Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler

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Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler
Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen
  Informationen für Schülerinnen und Schüler

                                           Sonderforschungsbereich SFB616
Fakultät für Physik                        Energiedissipation an Oberflächen
Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler
Studieren in Duisburg

2   Physik Universität Duisburg-Essen
Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler
Physik studieren an der UDE

Liebe Schülerinnen und Schüler!

M     it der vorliegenden Broschüre möchten wir uns vor-
      stellen und einen Eindruck von dem vermitteln, wo-
mit wir uns an der Uni beschäftigen.
                                                              „Mach dir keine Sorgen
                                                              wegen deiner Schwierigkeiten
                                                              mit der Mathematik. Ich kann
     Was ist Physik? Physik spielt in allen Bereichen des
                                                              dir versichern, dass meine
Alltags eine Rolle – aber auch in Bereichen, die nicht all-
täglich sind. Wir interessieren uns sowohl dafür, warum       noch größer sind.“
Festplatten immer mehr Daten speichern können, als            Albert Einstein an
auch dafür, wie der Tarnumhang von Harry Potter funk-         eine Schülerin, 1943
tionieren könnte. Warum entstehen Verkehrsstaus aus
dem Nichts? Was passiert in Schwarzen Löchern? Wie
geht das mit der Quantenmechanik und was ist ein Quan-        „…also viel Freude
tencomputer? Alles Fragen, die wir uns stellen. Physiker      an der Physik!“
sind bekannt dafür, dass sie ihre Nase überall reinste-
                                                              Michael Schreckenberg
cken und jedes Problem so lange beackern, bis es gelöst
ist – weswegen sie am Arbeitsmarkt zu den begehrtesten
Akademikern gehören.
     Wo können Physiker überhaupt arbeiten? Ein
wichtiges Tätigkeitsfeld ist natürlich die Wissenschaft
selbst. Aber im Grunde sind Physiker überall willkom-
men: Sie arbeiten in Unternehmensberatungen ebenso
wie in den Forschungsabteilungen großer Firmen. Sie
entwickeln die nächste Computer-Generation, basteln an
immer kleineren Speichermedien oder bauen Solarflug-
zeuge. Physiker finden sich beim TÜV ebenso wie als Pa-
tentanwälte oder in Logistikunternehmen. Und manche
werden sogar Bundeskanzlerin …
     Gründe, Physik zu studieren, gibt es also genug.         „Physiker entwickeln
Warum nun aber gerade in Duisburg? Zum einen bewegt           die Zukunft“
sich die Forschung hier auf einem sehr hohen Niveau.
                                                              Michael Horn-von Hoegen
Zum anderen ist das Betreuungsverhältnis ganz hervor-
ragend – niemand wird allein gelassen. Unsere Türen
stehen jederzeit offen.
     Wenn bei der Lektüre des Heftes Fragen auftau-
chen, sind wir jederzeit gerne bereit, sie zu beantworten.
Und alle, die Interesse haben, uns an der UDE zu besu-        Kontakt:
chen und sich näher über die Studienbedingungen zu in-        michael.schreckenberg@uni-due.de
formieren, sind selbstverständlich herzlich willkommen.       horn-von-hoegen@uni-due.de

Prof. Dr. Michael Horn-von Hoegen          Prof. Dr. Michael Schreckenberg
Direktor des Sonderforschungsbereichs      Dekan der Fakultät für Physik
„Energiedissipation an Oberflächen“

                  Universität Duisburg-Essen Physik      3
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Inhaltsverzeichnis

                                                        Seite 3
                                                       Editorial

                                                        Seite 5
                           Duisburg: groß, offen, multikulturell

                                                     Seite 8
                        Was Physiker sonst noch so machen …

                                                      Seite 10
         Die Physiker in Duisburg-Essen gehören zu den Besten

                                                       Seite 12
               freestyle-physics – Uni auf Probe – Schülerlabor

                                                      Seite 14
                                              Forschergruppen

                          „Wir wollen die Schnellsten sein“
                           Schnellste Prozesse an Oberflächen

                                                     Seite 16
                              „Wir schauen in die Zukunft“
                             Physik von Transport und Verkehr

                                                   Seite 18
                        „Physiker sind Leute, die sich ihre
                                    Fragen selber stellen“
                              Neue Eigenschaften herstellen

                                                 Seite 20
       „Ich möchte ergründen, wie die Welt funktioniert!“
                           Eigenschaften von Oberflächen               Impressum
                                                                       Herausgeber: Fakultät für Physik der Universität Duisburg-Essen;
                                                 Seite 22              SFB616 „Energiedissipation an Oberflächen“, gefördert durch die
       „Wir möchten Begeisterung für die Physik wecken“                Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).
                                                 Didaktik              Die DFG fördert Forschungsvorhaben in allen Wissenschaftsgebieten.
                                                                       Wissenschaftliche Exzellenz, Förderung des wissenschaftlichen Nach-
                                                 Seite 24              wuchses, Interdisziplinarität und Internationalität­gehören zu den Eck-
     „Wir sind nicht nur Kollegen, sondern auch Freunde“               punkten der Förderung.
                  Die Anordnung von Atomen an Oberflächen              Projektleitung:
                                                                       Michael Horn-von Hoegen, Michael Schreckenberg
                                                   Seite 26            Verlag: Lemmens Medien GmbH, Bonn
                         „Wir wollen den Leuten optimale
                                                                       Redaktion: Kristin Mosch, Lemmens Medien GmbH
                             Arbeitsmöglichkeiten bieten“
                                                                       Autoren: Antje Allroggen (S. 20, 32), Doris Bünnagel
  Ultraschnelle Phänomene in Festkörpern und an Oberflächen
                                                                       (S. 16, 22, 28), Felix Grützner (S. 10, 12), Kristin Mosch
                                                                       (S. 14, 18, 24), Stephan Weidt (S. 5, 26, 30)
                                                     Seite 28
                                                                       Gestaltung und Satz: Regina Fischer, Berlin
                                  „Wir finden überall Arbeit“
                                             Quantendynamik            Druck: Courir Print Media, Bonn, 2010
                                                                       Bildnachweise: Matthias Offer (Titel, S. 8 oben und Mitte, 32), Eric Lich-
                                                  Seite 30             tenscheidt (S. 2, 4 drittes bis siebtes v. oben, 10, 11, 15, 18, 19, 21 rechts
         „Wir versuchen, im Labor Weltraumbedingungen                  und unten, 24, 25 oben und Mitte, 26, 27 links oben, rechts unten,­
                                           herzustellen“               30 unten), picture-alliance/OKAPIA KG/Werner Otto (S. 4 und 5), wikime-
                                                                       dia (S. 16 oben links), Andreas Reichert (S. 4 zweites v. oben, 9 unten, 12,
                                Experimentelle Astrophysik
                                                                       13), Duisburg Marketing GmbH (S. 4 oben, 6, 7 unten rechts), Referat für
                                                                       Kommunikation der Stadt Duisburg (S. 7 oben, links, zweites v. oben, drit-
                                                   Seite 32            tes v. oben rechts), privat (S. 8 oben rechts und unten, 9 oben, 14 oben, 16,
„Ich arbeite an einem der vier besten Computer der Welt!“              17, 27 rechts oben, 28 links, 29 rechts), ­Michael Horn-von Hoegen (S. 14
                                        Statistische Physik            zweites, drittes und viertes ­v. oben), ­Marika Schleberger (20, 21 links), Udo
                                                                       Backhaus (S. 22, 23), wikimedia/Ute Kraus/Axel Mellinger (S. 28 Mitte),
                                                    Seite 34           European Space Agency (S. 30 oben), Jens Teiser (S. 31 rechts), UDE/
                     Wo arbeiten Physiker nach dem Studium?            Pressestelle (S. 25 unten, 33), Landschaftspark Duisburg Nord (S. 34, U3).

                              4    Physik Universität Duisburg-Essen
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Studieren in Duisburg

Duisburg:
groß, offen, multikulturell
Gibt es ein Leben neben dem Studium?
Physikstudenten erzählen, wie sie die Stadt erleben.

E   ine typische Studentenstadt ist Duisburg nicht. Das bekommt immer wie-
    der zu hören, wer mit Studierenden der hiesigen Universität spricht. Dann
allerdings kommt das große ABER – und was nun folgt, ist eine Kette von
Lobeshymnen, die nicht abreißt. Duisburg, die Stadt der reizvoll umfunktio-
nierten Industriebrachen. Duisburg, Stadt am Rhein und Metropole, zugleich
fast so etwas wie der Stadtteil einer noch viel größeren Stadt, des Ruhrgebiets
nämlich. Und das sehen die meisten eindeutig als Vorteil. „Erst war ich ja ein
bisschen geschockt“, sagt Hanna Bukowska, 32, die vor 14 Jahren aus Polen
nach Deutschland kam, „weil die Stadt gar nicht aufhört.“ Essen, Bochum,
immer neue Ortsschilder. „In Danzig gab es die Stadt mit ihrem historischen
Kern, das Meer und die Wälder. Punkt. Aber“, sagt sie, „jetzt gefällt mir das
gut. Es gibt ja auch Räume mit Natur dazwischen, man muss sie nur kennen.“
Wenn sie Bewegung braucht, schwingt sie sich aufs Fahrrad und radelt ent-
lang der Ruhr durch die Mülheimer Auen nach Essen. „Ein wunderschönes
Naturschutzgebiet“, sagt sie. „Ich habe entdeckt: Wasser, Felder, Wiesen und
Wälder – das alles gibt es nicht nur in Danzig, sondern auch hier.“

                                       Universität Duisburg-Essen Physik     5
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Physik studieren an der UDE

                                              Der Innenhafen:
                                              Raum für Arbeit, Kultur und Freizeit
                                              Maren Cottin, 23, wohnt im Duisburger Stadtteil Duissern, die Uni kann sie be-
                                              quem zu Fuß erreichen. Sie findet es schade, dass in den ersten Semestern viele Mitstuden-
                                              ten bei den Eltern wohnen bleiben und täglich zwischen Wohnort und Studienort pendeln. „Nach-
                                              mittags nach den Vorlesungen oder abends fahren viele nach Hause, und dann kann man nichts
                                              mehr zusammen unternehmen.“ Kathrin Sauer, 24, wiederum ist Pendlerin. Sie wohnt in Dinslaken,
                                              das sind etwa 20 Minuten mit dem Zug. Ihre Freizeit allerdings verbringt sie trotzdem in Duisburg.
                                              Hier geht sie gern in den Innenhafen, der bis in die sechziger Jahre wegen der Getreidemühlen mit
                                              ihren Speichergebäuden den Beinamen „Brotkorb des Ruhrgebiets“ trug, später befanden sich hier
                                              nur noch Lager- und Gewerbehallen. Zwischen den späten achtziger und den späten neunziger
                                              Jahren wandelte sich der Innenhafen zu einer Kunst- und Amüsiermeile. Es wurde Raum für Arbeit
                                              – insbesondere im Dienstleistungsbereich – für Wohnen, Kultur und Freizeit geschaffen. In der Um-
                                              gestaltung, für die der durch die Reichstagskuppel berühmt gewordene Architekt Norman Foster
                                              die Federführung innehatte, wurden die industriellen und historischen „Wahrzeichen“ des Hafens
                                              ganz bewusst erhalten. Kathrin Sauer sitzt gerne in den Kneipen (oder davor), geht spazieren –
                                              oder besucht Museen. Von denen gibt es in Duisburg reichlich. Hanna Bukowska schwärmt jetzt
                                              noch von der Rodin-Ausstellung und der Giacometti-Ausstellung im Wilhelm-Lehmbruck-Museum.
Innenhafen                                    Auch im Museum Küppersmühle für moderne Kunst nach 1945 und dem Kultur- und Stadthistori-
                                              schen Museum ist sie häufiger Gast.

Wilhelm-Lehmbruck-Museum

                           Oper und Theater
                           Überhaupt die Kultur. Das Stadt-
                           theater Duisburg am König-Heinrich-                                                                        Theater
                           Platz mit seinen 1.117 Plätzen bietet
                           Raum für Opern, Operetten, Ballett-
                           Aufführungen, Schauspiele und Kon-
                           zerte. Mit seiner Vorderfront, die an
                           die Tempeleingänge der Antike erin-
                           nert, zählt es zu den markantesten
                           Bauwerken Duisburgs. Das Theater
                           hat kein eigenes Schauspielensemb-
                           le, arbeitet aber mit den Schauspiel-
                           häusern der Region, etwa dem Schau-
                           spielhaus Bochum oder dem Düssel-
                           dorfer Schauspielhaus zusammen.
                                Das Düsseldorfer Opernhaus wie­
                           derum und das Stadttheater Duis-
                           burg zeigen identische Opern- und       Deutsche Oper am Rhein firmiert. Und: Im Rahmen des alljährlich stattfin-
                           Ballettproduktionen, eine Theaterge-    denden Festivals DUISBURGER AKZENTE sind die großen deutschsprachigen
                           meinschaft, die unter dem Namen         Schauspielhäuser mit ihren Produktionen zu Gast.

                           6   Physik Universität Duisburg-Essen
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Studieren in Duisburg

                                                                                                                                                Sechs-Seen-Platte

Landschaftspark Nord: Tauchen, Klettern, Hochseilparcours
Zur Kultur im weiteren Sinne gehört auch der Landschaftspark
Nord, eine riesige Industriebrache. Auf 200 Hektar stehen die Reste
eines stillgelegten Hüttenwerks: Die ehemaligen Werkshallen sind für Kultur-
und Firmenveranstaltungen hergerichtet, in einem alten Gasometer entstand
Europas größtes künstliches Tauchsportzentrum, in Erzlagerbunkern wurden
alpine Klettergärten geschaffen, in einer ehemaligen Gießhalle wurde ein
Hoch­seilparcours eingerichtet und ein erloschener Hochofen ist zum Aus-
sichtsturm ausgebaut. „Eisen und Stahlkonstruktionen, flackernde Lichter,
Abgründe und ein Weg, der dich vom sicheren Boden auf immer unglaubliche-
re Weise in die Höhen des Ruhrgebiets entführt“, so bewirbt Duisburg Mar-
keting GmbH, die Marketinggesellschaft der Stadt Duisburg, beispielsweise
den Hochseil­parcours. „Wankende Brücken und abenteuerliche Seilkonstruk-
tionen bringen dich zu den imposantesten und bizarrsten Eindrücken, die das
ehemalige Hütten­werk zu bieten hat.“
                                              „Ja“, sagt Maren Cottin, „die In-     Inzwischen ist sie im 10. Semester        Landschaftspark Duisburg-Nord –
                                         dustrieromantik ist toll.“ Sie würde       und schreibt an ihrer Diplomarbeit.       ehemaliges Hüttenwerk Meiderich.
                                         sich wünschen, dass in der Stadt           Einen Blick für die Besonderheiten        Kletteranlage im Erzbunker vor den
                                                                                                                              stillgelegten Hochöfen des ehe­
                                         noch mehr Studenten leben (gut             Duisburgs hat sie sich trotzdem be-       maligen Stahlwerks
                                         31.000 studierten im Wintersemes-          wahrt: „Kennen Sie den Innenhafen?“
                                         ter 2009/10 in Duisburg und Essen).        fragt sie und gerät ins Schwärmen.
                                         Denn: „Hier lebt es sich wirklich gut.     Die Kneipen, Museen und Ausstellun-
                                         Es ist auch nicht zu teuer.“ Das sieht     gen dort… Hanna liebt es, im Som-
                                         auch Hanna Bukowska so. Sie hat            mer am Wasser zu sitzen, „mit einem
                                         im Stadtteil Duissern eine Dachge-         Drink“, wie sie lachend sagt.
                                                                                                                              Duisburger Wald und Ruhraue
                                         schoss-Wohnung bezogen, 40 Qua-                 „Kein Wunder“, meint Thorben
                                         dratmeter groß, „für unter 300 Euro        Kelling, 30, der in einer Arbeitsgrup-
                                         warm.“ Zur Uni hat sie es nicht weit,      pe für Experimentelle Astrophysik
                                         nur eine Viertelstunde zu Fuß, „das        an seiner Doktorarbeit schreibt und
                                         habe ich mir extra so ausgesucht.“         Ende Januar 2010 vom westfälischen
                                         Sie überlegt einen Moment. „Gut, das       Münster nach Duisburg kam. „Na-
                                         ist eher ein Rentnergebiet hier, die       türlich“, sagt er, „sind Münster und
                                         meisten Studenten wohnen in Neu-           Duisburg sich sehr unähnlich. Eine
                                         dorf, aber ich finde es ganz schön,        historische Altstadt werden Sie in
                                         dass es hier so ruhig ist. Und wenn        Duisburg vergebens suchen.“ Aber
                                         ich will – bis Neudorf sind es nur zehn    ihm macht das nichts. „Wissen Sie,
                                         Minuten.“ An der Universität hat sie       Münster ist sehr übersichtlich und
                                         zunächst eine Ausbildung zur Physik-       ziemlich konservativ. Duisburg ist
Die Haniel-Treppe. Abgang von der Fried-
                                         laborantin gemacht, hat auch ein Jahr      groß, offen, multikulturell. Ich finde,
rich-Ebert-Brücke über den Rhein auf die in diesem Beruf gearbeitet. Dann ent-      ich habe durch den Umzug mehr ge-
Mercatorinsel zwischen Rhein und Hafen.  schloss sie sich, Physik zu studieren.     wonnen als verloren.“

                                                                                   Universität Duisburg-Essen Physik     7
Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler
Physik studieren an der UDE

Was Physiker sonst noch so machen …
Die Interessen von Physikern sind so vielfältig wie das Fach selbst. Ob sie sich als Fotografen oder Musiker
betätigen, Extremsportarten betreiben oder Gedichte schreiben – Raum für alternative Wege, sich mit der Welt
auseinanderzusetzen, lässt die Forschung immer.

                                                                                Claudius Klein, 24,
                                                                                schreibt an seiner Diplomarbeit

                                                                                Beim Klettern kann ich be-
                                                                                sonders gut abschalten. Wenn
                                                                                es Abend wird und man den Alltag
                                                                                hinter sich lassen will, ist Klettern
                                                                                super – es macht Spaß, man kann
                                                                                abschalten und schafft den sportli-
                                                                                chen Ausgleich. Im Sommer genieße
                                                                                                     ich es oft, mit
                                                                                                     dem Rad zur
                                                                                                     Uni zu fahren
                                                                                                     und anschlie-
                                                                                                     ßend direkt zum
                                                                                                     Sport,     ger­ne
                                                                                                     auch mal zum
                                                                                                     Klettern in den
                                                                                Landschaftspark im Duisburger Nor-
Matthias Offer, 33, Doktorand                                                   den. Am Wochenende fahre ich ge-
                                                                                nerell viel Rad. Schöne Touren kann
Ich fotografiere gerne. Angefangen habe ich damit mit fünf – mittlerweile       man eigentlich überall im Ruhrtal, am
mache ich es neben­beruflich und baue mir gerade eine eigene Webpage auf.       Baldeneysee in Essen oder auch am
Zunächst habe ich nur Landschaften und Architektur fotografiert, heute ma-      Niederrhein fahren. In den Semes-
che ich außerdem Porträts. Eines meiner Lieblingsmotive ist der Innenhafen,     terferien mache ich gern Radurlaube
der vor allem nachts sehr schön ist – die High-Tech-Prestigebauten sind dann    und bin schon mal eine Woche un-
angeleuchtet und spiegeln sich in der Wasserfläche. Außerdem gibt es dort       terwegs... Ansonsten verbringe ich
ein reges Nachtleben mit Bars und Kneipen und vielen Lichtern. Ein anderes      meinen Urlaub oft mit Städtereisen:
schönes Motiv ist der Landschaftspark: Wenn zwischen Industriebrachen die       Sightseeing, Kultur und Entspan-
Natur wieder durchbricht, sich das zurückerobert, gibt das für die Fotografie   nung! Wenn ich mal keine Lust aufs
einiges her. Letztens war ich auf einer Fotografen-Führung in der Zeche Zoll-   Trampeln habe und trotzdem in der
verein. Das ist wie eine normale Führung, nur dass man Zeit zum Fotografie-     Natur sein möchte, fahre ich Motor-
ren hat, Zeit sich alles anzuschauen. Wenn dann die Blümchen zwischen dem       rad, meist gemeinsam mit meiner
Schrott hervorlugen, der dort herumliegt, das ist reizvoll.                     Freundin.

                                   Tobias Nabbefeld, 32, wissenschaftlicher Mitarbeiter

                                   Ich singe in einer Rock-Band. Wir covern Stücke. Irgendwann möchten wir
                                   auch mal eigene Stücke spielen. Bisher treten wir nur im Bekanntenkreis auf, so
                                   auf Partys, irgendwann werden wir aber sicher einen richtig öffentlichen Auftritt
                                   machen. Ich arbeite auch mit bei MIX International – das steht für Mitmach­
                                   initiative Xanten – einem Träger der freien Jugendhilfe. In Kooperation mit dem
                                   New College Nottingham veranstalten wir einmal jährlich die COOL TOUR: Für
                                   eine Woche holen wir Musik- und Tanzstudenten aus Nottingham nach Xanten
                                   (dort in der Gegend wohne ich). Die treten hier auf und veranstalten Workshops an
                                   Schulen. Eine gute Sache.

8   Physik Universität Duisburg-Essen
Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler
Leben neben Studium und Forschung

                                         Pierre Kirschbaum, 25,
                                         schreibt an seiner Diplomarbeit

                                         Schon mit zehn habe ich meine
                                         Begeisterung für das Bergstei-
                                         gen entdeckt. Mein Vater nahm
                                         mich mit auf eine Alpenüberquerung.
                                         Der Rucksack war damals beinahe
                                         so groß wie ich – und wohl auch so
                                         schwer. Trotzdem hat mich die Her-
                                         ausforderung schon damals so fas-
                                         ziniert, dass ich danach jede Mög-
                                         lichkeit genutzt habe, in die Berge zu
                                         kommen. Mit 14 habe ich dann eine Ausbildung für Hochtouren, also kombi-
                                         nierte Touren über Gletscher und im Fels, gemacht. Vier Jahre später hatte ich
                                         das Glück in den Nationalkader des Deutschen Alpenvereins zu kommen. Da-
                                         rin wurden 15 junge Leute im Alter zwischen 18 und 25 Jahren auf eine große
                                         Expedition im Himalaya vorbereitet. An der konnte ich aber leider nicht mehr
                                         teilnehmen. Am meisten reizt mich immer noch das Eisklettern. Vor allem in
                                         den Dolomiten oder dem Pitztal gibt es im Winter tolle zugefrorene Wasserfäl-
                                         le. Da mit Eispickel und Steigeisen rauf zu klettern ist aber auch ziemlich ge-
                                         fährlich. Man muss genau einschätzen können, ob das Eis zu weich, zu spröde
                                         oder zu dünn ist, denn die Sicherungen im Eis halten keinen größeren Sturz.
                                         Für die ganz extremen Touren habe ich im Moment aber leider keine Zeit mehr.

Ralf Schützhold, 36,                     che, meistens dienstags und donners-      Hanna Bukowska, 32,
Professor für Theoretische Physik        tags; zum Beispiel in der Sportanlage     schreibt an ihrer Diplomarbeit
                                         in Mülheim-Heissen. Ich habe auch         … und manchmal Gedichte
Ich bin Bogenschütze und schieße         eine Trainerlizenz und betreue mo-
in der ersten Mannschaft des Bogen-      mentan zwei Schützlinge, die schon zu     Schrödinger Gleichung
sportclubs MASA Mülheim. In dieser       den Fortgeschrittenen zählen. Dieser
Saison sind wir in die erste Bundes-     Sport ist auf eine ganz besondere Wei-    Gedanken liegen überall.
liga aufgestiegen, in dem Jahr davor     se anstrengend: Man muss über einen       Ihre Qualität lässt manche Schlüsse
bin ich (mit etwas Glück) Deutscher      längeren Zeitraum die Konzentration       ziehen über die statistische Verteilung der
Meister des Bogensportverbands ge-       und Anspannung halten können. Zum         Begabung.
worden. Wenn es meine Zeit erlaubt,      Ausgleich fahre ich gerne mal mit dem     Gänseblümchen wuchern schamlos im Gras, ich
trainiere ich ein bis zwei mal pro Wo-   Fahrrad die Ruhr entlang.                 versinke
                                                                                   im Potentialtopf meiner Wahl.
                                                                                   Ungemerkt schnell explodiert der Flieder in Blüte
                                                                                   ich sehe ihn nicht, sein Duft bleibt mir fern.
                                                                                   In komplexen Traumräumen will ich heute Gauß treffen
                                                                                   Um meine Gedankengänge ein wenig zu normieren.
                                                                                   Chaotisch fließt die Tinte aufs Papier und
                                                                                   eine Saite schwingt (harmonisch?), ich glaube –
                                                                                   es ist Musik,
                                                                                   auf alle Fälle durchdringt es die Räume,
                                                                                   in denen das Betragsquadrat der Wellenfunktion
                                                                                   – die Aufenthaltswahrscheinlichkeit –
                                                                                   für meine Seele ganz sicher nicht Null ist.
                                                                                   Vielleicht ist mein ganzes Leben nur ein Wörterspiel.

                                                                                  Universität Duisburg-Essen Physik   9
Physik studieren an der Universität Duisburg-Essen - Informationen für Schülerinnen und Schüler
Die Physiker in Duisburg-Essen gehören zu den Besten
            Wie Rankings dabei helfen können, die richtige Uni zu finden.

Mit schnellem Rechner       W      er sich für ein Studium interessiert, der möchte wis-
                                   sen, welche Uni sich am besten eignet: Wo wird am
                            meisten für die Studierenden getan, wo arbeiten die bes-
                                                                                           de Forschung stattfindet: Von dort kommen die meisten
                                                                                           erfolgreichen Anträge und dorthin geht das meiste Geld.
in der ersten Liga
                            ten Forscher? Wie ist die Ausstattung der Labore? Eine         Hochschulranking von CHE und ZEIT
Mehr als 4.000 Rechner-
                            sehr gute Orientierung geben „Rankings“ (von englisch          Das Ranking, das vom Centrum für Hochschulentwick-
kerne und eine Maximal-
                            „to rank“ = einordnen). Das sind eine Art von Hitlisten        lung und der Wochenzeitung DIE ZEIT herausgegeben
leistung von 31 Billionen
                            deutscher Universitäten und Forschungseinrichtungen.           wird, vergleicht die deutschen Hochschulen miteinander.
Rechenoperationen pro
                            Zwei der wichtigsten Rankings werden von der Deut-             Es richtet sich an alle, die ein Studium beginnen oder den
Sekunde (31 TeraFlops) –
                            schen Forschungsgemeinschaft (DFG) und vom Centrum             Studienort wechseln wollen sowie an die Mitarbeiter der
auf diese leistungsstarke
                            für Hochschulentwicklung (CHE) gemeinsam mit der Wo-           Hochschulen, die wissen möchten, wo ihre Einrichtung
Hilfe können Chemiker,
                            chenzeitung DIE ZEIT durchgeführt und im Web veröf-            im bundesweiten Vergleich steht. Bewertet werden un-
Physiker, Mathematiker
                            fentlicht. Wie gut sich Physik an der Uni Duisburg-Essen       ter anderem die Betreuung durch die Professoren, die
und Ingenieurwissen-
                            studieren lässt, das zeigen sie auch.                          Forschungsleistung, die Laborausstattung und die Studi-
schaftler seit kurzem
                                                                                           ensituation insgesamt. Neben den Urteilen der Experten
zurückgreifen. Mit dem
neuen Cray-XT6m-Super-      Förderranking der DFG                                          zählen hier besonders die Stimmen der Studierenden
                            Die Deutsche Forschungsgemeinschaft ist die größte För-        selbst, schließlich kennen die ihre Uni ja am besten. Rund
rechner gehört die UDE
                            derorganisation für Forschung in Deutschland. Mit einem        200.000 Studierende und 15.000 Professoren haben für
nun zu den sieben deut-
                            jährlichen Etat von über zwei Milliarden Euro finanziert       das aktuelle Ranking ihr Urteil abgegeben. Anders als
schen Universitäten, die
                            sie mehr als 20.000 Forschungsprojekte von einzelnen           vielleicht erwartet, werden die Ergebnisse der Befragung
einen Forschungsrechner
                            Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen wie auch von         nicht zu einer Gesamtpunktzahl zusammengerechnet.
im Top500-Ranking der
                            Forschungsverbünden. Dabei erfolgt die Förderung auf           Denn es gibt nicht einfach „die beste Hochschule" oder
weltweit schnellsten
                            Grundlage eines aufwändigen und strengen Antragsver-           nur ein „bestes Fach“. Eine Hochschule kann in der For-
Rechner haben.
                            fahrens. Nur wer die Prüfung durch renommierte Wissen-         schung durchaus Spitze sein, aber ihre Ausstattung für
www.uni-due.de/de/pres-
                            schaftler besteht, der erhält auch Fördergelder. Deshalb       Studierende kann schwach oder die Betreuung durch die
se/meldung.php?id=2154
                            kann die DFG ziemlich genau sagen, wo die besten For-          Professoren schlecht sein. Das CHE-Ranking schaut auf
                            scher sitzen und an welchen Hochschulen herausragen-           die Details und erstellt mehrere Ranglisten, die Stärken

                            10   Physik Universität Duisburg-Essen
Rankings

Durchschnittsnoten, die Physikstudierende (ohne Master) der UDE vergeben haben

 Betreuung durch Lehrende                                  1,4              E-Learning                                                      2,5
 Kontakt zu Studierenden                                   1,4              Bibliotheksausstattung                                          1,8
 Lehrangebot                                               2,3              Räume                                                           1,9
 Forschungsbezug                                           2,0              Laborausstattung                                                1,9
 Studienorganisation                                       1,7              IT-Infrastruktur                                                1,5
 Praxisbezug                                               2,5              Unterstützung für Auslandsstudium                               2,2
 Berufsbezug                                               2,5              Studiensituation insgesamt                                      1,7
 Einbeziehung in Lehrevaluation                            2,2              Quelle: CHE-Hochschulranking im ZEIT-Studienführer 2010/11

und Schwächen der einzelnen Hochschulen zeigen. Es gibt auch keinen Gesamtsieger, sondern Ranggruppen: Spit-
zen-, Mittel- und Schlussgruppe. Das ist gerechter, denn es besteht nicht die Gefahr, dass kleine Unterschiede zu
wichtig genommen werden und so ein falsches Bild entsteht. Der interaktive Web-Auftritt des CHE-Rankings macht es
möglich, sehr schnell das gewünschte Studienfach oder die angepeilte Hochschule auf den Schirm zu holen und sich
dann Einzelheiten genau anzusehen.

Physik in Duisburg-Essen
Die beiden wichtigen Rankings von DFG und CHE/ZEIT zeigen, wie gut Physik an der Uni Duisburg-Essen im Rennen
liegt. So steht sie im DFG-Ranking im Forschungsfeld „Statistische Physik und Nichtlineare Dynamik“ auf Platz 1 und
im Bereich „Kondensierte Materie“ auf Platz 5. Auch im Gesamturteil des CHE/ZEIT-Rankings liegt die Fakultät deut-
lich in der Spitzengruppe. In ganz entscheidenden Kategorien ist die Physik an der UDE ganz vorn: bei der Laboraus-
stattung, der Betreuung durch die Professoren, beim Lehrangebot, beim Forschungsbezug, der Studienorganisation           Weblinks:
und beim Praxisbezug. Auch die Räume und ihre Ausstattung mit IT-Geräten sind nach dem Urteil der Studierenden           http://www.dfg.de/dfg_profil/
ausgezeichnet. Und diese gute Leistung hält die UDE, denn das Ranking macht mit kleinen Pfeilen auch sichtbar, ob        evaluation_statistik­/ranking/
und wo jemand Ab- oder Aufsteiger ist. Wer nun wissen möchte, wie andere Universitäten in der Nähe abschneiden,          index.html
der kann das einfach im Web selbst nachschauen. Dort findet man auch noch andere sehr gute Informationen, zum
Beispiel darüber, was in Duisburg und Essen außer Uni sonst noch los ist. Und das gehört ja schließlich auch zum         http://ranking.zeit.de/
Studentenleben!                                                                                                          che2010/de/

                                                                            Universität Duisburg-Essen Physik      11
Physik studieren an der UDE

         freestyle-physics – Uni auf Probe – Schülerlabor
         Angebote für Schülerinnen und Schüler

    „Wir sind stolz darauf,
dass wir Schülerinnen und     O    b als Jungforscherin, Probestudi oder im Schülerlabor:
                                   an der UDE kann man erleben, dass Physiker ganz
                              normale Menschen sind, man kann antesten, wie studieren
                                                                                            schon einige Jahre her. Inzwischen studiert die 21-Jährige
                                                                                            seit drei Jahren Physik. „Ich hatte mich schon vorher für
                                                                                            Physik interessiert, aber als ich sah, wie gut hier im Team
Schülern viel mehr bieten
                              wirklich ist und wie mit einem Rastertunnelmikroskop die      gearbeitet wird, da hat das schon meine Entscheidung für
   können als die meisten
                              Welt der Atome sichtbar wird.                                 die UDE mitbestimmt.“ Jetzt sitzt sie bei freestyle-physics
    anderen Hochschulen                                                                     auf der anderen Seite und arbeitet in der Anmeldung oder
         in Deutschland.“     Forscher und Erfinder gesucht: freestyle-physics              stoppt bei Experimenten die Zeit, wenn Schüler ihre For-
         Andreas Reichert     Die Aufgabe klingt ein bisschen komisch: „Baue eine           schungsergebnisse präsentieren. Bei freestyle-physics
                              Aschenputtelmaschine!“ – Aber dahinter steckt ein ech-        kann man Gleichgesinnte treffen, die sich auch für Physik
                              tes Forschungsproblem. Schließlich hat nicht jeder wie        interessieren. Das sind richtig viele. Letztes Jahr gab es
                              Aschenputtel Tauben im Haus, die einem das Trennen            2.000 Teilnehmer und am Tag der Präsentation am Duis-
                              der guten von den schlechten Erbsen abnehmen. Des-            burger Hauptbahnhof einen kleinen Stau, weil zu viele
                              halb werden junge Forscherinnen und Forscher gesucht,         Jungforscher gleichzeitig mit ihren Modellen in die Stra-
                              die eine Maschine entwerfen und bauen, mit der ein Ge-        ßenbahn Richtung Uni einsteigen wollten. Die Präsentation
                              misch von verschiedenen Objekten sortiert werden kann.        vor den Professoren ist eine aufregende Sache. Das muss
                              Wer da beim Lesen schon anfängt, gedanklich zu tüfteln,       man vorher schon ein bisschen proben, damit das Modell
                              der ist der richtige Kandidat oder die richtige Kandidatin    auch wirklich läuft. Falls es dann doch nicht klappt, kann
                              für „freestyle-physics“. So heißt der jährliche Schüler-      man im nächsten Jahr wiederkommen und es noch ein-
                              wettbewerb der Fakultät für Physik an der UDE, bei dem        mal versuchen. Außer den Projektpräsentationen finden
                              richtig losgeforscht wird. Es geht darum, eine anspruchs-     bei freestyle-physics auch Vorlesungen, Laborführungen
                              volle Forschungsaufgabe zu lösen. Profi-Wissenschaftler       und ausgefallene Experimente statt – Forschung hautnah
                              schauen sich das Ergebnis an und vergeben Punkte für          eben! Die Anmeldung zu freestyle-physics läuft am besten
                              besonders pfiffige Lösungen. Teilnehmen können Schüle-        über den Physiklehrer.
                              rinnen und Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 13. In vier
                              Monaten muss die gestellte Aufgabe gelöst werden. Die         So fühlt sich Uni an: das Probestudium
                              Besten erhalten einen Preis. „Was mir sofort auffiel: Wie     Wer ernsthaft darüber nachdenkt, nach der Schule Physik
                              nett hier an der Fakultät alle sind und wie offen über al-    zu studieren, für den ist das Probestudium genau das Rich-
                              les gesprochen wird!“ Annika Kurzmann kam zum ersten          tige. Schon zwei Jahre vor dem Abi kann man hier in die
                              Mal an die UDE, als sie bei freestyle-physics ihre selbst     Uni reinschnuppern. Die „Uni auf Probe“ gibt es bereits
                              entworfene und gebaute Wurfmaschine vorführte. Das ist        seit zehn Jahren. Das Angebot funktioniert gut: Fast jede

                              12   Physik Universität Duisburg-Essen
oder jeder dritte Physikstudierende       Physik beschäftigt, der lernt natür-
hat vor dem Studienbeginn ein Probe-      lich eine ganze Menge und hat was
studium gemacht. Erst war es nur für      davon, auch für den Physikunterricht
Schülerinnen gedacht. Aber schnell        in der Schule. Über 100 Schülerinnen
zeigte sich, dass auch Jungen sich        und Schüler kommen jedes Jahr zum
diese Gelegenheit nicht entgehen          Probestudium an die UDE. Anmelden
lassen wollen. Wer hier mitmacht, der     kann sich jeder, der die Kursstufe
lernt richtigen Uni-Betrieb kennen.       erreicht hat. Und wer bis zum Ende
Über 15 Wochen hinweg kommen              dabei bleibt, bekommt einen Schein,       und Schüler die ‚Welten in der Welt’     Von links nach rechts:
die „Probestudis“ jeden Samstag-          der später im richtigen Studium an-       entdecken“, erklärt Andreas Reichert.    Beim Probestudium kann man end-
                                                                                                                             lich Versuche machen, die sonst den
morgen in den Hörsaal. Dann gibt es       erkannt wird. Woher die Probestudis       Schon wenn wir eine Lupe vors Auge
                                                                                                                             Studierenden vorbehalten sind – bei
von halb elf bis zwölf Uhr Vorlesung      kommen? Andreas Reichert staunt:          halten, sehen wir plötzlich Dinge, die   den Messungen mit Röntgenstrahlen
und anschließend eine Übung mit           „Manche nehmen einen ziemlich wei-        uns sonst verborgen sind. Ein weite-     lässt sich der Effekt der Interferenz
Experimenten und Aufgaben. Doch           ten Weg auf sich, um das Studenten-       rer Schritt ist mit dem Blick durchs     viel besser verstehen.
damit nicht genug: Bis zum nächs-         leben hautnah kennenzulernen. Wir         Lichtmikroskop getan. Aber das
                                                                                                                             Studierende zeigen bei Laborfüh-
ten Samstag sind Hausaufgaben zu          hatten schon Teilnehmer aus Rem-          kennt man ja aus der Schule, wo Süß-
                                                                                                                             rungen ihre Forschungsprojekte.
erledigen, die dann auch besprochen       scheid, Bonn, Mönchengladbach und         wasserpolypen oder Zwiebelzellen         Ob das Gegenwindfahrzeug wirklich
werden. Es gibt je 3 Vorlesungen in       sogar Paderborn!“                         untersucht werden. Spannend wird         funktioniert, stellt sich am Finaltag
Mathematik und zur Theoretischen                                                    es beim Rasterelektronenmikros­kop,      von freestyle-physics heraus.
Physik sowie 6 Vorlesungen zur Ex-        Forschungsreise in die Nanowelt:          denn damit lassen sich Strukturen
                                                                                                                             Löten gehört im Labor zum Alltag.
perimentalphysik plus 3 Praktikums-       das Schülerlabor                          erkennen, die zum Abperlen von Was-
einheiten. Das verlangt schon echtes      Im gerade erst eröffneten Schülerla-      sertropfen auf Lotusblättern führen.
Interesse und Durchhaltevermögen.         bor fühlt man sich wie ein richtiger      Kleiner als klein wird der Maßstab,
Aber darum geht es ja: für sich selbst    Wissenschaftler. Hier stehen nämlich      wenn das Rastertunnelmikros­kop
herauszufinden, ob das Physikstudi-       exakt die gleichen High-Tech-Geräte       zum Einsatz kommt. Denn hier ge-
um sich wirklich so anfühlt, wie ge-      wie in den Laboren der Profi-For-         langt man auf die Ebene der Atome,
dacht. „Wir sind stolz darauf, dass wir   scher. Dieses Labor haben die Fakul-      und die sind nur 0,1 Nano­meter groß
Schülerinnen und Schülern viel mehr       täten für Physik und Ingenieurwissen-     (zur Erinnerung: 1 Nano­meter sind
bieten können als die meisten ande-       schaften gemeinsam entwickelt. Die        0,000000001 Meter!). Wer sich auf
ren Hochschulen in Deutschland“,          Idee kam so gut an, dass sie in einem     eine Forschungsreise in die Nanowelt
erklärt Andreas Reichert, der an der      Wettbewerb gewonnen hat und jetzt         begeben will, der kann im Schüler-
Fakultät für Öffentlichkeitsarbeit ver-   finanzielle Unterstützung vom Land        labor ein Praktikum machen. Aber         Weblinks:
antwortlich ist. „Unser Angebot geht      Nordrhein-Westfalen bekommt. The-         auch ganze Leistungskurse können         www.freestyle-physics.de
über ein ganzes­ Semester, also etwa      ma des Schülerlabors ist die Nano-        eine Projektarbeit im Schülerlabor       http://www.uni-due.de/physik/
vier Monate.“ Wer sich so intensiv mit    welt. „Hier können die Schülerinnen       durchführen.                             fbphysik/probestudium/

                                                                                  Universität Duisburg-Essen Physik    13
Forschergruppen

                                      „Wir wollen die Schnellsten sein!“
                                      Schnellsten Prozessen an Oberflächen sind die Forscher der AG von Michael Horn-von Hoegen auf der Spur.
                                      Die Studenten haben frühzeitig die Chance, spannendste Experimente durchzuführen. Von ihrem Studium und
                                      dem frühen Einstieg in die Forschung sind sie völlig begeistert.

                                      „V     or 100.000 Jahren haben die Neandertaler Steine
                                             aufeinander geschlagen, um Feuer zu machen. Das
                                      heißt, sie haben Bewegungsenergie in elektrische um-
                                                                                                      teres Anwendungsfeld ist die effiziente Energiegewinnung
                                                                                                      aus Wärme, die Thermoelektrik: Hier muss man Elektro-
                                                                                                      nen dazu bewegen, von einem Material in ein anderes zu
                                      gewandelt. Auch das war bereits Energiedissipation an           fließen, ohne dass gleichzeitig Wärme zwischen beiden
                                      Oberflächen“, erklärt Michael Horn-von Hoegen, Profes-          übertragen wird. Mit Forschung an Oberflächen lässt sich
                                      sor für Experimentelle Physik. „Was wir heute machen, ist       herausfinden, unter welchen Bedingungen welches Mate-
                                      im Grunde ähnlich, nur dass es in viel kleinerem Maßstab        rial wie reagiert.
        „Dissipate your energy!“      geschieht. Wir stoßen Atome gegeneinander und beob-                  Annika Kalus, Studentin im 10. Semester und
                                      achten, was passiert.“ Eine zentrale Frage in diesem Zu-        Mitglied der Arbeitsgruppe, will wissen, wie lange Blei-
      Michael Horn-von Hoegen
                                      sammenhang ist die nach der Geschwindigkeit. Weil Ato-          atome auf einem Wafer brauchen, um nach dem Erhit-
                                      me sich mit der Schnelligkeit von Milliardstel Sekunden         zen durch einen Lichtimpuls wieder abzukühlen. Hierzu
                                      bewegen, besteht die Herausforderung darin, diese Be-           dampft sie im Ultrahochvakuum, also unter Bedingungen
                                      wegungen noch verfolgen und abbilden zu können. Hier            wie sie sonst nur im Weltraum herrschen, eine genau
                                      sind die Duisburger besonders gut. Sie nutzen Mikros-           eine Atomlage dicke Schicht von Bleiatomen auf einen
                                      kope, die extrem schnelle Bewegungen sichtbar machen            Wafer. Nachdem sie die Probe auf -180 Grad Celsius
Beugungsmuster von verschiedenen      können. Mit einer Länge von acht Femtosekunden ent-             gekühlt hat, erhitzt sie die Bleischicht kurzzeitig mittels
Oberflächen eines Siliziumkristalls   stehen so in Duisburg die kürzesten Filme der Welt: eine        eines Lichtimpulses und beobachtet in unterschiedli-
bei der Reflektion von Elektronen.
                                      Femtosekunde ist ein Millionstel von einem Milliardstel         chen Zeitabständen, wie warm die Oberfläche noch ist.
Hierbei wird die Wellennatur der
Elektronen ausgenutzt.                einer Sekunde. „Die Experimentanordnungen, die wir ent-         Da dünne Schichten extrem rasch abkühlen, führt sie
                                      wickelt und aufgebaut haben, sind in Europa einzigartig“,       die Experimente mit einem „Oberflächen-Thermometer“
                                      erklärt Horn-von Hoegen. „Weltweit konkurrieren wir nur         durch – dem schnellsten, das es weltweit gibt. Mit diesem
                                      mit einer einzigen anderen Forschergruppe und die wird          „Thermometer“ kann sie die Temperatur der Bleiatome
                                      von einem Nobelpreisträger geleitet. Denen versuchen            mit einer Zeitauflösung im Pikosekundenbereich messen.
                                      wir den Schneid abzukaufen. Wir wollen die Schnellsten          Eine Pikosekunde (ps) entspricht einem Millionstel einer
                                      sein – also diejenigen, die die schnellsten Bewegungen          Millionstel Sekunde (0,000000000001 s), also der Zeit, in
                                      erfassen können.“                                               der Licht gerade mal 0,3 Millimeter zurücklegt.
                                          Wie erforschen die Physiker nun die schnellsten                  Für das Experiment wird ein sehr kurzer Lichtimpuls in
                                      Prozesse an Oberflächen? Zunächst bringen sie durch             zwei Teile gesplittet. Der eine Teil wird auf die zu untersu-
                                      Aufdampfen eine nur wenige Atomlagen dünne Schicht              chende Oberfläche gelenkt und erhitzt dort kurzzeitig die
                                      eines bestimmten Materials auf ein kleines Stück von            Bleischicht innerhalb von weniger als 10 Pikosekunden
                                      einem Wafer auf. Ein Wafer ist eine flache Scheibe, die         um mehr als 100 Grad Celsius. Mit dem anderen Teil des
                                      aus einem einzigen Siliziumkristall besteht und in etwa         Lichtimpulses wird das spezielle „Thermometer“ betrie-
                                      aussieht wie eine CD. Die Schicht auf dem Wafer wird            ben: Der Lichtimpuls wird im Ultrahochvakuum auf eine
                                      dann mit einem extrem kurzen Lichtimpuls aus einem              dünne Goldschicht geschossen und löst dort Elek­tronen
                                      speziellen Laser beschossen. Wenn der Lichtimpuls auf           heraus. Dieser Elektronenpuls wird mit 20.000 Volt stark
                                      die Schicht trifft, wird es an dieser Stelle für einen kurzen   beschleunigt und unter einem sehr flachen Winkel auf die
                                      Moment sehr heiß und die einzelnen Atome, aus denen             zu untersuchende Oberfläche geschossen. Dort werden
                                      das Material besteht, fangen an, sich stärker zu bewe-          die Elektronen gebeugt, das heißt, sie treffen auf die Ato-
                                      gen. Die spannende Frage ist nun: Wie genau bewegen             me an der Oberfläche und werden von diesen abgelenkt.
                                      sich die Atome? Ordnen sie sich neu oder wackeln sie nur        Die abgelenkten Elektronen ergeben ein Muster, das mit
                                      heftiger hin und her? Wie lange braucht die Schicht, um         Hilfe einer speziellen Kamera sichtbar gemacht werden
                                      wieder abzukühlen?                                              kann. Aus diesem Muster lassen sich Rückschlüsse auf
                                          Solche Informationen sind für viele Arbeitsbe­              die Struktur der Oberfläche ziehen. Über die Änderung
                                      reiche von großer Bedeutung. Einer davon ist die Mikro-         der Wegstrecke zwischen den beiden Lichtimpulsen lässt
                                      elektronik: Computerprozessoren erzeugen bereits heute          sich die Zeit zwischen dem „Erhitzen“ der Oberfläche mit
                                      deutlich mehr Wärme als eine Kochplatte! Damit sie nicht        dem ersten Teil des Lichtimpulses und der „Temperatur-
                                      schmelzen, muss die Wärme abgeführt werden. Ein wei-            messung“ mit dem zweiten Teil des Lichtimpulses variie-

                                      14   Physik Universität Duisburg-Essen
Unter Bedingungen wie im Weltraum
                                                                                                                           – in Europa einmalig: Doktorandin
                                                                                                                           Simone Möllenbeck prüft die Proben­
                                                                                                                           position in der Ultrahochvakuum­
                                                                                                                           apparatur, an der die Experimente
                                                                                                                           zur ultraschnellen Elektronen­
                                                                                                                           beugung stattfinden.

                                                                                                                           Ultrakurzer Laserstrahl im Labor

ren. Reiht man die einzelnen „Schnappschüsse“ aneinander, so erhält man einen Film über die Änderungen auf der
Oberfläche mit Pikosekunden Zeitauflösung. Für einen solchen Film wird das Experiment viele Millionen Male com­
putergesteuert wiederholt: jede Sekunde genau 5.000 Mal und das eine ganze Stunde lang.
     „Viele denken, Physik ist unheimlich schwer und man kann es nur studieren, wenn man in der Schule überall
Eins stand und als Kind schon Bücher über Quantenphysik gelesen hat“, sagt Philip Kahl, Student im 8. Semester und
als Studentische Hilfskraft in derselben Arbeitsgruppe. „Das stimmt aber gar nicht. Wir sind alle keine Genies – mit
wenigen Ausnahmen – und wir helfen uns gegenseitig in unseren Lerngruppen. Physik ist kein Ding der Unmöglichkeit,
wenn alle zusammenhalten.“ Von seinem Fach ist er genauso begeistert wie Annika Kalus: „Zuerst interessiert man
sich für die spektakulären Sachen. Es knallt und pufft und man will wissen warum. Je mehr man dann eintaucht, um so
interessanter wird es. Man erkennt, wie alles zusammenhängt und sieht überraschende Parallelen zwischen Phänome-
nen. So gleicht beispielsweise das Kreisen der Planeten um die Sonne dem Kreisen der Elektronen um den Atomkern.“
     Niemand sollte sich entmutigen lassen; ein grundsätzliches Interesse an Mathematik und Physik ist die beste
Voraussetzung für das Studium. „Dann wird man in der Grundvorlesung mit tollen Experimenten belohnt. Ein Beispiel          „Physik ist einfach verblüffend
ist der Vergleich zwischen der Pistolenkugel und einer Kugel, die vom Tisch fällt. Wenn jemand eine Pistole parallel zum   und darum macht man das.
Boden abschießt und gleichzeitig eine Kugel von der Tischkante stößt, dann treffen beide Kugeln gleichzeitig auf der       Der Aha-Effekt ist genial!“
Erde auf. Warum? Weil auf beide die Schwerkraft mit derselben Stärke einwirkt. Die Schwerkraft, also die Anziehungs-
                                                                                                                           Philip Kahl
kraft der Erde, zieht beide Kugeln gleich schnell zu Boden, egal ob sie die eine aus der Flugbahn holen muss oder die
andere von der Tischkante. „Das würde man intuitiv erstmal nicht erwarten und findet es verblüffend, aber dann hat
man ein Aha-Erlebnis und versteht es“, so Philip Kahl.
     Auch wenn ein Großteil der Studierenden sich in Duisburg einschreibt, weil es in der Nähe des Elternhauses liegt,
gibt es auch diejenigen, die sich bewusst für die UDE entscheiden. So jemand ist Jörg Reimann, der gerade seine
Diplomarbeit schreibt: „Ich komme aus Aschaffenburg und habe dort erst eine Ausbildung als Werkzeugmechaniker
gemacht. Als ich dann studieren wollte, habe ich mich informiert und bin durch verschiedene Wissenschaftssendun-
gen im Fernsehen auf Duisburg und die Qualität der Forschung hier aufmerksam geworden. Deswegen bin ich hierher            „Besonders faszinierend ist für
gezogen.“ Besonders faszinierend am Physikstudium ist für ihn, dass er jeden Tag etwas Neues lernt. „Man weiß nie,         mich, dass wir jeden Tag etwas
was mit dem Material passiert, das man beschießt. Es gibt keine Routine.“                                                  Neues lernen. Man weiß nie,
     Und was machen die Studenten in ihrer Freizeit? Lesen sie doch heimlich Bücher über Quantenphysik? „Nein“,            was mit dem Material passiert,
sagt Philip, „dieses abseitige Image von Physikern ist etwas, das mich total nervt. Ich selbst mache viel Sport, zum
                                                                                                                           das man beschießt. Es gibt
Beispiel Volleyball, und leite in meiner alten Schule eine AG für Capoeira, das ist ein brasilianischer Kampftanz. Das
Training habe ich noch nie ausfallen lassen, auch nicht in Prüfungszeiten.“ Jörg trifft sich mit Freunden und Annika       keine Routine.“
nutzt nach einem Tag im Labor das vielseitige Hochschul-Sportangebot.                                                      Jörg Reimann

                                                                               Universität Duisburg-Essen Physik     15
Forschergruppen

                 „Wir schauen in die Zukunft“
                 Physik von Transport und Verkehr: Vorhersagen über Staus, die die
                 Forscher der AG von Michael Schreckenberg treffen, haben eine
                 Trefferquote von über 90 Prozent. Das Verkehrsmodell kann bis zu
                 eine Stunde in die Zukunft des gesamten Autobahnnetzes von
                 Nordrhein-Westfalen schauen.

                                                                                                                  Am Duisburger Institut für die Physik von Trans-
                                                                                                             port und Verkehr haben die Forscher die aktuelle Ver-
                                                                                                             kehrslage immer im Blick. Ihre Messdaten bekommen sie
                                                                                                             von 4.500 Induktionsschleifen – dabei handelt es sich um
                                                                                                             in die Fahrbahndecke eingelassene oder unter ihr verleg-
                                                                                                             te Drahtschleifen zur Fahrzeugerkennung. Die teilen dem
Wie Vögel in einem Schwarm können zukünftig vielleicht auch Autos Informationen untereinander austauschen.   Rechner ständig mit, wie viele Autos wie schnell unter-
                                                                                                             wegs sind. Ein Simulationsprogramm stellt daraus rund
                                                                                                             um die Uhr aber nicht nur die aktuelle Verkehrslage nach,
        „Verkehr unterliegt nicht
            allein physikalischen      M      ai 2008: In seiner Show „Wer wird Millionär?“ stellt
                                              Günther Jauch folgende Millionenfrage: „Das Nagel-
                                        Schreckenberg-Modell liefert eine Erklärung für die Ent-
                                                                                                             sondern berechnet auch, wie sie sich in den nächsten
                                                                                                             30 beziehungsweise 60 Minuten entwickeln wird. Das
                                                                                                             ist möglich, weil Hochleistungsrechner den Verkehr viel
            Gesetzen, der Faktor
                                        stehung von ...? A: Sandwüsten, B: Verkehrsstaus, C: Grip-           schneller ablaufen lassen als real. „Wir beschleunigen die
   Mensch ist unberechenbar.“
                                        pewellen, D: Börsencrashs. Sein prominenter Kandidat                 Abläufe auf der virtuellen Straße, indem wir im Rechner
         Michael Schreckenberg          Oliver Pocher bemüht den Publikumsjoker, gibt die richtige           den simulierten Verkehr im Zeitraffer laufen lassen“, er-
                                        Antwort und gewinnt die Million für einen guten Zweck.               läutert Schreckenberg. Der Rechner greift aber auch auf
                                        Die Sendung machte damals auch Michael Schreckenberg                 Verkehrsdaten der letzten Jahre zurück. „Es steht uns
                                        über Nacht deutschlandweit bekannt. Der Physiker hatte               mittlerweile eine sehr große Datenbank zur Verfügung,
                                        zu Beginn der neunziger Jahre gemeinsam mit seinem Kol-              die beispielsweise Auskunft darüber geben kann, wie
                                        legen Kai Nagel das Simulationsmodell zur Stauprognose               die Verkehrslage an einem typischen Montag nach den
                                        entwickelt. Es konnte erstmals wissenschaftlich erklären,            Herbstferien ist. Diese Informationen fließen dann auch
                                        wie Verkehrsstaus aus dem Nichts entstehen. „Vor der                 in die Stauprognose mit ein.“ Für den Autofahrer werden
                                        Sendung hatten wir monatlich etwa 50 Zugriffe auf die In-            die Berechnungen in eine leicht verständliche Staukarte
                                        ternetseiten des Instituts, direkt danach waren es 150.000           umgesetzt: Grüne, gelbe und rote Linien zeigen an, wo es
                                        in 48 Stunden“, berichtet Schreckenberg, Professor für die           eng wird und wo es reibungslos läuft. Doch selbst wenn
                                        Physik von Transport und Verkehr. Seine Arbeitsgruppe be-            der PKW-Verkehr insgesamt störungsfrei fließt, kommen
                                        treibt seit fast zehn Jahren das offizielle Verkehrsinforma-         Lastwagen – etwa bei Überholverbot – auf der rechten
                                        tionssystem „autobahn.NRW.de“ des Landes Nordrhein-                  Spur oft nur langsam voran. Daher soll es demnächst eine
                                        Westfalen, das auf Schreckenbergs Staumodell basiert.                eigene Stauprognose für den LKW-Verkehr geben.
                                        Per Mausklick können sich Autofahrer schon zu Hause                       Das Nagel-Schreckenberg-Modell ist heute die am
                                        über die Situation auf einer geplanten Route informieren.            häufigsten zitierte Arbeit, wenn es um das Thema Verkehr
     „Mir gefällt es, Zusammen-         Die Vorhersagen sind mit einer Trefferquote von rund 90              geht. Und da es ohne komplizierte Mathematik auskommt
         hänge zu verstehen und         Prozent sehr genau. „Aber Verkehr unterliegt nicht allein            und auch für Laien verständlich ist, wird es in der Schule
                                        physikalischen Gesetzen, der Faktor Mensch ist unbere-               sogar im Informatikunterricht behandelt. Vereinfacht dar-
   zu hinterfragen, anstatt bloß
                                        chenbar. Ändern nämlich Autofahrer ihre geplante Route               gestellt ähnelt das Modell einem Brettspiel: Die Autobah-
  Fakten auswendig zu lernen.“          wegen eines prognostizierten Staus, findet der manchmal              nen werden in gleich große Abschnitte unterteilt, in jedem
                     Kathrin Sauer      gar nicht statt“, so Schreckenberg.                                  Feld kann sich nur ein Auto befinden oder es bleibt frei. Pro

                                        16    Physik Universität Duisburg-Essen
Physik von Transport und Verkehr

                                                                                        Für eine effektive Verkehrslenkung sind zuverlässige Verkehrs­prognosen
                                                                                        unverzichtbar.

„Runde“ rückt ein Auto maximal fünf        geistert und die Entscheidung für ein        um virtuelle Elektroautos realitätsnah
Felder vor, wobei eine Runde jeweils       Physikstudium nicht bereut. „Physik          in die Verkehrsströme einzubetten.
eine Sekunde dauert. Die Anzahl der        ist enorm vielseitig und mir gefällt es,     „Wir wollen herausfinden, für welche
Felder, die ein Auto im letzten Zug vor-   Zusammenhänge zu verstehen und               Fahrten Elektro­autos besonders ge-
angekommen ist, wird als die momen-        zu hinterfragen anstatt bloß Fakten          eignet sind und in welchen Bereichen
tane Geschwindigkeit definiert. „Die       auswendig zu lernen.“                        sie andere Fahrzeuge ersetzen könn-
Autos in der Simulation fahren nicht,           Am Schreibtisch nebenan sitzt           ten“, so Schreckenberg.
sie hüpfen von Feld zu Feld und be-        Robin an einem Rechner und übt sich                Fahrzeug-Fahrzeug-Kommuni­
schleunigen nach bestimmten Regeln,        im wissenschaftlichen Arbeiten. Der           ka­tion nennt sich ein anderer For-
bremsen ab, wechseln die Spur. Oder        Schüler einer 9. Klasse absolviert ein        schungsbereich der Verkehrsforscher,
sie trödeln und verursachen damit          dreiwöchiges Praktikum am Institut            für den sie das Schwarmverhalten
wie in der Realität den Stau aus dem       und tüftelt gerade an einer Aufga-            von Fischen, Vögeln oder Ameisen
Nichts“, so Schreckenberg.                 be, die ihm Michael Schreckenberg             betrachten. Ebenso wie im Schwarm
     Einer, der sich darum küm-            gestellt hat. Er soll berechnen, nach         benachbarte Tiere ständig mitein-
mert, dass Autofahrer immer auf            welcher Strecke zwei Autos – 50 und           ander kommunizieren, können auch
die Stauprognose zugreifen können,         70 Stundenkilometer schnell –, die            mehrere Autos, die mit gleicher Ge-
ist der Physiker Florian Mazur. „Wir       gleichzeitig bremsen, zum Stillstand          schwindigkeit eine gemeinsame Stre-
sorgen nicht nur dafür, dass die           kommen. „Ich finde es sehr span-              cke fahren, über mobile WLAN-Netze
Stauprognose möglichst störungsfrei        nend hier und darf manchmal sogar             Informationen austauschen: Bildet
läuft, sondern entwickeln das Simu-        ein wenig programmieren“, sagt der            sich weiter vorne gerade ein Stau,
lationsprogramm auch ständig wei-          Schülerpraktikant, der später einmal          verschlechtert sich wegen Nebels
ter.“ Von seinem Fachbereich ist der       Physik studieren möchte.                      die Sicht oder ist die Straße plötzlich
Doktorand begeistert: „Es reizt mich            Die Stauprognose ist aber nur            glatt. „Wir wollen herausfinden, wie
besonders, dass ich in diesem Be-          ein Arbeitsfeld der Duisburger Wis-           sich die Kommunikation benachbar-
reich sowohl Grundlagenforschung           senschaftler. Anfang des Jahres               ter Fahrzeuge auf den gesamten Ver-
betreiben als auch praxisnah arbei-        startete die Universität Duisburg-            kehrsfluss auswirkt.“
ten kann. Die Wissenschaftler hier         Essen eines der größten deutschen                  Wer sich bereits im Rahmen des
forschen nicht im stillen Kämmer-          Hochschulprojekte zur Erforschung            Physikstudiums auf den Schwer-
chen.“ Als erster Student hatte sich                                                                                                 „Es reizt mich besonders,
                                           der Elektromobilität. Auch Michael           punkt Transport und Verkehr spezia-
Florian Mazur Ende der neunziger           Schreckenberg und sein Team sind             lisieren möchte, kann an der Univer-         dass ich in diesem Bereich
Jahre für den damals neuen Diplom-         an dem interdisziplinären Projekt be-        sität Duisburg-Essen den Abschluss           sowohl Grundlagenforschung
Studiengang Physik von Transport           teiligt, das untersuchen soll, wie Elek-     Bachelor beziehungsweise Master              betreiben als auch praxisnah
und Verkehr eingeschrieben. Zur Ar-        tromobilität in einer Metropolregion         of Science anstreben. Und da es in           arbeiten kann. Die Wissen-
beitsgruppe von Michael Schrecken-         wie NRW praxistauglich umgesetzt             diesem Themenfeld auch in Zukunft
                                                                                                                                     schaftler hier forschen nicht
berg gehört auch die Diplomandin           werden kann. Die Duisburger Physiker         wichtige Aufgaben zu lösen gilt,
Kathrin Sauer. Erst in der 11. Klasse      nutzen dabei ihre in den Großrech-           ­werden Absolventen gute Berufs-             im stillen Kämmerchen.“
hat sie sich für das Fach Physik be-       nern gespeicherten Verkehrsdaten,             chancen in Aussicht gestellt.               Florian Mazur

                                                                                      Universität Duisburg-Essen Physik       17
„Physiker sind Leute, die sich ihre Fragen selber stellen“
                 Neue Eigenschaften herstellen: In der Nanowelt gelten andere Gesetze als in der Alltagsrealität – welche das sind, erforscht unter
                 anderem die AG von Axel Lorke. Die Nanowissenschaften sind eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts.

                                    „W       as mich interessiert, ist die Grenze zwischen zwei
                                             Welten“, erklärt Axel Lorke, Professor für Experi-
                                    mentelle Physik. „Und zwar gibt es zum einen die Welt um
                                                                                                    geht und die Dinge bis in den Nanometer-Bereich hinein
                                                                                                    verkleinert.“
                                                                                                         Zu den Themen, mit denen der Forscher sich
                                    uns herum, die wir alltäglich erfahren und kennen, und          beschäftigt, gehören Einzelelektroneneffekte. Com-
                                    zum anderen die atomare Welt, in der die Dinge anders           puterchips werden leistungsfähiger, weil die Bauteile
                                    sind. Dort verschwimmt beispielsweise der Unterschied           immer kleiner werden. „Vor zehn Jahren waren ein paar
                                    zwischen Welle und Teilchen und ein Partikel kann den           Millionen Elektronen in einer Speicherzelle, dann wurden
                                    Ort wechseln, ohne dass der Weg von A nach B nachvoll-          es weniger und weniger, heute sind es nur noch ein paar
                                    ziehbar ist. Auch die Prioritäten verschieben sich in der       Hundert“, erläutert er. „Irgendwann wird es nur noch ein
                                    Welt der Atome: Anders als in der Alltagswelt hat dort bei-     Elektron sein. Dann ist eine Schallmauer erreicht, denn
                                    spielsweise die Schwerkraft fast keine Bedeutung im Ver-        kleiner geht es nicht. Ein Elektron ist nicht mehr teilbar.
                                    gleich zu Haftkräften oder der Zitterbewegung, die kleine       Da kann man sich natürlich hinstellen und heulen – oder
                                    Teilchen aufgrund der Temperatur haben.“ Was passiert           man überlegt sich eine Alternative. Beispielsweise wäre
                                    also, wenn die Dinge so klein werden, dass die atomare          es doch genial, wenn ich etwas hätte, das ‚Ja’ oder ‚Nein’
Axel Lorke jongliert gerne.         Welt schon spürbar wird – aber noch so groß sind, dass          in sich trägt. Und das trifft auf das Elektron zu. Ein Elek-
Wenn keine Bälle zur Hand sind,     wir volle Kontrolle über ihre Größe und Form haben? Zu-         tron ist im Grunde ein perfektes Bit, weil es entweder da
nimmt er auch schon mal             nächst einmal brechen die üblichen Skalierungsgesetze­          ist oder nicht da ist.“ Informationen im Computer haben
Verbindungsstücke für Vakuum-
Schläuche.
                                    zusammen.                                                       bekanntlich die Form von Nullen und Einsen; alles, was im
                                         Lorke illustriert den Begriff anhand einer Textaufgabe:­   Innern eines Computers gespeichert ist, lässt sich durch
                                    „10 Bauarbeiter bauen ein Haus in einem Jahr. 20 Bau­           eine bestimmte Anzahl und Kombination von Nullen und
                                    arbeiter bauen ein Haus in einem halben Jahr. Zunächst          Einsen ausdrücken. Nullen und Einsen bezeichnen zwei
                                    gilt der Satz: Je mehr Bauarbeiter, desto schneller die         verschiedene Zustände; die Information Null oder Eins
                                    Bauzeit. Das wäre in dem Fall das Skalierungsgesetz.            ist dann ein Bit. Denkbar wäre nun, dass Nullen und Ein-
                                    Wenn man aber nun fragt ‚Wie viele Bauarbeiter werden           sen in Zukunft durch die Anwesenheit oder Abwesenheit
                                    gebraucht, um ein Haus in einer Sekunde zu bauen?’ wird         ­eines Elektrons definiert werden. „Steuern lässt sich das
                                    deutlich, dass es eine Grenze gibt, ab der dieser Zusam-         durch Strukturen, die aus nur wenige Nanometer großen
                                    menhang außer Kraft gesetzt ist und andere Gesetzmä-             ‚Inseln’ bestehen“, sagt Lorke, „in manchen ist ein Elek­
                                    ßigkeiten ins Spiel kommen. Etwas Ähnliches geschieht            tron, das sind die Einsen, in anderen ist kein Elektron, das
                                    auch, wenn man über die üblichen Größenskalen hinaus             sind die Nullen.“

                                    18   Physik Universität Duisburg-Essen
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