Fotostadt Essen Tobias Zielony für die Ruhrtriennale Die Folkwang Universität der Künste - Folkwang Universität
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Fotostadt Essen Wie schafft man ein Skandalon, Mitten. Im Leben. Bilder von morgen Katharina Sieverding? Tobias Zielony für die Ruhrtriennale Die Folkwang Universität der Künste Ein privates Interview und das Museum Folkwang gilt als Talentschmiede Ausgabe 1
(3) FOTOSTADT ESSEN Liebe Leserin, lieber Leser, erinnern Sie sich, was Albert Einstein zu seinem berühmten Zungenfoto gesagt hat? Nein? Keine Sorge, das wissen die meisten nicht. Aber jeder kennt das Bild des Genies, das im Bildgedächtnis der Welt verankert ist. Fotografie vermag vieles: Sie erweckt Gefühle, ist Kommunikationsmittel, künst- lerischer Ausdruck, provoziert, schafft Nähe. Sofort, instinktiv – Bilder treffen ins Herz. Bei guten Fotos muss man hinsehen, sie beschäftigen einen, sie erzählen Ge- schichten. Fotografie ist Magie. Neurowissenschaftler erklären uns das mit unserem urältesten Reptil-Gedächtnis, das schon da war, bevor Sprache entstand. Das bedeu- tet: Bevor der Mensch etwas in Worte fassen kann, sprechen Bilder mehr als tausend Worte. Auch heute noch. „Den Beginn der Fotografie und die Stadt Essen verbindet ungefähr die gleiche Zeit. Vor etwa 180 Jahren, genau 1839, legte ein Mann namens Louis Daguerre eine Erfindung vor, die erstmals mit der Bezeichnung ‚Photographie‘ beschrieben wird. © FOTO: RALF SCHULTHEISS Das Jahr 1838 wiederum markiert auch die Entstehung des Reviers im Ruhrgebiet im eigentlichen Sinne. Die Industrialisierung brachte zahlreiche grundlegende Techno- logien hervor. Das damals neue Medium Fotografie ging damit Hand in Hand.“ So beschreibt es Dr. Sigrid Schneider, die sich auf Entdeckungsreise ins Archiv des Ruhr Museums begab („Guckloch der Geschichte“, S. 48). Prof. Dr. Steffen Siegel von der Folkwang Universität der Künste präsentiert uns eine weitere Perle: Die vielleicht älteste Fotografie wird indes dem Erfinder Nicéphore Niépce zugeschrieben, entstan- den in den 1820er Jahren. Dies inspirierte Student David Müller zu der Bauzaun-Auf- nahme, bei der er Niépces Arbeit zitiert: Titelbild dieses Magazins. Thomas Kufen „Fotos kamen flächendeckend, pausenlos und von allen Seiten zum Einsatz – keine Oberbürgermeister deutsche Region dürfte in den letzten 150 Jahren gründlicher ins Bild gesetzt worden der Stadt Essen sein als das Ruhrgebiet“, resümiert Schneider: Dort fanden sich von Anfang an Foto- grafen und Auftraggeber, Firmen wie Krupp, Thyssen oder Haniel erkannten sehr schnell das Potenzial des neuen Mediums und nutzten es systematisch für ihre Zwe- cke. Für zahlreiche, heute weltberühmte Fotograf:innen wurde die Region zur Inspira- tionsquelle. Es entstanden umfassende Archive mit Abermillionen von Bilddokumen- ten, von der Industriefotografie bis zur internationalen Kunst. Heute ist Essen mit seinen renommierten Institutionen, deren Archiven und Sammlungen, Wissenschaftler:innen und Künstler:innen ein Zentrum der Fotografie mit weltweiter Strahlkraft. Da sind u. a. das Museum Folkwang, die Folkwang Uni- versität der Künste, das Historische Archiv Krupp, das Ruhr Museum und ihre weit- gefächerten Aktivitäten – geballte Expertise in Forschung und Lehre, Bewahrung und Sammlung. Wir möchten in Essen auch weiterhin das kulturelle Erbe der Fotografie schüt- zen, zeitgenössische Fotografie und deren Schöpfer:innen fördern sowie Zentrum und Heimat für ein gesamtdeutsches Bildgedächtnis sein. Deshalb machen wir uns für ein zentrales, lebendiges und international bedeutendes Bundesinstitut für Foto- grafie in Essen stark, das inspiriert, zum nationalen und internationalen Austausch P.S.: Um die Einstein-Frage aufzulösen: anregt und Standards setzt. Es ist der 14. März 1951 und Albert Einstein hat Geburtstag, er wird 72. Er arbeitet am Einen Einblick in die facettenreichen Aktivitäten „Institute for Advanced Study“ in Princeton, New Jersey. In dem Forschungszentrum der Fotostadt Essen gibt Ihnen unser vorliegendes Magazin. hat man ihm zu Ehren eine Feier ausgerichtet. Paparazzi bedrängten den weltberühmten Professor um geistreiche Bonmots. Ich wünsche Ihnen viel Freude beim Lesen und Entdecken, Albert Einstein ist genervt und müde von den ganzen Festtagsreden. „Es ist genug, es ist genug ...“, soll er den aufdringlichen Reportern immer wieder zugerufen haben, die nicht von ihm abließen. Dann schließlich sein wortloser Kommentar: Er streckte ihnen die Zunge raus. Thomas Kufen Dieser Schnappschuss heute ikonisch. Oberbürgermeister der Stadt Essen
IN DIESER AUSGABE (4) FOTOSTADT ESSEN IN DIESER AUSGABE (5) FOTOSTADT ESSEN Perspektiven Panorama 18 Bilder von morgen. 46 Immense Strahlkraft Die Folkwang Universität der Ein Interview mit Vorstands- Künste gilt als Talentschmiede. mitglied der RAG-Stiftung, Bärbel Bergerhoff-Wodopia. 23 Entwicklungs-Möglichkeiten Facts & Figures zu den Laboren 47 Guckloch der Geschichte im Fotozentrum der Folkwang Modernität und Wandel. AUF DEM COVER Universität der Künste. Das Bildgedächtnis des Reviers David Müller, Blick aus dem Fenster, 2015. im Ruhr Museum 24 Start up! Während auf der Zeche Zollverein gerade Wie die Folkwang Universität zum 62 Von der Macht der Bilder das neue Hochschulgebäude der Folkwang KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021 Sprungbrett für Karrieren wird. Einblicke in das Krupp-Archiv Universität entstand, zitierte David Müller FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021 Alumni berichten. auf dem Bauzaun die vielleicht älteste Farbfotografie, Acryl, Stahlrahmen, 190 × 125 cm 66 Bilder sind Botschafter Fotografie der Welt, „Blick aus dem Fenster“, 27 Blick aus dem Fenster Ein munteres Interview aufgenommen vom französischen Erfinder Vier Thesen, wie man Fotografie mit dem Fotorestaurator des Nicéphore Niépce in den 1820er Jahren. lernen und lehren kann. Museum Folkwang. Katharina Sieverding, G.Z. VI, 2002 © NICÉPHORE NIÉPCE 45 Ohne starke Persönlichkeiten nicht denkbar © TOBIAS ZIELONY/COURTESY KOW BERLIN Was erfolgreiche Absolvent:innen 74 Terminkalender über ihr Kuratoren-Stipendum Essen lädt ein. bei der Krupp-Stiftung denken. Nicéphore Niépce: Blick aus dem Fenster, 1827 (Umzeichnung von Helmut Gernsheim, 1952) 10 56 34 Der Weg zum Bundesinstitut für Fotografie Im Porträt Ausstellungen 3 Editorial 10 Wie schafft man ein Skandalon, 34 Mitten. Im Leben. STADTMUSEUM BERLIN/STIFTUNG HISTORISCHE MUSEEN HAMBURG Katharina Sieverding? Cool, contemporary, a class of its own: 6 Work in progress. Ein privates Interview. Tobias Zielony für die Ruhrtriennale Einblicke und ein Blick aus und das Museum Folkwang. der Vogelperspektive 28 Timm Rautert und die Leben Exklusive Fotos und ein enthüllender der Fotografie Proust’scher Fragebogen. © ERGUN ÇAĞATAY/FOTOARCHIV RUHR MUSEUM/ 8 Die Schatz-Meister Der große Fotograf, Lehrer und Wie vier Partnerinstitutionen Entdecker erzählt Anekdoten zu 56 Bild oder Leben? Essen zum internationalen seinen Schlüsselwerken. Wie der Fotojournalist Ergun Çağatay Blickpunkt machen heute noch Menschen bewegt. 50 Träume in Schwarz-Weiß Ein Mann mit Mission. Barbara Klemm – Eine Nahauf nahme der Grande Dame des deutschen Fotojournalismus. 70 Raus aus der Bananenkiste Eine spannende Chronik der Wiederentdeckung des Werkes von Wolf D. Harhammer.
DAS BUNDESINSTITUT FÜR FOTOGRAFIE (6) FOTOSTADT ESSEN DAS BUNDESINSTITUT FÜR FOTOGRAFIE (7) FOTOSTADT ESSEN Auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen liegt das Bau gelände, das als Standort für das Bundesinstitut für Fotografie ausgewählt wurde. Das ge- samte Areal zählt seit 2001 zum 7 UNESCO-Welterbe. Wo einst Kohle gefördert wurde, haben 4 heute eine Universität, Museen, 1 Unternehmen und Kultur- betriebe eine Heimat gefunden. 6 3 1 SANAA-GEBÄUDE Architektonisches Meisterwerk und Sitz der Folkwang Universität der Künste – Fachbereich Gestaltung mit Konferenzzentrum, Ausstellungsflächen und Seminar- räumen. Sitz des Zentrum für Fotografie Essen. Möglicher Interimssitz des Bundesinstituts für Fotografie. 5 2 FOLKWANG UNIVERSITÄT DER KÜNSTE, QUARTIER NORD Unterrichtszentrum des Fachbereichs Gestaltung, Sitz der Fachgruppe Fotografie mit Seminarräumen, Fotolabor und Studios, Fachbibliothek, Archiv und Galerieräumen. 3 KOHLENWÄSCHE Sitz des Ruhr Museums mit Dauerausstellung zur Kultur- entsteht das und Naturgeschichte des Ruhrgebiets und der Industria- lisierung. Umfassende Sammlungen zur Fotografie, die in Bundesinstitut für regelmäßigen Sonderausstellungen präsentiert werden. Bildgedächtnis des Reviers. Fotografie 4 DOPPELBOCK-FÖRDERGERÜST Das 55 Meter hohe Doppelbock-Fördergerüst ist das Wahrzeichen der Zeche Zollverein, der Stadt Essen und der gesamten Region. Zollverein Schacht XII galt zu Betriebszeiten als die leistungsstärkste Zeche der Welt. 5 HOTEL FRIENDS ZECHE 2 ZOLLVEREIN Das Hotel ergänzt seit 2019 die touristische Infrastruktur des UNESCO-Welterbes Zollverein. 6 TEMPORÄRE AUSSTELLUNGSFLÄCHEN Die einst größte und leistungsstärkste Zeche und Kokerei Zollverein ist heute lebendiger Standort für Kunst, Kultur, Industriegeschichte und Design. Mehrere Hallen, teils aufwändig zu Kunsthallen entwickelt, haben sich zu Räumen für temporäre Ausstellungen gewandelt. 7 ESSENER INNENSTADT Museum Folkwang, Historisches Archiv Krupp (Stadtteil: Essen-Bredeney) BILD: SILVIU GUIMAN
FÖRDERN (8) FOTOSTADT ESSEN FÖRDERN (9) FOTOSTADT ESSEN 2 Das Historische Archiv Krupp besitzt mit 2,5 Millionen Objekten eine der spekta- kulärsten Fotosammlungen der Wirtschaft. Es befindet sich in der Villa Hügel. © KRUPP-STIFTUNG/FOTO: ACHIM BEDNORZ 1 2 1 Das Museum Folkwang hegt und pflegt eine der bedeutendsten kunstfotografischen Sammlungen Europas: rund 65.000 Fotografien, überwiegend Vintage-Prints. Schwerpunkt vom 19. bis ins 21. Jahrhundert; ca. 1300 Bildautor:innen. FOTO: © JENS NOBER Die Schatz-Meister 3 Kein Zweifel, das Museum Folkwang (1) ist 4 international ein Begriff. Ein Fundus aus her- Vier Partnerinstitutionen machen Essen zum ausragenden Werken der Foto-Pionierzeit des 19. Jahrhunderts, ein Zuhause für bedeutende Nach- Das Ruhr Museum (3) zeigt in seinen Aus- aktivsten und wahrscheinlich bedeutendsten lässe und deren Nutzungsrechte wie von Errell stellungsräumen auf dem Welterbe Zollverein Fotografie-Zentrum Deutschlands. Seit 2019 haben sie sich (Richard Levy), Germaine Krull, Helmar Lerski, regelmäßig thematische und monographische Walter Peterhans, Fee Schlapper und Otto Stei- Ausstellungen zu den Klassikern der angewand- zum Zentrum für Fotografie zusammengeschlossen. nert. Und Wegweiser für zeitgenössische Foto- ten, journalistischen und Dokumentarfotogra- Mit wertvollen materiellen und immateriellen Kostbarkeiten, grafie: regelmäßige aufsehenerregende Aus- Seit mehr als 100 Jahren fie. Darüber hinaus veranstaltet es gemeinsam stellungen. Dazu: bedeutende Preise werden mit der Stiftung Zollverein regelmäßig Aus- die sie hüten und gerne mit uns teilen. ausgelobt wie seit 1994 der Dokumentarfotogra- ist Essen ein wichtiger Standort für Fotografie in Deutschland. stellungen zur aktuellen Ruhrgebietsfotogra- Wir erklären, wie. fie Förderpreis der Wüstenrot Stiftung. Ferner Begründet ist dies zum einen fie. Das Geburtsjahr des Fotoarchivs als eigen- ist das Museum Kooperationspartner bei den in den vielfältigen und zugleich ständiger Abteilung des Museums ist 1989. Das von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach- reichen Sammlungen. Ruhrlandmuseum, der Vorläufer des heutigen Stiftung ausgelobten Stipendienprogrammen Zum anderen betrifft dies die Ruhr Museums, übernahm in diesem Jahr eine „Museumskuratoren für Fotografie“ und „Zeit- lange Kontinuität in Lehre und vom Museum Folkwang initiierte, aus meh- 3 D ie Stiftung Ruhr Museum verfügt mit genössische deutsche Fotografie“. Forschung zur Fotografie. reren Konvoluten bestehende Fotosammlung über vier Millionen Fotografien über eine Beide Aspekte lassen sich mit 350.000 Negativen und Abzügen zur Ge- der größten dokumentarfotografischen Das Historische Archiv Krupp (2) ist das älteste nicht voneinander trennen. Vier schichte des Ruhrgebiets, die im Projekt „Bild- Sammlungen Deutschlands. deutsche Wirtschaftsarchiv und kann auf eine Partnerinstitutionen haben sich archiv zur Geschichte des Ruhrgebiets“ von FOTO: © BRIGIDA GONZÁLEZ/RUHR MUSEUM mehr als 100-jährige Geschichte zurückblicken. zusammengeschlossen zum 1984–1987 mit finanzieller Hilfe der Kulturstif- Es befindet sich heute im Eigentum der Alfried Zentrum für Fotografie Essen. tung Ruhr bearbeitet wurde. Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung. Be- reits im Jahr 1905 gründeten die Fried. Krupp VERNETZT DENKEN: Die Folkwang Universität der Künste (4) ist AG und die Eigentümerfamilie ein Werks- und Regional, national und eine international ausgerichtete Hochschule ein Familienarchiv. Beide wurden Mitte der international werden von den und insbesondere für die Lehre und Forschung 1950er Jahre in der Villa Hügel zum Histori- vier Institutionen folgende im Bereich der Fotografie bekannt. Heute ist schen Archiv Krupp zusammengeführt. Als Bereiche Hand in Hand abgedeckt: das Masterprogramm „Photography Studies“ eine der bedeutendsten Einrichtungen seiner Wissenschaft und Lehre, in Essen der einzige Ort der deutschsprachigen Art verwahrt das Historische Archiv Krupp Sammlungen und Ausstellungen, Hochschullandschaft, an dem Kunst und Wis- Unterlagen im Gesamtumfang von mehr als Bildung und Vermittlung, senschaft in Lehre und Forschung gemeinsam 4 Die Folkwang Universität der Künste zehn Regal-Kilometern. Es erschließt sie wis- Konservierung und Restaurierung. agieren. Erworben werden kann ein Bachelor kann sich zugutehalten, mit sechs senschaftlich, sichert sie langfristig und ist öf- in Fotografie (als künstlerisch-gestalterische Professuren und über 200 Studierenden fentlich zugänglich. Praxis); zwei weiterführende Studienangebote die größte Ausbildungsstätte für Foto- im Master betreffen die künstlerische Foto- grafie in Deutschland zu sein. 1 FOTO: © SEBASTIAN DRÜEN grafie („Photography Studies and Practice“) so- FOTO: © JULIUS BARGHOP 2 © KRUPP-STIFTUNG/ wie Theorie und die Geschichte der Fotografie FOTO: VANESSA ARMS, ANNE STOLL 3 © BRIGIDA GONZÁLEZ/RUHR MUSEUM („Photography Studies and Research“). 4 © FOLKWANG UNIVERSITÄT DER KÜNSTE
SAMMELN [10] FOTOSTADT ESSEN Katharina Sieverding, G. Z. VI, 2002 Farbfotografie, Acryl, Stahlrahmen, 190 × 125 cm KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021 FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021 WIE SCHAFFT MAN EIN SKANDALON, KATHARINA SIEVERDING? KONTROVERS, KRITISCH, SKEPTISCH. Wenn das Publikum so auf ihre Monumentalarbeiten reagiert, ist das für die Künstlerin „ein Volltreffer“. Eine Begegnung mit der kompromisslosen Künstlerin der kritischen Kunstmoderne, die gerne über Grenzen geht. Ein Gespräch über Selbstporträts, Politik und tote Hasen. Interview: Dagmar Haas-Pilwat
SAMMELN [13] FOTOSTADT ESSEN Katharina Sieverding Katharina Sieverding Katharina Sieverding Katharina Sieverding GROSSFOTO IX/77, The great white way goes black, 1977 GROSSFOTO I/75, 1975 GROSSFOTO V/76, Selbst in der GROSSFOTO X/77, The reality has been very different, 1977 Farbfotografie, 280 × 462 cm Farbfotografie Winterkälte arbeiten die Taucher 20 Meter Farbfotografie 302 × 474 cm tief unter Wasser, 1976 300 × 467 cm Frau Sieverding, Sie sind seit 50 Jahren welt- vom Museum Folkwang und Zdenek Felix, Fo- Farbfotografie weit als Künstlerin erfolgreich, haben als tografie in den musealen Kontext zu bringen, 328 × 464 cm Professorin für Visual Culture Studies an der zu postulieren, dass diese Arbeiten, die den Universität der Künste Berlin von 1992-2010 Rahmen der klassischen Fotografie sprengen, bei vielen Student:innen Spuren hinterlas- ein eigenständiges Medium sind. Fotografie Katharina Sieverding gehört zu den Pionierinnen, die früh die sen. Sie waren an mehr als 850 Gruppen- behauptete sich von da an neben der Malerei „Es war mutig als museales Kunstwerk. vielfältigen Ausdrucksmög lichkeiten von Fotografie erkannt ausstellungen beteiligt, hatten mindestens 150 Einzelausstellungen. Derzeit werden Ihre Grenzen aufzubrechen, das ist für Sie nor- vom Museum Folkwang, haben und das Medium fort- Werke in Baden-Baden im Burda Museum mal. In Ihrer Arbeit gehen Sie immer von zu postulieren, während inhaltlich und formal erweitern. Im Mittelpunkt ihrer präsentiert sowie im Salon Burda Berlin. Kön- nen Sie sich an Ihre erste Einzelausstellung etwas Konkretem aus. Sie nehmen Anstoß. Und dann? dass diese Arbeiten, Arbeiten stehen Transformati- ons- und Präsentationsvorgänge, im Museum Folkwang in Essen erinnern? Ich konstruiere ein Bild, und zwar jedes die den Rahmen Das war 1977, zu sehen waren die „GROSS- neu. Zum Beispiel das Foto „The great white Fragen nach Identität, Gender und Race. Sie traut sich, die ver FOTOS I-X, 75 – 77“. Die Arbeiten habe ich way goes black“. Klaus Mettig hat es in der der klassischen meintlichen Grenzen des Kunst- begriffs und der Fotografie dort so installiert, dass der Betrachter sich wie Nacht vom 13. Juli 1977 aufgenommen, als in Fotografie sprengen, in einem Film vorkommen sollte. Die Installa- New York der große Blackout war. Wir waren auszudehnen. Bekannt geworden tion sollte die Vorstellung vermitteln, es liefen zu der Zeit als DAAD-Stipendiaten in den USA. ein eigenständiges ist die Künstlerin durch die Konsequenz, mit der sie filmisch zehn verschiedene Filme gleichzeitig ab, durch Der eingefügte Text hat sowohl historische als Medium sind.“ und fotografisch ihr zum Teil die man sich bewegt; man agiert oder zappt auch semantische Bedeutungen, er hat aber extrem vergrößertes und auf sich sozusagen von einem Film in den anderen, auch damit zu tun, wie man „politisch korrekt“ vielfältige Weise manipuliertes Porträt seit den 1960er-Jahren und dabei stellen sich zwangsläufig Querver- mit der Rassenfrage umgeht. einsetzt. Zu ihren bekanntesten bindungen ein. Ihre Themen bewegen sich zwischen Selbst- Werken zählen „Schlachtfeld Wie war die Reaktion des Publikums? porträts und Politischem. Warum haben Sie Bilder oben: Deutschland“ (1978), ein State- Kontrovers. Skeptisch. Kritisch. Die Aus- seit den Anfängen sich, Ihr Gesicht, Ihren Installationsansichten ment zur RAF-Zeit, und die Katharina Sieverding stellung war ein Volltreffer und aus heutiger Körper als Ausdrucksmittel Ihrer analyti- Plakataktion „Deutschland wird GROSSFOTOS deutscher“ 1993 in Berlin, die die Sicht ein epochaler Moment: Erstmalig waren schen Fotomalerei gewählt? Museum Folkwang, Essen, 1977 rechtsradikalen Übergriffe nach weltweit Monumentalformate mit dieser Spra- Zur Verdeutlichung und Erweiterung von KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021 dem Mauerfall thematisierte. che und dazu in Farbe zu sehen. Es war mutig Identität, Individualität, Repräsentanz im Ge- FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021
Katharina Sieverding EIGENBEWEGUNG, 1967–69 s/w-Fotografien 233 Bilder, je 21 × 29,7 cm KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021 FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021 1969 hat Katharina Sieverding die Ereignisse in der Klasse Beuys und die Schließung der Kunstakademie fotografiert. Täglich hat sie die Aktionen dokumentiert, um in Form einer Wandzeitung jene Student:innen zu informieren, welche die Ereignisse des Vortages nicht erlebt hatten. Entstanden ist ein einzigartiges historisches Zeugnis – „Eigenbewegung“. Von da ab hat sie in erster Linie die Kamera auf sich selbst gerichtet.
SAMMELN [16] FOTOSTADT ESSEN SAMMELN [17] FOTOSTADT ESSEN sellschaftskörper. Das sich im Foto personifi- sonders an U- und S-Bahnhöfen im Großraum Ad personam zierende Ich ist weder mit sich selbst identisch Berlin gezeigt werden konnte. Am 16. November 1941 in Prag geboren. 1963–1964 Studium an der noch mit jemand völlig anderem. Schneiden Sehen Sie Essen als eine Fotostadt? Hochschule für Bildende Künste Bilder ins Geschehen ein, sind sie dann Ge- Absolut. Weltweit gab es bis zu meiner ers- in Hamburg. 1964–1967 Studium schehen, geschehen sie oder bilden sie ab? ten Ausstellung nichts Derartiges. an der Kunstakademie Düsseldorf Das Museum Folkwang Essen hat in diesem Auf die gedankliche Komponente der bilden- in der Klasse von Teo Otto. 1967 Jahr Ihre Arbeit „Deutschland wird deut- den Kunst wollen und können Sie nicht ver- Wechsel in die Klasse von Joseph Beuys. 1972 Abschluss als Beuys- scher“ angekauft. Wie ist dieses Werk ent- zichten. In dem Zusammenhang ist häufig Meisterschülerin. In den 1970er standen? von der Beuys’schen Dimension Ihres Wer- Jahren lehrte sie in den USA und Es ist zweifellos mein in der Öffentlichkeit kes die Rede: Nicht zufällig und nicht um- Kanada. 1992–2007 Professur an umstrittenstes Bild, ein Skandalon. Es ging mir sonst war Joseph Beuys an der Düsseldorfer der Hochschule der Künste Berlin. wie stets darum, ein Foto mit bestimmten In- Kunstakademie Ihr Lehrer. 1995–2007 mit Unterbrechungen Lehrauftrag an der Internationalen halten zu schaffen. Impulse zum Nachdenken Zu meiner Zeit an der Akademie war er der Sommerakademie in Salzburg. zu setzen. Der Titel bezog sich auf die Situation einzige Lehrende, der mich interessierte – mit 2002 und 2004 Lehrauftrag an der nach der Wiedervereinigung. Es hat sich etwas dem Erweiterten Kunstbegriff, der „Sozialen Academy of Fine Arts in Hangzhou/ addiert, quantitativ zugenommen, aber was Skulptur“. Beuys hat wie kein anderer die Aka- China. Seit 2010 Lehrauftrag an der hat sich qualitativ entwickelt? Natürlich bezog demie geöffnet. Graduiertenschule der Universität der Künste Berlin. Ihre Arbeiten sind sich der Titel auch auf die Aus- und Inländer- Können Sie sich an die allererste Begegnung in renommierten Sammlungen feindlichkeit in Deutschland. Ich habe dafür mit Beuys erinnern? vertreten, u. a. im Museum of Modern ein klassisches Motiv, den Messerwurf-Act im 1965 sah ich seine Aktion in der Galerie Art, New York, im San Francisco Schaustellergewerbe mit meinem verschleier- Schmela „Wie man einem toten Hasen die Bil- Museum of Modern Art, im Stedelijk ten Konterfei wiederverwendet. Die geplante der erklärt“. Das hat mich sehr berührt. Museum, Amsterdam, in der Nationalgalerie, Berlin, im Museum öffentliche Präsentation in 18 Städten wurde Sie werden im November 80. Was sind heute Folkwang, Essen, und in der Kunst- zensiert, heftig abgelehnt, nicht realisiert. 1993 die Themen, die Sie umtreiben, empören und sammlung NRW, Düsseldorf. übernahmen in Berlin die Kunst-Werke mit mit „Röntgenblick“ auf künstlerische Weise Klaus Biesenbach an der Spitze das Projekt, reflektieren? und die Plakat-Aktion war an 500 Werbeflä- Das virale Feindbild. Was ist imstande, Ihr Markenzeichen chen zu sehen. Bei einer Wiederauflage 30 Jah- jedes menschliche Wesen in so eine Angst vor Sie geht nie aus dem Haus ohne: Leica-Kamera, knallrot ge- re später im Mai 2021 war das Bild an 90 Orten einem Virus zu versetzen? Mich beschäftigt die schminkte Lippen, schwarze Brille in Berlin sichtbar. Diesmal allerdings musste Frage, was Immunität im weitesten Sinne ist mit dunklen Gläsern, fingerlose das Logo der Kunst-Werke als Veranstalter und und wie wir damit umgehen. Meine neuesten Handschuhe. Das rötliche Haar ein Verweis auf meine Website auf das Plakat, Arbeiten wie „Gefechtspause II“ sind eine Re- ist streng nach hinten gekämmt. um „Deutschland wird deutscher“ als Kunst aktion auf das, was uns derzeit bewegt. Stets schwarz gekleidet trägt sie oft Mäntel im Uniform-Stil. kenntlich zu machen, damit es überhaupt, be- Katharina Sieverding GEFECHTSPAUSE II, 2020 Digitaldruck auf Vließrückenpapier 295 × 500 cm KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021 FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021 Bild links: Katharina Sieverding Deutschland wird deutscher XLI-92, 1992 Fünffarben-Offsetdruck 252 × 351 cm, Plakatierung in Berlin vom 30. April bis 12. Mai 1993 KATHARINA SIEVERDING © VG BILD-KUNST, BONN 2021 FOTO: KLAUS METTIG © VG BILD-KUNST, BONN 2021 „Das virale Feindbild ist ein Thema, das mich heute umtreibt. Was ist imstande, jedes menschliche Wesen in so eine Angst vor einem Virus zu versetzen? Mich beschäftigt die Frage, was Immunität im weitesten Sinne ist, und wie wir damit umgehen. Meine neuesten Arbeiten wie Gefechtspause II sind eine Reaktion auf das, was uns derzeit bewegt.“
LEHRE (18) FOTOSTADT ESSEN LEHRE (19) FOTOSTADT ESSEN Bilder Die Folkwang Universität der Künste gehört zu den internatio- nal renommierten Ausbildungs- stätten für Fotografie. Gegen- wärtig sind in Essen mehr als 200 Studierende in drei verschiedenen Studiengängen zur Fotografie eingeschrieben – und sie kommen nicht allein aus Deutschland und Europa, sondern der ganzen Welt. Mit insgesamt sechs Lehrgebie- ten von der künstlerischen Praxis, von der Theorie und Geschichte der Fotografie bis zur Erweiterung in die benachbarten Medien Film, Video und Virtual Reality sind die Studienprofile breit aufgestellt. Darüber hinaus profitieren Lehre und Forschung an der Folkwang Universität von einem dicht geknüpften Netz internationaler Partnerschaften. morgen Folkwang Universität der Künste – Fachbereich Gestaltung, Sitz der Fachgruppe Fotografie FOTOS: DAVID MÜLLER FOTO: MAX GREVE Prof. Elke Seeger Elke Seeger lehrt seit 2007 an der Folkwang Universität der Künste als Professorin für Fotografie und Konzep- tion. Zuvor war sie seit 2007 an der Universität Duisburg- Wie wird man Fotograf:in? Und in dem Beruf erfolgreich? Warum die Folkwang Essen als Professorin im Lehrgebiet Foto-Design tätig. Universität der Künste Talentschmiede und Startrampe für internationale Karrieren FOTO: DAVID MÜLLER Seit 2017 amtiert sie ist und was den Studiengang Fotografie so begehrenswert macht, erklärt außerdem als Prorektorin für Studium und Lehre. Prof. Elke Seeger, die auch selbst als Fotografin und freie Künstlerin arbeitet. Elke Seeger ist seit 1991 als freie Fotografin und frei- Ein Gastbeitrag von Prof. Elke Seeger schaffende Künstlerin tätig.
LEHRE (20) FOTOSTADT ESSEN LEHRE (21) FOTOSTADT ESSEN Sehen. Und gesehen werden. Seit mehr als zehn Jahren verfügt die Folkwang Universität der Künste über eine imposan- te Ausstellungsfläche auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein. Denn das SANAA-Gebäude ist nicht nur ein Ort für inter nationale Tagungen, sondern auch ein Fenster zur Welt. Neben Sonderausstellungen zeigt die Fachgruppe Fotografie mit dem „Finale“ einmal jährlich die Arbeiten ihrer Absolvent:innen, außerdem lädt sie Gastkünst- FOTO: MERCEDES WAGNER ler:innen zu Interventionen ein und setzt interdisziplinäre Pro- jekte mit Künstler:innen aus Musik, Theater und Tanz – sie alle werden ebenfalls an der Folkwang Große Namen, große Chancen Universität ausgebildet – um. Seit 1927 ist die Folkwang Universität der Künste ein Ort, an Abschlussarbeit „ExExArtefakt“ von Mercedes Wagner dem Fotografie als ein interdis- ziplinärer Gegenstand zwischen Kunst, Gestaltung und Wissen- schaft unterrichtet wird. In fast einhundert Jahren haben namhafte Professoren gelehrt, unter ihnen Artist Talk mit dem Fotografen und bildenden Künstler Adrian Sauer im Rahmen seiner Ausstellung Max Burchartz, Werner Graeff, „Über die Sprache der Fotografie – Eine Möglichkeit“ im SANAA-Gebäude Albert Renger-Patzsch und nicht zuletzt Otto Steinert. In jüngerer Zeit haben zur internationalen Ausstrahlung der Hochschule Professor:innen wie Angela Neuke, Jürgen Klauke und Jörg Sasse beigetragen. Im Oktober 2017 hat die Universität neben ihren Stand- orten in Essen-Werden, Duisburg, Bochum und Dortmund das „Quartier Nord“ auf dem Areal des UNESCO-Welterbes Zoll verein bezogen. FOTO: DAVID MÜLLER „Das Studium an der Folkwang Universität der Künste ist vom experimentellen Charakter und dem Austausch mit weiteren Künsten der Folkwang Universität der Künste geprägt. Die Arbeit am Bild, die Erforschung ihres heterogenen und FOTO: MARIE LAFORGE breitgefächerten Feldes im Fotografischen bilden die Ausbildungsschwerpunkte. Studierende aus allen Teilen der Welt bestimmen unseren Studienalltag und fordern uns zu einem kulturübergreifenden und gesellschaftskritischen Blick auf das Medium heraus.“ PROF. ELKE SEEGER
LEHRE (22) FOTOSTADT ESSEN LEHRE (23) FOTOSTADT ESSEN Fit for Future Entwicklungs-Möglichkeiten Die Masterprogramme „Photo- graphy Studies and Practice“ und „Photography Studies and Re- search“ sind eng miteinander ver- zahnt und bilden ein einzig- artiges Ausbildungs-Tandem im deutschsprachigen Raum. Seit Die zweite Etage des Quartier Nord beherbergt das Fotozentrum der Folkwang dem Sommersemester 2021 werden die künstlerische und die Universität der Künste. Die erstklassige Ausstattung der Studios und Labore wissenschaftliche Lehre zudem bietet umfassende Entwicklungsmöglichkeiten für die Studierenden und ihre durch ein Profil im Bereich der Restaurierung und Konservierung Lernziele. Es ermöglicht die Produktion von Fotografien in Ausstellungsqualität. von Fotografie erweitert: Um- Künstlerische Ideen lassen sich so auf professionelle Weise erproben und fassend unterrichtet werden die vielfältigen Fragen zur Archivie- umsetzen. Ein Blick in den Maschinenraum, auf verblüffende facts and figures: rung und Pflege historischer wie gegenwärtiger Fototechnologien. Auf diese Weise wird die ganze Vielfalt von Kompetenzen für neue 940 m2 FOTOS AUF DIESER DOPPELSEITE: JULIUS BARGHOP berufliche Perspektiven vermittelt. Passepartout-Schneider Kaschiertische Gesamtfläche 15 Computerarbeitsplätze mit modernsten Grafiktabletts und 150 m2 farbkalibrierten Monitoren analoges Schwarz-Weiß-Labor 2 High-End 220 m2 Filmscanner analoges Farblabor Farbnegativentwicklung 250 m2 Analoge Dunkelkammer für Schwarzweiß- und Farbvergrößerung oben: Blitzlichtstudio digitale Werkstatt unten: Tageslichtstudio 1 Zoom auf Superlative Analoge Verfahren 2350 m2 Top-Fotolabore, Ateliers und Stu- Fotogramme Horizontal- ausbelichtete Bilder dios auf insgesamt über 1800 m2; eine einzigartige Fachbibliothek, Digitale Reproduktion Digitale Bildbearbeitung vergrößerer im Jahr 2020 in der sich Schätze aus 150 Jahren Fotopublizistik befinden, darunter 3 nicht zuletzt eine große Zahl an seltenen Fachzeitschriften; und 23 Schwarz-Weiß-Film- wegweisende Tagungen: Nach Schwarz-Weiß- und Entwicklungskammern 1 „Arbeit am Bild. Otto Steinert Farb-Vergrößerer Durchlichtreproanlage mit und die Felder des Fotografischen“, „Ästhetik der Skalierung“ und 2 100-Megapixel- Sensor „The Material and the Virtual in Photographic Histories“ folgt im 1 Tonne Korrekturräume mit moderner Dezember 2021 „Von unikal bis verbrauchte und recycelte Normlichtbeleuchtung unlimitiert. Werte des Fotografi- Fotochemie im Jahr 2020 auf 75 m2 Fläche 2 schen“, ein internationales Sym- Profi-Inkjet-Drucker mit posium, das die Folkwang Univer- 3 11 sität gemeinsam mit dem Museum 2,60 m 1 Folkwang, dem Ruhr Museum Farbpigmenttinten und einer und dem Historischen Archiv Krupp Baryt- hybrider LED-Belichter für Ausbelichtungen maximale Schnittlänge Druckbreite bis zu ausrichten wird. Arbeitsplätze bis zu 1,27 m der Schneidemaschinen 112 cm
LEHRE (24) FOTOSTADT ESSEN LEHRE (25) FOTOSTADT ESSEN Start up! „An der Folkwang Universität wird das Lernen gelehrt. Es geht nicht darum, etwas zu reproduzieren. Es geht darum, etwas zu entwickeln. Den Raum dafür bietet die Ausstattung, die Lehre und die Betreuung der Studierenden durch die Lehrenden. Was macht die Folkwang Universität zu einem attraktiven Sprungbrett für Handwerk und Theorie haben den gleichen Stellenwert. Die Möglichkeit, ergebnis- angehende Fotokünstler:innen? Zwei erfolgreiche Alumni über ihre Erfahrungen. offen zu arbeiten, war im Studium fundamental wichtig für mich, genauso wie der Diskurs unter den Lernenden.“ PIO RAHNER Agata Madejska Die Wahl-Londonerin studierte von 2000 bis 2007 an der Folkwang Universität der Künste. Am Royal College of Art in London absolvierte sie ein Aufbau- studium. Die mehrfach ausgezeichnete Preisträgerin stellt seit vielen Jahren in internationalen und nationalen Instituten und Museen aus, in Einzel- und Gruppenausstellungen. Die bekannte Fotografin arbeitet im urbanen Raum. Wie eine Wissenschaftlerin nähert sie sich ihren Motiven und setzt sich intensiv künstlerisch und inhaltlich mit ihnen auseinander. ↗ www.madejska.eu Agata Madejska, Near Here, Not Here, Come Here, Over Here, Right Here, Here We Are, 2017, Fotoemulsion auf Baumwolle, Polyester, Stahl. Installationsansicht, Place. Tłomackie 3/5, Jüdisches Historisches Institut, Warschau, 2017 AGATA MADEJSKA © VG BILD-KUNST, BONN 2021 Pio Rahner, Installationsansicht Sichten, Fotografie im Außenraum, Pio Rahner, Installationsansicht Yam Wekre, FOTO: ALEKSANDRA LOSKA ERLKÖNIG, Bremen, 2020 Musée National, Burkina Faso, 2017 PIO RAHNER © VG BILD-KUNST, BONN 2021 PIO RAHNER © VG BILD-KUNST, BONN 2021 FOTO: ERLKÖNIG FOTO: ANDRÉ OTT Agata Madejska, Installationsansicht Modified Limited Hangout, Kunsthalle Wilhelmshaven, 2018 AGATA MADEJSKA © VG BILD-KUNST, BONN 2021 FOTO: PETER OTTO Pio Rahner lebt und arbeitet in Bremen. Im Abschlussjahr seines Studiums, 2015, gründete er den „Erlkönig Kunstprojektraum“ in der Hansestadt; er lädt Kunstinteressierte in seine Privatwohnung ein. „An meinem Studium in Essen schätze ich zurückblickend vor allem die soliden Für sein Werk, in dem er unterschiedliche künstlerische Medien zu Installationen im Raum und breitgefächerten Grundlagen, die mir später einen offenen und experimentellen verbindet, hat er zahlreiche Auszeichnungen erhalten. 2016 war er als Stipendiat des Artist-in- Residence Programms in Christoph Schlingensiefs Operndorf Afrika. Mit seinen Arbeiten ist Umgang mit der Fotografie ermöglichten. Darüber hinaus erfuhr ich seitens er in Ausstellungen im In- und Ausland vertreten. 2017 war er unter anderem Teil der Gruppen- der Lehrenden eine intensive Betreuung, die auf die Bedürfnisse der einzelnen ausstellung „Yam Wekre“ im Nationalmuseum von Burkina Faso in Ouagadougou. Eines seiner Markenzeichen: neue soziale Räume eröffnen, wie zum Beispiel öffentliche Werbeflächen mit Studierenden zugeschnitten war, und Unterstützung, die weit über das Studium Kunst zu bespielen. hinaus anhielt.“ AGATA MADEJSKA ↗ www.piorahner.de
LEHRE (27) FOTOSTADT ESSEN „Blick aus 1 2 dem Fenster“ Die eine Fotografie gibt es gar nicht Wer „die Fotografie“ sagt, meint Die Praxis gehört zur Theorie Ein wissenschaftliches Studium sehr vieles zur gleichen Zeit. zur Theorie und Geschichte der Ob Master oder Promotion – Fotografien können ein Kunst- Fotografie findet an der Folkwang werk sein oder ein wissenschaft- Universität nicht allein im Semi- an der Folkwang Universität der Künste liches Objekt, ein Nachrichten- narraum oder in der Bibliothek existieren zwei einzigartige Angebote bild oder eine rasch entstandene statt, sondern auch im Fotostudio Aufnahme, die wir mit dem und in der Dunkelkammer. zur wissenschaftlichen Spezialisierung in Smartphone versenden. An der Wir sind davon überzeugt, dass Theorie und Geschichte der Fotografie. Folkwang Universität nehmen die Praxis zur Theorie gehört. wir diese Vielfalt ernst. In den Wer mit den Tücken des Fixier- Ein Gastbeitrag von Prof. Dr. Steffen Siegel wissenschaftlichen Seminaren bads oder der Software zur Bild interessieren wir uns für die bearbeitung vertraut ist, blickt ganze Breite von fotografischen mit einem anderen Auge auf Wir befanden uns an der Folkwang Universität der Künste mitten Techniken und Materialien, historische wie zeitgenössische im Aufbruch, als David Müller – einer unserer Studenten – ganz Formen und Funktionen, von Fotografien. Selbst zu fotogra- öffentlich an den Ursprung der Fotografie erinnerte. Denn während unterschiedlichen Geografien, fieren heißt, das Medium besser auf der Zeche Zollverein gerade unser neues Hochschulgebäude Kulturen und Epochen. Denn zu verstehen. Und nicht zuletzt entstand, zitierte er auf dem Bauzaun die vielleicht älteste Foto- ein genaues Verständnis des Foto- gehört hierzu, dass die Foto grafie der Welt, „Blick aus dem Fenster“, aufgenommen vom grafischen ist für die Orien- restaurator:innen des Museum französischen Erfinder Nicéphore Niépce in den 1820er Jahren. tierung in unserer eigenen Gegen- Folkwang für unsere Studierenden Inzwischen haben wir unser neues Haus, das „Quartier Nord“, wart entscheidend geworden. eigene Seminare anbieten. bezogen: Es ist der ideale Ort, um mit Leidenschaft an der Zukunft der Fotografie zu arbeiten und die reiche Geschichte des Mediums 3 4 zu erkunden. In Essen kann man nicht allein die Fotografie als eine künstlerische Praxis studieren. In einem eigenen Masterprogramm „Photography Studies and Research“ unterrichten wir seit 2016 auch Theorie und Geschichte der Fotografie – ein Angebot zur wissen- schaftlichen Spezialisierung, das es innerhalb des deutschsprachigen Fotografie lebt von Wir wollen ein Raums nur an der Folkwang Universität gibt. Unsere Studierenden profitieren von idealen Arbeitsbedingun- Zusammenarbeit offenes Forum sein gen. Hierzu gehört eine thematisch und methodisch breit angelegte Genau wie die fotografische Pra- Die Arbeit an einer Dissertation Lehre, unsere seit Jahrzehnten aufgebaute und fortlaufend erwei- xis ist auch die wissenschaftliche ermöglicht besonders intensive terte Spezialbibliothek zur Fotogeschichte, regelmäßige Einladun- Beschäftigung mit der Fotografie Forschung. Daher sind Theorie gen an Gäste aus der ganzen Welt und ein eng geknüpftes Netz auf Teamwork angewiesen. In und Geschichte der Fotografie an Kooperationen zu Museen, Archiven und wissenschaftlichen Ausstellungsprojekten und Semi- an der Folkwang Universität der Institutionen. Und nicht zuletzt sind unsere Studierenden einmal naren zählen die Mitarbeiter:in- Künste ein eigenes Promotions im Jahr eingeladen, mit einer eigenen Ausstellung im Museum nen des Museum Folkwang, des fach, das zum Dr. phil. führt. Folkwang wichtige kuratorische Erfahrungen zu sammeln. Ruhr Museums und des Histori- Zweimal jährlich richten wir in schen Archivs Krupp zu unseren Essen ein internationales Getragen wird unsere gemeinsame Arbeit von vier Leitsätzen. engsten Partnern. Auch außerhalb Forschungskolloquium aus, das von Essen haben unsere Studie- Doktorand:innen auch von renden intensiv an Ausstellungen anderen Universitäten und aus mitgearbeitet, erst jüngst im unterschiedlichen Disziplinen mit- Museum für Kunst und Gewerbe einander ins Gespräch bringt – in Hamburg und im Museum für ein offenes Forum der aktuellen Fotografie in Berlin. Sehr bald Fotoforschung. Auf diese Weise Prof. Dr. Steffen Siegel folgen das Sprengel Museum beginnt die Vernetzung der lehrt seit 2015 als Professor Hannover und die Kunststiftung nächsten Generation von Foto- für Theorie und Geschichte DZ Bank in Frankfurt am Main. Forscher:innen in Essen. der Fotografie an der Folkwang Universität der Künste. Er ist Sprecher der Ausführliche Informationen finden sich auf unserer Website: Fachgruppe Fotografie. ↗ foto.folkwang-uni.de BILD LINKS: David Müller, Blick aus dem Fenster, 2015
AUSSTELLEN (28) FOTOSTADT ESSEN AUSSTELLEN (29) FOTOSTADT ESSEN Timm Rautert Otto Steinert Für einen Katalogumschlag hatte Otto Steinert seine Studierenden hundsgemein fotografiert. Mit Weitwinkel aus der Nähe aufgenommen sahen wir nicht gerade vorteilhaft aus. Also fragte ich: Herr Professor, dürfte ich Sie auch einmal fotografieren? OK sagte er, wann und was soll ich anziehen? Mir fiel nichts anderes ein, da habe ich „Smoking“ gesagt. Pikobello gekleidet kam er ins Atelier, Tageslicht links, Aufheller rechts, ein schmaler Hocker. Er war eine elegante, durchaus autoritäre Figur und damals so jemand wie der Papst der Deutschen Fotografie. Auf kei- nen Fall war er unsicher. Er hat versucht sich möglichst zu verstecken und hat dazu das Besteck herausgeholt, was möglich war: Zigarre in der und die Hand und ein kalter abweisender Blick durch Dich hindurchschauend. Ich war am Ende zufrieden, er, glaube ich, „not amused“. Leben der Fotografie PORTRÄT: RALPH GOERTZ © IKS-MEDIENARCHIV Er hat sich und sein Genre immer wieder neu erfunden, entdeckt und geprägt. Als neugieriger Journalist, als Künstler und als Lehrer, der u. a. mit seiner Professur an der Leipziger Kunsthochschule vielen namhaften Fotograf:innen Wege eröffnete. Ausgebildet an der Folkwang in Essen inspirierte er immer wieder Kunstbetrieb ALLE FOTOS: © TIMM RAUTERT wie Publikum. Seine Anekdoten zu einigen seiner Schlüsselwerke – und eine Würdigung zu seinem 80. Geburtstag. Interview mit Timm Rautert, 3. August 2021, Essen-Werden, Otto Steinert, Essen, 1968, Silbergelatineabzug, 39,8 × 27,1 cm, Leihgabe des Künstlers zusammengestellt von Thomas Seelig
AUSSTELLEN (30) FOTOSTADT ESSEN AUSSTELLEN (31) FOTOSTADT ESSEN Selbst mit Kamera gedreht (um 0° 180°), 1972 aus: Bildanalytische Photographie Silbergelatineabzug, 20,4 × 26,9 cm Staatliche Kunstsammlung, Dresden Liane Schneider, 33 Jahre, Ground-Hostess, Deutsche Lufthansa, 1974 Rolf Deininghaus & Maxmillian Oesterling, Dortmund, 1994 aus: Deutsche in Uniform, C-Print, 28,7 × 22 cm, Leihgabe des Künstlers aus: Eigenes Leben, Silbergelatineabzug, 57 × 44,2 cm Tokaido Express, Tokio, 1970, Silbergelatineabzug, 45,5 × 59 cm, Museum Folkwang, Essen Bildanalytische Fotografie Japan Deutsche in Uniform Eigenes Leben In meinen Untersuchungen zur „Bildanalytischen Fotografie“ Anfang Meine Reise 1970 nach Japan war eine eigentümliche Erfahrung, kaum Otto Steinert hat uns oft mit August Sander und dessen Porträtwerk Der Gestalter Otl Aicher hatte die Idee, für eine kulturell engagierte der 1970er Jahre habe ich die apparativen Bedingungen des Mediums jemand konnte Englisch, man hat gar nichts verstanden und bewegte „Menschen des 20. Jahrhunderts“ in den Ohren gelegen. Das war eine Versicherungsgesellschaft Ende der 1980er Jahre eine Ausstellung und ein befragt, hier zum Beispiel: Was passiert, wenn man die Kamera dreht? sich wie in einer Blase. Ich wusste und ahnte und hoffte, dort die neue, sehr große Referenz. Er hatte seit Anfang der 1960er Jahre eine Studien- Buch zur „Neuen Gesellschaft“ zu machen, und brachte dazu verschie- Die Welt steht auf dem Kopf. Der Film dreht sich aber nicht, da die moderne Welt zu sehen. Einerseits auf der Weltausstellung in Osaka, sammlung von Fotografien aufgebaut, so dass wir Studierende tatsäch- dene Akteure zusammen. Der Soziologe Ulrich Beck war ganz nah an Schrift auf der Perforierung des analogen Films vorbelichtet ist. An in Anklängen aber auch in den Hotels, wo damals in jedem Zimmer lich Originale anschauen konnten. Was wir sahen, war eine untergegangene diesen Ideen dran. Gemeinsam mit dem Philosophen und Wittgenstein- Bildfolgen interessiert mich, dass man beides zeigen kann, die künst- schon Fernsehgeräte installiert waren. Auch die Bahn war sicher und Welt. Bei der Serie „Deutsche in Uniform“ war mir wichtig, die aktuelle Spezialisten Wilhelm Vossenkuhl sowie dem Autor Ulf Erdmann Ziegler lerische Haltung und das Ergebnis. Das überhöht schöne und formal auf die Minute pünktlich. Die Japaner waren in gewisser Weise deut- Welt zu zeigen. Dabei wollte ich fair vorgehen und nicht selbst auswählen. machten wir uns an die fast zweijährige Arbeit. Beck hatte den Begriff der abgesicherte Bild, wie es Otto Steinert im Sinn hatte, eines das durch scher als die Deutschen! Plötzlich öffnete sich dieser Blick. Besser als in Also habe ich Institutionen wie die Post, die Kirche, die Bundeswehr, „Bastelbiografie“ eingebracht: Es gibt homosexuelle Paare, alleinerziehende formale Strenge und Schönheit überzeugt, daran war mir nicht gelegen. dieser Aufnahme konnten die Tradition der japanischen Kultur und oder den Karnevalsverein angeschrieben, mir jemanden zu schicken. Am Frauen wie Männer, Brüche in Lebensläufen, völlig diverse Biografien. Ich wollte eher wissen, was sie überhaupt ist, die Fotografie. das Versprechen der Moderne nicht aufeinanderprallen. Ende stand immer jemand vor der Tür, mit dem ich dann gearbeitet Ziegler und ich sind zu den Leuten gegangen, die wir in der Regel nicht habe. Das Blau und Gelb der Lufthansa war ein starker Auftritt auf dem kannten. Man begegnete sich ohne vorgefasste Meinung, konnte zuhören Weg in die größere Eleganz. Die Fluggesellschaft war 1974 sehr fort- und dann handeln. Die Leute wussten beim Fotografieren aber auch, was schrittlich, ein global operierender und weltoffener Konzern. sie vorab gesagt haben. Das spielte eine ganz wichtige Rolle.
(33) FOTOSTADT ESSEN Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH, Ottobrunn, 1989 aus: Gehäuse des Unsichtbaren Mona Lisa, 2010, Mixed Media Farbcollage, Offsetdruck, Digitalprojektion, Größe variabel, Leihgabe des Künstlers Tonpapier, 80,5 × 63 cm, Sammlung Bettina Böhm, Berlin Gehäuse des Unsichtbaren Mona Lisa Über meine Aufträge für die Industrie habe ich in den 1980er Jahren Das immer weiter Gehen und immer weiter Machen ist nicht immer Dinge gesehen, die absolut niemand ahnte. Ich hatte festgestellt, dass es eine gute Idee, sehr viel ist schon gemacht worden. Ich habe eine Zeit plötzlich immer weniger Leute in der Produktion gab, und sagte mir, da lang versucht, Werke zu erwerben, und zwar als Reproduktionen muss ich dranbleiben. Die Firmen und Konzerne arbeiteten global in Originalgröße von den Museen. Das Bild der Mona Lisa konnte ich und gleichzeitig außerhalb jeglicher Sichtbarkeit. Immer wieder habe ich damals im Louvre-Shop kaufen, ohne Rahmen, da es kurze Zeit vorher zwei, drei Tage drangehängt und für mich fotografiert. Allein wäre ich restauriert wurde. Durch meine Collage wollte ich sie ins Zeitgenössi- gar nicht an diese Orte gekommen, es brauchte in gewisser Weise diese sche holen. Dazu habe ich einen Ausschnitt aus einem zeitgenössischen Auftragssituation. Den Titel Gehäuse des Unsichtbaren habe ich gemeinsam Richard Prince-Bild genutzt, auf dem ein verhülltes Gesicht einer mit dem Kulturphilosophen Hartmut Böhme entwickelt. Er bezieht Krankenschwester, die sich gegen Keime schützt, zu sehen ist, und habe sich auf Max Weber, der vom „stahlharten Gehäuse der Rationalität“ ge- damit die Mona Lisa, die millionenfach fotografiert wurde und auf sprochen hat. Wir sehen hier einen Materialtest mit einer goldbelegten jedem Kaffeebecher zu finden ist, selbst verhüllt! Antenne bei der Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH in Ottobrunn, damals einer der größten Luft- und Raumfahrtkonzerne in Deutschland.
Wenige seiner Generation haben gesellschaftliche Entwicklungen so sensibel wie cool beobachtet und als eigene Bildsprache geprägt. Als Vertrauter wie Beobachter sind seine Sujets urbane Räume und städtische Randzonen – übersetzt in Fotos, Videos und Installationen. Immer nah dran. Manchmal mittendrin. Weltweit porträtiert Tobias Zielony u. a. Protagonist:innen der Techno-, LGBTQIT- und der Skater-Szene. Queere Welten, sogenannte Subkultur-Themen, deren Codes und ihr Wechselspiel mit Social Media – sein Augenmerk. Wir zeigen Arbeiten, die als künstlerischer Auftrag exklusiv für die Ruhrtriennale entstanden sind. Mitten. Im Leben. ALLE FOTOS: © TOBIAS ZIELONY/ COURTESY KOW BERLIN
AUSSTELLEN (43) FOTOSTADT ESSEN 20 Fragen (01) Wo möchten Sie leben? (11) Was hören Sie gerade? Und wie? an Tobias Zielony (02) Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? (12) Wer oder was hätten Sie gerne sein mögen? (03) Welches sind Ihre persönlichen Stärken? (13) In welcher Zeit hätten Sie gerne gelebt? (04) Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten? (14) Ihre Lieblingsbeschäftigung? (05) Ihr größter Fehler? (15) Was ist wichtiger beim Fotografieren und Filmen: Herz oder Auge? Warum? (06) Ihr Motto? (16) Wie denken Sie über NFTs? Und: Würden Sie gerne damit reich werden? (07) Was ist für Sie die wichtigste Erfindung der letzten 100 Jahre? (17) Ihr glücklichster Fotomoment? (08) Wen möchten Sie persönlich kennenlernen und fotografieren? (18) Analog oder digital? (09) Ihre Foto-Heldinnen und Helden? (19) Kann heute jede/r gut fotografieren, weil er/sie ein Smartphone hat? (10) Ihr Lieblingsfilm? (20) Was macht ein gutes Bild aus? Was fühlen und denken bekannte Zeitgenossen? Wie ticken sie? Nicht nur in den Tobias Zielony Aktuelle Ausstellung im Museum Folkwang: Künstlerisch, contemporary, cool – und TOBIAS ZIELONY — The Fall Pariser Salons waren Fragebögen ein beliebtes Gesellschaftsspiel. Der berühmteste repräsentativ für eine ganze Generation 25. Juni – 26. September 2021 ist wohl der Proust’sche. Der französische Schriftsteller (1871–1922) hat ihn der Digital Natives. Ein Bildermacher des Mit „The Fall“ präsentiert das Museum Folkwang die erste FOTO: HALINA KLIEM Jetzt. Der Wahl-Berliner, geboren 1973 in Überblicksausstellung – im Englischen „mid career“ genannt – selbst gleich zweimal ausgefüllt. Populär wurde der „Questionnaire“ durch die Wuppertal, prägt eine neue Bildsprache mit von Werken des Fotografen und Videokünstlers Tobias Zielony. Veröffentlichung in bekannten Publikationen. Wir greifen die schöne, spielerische Fotos, Videos, Installationen. Vorzugsweise Mit integriert: Fotografien, die exklusiv für das Programmheft digital. Es studierte anfangs Dokumentar- der Ruhrtriennale entstanden. Darunter Bilder aus „Geister“ – Idee auf und fragen nach. À la Marcel Proust – und mit neuem, neugierigem Blick: fotografie an der University of Wales und er begab sich dabei fotografisch auf Spuren seines Großvaters, beim zeitgenössischen Foto- und Videokünstler TOBIAS ZIELONY. war Meisterschüler von Timm Rautert. eines Bergarbeiters, der sein Leben in Gelsenkirchen verbrachte.
FÖRDERN (45) FOTOSTADT ESSEN „Das Museum „Während der Arbeit nicht denkbar“ Persönlichkeiten „Ohne starke Folkwang in Essen an den Stipendien- ist die erste von vier stationen habe ich Stationen in den maßgeblich gelernt, so unterschied- die jeweiligen foto- lichen Institutionen, grafischen Objekte in denen ich im als Teile historisch Laufe der zwei Jahre gewachsener des Stipendiums arbeiten kann. Sammlungsstrukturen zu begreifen. Die Umsetzung von fotografischen Diese ganzheitliche und zugleich für Ausstellungen, die Organisation und jedes Haus individuelle Perspektive täglichen Abläufe im Museum sowie beeinflusst die kuratorische Arbeit die Sammlungspflege mitgestalten an und mit den Beständen und um- zu können, schätze ich als außer- reißt schließlich auch ein stets gewöhnliche, ebenso wie einmalige eigenes Feld der Forschungspraxis.“ Möglichkeit. Ich freue mich darauf, ↳ DR. FRANZISKA SCHEUER auch in den kommenden eineinhalb Stipendiumsjahrgang 2013–2015; Forschungs referentin Deutsches Dokumentationszentrum Jahren spannende Erfahrungen für Kunstgeschichte, Bildarchiv Foto Marburg zu machen, das Gelernte in unter- an der Philipps-Universität Marburg schiedlichen musealen Häusern zu erproben und zu erweitern und gleich vier umfangreiche Fotografie- „Nach meinem Sammlungen entdecken zu dürfen.“ kulturwissenschaft- ↳ MARIE-LUISE MAYER lichen Studium war Stipendiumsjahrgang 2021–2023; Fotografische das Stipendium Sammlung im Museum Folkwang, Essen; ab ein unglaublich wert- November ‘21 am Fotomuseum Winterthur voller Schritt in die kuratorische Praxis. Das Schauen und Es klingt wie ein Traum – eine einmalige, „Als Krupp-Stipen- Tun in dieser Zeit, aber auch das hochkarätige, exklusive Ausbildung zur diatin arbeitete ich Renommee des Programms im Be- Kurator:in, die einem die Welt eröffnen über einen Zeitraum reich der Fotografie zählen zu den kann. Die Alfried Krupp von Bohlen und von zwei Jahren wichtigen Grundsteinen meiner an- Halbach-Stiftung macht ihn real. Sie rief in vier international schließenden beruflichen Laufbahn. 1999 das Stipendienprogramm „Museums- angesehenen An meiner Ausstellungstätigkeit liebe kuratoren für Fotografie“ ins Leben. Alle Museen mit einigen ich besonders das Konzipieren, die zwei Jahre erhalten drei Stipendiat:innen der bedeutendsten projektbezogene Teamarbeit und eine zweijährige museumsspezifische Aus- Fotografiesammlungen der Welt. den Dialog mit Künstler:innen und bildung sowie die Möglichkeit, das museale Während dieser Zeit konnte ich mein Kooperationspartner:innen.“ und wissenschaftliche Umfeld des Bereichs an der Universität erworbenes ↳ REBEKKA REUTER Fotografie kennenzulernen. Die interna- Wissen und die durch frühere Ar Stipendiumsjahrgang 2006/2007; Chefkuratorin bei WestLicht. Schauplatz für Fotografie und tionalen Partner: Die Fotografische Samm- beitserfahrung in diesem Sektor OstLicht. Galerie für Fotografie in Wien lung im Museum Folkwang in Essen, die erworbenen Fähigkeiten anwenden. Sammlung Fotografie im Münchner Stadt- Es war eine großartige Gelegenheit museum, das Fotomuseum Winterthur, das zur persönlichen Weiterentwicklung Getty Research Institute in Los Angeles, das und zur Erweiterung meines Netz „Vor dem Krupp Sti- Centres Georges Pompidou in Paris sowie werks. Ich habe gelernt, wie wichtig pendium dachte ich das Victoria and Albert Museum in London. die Zusammenarbeit mit ver immer, dass Museen, schiedenen Teams innerhalb und Kunst und Kultur außerhalb der Museen ist. Mit dazu feste gesellschaft- gehören auch die Kunst der Diplo- liche und historische matie, die Fähigkeit, flexibel zu sein, Gebilde darstellen. und die Notwendigkeit, effektiv Die größte Erkennt- zu kommunizieren. Schließlich hilft nis war, wie stark diese aber im auch die Liebe zum Detail.“ Wesentlichen von Leidenschaft, per ↳ LISA SPRINGER sönlichem Engagement und indivi- Stipendiumsjahrgang 2013–2015; Kuratorin für duellen Visionen leben – dieses Sys- Fotografie-Wanderausstellungen am Victoria and tem ist äußerst fragil und ohne starke Albert Museum, London Persönlichkeiten nicht denkbar.“ ↳ FELIX HOFFMANN Im 2. Stipendiumsjahrgang 2001/2002; seit 2005 Wir fragten bei aktuellen und ehemaligen Hauptkurator und 2021 Vorstandsmitglied der C/O Berlin Foundation – einer gemeinnützigen Stipendiat:innen nach: Was haben Sie bei Ihrer Stiftung, die neben dem Ausstellungshaus auch einen Bereich für kulturelle Bildung für Kinder, Kuratoren-Ausbildung der Krupp-Stiftung gelernt? Jugendliche und Erwachsene betreibt
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