos die Schwächen des föderalen Systems auf. Finanzierungsstrategie Im Schnellverfahren wurde versucht gegenzusteuern: So wurden beispielsweise die Zuständigkeiten des Bundes erweitert und ein Investitionsprogramm für den ÖGD be- schlossen. Viele der unter Not angestoßenen Punkte wa- Hans-Jürgen ren richtig und teils überfällig. Sie haben in der Summe Müller dazu geführt, dass wir, was die Zahl der Infektionen und Vorstands- der Toten anbelangt, bisher vergleichbar gut durch die Krise gekommen sind, auch wenn die wirtschaftlichen Fol- vorsitzender gen und ihre Bedeutung für die Sozialversicherung noch IKK e.V. nicht absehbar sind. Charakteristika der Gesundheits- politik der 19. Legislaturperiode Nicht erst im Schatten der Pandemie hat der Bundesge- sundheitsminister den Stellenwert der Exekutive deutlich Hans Peter erweitert. Mit dem Instrument der Rechtsverordnung hat Wollseifer er sich dafür eines Mittels bedient, mit dem er ohne lange und zermürbende Diskussionen Fakten schaffen konnte. Vorstands- Pragmatisch möchten die einen meinen, aktionistisch und vorsitzender übergriffig die anderen. Dass er dabei auch an vielen Stel- IKK e.V. len empfindlich die Rechte der Selbstverwaltung und die der Krankenkassen, z.B. bei der Krankenhausabrech- nungsprüfung (MDK-Reformgesetz) und der Beitragsau- tonomie (GVPG), eingeschränkt hat, war für Beobachter seines Politikverständnisses nicht überraschend. Maß- volles Aufsichtshandeln und eine klare Trennung von Rechts- und Fachaufsicht waren erkennbar nicht die Leit- linien des Handelns. Hinter uns liegt eine Legislaturperiode, die es in sich hatte. Vor allem das letzte Jahr hat durch die Darüber hinaus griff der Gesundheitsminister, wie schon Corona-Pandemie allen Akteuren des Gesundheits- sein Vorgänger, beherzt in die Finanztöpfe der GKV, um systems ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft, Versorgung zu verbessern und innovativer zu gestalten. Flexibilität und Engagement abverlangt. Wie unter Immer wieder wurden dafür die Liquiditätsreserve des einem Brennglas wurden Defizite in Strukturen und Gesundheitsfonds bzw. die Rücklagen der Krankenkassen Prozessen sichtbar. herangezogen, als seien dies nie versiegende Quellen. 9
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV Bestehende Defizite mit finanziellen Mitteln zu lösen, ist Bundesgesundheitsminister die Mehrheit an der gematik aber in den meisten Fällen nur von kurzfristigem Erfolg. und hat sich damit eine Option verschafft, durch die er, Strukturprobleme werden damit oftmals nur überdeckt. an der aus seiner Sicht in dieser Frage zu zögerlichen Außerdem gilt auch hier: Eingriffe in die Finanzautonomie Selbstverwaltung vorbei, seine Vorstellungen umsetzen der Kassen schwächen die Selbstverwaltung. Wenn die kann. Kassen auf die Rolle der Finanzierer beschränkt werden, weil ihre Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt wer- Mit der „Ära Spahn“ kamen u.a. auch die Erweiterung der den, gehen wichtige Steuerungsoptionen verloren. Das Terminservicestellen und der Sprechzeiten für GKV-Ver- ist gegenüber den beitragszahlenden Versicherten und sicherte (TSVG), mehr Schutz vor gefälschten oder ver- Arbeitgebern nicht vertretbar. unreinigten Arzneimitteln (GSAV) sowie Ansätze, um den von Minister Gröhe aufgebrachten Qualitätsgedanken im Rückblick auf den „Normalbetrieb“ System mit der Ausweitung der Bereiche für Mindestmen- Schon unter den Bedingungen des „Normalbetriebes“, gen und Zweitmeinung (GVWG) zu verstetigen. Zudem also vor Ausbruch der Pandemie, ist es dem Minister ge- widmete sich Spahn verstärkt den nichtmedizinischen Be- lungen, dem Gesundheitssystem seinen Stempel aufzu- rufsgruppen im Gesundheitssystem. Apotheker, Pflege- drücken. Jens Spahn hat mit voller Agenda das Amt als kräfte, Hebammen und Heilmittelerbringer etc. bekamen Gesundheitsminister übernommen. Schon in der Zwi- Unterstützung in Form von besserer Vergütung, mehr Ver- schenbilanz waren 20 Gesetze in 20 Monaten zu verzeich- antwortung bis hin zur Reform der Ausbildung. Der Minis- nen. Eine Taktung, bei welcher man sich schnell fragte, ter hat damit den Grundstein gelegt, viele nichtmedizini- ob sich das Tempo durchhalten lässt. Befeuert durch die sche Berufe aus ihrem bisherigen Schattendasein zu ho- Corona-Pandemie hat sich die Schlagzahl in den letzten len und damit neue Wege für die Zusammenarbeit unter 14 Monaten noch weiter erhöht. den Gesundheitsberufen aufgezeigt. In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Große Koalition die Im Resümee lässt sich sagen: Die politische Handschrift Aufgabe gesetzt, die Versorgung zu stärken und Innova- des Ministers ist unverkennbar: Pragmatismus gepaart tionen voranzubringen. In der Rückschau heißt das aus mit Aktionismus und Machtbewusstsein. Das Ergebnis: Perspektive der GKV: viel Licht, aber auch viel Schatten. Ein Flickenteppich an Regelungen und allerlei handwerk- Ein paar Beispiele: liche Fehler, um die sich auch noch der nächste Gesund- heitsminister wird kümmern müssen. Mit dem festen Willen, Patienten möglichst schnell von innovativen Versorgungsansätzen profitieren zu lassen, Dauerbaustelle Strukturreform katapultierte Spahn beispielsweise das Thema Digitali- Relevante Themen – wie etwa eine Krankenhausstruktur- sierung über mehrere gesetzliche Initiativen förmlich ins reform, eine Reform der Notfallversorgung oder die an- 21. Jahrhundert. Das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG) gekündigte große Pflegereform – sind, auch bedingt durch und seine Nachfolger waren wichtige Schritte! Aber auch die Corona-Pandemie, auf der Strecke geblieben. Damit hier: Die Kassen wurden zum Zahler gemacht und bei der fehlen noch immer dringend notwendige Strukturanpas- gematik ausgebootet. Im Handstreich sicherte sich der sungen. 10
AUSGABE 3 · 2021 Für die Innungskrankenkassen ist eine nachhaltige Struk- Sicht ist es essentiell, dass die Umsetzung der digitalen turreform eine der wesentlichsten Aufgaben der neuen Transformation im Gesundheitswesen unter Beteiligung Bundesregierung. Durch die sich immer schneller verän- der gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert wird. dernden ökonomischen, gesellschaftlichen wie auch in- Gleiches gilt auch für die damit einhergehenden Bereiche novativen Prozesse treten Systemschwächen immer stär- wie Datenschutz, digitale Kompetenz und Finanzierung. ker zu Tage. Auch aus Effizienzgesichtspunkten ist es da- Aktuell ist es zu früh, um eine abschließende Bilanz der her dringend geboten, Unter-, Über- und Fehlversorgung Corona-Pandemie und ihrer Wirkung auf das Gesund- abzubauen und Sektorengrenzen zu überwinden. Gleich- heitswesen zu ziehen. Doch kann mit Fug und Recht be- zeitig sollten Kooperation, Delegation und Substitution reits jetzt festgehalten werden: Gerade im weltweiten Ver- auf- und ausgebaut werden. Der Förderung von Innova- gleich hat sich das deutsche Gesundheitswesen auch in tionen durch klare und verbindliche Regelungen weisen Krisenzeiten bewährt. Die über 70 Millionen gesetzlich wir eine gravierende Rolle bei der Versorgungsverbesse- Versicherten – fast 90 Prozent der Gesamtbevölkerung rung zu. Wir brauchen mutigere Schritte für ein aufeinan- – haben sich in diesem Stresstest auf das hohe gesund- der abgestimmtes Versorgungskonzept, das Patienten heitliche und pflegerische Versorgungsniveau des deut- und Versicherte dahin rückt, wo sie hingehören, nämlich schen Gesundheitswesens verlassen können. Und auch in den Fokus. etwas anderes ist festzuhalten: Die Selbstverwaltung ist ihrer Verantwortung gerecht geworden und hat für zeit- Erforderlich ist es dafür ebenfalls, die Bedeutung der Ge- nahe und situationsangemessene Entscheidungen ge- sundheitskompetenz zu stärken. Nicht zuletzt muss mit sorgt. Blick auf eine effektive Versorgungsgestaltung und -steu- erung der Datenaustausch zwischen Versicherten, Kran- In der neuen Legislaturperiode steht folglich neben der kenkassen und Leistungserbringern ermöglicht werden. Bewältigung der Pandemiefolgen und der Lösung der Auch nach dem mit dem GVWG beschlossenen Teil-Um- durch die Pandemie offenbar gewordenen Defizite (wie bau der Pflegeversicherung sind hier noch viele Baustel- z.B. die Stärkung des ÖGDs) vor allem die Finanzierung len offen geblieben. Einen großen Regelungsbedarf sehen des Gesundheitssystems im Mittelpunkt. Denn das wir auch hier in der Frage der Finanzierung. Die Innungs- aktuell sehr gute Versorgungsniveau im deutschen krankenkassen fordern eine verlässliche Beitragssatzge- Gesundheitswesen lässt sich nur zu einem hohen Preis staltung in der sozialen Pflegeversicherung, die sowohl halten. die Aspekte Eigenverantwortung als auch Überlastungs- sicherung berücksichtigt. Bei der Pflege sehen wir aber Auch wenn es lobend zu erwähnen gilt, dass Spahn in die- auch gesamtgesellschaftliche Aspekte. Deshalb gilt es, ser Legislaturperiode die Morbi-RSA-Reform durchgeführt bei der Finanzierung auch Bund und Länder stärker in der hat, dessen Umsetzung nun konsequent angegangen wer- Pflicht zu nehmen. den muss, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen, Risikoselektion abzubauen und Manipulationen zu verhin- Ein wesentlicher Moment für eine verbesserte Versorgung dern, lässt sich eins nicht verhehlen, die Pandemie und im Gesundheitswesen und in der Pflege wird die zielge- der Reformmarathon haben die Reserven der GKV aufge- richtet vorangetriebene Digitalisierung sein. Aus unserer zehrt. FORUM 11
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV Notfall GKV-Finanzierung Selbstverwaltung als Stabilitätsanker Das verbindende Element der 18. und 19. Legislaturpe- Wir wollen kein rein steuerfinanziertes System und keine riode ist die Leistungs- und Ausgabenausweitung. Beide Einheitsversicherung. Der Erhalt des selbstverwalteten Minister profitierten von den konjunkturbedingt gut ge- Krankenversicherungssystems ist uns ein großes Anlie- füllten Kassen. Spahn zwang die Kassen zusätzlich dazu, gen. Deshalb kämpfen wir an allen Stellen gegen die stär- ihre Finanzreserven abzuschmelzen. Das Ergebnis ist be- kere Einflussnahme der Bundesregierung auf unsere Ar- kannt. Der GKV-Spitzenverband prognostiziert für 2022 beit und die Zentralisierungsbestrebungen des Ministers. eine Lücke von 18 Milliarden Euro zwischen den Einnah- Die Angriffe auf die Selbstverwaltung ziehen sich wie ein men und Ausgaben. roter Faden durch die Gesetzgebung. Das ist irritierend, weil eben jene Bundesregierung bei vielen Gelegenheiten Über allen Forderungen und Verbesserungsvorschlägen erwähnt hat, wie wichtig die Selbstverwaltung ist und für das Gesundheitswesen steht daher die Frage nach- dass man sie stärken wolle. haltig gesicherter Finanzierbarkeit und gerechter Lasten- verteilung. Eine neue Koalition, wie auch immer sie zu- Wer die Selbstverwaltung weiter untergräbt, indem er ihr sammengesetzt sein wird, muss mit diesem Handicap ar- die Legitimation entzieht, stellt nicht nur Partizipation und beiten. Wichtige Punkte aus unserer Sicht sind dabei der Interessenausgleich im Bereich der sozialen Sicherung in Erhalt der Beitragssatzautonomie und das Festhalten am Frage, er bringt das komplette Sozialsystem ins Wanken. Prinzip der Umlagefinanzierung. Eingriffe in die Finanzre- Wir fordern daher von der neuen Bundesregierung, dass serven der Kassen oder den Gesundheitsfonds, wie sie in sie sich auf das Prinzip der Selbstverwaltung besinnt, ih- der laufenden Legislaturperiode immer wieder vorgekom- re Korrektivfunktion im System anerkennt und ihre Hand- men sind, kritisieren wir ebenso, wie die Finanzierung von lungsspielräume ausbaut. versicherungsfremden bzw. gesamtgesellschaftlichen Aufgaben über die GKV oder den Ausstieg der Länder aus Und so gibt es im Gesundheitswesen auch in der kom- der gemeinsamen Finanzierungsverantwortung im stati- menden Legislaturperiode etliche Herausforderungen, die onären Bereich. gelöst, weiterentwickelt oder neu angegangen werden müssen. Die Innungskrankenkassen sind bereit an Lösun- Langfristig wird es darum gehen, vom alleinigen Lohnkos- gen mitzuarbeiten. Wir wollen eine gute, innovative Ver- tenbezug bei der Finanzierung abzurücken. Eine dauer- sorgung – dafür braucht es eine starke Selbstverwaltung hafte Erhöhung des Bundeszuschusses, z.B. um die nicht- und eine verlässliche Finanzierungsbasis! kostendeckenden Beitragssätze für ALG-II-Bezieher, kann dabei nur ein Teil der Lösung sein. Essentiell ist, dass die- se Veränderungen Versorgungsverbesserung für die Pa- tienten und Versicherten ermöglichen und gleichzeitig die Finanzierbarkeit durch die Beitragszahler, also die Versi- cherten und Arbeitgeber, auch in der Zukunft gewährleis- ten. 12
Die Krankenhauspolitik AUSGABE 3 · 2021 der Großen Koalition: Bilanz und Ausblick aus Krankenhäuser vor großen Sicht der Deutschen Herausforderungen In den vergangenen vier Jahren stellte nicht nur die Co- Krankenhausgesellschaft rona-Pandemie die Krankenhäuser vor große Herausfor- derungen. Der Fachkräftemangel und die kaum noch zu überschauende Flut von Vorgaben zur Erbringung, Doku- mentation und Abrechnung von Leistungen erschwerte es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kranken- häuser zunehmend, höchste Qualität zu jeder Zeit und überall direkt vor Ort zu gewährleisten. Hinzu kam das leidige Dauerthema der mangelnden Investitionsfinan- zierung durch die Länder. Die jährliche Investitionslücke von rund vier Milliarden Euro war auch in den vergange- nen vier Jahren maßgeblich für die angespannte wirt- schaftliche Situation vieler Kliniken. Im Zusammenspiel mit einem leer gefegten Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte ist die Investitionsmisere zudem eine der Hauptursachen für die unzureichende Ausschöpfung der Potenziale der Digitalisierung. Dr. Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender DKG – Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V. Quelle: AOLG Bundesregierung widmete sich Wer im Krankenhaus arbeitet, tut dies aus Überzeu- Gesundheitsfachberufen, gung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten den Digitalisierung und Corona Patientinnen und Patienten beistehen und helfen, mit Die bereits im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ge- größtmöglichem persönlichen Engagement und plante Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem Empathie. Die Corona-Pandemie hat dies einmal mehr DRG-System war für die Krankenhäuser das wichtigste eindrücklich unter Beweis gestellt: Ohne den Reformprojekt dieser Legislaturperiode. Die neuen Pfle- unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und gebudgets stellen den Krankenhäusern eine vollständige Mitarbeiter in denKrankenhäusern und eine gut abgestimmte Struktur von Grund- bis Maximalversor- gern hätte das deutsche Gesundheitswesen in der Corona-Krise nicht bestehen können. 13
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV Refinanzierung der Pflegepersonalkosten „am Bett“ in Betriebskosten- und Investitionsfinanzierung zu integrie- Aussicht und können dazu beitragen, Arbeitsplätze für ren. Pflegende noch attraktiver zu machen. Da die Pflegebud- gets jeden Anreiz nehmen, zu Lasten des Pflegepersonals Die zweite Hälfte der Legislaturperiode war durch die Co- Einsparungen vorzunehmen, ist allerdings nicht nachvoll- rona-Pandemie und eine umfangreiche Krisengesetzge- ziehbar, weshalb die Bundesregierung mit dem Pflege- bung geprägt. Die Bundesregierung unterstützte die Kran- personal-Stärkungsgesetz nicht die Chance ergriff, die äu- kenhäuser durch Ausgleichszahlungen für entstandene ßerst bürokratiebehafteten und starren Pflegepersonal- Erlösausfälle und Zuschläge zur Kompensation der pan- untergrenzen (PPUG) abzuschaffen. Mit der von der Deut- demiebedingt gestiegenen Kosten. Dank des Ausbaus der schen Krankenhausgesellschaft, dem Deutschen Pflege- intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten und einer rat und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gemeinsam schnellen und unbürokratischen Kooperation der Kran- entwickelten Pflegepersonalregelung PPR 2.0 steht be- kenhäuser untereinander war die Patientenversorgung in reits ein deutlich bürokratieärmeres und enger am tat- Deutschland zu keinem Zeitpunkt gefährdet. sächlichen Versorgungsbedarf der Patientinnen und Pa- tienten orientiertes Instrument zur Pflegepersonalbe- Gesundheitspolitische Agenda der darfsbemessung zur Verfügung, als dies die PPUG je sein nächsten Legislaturperiode werden. Der Fachkräftemangel, die Erfordernisse der Digitalisie- rung und die zunehmend angespannte wirtschaftliche Si- Zwei Maßnahmen, die in der öffentlichen Wahrnehmung tuation vieler Krankenhäuser werden auch die kommen- weitgehend untergingen, bergen das Potenzial, die Per- den vier Jahre prägen. Gleiches gilt für die überfällige Re- sonalsituation langfristig deutlich zu verbessern: die kon- form der sektorenübergreifenden Versorgung, in deren sequente Abschaffung des Schulgeldes für die Ausbildung Rahmen auch die ambulante Notfallversorgung patiente- in den Gesundheitsfachberufen und die ebenso konse- norientiert weiterentwickelt werden sollte. quente Einführung von Ausbildungsvergütungen. Beide Maßnahmen setzen ein deutliches Zeichen für den ge- Mit der Verbesserung der Personalsituation der Kranken- stiegenen Stellenwert der Gesundheitsberufe in unserer häuser, der Beschleunigung der Digitalisierung und der Gesellschaft und können für Jugendliche, die vor der Ent- Reform der sektorenübergreifenden Versorgungsstruktu- scheidung stehen, in welchem Beruf sie sich ausbilden ren zeichnen sich damit drei Schwerpunkte der gesund- lassen möchten, ausschlaggebend sein. heitspolitischen Agenda der nächsten Legislaturperiode bereits ab. Positiv hervorzuheben ist auch das mit dem Krankenhaus- zukunftsfonds auf den Weg gebrachte Sonderprogramm Erwartungen der Krankenhäuser an zur Förderung digitaler Infrastruktur und zur Verbesse- die nächste Bundesregierung rung der IT- und Cybersicherheit in den Krankenhäusern. Deutschland verfügt über eines der besten Gesundheits- Mit einem Gesamtvolumen von rund 4,3 Milliarden Euro wesen der Welt. Der niedrigschwellige Zugang zu einer wird das Programm einen wichtigen Beitrag zur voran- qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung unab- schreitenden Digitalisierung in den Krankenhäusern leis- hängig vom sozialen Status und persönlicher Zahlungs- ten. Um diesen Prozess dauerhaft voranzutreiben und auf fähigkeit sowie die Gewährleistung einer wohnortnahen hohem Niveau zu gewährleisten, wird es allerdings not- Versorgung auch in dünn besiedelten Regionen zeichnen wendig sein, die erforderlichen Mittel in die regelhafte unser Gesundheitswesen aus. 14
AUSGABE 3 · 2021 Auch die Corona-Pandemie hat die Leistungsfähigkeit der turen ist die Förderung und Etablierung regionaler Krankenhäuser und des deutschen Gesundheitswesens krankenhauszentrierter Versorgungsnetzwerke. Die eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Den Bedarf einer Zuordnung von Versorgungszuständigkeiten sollte in grundlegenden Versorgungsreform hat die Pandemie je- erster Linie über das eigenverantwortliche Zusam- doch nicht vermindert. Die Krankenhäuser halten es da- menwirken der Krankenhäuser in den Regionen erfol- her für dringend geboten, die Weichen für die zukünftige gen. Ausgestaltung der medizinischen Versorgung in Deutsch- land zeitnah nach der Bundestagswahl im Herbst 2021 3. Bessere Rahmenbedingungen für attraktive Arbeits- zu stellen und die Erkenntnisse aus der Pandemie in die plätze bereits bestehenden Strukturüberlegungen einfließen zu Gut ausgebildetes und motiviertes Personal ist die lassen. Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung. Zur Verbesserung der Per- Die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung sonalsituation müssen die Möglichkeiten zur Delega- muss sich am Versorgungsbedarf in den Regionen und an tion ärztlicher und pflegerischer Leistungen ausgewei- den berechtigten Erwartungen der Patientinnen und Pa- tet und konsequent genutzt werden. Die Pflegeperso- tienten sowie der Versicherten messen lassen. Verlässli- naluntergrenzen müssen durch die PPR 2.0 ersetzt und cher wohnortnaher Zugang zu einer qualitativ hochwer- die Personalkosten, nicht nur für den Bereich der Pfle- tigen und sicheren medizinischen Versorgung auch an der ge, vollständig refinanziert werden. Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Ver- sorgung, Rehabilitation und Pflege sollte das gemeinsame 4. Qualitätssicherungsmaßnahmen, die den Patien- Ziel sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass die für die me- tinnen und Patienten dienen dizinische Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung ste- Qualitätssicherung muss wieder als Qualitätsverbes- henden Mittel begrenzt sind. Völlig zu Recht erwarten die serungssystem verstanden werden. Sie soll bestmög- Versicherten daher einen wirtschaftlichen Einsatz der Mit- liche Versorgung fördern. Die Einführung von Min- tel. destmengen aus medizinischen und qualitätssichern- den Gründen wird von den Krankenhäusern aus- Für die Modernisierung der medizinischen Versorgung las- drücklich befürwortet. Sie dürfen allerdings keines- sen sich daraus die folgenden Eckpunkte ableiten: falls zu Strukturbereinigungszwecken missbraucht werden. Dies würde ihren eigentlichen Sinn konter- 1. Digitalisierung beschleunigen karieren. Der beschleunigten Digitalisierung ist höchste Priori- tät einzuräumen. Die erforderlichen Investitionen in 5. Weniger Bürokratie heißt mehr Zeit für die Patien- die digitale Infrastruktur und die einhergehenden dau- tinnen und Patienten erhaften Betriebskosten müssen vollständig refinan- Sämtliche bestehenden und geplanten Dokumenta- ziert werden. tions- und Nachweisverpflichtungen müssen kritisch hinterfragt und auf das notwendige Mindestmaß re- 2. Regionale krankenhauszentrierte Versorgungsnetz- duziert werden. Zur konkreten Umsetzung sprechen werke sich die Krankenhäuser für die Etablierung eines Ex- Zentrales Leitbild im Konzept der Krankenhäuser zur pertenbeirates zum Abbau von Bürokratie beim Bun- Weiterentwicklung der stationären Versorgungsstruk- desministerium für Gesundheit aus. FORUM 15
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV 6. Vergütungssysteme, die die stationäre und ambu- nicht nachkommen, muss der Bund unterstützend ein- lante Krankenhausversorgung umfassen greifen. Das DRG-System hat sich als Instrument zur Vergü- tung stationärer Krankenhausleistungen grundsätzlich Die DKG und ihre Mitgliedsverbände haben zu diesen und bewährt, muss aber um Elemente zur Finanzierung der weiteren Punkten konkrete Umsetzungsvorschläge erar- Vorhaltung von bedarfsnotwendigen Versorgungsan- beitet. Unter dem Titel „Fair – diskutieren, entscheiden, geboten ergänzt werden. Für die Versorgung von Pati- handeln“ stehen die Positionen der Deutschen Kranken- entinnen und Patienten, die ambulant behandelt wer- hausgesellschaft für die 20. Legislaturperiode des Deut- den können, aber auf die besonderen Mittel eines schen Bundestags auf www.dkgev.de zum Download be- Krankenhauses angewiesen sind, ist ein neues Vergü- reit. tungselement für die „ambulant klinische Versorgung“ im Krankenhaus zu schaffen. Link zum Darüber hinaus appellieren die Krankenhäuser an die Positionspapier der DKG Länder, ihrer Investitionsverantwortung vollumfänglich nachzukommen. Können die Länder ihrer Verantwortung Die Krankenhäuser brauchen: Ordnungspolitische Weichen- ■ weniger Bürokratie und mehr Zeit für die stellungen für eine moderne Patientinnen und Patienten medizinische Versorgung: ■ bessere Rahmenbedingungen für attraktive ■ föderale Verantwortung stärken, Arbeitsplätze Zentralismus entgegenwirken ■ Qualitätssicherungsmaßnahmen, die den ■ Krankenhausplanung aktiv gestalten Patientinnen und Patienten dienen ■ Versorgungsplanung sektorenübergreifend ■ verlässliche Rahmenbedingungen für die ausrichten Erbringung ambulanter Leistungen ■ regionale Versorgungsnetzwerke fördern ■ Vergütungssysteme, die die stationäre und und ausbauen ambulante Krankenhausversorgung umfassen ■ eine gesicherte Refinanzierung der Tariflohnsteigerungen ■ eine nachhaltige Investitionsfinanzierung ■ eine beschleunigte Digitalisierung 16
AUSGABE · 2021 Gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen Nicht nur ein neues Kapitel von bundes- und europapoli- tischer Bedeutung wird am 26. September aufgeschlagen, wenn ein neuer Bundestag gewählt und uns dabei allen gewiss sein sollte: Es wird nach 16 Jahren einen Wechsel im Kanzleramt geben. Denn: Last but not least und in aller Bescheidenheit – auch bei der Bundeszahnärztekammer wird ein neues Ka- pitel aufgeschlagen, gleich in mehrfacher Hinsicht: Jünger und weiblicher zu werden ist der Anspruch - und den ers- ten Schritt hat die Bundeszahnärztekammer auf ihrer Bundesversammlung unternommen: Mit Dr. Romy Ermler wurde erstmals eine Frau als Vizepräsidentin in den Ge- schäftsführenden Vorstand gewählt. Mit dem Votum der Delegierten wurde der Geschäftsführende Vorstand zu- gleich verjüngt und es wurde Kontinuität gewählt. Doch zurück zur aktuellen politischen Situation. Wir dür- fen nicht vergessen, warum wir so positiv in die Zukunft blicken können und wollen: Es ist dem medizinischen Fortschritt zu verdanken, der Initiative von Unternehmen sowie der Kompetenz und Kreativität von Wissenschaft- lerinnen und Wissenschaftlern, dass in Rekordzeit siche- Prof. Dr. Christoph Benz re Impfstoffe zur Pandemiebekämpfung bereitstehen. Präsident Nicht auszudenken, wie sich die Situation ohne diese bei- spiellose Leistung darstellen würde. Bundeszahnärztekammer (BZ K) Deshalb sollte bei einer Lehre aus der Krise Einigkeit be- stehen: Eine moderne Gesundheitspolitik braucht Inno- vationen, und Innovationen brauchen die richtigen Rah- Über ein Jahr Corona-Pandemie liegt hinter uns und überall menbedingungen. Das gilt für die medizinische Forschung spürt man den Wunsch, durchzustarten und ein neues ebenso wie für das Gesundheitssystem, das sich bei allen Kapitel aufzuschlagen. Die Corona-Fallzahlen gehen zurück, Problemen in der Krise bewährt hat. Und das sollten wir die Zahl der Geimpften steigt stetig und mittlerweile scheint auch den Parteien mit auf den Weg geben, die sich im die Impftstrategie in Deutschland trotz einiger „Rüttler“ zu Herbst zur Wahl stellen, um in Deutschland ein neues Ka- greifen – kurz: wir alle können auf einen guten Sommer pitel aufzuschlagen. Und dabei müssen die Politk und der hoffen, der dieses Mal hoffentlich nicht in einen trüben Gesundheitssektor eng zusammenarbeiten. Lockdown-Herbst mündet. 17
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV Sinkende Einnahmen, Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von globalen steigende Ausgaben Lieferketten ist offensichtlich geworden. Lieferengpässe Leicht war dieses Jahr für niemanden, das gilt auch für bei Arzneimitteln, Beschaffungsprobleme bei Schutzaus- die Zahnärzteschaft. Einnahmeeinbrüche durch wegblei- rüstungen – wer hätte vor Pandemieausbruch gedacht, bende Patientinnen und Patienten, gleichzeitig Beschaf- dass medizinische Schutzmasken einmal zur Mangelwa- fungsprobleme und zusätzliche Ausgaben durch den er- re werden. Die schnelle und ausreichende Verfügbarkeit höhten Hygieneaufwand – in den Zahnarztpraxen sehnt von Arzneimitteln sowie medizinischer Schutzausrüstung man ein Ende der Pandemie herbei. ist in einer Pandemie von strategischer Bedeutung. Des- halb ist es richtig, in Deutschland und Europa Notreser- Bei allen Schwierigkeiten vor allem im zweiten Quartal ven aufzubauen und eigene Produktionskapazitäten für 2020 können die Zahnärztinnen und Zahnärzte stolz auf Arzneimittel, Medizinprodukte und Impfstoffe zu schaf- die hervorragende Arbeit sein, die sie unter diesen fen. Dabei geht es nicht um Abschottung, unsere Wirt- schwierigen Bedingungen geleistet haben und immer schaft bleibt selbstverständlich auf offene Märkte ange- noch leisten. Die Patientinnen und Patienten wurden auf wiesen. Hier setzt sinnvolle Europapolitik an. Es geht da- dem gewohnt hohen Niveau versorgt, das sie verdienen. rum, die richtigen Schlüsse aus der Pandemie zu ziehen Die schon vor der Pandemie hohen Hygienestandards in und dazu gehört, die Abhängigkeit von internationalen den Praxen haben sichergestellt, dass das Infektionsge- Lieferketten im strategisch relevanten Gesundheitsbe- schehen im Umfeld von Zahnarztpraxen unglaublich nied- reich zu mindern. rig geblieben ist. Darauf hat auch Staatssekretär Dr. Gebhart (CDU) im Rahmen seines Grußwortes an die De- Eine historische Wahl steht an legierten der Bundesversammlung ausdrücklich hinge- Das Ergebnis der Bundestagswahl am 26. September ist wiesen. Das bekommen auch die Patientinnen und Pati- so offen wie nie, nur das Ende von Angela Merkels Amts- enten mit. Die Bundeszahnärztekammer hat in einer re- zeit steht fest. Wie immer man ihre Politik bewertet – für präsentativen Umfrage nachgefragt. Ergebnis: 88 Prozent ihren unermüdlichen Einsatz für unser Land und für Eu- der Befragten gehen von besonderen Hygiene-Vorkeh- ropa gebührt ihr unser aller Dank und Respekt. rungen in Zahnarztpraxen aus. Zum Vergleich: Besondere Hygiene-Vorkehrungen in Krankenhäusern vermuten 65 Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Beitrags alle Anre- Prozent der Befragten. Das Vertrauen der Patientinnen gungen und Forderungen der Zahnärzteschaft an die neue und Patienten in die Hygienekompetenz der zahnärztli- Bundesregierung darzustellen. Dafür haben wir unsere chen Kolleginnen und Kollegen ist einmalig und Grund für Gesundheitspolitischen Positionen zur Bundestagswahl die Termintreue der Patientinnen und Patienten. Und da- 2021 formuliert. Ein paar wichtige Anmerkungen aus der rin liegt auch Teil des wieder anziehenden wirtschaftli- Sicht der Zahnärzteschaft seien jedoch erlaubt. chen Erfolges der Praxen. Ja zum dualen System Lehren aus der Pandemie Es ist kein Zufall, dass sich unser Gesundheitssystem in Es ist noch zu früh, eine finale Pandemie-Bilanz zu ziehen. der Krise bewährt hat. Es ist unter anderem unser duales Auch wenn wir im europäischen Vergleich mittlerweile Krankenversicherungssystem aus GKV und PKV, das In- sehr gut dastehen: Man muss auch Defizite feststellen, novationen ebenso ermöglicht, wie es ein hohes Versor- an denen dringend gearbeitet werden muss. Ein Beispiel: gungsniveau für alle sicherstellt. Die Mischung aus soli- 18
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