News aus dem Cluster NMWP.NRW und dem Verein NMWP E.V.
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Heft 02.2021 Magazin für Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik, Neue Werkstoffe, Photonik und Quantentechnologien Schlüsseltechnologien in der Kreislaufwirtschaft Nordrhein-Westfalens. News aus dem Cluster NMWP.NRW und dem Verein NMWP E.V. NMWP im Gespräch NMWP im Gespräch mit Professor Dr. Andreas Pinkwart, mit Prof. Bernd Friedrich, Dr. Ansgar Fendel, Minister für Wirtschaft, Innovation, Dr. Adalbert Lossin, Dr. Andreas Lützerath Digitalisierung und Energie des Landes und Dr. Reiner Sojka zu Kreislaufwirtschaft Nordrhein-Westfalen. in der e-Mobilität. Seite 6 Seite 10
Wir ermöglichen Innovation. Überall. Technologien sind in einem hochindustrialisierten Land Da alle fünf Schlüsseltechnologien auch Querschnitts- wie Deutschland nicht nur Grundlage für Wohlstand, technologien sind, unterstützt und vernetzt der Cluster sie verändern die Gesellschaft. Sie bringen in wichtigen NMWP.NRW Akteure entlang der kompletten Wert- Bereichen unseres Lebens Innovationen hervor, aus schöpfungskette aus sämtlichen Leitmärkten. Die denen sich neue Lösungsansätze für die großen Heraus- Vernetzung entsteht zum Beispiel über die gemeinsame forderungen unserer Zeit, wie zum Beispiel den Klima- Teilnahme an Messen und die Durchführung verschie- schutz und die Energieversorgung, ergeben. dener Veranstaltungen. Der Landescluster NanoMikroWerkstoffePhotonik.NRW Ergänzt wird der Cluster in seiner Arbeit vom Verein (NMWP.NRW) ist anerkannter Partner von Wirtschaft, NanoMikroWerkstoffePhotonik (NMWP e.V.). Im April Wissenschaft und öffentlicher Hand für innovationsför- 2012 gegründet, unterstützt er seitdem seine Mitglieder dernde Dienstleistungen im Bereich High-Tech sowie den aktiv in der Entwicklung neuer Ideen, Projekte und Partner- Schlüsseltechnologien Nanotechnologie, Mikrosystem- schaften in den Bereichen Nanotechnologie, Mikrosystem- technik, Neue Werkstoffe, Photonik und den Quanten- technik, Neue Werkstoffe und Materialien, Photonik und technologien. Quantentechnologien. Zu den Mitgliedern zählen Universi- täten, Großunternehmen sowie auch Vertreter von KMU. NRW ist im Hinblick auf diese fünf Schlüsseltechnologien sehr stark aufgestellt. Sein bundesweiter Spitzenplatz NMWP.NRW und NMWP e.V. agieren als Innovationstreiber stützt sich unter anderem auf eine sehr hohe Dichte an und leisten einen elementaren Beitrag zur Wettbewerbs- Unternehmen und Instituten, einen erfolgreichen fähigkeit der Unternehmen und Forschungseinrichtungen Mix aus Mittelstand, Großunternehmen und Forschung aus NRW im internationalen Umfeld und präsentieren und – eine hohe Innovationsgeschwindigkeit, die durch Nordrhein-Westfalen als attraktiven, nachhaltigen und eine gute Vernetzung begünstigt wird. effizienten Wirtschaftsstandort. Impressum Herausgeber Redaktion Alle Ausgaben des NMWP-Magzins können Cluster NMWP.NRW Dr.-Ing. Harald Cremer auch als PDF-Datei auf der Internetseite c/o NMWP Management GmbH Hendrik Köster (v.i.S.d.P.) www.nmwp.nrw.de gelesen und herunter- Merowingerplatz 1 geladen werden. 40225 Düsseldorf Umsetzung Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben Telefon: 0211 385459-0 nicht unbedingt die Meinung des Heraus- Telefax: 0211 385459-19 gebers wieder. Der Nach- bzw. teilweise Ab- Internet: www.nmwp.nrw.de Unentgeltliches Abonnement des Magazins druck ist nur mit ausdrücklicher Erlaubnis www.portal.nmwp.de oder Informationen zu Adressänderungen: des Herausgebers gestattet. www.verein.nmwp.de hendrik.koester@nmwp.de
Editorial Liebe Leserinnen und Leser, „Wir fördern die Kreislaufwirtschaft als effektiven Klima- und Ressourcen- schutz, Chance für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung und Arbeitsplätze.“ So lautet das Commitment der neuen Bundesregierung zu diesem wichtigen Themenfeld im aktuellen Koalitionsvertrag. Doch nicht nur im Koalitionsvertrag der Bundesregierung, auch in der neuen Innovationsstrategie des Landes Nordrhein-Westfalen werden „Innovative Prozesse, Fertigungsverfahren, alternative Materialien, Produkte und Dienst- leistungen für mehr Ressourceneffizienz und -effektivität sowie verbesserte Zirkularität bzw. Kreislauffähigkeit (langlebig, robust, reparierbar, modular, schadstofffrei, sortenrein, recyclingfähig)“ als wichtige Faktoren genannt. Insbesondere die Entwicklungen im vom Cluster NanoMikroWerkstoffe- Photonik.NRW adressierten Bereich der Neuen Materialien und Werkstoffe, aber auch in den Schlüsseltechnologien Nanotechnologie, Mikrosystemtechnik und der Photonik sowie den digitalen Technologien wie Quantencomputing, neuromorphes Computing oder Digitale Zwillinge liefern wichtige Impulse aus Nordrhein-Westfalen. Damit werden sie zu einem wichtigen Enabler für die Weiterentwicklung der weltweit weitestgehend linear aufgebauten Wirt- schaftssysteme hin zur Circular Economy. Im Kontext einer nachhaltigen Mobilität kommt dabei zum Beispiel den Themenbereichen Batterieherstellung und -recycling, Leichtbau sowie saubere Energiegewinnung eine zentrale Rolle zu. Die Entwicklung in Richtung Kreislaufwirtschaft ist wichtig für nahezu alle Industriezweige, gerade in NRW als einem der wichtigsten Werkstoff- und High-Tech-Hotspots Europas. Die Corona-Pandemie, aber auch die Havarie des Frachters „Ever Given“ im März 2021 haben gezeigt, wie stark die Abhängigkeit von internationalen Lieferketten ist. Diese wurden durcheinandergewirbelt und sind teilweise zum Erliegen gekommen. Die Folge sind Lieferengpässe und massive Preissteigerungen bei Rohstoffen wie Silizium oder Aluminium, die auch im B2B und B2C Geschäft spürbar sind und unsere wirtschaftliche Entwicklung, aber auch Innovationsprozesse in NRW, Deutschland und Europa gefährden. Mit wettbewerbsfähigen Materialkreisläufen könnten diese Effekte deutlich abgefedert werden. Auch Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen betont im Interview in dieser Ausgabe des NMWP-Magazins: „Auch wenn viele Preissteige- rungen nur Momentaufnahmen sind, steht fest: Viele Rohstoffe bleiben auf absehbare Zeit erstmal knapp, weil Förderkapazitäten nicht so schnell erschlossen werden können oder erschöpft sind. Der Trend geht daher klar zu deutlich höheren Preisen. Dies erhöht die Notwendigkeit und die Rentabilität der Circular Economy umso mehr, wie auch eine aktuelle Studie belegt, die das RWI für uns erstellt hat. Die Pandemie ist sicherlich ein starker Beschleuniger für diesen Effekt gewesen, aber nicht die einzige Ursache.“ Aus diesem Grund hat die Kreislaufwirtschaft in der Industrie so einen hohen Stellenwert: Neben dem Klima- und Ressourcenschutz kann eine gewisse Unabhängigkeit von internationalen Märkten und Stabilität in der eigenen Wirtschaftsentwicklung erreicht werden. Doch die Herausforderungen, die die Kreislaufwirtschaft stellt, sind vielschichtiger. Nicht nur, dass das Thema bei der Umsetzung interdisziplinäre Teams erfordert, ein grundlegendes Umdenken ist erforderlich. Nicht nur in der Industrie, sondern ebenso in der Gesellschaft. Ich wünsche Ihnen viel Spaß bei der Lektüre, bleiben Sie hungrig nach Innovation und Zukunft! Dr.-Ing. Harald Cremer, Clustermanager NMWP.NRW Heft 02.2021 3
NMWP-Magazin | Heft 02.2021 6 Mit innovativen Impulsen aus NRW zu einer nachhaltigen Wirtschaft 10 Die Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität 20 Grünes Licht für die Kreislaufwirtschaft 24 Im Kreislauf zu mehr Wachstum 26 (Un)Einschätzbares Risiko: Der Lithium-Ionen-Akku 34 Klimaneutraler Kohlenstoff 36 Hochleistungswerkstoffe – Recycling im doppelten Sinne 38 Eisenhüttenschlacken – Rohstoff für eine funktionierende Circular Economy
Inhalt NMWP im Gespräch Mit innovativen Impulsen aus NRW zu einer nachhalti- Aluminiumrecycling: Neue Qualität von gen Wirtschaft Produkt und Produktion 28 NMWP.NRW im Gespräch mit Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisie- Die Heimat für die Circular Economy 30 rung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen über die Rolle der Schlüsseltechnologien für die Circular Chance für Industrie: Start-up Economy und die daraus resultierenden Chancen für den entwickelt Technologie für Wirtschaftsstandort NRW. 6 Mehrwegverpackungen in B2B-Arealen 32 Die Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität Klimaneutraler Kohlenstoff 34 Eine Talk-Runde mit Prof. Bernd Friedrich (IME und Circular Economy Center Aachen, RWTH Aachen Univer- Hochleistungswerkstoffe – sity), Dr. Ansgar Fendel (REMONDIS Assets & Services Recycling im doppelten Sinne 36 GmbH & Co. KG), Dr. Adalbert Lossin (Aurubis), Dr. Andreas Lützerath (TRIMET Aluminium SE) und Eisenhüttenschlacken – Rohstoff für Dr. Reiner Sojka (Accurec Recycling GmbH) zu Wertstroff- eine funktionierende Circular Economy 38 kreisläufen in der e-Mobilität und deren wirtschaftliches Potential in Europa. 10 CO2-Senkung bei der Stahlherstellung durch innovatives Recycling 40 Das Rohstoffpotenzial von Highlight-Thema Smartphones nutzen 42 Grünes Licht für die Kreislaufwirtschaft Recycling allein macht noch keinen Kreislauf. Die Trans- Neues aus Cluster, Verein und Branche formation linearer Strukturen hin zu Circular Economy benötigt mehr als den umweltbewussten Umgang mit Der NMWP e.V. begrüßt die neue Abfällen. Es braucht ein Umdenken der gesamten Innovationsstrategie Nordrhein-Westfalens Wertschöpfung und unserer Gesellschaft. 20 Frau Prof. Barbara Milow vom Institut für Werkstoff-Forschung am Deutschen Zentrum Schlüsseltechnologien in der Kreislauf- für Luft- und Raumfahrt (DLR), wurde auf der Jahreshauptversammlung des Vereins zur wirtschaft Nordrhein-Westfalens neuen Vorstandsvorsitzenden gewählt. 44 Im Kreislauf zu mehr Wachstum 24 Zu guter Letzt46 (Un)Einschätzbares Risiko: Termine 47 Der Lithium-Ionen-Akku 26
NMWP im Gespräch Mit innovativen Impulsen aus NRW zu einer nachhaltigen Wirtschaft. © MWIDE NRW/F. Wiedemeier NMWP.NRW im Gespräch mit Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen über die Rolle der Schlüsseltechnologien für die Circular Economy und die daraus resultierenden Chancen für den Wirtschaftsstandort NRW. Herr Professor Dr. Pinkwart, woran denken Sie, wenn Am 29. Juli 2021 war der diesjährige Erdüberlastungstag Sie den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ hören? – an dem Tag haben wir unser weltweites jährliches „Ressourceneinkommen“ bereits aufgebraucht. Wie groß Das Thema Kreislaufwirtschaft oder auch Circular schätzen Sie hierbei den Einfluss der Pandemie ein? Economy hat in Nordrhein-Westfalen vor allem für die Industrie eine große Bedeutung. Die weltweiten Wirt- Die Pandemie hat die internationalen Lieferketten durch- schaftssysteme sind seit jeher linear aufgebaut. Auch einandergewirbelt und teils zum Erliegen gebracht. Mit wenn man die Effizienz immer weiter erhöht und den dem Wiederanfahren der weltweiten Wirtschaft sind Ausschuss in Form von Verschnitt oder Produktions- Rohstoffe und Materialen nun deutlich teuer und teil- resten in jeglicher Form verringert, gibt es an unendlich weise gar nicht verfügbar, sodass unsere Industrie nur vielen Stellen Verluste. Die zirkuläre Wertschöpfung setzt schwer die hohe Nachfrage bedienen kann. Die fehlen- genau hier an: Wir wollen Produkte und Prozesse verstärkt den Materialien haben in nahezu allen Branchen – von im Kreislauf führen, um diese Verluste zu minimieren der Bauindustrie bis hin zur Automobilindustrie – zu bzw. gänzlich aufzuheben. Im Idealfall benötigen wir Lieferengpässen und massiven Preissteigerungen ge- keinerlei neue Rohstoffe und Materialien mehr, sondern führt. Beispielsweise fehlen Aluminium, Stahl, Dämm- nutzen dieselben Rohstoffe und Materialien immer wie- stoffe, Verpackungsmaterial, Lacke oder Holz. Auch der neu, in einem dauerhaften Kreislauf. Das erfordert High-Tech Rohstoffe, wie Silizium für die Chipherstellung, oft ein völlig neues Produktdesign, neue Werkstoffe und sind massiv betroffen. Der Preis hatte sich zwischen- Verfahren sowie Geschäftsmodelle, die das Ende des zeitlich sogar vervierfacht. Auch wenn viele Preissteige- Lebenszyklus der Produkte direkt mitdenken. rungen nur Momentaufnahmen sind, steht fest: Viele 6NMWP-Magazin
NMWP im Gespräch Rohstoffe bleiben auf absehbare Zeit erstmal knapp, same Nutzung eines Produkts durch Käufergemein- weil Förderkapazitäten nicht so schnell erschlossen werden schaften kann neue produktive Dienstleistungsmodelle können oder erschöpft sind. Der Trend geht daher klar zu hervorbringen. In Summe benötigen wir also weniger deutlich höheren Preisen. Dies erhöht die Notwendigkeit Rohstoffe und Materialien und optimieren die Auslastung und die Rentabilität der Circular Economy umso mehr, der Endprodukte. Zirkuläre Geschäftsmodelle können wie auch eine aktuelle Studie belegt, die das RWI für ungeahnte Symbiosen zwischen verschiedensten In- uns erstellt hat. Die Pandemie ist sicherlich ein starker dustrien zur Folge haben und neue Märkte erschließen. Beschleuniger für diesen Effekt gewesen, aber nicht die einzige Ursache. NRW ist DER Werkstoff- und High-Tech-Hotspot Euro- pas, in welchem die Zirkuläre Wertschöpfung voraus- Die Circular Economy ist ein Konzept, welches für alle gedacht wird, in welchem viele Impulse entstehen Sektoren relevant ist. Dennoch wird sie oft im Allgemei- und umgesetzt werden. Welchen Stellenwert haben nen mit Abfallmanagement und Recycling in Verbin- Schlüsseltechnologien wie die Nanotechnologie, die dung gebracht. Wie können wir die Circular Economy Mikrosystemtechnik, die optischen und die Quanten- nutzen, um unsere Industrie und die Gesellschaft nach- technologien und die Neuen Materialien Ihrer Meinung haltig zu transformieren? nach für die Circular Economy? Die Zauberformel der zirkulären Wertschöpfung heißt: An Werkstoffen und High-Tech kommt in der zirkulären Reuse, Refurbish, Remanufacture, Reassemble, Reac- Wertschöpfung niemand vorbei. Daher nehmen die In- tivate, Recycle, Refuse – und schließlich „Re-Think“. novationen aus Nordrhein-Westfalen auf dem Weg zu Sie sehen: Das Recycling macht hier nur einen kleinen einer Circular Economy eine sehr wichtige Position ein Teil aus. Wichtig ist vor allem das „Rethink“, also die – und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen. Bereitschaft, Produktion und Gebrauch eines Produk- tes komplett neu zu denken und zu hinterfragen. Die Wie bereits erwähnt, geht es hierbei nicht nur um die Circular Economy ist deshalb für uns vor allem auch ein Recyclingfähigkeit eines einzelnen Werkstoffs. Viele eng industriepolitisches Innovationsprogramm. Wenn wir miteinander verzahnte Wertschöpfungsketten müssen hier erfolgreich sein wollen, brauchen wir eine Kombi- aufeinander abgeglichen und optimiert werden. Aus der nation von ganz unterschiedlichen Ansätzen, die zum Stahlindustrie werden beispielsweise viele Nebenpro- Erfolg führen. dukte in anderen Branchen, wie der Bau- und Zement- industrie, als wichtige Rohstoffe eingesetzt. Bei der Mit Blick auf den Rohstoffeinsatz bei der Primärproduk- Weiterentwicklung der Circular Economy müssen also tion ist die hochwertige Wiederverwendung von Roh- alle relevanten Wertschöpfungsketten gleichzeitig be- stoffen und Materialien kein einfaches „Add-On“. Wir trachtet werden. Neben der Optimierung von Wert- müssen auch produktseitig, im Produktionsprozess schöpfungsketten in der Circular Economy hat auch die »An Werkstoffen und High-Tech kommt in der zirkulären Wertschöpfung niemand vorbei. Daher nehmen die Innovationen aus Nordrhein- Westfalen auf dem Weg zu einer Circular Economy eine sehr wichtige Position ein – und das auf ganz unterschiedlichen Ebenen.« Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. und der Produktverwendung die nötigen Voraussetzungen Nachhaltigkeit in Nordrhein-Westfalen einen hohen schaffen, damit beispielsweise die Sammelquote von Stellenwert. So sind die nordrhein-westfälischen Mate- ausrangierten Produkten erhöht wird. Kritische, nicht rial- und Werkstofferzeuger nicht nur intensiv mit der recyclebare Materialien sollten vermieden werden und Circular Economy beschäftigt, sondern stellen ihre Pro- Produkte so aufgebaut sein, dass sie leicht repariert zesse auch auf klimafreundliche Verfahren um. Denn und demontiert werden können. Eine speziell auf den ein geschlossener Material-Kreislauf ist ein wichtiger Materialkreislauf ausgelegte Konstruktion der Produkte Bestandteil für den effizienten Umgang mit Energie. verringert darüber hinaus auch das Downcycling von Wussten Sie zum Beispiel, dass der Energieeinsatz für Materialien. Die „Produktnachhaltigkeit“ hat also viele das Recycling von Aluminium im Vergleich zur Herstel- Facetten und setzt neben der Reduktion bei der Energie- lung von Primäraluminium bis zu 95 Prozent niedriger und Materialproduktion auch einen Schwerpunkt auf ist? Dies ist ein schönes Beispiel dafür, wie die Circular soziale Akzeptanz. Manche Produkte sind ungewohnt Economy Energie spart und den Ausstoß von CO2 sen- und stoßen vielleicht auf Vorbehalte, zum Beispiel, wenn ken kann. Bauteile aus anderen Produktserien verwendet oder wenn Altgeräte „refurbished“ werden. Damit in der Circular Economy der Wert von Produkten, Materialen und Ressourcen so lange wie möglich erhal- Letztendlich entstehen komplett neue zirkuläre Ge- ten bleibt und Abfall minimiert wird, brauchen wir neue schäftsmodelle. Die längere Lebensdauer und gemein- innovative Impulse aus Schlüsseltechnologien, wie der Heft 02.2021 7
Abbildung oben: Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung spielen beim Strukturwandel im Rheinischen Revier – nicht zuletzt begünstigt durch die politischen Rahmenbedingungen – eine zentrale Rolle bei allen Bestrebungen. Dadurch hat diese Region Modellcharakter. Robotik oder der künstlichen Intelligenz, insbesondere schaften und der Stabilität liefert Nordrhein-Westfalen im Bereich der energieintensiven Industrien. Beispiels- innovatives Know-how. Damit kommen wir unseren weise wäre eine smarte Fabrik ohne Sensorik kaum vor- ambitionierten Klimaschutzzielen näher und erschließen stellbar. Hierfür liefern die Nano- und Mikroelektronik, gleichzeitig neue Materialien für die Circular Economy. aber auch die Photonik die technologische Grundlage. Sie erhöhen die Effizienz der elektronischen Bauteile, Im Kontext der Elektromobilität nimmt die Batterie- und verringern den benötigten Materialeinsatz. technik einen hohen Stellenwert ein. Auch hier müssen die verwendeten Materialien am Ende des Produktlebens Gehen wir noch einen Schritt zurück: Führende Unter- möglichst vollständig wieder zurückgewonnen werden nehmen aus Nordrhein-Westfalen nutzen bereits heute können. Die in Münster entstehende „Forschungsferti- die Chancen der Materialentwicklung mittels „ICME“, gung Batteriezelle“ leistet hier wichtige Arbeit – nicht dem sogenannten „Integrated Computational Materials zuletzt mit dem Entwicklungsstandort für Batterie-Re- Engineering“. Hier werden die kreislaufwirtschaftlichen cycling, den wir auf dem bisherigen Zechengelände in Anforderungen an die Materialien von Anfang an mitge- Ibbenbüren ansiedeln konnten. dacht und deren Herstellung dabei ressourceneffizienter und nachhaltiger. Die Zahl der Experimente, die bei der Auf der anderen Seite ist die Circular Economy für man- Materialentwicklung real durchgeführt werden muss, wird che neuen Materialien oder auch die Nano- und Mikro- auf ein notwendiges Minimum reduziert. Mit „ICMME“ elektronik noch eine Herausforderung, an deren Lösung kommt dann im nächsten Schritt das „Manufacturing“, die Industrie- und Forschungslandschaft in Nordrhein- also die Entwicklung eines Verarbeitungsprozesses für Westfalen schon fleißig arbeitet. Ich bin davon überzeugt, das neue Material, hinzu. Das alles reduziert den Mate- dass wir mit unserem Know-how und der Expertise rialaufwand, steigert die Effizienz und liefert wichtige auch modernste High-Tech-Werkstoffe für die Circular Impulse für die Circular Economy. Gänzlich neue Poten- Economy von Morgen erschließen können. ziale wird dabei voraussichtlich das Quantencomputing erschließen und die Material- und Prozesssimulationen Wie sehen Sie die Impulse aus der Wissenschaftsland- auf ein neues Level heben. schaft Nordrhein-Westfalens? Denken Sie an den 3D-Druck: Er revolutioniert schon Die Impulse aus der Wissenschaft sind sehr vielfältig, heute die Produktion in vielen Industrien. Hier haben wir viele verschiedene Fachrichtungen greifen das Thema auf in Nordrhein-Westfalen eine exzellente Expertise. und forschen. Es werden Produktionsprozesse analysiert, Schlüsseltechnologien liefern auch hier zahlreiche Im- Materialien entwickelt und komplette Wertschöpfungs- pulse, den 3D-Druck – je nach Einsatzgebiet – als Teil ketten optimiert. Auf der anderen Seite muss die Akzep- eines Kreislaufs einzusetzen. tanz der Gesellschaft erhöht und Vorbehalte gegenüber der Circular Economy abgebaut werden. Im Bereich der Photovoltaik machen wir nicht nur in der Steigerung des Wirkungsgrades international große Die besondere Herausforderung liegt darin, dass im Fortschritte. Auch bei der Verbesserung der Materialeigen- Grunde genommen sämtliche Fachrichtungen vernetzt 8NMWP-Magazin
© MWIDE NRW/F. Wiedemeier zusammenarbeiten müssen, wenn wir das Konzept der der Vernetzung und Zusammenarbeit der verschiede- Circular Economy vollumfänglich umsetzen wollen. Zu nen Akteure in den Wertschöpfungskreisläufen. Es freut diesem Zweck gibt es an der RWTH Aachen zum mich daher sehr, dass das Landescluster NMWP.NRW Beispiel ein Circular Economy Center. Es bündelt die das Thema der Circular Economy aufgegriffen hat und Expertise sämtlicher relevanten Fakultäten und ist ein die Kompetenzen verschiedenster Fachrichtungen er- kompetenter Ansprechpartner für Anfragen, zum Beispiel folgreich zusammenbringt. Will man ein bestmögliches aus der Industrie. Ergebnis erzielen, müssen zu vielen Fragestellungen plötzlich Ingenieure mit Biologen und Chemikern zu- Wo sehen Sie Potentiale, die Circular Economy mehr in sammenarbeiten. Das überfordert manche Akteure NRW zu etablieren? Was können wir besser machen? und ist gleichzeitig genau der Anknüpfungspunkt von Was interessiert Sie hier besonders? Clustern: Hier kommen Kompetenzen aus den Schlüssel- technologien, aber auch aus weiteren Technologie- und Gemeinsam mit der Industrie und der Wissenschaft ha- Anwendungsfeldern zusammen – sowohl aus der Wirt- ben wir in Nordrhein-Westfalen schon einiges erreicht. schaft als auch aus der Wissenschaft. Das Cluster kann »Will man ein bestmögliches Ergebnis erzielen, müssen zu vielen Fragestellungen plötzlich Ingenieure mit Biologen und Chemikern zusammenarbeiten. Das überfordert manche Akteure und ist gleich- zeitig genau der Anknüpfungspunkt von Clustern.« Professor Dr. Andreas Pinkwart, Minister für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen. Die Circular Economy ist ein wichtiger Bestandteil un- auf ein exzellentes Industrienetzwerk zurückgreifen, in seres industriepolitischen Leitbildes und in den großen dem Entwickler und Anwender gemeinsam Lösungsan- Förderprogrammen des Strukturwandels im Rheini- sätze entwickeln. Die sinnvolle Vernetzung geht dabei schen Revier und in der Steinkohleregion ebenso veran- immer mit den Zielen des Technologietransfers und der kert wie im neuen EFRE-Programm. Wir wissen, dass es Innovationsförderung einher. Durch clusterübergreifende in den Innovationsstrategien von Unternehmen ein Zusammenarbeit hat das Cluster eine Bandbreite, wie wichtiges Thema ist, genauso wie in der Wissenschaft. sie für ein KMU nur schwer erreichbar ist. Viele Hochschulen richten Forschungsschwerpunkte zur Circular Economy ein. Sie sehen: Wir haben noch viel Arbeit vor uns, denn die vollumfängliche Umsetzung der Circular Economy ist Mit Blick auf die großen Herausforderungen und den ein vielschichtiger Prozess. Hier stehen nicht nur die starken branchen- und disziplinenübergreifenden Cha- Wirtschaft und Wissenschaft in der Pflicht, sondern die rakter sehe ich einen besonderen Handlungsbedarf in gesamte Gesellschaft. Heft 02.2021 9
NMWP im Gespräch Die Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität Eine Talk-Runde mit Prof. Bernd Friedrich (IME und Circular Economy Center Aachen, RWTH Aachen University), Dr. Ansgar Fendel (REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. KG), Dr. Adalbert Lossin (Aurubis), Dr. Andreas Lützerath (TRIMET Aluminium SE) und Dr. Reiner Sojka (Accurec Recycling GmbH) zu Wertstroffkreisläufen in der e-Mobilität und deren wirtschaftliches Potential in Europa. Prof. Friedrich Kreislaufwirtschaft – auch im Kontext der Zu Gast haben wir Dr. Fendel, Geschäftsführer der Elektromobilität ist – sehr aktuell und in aller Munde. Remondis GmbH – für die ganzen Fragen der Logistik, Insbesondere bei den Käufern. Bei der Überlegung, sich der Rücknahmesysteme und dergleichen. Dr. Lützerath, vielleicht ein Elektroauto zuzulegen, um an der ein oder technischer Vorstand der Trimet in Essen haben wir ge- anderen Stelle vielleicht doch zögern. Zögern, nicht nur winnen können für den ganzen Bereich Aluminium – wegen der Lade-Infrastruktur, die vielleicht noch nicht was kommt da eigentlich auf die Aluminiumindustrie existiert oder auch wegen der hohen Kosten von Elektro- zu? Wird sich da etwas verändern? Muss man sich vor- mobilität. Sie zögern auch, weil sie sich fragen: Was bereiten? Leider haben wir bei diesem Gespräch die passiert eigentlich mit meinem Auto, wenn ich es irgend- Stahlindustrie nicht dabei, die sich momentan natürlich wann mal nicht mehr benutzen möchte und es recycelt genauso vorbereitet. Weiterhin haben wir zu Gast Dr. werden muss, da es eben keiner zweiten Verwendung Sojka von der Accurec Recycling GmbH aus Krefeld. Wie zugeführt werden kann? Deswegen sprechen wir heute der Name schon sagt, geht es um Akkumulatoren-Re- über das Thema „Circular E-Cars“. Wir werden heute cycling beim größten deutschen Recycler für Lithum- mehr die Technik des Recyclings adressieren, weniger die Ionen-Batterien, insbesondere auch Elektrofahrzeug- Frage nach „Second Use“ oder „Repair“ oder „Refurbish- Batterien natürlich. Dr. Lossin von der arubis AG mit Sitz ment“. Unsere Diskussion setzt da an, wo wirklich das in Lünen, ganz im Osten von Nordrhein-Westfalen, Ende des Produkt-Lebensweges gekommen ist. Ich freue vertritt Europas größten Kupfer-Recycler. Hier werden mich daher ganz besonders, dass wir vier hochrangige die gesamten Elektro- und Elektronikkomponenten, Vertreter aus der Nordrhein-Westfälischen Industrie- also der ganze Elektroschrott, recycelt. Und – logisch – landschaft gewinnen konnten, die heute hier dabei sind. wenn wir über Elektroautos reden, ist klar, dass wir aus 10NMWP-Magazin
NMWP im Gespräch diesem Materialstrom deutlich mehr bekommen als Batterien Europa verlassen können, oder ist das eine aus einem normalen Verbrenner. Also vielen Dank Ihnen, Sicherheitsfrage, die uns – Gott sei Dank, kann man oder Euch, teilweise kennen wir uns aus langjähriger sagen – die Batterie nahe bei uns hält? Zusammenarbeit. Zu meiner Person, ich bin Professor Bernd Friedrich, ich leite das IME an der RWTH Aachen Dr. Ansgar Fendel Letzteres, ja. Das Thema ist von der und bin Gründer und Sprecher des Aachener „Center Transportseite zumindest von unserer Seite im Unter- für Circular Economy“. Dieses Center ist neu, da wir uns nehmen gelöst. Wir haben knapp über 1.000 Behälter vorgenommen haben, hier in Aachen dieses Thema draußen, das ist das BAM-akkreditierte Retron-System, ganz nach oben auf die Agenda der RWTH Aachen zu was eben auch unter dem Sicherheitsaspekt defekte schieben. Hierzu binden wir alle Dimensionen ein, auch Batterien sicher transportieren kann. Das bedeutet, die Frage der „Social Acceptance“, die ich ja gerade wenn wir ein altes Automobil bekommen, kennen wir in schon mal angesprochen habe. der Regel auch nicht den Zustand. Dann wird die Batterie in dieses sicherheitsentsprechende Behältnis reingepackt Fangen wir an – das Leben eines Elektrofahrzeugs hat und wird dann als Gefahrgut über die Straße transportiert. sein Ende gefunden und wir gehen davon aus, dass man Solange wir einen Thermal Runaway in dem Behälter das zu einem Automobilzentrum gibt und sich für ein haben, passiert nichts. Das ist das Besondere an dem neues Auto interessiert. Aber nun steht das alte Fahrzeug System. Insgesamt werden uns deutlich umstellen müssen, da, und auf einmal kommen eben die Fragen der Logistik wir werden mit anderen Systemen agieren müssen. Wir auf. Hier würde ich gerne Herrn Dr. Fendel den Ball zu- benötigen vor allen Dingen Systeme, die handhabbar werfen. Im Vergleich zu dem aktuellen Stand – womit sind. Systeme, bei denen irgendwelche Zusatzstoffe muss man aus logistischer Sicht rechnen? Sicherheits- eingefüllt werden, in welche man die Batterie einbettet, fragen? Mengenfragen? Wenn die E-mobility wirklich so sind auf Dauer nicht tragfähig, wir werden Spezialbehälter durchschlägt, wie sie im Moment in Norwegen ja schon brauchen. Das ist eben das, was wir als Unternehmen durchgeschlagen ist – 90 % der Neuzulassungen in vor 2 bis 3 Jahren angefangen haben zu entwickeln. Norwegen sind Elektrofahrzeuge. Wenn sowas bei uns Diese Behältnisse sind jetzt auch im Markt. Die finden passiert, würde das wahrscheinlich größere Verände- sie im Übrigen bereits in den Werkstätten der großen rungen mit sich bringen. OEMs wieder. Dr. Ansgar Fendel Ja, Herr Friedrich, in der Tat, das wird Prof. Bernd Friedrich Vielleicht geben wir diese Frage es. Nicht ganz vergessen sollte man aber auch die Über- direkt an Accurec weiter; wir werden also ein paar gangszeit. Wir werden erst mal eine Durchmischungs- Batterien auf der Autobahn haben. Wir werden sicher bzw. Übergangsphase haben. Darüber hinaus macht aber auch bei den Recyclingfirmen Batterie-Lager sich die Fragestellung der Logistik nicht schlicht und haben. Haben wir das sicherheitstechnisch im Griff? ergreifend an der Batterie fest. Ich will jetzt mal die Analogie zum Verbrenner nehmen: der Verbrenner, Dr. Reiner Sojka Ich denke, auch da ist eine Umstellung wenn er bei uns auf die Plätze kommt, sollte er keinen notwendig, und wir haben versucht, das hier in Krefeld Sprit mehr enthalten, sonst ist er explosiv. Das Elektro- im neuen Werk umzusetzen. Also – die Bandlast von fahrzeug, welches dem Recycling zugeführt wird, sollte diesen Batterien ist schon so massiv, dass man die Lager dann auch von der Batterie befreit sein. Dadurch haben entsprechend mit Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel wir zwei Komponenten. Die Batterie selbst ist ein hoch- großen Löschanlagen ausrüsten muss, sobald sich dort interessantes Objekt für Recycling, dafür gibt es ein eine größere Menge Batterien wiederfindet. Zum Trans- Sicherheitsbehältersystem. Das ist unser Retron-System, port noch ein Kommentar, auf den vielleicht Ihre Frage welches wir eingeführt haben, um solche Systeme sicher auch ein bisschen hinzielte: Können wir uns große zu transportieren. Das Fahrzeug selbst wird entsprechend Transportvolumen quer durch die Republik überhaupt aufgearbeitet mit konventionellen Systemen transpor- leisten? Es ist ein Abfall, es ist ein Gefahrgut und es wird tiert, wie wir sie heute bereits im Einsatz haben. Allerdings wahrscheinlich in Zukunft auch ein gefährlicher Abfall werden wir – und das ist das Besondere – auch einen sein von der Abfalleinstufung her. Das zu transportieren Paradigmenwechsel auf unseren Schrottplätzen erleben. ist eine relativ teure Sache, was dazu führen wird, dass Die werden andere Technologien und andere Demontage- man wahrscheinlich eher regionale Lösungen bei der vorrichtungen haben müssen, weil das Elektrofahrzeug Vorbehandlung und beim Recycling findet, und dadurch sich anders darstellt als der Verbrenner. das Logistikproblem etwas moderiert wird. Prof. Bernd Friedrich Jetzt haben Sie vor allem die Prof. Bernd Friedrich Jetzt greife ich das gleich mal Batterie angesprochen und auch das Thema Sicherheit. auf: Ich stelle mir das also vor, jetzt kommt ein LKW an, Es gibt immer wieder Bilder von Zwischenfällen auf der mit einer Batterie im kritischen Zustand. Ich kann meinen Straße, wo etwas passiert, was man nicht so gerne hätte Mitarbeitern nicht zumuten, jetzt an diese kritische Batterie – nämlich, dass so eine Batterie in einen unkontrollierten noch zwei Kabel anzuschließen, um sie elektrisch zu ent- Zustand geht. Über welche Strecken ist es überhaupt laden. Das machen viele, um die Energie zurückzugewinnen. vertretbar, Batterien – von denen man ja nicht genau Man muss einen sicheren Zustand bekommen, um diese weiß, ob die möglicherweise in einem sogenannten Batterie noch unter Kontrolle zu kriegen. Ist das auch „Thermal Runaway“ reinlaufen – in Europa transportieren? schon technisch gelöst? Man könnte auch die Frage anders formulieren: Besteht ein Risiko für Deutschland oder Europa, dass diese Dr. Reiner Sojka Das ist eher ein organisatorisches als Heft 02.2021 11
NMWP im Gespräch Prof. Bernd Friedrich Dr. Ansgar Fendel Dr. Andreas Lützerath IME und Circular Economy Center REMONDIS Assets & Services TRIMET Aluminium SE Aachen, RWTH Aachen University GmbH & Co. KG ein technisches Problem, es gibt einen Modus Vivendi immer noch nicht geklärt. Diese 65 Prozent – und das habe bei uns. Sobald eine solche Batterie den Hof berührt, ich jetzt im Gesetzgebungsprozess in Brüssel auch wird eine Sofortmaßnahme ergriffen, sprich, die Batterie nochmal dieser Tage erfahren – die sind noch nicht ge- wird sofort demontiert, um sie in kleinere Module oder nau definiert. Wir gehen davon aus, dass es sich auf alle in Zellen zu zerlegen. Um die Gefahr sozusagen volumen- metallischen Bestandteile bezieht. Das würde heißen, technisch zu reduzieren und in den Griff zu kriegen, und dass wir im Grunde Stahl, Aluminium, Kupfer, Nickel, dann die Batterie elektrolytisch zu entladen. Das heißt, Kobalt – und dann auch verpflichtend das Lithium – zurück- damit ist die Gefahr unmittelbar entzogen. gewinnen müssen. Dann kommen sie auf die 65 Prozent. Prof. Bernd Friedrich Aber ein Kabel anschließen und Prof. Bernd Friedrich Metall ist ein gutes Stichwort, dann Strom rausziehen, das ist dann vorbei? Das macht das will ich an Trimet weitergeben: Da gibt es bestimmt man dann nicht mehr? schon eine Analyse bei trimet, wie sich der Aluminium- bedarf vielleicht auch in der Sorte verändern wird. Welche Dr. Reiner Sojka Das würde ich nicht empfehlen, weil Entwicklung gibt es in der Belieferung Richtung Elektro- es natürlich immer ein unkontrollierter Prozess ist. Sie mobilität, aber auch, wie verändern sich die Recycling müssen daneben stehen bleiben, das ist ein bisschen teuer. Ströme? Vielleicht werden es immer mehr Elektrofahr- zeuge, die zum Recycling kommen. Prof. Bernd Friedrich Es gibt verschiedene Alternativen, wie man mit so einer Batterie umgeht. Zum Beispiel die Dr. Andreas Lützerath Die erste gute Nachricht ist ja: Zerkleinerung. Jetzt hat sich die Accurec sehr stark auf durch die e-Mobilität steigt der Bedarf an Aluminium. eine thermische Sicherheitstechnologie konzentriert. Gucken wir mal gar nicht auf die Batterie und die Kathode, Ist es nicht so, dass eigentlich jeder Recycler sich zu- sondern wirklich rein vom Leichtbau her. Wenn man mindest eine kleine thermische Behandlung hinstellen heute ein kommerzielles Fahrzeug betrachtet – auf der sollte, um Module, die ausgebaut wurden, aber kritisch sind, anderen Seite ist dann Tesla – dann sehen wir einen doch schnell noch mal durch einen Ofen zu schicken, sehr, sehr starken Anstieg im Aluminium. Gerade, wenn damit sie dann sicher sind? Oder kann man wirklich mit Leichtbau ein Thema ist, dann sehen wir natürlich im gutem Gewissen in einen Prozess gehen und so eine kri- Bereich der Batterie selber Strangpressprofile und tische Zelle direkt in einen Schredder geben? Bleche, die eingesetzt werden. Und auch sehr stark Knetlegierungen. Wir sehen in der Legierung einen Dr. Reiner Sojka Es gibt zwei Parteien, die sich technisch Shift, wenn ich den Verbrenner betrachte, wo ich in den den Markt teilen. Die einen sagen „wir hauen das in den Rückläufen, zum Beispiel einen Motorblock und den Schredder“, und die anderen sagen „wir müssten da Zylinderkopf habe, mit zum Beispiel sehr hohen Kupfer- noch etwas anders machen; wir müssen die thermisch gehalten – an der Stelle ist ja dann eine Temperatur- deaktivieren“, so würden wir es bezeichnen, um eben festigkeit entscheidend gewesen. Das sind Legierungen die Bestandteile zu entfernen, die „Ärger“ machen, da – bisher jedenfalls – die wiederum nicht im e-Car-Bereich sie sehr leicht brennen. Es wird sich im Laufe der Zeit verwendet werden. Aber alle sonstigen Bestandteile, zeigen, was die bessere Alternative ist. Aber man ist sich das ist erstmal für uns „Aluminium“, das ist sehr einfach. eigentlich in der Branche einig, dass man zu irgendeinem Zeitpunkt – ob es am Anfang, der Mitte oder am Ende ist Prof. Bernd Friedrich Aber das sind schon Veränderungen, – das Produkt warm machen muss, um sich einfach der wenn wir an den Motorblock denken oder an das Getriebe- Bestandteile zu entledigen, die besonders kritisch sind. gehäuse eines Verbrennermotors… Das sind hochlegierte Aluminium-Qualitäten, die auch ein bisschen robuster Prof. Bernd Friedrich Jetzt haben wir eine politische sind gegen Kontamination im Recyclingstrom. Wenn Vorgabe 50 Gewichtsprozent der Zelle zu recyceln. Und ich jetzt sehe, dass mehr und mehr Knetlegierungen das soll in den nächsten vier, fünf Jahren auf 65 Prozent eingesetzt werden, kommt ja eigentlich die Anforde- hochgeschoben werden. Welche Elemente muss man rung an den Schrott, dass er „sauberer“ wird. eigentlich recyceln, um überhaupt auf diese 65 Prozent zu kommen? Dr. Andreas Lützerath Genau. Ein entscheidender Punkt sind beispielsweise Motorblöcke und Zylinder- Dr. Reiner Sojka Das ist eine gute Frage, denn das ist köpfe et cetera, wo ich Legierungen habe, höher legiert, 12NMWP-Magazin
NMWP im Gespräch Dr. Reiner Sojka Dr. Adalbert Lossin Accurec Recycling GmbH Aurubis wo der Anteil vor allem von Kupfer, aber auch die Eisen- niert ist. Das wird noch ein Thema werden, denke ich. gehalte, höher sind. Und wir sehen nun einen immer Aber das Gehäuse selbst kann man wahrscheinlich sehr breiteren Einsatz von Knetlegierungen. sortenrein und sauber übergeben, oder? Damit müssen wir uns beschäftigen. Generell ist das etwas, Dr. Reiner Sojka Das ist so. Auch in Großversuchen zu- das sieht man in der Aufbereitung der Schrotte, in der sammen mit Aluminiumrecyclern sehen wir da nicht Trennung zwischen bestimmten Legierungsklassen. das Problem. Hinsichtlich der in Summe großen Mengen Das wird immer wichtiger, damit man auch das Recycling an Aluminium an Kathoden wäre ich im Moment eher und den Schmelzprozess danach sehr zielgerichtet ge- skeptisch. stalten kann. Zudem gibt es eine Entwicklung in der Le- gierungstechnik. Wir sind an dem Punkt, wo wir sehen, Prof. Bernd Friedrich Ja, dann gebe ich zu Arubis rüber: wir müssen an der Legierung weiterarbeiten, die vielleicht Wenn wir jetzt diesen wahnsinnigen Zuwachs nehmen, wieder ein bisschen aufmachen, die in der Vergangen- der von den großen Wirtschaftsstrategen prognosti- heit sehr eng spezifiziert wurde. Es gibt verschiedene ziert wird – da kommt ja eine Unmenge an Elektro- und Forschungsprojekte – eins ist ein BMWI Projekt. Man Elektronikschrott auf eine Aurubis zu. Zwei Fragen: spezifiziert Legierungen und überlegt, wie man Schrott- Wird sich dafür die Technik irgendwie anpassen müs- einsätze wieder erhöhen und damit aber auch bestimmte sen oder steht das alles? Und kann man überhaupt die Legierungselemente erhöhen kann, wie Kupfer, Eisen, Mengen aufnehmen, oder muss man da noch ein zweites Nickel, und so weiter. Werk wie in Lünen bauen? Und man muss natürlich auch nochmal die mechani- Dr. Adalbert Lossin Ja, zunächst kann ich auch erst schen Eigenschaften und die Korrosionseigenschaften mal für Kupfer sprechen. Unser Hauptmetall ist ja nach ansehen. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Thema, was wie vor Kupfer und – wie Herr Lützerath vorhin auch uns als Aluminiumindustrie natürlich umtreibt und wo schon sagte – was für Aluminium gilt, das gilt auch für die Forschung jetzt den Schwerpunkt setzen muss. Kupfer. Der Kupferanteil im Elektroauto ist natürlich viel höher als im normalen Verbrenner. Also im Verbrenner- Prof. Bernd Friedrich Jetzt gehe ich nochmal ganz Auto reden wir von etwa 25 Kilo, im Elektroauto haben kurz zu Accurec zurück – kann man denn diese höheren wir etwa 70 Kilo. Da sehen wir schon mal eine Zunahme Reinheiten aus dem Alu-Recycling, also Gehäuse, andere von unserem Hauptmetall in verschiedenen Anwen- Komponenten, aber vor allem auch Folien überhaupt dungen. In den Batterien, allerdings eben auch als sicherstellen durch einen Prozess? Oder wird es schwie- Stromschienen und auch in mehr Elektronik. Damit rig, das zu erfüllen, was die Aluindustrie eigentlich gerne komme ich auf Ihre Frage zurück: keine Batterie ohne hätte? Ladeelektronik, ohne Wechselrichter und ohne Steue- rungselektronik. All das kommt natürlich im Vergleich Dr. Reiner Sojka Ob Folien aus den Kathoden zurück- zum Verbrenner noch hinzu. Wenn wir über Mengen gewonnen werden können, das muss man noch sehen. sprechen, da gab es kürzlich ein Forschungsprojekt, in Man muss davon ausgehen, dass das eher ein Down- welchem analysiert wurde, wieviel Leistungselektronik cycling ist als ein Recycling, weil wie Pre-Kontaminationen in einem Elektroauto überhaupt verbaut ist und wie sie da schon ziemlich groß sind. verbaut ist. Wenn ich mich richtig erinnere, sind das zwischen 10 und 20 Kilo Leistungselektronik pro Elektro- Wir haben uns jetzt für einen größeren Zeitraum die Le- fahrzeug. Und die setzen sich natürlich zusammen, gierung aus den konstruktiven Teilen angesehen, die sind wiederum aus dem Gehäuse, da gucke ich dann zu sehr gut verwendbar. Anforderungen, die aus der Aus- Herrn Lützerath, aber da sind natürlich auch sehr hoch- schmelzung der Materialien kommen, sind erträglich – wertige Leiterplatten drin, das haben Sie ja in Ihrer Frage das ist handlebar. auch schon angedeutet. Auch darauf sind wir vorbereitet. Wir betreiben in Europa sechs Standorte, an denen wir Prof. Bernd Friedrich Lithium ist ja eigentlich ein rotes überall Recycling machen. Lünen in Nordrhein-Westfalen Tuch für die Aluindustrie – für viele Legierungen. Und ist unser größter Standort, wo wir eben auch Elektronik- jetzt kommt aus der Lithium-Ionen-Batterie irgendeine schrott im großen Stil verarbeiten. Von der Technik her Aluminiumqualität, die eventuell mit Lithium kontami- sind wir darauf eingestellt. Welche Mengen dann am Heft 02.2021 13
NMWP im Gespräch Ende kommen – da ist natürlich auch die Frage wie viele es kommen auch die ersten Elektrofahrzeuge zurück, Elektroautos denn recycelt werden. Ich denke, da können so dass wir üben können. Wir erwarten, dass der große wir uns gut drauf einstellen und es ist auch unser erklär- Schub ab 2028/29 passiert, vorbehaltlich, die Entwick- tes Ziel, im Recycling stark zu wachsen. Wir sind bereit. lungsgeschichte der e-Fahrzeuge tritt ein, wie sie prog- nostiziert worden ist. Wovon wir ausgehen, ist folgendes: Prof. Bernd Friedrich Wenn wir den Elektronikschrott Wenn die Fahrzeuge in den Werkstätten bei den OEMs genauer betrachten und die Leiterplatte, die ja im we- wieder zurückgenommen werden – falls diese Struktur sentlichen Organik ist – das ist ja eine kunstharzgebun- sich durchsetzen sollte, das ist im Übrigen noch völlig dene Platte. Irgendwann wird ja mal jeder Ofen sagen, unklar – dann muss man davon ausgehen, dass wir die „jetzt reicht`s mir an Energieinput“. Das würde dann ja Fahrzeuge zu mittelgroßen Plätzen hinbringen. Das bedeuten, dass man nicht mehr von dem Elektronik- sind die klassischen Schrottplätze. Diese werden aber schrott da hineinbekommt. Kann man vielleicht den anders aussehen. Das wird nicht mehr der „klassische Energieinhalt von so einem Elektronikschrott vielleicht Schrottplatz“ sein, sondern es wird eher ein Demonta- im Vorfeld irgendwie generieren? Dann reden wir über geplatz, da insbesondere die Teile, die besonders kri- eine Kreislaufführung von Kohlenstoff oder von Energie, tisch sind, vorher entnommen werden müssen. Das vielleicht durch eine thermische Konditionierung wie haben wir eben hinlänglich diskutiert. Wir müssen die das bei der Batterie gemacht wird, um eben die Mengen Batterie besonders behandeln und das Fahrzeug an durch so einen klassischen Prozess zu erhalten und sich auch. Eins darf man sicher auch nicht vergessen: gleichzeitig den Energieinhalt zu nutzen. Gibt es da irgend- wenn die Traktionsbatterie aus dem Fahrzeug entfernt welche Überlegungen zu? ist, haben wir noch eine Fülle anderer Lithium-Ionen- Batterien in dem Fahrzeug. Die zu finden, ist schwierig, Dr. Adalbert Lossin Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben weil wir nicht genau wissen, wo sie positioniert sind. es schließlich bei Elektronikschrotten eben immer mit Verbundwerkstoffen zu tun, wo verschiedene Metalle Prof. Bernd Friedrich Wir haben auch keine richtige drin sind, wo Kupfer drin ist, wo die Edelmetalle drin Normung, wie eine Batterie auszusehen hat. Man baut sind und dann eben auch Kunststoffe und Nicht-Kunst- aus Design-Gründen oder aus technischen Gründen stoffe, wie Keramikmaterialien, und eine ganze Mengen seine individuellen Batterien, und jedes einzelne Auto Flammenhemmer noch dazu. Insofern ist es erst mal gut, hat wieder einen anderen Aufbau. Das bedeutet, dass im Vorfeld so viel mechanische Trennung zu machen, diese Sammelplätze sehr stark manuell bedient werden wie es geht. Das ist auch Bestandteil der Wertschöp- müssen. Da müssen erfahrene Demonteure sitzen. fungskette, das ist etabliert. Das macht die Remondis, das Oder kann man sich irgendwie vorstellen größere Autos machen wir, das machen viele in der Wertschöpfungs- oder vielleicht auch Batterien automatisch per Roboter kette. Wenn es auf thermische Vorbehandlungen zu zu demontieren? sprechen kommt, das ist ein Thema, was man in der Kunststoffecke in der letzten Zeit sehr häufig sieht, Dr. Ansgar Fendel Ja, wir sind in sehr intensiven Über- dass Firmen sich mit thermischer Behandlung von legungen, das zu automatisieren. Aber sie haben eine Kunststoffen befassen. Aus heutiger Perspektive muss sehr entscheidende Einschränkung gemacht, das ist man eben auch die CO2 Bilanz im Hinterkopf haben. Es die Frage nach Standardisierung von Systemen. Ich will geht nicht nur darum, für den Ofen zu denken, sondern ein Beispiel nennen aus unserem täglichen Lebensbereich: auch ein bisschen ganzheitlich zu denken. Ich erwarte, jeder, der ein Smartphone kauft, kämpft mit den verschie- dass da noch einiges an Forschung und Entwicklung densten Kabelsystemen. Die Standardisierung von stattfinden wird. Das ist aber – glaube ich – in Ihrem Batteriesystemen in der Automobilindustrie können wir Hause auch der Fall. Ich kann mir da viel vorstellen, aber nicht beeinflussen. Die wünschen wir uns, aber wir se- ich glaube, das ist noch eher Forschungs- und Entwick- hen gerade den gegenläufigen Trend. Der eine Anbieter lungsgebiet. Wenn ich das mal vergleiche mit dem, was benutzt die Batterie noch mit als konstruktives Verstär- wir heute schon können, da sind wir sehr sicher, bei der kungselement, der andere macht es anders und baut thermischen Vorbehandlung, da stehen wir eher noch sie irgendwie ein. Wir bekommen eine unglaubliche Modell- relativ weit am Anfang. vielfalt. Das zeichnet sich jetzt schon ab, und das muss man schlicht und ergreifend sagen: da wird die Automa- Prof. Bernd Friedrich Vielleicht nochmal eine logistische tisierung unglaublich komplex und wir werden am An- Frage, Herr Fendel. Wie könnte man sich das logistisch fang auf die manuelle Zerlegung zurückgreifen müssen. vorstellen? Wie wird das organisiert? Die Autos würden an vielen kleinen Werkstätten zurückgegeben. Wird Prof. Bernd Friedrich Vielleicht kann ich die Frage der man logistisch diese Fahrzeuge an viele mittelgroße Demontage auch noch mal an die Accurec weitergeben. Sammelstellen bringen und dann von dort zu den Recyclern, Wir haben ja – glaube ich – im Moment eine Rückrufaktion oder wird es Zerlegungsanlagen geben müssen, die von 80.000 Autos eines Automobilherstellers laufen, dann vor Ort vielleicht schon mal separieren, bevor das da kommen 80.000 Batterien evtl. zur Demontage. Da überhaupt auf ihre LKW geht? könnte ich mir vorstellen, dass so ein einmal geschultes, gelerntes Robotersystem vernünftig arbeiten könnte. Dr. Ansgar Fendel Ja, da gibt es viele Ideen. Wir sind in Aber wenn ich jedoch ein Recyclingzentrum vorstelle, dem Bereich im niederländischen Markt schon aktiv. Die wo jeden Tag ein LKW einrollt, mit einem Gemisch aus haben ein anderes Rücknahmesystem, das ist anders verschiedenen Batterien, wird es sehr schwierig sein, organisiert. Dort gibt es die entsprechenden Plätze, und jedes Mal den Roboter wieder umzustellen, richtig? 14NMWP-Magazin
10th NRW Nano Conference Innovations in Materials and Applications 01 - 02 December 2022, The Dortmund Congress Centre www.nanoconference.de
NMWP im Gespräch Dr. Reiner Sojka Es wird mit Sicherheit einen Bodensatz nischen Gründen. Aber wir bekommen nie einzelne Her- geben, den man immer wieder manuell zerlegen muss. steller zurück, sondern wir bekommen die Mengen aus Allein, weil er vermutlich in irgendeiner Art beschädigt der Automobilindustrie zurück. Das habe ich versucht, sein wird und nicht in die vollautomatische Demontage damit zu erläutern. Daher ist das kein Widerspruch, gehen kann. Ich würde aber meinem Vorredner nicht sondern das ist vielleicht nur eine Ergänzung. Ich bin da ganz zustimmen, wir sehen jetzt schon in der Konstruktion völlig bei Ihnen, wir werden eine ganze Zeit lang manuell verschiedener Hersteller Standardisierungstendenzen. recyceln müssen. Zurück zu Ihrer Frage, wie gut Sie die- Volkswagen – beispielsweise – hat jetzt dazu schon eine sen Markt in den Griff bekommen. Da – glaube ich – hilft Plattform in Betrieb genommen, bei der die Submodule, uns ein bisschen das Regulativ. Wir haben gerade kurz die einzelnen Zellblöcke, die dort eingesetzt werden, für über die Recyclingquoten gesprochen, die die EU vor- alle Modelle gleich sind. Ein Taycan hat im Grunde das schreibt. Das andere Regulativ ist die Fragestellung, wie gleiche Modul-Innenleben, wie ein Golf. Und für die ver- wir in Zukunft mit Recycling-Rohstoffen umgehen: Wie schiedenen Leistungsstufen werden dann im Grunde werden sie bepreist? Wie sind sie bewertet? Daher gehe nur weitere Module hinzugefügt. Gerade wenn ein Massen- ich davon aus, dass die einzelnen OEMs ein hochgradiges hersteller damit beginnt, so etwas zu standardisieren, Interesse daran haben, dass ihre rücklaufenden Fahrzeuge wird es auch dann irgendwann mal interessant, eine Auto- – solange sie noch im Eigentum der Fahrzeughalter sind matisierung in die Demontage mit einzusetzen. Es ist – in diesen Demontagezentren ordnungsgemäß verwertet aber jetzt noch Zukunftsmusik und in einer Übergangs- werden. Ich kann natürlich nur für unser Unternehmen phase vielleicht in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren sprechen und nicht für Andere und andere Strukturen. werden wir erst noch mit relativ teurer, hochgeschulter Bei uns ist das eindeutig, auf unseren Plätzen, auf denen manueller Demontage leben müssen. wir rückgewinnen. Wir haben – wie alle anderen Unter- nehmen in dieser Gesprächsrunde – ein Interesse daran, Prof. Bernd Friedrich Wenn man an Daimler denkt – dass die höchstmöglichste Menge an Metallen wieder in eines der neueren Modelle wird ja gerade mit Modulen den Kreislauf zurückgeführt werden, respektive rück- von Tesla bestückt. Die Tesla Module sind eigentlich gewonnen werden. nicht für Recycling ausgelegt. Die werden verklebt, damit sie lange halten. Das ist genau genommen genau das, Prof. Bernd Friedrich Nicht nur in den Kreislauf generell, was wir fürs Recycling gar nicht so gerne hätten. Wir haben sondern in Europa im Kreislauf. Dann möchte ich auch den Spagat zu machen: eine super haltbare Batterie, gleich weitergeben, sowohl an Trimet als auch an Arubis: die aber im Recycling genau das Gegenteil hat, die sehr Wir haben natürlich in der Vergangenheit unheimlich schön ins Recycling zerfällt. diesen Sog an Rohstoffen Richtung Asien gehabt. Dr. Reiner Sojka Ein Punkt noch dazu: Neben dieser Inwieweit wird die Digitalisierung eine Rolle spielen beim Standardisierung von großvolumigen Modellen sehen Recycling von Batterien der Zukunft? Zum Beispiel in wir aber noch eine zweite Tendenz, die vielleicht über Form eines digitalen „Product Passports“, in welchem diese Phase hinaus geht. Der Kunde wünscht sich eine die Produktionshistorie und einzelne Bestandteile, die sehr hohe Energiedichte, um entsprechende Reichweiten Legierung, der Recyclingprozess, das Sortieren etc. erfasst irgendwann mal zu erreichen. Und das erreichen Sie sind. Wie wird das Ganze unterstützt werden? Ein QR nur, indem Sie die sogenannte Cell-to-Pack-Technology Code auf dem Batteriepack ermöglicht die komplette einsetzen. Pouch-Zellen sind im Grunde Zellen, die kein Verfolgung, welches Produkt aus welcher Batterie, mit richtiges Gehäuse mehr haben, sondern nur noch eine welchem historischen Hintergrund dann entstanden ist? leicht aluminierte Kunststoffhülle, die zusammen verklebt werden zu einem Batterieblock. Die sind natürlich nicht Nan könnte auch sagen, ein QR Code am Gehäuse der mehr demontierbar. Da können sie vielleicht noch einen Batterie oder es könnte auch ein QR Code sein für das Deckel abschrauben, aber ansonsten ist diese zukünftige gesamte Elektroauto, wo man dann auslesen kann, an Technologie als Ganzes zu verarbeiten, und dann muss welcher Stelle ist eigentlich was verbaut worden, um auch Recycling wieder neu überdacht werden, nämlich letztendlich diesen QR Code dem Roboter zu geben. eine robuste Technik zu haben, die eine solche Batterie Und der kann dann den Bauplan des Elektrofahrzeuges als Ganzes verarbeiten kann. abrufen und die einzelnen Komponenten direkt finden und ausbauen. Visionär vielleicht in der Form, oder? Prof. Bernd Friedrich Herr Fendel, die haben gerade eben die Demontagezentren angesprochen. Besteht Dr. Ansgar Fendel Ja, das ist natürlich ein Traum oder nicht die Gefahr – wenn man jetzt viele solcher, vielleicht das Paradies fürs Recycling, was Sie gerade beschrieben im Unterauftrag vergebene Demontagezentren hat – haben. Es ist mehr als wünschenswert, sowas zu haben. dass einige doch sehr wertvolle Komponenten, ich denke Ich kann jetzt nur aus unserer bisherigen Praxis beschrei- da an Elektronikschrott oder an Motorenblöcke, dort ben: Jedes Batteriepack aus dem Automotive-Bereich unter die Räder kommen könnten? hat natürlich eine Codierung. Die können Sie wieder an den OEM zurückspielen, und der kann Ihnen dann exakt Dr. Ansgar Fendel Vielleicht erlauben Sie mir kurz noch sagen, wie die Charge aussieht und wo sie herstammt. auf das Thema Standardisierung einzugehen. Man sollte Aber wir kriegen nicht die Information darüber, wer, wo, nicht „Plattformtechnologie“ und „verschiedene Hersteller“ was, wie verbaut hat. Die Nachverfolgung der Batterie, verwechseln. Es ist richtig, VW hat eine Plattformtechnik, das ist auch im Interesse OEMs. Da gibt es auch Platt- alle großen Hersteller haben das. Aus produktionstech- formsysteme, die sowas anbieten. Ich möchte nur eins 16NMWP-Magazin
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