FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV

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FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
FORUM
         Gesundheitspolitik in der Diskussion
Institut für Gesundheitssystem-Entwicklung

                                                3 • 2021

      AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT –
      BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE
      DES KABINETTS MERKEL IV
FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
MEDIA
Jenseits von Paragraphen und Verträgen lebt unser Gesundheitssystem vom Gespräch und vom Austausch der Akteu-
re. Vor allem Weiterentwicklungen unseres Gesundheitssystems finden nicht am Reißbrett statt, sondern im Diskurs
der Akteure miteinander. Mit iX-Media wird diesem Austausch eine Plattform gegeben. Wir laden „auf allen Kanälen“
zum Dialog ein: Print, Audio und Video stehen Ihnen zur Verfügung, um Ihre Positionen, Ihre Ideen, Ihre Erkenntnisse
der gesundheitspolitischen Community mitzuteilen.
Mit Dr. Albrecht Kloepfer, Dr. Jutta Visarius, Dr. Martina Kloepfer und dem übrigen iX-Media-Team stehen langjährige
Systemexperten hinter dem Projekt, die wissen wie gesundheitspolitisch der Hase läuft (und zukünftig laufen wird), die
der Komplexität des Themas auch mit einfachen Worten gerecht werden können und denen auch die technischen As-
pekte medialer Umsetzungen vertraut sind. Wenden Sie sich an uns – wir sind für Sie da!

          HIGHLIGHTS                                   GESUNDHEITSPOLITISCHER WOCHENRÜCKBLICK

Die iX-Highlights informieren immer montags über aktuelle gesundheitspolitische Entwicklungen und liefern relevante
Hintergrundinformationen. In seinem gesundheitspolitischen Editorial bewertet Dr. Albrecht Kloepfer ein herausragen-
des Wochenthema. In der Rubrik „Mondphasen“ kommen einmal im Monat Vertreter aus Politik oder Selbstverwaltung
zu Wort. Aktuelle Dateien der Woche (Bundestagsdrucksachen, Studien etc.) können als Service zusätzlich kostenlos
abgerufen werden.

          FORUM                                               GESUNDHEITSPOLITIK IN DER DISKUSSION

Die Zeitschriften-Reihe iX-Forum greift die großen gesundheitspolitischen Themen des Gesundheitswesens auf und
bietet Ihnen die Möglichkeit, mit ausreichend Platz und in ansprechendem Rahmen Ihre Positionen, Ihre Ideen, Ihre
Erkenntnisse der gesundheitspolitischen Szene mitzuteilen. Der Clou an der Sache: Die Hefte werden bundesweit an
mehr als 2.500 gesundheitspolitische Entscheider und Meinungsführer versandt. – Wir sorgen dafür, dass Ihre Gedan-
ken Beachtung finden!

          RADIO                                                          GESUNDHEITSPOLITIK ZUM HÖREN
In monatlicher Folge widmet sich iX-Radio einem aktuellen gesundheitspolitischen Thema und lässt dazu die wichtigs-
ten Entscheider zu Wort kommen. Erläuternde Moderationen beleuchten die Hintergründe und stellen das jeweilige
Thema in den Kontext der unterschiedlichen Interessen. Ziel dabei ist, dass nicht nur die Szene sich selbst bespiegelt,
sondern dass unser komplexes Gesundheitssystem auch Außenstehenden nahe gebracht wird.

          SPOTLIGHT                                          VISUELLE PRÄSENZ IM GESUNDHEITSWESEN
iX-Spotlight ist die Video-Plattform für Ihre bildstarke Kommentierung des aktuellen Zeitgeschehens im Gesundheits-
system. Denn um überzeugende Statements sichtbar in Szene zu setzen, sind nicht nur eindrucksvolle Bilder aus-
schlaggebend, sondern vor allem auch fundierte Kenntnisse des Systems. Mit Dr. Martina Kloepfer haben wir eine büh-
nen- und filmerfahrene Expertin im Team, die auch Sie medienwirksam „in Szene setzen“ kann.
FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Aufbruch in eine neue Zeit – Bilanz und Ausblick zum Ende des Kabinetts Merkel IV                                AUSGABE 3 · 2021

Inhalt
                                                 4       Editorial
                                                         Dr. Albrecht Kloepfer
                                                         Herausgeber

                                                 6
                                                         Reformdrang und Corona – Bilanz der vergangenen vier Jahre
                                                         Ulrike Elsner
                                                         Vorstandsvorsitzende Verband der Ersatzkassen e.V.

                                                 9
                                                         Die Zukunft der Gesundheitspolitik braucht Selbstverwaltung
                                                         und eine nachhaltige Versorgungs- und Finanzierungsstrategie
                                                         Hans-Jürgen Müller, Hans Peter Wollseifer
                                                         Vorstandsvorsitzende IKK e.V.

                                            13
                                                         Die Krankenhauspolitik der Großen Koalition: Bilanz und Ausblick
                                                         aus Sicht der Deutschen Krankenhausgesellschaft
                                                         Dr. Gerald Gaß
                                                         Vorstandsvorsitzender DKG - Deutsche Krankenhausgesellschaft e.V.

                                            17
                                                         Gemeinsam ein neues Kapitel aufschlagen
                                                         Prof. Dr. Christoph Benz
                                                         Präsident Bundeszahnärztekammer (BZÄK)

                                            21
                                                         Versorgungssicherung ist ein strategisches MussDominik Burziwoda
                                                         Dr. Kai Joachimsen
                                                         Hauptgeschäftsführer BPI - Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie

                                            24
                                                         Europa, Pandemie und Digitalisierung
                                                         Gabriele Regina Overwiening
                                                         Präsidentin ABDA - Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V.

                                            27
                                                         Mehr Patientenorientierung wagen
                                                         Oda Hagemeier
                                                         Geschäftsführerin eurocom e.V.

                                            32
                                                         In der 19. Legislaturperiode ist viel passiert –
                                                         dennoch bleibt noch viel zu tun
                                                         Dr. Jens Baas
                                                         Vorsitzender des Vorstands Techniker Krankenkasse

                                            35
                                                         Potentiale heben und Chancen nutzen
                                                         Prof. Dr. Christoph Straub
                                                         Vorstandsvorsitzender BARMER

                                            39
                                                         Weckruf für eine große Gesundheits- und Pflegereform
                                                         Andreas Storm
                                                         Vorsitzender des Vorstands DAK-Gesundheit

                                            43
                                                         Unverändert gefragt: Qualitätsorientierte Weiterentwicklung
                                                         der Gesundheitsversorgung
                                                         Dr. Irmgard Stippler
                                                         Vorstandsvorsitzende AOK Bayern

                                            46
                                                         Mut zu Veränderungen
                                                         Thomas Bublitz
                                                         Geschäftsführer Bundesverband Deutscher Privatkliniken e.V. (BDPK)

                                            50
                                                         Digital Health für Fortgeschrittene
                                                         Sebastian Zilch
                                                         Geschäftsführer Bundesverband Gesundheits-IT - bvitg e.V.

      FORUM                                                                                                                       3
FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Editorial

Liebe Leserinnen, liebe Leser,                                Westfalen ist Kernland, wenn es um eine anstehende
                                                              Krankenhausreform geht, und Laschet ist als Ministerprä-
wer in, sagen wir, fünfzig Jahren auf die Gesundheitspo-      sident schon jetzt viel intensiver in die gesundheitspoli-
litik der 19. Legislaturperiode blickt, wird vor allem eine   tische Diskussion involviert. Also: Selbst bei größter Kon-
Überschrift finden: „Pandemie“. Vielleicht tauchen in der     tinuität werden sich die gesundheitspolitischen Impulse
Unterzeile noch Schlagworte wie „Digitalisierung“ und         aus dem Kanzleramt verändern.
„Apps auf Rezept“ auf, aber aktuelle Themen, die aus
heutiger Sicht wichtig sein mögen (und tatsächlich auch       Und wieviel stärker wird dies der Fall sein, wenn Farben
wichtig sind!), wird im weiten Rückblick niemand mehr         und Farbkombinationen in der Regierung, im Kanzleramt
auf dem Schirm haben: Morbi-RSA? Krankenhausreform?           und/oder im Ministerium wechseln? Aus dieser Perspek-
Notfallversorgung? – Das sind Themen, die die Nachge-         tive wird deutlich erkennbar, dass den anstehenden ge-
borenen bei entsprechendem zeitlichem Abstand nur             sundheitspolitischen Fragestellungen tatsächlich eine
noch mit Mühe werden buchstabieren können.                    grundsätzliche Brisanz zufällt.

Das aktuelle iX-Forum widmet sich aber dem Heute. Und         Welche Weichenstellungen stehen an?
„mittendrin“ merken wir, dass in den vermeintlich „klei-
nen“ Themen eine deutliche Brisant steckt. Denn wir be-       An erster Stelle: In der nächsten Legislaturperiode wird
finden uns in einer Zeit der Weichenstellung, die – wie es    das Geld knapp sein. Dafür sind gar nicht so sehr ver-
für Weichenstellungen üblich ist – gravierende Auswir-        meintliche Pandemiekosten verantwortlich, die sich im
kungen für das Gesundheitssystem der Zukunft hat, auch        Gesundheitswesen dramatisch niedergeschlagen hätten.
wenn sich in der Rückschau kaum noch jemand an die            Die Kassen leergeräumt hat vielmehr der aktuelle Ge-
Details erinnern wird, mit denen damals die Weichen ge-       sundheitsminister, der mit dem griffigen, aber in dieser
stellt wurden.                                                Pauschalität keineswegs richtigen Spruch „Krankenkas-
                                                              sen sind keine Sparkassen“ nicht nur den Gesundheits-
Gerade deswegen wird der Wechsel zwischen 19. und 20.         fonds und seine Rücklagen, sondern auch die Notgro-
Legislaturperiode so wichtig werden. Denn auch ohne           schen jeder Einzelkasse ordentlich leergeräumt hat. Also,
Pandemie stehen grundsätzliche Zäsuren an. Sicher ist:        die Scheunen wären zu Beginn der 20. Legislaturperiode
Die Ära Merkel wird enden. In welche Hände die Kanzler-       ohnehin schon leer gewesen.
schaft fallen wird, entscheiden die Wählerinnen und Wäh-
ler, aber selbst bei größter Kontinuität – für die der Name   Diesen leeren Scheunen werden allerdings zusätzlich
Armin Laschet stehen dürfte – wird sich die gesundheits-      auch noch mit einer schlechten Ernte konfrontiert. Denn
politische Schwerpunktsetzung im Kanzleramt ändern:           mag auch die Pandemie das Gesundheitssystem in seinen
Für Angela Merkel war die Ausgestaltung und Weiterent-        Ausgaben nicht überstrapaziert haben, bei den Einnah-
wicklung unseres Gesundheitssystems erkennbar kein            men wird sie sich dramatisch auswirken: Denn der Kon-
Lieblingsthema. Möglich, dass hier die relativ geräusch-      junktureinbruch der Jahre 2020 und 2021 wird sich im
lose Versorgungskontinuität in Mecklenburg-Vorpom-            nächsten Jahr nicht erholt haben. Vielmehr gehen Pessi-
mern, eingebettet zwischen universitäre Leuchttürme und       misten davon aus, dass beispielsweise eine mögliche
ausgestattet mit dem einen oder anderen Highlight aus         Pleitewelle bislang noch durch großzügig „gestreckte“
dem Innovationsfonds, Pate gestanden hat. Für Armin           Insolvenzregeln kaschiert wurde – um dann im nächsten
Laschet dürfte die Situation eine andere sein: Nordrhein-     Jahr die Konjunktur (und damit die GKV-Einnahmen) um-

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FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV                                AUSGABE 3 · 2021

so härter zu treffen. Also: Leere Kassen sind im Jahr 2022             Und schließlich die Digitalisierung: Jens Spahn darf sich
(und folgende?) unvermeidlich und werden die Diskussi-                 wohl zu Recht rühmen, hier unser System entscheidend
on bestimmen. Dass die Autorinnen und Autoren des vor-                 vorangebracht zu haben. Aber auch hier stehen Weichen-
liegenden iX-Forum intensiv über Geld reden, ist also                  stellungen an, die in Zukunft und in die Zukunft geführt
kaum verwunderlich.                                                    werden müssen. Mit anderen Worten: Digitalisierung läuft
                                                                       nicht von alleine – und wenn Sie von alleine liefe, gnade
Aber auch andere Themen bestimmen den Rückblick auf                    uns Gott (das gilt übrigens besonders für die vielgerühm-
die Ära Merkel und den Ausblick auf die kommende Le-                   te „Künstliche Intelligenz“). Auch hier also liegen Aufga-
gislaturperiode. Dass unsere schreibenden Gäste sich                   ben vor uns, denen sich unsere Autorinnen und Autoren
Gedanken um die Zukunft der Selbstverwaltung machen,                   mit intensivem Engagement annehmen.
ist kaum verwunderlich: Zu offensichtlich hat der noch
amtierende Minister immer wieder in deren Befugnisse                   Insgesamt ist auf diese Weise ein iX-Forum entstanden,
eingegriffen und wissen lassen – teils explizit, teils impli-          dass als Wegmarken-Heft in einer deutliche Umbruchzeit
zit –, dass er es besser könne. Aber selbst wenn das der               bezeichnet werden kann – und dem auf diese Weise blei-
Fall sein sollte (was in der Gesamtheit durchaus bezwei-               bender Wert zukommen wird: Wer wissen will, was am
felt werden darf): Was wäre denn mit all diesen Befugnis-              Ende der „Ära Merkel“ gedacht und in die Zukunft formu-
sen und Aufgabe, wenn es ein Minister – wie es die Regel               liert wurde, wird hier ein Kompendium finden, auf das
sein dürfte – nicht besser kann? Wer führt dann den La-                immer wieder zurückgegriffen werden kann.
den? Also, hier geht es nicht um Macht, sondern in der Tat
um Kompetenz mit der unser milliardenschweres solida-                  Wir danken unseren Autorinnen und Autoren, dass Sie uns
risches System zum Wohl von Versicherten und Patienten                 bei diesem Projekt so tatkräftig unterstützt haben, und
geführt und (um-)gestaltet werden muss.                                wir wünschen Ihnen, unseren Leserinnen und Lesern, bei
                                                                       der Lektüre ein erkenntnisreiches Vergnügen.
Und auch von den Notwendigkeiten einer solchen Umge-
staltung ist in diesem Heft reichlich die Rede: Dass die               Mit herzlichem Gruß
Sektorengrenzen endlich durchlässiger werden müssen,                   Dr. Albrecht Kloepfer
ist nicht nur dem Versorgungsbedarf und dem kontinuier-
lichen Anwachsen chronischer Erkrankungen geschuldet
(eine gute Nachricht übrigens: heißt sie doch, dass wir
immer älter werden und schwere, bislang tödliche Erkran-
kungen im besser behandeln können!). Aber je länger wir
eine Versorgung kultivieren, die sich nicht am Patienten-
bedarf orientiert, um so mehr verabschieden sich auch
Ärzte und Gesundheitsfachkräfte aus dem System, weil
sie eben patienten- und nicht vergütungs- oder gar ver-
waltungsorientiert arbeiten wollen. Also: Auf die Selbst-
verwaltung werden massive Ausgaben zukommen, und
auch davon ist in diesem iX-Forum ein ums andere Mal
die Rede.
                                                                                    Dr. Albrecht Kloepfer

      FORUM                                                                                                                    5
FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Reformdrang und                         Die vergangenen vier Jahre waren einerseits geprägt

Corona – Bilanz der
                                        durch tiefgreifende Reformen, angestoßen von einem ent-
                                        schlossenem Gesundheitsminister, verabschiedet durch

vergangenen vier                        ein Parlament, das in der Gesundheitsgesetzgebung im-
                                        mer wieder auch die Zustimmung der Opposition erhielt,

Jahre                                   und andererseits seit März 2020 bestimmt durch die Co-
                                        rona-Gesetzgebung zur Lösung von spezifischen Versor-
                                        gungs- und Finanzbedarfen. Prägend waren die Reform
                                        des Morbi-RSA, die Stärkung der Versorgung über finan-
                                        zielle Anreize und das Megathema der Digitalisierung –
                                        vom Ausbau der Telematikinfrastruktur über die elektro-
                                        nische Patientenakte bis zu DiGAs und DiPAs als neue
                                        Versorgungsangebote.

                                        Kaum ein Bereich des Gesundheitssystems blieb unbe-
                                        rührt vom Spahnschen Reformdrang. Und auch der Koa-
                                        litionspartner hat im Koalitionsvertrag Wegmarken ge-
                                        setzt. Dazu gehört die Wiederherstellung der vollständi-
                                        gen Beitragssatzparität gleich zu Beginn der Legislatur-
                                        periode mit dem Versichertenentlastungsgesetz. Damit
                                        ist eine Forderung, die der vdek seit vielen Jahren erho-
                                        ben hat, umgesetzt. Jetzt wird der kassenindividuelle Zu-
                                        satzbeitrag wieder jeweils hälftig von Versicherten und
                                        Arbeitgebern getragen.

                                        Eines der Großprojekte war das Faire-Kassenwettbe-
                                        werbs-Gesetz - natürlich interessengeleitet diskutiert,
                                        ging es doch um die Neujustierung der Kriterien für die
                                        Zuweisungen aus dem Gesundheitsfonds und den Abbau
Ulrike Elsner,                          von Vor- und Nachteilen bei den im Wettbewerb stehen-
Vorstandsvorsitzende                    den Krankenkassen. Durch eine umfassende Reform des

Verband der Ersatzkassen e.V.           Morbi-RSA wurde der Finanzausgleichsmechanismus zwi-
                                        schen den Krankenkassen neu austariert und durch ver-
(vdek)                                  schiedene Instrumente manipulationssicherer neu ge-
                                        staltet. Regionalkomponente, Risikopool, Präventions-
                                        pauschale und die Abschaffung von Sonderregelungen
                                        sorgen nun dafür, dass der Wettbewerb zwischen den
    Die 19. Legislaturperiode war aus   Krankenkassen künftig fairer wird. Dafür hatten sich die
      gesundheitspolitischer Sicht      Ersatzkassen im Verbund mit den Betriebs- und Innungs-
       mehr als außergewöhnlich!        krankenkassen seit langem intensiv eingesetzt.

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FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV                                AUSGABE 3 · 2021

Kleinere Unschärfen im Morbi-RSA blieben. Etwa der feh-                Und natürlich schlug sich auch die COVID-19-Pandemie
lende Ist-Kosten-Ausgleich beim Kinderkrankengeld und                  in der Gesetzgebung nieder. Auskömmliche Rettungs-
bei den RSA-Zuweisungen für Auslandskrankenversicher-                  schirme für die Leistungserbringer wurden aufgespannt
te. Hier hat sich der Gesetzgeber mit dem Gesundheits-                 und die Kassen leisteten ihren Teil. Schnelles, flexibles
versorgungsweiterentwicklungsgesetz mittlerweile auf                   und umsichtiges Handeln war notwendig. Aus diesen Er-
den Weg gemacht.                                                       fahrungen sollte nun gelernt und die richtigen Schlüsse
                                                                       gezogen werden. Es sollte geprüft werden, welche der
Dem sachkundigen Beobachter dürfte das Termin-                         vielen Sondermaßnahmen geeignet sind, die Regelver-
service- und Versorgungsgesetz noch in Erinnerung ge-                  sorgung zu verbessern. Zur Bewältigung der Krise konnte
blieben sein. Ein wahres Omnibusgesetz, dass das ge-                   die Politik sich auf die GKV stützen. Und die GKV als
sundheitspolitische Berlin wochenlang in Atem hielt und                selbstverwaltetes Gesundheitssystem hat in enger Koor-
dessen zentralste Neuerung wohl war, den Versicherten                  dination mit den weiteren Sozialversicherungssystemen
in der gesetzlichen Krankenversicherung Facharzttermine                die Leistungsfähigkeit und Stabilisierungswirkung der so-
anzubieten. Hierfür wurde die Systematik des sog. extra-               zialen Sicherungssysteme unter Beweis gestellt.
budgetären Honorars ausgebaut, was zu umfangreichen
Vergütungserhöhungen für die niedergelassenen Ärztin-                  Es mag mit den vielen ad hoc Regelungen zur Bewältigung
nen und Ärzte führte. Diese und andere Regelungen und                  der Corona-Pandemie zusammenhängen – eine Zukunfts-
Leistungsausweitungen, wie etwa die Erhöhung des Fest-                 reform für den Krankenhaussektor bzw. die stationäre
zuschusses für den Zahnersatz von 50 Prozent auf 60 Pro-               Versorgungslandschaft fehlt. Strukturfragen wurden nicht
zent oder das Verbot der Ausschreibungen für Hilfsmittel,              geklärt. Personalmangel in der Krankenhauspflege, ver-
haben wiederum zu erheblichen Kostensteigerungen bei                   änderte Versorgungsanforderungen infolge der demogra-
den Krankenkassen geführt.                                             fischen Entwicklung und die zunehmend ambulant mög-
                                                                       liche Versorgung erfordern eine Modernisierung der Ver-
Auch kennzeichnend für die 19. Legislatur ist die digitale             sorgungslandschaft. In urbanen Ballungsgebieten
Agenda. Die Telematikinfrastruktur – seit der Einführung               herrscht häufig eine Überversorgung mit Krankenhäusern
der elektronischen Gesundheitskarte 1995 auch mangels                  im Gegensatz zu einer teilweisen Unterversorgung im
eines verbindlichen Handlungsrahmens für die gemein-                   ländlichen, strukturschwächeren Raum.
same Selbstverwaltung lange Sorgenkind – sollte nun
endlich praktische Anwendungen ermöglichen. Gleich                     Zurecht wird mehr Qualität und Spezialisierung in den
drei Digitalisierungsgesetze brachte Minister Spahn auf                Häusern eingefordert. Nicht jedes Kreiskrankenhaus kann
den Weg. Das Digitale Versorgungsgesetz, das Patienten-                und muss die gesamte Bandbreite von Leistungen vorhal-
daten-Schutz-Gesetz und zuletzt das Digitale Versorgung                ten. Es braucht einen vernünftigen Ausgleich zwischen
und Pflege-Modernisierungsgesetz. Kern der Digitalisie-                einer flächendeckenden Grundversorgung von Kranken-
rungsagenda: Die elektronische Patientenakte wird                      häusern und einzelnen Zentren, die Spitzenmedizin an-
schrittweise ausgebaut und mit weiteren Anwendungen,                   bieten. In der Breite muss es zu einer konsequenten
etwa dem E-Rezept oder dem E-Impfpass, für die Versi-                  Qualitätsverbesserung durch Leistungskonzentration
cherten tatsächlich nutzbar gemacht. Darüber hinaus fin-               kommen. Gerade die COVID-19-Pandemie hat doch
den Gesundheits-Apps zur Unterstützung der Kranken-                    gezeigt, dass besonders kritische Fälle, wie beispielswei-
und Pflegeversorgung mehr und mehr den Weg in die Re-                  se intensivmedizinische Beatmungsfälle, vor allem an
gelversorgung.                                                         hochspezialisierten Fachkrankenhäusern oder Kranken-

      FORUM                                                                                                                    7
FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV

häusern der Schwerpunktversorgung konzentriert wur-                    Dieser sektorenübergreifende Ansatz hat Zukunft. Durch
den. Daraus sind für die Zukunft die richtigen Lehren zu               den medizinischen Fortschritt können heute mehr Leistun-
ziehen. Ein Gutachten des IGES-Institutes im Auftrag des               gen als je zuvor ambulant durchgeführt werden, die früher
vdek zeigte kürzlich ganz eindeutig, dass es einen positi-             stationär vorgenommen werden mussten. Das realisiert
ven Volume-Outcome-Zusammenhang gibt. Das heißt                        hohe Effizienzpotenziale in der stationären Versorgung.
im Klartext, je mehr Eingriffe durchgeführt werden, desto
besser ist es um die Qualität der Ergebnisse bestellt. Oder            Eine Krankenhausstrukturreform wird in der kommenden
um es ganz platt zu sagen: Übung macht den Meister!                    Legislatur nur eine der gesundheitspolitischen Aufgaben
                                                                       sein. Auf die Agenda gehört die Debatte um eine stärkere
In gemeinsamer Verantwortung für eine moderne Kran-                    Datennutzung zur Optimierung der Versorgung ebenso
kenhausstruktur müssen sich alle Akteure – Bund, Län-                  wie eine Stärkung der Kompetenzen der Selbstverwaltung
der, Kommunen, die Krankenhäuser und die Krankenkas-                   bei der Entwicklung von digitalen Lösungen. Daneben
sen – zusammensetzen. An den Erkenntnissen (verschie-                  braucht es den gesetzlichen Rahmen für eine einheitliche
denster Wissenschaftler) zur Qualitätsverbesserung                     Krankenkassenaufsicht – neben einem funktionierenden
durch Leistungskonzentration und zu ambulant-stationä-                 Morbi-RSA essentiell für einen fairen Wettbewerb. In der
ren Zentren in ländlichen Räumen führt kein Weg vorbei.                sozialen Pflegeversicherung wird es Lösungen brauchen,
Zu einem solchen übergreifenden Reformbündnis gehört                   um die steigenden Eigenanteile abzufedern.
auch zwingend, das die Bundesländer ihrer Finanzie-
rungsverantwortung für die Investitionskostenfinanzie-                 Zur Stabilisierung der GKV–Finanzen bedarf es politischer
rung nachkommen, etwa durch gesetzliche Investitions-                  Entscheidungen zur Kostendämpfung bei den Leistungs-
quoten, leistungsbezogene Investitionsbewertungsrela-                  honoraren, zur vollständigen Refinanzierung der versiche-
tionen und flankierende Bundesprogramme.                               rungsfremden Leistungen und zu einem abgesenkten
                                                                       Mehrwertsteuersatz. Um die Sonderlasten aus der Pan-
Auch die aktuelle DRG-Systematik muss verändert wer-                   demie abzufedern, bedarf es eines weiteren, zusätzlichen
den, da sie Fehlanreize für Mengenausweitung von oft-                  Steuerzuschusses für 2022. Nur so kann in dieser Aus-
mals unnötigen Operationen setzt. Die DRGs müssen stär-                nahmesituation die Belastung der Versicherten und Ar-
ker Vorhaltekosten berücksichtigen. Bestimmte versor-                  beitgeber mit massiv steigenden Zusatzbeitragsätzen ver-
gungskritische Abteilungen müssen zur Sicherstellung der               mieden werden.
Versorgung auch in der Fläche finanziert werden. Dazu
müssen deren Leistungen klar definiert und in der Kran-                Als Ersatzkassenverband haben wir unsere Vorschläge
kenhausplanung und der Finanzierung berücksichtigt wer-                für die gesundheitspolitische Agenda der kommenden
den. Gleichzeitig muss sichergestellt sein, dass nicht al-             Bundesregierung in ein zehn-Punkte-Positionspapier ge-
lein durch die Vorhaltekosten Krankenhausstandorte fi-                 fasst und auf unserer Homepage unter www.vdek.com
nanziert werden, die nicht versorgungsrelevant bzw. be-                veröffentlicht.
darfsnotwendig sind.

Andererseits müssen konsequent die Potenziale der Zu-                                    Link zum
sammenarbeit zwischen der ambulanten und der statio-                                     Positionspapier des vdek
nären Versorgung aktiviert werden. Schon jetzt ist das mög-
lich und Modelle wie Krankenhaus-MVZs funktionieren.

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FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
AUSGABE 3 · 2021

Die Zukunft der
Gesundheitspolitik                                        Zwar haben in den letzten Jahren Experten immer wieder

braucht Selbstverwaltung                                  das Schreckgespenst Pandemie beschworen. Allerdings
                                                          wurden offenbar keine vorkehrenden Maßnahmen getrof-
und eine nachhaltige                                      fen. So traf die Pandemie auf einen Öffentlichen Gesund-
                                                          heitsdienst (ÖGD) in beklagenswertem Zustand und deck-
Versorgungs- und                                          te gnadenlos die Schwächen des föderalen Systems auf.

Finanzierungsstrategie                                    Im Schnellverfahren wurde versucht gegenzusteuern: So
                                                          wurden beispielsweise die Zuständigkeiten des Bundes
                                                          erweitert und ein Investitionsprogramm für den ÖGD be-
                                                          schlossen. Viele der unter Not angestoßenen Punkte wa-
                          Hans-Jürgen                     ren richtig und teils überfällig. Sie haben in der Summe
                          Müller                          dazu geführt, dass wir, was die Zahl der Infektionen und

                          Vorstands-                      der Toten anbelangt, bisher vergleichbar gut durch die
                                                          Krise gekommen sind, auch wenn die wirtschaftlichen Fol-
                          vorsitzender                    gen und ihre Bedeutung für die Sozialversicherung noch
                          IKK e.V.                        nicht absehbar sind.

                                                          Charakteristika der Gesundheits-
                                                          politik der 19. Legislaturperiode
                                                          Nicht erst im Schatten der Pandemie hat der Bundesge-
                                                          sundheitsminister den Stellenwert der Exekutive deutlich
                           Hans Peter                     erweitert. Mit dem Instrument der Rechtsverordnung hat
                           Wollseifer                     er sich dafür eines Mittels bedient, mit dem er ohne lange
                                                          und zermürbende Diskussionen Fakten schaffen konnte.
                           Vorstands-                     Pragmatisch möchten die einen meinen, aktionistisch und
                           vorsitzender                   übergriffig die anderen. Dass er dabei auch an vielen Stel-

                           IKK e.V.                       len empfindlich die Rechte der Selbstverwaltung und die
                                                          der Krankenkassen, z.B. bei der Krankenhausabrech-
                                                          nungsprüfung (MDK-Reformgesetz) und der Beitragsau-
                                                          tonomie (GVPG), eingeschränkt hat, war für Beobachter
                                                          seines Politikverständnisses nicht überraschend. Maß-
                                                          volles Aufsichtshandeln und eine klare Trennung von
                                                          Rechts- und Fachaufsicht waren erkennbar nicht die Leit-
                                                          linien des Handelns.
Hinter uns liegt eine Legislaturperiode, die es in sich
   hatte. Vor allem das letzte Jahr hat durch die         Darüber hinaus griff der Gesundheitsminister, wie schon
Corona-Pandemie allen Akteuren des Gesundheits-           sein Vorgänger, beherzt in die Finanztöpfe der GKV, um
 systems ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft,          Versorgung zu verbessern und innovativer zu gestalten.
Flexibilität und Engagement abverlangt. Wie unter         Immer wieder wurden dafür die Liquiditätsreserve des
einem Brennglas wurden Defizite in Strukturen und         Gesundheitsfonds bzw. die Rücklagen der Krankenkassen
                 Prozessen sichtbar.                      herangezogen, als seien dies nie versiegende Quellen.

                                                                                                                   9
FORUM - AUFBRUCH IN EINE NEUE ZEIT - BILANZ UND AUSBLICK ZUM ENDE DES KABINETTS MERKEL IV
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV

Bestehende Defizite mit finanziellen Mitteln zu lösen, ist             Bundesgesundheitsminister die Mehrheit an der gematik
aber in den meisten Fällen nur von kurzfristigem Erfolg.               und hat sich damit eine Option verschafft, durch die er,
Strukturprobleme werden damit oftmals nur überdeckt.                   an der aus seiner Sicht in dieser Frage zu zögerlichen
Außerdem gilt auch hier: Eingriffe in die Finanzautonomie              Selbstverwaltung vorbei, seine Vorstellungen umsetzen
der Kassen schwächen die Selbstverwaltung. Wenn die                    kann.
Kassen auf die Rolle der Finanzierer beschränkt werden,
weil ihre Entscheidungsmöglichkeiten eingeschränkt wer-                Mit der „Ära Spahn“ kamen u.a. auch die Erweiterung der
den, gehen wichtige Steuerungsoptionen verloren. Das                   Terminservicestellen und der Sprechzeiten für GKV-Ver-
ist gegenüber den beitragszahlenden Versicherten und                   sicherte (TSVG), mehr Schutz vor gefälschten oder ver-
Arbeitgebern nicht vertretbar.                                         unreinigten Arzneimitteln (GSAV) sowie Ansätze, um den
                                                                       von Minister Gröhe aufgebrachten Qualitätsgedanken im
Rückblick auf den „Normalbetrieb“                                      System mit der Ausweitung der Bereiche für Mindestmen-
Schon unter den Bedingungen des „Normalbetriebes“,                     gen und Zweitmeinung (GVWG) zu verstetigen. Zudem
also vor Ausbruch der Pandemie, ist es dem Minister ge-                widmete sich Spahn verstärkt den nichtmedizinischen Be-
lungen, dem Gesundheitssystem seinen Stempel aufzu-                    rufsgruppen im Gesundheitssystem. Apotheker, Pflege-
drücken. Jens Spahn hat mit voller Agenda das Amt als                  kräfte, Hebammen und Heilmittelerbringer etc. bekamen
Gesundheitsminister übernommen. Schon in der Zwi-                      Unterstützung in Form von besserer Vergütung, mehr Ver-
schenbilanz waren 20 Gesetze in 20 Monaten zu verzeich-                antwortung bis hin zur Reform der Ausbildung. Der Minis-
nen. Eine Taktung, bei welcher man sich schnell fragte,                ter hat damit den Grundstein gelegt, viele nichtmedizini-
ob sich das Tempo durchhalten lässt. Befeuert durch die                sche Berufe aus ihrem bisherigen Schattendasein zu ho-
Corona-Pandemie hat sich die Schlagzahl in den letzten                 len und damit neue Wege für die Zusammenarbeit unter
14 Monaten noch weiter erhöht.                                         den Gesundheitsberufen aufgezeigt.

In ihrem Koalitionsvertrag hat sich die Große Koalition die            Im Resümee lässt sich sagen: Die politische Handschrift
Aufgabe gesetzt, die Versorgung zu stärken und Innova-                 des Ministers ist unverkennbar: Pragmatismus gepaart
tionen voranzubringen. In der Rückschau heißt das aus                  mit Aktionismus und Machtbewusstsein. Das Ergebnis:
Perspektive der GKV: viel Licht, aber auch viel Schatten.              Ein Flickenteppich an Regelungen und allerlei handwerk-
Ein paar Beispiele:                                                    liche Fehler, um die sich auch noch der nächste Gesund-
                                                                       heitsminister wird kümmern müssen.
Mit dem festen Willen, Patienten möglichst schnell von
innovativen Versorgungsansätzen profitieren zu lassen,                 Dauerbaustelle Strukturreform
katapultierte Spahn beispielsweise das Thema Digitali-                 Relevante Themen – wie etwa eine Krankenhausstruktur-
sierung über mehrere gesetzliche Initiativen förmlich ins              reform, eine Reform der Notfallversorgung oder die an-
21. Jahrhundert. Das Digitale-Versorgungs-Gesetz (DVG)                 gekündigte große Pflegereform – sind, auch bedingt durch
und seine Nachfolger waren wichtige Schritte! Aber auch                die Corona-Pandemie, auf der Strecke geblieben. Damit
hier: Die Kassen wurden zum Zahler gemacht und bei der                 fehlen noch immer dringend notwendige Strukturanpas-
gematik ausgebootet. Im Handstreich sicherte sich der                  sungen.

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AUSGABE 3 · 2021

Für die Innungskrankenkassen ist eine nachhaltige Struk-     Sicht ist es essentiell, dass die Umsetzung der digitalen
turreform eine der wesentlichsten Aufgaben der neuen         Transformation im Gesundheitswesen unter Beteiligung
Bundesregierung. Durch die sich immer schneller verän-       der gesetzlichen Krankenversicherung diskutiert wird.
dernden ökonomischen, gesellschaftlichen wie auch in-        Gleiches gilt auch für die damit einhergehenden Bereiche
novativen Prozesse treten Systemschwächen immer stär-        wie Datenschutz, digitale Kompetenz und Finanzierung.
ker zu Tage. Auch aus Effizienzgesichtspunkten ist es da-    Aktuell ist es zu früh, um eine abschließende Bilanz der
her dringend geboten, Unter-, Über- und Fehlversorgung       Corona-Pandemie und ihrer Wirkung auf das Gesund-
abzubauen und Sektorengrenzen zu überwinden. Gleich-         heitswesen zu ziehen. Doch kann mit Fug und Recht be-
zeitig sollten Kooperation, Delegation und Substitution      reits jetzt festgehalten werden: Gerade im weltweiten Ver-
auf- und ausgebaut werden. Der Förderung von Innova-         gleich hat sich das deutsche Gesundheitswesen auch in
tionen durch klare und verbindliche Regelungen weisen        Krisenzeiten bewährt. Die über 70 Millionen gesetzlich
wir eine gravierende Rolle bei der Versorgungsverbesse-      Versicherten – fast 90 Prozent der Gesamtbevölkerung
rung zu. Wir brauchen mutigere Schritte für ein aufeinan-    – haben sich in diesem Stresstest auf das hohe gesund-
der abgestimmtes Versorgungskonzept, das Patienten           heitliche und pflegerische Versorgungsniveau des deut-
und Versicherte dahin rückt, wo sie hingehören, nämlich      schen Gesundheitswesens verlassen können. Und auch
in den Fokus.                                                etwas anderes ist festzuhalten: Die Selbstverwaltung ist
                                                             ihrer Verantwortung gerecht geworden und hat für zeit-
Erforderlich ist es dafür ebenfalls, die Bedeutung der Ge-   nahe und situationsangemessene Entscheidungen ge-
sundheitskompetenz zu stärken. Nicht zuletzt muss mit        sorgt.
Blick auf eine effektive Versorgungsgestaltung und -steu-
erung der Datenaustausch zwischen Versicherten, Kran-        In der neuen Legislaturperiode steht folglich neben der
kenkassen und Leistungserbringern ermöglicht werden.         Bewältigung der Pandemiefolgen und der Lösung der
Auch nach dem mit dem GVWG beschlossenen Teil-Um-            durch die Pandemie offenbar gewordenen Defizite (wie
bau der Pflegeversicherung sind hier noch viele Baustel-     z.B. die Stärkung des ÖGDs) vor allem die Finanzierung
len offen geblieben. Einen großen Regelungsbedarf sehen      des Gesundheitssystems im Mittelpunkt. Denn das
wir auch hier in der Frage der Finanzierung. Die Innungs-    aktuell sehr gute Versorgungsniveau im deutschen
krankenkassen fordern eine verlässliche Beitragssatzge-      Gesundheitswesen lässt sich nur zu einem hohen Preis
staltung in der sozialen Pflegeversicherung, die sowohl      halten.
die Aspekte Eigenverantwortung als auch Überlastungs-
sicherung berücksichtigt. Bei der Pflege sehen wir aber      Auch wenn es lobend zu erwähnen gilt, dass Spahn in die-
auch gesamtgesellschaftliche Aspekte. Deshalb gilt es,       ser Legislaturperiode die Morbi-RSA-Reform durchgeführt
bei der Finanzierung auch Bund und Länder stärker in der     hat, dessen Umsetzung nun konsequent angegangen wer-
Pflicht zu nehmen.                                           den muss, um einen fairen Wettbewerb zu ermöglichen,
                                                             Risikoselektion abzubauen und Manipulationen zu verhin-
Ein wesentlicher Moment für eine verbesserte Versorgung      dern, lässt sich eins nicht verhehlen, die Pandemie und
im Gesundheitswesen und in der Pflege wird die zielge-       der Reformmarathon haben die Reserven der GKV aufge-
richtet vorangetriebene Digitalisierung sein. Aus unserer    zehrt.

     FORUM                                                                                                          11
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV

Notfall GKV-Finanzierung                                               Selbstverwaltung als Stabilitätsanker
Das verbindende Element der 18. und 19. Legislaturpe-                  Wir wollen kein rein steuerfinanziertes System und keine
riode ist die Leistungs- und Ausgabenausweitung. Beide                 Einheitsversicherung. Der Erhalt des selbstverwalteten
Minister profitierten von den konjunkturbedingt gut ge-                Krankenversicherungssystems ist uns ein großes Anlie-
füllten Kassen. Spahn zwang die Kassen zusätzlich dazu,                gen. Deshalb kämpfen wir an allen Stellen gegen die stär-
ihre Finanzreserven abzuschmelzen. Das Ergebnis ist be-                kere Einflussnahme der Bundesregierung auf unsere Ar-
kannt. Der GKV-Spitzenverband prognostiziert für 2022                  beit und die Zentralisierungsbestrebungen des Ministers.
eine Lücke von 18 Milliarden Euro zwischen den Einnah-                 Die Angriffe auf die Selbstverwaltung ziehen sich wie ein
men und Ausgaben.                                                      roter Faden durch die Gesetzgebung. Das ist irritierend,
                                                                       weil eben jene Bundesregierung bei vielen Gelegenheiten
Über allen Forderungen und Verbesserungsvorschlägen                    erwähnt hat, wie wichtig die Selbstverwaltung ist und
für das Gesundheitswesen steht daher die Frage nach-                   dass man sie stärken wolle.
haltig gesicherter Finanzierbarkeit und gerechter Lasten-
verteilung. Eine neue Koalition, wie auch immer sie zu-                Wer die Selbstverwaltung weiter untergräbt, indem er ihr
sammengesetzt sein wird, muss mit diesem Handicap ar-                  die Legitimation entzieht, stellt nicht nur Partizipation und
beiten. Wichtige Punkte aus unserer Sicht sind dabei der               Interessenausgleich im Bereich der sozialen Sicherung in
Erhalt der Beitragssatzautonomie und das Festhalten am                 Frage, er bringt das komplette Sozialsystem ins Wanken.
Prinzip der Umlagefinanzierung. Eingriffe in die Finanzre-             Wir fordern daher von der neuen Bundesregierung, dass
serven der Kassen oder den Gesundheitsfonds, wie sie in                sie sich auf das Prinzip der Selbstverwaltung besinnt, ih-
der laufenden Legislaturperiode immer wieder vorgekom-                 re Korrektivfunktion im System anerkennt und ihre Hand-
men sind, kritisieren wir ebenso, wie die Finanzierung von             lungsspielräume ausbaut.
versicherungsfremden bzw. gesamtgesellschaftlichen
Aufgaben über die GKV oder den Ausstieg der Länder aus                 Und so gibt es im Gesundheitswesen auch in der kom-
der gemeinsamen Finanzierungsverantwortung im stati-                   menden Legislaturperiode etliche Herausforderungen, die
onären Bereich.                                                        gelöst, weiterentwickelt oder neu angegangen werden
                                                                       müssen. Die Innungskrankenkassen sind bereit an Lösun-
Langfristig wird es darum gehen, vom alleinigen Lohnkos-               gen mitzuarbeiten. Wir wollen eine gute, innovative Ver-
tenbezug bei der Finanzierung abzurücken. Eine dauer-                  sorgung – dafür braucht es eine starke Selbstverwaltung
hafte Erhöhung des Bundeszuschusses, z.B. um die nicht-                und eine verlässliche Finanzierungsbasis!
kostendeckenden Beitragssätze für ALG-II-Bezieher, kann
dabei nur ein Teil der Lösung sein. Essentiell ist, dass die-
se Veränderungen Versorgungsverbesserung für die Pa-
tienten und Versicherten ermöglichen und gleichzeitig die
Finanzierbarkeit durch die Beitragszahler, also die Versi-
cherten und Arbeitgeber, auch in der Zukunft gewährleis-
ten.

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Die Krankenhauspolitik                                                                        AUSGABE 3 · 2021

  der Großen Koalition:
  Bilanz und Ausblick aus                              Krankenhäuser vor großen
  Sicht der Deutschen                                  Herausforderungen
                                                       In den vergangenen vier Jahren stellte nicht nur die Co-
  Krankenhausgesellschaft                              rona-Pandemie die Krankenhäuser vor große Herausfor-
                                                       derungen. Der Fachkräftemangel und die kaum noch zu
                                                       überschauende Flut von Vorgaben zur Erbringung, Doku-
                                                       mentation und Abrechnung von Leistungen erschwerte
                                                       es den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kranken-
                                                       häuser zunehmend, höchste Qualität zu jeder Zeit und
                                                       überall direkt vor Ort zu gewährleisten. Hinzu kam das
                                                       leidige Dauerthema der mangelnden Investitionsfinan-
                                                       zierung durch die Länder. Die jährliche Investitionslücke
                                                       von rund vier Milliarden Euro war auch in den vergange-
                                                       nen vier Jahren maßgeblich für die angespannte wirt-
                                                       schaftliche Situation vieler Kliniken. Im Zusammenspiel
                                                       mit einem leer gefegten Arbeitsmarkt für IT-Fachkräfte
                                                       ist die Investitionsmisere zudem eine der Hauptursachen
                                                       für die unzureichende Ausschöpfung der Potenziale der
                                                       Digitalisierung.

  Dr. Gerald Gaß,
  Vorstandsvorsitzender
  DKG – Deutsche
  Krankenhausgesellschaft e.V.                                                                    Quelle: AOLG

                                                       Bundesregierung widmete sich
 Wer im Krankenhaus arbeitet, tut dies aus Überzeu-    Gesundheitsfachberufen,
 gung. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter möchten den    Digitalisierung und Corona
Patientinnen und Patienten beistehen und helfen, mit   Die bereits im Koalitionsvertrag der Großen Koalition ge-
   größtmöglichem persönlichen Engagement und          plante Ausgliederung der Pflegepersonalkosten aus dem
Empathie. Die Corona-Pandemie hat dies einmal mehr     DRG-System war für die Krankenhäuser das wichtigste
    eindrücklich unter Beweis gestellt: Ohne den       Reformprojekt dieser Legislaturperiode. Die neuen Pfle-
  unermüdlichen Einsatz der Mitarbeiterinnen und       gebudgets stellen den Krankenhäusern eine vollständige
   Mitarbeiter in denKrankenhäusern und eine gut
abgestimmte Struktur von Grund- bis Maximalversor-
    gern hätte das deutsche Gesundheitswesen in
      der Corona-Krise nicht bestehen können.                                                                    13
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV

Refinanzierung der Pflegepersonalkosten „am Bett“ in                   Betriebskosten- und Investitionsfinanzierung zu integrie-
Aussicht und können dazu beitragen, Arbeitsplätze für                  ren.
Pflegende noch attraktiver zu machen. Da die Pflegebud-
gets jeden Anreiz nehmen, zu Lasten des Pflegepersonals                Die zweite Hälfte der Legislaturperiode war durch die Co-
Einsparungen vorzunehmen, ist allerdings nicht nachvoll-               rona-Pandemie und eine umfangreiche Krisengesetzge-
ziehbar, weshalb die Bundesregierung mit dem Pflege-                   bung geprägt. Die Bundesregierung unterstützte die Kran-
personal-Stärkungsgesetz nicht die Chance ergriff, die äu-             kenhäuser durch Ausgleichszahlungen für entstandene
ßerst bürokratiebehafteten und starren Pflegepersonal-                 Erlösausfälle und Zuschläge zur Kompensation der pan-
untergrenzen (PPUG) abzuschaffen. Mit der von der Deut-                demiebedingt gestiegenen Kosten. Dank des Ausbaus der
schen Krankenhausgesellschaft, dem Deutschen Pflege-                   intensivmedizinischen Behandlungskapazitäten und einer
rat und der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di gemeinsam               schnellen und unbürokratischen Kooperation der Kran-
entwickelten Pflegepersonalregelung PPR 2.0 steht be-                  kenhäuser untereinander war die Patientenversorgung in
reits ein deutlich bürokratieärmeres und enger am tat-                 Deutschland zu keinem Zeitpunkt gefährdet.
sächlichen Versorgungsbedarf der Patientinnen und Pa-
tienten orientiertes Instrument zur Pflegepersonalbe-                  Gesundheitspolitische Agenda der
darfsbemessung zur Verfügung, als dies die PPUG je sein                nächsten Legislaturperiode
werden.                                                                Der Fachkräftemangel, die Erfordernisse der Digitalisie-
                                                                       rung und die zunehmend angespannte wirtschaftliche Si-
Zwei Maßnahmen, die in der öffentlichen Wahrnehmung                    tuation vieler Krankenhäuser werden auch die kommen-
weitgehend untergingen, bergen das Potenzial, die Per-                 den vier Jahre prägen. Gleiches gilt für die überfällige Re-
sonalsituation langfristig deutlich zu verbessern: die kon-            form der sektorenübergreifenden Versorgung, in deren
sequente Abschaffung des Schulgeldes für die Ausbildung                Rahmen auch die ambulante Notfallversorgung patiente-
in den Gesundheitsfachberufen und die ebenso konse-                    norientiert weiterentwickelt werden sollte.
quente Einführung von Ausbildungsvergütungen. Beide
Maßnahmen setzen ein deutliches Zeichen für den ge-                    Mit der Verbesserung der Personalsituation der Kranken-
stiegenen Stellenwert der Gesundheitsberufe in unserer                 häuser, der Beschleunigung der Digitalisierung und der
Gesellschaft und können für Jugendliche, die vor der Ent-              Reform der sektorenübergreifenden Versorgungsstruktu-
scheidung stehen, in welchem Beruf sie sich ausbilden                  ren zeichnen sich damit drei Schwerpunkte der gesund-
lassen möchten, ausschlaggebend sein.                                  heitspolitischen Agenda der nächsten Legislaturperiode
                                                                       bereits ab.
Positiv hervorzuheben ist auch das mit dem Krankenhaus-
zukunftsfonds auf den Weg gebrachte Sonderprogramm                     Erwartungen der Krankenhäuser an
zur Förderung digitaler Infrastruktur und zur Verbesse-                die nächste Bundesregierung
rung der IT- und Cybersicherheit in den Krankenhäusern.                Deutschland verfügt über eines der besten Gesundheits-
Mit einem Gesamtvolumen von rund 4,3 Milliarden Euro                   wesen der Welt. Der niedrigschwellige Zugang zu einer
wird das Programm einen wichtigen Beitrag zur voran-                   qualitativ hochwertigen medizinischen Versorgung unab-
schreitenden Digitalisierung in den Krankenhäusern leis-               hängig vom sozialen Status und persönlicher Zahlungs-
ten. Um diesen Prozess dauerhaft voranzutreiben und auf                fähigkeit sowie die Gewährleistung einer wohnortnahen
hohem Niveau zu gewährleisten, wird es allerdings not-                 Versorgung auch in dünn besiedelten Regionen zeichnen
wendig sein, die erforderlichen Mittel in die regelhafte               unser Gesundheitswesen aus.

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AUSGABE 3 · 2021

Auch die Corona-Pandemie hat die Leistungsfähigkeit der          turen ist die Förderung und Etablierung regionaler
Krankenhäuser und des deutschen Gesundheitswesens                krankenhauszentrierter Versorgungsnetzwerke. Die
eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Den Bedarf einer            Zuordnung von Versorgungszuständigkeiten sollte in
grundlegenden Versorgungsreform hat die Pandemie je-             erster Linie über das eigenverantwortliche Zusam-
doch nicht vermindert. Die Krankenhäuser halten es da-           menwirken der Krankenhäuser in den Regionen erfol-
her für dringend geboten, die Weichen für die zukünftige         gen.
Ausgestaltung der medizinischen Versorgung in Deutsch-
land zeitnah nach der Bundestagswahl im Herbst 2021            3. Bessere Rahmenbedingungen für attraktive Arbeits-
zu stellen und die Erkenntnisse aus der Pandemie in die          plätze
bereits bestehenden Strukturüberlegungen einfließen zu           Gut ausgebildetes und motiviertes Personal ist die
lassen.                                                          Grundvoraussetzung für eine qualitativ hochwertige
                                                                 medizinische Versorgung. Zur Verbesserung der Per-
Die Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung               sonalsituation müssen die Möglichkeiten zur Delega-
muss sich am Versorgungsbedarf in den Regionen und an            tion ärztlicher und pflegerischer Leistungen ausgewei-
den berechtigten Erwartungen der Patientinnen und Pa-            tet und konsequent genutzt werden. Die Pflegeperso-
tienten sowie der Versicherten messen lassen. Verlässli-         naluntergrenzen müssen durch die PPR 2.0 ersetzt und
cher wohnortnaher Zugang zu einer qualitativ hochwer-            die Personalkosten, nicht nur für den Bereich der Pfle-
tigen und sicheren medizinischen Versorgung auch an der          ge, vollständig refinanziert werden.
Schnittstelle zwischen stationärer und ambulanter Ver-
sorgung, Rehabilitation und Pflege sollte das gemeinsame       4. Qualitätssicherungsmaßnahmen, die den Patien-
Ziel sein. Zu berücksichtigen ist auch, dass die für die me-     tinnen und Patienten dienen
dizinische Versorgung der Bevölkerung zur Verfügung ste-         Qualitätssicherung muss wieder als Qualitätsverbes-
henden Mittel begrenzt sind. Völlig zu Recht erwarten die        serungssystem verstanden werden. Sie soll bestmög-
Versicherten daher einen wirtschaftlichen Einsatz der Mit-       liche Versorgung fördern. Die Einführung von Min-
tel.                                                             destmengen aus medizinischen und qualitätssichern-
                                                                 den Gründen wird von den Krankenhäusern aus-
Für die Modernisierung der medizinischen Versorgung las-         drücklich befürwortet. Sie dürfen allerdings keines-
sen sich daraus die folgenden Eckpunkte ableiten:                falls zu Strukturbereinigungszwecken missbraucht
                                                                 werden. Dies würde ihren eigentlichen Sinn konter-
1. Digitalisierung beschleunigen                                 karieren.
   Der beschleunigten Digitalisierung ist höchste Priori-
   tät einzuräumen. Die erforderlichen Investitionen in        5. Weniger Bürokratie heißt mehr Zeit für die Patien-
   die digitale Infrastruktur und die einhergehenden dau-        tinnen und Patienten
   erhaften Betriebskosten müssen vollständig refinan-           Sämtliche bestehenden und geplanten Dokumenta-
   ziert werden.                                                 tions- und Nachweisverpflichtungen müssen kritisch
                                                                 hinterfragt und auf das notwendige Mindestmaß re-
2. Regionale krankenhauszentrierte Versorgungsnetz-              duziert werden. Zur konkreten Umsetzung sprechen
   werke                                                         sich die Krankenhäuser für die Etablierung eines Ex-
   Zentrales Leitbild im Konzept der Krankenhäuser zur           pertenbeirates zum Abbau von Bürokratie beim Bun-
   Weiterentwicklung der stationären Versorgungsstruk-           desministerium für Gesundheit aus.

       FORUM                                                                                                         15
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV

6. Vergütungssysteme, die die stationäre und ambu-                     nicht nachkommen, muss der Bund unterstützend ein-
     lante Krankenhausversorgung umfassen                              greifen.
     Das DRG-System hat sich als Instrument zur Vergü-
     tung stationärer Krankenhausleistungen grundsätzlich              Die DKG und ihre Mitgliedsverbände haben zu diesen und
     bewährt, muss aber um Elemente zur Finanzierung der               weiteren Punkten konkrete Umsetzungsvorschläge erar-
     Vorhaltung von bedarfsnotwendigen Versorgungsan-                  beitet. Unter dem Titel „Fair – diskutieren, entscheiden,
     geboten ergänzt werden. Für die Versorgung von Pati-              handeln“ stehen die Positionen der Deutschen Kranken-
     entinnen und Patienten, die ambulant behandelt wer-               hausgesellschaft für die 20. Legislaturperiode des Deut-
     den können, aber auf die besonderen Mittel eines                  schen Bundestags auf www.dkgev.de zum Download be-
     Krankenhauses angewiesen sind, ist ein neues Vergü-               reit.
     tungselement für die „ambulant klinische Versorgung“
     im Krankenhaus zu schaffen.
                                                                                          Link zum
Darüber hinaus appellieren die Krankenhäuser an die                                       Positionspapier der DKG
Länder, ihrer Investitionsverantwortung vollumfänglich
nachzukommen. Können die Länder ihrer Verantwortung

      Die Krankenhäuser brauchen:                                      Ordnungspolitische Weichen-
      ■ weniger Bürokratie und mehr Zeit für die                       stellungen für eine moderne
         Patientinnen und Patienten                                    medizinische Versorgung:
      ■ bessere Rahmenbedingungen für attraktive                       ■ föderale Verantwortung stärken,
         Arbeitsplätze                                                     Zentralismus entgegenwirken
      ■ Qualitätssicherungsmaßnahmen, die den                          ■ Krankenhausplanung aktiv gestalten
         Patientinnen und Patienten dienen                             ■ Versorgungsplanung sektorenübergreifend
      ■ verlässliche Rahmenbedingungen für die                             ausrichten
         Erbringung ambulanter Leistungen                              ■ regionale Versorgungsnetzwerke fördern
      ■ Vergütungssysteme, die die stationäre und                          und ausbauen
         ambulante Krankenhausversorgung umfassen
      ■ eine gesicherte Refinanzierung der
         Tariflohnsteigerungen
      ■ eine nachhaltige Investitionsfinanzierung
      ■ eine beschleunigte Digitalisierung

16
AUSGABE   · 2021

     Gemeinsam ein
     neues Kapitel
     aufschlagen
                                                                Nicht nur ein neues Kapitel von bundes- und europapoli-
                                                                tischer Bedeutung wird am 26. September aufgeschlagen,
                                                                wenn ein neuer Bundestag gewählt und uns dabei allen
                                                                gewiss sein sollte: Es wird nach 16 Jahren einen Wechsel
                                                                im Kanzleramt geben.

                                                                Denn: Last but not least und in aller Bescheidenheit –
                                                                auch bei der Bundeszahnärztekammer wird ein neues Ka-
                                                                pitel aufgeschlagen, gleich in mehrfacher Hinsicht: Jünger
                                                                und weiblicher zu werden ist der Anspruch - und den ers-
                                                                ten Schritt hat die Bundeszahnärztekammer auf ihrer
                                                                Bundesversammlung unternommen: Mit Dr. Romy Ermler
                                                                wurde erstmals eine Frau als Vizepräsidentin in den Ge-
                                                                schäftsführenden Vorstand gewählt. Mit dem Votum der
                                                                Delegierten wurde der Geschäftsführende Vorstand zu-
                                                                gleich verjüngt und es wurde Kontinuität gewählt.

                                                                Doch zurück zur aktuellen politischen Situation. Wir dür-
                                                                fen nicht vergessen, warum wir so positiv in die Zukunft
                                                                blicken können und wollen: Es ist dem medizinischen
                                                                Fortschritt zu verdanken, der Initiative von Unternehmen
                                                                sowie der Kompetenz und Kreativität von Wissenschaft-
                                                                lerinnen und Wissenschaftlern, dass in Rekordzeit siche-
     Prof. Dr. Christoph Benz                                   re Impfstoffe zur Pandemiebekämpfung bereitstehen.
     Präsident                                                  Nicht auszudenken, wie sich die Situation ohne diese bei-
                                                                spiellose Leistung darstellen würde.
     Bundeszahnärztekammer (BZ K)
                                                                Deshalb sollte bei einer Lehre aus der Krise Einigkeit be-
                                                                stehen: Eine moderne Gesundheitspolitik braucht Inno-
                                                                vationen, und Innovationen brauchen die richtigen Rah-
Über ein Jahr Corona-Pandemie liegt hinter uns und überall      menbedingungen. Das gilt für die medizinische Forschung
   spürt man den Wunsch, durchzustarten und ein neues           ebenso wie für das Gesundheitssystem, das sich bei allen
Kapitel aufzuschlagen. Die Corona-Fallzahlen gehen zurück,      Problemen in der Krise bewährt hat. Und das sollten wir
die Zahl der Geimpften steigt stetig und mittlerweile scheint   auch den Parteien mit auf den Weg geben, die sich im
 die Impftstrategie in Deutschland trotz einiger „Rüttler“ zu   Herbst zur Wahl stellen, um in Deutschland ein neues Ka-
  greifen – kurz: wir alle können auf einen guten Sommer        pitel aufzuschlagen. Und dabei müssen die Politk und der
  hoffen, der dieses Mal hoffentlich nicht in einen trüben      Gesundheitssektor eng zusammenarbeiten.
                 Lockdown-Herbst mündet.

                                                                                                                       17
Aufbruch in eine neue Zeit – Bil nz und Ausblick zum Ende des K binetts Merkel IV

Sinkende Einnahmen,                                                    Die Abhängigkeit Deutschlands und Europas von globalen
steigende Ausgaben                                                     Lieferketten ist offensichtlich geworden. Lieferengpässe
Leicht war dieses Jahr für niemanden, das gilt auch für                bei Arzneimitteln, Beschaffungsprobleme bei Schutzaus-
die Zahnärzteschaft. Einnahmeeinbrüche durch wegblei-                  rüstungen – wer hätte vor Pandemieausbruch gedacht,
bende Patientinnen und Patienten, gleichzeitig Beschaf-                dass medizinische Schutzmasken einmal zur Mangelwa-
fungsprobleme und zusätzliche Ausgaben durch den er-                   re werden. Die schnelle und ausreichende Verfügbarkeit
höhten Hygieneaufwand – in den Zahnarztpraxen sehnt                    von Arzneimitteln sowie medizinischer Schutzausrüstung
man ein Ende der Pandemie herbei.                                      ist in einer Pandemie von strategischer Bedeutung. Des-
                                                                       halb ist es richtig, in Deutschland und Europa Notreser-
Bei allen Schwierigkeiten vor allem im zweiten Quartal                 ven aufzubauen und eigene Produktionskapazitäten für
2020 können die Zahnärztinnen und Zahnärzte stolz auf                  Arzneimittel, Medizinprodukte und Impfstoffe zu schaf-
die hervorragende Arbeit sein, die sie unter diesen                    fen. Dabei geht es nicht um Abschottung, unsere Wirt-
schwierigen Bedingungen geleistet haben und immer                      schaft bleibt selbstverständlich auf offene Märkte ange-
noch leisten. Die Patientinnen und Patienten wurden auf                wiesen. Hier setzt sinnvolle Europapolitik an. Es geht da-
dem gewohnt hohen Niveau versorgt, das sie verdienen.                  rum, die richtigen Schlüsse aus der Pandemie zu ziehen
Die schon vor der Pandemie hohen Hygienestandards in                   und dazu gehört, die Abhängigkeit von internationalen
den Praxen haben sichergestellt, dass das Infektionsge-                Lieferketten im strategisch relevanten Gesundheitsbe-
schehen im Umfeld von Zahnarztpraxen unglaublich nied-                 reich zu mindern.
rig geblieben ist. Darauf hat auch Staatssekretär Dr.
Gebhart (CDU) im Rahmen seines Grußwortes an die De-                   Eine historische Wahl steht an
legierten der Bundesversammlung ausdrücklich hinge-                    Das Ergebnis der Bundestagswahl am 26. September ist
wiesen. Das bekommen auch die Patientinnen und Pati-                   so offen wie nie, nur das Ende von Angela Merkels Amts-
enten mit. Die Bundeszahnärztekammer hat in einer re-                  zeit steht fest. Wie immer man ihre Politik bewertet – für
präsentativen Umfrage nachgefragt. Ergebnis: 88 Prozent                ihren unermüdlichen Einsatz für unser Land und für Eu-
der Befragten gehen von besonderen Hygiene-Vorkeh-                     ropa gebührt ihr unser aller Dank und Respekt.
rungen in Zahnarztpraxen aus. Zum Vergleich: Besondere
Hygiene-Vorkehrungen in Krankenhäusern vermuten 65                     Es ist unmöglich, im Rahmen dieses Beitrags alle Anre-
Prozent der Befragten. Das Vertrauen der Patientinnen                  gungen und Forderungen der Zahnärzteschaft an die neue
und Patienten in die Hygienekompetenz der zahnärztli-                  Bundesregierung darzustellen. Dafür haben wir unsere
chen Kolleginnen und Kollegen ist einmalig und Grund für               Gesundheitspolitischen Positionen zur Bundestagswahl
die Termintreue der Patientinnen und Patienten. Und da-                2021 formuliert. Ein paar wichtige Anmerkungen aus der
rin liegt auch Teil des wieder anziehenden wirtschaftli-               Sicht der Zahnärzteschaft seien jedoch erlaubt.
chen Erfolges der Praxen.
                                                                       Ja zum dualen System
Lehren aus der Pandemie                                                Es ist kein Zufall, dass sich unser Gesundheitssystem in
Es ist noch zu früh, eine finale Pandemie-Bilanz zu ziehen.            der Krise bewährt hat. Es ist unter anderem unser duales
Auch wenn wir im europäischen Vergleich mittlerweile                   Krankenversicherungssystem aus GKV und PKV, das In-
sehr gut dastehen: Man muss auch Defizite feststellen,                 novationen ebenso ermöglicht, wie es ein hohes Versor-
an denen dringend gearbeitet werden muss. Ein Beispiel:                gungsniveau für alle sicherstellt. Die Mischung aus soli-

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