Real Estate News Ausgabe Winter | 2018 Aktuelle Informationen aus dem Immobilienbereich - Schweiz
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Inhalt Editorial 3 1 Interview mit Arno Kneubühler 4 2 Workplace of the Future 9 3 Marktintelligenz in der Bewertung 12 4 Das optimale Zinsniveau 16 5 Steuerliche Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung 20 6 Asset-Swaps — Diversifikation und Renditeoptimierung im Tiefzinsumfeld 23 7 Ersatzbeschaffung von betriebsnotwendigem Anlagevermögen 26 Publikationen 29 Veranstaltungen 30 Kontakte 31 2 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Editorial Wie sieht der Workplace of the Future aus? Neue Technologien, die Globalisierung und der demografische Wandel sind Treiber einer modernen Arbeitsplatzgestaltung. Die Ansprüche neuer Mitarbeitergenerationen wie beispielsweise Work-Life-Balance und Flexibilität veranlassen viele Unternehmen, neue Arbeitskonzepte zu entwickeln, welche diesen Anforderungen gerecht werden. Der Artikel von Elke Gall und Martin Lüthi beschäftigt sich mit diesem Wandel in der Bürolandschaft und zeigt auf, was es bei der Einführung neuer Arbeitsplatzkonzepte zu beachten gilt. Im Beitrag Marktintelligenz in der Bewertung gehen Sebastian Zollinger und Manuel Lehner von Fahrländer Partner Raumentwicklung (FPRE) auf die zentrale Bedeutung der Festlegung des risikogerechten Diskontierungs- satzes bei der Bewertung von Renditeliegenschaften mittels Discounted-Cashflow-Methode (DCF) ein und weisen auf mögliche regionale Korrekturpotenziale hin. Mit der zukünftigen Entwicklung der Leitzinssätze, welche sich seit Jahren auf einem historischen Tief befinden, und deren Einfluss auf den Schweizer Immobilienmarkt beschäftigen sich Andrea Fuhrer und Casper Studer in ihrem Beitrag zum optimalen Zinsniveau. Auf das aktuelle Thema der steuerlichen Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung für Zwecke der Grundstückgewinn- und der Einkommenssteuer bei vorzeitiger Auflösung einer Hypothek gehen Hanspeter Saner, Martin Kistler und Michel Greter in ihrem gemeinsamen Artikel ein. Sie erläutern unter anderem die Bundesgerichtsentscheide vom 3. April 2017 und zeigen, in welchen Fällen eine Vorfälligkeits- entschädigung bei Liegenschaften abzugsfähig ist. Dominic Iseli und Casper Studer gehen in ihrem Beitrag vertieft auf die Transaktionsform der Asset-Swaps ein, welche im derzeitigen Marktumfeld eine interessante Möglichkeit zur Diversifikation und Renditeopti- mierung darstellt, ohne dabei den Liquiditätsgrad der Parteien zu tangieren. Anhand des Bundesgerichtsentscheides vom 8. Dezember 2016 befassen sich Stefan Laganà und Thomas Cabane mit der Fragestellung, wann eine steuerneutrale Ersatzbeschaffung von betriebsnotwendigem Anlagevermögen gemäss aktueller Rechtsprechung Anwendung findet. Mit der aktuellen Ausgabe der «Real Estate News EY Schweiz» möchten wir unseren Lesern und Leserinnen einerseits Informationen zu traditionellen Themen der Immobilienbranche bieten und andererseits Einblick in die sich rasant entwickelnde Welt der Technik und Digitalisierung gewähren. Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche und interessante Lektüre. Daniel Zaugg Claudio Rudolf Sektor Leiter Real Estate & Construction Head Real Estate Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 3
1 Interview mit Arno Kneubühler «Wir wollen immer günstigste Mieten anbieten können.» Der Real Estate Asset Manager Procimmo SA fokussiert mit seinen Immobilienfonds auf Industrie- und Gewerbeflächen ausserhalb der grossen Zentren. CEO Arno Kneubühler erklärt im Interview, wie sich in der Peripherie hohe Renditen erzielen lassen. Und wie die Tiefpreisstrategie von Procimmo die Start-up-Szene der Schweiz belebt. Procimmo investiert mit Vorliebe in Liegenschaf- Architektur- und unsere Vermarktungsabteilung ten ausserhalb der Zentren. Was macht diese eng zusammen, so können wir auf die individuellen B- und C-Lagen attraktiv? Bedürfnisse der Nutzer eingehen. Arno Kneubühler: In der Schweiz wird der Raum von St. Gallen bis Genf intensiv wirtschaftlich Macht Procimmo auch Sale-and-lease-back- genutzt. Besonders viele Aktivitäten finden in der Transaktionen? Nähe von Autobahnen statt, ausserhalb der Zent- AK: Ja, diese Transkationen sind aufgrund von ren. Dort investieren wir. Attraktiv sind diese Lagen, Asset-light-Strategien weiterhin verbreitet. Im Zuge weil es für Produktion und Gewerbeaktivitäten in der Frankenaufwertung mussten sich auch viele der Stadt keinen Platz mehr hat oder verfügbare kleinere Unternehmen zu diesem Schritt entschlies- Flächen zu teuer sind. Ein Betrieb am Paradeplatz sen. Mit dem Verkauf ihrer Immobilien konnten sie kann für seine Logistik schlecht einen 40-Tonner sich finanzielle Mittel beschaffen, die sie benötigten, einsetzen, abgesehen davon, dass er die Miete an um sich neu auszurichten oder sich auf die Kernkom- dieser Lage nicht erwirtschaften kann. Hier bieten petenzen zu konzentrieren. periphere, nahe der Autobahn gelegene Flächen grosse Vorteile. Worauf achten Sie bei diesen Verträgen? AK: Das Unternehmen muss solvent sein, und wir Welche Bedingungen muss ein Objekt erfüllen, schliessen langfristige Verträge ab. Laufzeiten von damit Procimmo sich dafür interessiert? 15 Jahren sind keine Ausnahme. AK: Es muss über viel Land und wenig Gebäude verfügen. Wir suchen unternutzte Objekte, die wir Und wie gehen Sie bei leeren Liegenschaften entwickeln können. Damit tragen wir letztlich zur vor, etwa wenn ein Unternehmen die Immobilie Verdichtung bei, was den Zielen der Raumplanung verkauft, weil es den Betrieb aufgibt? entspricht. AK: Solche Objekte kaufen wir zu anderen Preisen, da sind grosse Abschläge nötig. Angesichts des damit Wie geht Procimmo dabei vor? verbundenen Aufwands ist dies gerechtfertigt. AK: Ein Drittel unserer Liegenschaften generiert genügend Ertrag, ohne dass wir investieren müssen. Bei einem Drittel sind die Leerstände hoch, und ein Drittel entwickeln wir neu. Dabei arbeiten unsere 4 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Wie gross ist die Konkurrenz um die Standorte, Welche Rolle spielen Banken bei der Mittelbe- die für Procimmo interessant sind? schaffung? AK: Die Konkurrenz ist gewachsen. Spezialisierte AK: Wir dürfen nur maximal 33 Prozent der Immo- Gesellschaften, wie wir es sind, treten zwar selten bilien im jeweiligen Fonds mit Hypotheken finanzieren, auf. Es sind jedoch viele Einzelinvestoren aktiv. die übrigen Mittel sind Eigenkapital. Andere Finanzin- Und auch Gewerbetreibende und KMU bieten mit, strumente setzen wir nicht ein, weder Swaps noch die einen neuen Standort suchen und diesen selbst irgendwelche Konstrukte. Das unterscheidet uns von entwickeln wollen. Immobilien-Aktiengesellschaften. Procimmo kauft häufig Leerstände ein. Derzeit Sie haben kürzlich in einem Interview gesagt, nehmen die nicht vermieteten Flächen zu. Heisst mit Ihrer Strategie sei das Risiko, aber auch die das, dass Sie jetzt mit Angeboten überschwemmt Rendite höher. Was heisst das genau? werden? AK: Der Fonds Procimmo 2 [mit Industrie- und AK: Wir haben in der Tat sehr viele Angebote auf Gewerbeflächen ausserhalb der Zentren in der dem Tisch, aber gleichzeitig kaufen wir sehr wenig. Deutschschweiz] weist eine Bruttorendite von In diesem Jahr haben wir schweizweit schon über rund 7,1 Prozent aus. Wir sehen ein Potenzial von 400 Dossiers geprüft, doch nur ein paar wenige Im- 8 Prozent, angesichts der Leerstände von derzeit mobilien gekauft. Auch wenn ein Objekt Leerstände 12 Prozent. Damit liegen wir deutlich über der aufweist, werden hohe Preise verlangt. Da sind uns Rendite von Wohnvehikeln. Auf der anderen Seite jedoch Grenzen gesetzt. Für unser Geschäft brauchen ist das Risiko etwas höher. wir in solchen Fällen eine hohe Anfangsrendite, weil wir viel Zeit und Geld in ein Objekt investieren müssen. Wie gross sind die Risiken? AK: Procimmo hat einen Grundsatz: Wir wollen Seit Jahren steht der Immobilienmarkt unter immer sehr günstige Mieten anbieten können. Bei dem Einfluss rekordtiefer Zinsen. Welche Industrie- und Gewerbeimmobilien verfolgen wir Gefahren sehen Sie für Procimmo bei einem gewissermassen eine Discount-Strategie. Damit Zinsanstieg? begrenzen wir die Risiken, denn wir können dem AK: Falls es zu einem abrupten Anstieg der Zinsen Gewerbe bezahlbaren Raum anbieten. Wir sind vom kommt, dann dürften die Bewertungen der Immo- wirtschaftlichen Potenzial der KMU in der Schweiz bilien stark unter Druck geraten. Diese plötzlichen überzeugt. Dank den günstigen Mieten verhelfen Veränderungen sind immer problematisch. Erfolgt wir den Unternehmen zu tiefen Fixkosten. Dadurch der Anstieg hingegen kontinuierlich, kann dies für sind sie besser in der Lage, auch wirtschaftlich uns durchaus positiv sein. Zwar sinken auch in diesem anspruchsvolle Zeiten zu überstehen, und wir federn Fall die Bewertungen, doch gleichzeitig steigen unsere unser Risiko im Fall eines Wirtschaftsabschwungs ab. Renditen. Wir gehen zudem davon aus, dass die Zinsen nur dann angehoben werden, wenn es der Um mit tiefen Mieten hohe Renditen zu erzielen, Wirtschaft gut geht. Und geht es den rund 500 000 braucht es ein straffes Kostenmanagement. Was KMU und Mikrounternehmen in der Schweiz gut, tut Procimmo dafür? stimmt auch die Nachfrage nach unseren Industrie- AK: Damit wir schnell sind und die Kosten im Griff und Gewerbeflächen. Bei Inflation lassen sich ferner haben, machen wir die entscheidenden Aufgaben die Mieten anpassen. intern, sei es in der Entwicklung, der Architektur oder der Vermarktung. Entscheidend ist zudem, dass wir Objekte nicht zu teuer einkaufen und dass wir effizient sind. Streetbox in Aigle Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 5
Welche Rolle spielt die Digitalisierung, um die Sind auch Privatanleger willkommen? Kosten zu kontrollieren? AK: Anteile von Fonds, die an der Börse kotiert AK: Unser Asset Management ist teilweise digital, sind, können alle erwerben, also vor allem auch die Abläufe in der Bewirtschaftung sind automa- private Investoren. An unseren nichtkotierten Fonds tisiert. Aber die Digitalisierung alleine ist nicht können sich nur Anleger beteiligen, die als qualifi- der entscheidende Punkt. Tiefe Kosten erreichen zierte Investoren anerkannt sind. wir, weil wir beim Ausbau nur so viel in ein Objekt stecken, wie es unsere Kunden wünschen. Ein Sie haben die hohe Dividende von Streetbox Malergeschäft braucht ein dichtes Gebäude, aber erwähnt. Dieser Fonds verkauft und vermietet neue Fenster sind nur selten nötig. modulare Industriehallen. Wie erfolgreich entwickelt sich der Fonds? Für welche Anleger sind Procimmo-Fonds AK: Innert sechs Jahren hat sich der Wert interessant? vervierfacht. AK: Wir legen den Fokus auf die Dividende und bieten den Anlegern eine möglichst attraktive Wie ist Procimmo auf diese Geschäftsidee Ausschüttung. Beim Fonds Procimmo 1 schütten gekommen? wir zum Beispiel 5.30 Franken aus, bei einem AK: Von Anfang an haben wir uns darauf konzent- Nettoinventarwert von 134.85 Franken. Beim Fonds riert, bestehende Liegenschaften zu verdichten und Streetbox beträgt die Dividende 14 Franken. Und zusätzlichen Gewerberaum zu schaffen. Angesichts das sind immer Nettobeträge, denn der jeweilige des grossen Interesses für kleinere Flächen kam die Fonds übernimmt die Steuern. Idee auf, diese neu auf der grünen Wiese zu bauen. Welche Anleger investieren in Fonds von Kleiner ist besser? Procimmo? AK: In diesem Fall schon. Bei Streetbox verfügt AK: Anleger wollen oft für jede Geschäftsidee einen eine Box über 110 Quadratmeter, verteilt auf ein eigenen Fonds. Diversifikation spielt eine grosse Erd- und ein Obergeschoss. Der Quadratmeter pro Rolle, das ist für uns von Vorteil. Weil wir uns auf Jahr kostet 110 Franken, pro Monat beträgt die Nischen konzentrieren, können wir Produkte mit Miete für eine Box rund 1000 Franken. Diese tiefen einem spezifischen Profil anbieten. Damit sprechen Fixkosten sind für viele KMU zentral. Nur ein kleiner wir in erster Linie institutionelle Anleger an. Bei Teil der Boxen wird als Lager genutzt, die meisten unseren Industrie- und Gewerbefonds beträgt ihr machen mehr daraus, das heisst, sie arbeiten darin. Solaranlage in Onnens Anteil rund 80 Prozent. Wir haben zum Beispiel eine Bierbrauerei, ein 6 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Freizeitzentrum für Kinder, einen Importeur von sizilianischen Food-Spezialitäten und einen Gitar- renbauer. Oft sind es Start-ups, die expandieren. Zwei Drittel mieten die Box, ein Drittel kauft sie. Streetbox besteht aus standardisierten Modulen. Wie wichtig ist es, dass sich der Bauprozess industrialisieren lässt? AK: Bei Immobilien handelt es sich in der Regel um Prototypen, was mit grossem Aufwand verbunden ist. Um Kosten zu sparen, legen wir deshalb bei Streetbox grossen Wert auf die Standardisierung. Wie läuft der Bau der Boxen ab? AK: Wir setzen überall die gleichen Boxen ein. Die Arno Kneubühler Module werden vorfabriziert, so sparen wir beim Arno Kneubühler, Jahrgang 1979, ist Transport und beim Montieren auf der Baustelle seit Ende 2015 CEO der Procimmo einen beträchtlichen Teil des Aufwands. Tore und SA und leitet auch die Niederlassung andere Bauteile beschaffen wir mit Rahmenver- in Zürich. Der studierte Betriebs- trägen, da erzielen wir dank den grossen Mengen ökonom ist seit 2013 Mitglied der Einsparungen. Beim Errichten des Fundaments Geschäftsleitung und Partner des arbeiten wir praktisch überall mit dem gleichen Unternehmens. Bauunternehmen zusammen. Procimmo SA Stellt Streetbox keine Konkurrenz zu anderen Procimmo SA, eine von der Eidge- Procimmo-Fonds dar, die über Gewerbeliegen- nössischen Finanzmarktaufsicht schaften verfügen? zugelassene Vermögensverwal- AK: Nein, die Flächen bei Streetbox sind kleiner. terin kollektiver Immobilienanlagen, Es kommt hingegen vor, dass jemand mit seiner verwaltet per Ende 2017 einen Geschäftsidee in der Streetbox beginnt und später, Immobilienbestand im Wert von wenn das Unternehmen mehr Platz benötigt, rund 2,4 Milliarden Franken, der auf in eine Liegenschaft wechselt, die wir in einem sechs Anlagefonds verteilt ist. Das anderen Fonds halten. 2007 gegründete Unternehmen ist auf die Entwicklung und Verwaltung Streetbox ist schnell gewachsen und bietet heute von Immobilienfonds spezialisiert. an rund 25 Standorten rund 1000 Boxen an. Wie Zudem entwickelt es Renovations- erklären Sie sich den Erfolg? und Bauprojekte und bietet diese AK: Noch in den 1990er Jahren befanden sich zu preisgünstigen Mieten an. Ein viele Handwerksbetriebe im Zentrum grösserer Schwerpunkt der Aktivitäten liegt auf Ortschaften. Seither ist der Kostendruck gestiegen Industrie- und Gewerbeimmobilien und die Anforderungen an die Produktivität sind ausserhalb der grossen Städte und gewachsen. Das zeigt sich gerade bei der Logistik: in der Nähe von Autobahnen. Material muss sich effizient ein- und ausladen Procimmo SA beschäftigt an ihrem lassen. In den meisten Zentrumslagen ist das aber Hauptsitz in Mont-sur-Lausanne nicht mehr möglich. Zudem sind hier die Mieten und in der Niederlassung Zürich gestiegen. Diese Veränderungen verlangen nach rund 40 Personen. neuen Angeboten, wie sie Streetbox bietet. Mit kleinen, günstigen und flexiblen Flächen und der Nähe zur Autobahn haben wir den Nerv der Zeit getroffen. Ist das Potenzial ausgeschöpft? AK: Nein. In der Westschweiz, wo wir mit Streetbox angefangen haben, kommen laufend weitere Stand- orte hinzu. Gleichzeitig gehen wir mit diesem Konzept nun in die Deutschschweiz. Das erste Objekt steht in Niederbuchsiten im Kanton Solothurn, wo die Ver- mietung begonnen hat. An vier, fünf weiteren Orten sind wir in der Entwicklungsphase. Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 7
Wie einfach lässt sich das Konzept von Streetbox auf die Deutschschweiz übertragen? AK: In der Deutschschweiz müssen wir dieses Ge- schäft noch bekannter machen. In der Westschweiz ist es bereits sehr populär. Hier werden wir sogar von Gemeinden angefragt, ein Objekt zu realisieren. Das zeigt, dass das Interesse an zusätzlichem Gewerberaum gross ist. Der entscheidende Punkt für uns ist stets das Grundstück: Wir bauen nur zweistöckig, das setzt uns beim Ankauf beim Land- preis Grenzen. Zudem ist die Form der Parzelle wichtig, denn wir müssen möglichst viele Boxen Daniel Zaugg MRICS darauf platzieren können. Solche Flächen auf der grünen Wiese in der Deutschschweiz zu finden, Partner ist etwas schwieriger. Sektor Leiter Real Estate & Construction Procimmo hat in der Westschweiz begonnen und ist seit 2014 auch in der Deutschschweiz aktiv. Ernst & Young AG Wie erleben Sie Mentalitätsunterschiede? Zürich AK: In beiden Sprachregionen bestehen zuweilen daniel.zaugg@ch.ey.com Vorurteile, die so nicht stimmen. Zum Beispiel ist das persönliche Engagement hier wie dort sehr hoch. Vielleicht sind in der Romandie die zwischen- menschlichen Beziehungen etwas wichtiger, während in der Deutschschweiz die Aufmerksamkeit stärker auf Prozesse als auf Inhalte und Ziele gelegt wird. Aber die Unterschiede werden meiner Meinung nach überschätzt. Es wäre erstrebenswert, wenn möglichst viele sich bemühen würden, beide Landessprachen zu erlernen. Das würde auch das gegenseitige Verständnis fördern. Claudio Rudolf FRICS Das Interview führte Thomas Schenk, Partner freier Journalist und Autor. Head Real Estate Transaction Advisory Services Real Estate Ernst & Young AG Zürich claudio.rudolf@ch.ey.com 8 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
2 Workplace of the Future Viele Unternehmen arbeiten derzeit an einer Strategie oder an der Umsetzung eines neuen Arbeitsplatzkonzeptes für ihre Mitarbeiter. Neue Technologien, die Globalisierung sowie der demografische Wandel sind die aktuellen Treiber der modernen Arbeitsplatzge- staltung. Die Steigerung der Mitarbeiterproduktivität, Verbesserung der Kundennähe, Kosteneinsparungen durch eine Mietflächenreduk- tion oder die Errichtung energiesparender Bauten können dabei unternehmensspezifische Zielsetzungen sein. Arbeitgeber sind heute mehr denn je gefordert, den Arbeitsplatz der Zukunft mitzu- gestalten, um mit den sich wandelnden Anforderungen vor allem der neuen Generationen mithalten zu können. Wandel der Bürolandschaft Der Wandel im Arbeitsmarkt geht mit den sich ändernden Strukturen in der Büroland- schaft einher. Der Anspruch auf eine ausreichende Work-Life-Balance der Mitarbeiter und die damit verbundene Flexibilität fordern viele Firmen heraus, Arbeitskonzepte zu entwickeln, welche diesen Anforderungen gerecht werden. Immer mehr Unternehmen nutzen alternative Arbeitsplatzstrategien und ermöglichen somit ihren Angestellten, auch ausserhalb des Büros, im Homeoffice oder von unterwegs zu arbeiten. Im Gegensatz hierzu stehen die Arbeitsplatzkonzepte der Vergangenheit. Diese waren stark geprägt durch den Unternehmenszweck und die interne Mitarbeiterhierarchie. Personalisierte Arbeitsplätze waren und sind auch heute noch in vielen Unternehmen Standard. Dies bedeutet neben festen Innenraumstrukturen die Abgrenzung der einzelnen Abteilungen voneinander. Vorteile des Open Space, wie interdisziplinäre Zusammenarbeit, Kommunikation und kurze Entscheidungswege, sind dadurch zum Grossteil ausgeschlossen. Hierbei ist zu beachten, dass das Mitte der achtziger Jahre entwickelte Open-Space-Konzept nicht gleichzusetzen ist mit den heutigen Open-Space-Strukturen. Neben dem offenen Arbeiten werden heute weitere Arbeitsmöglichkeiten wie zum Beispiel Projekträume, Konzentrationsbereiche oder Besprechungsräume angeboten, um den Büroalltag so produktiv wie möglich zu gestalten. Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 9
Generationenwechsel In der gegenwärtigen Arbeitswelt treffen viele Generationen mit unterschiedlichen Ansprüchen aufeinander. Neben der Babyboomer-Generation (geboren zwischen 1950 und 1965) gibt es die Generation X (geboren zwischen 1965 und 1980), die Generation Y (geboren zwischen 1980 und 1995), auch Millennials genannt, und die Generation Z (geboren zwischen 1995 und 2005). Jede dieser Generationen wurde durch unterschiedliche Einflüsse geprägt und hat folglich auch abweichende Ansprüche an ihre Arbeitsumgebung. Neben attraktiven Karrieremöglichkeiten wird für die jüngeren Generationen beispielsweise eine nachhaltige und erfüllende Aufgabe immer wichtiger. Darüber hinaus sind die Generationen X und Y noch stark davon geprägt, den Job mit dem Privatleben zu verbinden; dazu gehört die andauernde Erreichbarkeit via Smartphone. Die Generation Z bevorzugt im Gegensatz dazu eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben. An diesem Beispiel ist erkennbar, wie die verschiedenen Generationen die Gestaltung des Arbeitsalltags prägen. Eine der wichtigsten Änderungen zwischen den verschiedenen Generationen hat im Bereich der IT stattgefunden. Die tägliche Vernetzung steht im Gegensatz zur Kommunikation vor zwanzig Jahren und ist heute kaum mehr wegzudenken. Die Unterschiede der einzelnen Generationen und deren Arbeitsweise und Anfor- derungen lassen erkennen, dass es nicht ein einzig richtiges Arbeitskonzept für alle Unternehmen gibt – «one size does not fit all». Der Arbeitsplatz der Zukunft Die Implementierung einer neuen Bürostruktur kann sowohl in bereits bezogenen Gebäuden als auch in Neubauten erfolgen. Ist der Entscheid für eine Neugestaltung gefallen, ist es wichtig, die Unternehmensziele mit den baulichen und technischen Anforderungen abzugleichen. Im zweiten Schritt sollte der benötigte Flächenbedarf vorausschauend im Hinblick auf die künftige Belegungsstruktur berechnet werden. Der Grundriss und bestehende Vorgaben der haustechnischen Ausstattung liefern dann die Parameter für mögliche Belegungskonzepte. Die Herausforderung für Firmen und Planer liegt darin, beste- hende oder künftige Business-Prozesse in einem dafür ausgelegten Konzept optimal Einflussfaktoren der Arbeitsplatzkonzeption Real Estate IT Arbeitsplatz- konzeption HR/Business Unternehmensstrategischer und finanzwirtschaftlicher Rahmen 10 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
darzustellen. Folgende Fragen sollten an dieser Stelle thematisiert werden: Wie arbeiten die verschiedenen Abteilungen zusammen? Wie viele fixe Arbeitsplätze werden benötigt und wie viel Raum ist für Kommunikation und Konzentrationsarbeit vorgesehen? Ein weiterer wichtiger Bestandteil der neuen Bürostruktur ist die passende IT-Aus- stattung. Neben der zur Verfügung gestellten Hardware (Laptop, Smartphone, Tablet) sind eine optimale Kommunikationssoftware und der uneingeschränkte Zugriff auf relevante Daten für einen reibungslosen Tagesablauf notwendig. Die IT ist für die Flexibilität der Mitarbeiter und somit für das umzusetzende Arbeitsplatzkonzept von grosser Bedeutung. Elke Gregoria Gall Ausblick Vor allem das Thema Digitalisierung und die damit einhergehenden Möglichkeiten Manager werden den Wandel weg vom klassischen Arbeitsplatz weiter vorantreiben. Beschäf- Transaction Advisory Services tigte werden an verschiedenen Orten innerhalb wie auch ausserhalb des Unterneh- Real Estate mens arbeiten und die Möglichkeit der nicht standortbezogenen Vernetzung immer mehr in Anspruch nehmen. Ernst & Young AG Zürich Für Unternehmen gilt es, die passende Infrastruktur, neue Freiheiten bei der Wahl elke.gall@ch.ey.com der Endgeräte und kollaborative Arbeitsmöglichkeiten zu schaffen. Infolge mobiler Arbeitsmodelle wird es voraussichtlich zu einer weiteren Verringerung der festen Arbeitsplätze kommen. Dennoch gilt es für Unternehmen den Arbeitsplatz als umfassenden Wertschöpfungsfaktor zu nutzen, um das Wohlbefinden und somit das Leistungsverhalten der Mitarbeitenden generationenübergreifend positiv zu beeinflussen. Bei der Gestaltung von Büroimmobilien dürfen nicht nur die Funktiona- lität oder die Ökonomie im Vordergrund stehen, Komfort am Arbeitsplatz spielt eine ebenso wichtige Rolle. Neben einem passenden Nutzungskonzept sollten daher auch die haustechnischen Punkte nicht vernachlässigt werden. Martin Lüthi Consultant Transaction Advisory Services Real Estate Ernst Young AG Zürich martin.luethi@ch.ey.com Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 11
3 Markt- intelligenz in der Bewertung Aufgrund der historisch tiefen Zinsen und der dadurch verursachten Renditedifferenz zu anderen Kapitalanlagen ist die relative Attrak- tivität von Immobilienanlagen nach wie vor hoch. Insofern ist davon auszugehen, dass die Nachfrage nach Renditeliegenschaften bestehen bleibt und weiterhin preistreibend wirkt. Weil Anleger, unter akutem Anlagedruck stehend und auf der Suche nach Rendite, bereit sind, immer höhere Preise zu bezahlen, sinken die damit zu erzielenden Renditen seit Jahren. So ist beispielsweise die mittlere Bruttorendite für MFH (Neubau) von rund 6,3 Prozent im Jahr 2000 auf 3,8 Prozent im Jahr 2017 gesunken (vgl. Abbildung 1). Abbildung 1: Aktuelle Bruttorenditen MFH (Neubau) 7.50% 7.00% 6.50% 6.00% 5.50% 5.00% 4.50% 4.00% 3.50% 3.00% 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 Mittlere Rendite Quelle: Immobilienumfrage HEV Schweiz 12 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Abbildung 2: Räumliche Veränderungen im Anlagefokus Heute Globaler Anlagefokus Nationaler Anlagefokus Lokaler Anlagefokus Peripherie Peripheriezentrum Kleinzentrum Mittelzentrum Grosszentrum Globaler Anlagefokus Morgen Nationaler Anlagefokus Lokaler Anlagefokus Peripherie Peripheriezentrum Kleinzentrum Mittelzentrum Grosszentrum Quelle: Fahrländer Partner Investoren sind zunehmend gezwungen, für ein bisschen mehr Rendite höhere Risiken einzugehen. In Divergenz zur räumlichen Nachfrage weiten Investoren dabei ihren Anlagefokus zusehends auf periphere, ländliche und weniger gut erschlossene Lagen aus (vgl. Abbildung 2). Die hohe Bautätigkeit hat an diesen Lagen bereits zu einer Erhöhung der Leerstände geführt. In der Folge ist mit zunehmenden Vermark- tungsschwierigkeiten zu rechnen, was Druck auf die Mieten auslöst und insgesamt zu erhöhten Projektrisiken führen kann. Bereits in den vergangenen Jahren war die Gesamtperformance von Immobilien jedoch nur zu einem kleinen Teil von der Cashflow-Entwicklung beeinflusst. Wie die Indizes von Fahrländer Partner (FPRE) zeigen, sind die Erträge von MFH seit dem Jahr 2000 qualitätsbereinigt im landesweiten Mittel um rund einen Drittel angestiegen. Bei Büro- und Verkaufsflächen, 7 Prozent beziehungsweise 15 Prozent, sind die Entwicklungen ebenfalls positiv, aber weit weniger dynamisch ausgefallen. Demgegenüber sind die Marktwerte mit 115 Prozent bei den MFH beziehungsweise 55 Prozent (Büro) und 65 Prozent (Verkauf) deutlich stärker gestiegen. Insgesamt sind rund drei Viertel der Wertsteigerungen zwischen dem Jahr 2000 und 2016 mit den gesunkenen «Verzinsungserwartungen» der Investoren zu begründen und nur rund ein Viertel mit den steigenden Mieten. Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 13
Gemäss Beobachtungen von FPRE ist in den ersten drei Quartalen 2017 die Zahlungs- bereitschaft für MFH im Schweizer Mittel nochmals markant gestiegen beziehungsweise sind die Renditen bei Transaktionen mit –30 bis –40 Basisindexpunkten (BIP) weiter gesunken. An den besten Geschäftslagen konnten die Renditen für Büroliegenschaften auf konstantem Niveau gehalten werden, während sich an mittleren Lagen ein Anstieg der Renditen für Büronutzungen um 30 BIP abzeichnete (Preisrückgang). Ähnlich haben sich die Renditen für Verkaufsnutzungen entwickelt (beste Lagen: konstant; mittlere Lagen: +10 Indexpunkte). Der Anlagedruck im Tiefzinsumfeld zwingt Investoren zunehmend auch zum Kauf von unkonventionellen Immobilienanlagen, wodurch auch die Renditen von Gewerbeliegenschaften an vorteilhaften Lagen seit Anfang Jahr um 40 BIP gefallen sind (durchschnittliche Gewerbelagen werden zu ähnlichen Renditen gehandelt wie 2016). Befragungen von Experten sowie aktuelle Marktdaten lassen zudem erwarten, dass sich der zuletzt leicht negative Ertragstrend in allen Segmenten fortsetzen wird. Die aufgrund des Anlagenotstandes gestiegene Zahlungsbereitschaft von Investoren und die somit steigenden buchhalterischen Wertänderungsrenditen dürften diese Einbussen mindestens im Wohnbereich vorläufig überkompensieren und somit zu einem anhaltend wachsenden Gap zwischen der Entwicklung der Marktwerte und der Mieten führen. Die Rückkehr der 10-jährigen Schweizer Staatsanleihe in den positiven Zinsbereich Anfang 2017 ist jedoch ein Indikator dafür, dass der Zinszyklus am unteren Ende angekommen ist und in nächster Zukunft eher mit einem konstanten oder einem leicht steigenden Zinsniveau zu rechnen ist, was zu einer Entspannung am Immobilienmarkt führen kann. Abbildung 3: Diskontierungszinssätze (schematisch) nach Lagequalitäten (2000 — 2018) 00 20 10 20 13 15 20 20 18 20 D C B A-Lage B C D Quelle: Fahrländer Partner, Immobilien Almanach Schweiz 2017 14 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Diskontierungszinssätze als zentrales Element Bei der Bewertung von Renditeliegenschaften mittels Discounted-Cashflow-Methode (DCF) kommt der Festlegung des risikogerechten Diskontierungszinssatzes eine zentrale Bedeutung zu. Da sich die verwendeten Diskontierungszinssätze am jeweils gegenwärtigen Markt orientieren, sind sie seit 2000 deutlich gesunken. Zusätzlich ha- ben sich die Unterschiede zwischen Top-, B- und C-Lagen im Wohnbereich zusehends abgeschwächt (vgl. Abbildung 3). Als Folge der teils (zu) geringen Risikoaufschläge resultieren jedoch erhebliche regionale Korrekturpotenziale. Insbesondere an B- und C-Lagen dürfte ein Anstieg der Verzinsungserwartungen mit entsprechenden Bewertungskorrekturen verbunden sein. Dies gilt speziell für die künftige Entwicklung des Transaktionsmarktes. Obschon Sebastian Zollinger dasselbe zwar auch für die Liegenschaften im Bestand gilt, existiert dort ein gewisser bewertungstechnischer Puffer. Eine Analyse von Geschäftsberichten institutioneller Senior Manager Anleger hat gezeigt, dass die Differenz zwischen effektivem Marktpreis und Buchwert Head Real Estate Valuation zudem bei lange gehaltenen Liegenschaften grösser ist als bei solchen mit kurzer Transaction and Advisory Services Haltedauer. In vielen Portfolios besteht somit eine Art «stiller Reserven», womit bei einer Trendumkehr auf dem Transaktionsmarkt erste negative Auswirkungen Ernst & Young AG kurzfristig abgedämpft werden können. Zürich sebastian.zollinger@ch.ey.com In der langen Frist hingegen sind deutliche regionale Unterschiede hinsichtlich des Gesamteffektes bei einer Trendumkehr zu erwarten. Die Nachfrage nach Nutzflächen und Wohnungen wird sich regional stark unterschiedlich entwickeln. Entsprechend sind sowohl die Renditeerwartungen, aber auch die Risiken — insbesondere im Lichte unterschiedlicher Langfristszenarien — regional stark zu differenzieren. Bei den Erwartungen über die langfristige Entwicklung der regionalen Renditen spielen demnach sowohl die generellen Verzinsungserwartungen als auch die Entwicklung — und szenarische Konsistenz — der Nachfrage- und Ertragserwartungen eine zentrale Rolle, die je nach Portfolioallokation mehr oder weniger gute Ergebnisse zeigen werden. Hier liegen Optimierungsmöglichkeiten und damit Chancen. Zusammenarbeit mit FPRE Manuel Lehner Ernst & Young (EY) arbeitet eng mit Fahrländer Partner (FPRE) zusammen und nutzt sowohl deren Marktdaten als auch deren Diskontsatzmodell als Basis für die Partner Bestimmung einer marktgerechten Verzinsung von Liegenschaften in der Schweiz. Fahrländer Partner Umfangreiche Datenbestände ermöglichen FPRE eine realitätsnahe Modellierung Raumentwicklung (FPRE) des Diskontierungszinssatzes nach Standort und Nutzung. Basierend auf einer Zürich jährlichen Berechnung werden quartalsweise Nachführungen vorgenommen, um ml@fpre.ch eine fortlaufende Anpassung an die sich stets verändernden Marktbedingungen sicherzustellen. Räumlich unterschiedlichen Rendite-Risiko-Profilen soll damit möglichst adäquat Rechnung getragen werden. Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 15
4 Das optimale Zinsniveau Seit Ausbruch der globalen Finanzmarktkrise im Sommer 2007 gehören sowohl die Nullzinspolitik als auch massive Wertpapierkäufe der Nationalbanken zur (neuen) Norm. Dank den enormen Liquiditätsspritzen konnte der komplette Zusammenbruch der weltweiten Finanzmärkte verhindert werden. Doch auf diesem rekordtiefen, ultraexpansiven Niveau verharren die Zinsen nun schon rund zehn Jahre und die führenden Notenbankvorsitzenden sind sich einig, dass die Ära der Nullzinspolitik überfällig ist und die Zinsen wieder steigen müssen. Als Zeichen der Trendwende hat Janet Yellen, die Präsidentin des Federal Reserve (FED), im Juni den Leitzins der USA auf 1,25 Prozent angehoben. Auch Mario Draghi will als Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) weg von einer äusserst expansiven Geldpolitik und hat angekündigt, die Wertpapierkäufe zu halbieren. Eine Zinserhöhung für die EZB betrachtet Draghi aktuell aber noch als zu früh. Dasselbe Bild zeigt sich bei der Zinspolitik der Schwei- zerischen Nationalbank (SNB), welche noch bei den Strafzinsen von rund –0,75 Prozent verharrt, trotz Abschwächung des Schweizer Frankens zum Euro. Grafik 1: Entwicklung Leitzinssätze (LIBOR overnight rates) 6.00 5.00 4.00 3.00 2.00 1.00 0.00 —1.00 07 07 08 08 09 09 10 10 11 11 12 12 13 13 14 14 15 15 16 16 17 17 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. 1. 7. USA UK EURO JPY CHF Quelle: BOJ, EZB, FED, BoE, SNB Die Nationalbanken steuern den Geldmarkt durch die Bestimmung des Leitzinssatzes massgeblich; das Niveau des Leitzinssatzes gilt als Signal, an dem sich die übrigen Zinssätze ausrichten. Weltweit werden Anlageinstrumente und deren Preise grundle- gend durch die Höhe und Veränderung der Leitzinssätze beeinflusst. In den vergangenen zehn Jahren stieg das BIP nicht im gleichen Masse, wie die Notenbanken die Vermö- gensbestände auf den globalen Finanzmärkten erhöhten. Die dabei überschüssige Liquidität verzerrt die Vermögenspreise. 16 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Im Zusammenhang mit den Leitzinsen sprechen die Wissenschaftler vom natürlichen beziehungsweise optimalen Zinssatz (r*). Dieser Gleichgewichtszinssatz ist der um die Inflation bereinigte, reale und kurzfristige Zinssatz, welcher sich bei einer voll ausgelasteten Volkswirtschaft einstellt. Die zwei Wissenschaftler Thomas Laubach und John C. Williams forschen aktuell am Gleichgewichtszinssatz und prophezeien, dass der natürliche Zinssatz auf tiefem Niveau verharren wird und Nullzinsären zukünftig länger und öfter eintreten werden. Sie sehen den sinkenden natürlichen Zins als internationales Phänomen mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Geldpolitik (Laubach, Thomas, und Williams, John C. Williams. 2015. «Measuring the Natural Rate of Interest Redux». Federal Reserve Bank of San Francisco Working Paper 2015 — 16). Interessant sind ihre Erklärungen für den veränderten, natürlichen Zinssatz: • Verschiebung in der Demografie (durch die erhöhte Lebenserwartung wird einerseits der Anreiz der Menschen gesteigert, Geld fürs Alter auf die Seite zu legen. Andererseits steigt durch das niedrige Bevölkerungswachstum in Europa und Amerika der Anteil an Pensionären, welche den Konsum anheizen. Der dabei sinkende Konsum dämpft den natürlichen Zinssatz, wohingegen der steigende Konsum durch Pensionäre dem Effekt entgegenwirken kann.) • Verlangsamung Produktivitätswachstum und sinkendes Potenzialwachstum BIP (trotz expansiver Geldpolitik wird zu wenig investiert, die Nachfrage lahmt, Kapazitäten sind unterausgelastet und Geld wird gehortet. Das aktuelle BIP-Wachstum wird weder den Erwartungen noch der expansiven Geldpolitik gerecht.) Die Grafik der Federal Reserve Bank of San Francisco veranschaulicht die Entwicklung der natürlichen Zinssätze seit 1987 und wiederspiegelt die aktuell sehr grosse Prognoseunsicherheit für deren zukünftige Entwicklung. Dabei stellt die gelbe Linie den Medianwert der Schätzung des natürlichen Zinssatzes dar, die dunkelgraue beziehungsweise hellgraue Färbung jeweils die Schätzungsintervalle von 70 Prozent beziehungsweise 90 Prozent. Grafik 2: Entwicklung und Prognose des natürlichen Zinssatzes 10.0 8.0 6.0 90% 4.0 70% 2.0 0.0 —2.0 —4.0 —6.0 1987 1990 1993 1996 1999 2002 2005 2008 2011 2014 2017 2020 Bemerkung: Der optimale Zinssatz kann nicht gemessen werden, Schätzungen weisen daher signifikante Veränderungen über die Zeit aus; Quelle: Federal Reserve Bank of San Francisco, «Why so slow? A gradual return for interest rates»; Vasco Cúrdia; Oktober 2015 Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 17
Daher rührt die aktuell vorliegende kontroverse Sichtweise der Wissenschaftler, welche keinen eindeutigen Nachweis dafür sehen, dass die natürlichen Zinsen in mittlerer Frist zum herkömmlichen Niveau zurückklettern werden, und der Nationalbankchefs, welche Zinserhöhungen ankündigen. Aus geldpolitischer Sicht waren die negativen Leitzinsen sowie die Intervention der SNB auf dem Geldmarkt unverzichtbare Mittel. Nur so konnte dem enormen Aufwertungsdruck des Schweizer Frankens, angesichts der niedrigen Zinssätze auf den globalen Märkten gekoppelt mit der schwierigen wirtschaftlichen Lage, entge- gengewirkt werden («Negative interes rates: necessary from a monetary policy perspective – but with risks for the banks», November 2016, Fritz Zurbrügg, SNB). Auf dem Schweizer Immobilien- und Hypothekarmarkt verschärft sich hingegen die Situation aufgrund der tiefen Leitzinsen zusehends und der Markt mit stetig steigenden Immobilienpreisen gilt seit längerem als exzessiv. Die in Grafik 3 abgebildete entgegen- gesetzte Entwicklung der Immobilienpreise und deren Renditen sowie der Spread zwischen den Nettorenditen auf Immobilien und Bundesobligationen verdeutlicht die Attraktivität des Immobilienmarktes für Anleger. Grafik 3: Preis-Rendite-Entwicklung im Schweizer Immobilienmarkt 5.0% 4.60% 4.50% 4.40% 4.10% 140 3.90% 3.90% 4.0% 3.60% 3.0% 2.23% 125 1.90% 2.0% 1.76% 1.41% 1.08% 1.04% 1.19% 1.0% 0.69% 0.69% 0.52% 0.37% 0.49% 110 -0.08% -0.21% 0.0% —1.0% 95 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 Immobilienpreise (indexiert) Ø Kassenobligation (8-jährige Laufzeit) Ø Nettorendite (MFH) Bundesobligation (10-jährige Laufzeit) Quelle: CapitalIQ, FPRE, SNB Die Leitzinsen wirken sich auch auf das Niveau der Hypothekarzinssätze und auf die Werte von Liegenschaften (Yield Compression) aus. Parallel zu den Leitzinssätzen zeigt sich das Bild auf dem Schweizer Hypothekarmarkt. Die variablen und festver- zinslichen Hypothekarsätze sind seit 2009 ebenfalls auf rekordtiefem Niveau stecken geblieben. Gleichzeitig drängen neue Direktanbieter von Hypotheken, wie Versicherer und Pensionskassen, auf den Markt und erhöhen den Druck auf Rendite und Zinsmargen zusätzlich. Für Immobilieninvestoren bietet dies ein besonders attraktives Marktumfeld für deren Verschuldung. Zusätzlich weiten Hypothekaranbieter ihre Kreditvolumen aus und es entstehen Anreize, die Erschwinglichkeit von Immobilien zu Gunsten eines höheren Kreditvolumens verzerrt zu beurteilen. Die Hypothekarzinssätze liegen derzeit rund 300 Basispunkte unter dem Niveau von 2008 (vgl. Grafik 4). Die Differenz zwischen dem Mittelwert einer 10-jährigen festverzinslichen Hypothek und einer variablen Verzinsung (3-jährige Laufzeit basierend auf 3-Monats-LIBOR) beläuft sich aktuell auf 60 Basispunkte (Verzinsung: 1,63 Prozent beziehungsweise 1,03 Prozent). 18 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Grafik 4: Entwicklung Hypothekarzinssätze Schweiz 5.0 4.0 Verzinsung in % 3.0 2.0 1.0 1 7 1 7 1 7 1 7 1 7 1 7 1 7 1 7 1 7 1 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 —0 08 08 09 09 10 10 11 11 12 12 13 13 14 14 15 15 16 16 17 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 20 Ø Hypothek variable Verzinsung (LIBOR) Bemerkung: Die 0,25-/0,5-/0,75-Quantile für alle Verzinsungen sind gepunktet abgetragen; Quelle: SNB Die Höhe des Leitzinses steht im Verhältnis zum natürlichen Zins. Eine restriktive beziehungsweise expansive Situation entsteht, wenn der Leitzins im Verhältnis zum natürlichen Zins zu hoch beziehungsweise zu tief angesetzt wird. Die anstehenden Leitzinsentscheide werden massgeblich bestimmen, ob wir am Höhepunkt im Immo- bilienmarkt angekommen sind und die Trendwende erfolgen wird oder aber ob die Überhitzung weiter ansteigt. Eine eintretende Trendwende wird mit unterschiedlich hohem Tempo den kompletten Immobilienmarkt betreffen und sich relativ schnell bremsend auf den Finanzierungs- und Hypothekarmarkt auswirken. Verzögert treten die Korrektur der Bewertungen durch den erhöhten Kapitalisierungssatz und schlussendlich auch der Effekt auf die erzielten Transaktionspreise aller Liegenschafts- kategorien ein. Unabhängig davon darf beim langfristigen Finanzierungshorizont einer Immobilie nicht davon ausgegangen werden, dass die attraktiven finanziellen Bedingungen auf dem aktuellen Niveau verharren werden. Dr. Casper Studer MRICS Andrea Simone Fuhrer Senior Manager Senior Consultant Transaction Advisory Services Transaction Advisory Services Real Estate Real Estate Ernst & Young AG Ernst & Young AG Zürich Zürich casper.studer@ch.ey.com andrea-simone.fuhrer@ch.ey.com Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 19
5 Steuerliche Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung Steuerliche Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung für Zwecke der Grundstückgewinn- und der Einkommenssteuer bei vorzeitiger Auflösung einer Hypothek anhand der vom Bundesge- richt am 3. April 2017 publizierten Urteile (BGE 2C_1165/2014 und 2C_1148/2015) Wird beim Verkauf eines Grundstücks eine Vorfälligkeitsentschädigung auf der gekündigten Hypothek fällig, stellt sich die Frage, ob diese bei der Einkom- menssteuer oder der Grundstückgewinnsteuer abzugsfähig ist. In seinen am 3. April 2017 publizierten Urteilen (2C_1165/2014 und 2C_1148/2015) hatte das Bundesgericht die Gelegenheit, sich zur steuerlichen Behandlung solcher Vorfälligkeitsentschädigungen zu äussern. Im ersten Fall aus dem Kanton Zürich (vgl. BGE 2C_1148/2015) ging es um Erben einer Geschäftsliegenschaft in Zürich, welche diese für rund MCHF 62 an eine Versicherungsgesellschaft veräusserten. Da der Verkauf der Geschäftsliegenschaft an die Versicherungsgesellschaft ohne hypothekarische Belastung erfolgen sollte, wurden die auf dem Grundstück lastenden Hypotheken gegen eine Vorfälligkeitsent- schädigung von rund MCHF 2,5 abgelöst. Die Witwe machte die Vorfälligkeitsent- schädigung bei der Einkommenssteuer geltend, was im Umfang von rund MCHF 0,5 gewährt wurde. Die Differenz von rund MCHF 2,0 wollten die Erben bei der Grund- stückgewinnsteuer als Anlagekosten gewinnmindernd zum Abzug bringen. Die Steuerbehörden und das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich liessen diesen Abzug nicht zu. 20 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
Der Sachverhalt kann vereinfacht wie folgt dargestellt werden Bezahlung Vorfälligkeitsentschädigung Hanspeter Saner Verkauf der Partner Geschäftsliegenschaft Real Estate Tax Services Ernst & Young AG Basierend auf den neu aufgestellten Thesen (vgl. nachfolgende Tabelle) liess das Bern Bundesgericht die Vorfälligkeitsentschädigung bei der Grundstückgewinnsteuer als hanspeter.saner@ch.ey.com Anlagekosten zum Abzug zu. Dabei führte es aus, dass die bezahlte Vorfälligkeitsent- schädigung bei der Grundstückgewinnsteuer als Anlagekosten zum Abzug zugelassen werde, wenn die Auflösung der Hypothek in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft stehe. 2. Neuenburger Entscheid Im zweiten Fall aus dem Kanton Neuenburg (vgl. BGE 2C_1165/2014) ging es um ein Ehepaar, welches im Kanton Waadt eine Eigentumswohnung besass, die mit zwei Hypotheken belastet war. Im Jahr 2012 veräusserte das Ehepaar diese Eigentums- wohnung an einen Dritten. Im Hinblick auf den Verkauf der Wohnung kündigte das Ehepaar die zwei auf der Wohnung lastenden Hypotheken und bezahlte für die Auflösung beider Hypotheken eine Vorfälligkeitsentschädigung von rund TCHF 44. Martin Kistler Die Eigentümer machten die bezahlte Vorfälligkeitsentschädigung daraufhin bei der Einkommenssteuer als abzugsfähigen Schuldzins geltend. Die Steuerbehörden Manager und das Kantonsgericht des Kantons Neuenburg liessen diesen Abzug nicht zu. Real Estate Tax Services Der Sachverhalt kann vereinfacht wie folgt dargestellt werden Ernst & Young AG Bern martin.kistler@ch.ey.com Bezahlung Vorfälligkeitsentschädigung Verkauf der Eigentums- wohnung an einen Dritten Michel Greter Senior Consultant In seinem Urteil entschied das Bundesgericht, dass der Abzug bei der Einkommens- Real Estate Tax Services steuer von den Vorinstanzen zu Recht verweigert worden sei. Die Vorfälligkeits- entschädigung könne bei der Einkommenssteuer nur als Schuldzins vom steuerbaren Ernst & Young AG Einkommen abgezogen werden, wenn die aufgelöste Hypothek durch eine andere Bern Hypothek bei der gleichen Bank ersetzt würde. In seinem Urteil hat das Bundesgericht michel.greter@ch.ey.com jedoch nicht beurteilt, ob die Vorfälligkeitsentschädigung bei der Grundstückgewinn- steuer hätte geltend gemacht werden können. Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 21
3. Auslegeordnung zur Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschädigung Die Praxis der Kantone betreffend die Abzugsfähigkeit der Vorfälligkeitsentschä- digungen war bisher unterschiedlich. Im Rahmen dieser beiden Urteile hat das Bundesgericht eine Auslegeordnung vorgenommen. Der nachfolgenden Tabelle kann entnommen werden, in welchem Fall eine Vorfälligkeitsentschädigung bei Liegen- schaften im Privat- und Geschäftsvermögen als abzugsfähig gilt: Anfallen einer Einkommens-/Gewinnsteuer Grundstückgewinnsteuer Vorfälligkeitsentschädigung (VfE) (direkte Bundessteuer sowie Kantons- und Gemeindesteuern) infolge Kündigung der Hypothek und Ersetzen VfE als Schuldzins vom derselben durch eine neue Hypothek beim steuerbaren Einkommen VfE nicht absetzbar gleichen Kreditgläubiger absetzbar infolge Kündigung der Hypothek und neuer LS im VfE nicht absetzbar VfE nicht absetzbar Finanzierung durch einen anderen Kreditgläubiger Privatvermögen VfE als Anlagekosten infolge Kündigung der Hypothek im Hinblick vom steuerbaren auf die Veräusserung der Liegenschaft ohne VfE nicht absetzbar Grundstückgewinn eine Erneuerung des Darlehensverhältnisses absetzbar VfE als geschäftsmässig LS im wobei sich die verkaufte Liegenschaft im begründeter Aufwand VfE nicht absetzbar Geschäftsvermögen Geschäftsvermögen des Verkäufers befand vom steuerbaren Gewinn absetzbar 4. Würdigung Diese Urteile des Bundesgerichts sind im Hinblick auf die Rechtssicherheit zwar zu begrüssen. Es ist davon auszugehen, dass die Kantone ihre Praxis entsprechend anpassen (müssen). In gewissen Fällen schränken sie allerdings die (bisherige) Abzugsfähigkeit von Vorfälligkeitsentschädigungen ein. So können solche im Falle einer Veräusserung der Liegenschaft zwar als Anlagekosten bei der Grundstück- gewinnsteuer in Abzug gebracht werden; auf Stufe der direkten Bundessteuer bleibt indessen in diesen Fällen eine steuerliche Berücksichtigung verwehrt. Daneben ist es aus unserer Sicht stossend, dass eine im Rahmen einer Umfinanzierung zu leistende Vorfälligkeitsentschädigung steuerlich nur absetzbar ist, sofern diese beim gleichen Kreditgeber erfolgt. Anscheinend qualifiziert auch die Steuerverwaltung des Kantons Bern die neue Praxis des Bundesgerichts als kritisch. So führt diese auf ihrer Online-Plattform (TaxInfo; zuletzt besucht am 17. November 2017) aus, dass die Vorfälligkeitsentschädigung im Kanton Bern — entgegen den Erwägungen des Bundesgerichts — wie bisher bei der Einkommenssteuer in Abzug gebracht werden kann, wenn die Auflösung der Hypothek nicht in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem Verkauf der Liegenschaft steht. Die Steuerverwaltung des Kantons Bern differiert somit zu Recht nicht, ob die neue Hypothek beim gleichen oder bei einem anderen Kreditgläubiger abgeschlossen wird. In jedem Fall empfiehlt es sich, bei einer vorzeitigen Auflösung einer Hypothek die Steuerfolgen detailliert zu analysieren und die von den kantonalen Steuerverwaltungen angewandte Praxis zu überprüfen. 22 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
6 Asset-Swaps Diversifikation und Renditeoptimierung im Tiefzinsumfeld Selten war im Schweizer Immobilienmarkt so viel Geld vorhanden, das angelegt werden muss, wie heute. Konfrontiert mit seit Jahren sinkenden Zinsen und anhaltendem Anlagenotstand sind institu- tionelle Anleger auf der Suche nach Möglichkeiten, ihr Kapital in Liegenschaften mit nachhaltigem Cashflow zu investieren, und stossen dabei aufgrund des angebotsseitigen Engpasses zunehmend in neue Risikokategorien und Märkte vor. Auch alternative Transaktionsformen wie Asset-Swaps gewinnen im heutigen Marktumfeld immer mehr an Bedeutung, da sie den Liquiditätsgrad der Parteien nicht tangieren und einen optimalen Diversifikationseffekt im Portfolio bewirken können. Obwohl es keine allgemeingültige Definition für den Begriff «Asset-Swap» gibt, wird darunter im immobilienspezifischen Kontext eine kombinierte Kauf- und Verkaufstrans- aktion verstanden, bei welcher zwei oder mehrere Objekte «getauscht» werden. Bei einem Asset-Swap findet also keine Kaufpreiszahlung statt, vielmehr wird ein physisches Asset als Gegenleistung übernommen und — je nach Situation — für Preisdiskrepanzen zwischen den getauschten Liegenschaften eine Ausgleichszahlung geleistet. Im deut- schen Sprachgebrauch wird daher oft auch der Begriff «Tauschgeschäft» verwendet. Abzugrenzen ist der Begriff «Swap» im Sinne eines derivativen Finanzinstrumentes, welches vorwiegend zwischen Kreditinstituten zwecks Austauschs zukünftiger Zahlungsströme abgeschlossen wird. In den letzten Jahren war eine relativ starke Zunahme an Asset-Swap-Transaktionen zu verzeichnen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Lage am Schweizer Immobilien- markt bildet einer der Hauptvorteile dieser Transaktionsart die Möglichkeit, ein neues Asset zu erwerben, ohne den Liquiditätsgrad der involvierten Parteien zu beeinflussen. Asset-Swaps sind also vor allem für Investoren mit einer «Hold-Strategie» interessant und bieten eine optimale Gelegenheit, die Profitabilität auch in einem Umfeld von tiefen Zinsen und hohen Marktpreisen zu steigern. Asset-Swaps sind weiter ein einzigartiges Instrument zur Diversifikation des bestehenden Portfolios. So kann beispielsweise ein Objekt veräussert werden, welches der derzeitigen Anlagestrategie nicht entspricht, und im Gegenzug eine Liegenschaft erworben werden, welche das Real Estate News Ausgabe Winter — 2018 | 23
Illustrative Darstellung einer Asset-Swap-Transaktion Unternehmen A Unternehmen B Kaufvertrag Immobilienportfolio Immobilienportfolio Property D Property E Property A Property E Nutzungsart Nutzungsart Property C Property D Property B Property A Property C Property B Geografisches Kriterium Geografisches Kriterium Kaufvertrag bestehende Portfolio aufgrund geografischer Kriterien, der Nutzungsart, des Alters oder der Bausubstanz noch passender ergänzt. Asset-Swaps werden in den meisten Fällen im Rahmen einer systematischen Diversifikationsstrategie eingesetzt, um Marktchancen zu erhöhen oder Risiken abzubauen. Schliesslich können Asset-Swaps auch einen Zugang zu Anlageobjekten bieten, welche auf dem freien Markt nicht verfügbar wären. Vorteile und Herausforderungen einer Asset-Swap-Transaktion im Überblick Vorteile Herausforderungen Portfoliooptimierung für beide Parteien Höhere Komplexität des Prozesses Diversifikation ohne Tangierung des Liquiditätsgrades Objekt-Match und Bestimmung der Ausgleichszahlung Hohe Exklusivität und Diskretion während des Prozesses Limitierte oder keine Vergleichbarkeit der Angebote Partnerschaftlicher Ansatz Mögliche steuerliche Aspekte Unsere Erfahrung in der Begleitung von Asset-Swap-Transaktionen zeigt, dass diese grundsätzlich mit einer höheren Komplexität einhergehen als herkömmliche Transaktionsformen und anhand eines strukturierten Prozesses präzise geplant und durchgeführt werden müssen. Wie in der nachfolgenden Grafik ersichtlich ist, folgt ein Asset-Swap prinzipiell einem iterativen Prozess, bei welchem die integrierte Koordination aller Projektbeteiligten einen elementaren Grundbestandteil bildet. 1. In einem ersten Schritt gilt es, im Rahmen einer Analyse- und Konzeptionsphase das zu tauschende Objekt zu eruieren und dessen Stärken und Schwächen abzuleiten, indem eine detaillierte Markt- und Liegenschaftsanalyse erstellt wird. Je besser die Eigenschaften der eigenen Liegenschaft bekannt sind, desto präziser können auch die Anforderungen an das erwünschte Tausch- objekt definiert werden. 2. Anschliessend folgt eine Go-to-market-Phase, bei der mit allfälliger Unterstützung eines externen Beraters potenzielle Tauschpartner und -objekte identifiziert werden können, deren Profil auf das angebotene Investment passt. 24 | Real Estate News Ausgabe Winter — 2018
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