FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg

Die Seite wird erstellt Philipp Steffen
 
WEITER LESEN
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
APROPOS
                                     Nr. 190
Den VerkäuferInnen bleibt EUR 1,50

                                        3,E0ur0o
                                                                                             Ihre äuferin
                                                                                               Verk käufer:
                                                                                          po -
                                                                                             s      r
                                                                                  Ap ro o pos-Ve

                                               DIE SALZBURGER STRASSENZEITUNG       h r A pr
                                                                                  I

                                                                                                              e!
                                                                                                       Dank
                                                                                                sagt

FREI
                                                                 Titelinterview mit
                                                                 Ö1-Journalistin
                                                                 Renata Schmidtkunz

      ... IM DENKEN
      ...…VON BALLAST
      ...…VON VORURTEILEN                                                                       JUNI 2019
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
2      [INHALT]                                                                                                                                                                   [EDITORIAL]
                                                                                                                                                                                                                                           3
                                                                   Thema:   FREI                                      SCHREIBWERKSTATT
                                                                                                                      Platz für Menschen und Themen, die sonst nur

                      6
                                                                      4     Dein Wille, mein Wille                    am Rande wahrgenommen werden.
                                                                            Cartoon                                   15     Sonja Stockhammer
                                                                      5     Der Zusatz                                16     Andrea Hoschek
                                                                            Frage des Monats
                                                                                                                      17     Georg Aigner
                                                                      6     Ermöglicher statt Verhinderer                    Evelyne Aigner
  Der Geschichtensammler                                                    Interview mit Verleger Hannes Steiner
  Hannes Steiner: Er war Jurist,                                                                                      18     Luise Slamanig

                                                                                                                                                                                   FREI
 Buchhändler und erfolgreicher                                        10    Viel Greta, wenig Klima                          Narcista Morelli                                      Editorial
  Verleger. Jetzt ist er zum Ge-                                            Wie viel Komfort ist uns die Erde wert?   19     Chris Ritzer
   schichtensammler geworden.                                         12    Positiv denken allein ist zu wenig
Im Titelinterview erzählt er von                                                                                      20     Hanna S.
                                                                            Mit der WOOP-Methode zum Ziel
           seiner neuen Schreib                                                                                              Ogi Georgiev
                                                                      14    Auf der Straße
                                                                                                                      21     Monika Fiedler
                                                                            Freiwilliger Besuchsdienst in Salzburg
                                                                                                                             Kurt Mayer
                                                                                                                                                                                   Liebe Leserinnen und Leser!

                                                                                                                      AKTUELL
            10                                                                         11
                                                                                                                                                                                   Freiheit ist ein kostbares Gut und muss immer                  Wer sorgsam mit Dingen umgeht, sorgt auch
                                                                                                                                                                                   wieder aufs Neue erlangt werden. Denkstruk-                    gut für seine Umwelt. In Salzburg hat es sich die
                                                                                                                      22     Schriftsteller trifft Verkäuferin                     turen ändern sich, gesellschaftliche Strömungen                Gruppe der Anonymen Aufräumer zum Ziel
                                                                                                                             Schriftsteller Christian Weingartner hat              wechseln sich ab, Systeme entstehen und vergehen               gesetzt, durch die Stadt zu gehen und Müll zu
                                                                                                                             Verkäuferin Andrea Hoschek getroffen.                 und inmitten all dessen gilt es, sich zu verorten,             sammeln. Unser Vertriebskoordinator Matthias
     Auf der Straße                                                                    Auf der Straße
Diesmal stellt Christi-                                                                Diesmal stellt Chris-          24     Kultur-Tipps                                          um dem nahe zu kommen, was einer inneren                       Huber ist einer von ihnen (S. 10).
 ne Gnahn in der Ru-                                                                   tine Gnahn in der                     Was ist los im Mai                                    Freiheit entspricht. Manchmal verlangt dies nach
  brik Elisabeth Lang                                                                  Rubrik Elisabeth                                                                            einer Überprüfung im Außen, manchmal nach                      Wie es ist, sich nicht frei bewegen und frei ent-
 vor, die seit fünf Jah-                                                               Lang vor, die seit fünf        25     gehört & gelesen                                      einer im Innen.                                                scheiden zu können, haben unsere beiden Verkäufer
  ren eimal wöchentli                                                                  Jahren eimal wöche                    Buch- und CD-Tipps zum                                                                                               Georg Aigner und Kurt Mayer erfahren, als sie
                                                                                                                             Nachhören und Nachlesen                               Die Ö1-Journalistin Renata Schmidtkunz will                    im Gefängnis waren. Umso mehr wissen sie den
                                                                                                                      26     Kolumne: Robert Buggler                               vor allem Gedanken von ihrem Ballast befreien.                 Wert der Freiheit zu schätzen, seitdem sie den
                                                                                                                             Leser des Monats                                      In ihrem Buch „Himmlisch frei“ bezieht sie sich                Gefängnistüren den Rücken gekehrt haben.
                                                                                                                                                                                   auf eine Instanz außerhalb unseres irdischen
                                                                                                                      27     Apropos-Rezept                                        Mensch-Seins, die ihr persönlich die größte                    Auch Singen befreit. Jeden Donnerstag trifft
                                                                                                                             Diesmal von Evelyne Aigner                            Freiheit ermöglicht (S. 6-9).                                  sich der Apropos-Chor von 15-16 Uhr im „yes

             12                                                                                14
                                                                                                                                                                                                                                                  you can“-Raum im Forum 1. Im Mai gewann
                                                                                                                                                                                   Einen anderen Weg schlagen die sogenannten                     Apropos-Chorleiterin Mirjam Bauer den
                                                                                                                      VERMISCHT                                                    Minimalisten ein. Sie versuchen, mit möglichst                 Hubert-von-Goisern-Preis für ihr Engagement,
                                                                                                                                                                                   wenig materiellen Dingen, ihr Leben zu gestalten.              Menschen aus verschiedenen Ecken und Enden
     Auf der Straße                                                                            Auf der Straße         28      Apropos-Kreuzworträtsel
                                                                                                                                                                                   Sie prüfen jeden Gegenstand, ob er ihnen auch                  der Gesellschaft zum gemeinsamen Musizieren
Diesmal stellt Chris-                                                                          Wer sich seine Träu-   29      Redaktion intern                                     wirklich dienlich ist. In der Fülle der Möglichkeiten          zusammenzubringen (S. xxx). Wir gratulieren
    tine Gnahn in der                                                                          me erfüllen möchte,            Impressum                                            gar keine so leichte Aufgabe (S. 12).                          herzlich und sind dabei auch sehr stolz auf unseren
     Rubrik Elisabeth                                                                          braucht neben pos-                                                                                                                                 Chor. Singen auch Sie mit!
Lang vor, die seit fünf                                                                        tivem Denken auch      30      Kolumne: Mein erstes Mal
  Jahren eimal wöche                                                                           einen konk                     Kristina Fenninger
                                                                                                                      31      Chefredaktion intern                                                                                                Herzlichst, Ihre
                                                                                                                              Vertrieb intern

                                                                                               27
                                                                                                                      Grundlegende Richtung                                     Preise & Auszeichnungen
                                                                                                                      Apropos ist ein parteiunabhängiges, soziales Zeitungs-    Im März 2009 erhielt Apropos den René-Marcic-Preis

          22
                                                                                                                      projekt und hilft seit 1997 Menschen in sozialen          für herausragende journalistische Leistungen, 2011                                              Michaela Gründler
                                                                                                                      Schwierigkeiten, sich selbst zu helfen. Die Straßenzei-   den Salzburger Volkskulturpreis & 2012 die Sozialmarie                                                Chefredakteurin
                                                                                                                      tung wird von professionellen JournalistInnen gemacht     für das Buch „Denk ich an Heimat“ sowie 2013 den                                      michaela.gruendler@apropos.or.at
                                                                                                                      und von Männern und Frauen verkauft, die obdachlos,       internationalen Straßenzeitungs-Award in der Kategorie
                                                                                                                      wohnungslos und/oder langzeitarbeitslos sind.             „Weltbester Verkäufer-Beitrag“ für das Buch „So viele
                                                                                               Apropos-Rezept         In der Rubrik „Schreibwerkstatt“ haben sie die Mög-       Wege“. 2014 gewann Apropos den Radiopreis der Stadt
            Gespräch                                                                           Diesmal verrät uns     lichkeit, ihre Erfahrungen und Anliegen eigenständig      Salzburg und die „Rose für Menschenrechte“. 2015
 Verkäuferin Andrea                                                                            Evelyne Aigner eines   zu artikulieren. Apropos erscheint monatlich. Die         erreichte das Apropos-Kundalini-Yoga das Finale des
Hoschek traf Schrift-                                                                          ihrer Liebelingsre-    VerkäuferInnen kaufen die Zeitung im Vorfeld um 1,50      internationalen Straßenzeitungs-Awards in der Kate-
    steller Christian                                                                                                 Euro ein und verkaufen sie um 3 Euro. Apropos ist dem     gorie „Beste Straßenzeitungsprojekte“. 2016 kam das
                                                                                               zepte.
                                                                                                                      „Internationalen Netz der Straßenzeitungen” (INSP)        Sondermagazin „Literatur & Ich“ unter die Top-5 des
   Weingartner zum                                                                                                    angeschlossen. Die Charta, die 1995 in London unter-      INSP-Awards in der Kategorie „Bester Durchbruch“.
           Gespräch.                                                                                                  zeichnet wurde, legt fest, dass die Straßenzeitungen
                                                                                                                      alle Gewinne zur Unterstützung ihrer Verkäuferinnen
                                   APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019                                                      und Verkäufer verwenden.                                                                    APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
4     [FREI]                                                                                                                                                                                             [FREI]       5

                                                                                                                                                                                                         DAS LEICHTE LEBEN

                                                                                                                                                                                 Foto: iStock/djedzura
Die Initiative SUPER vermittelt leerstehende Räumlichkeiten

FREIER RAUM FÜR KREATIVES
                                                                                                                                                                                                         von Hans Steininger
von Christine Gnahn
                                                                                                                                                                                                         frei von Krankheit

                                                                                                                                                         Foto: Christine Gnahn
                                                                                                                                                                                                                                                                                                           frei von Hybris

D         ie Idee ist da, die                                                                                                                                                                            frei von Ängsten,                                                                                    frei von Leid
          motivierten Men-                                                                                                                                                                               frei von Befürchtungen                                                                           frei von Religion
          schen auch – nur
                                                                                                                                                                                                         frei von Verblendung,                                                                                frei von Geld
die Räumlichkeit fehlt. In
solchen Fällen kann man seit                                                                                                                                                                             frei von alten Vorurteilen,                                                             frei von Rachegelüsten
2015 beim Verein SUPER                                                                                                                                                                                   frei von Hunger                                                                        frei von Gleichmacherei
anfragen. Die „Initiative zur                                                                                                                                                                            frei von der Furcht vorm schwarzen Mann                                         frei von Verallgemeinerungen
Nutzung von Leerständen als
                                                                                                                                                                                                         frei von falschen Tönen                                                             frei von Vereinnahmungen
Handlungsräume für Kultur
und Wissen“ erläutert ihre                                                                                                                                                                               frei von gefährlicher Naivität                                                                       frei von Ehre
Tätigkeit schon im Titel.                                                                                                                                                                                frei von Überforderung                                                                        frei von Dummheit
Das achtköpfige Team weiß                                                                                                                                                                                frei von Unterforderung                                                                        frei von Werbung
über leerstehende Häuser,
Bürogebäude und ähnliches                                                                                                       .at                                                                      frei von Stress                                                                                    frei von Image
                                                                                                                   initi ative                                                                           frei von Bedrohung                                                                                 frei von Erfolg
                                                                                                             uper-
Bescheid – und hat sich zur
                                                                                                           s
Aufgabe gemacht, diese an                                                                             www.                                                                                               frei von Neid                                                                               frei von Geschlecht
Kunst- und Kulturschaffen-                                                                                       Ceperum ant. Harcia sit unt.                                                            frei von Gier                                                                                      frei von Macht
de sowie für karitative Zwecke zu        gruppe auf der vermietenden Seite                                       Icimill aboriam, quia ium faccum volo
vermitteln. Ziel ist dabei, die Kosten   sind Menschen, die ihre Türen gerne                                     imolore, sequi bernat aut maio. Sedis aut                                               frei von Geiz                                                                                   frei von Leistung
                                                                                                                 fugit dolorrum qui dolecte quia parchiciis
der Raumnutzung möglichst niedrig        öffnen und selbst daran interessiert
                                                                                                                 nonestemos sume volor andite repelic a
                                                                                                                                                                                                         frei von Langeweile                                                                                  frei von Hirn
zu halten. „Als Künstler arbeitet man    sind, dass ihre Fläche künstlerisch                                                                                                                             frei von Arbeitswahn                                                                              frei von Scham
in der Regel ohnehin unter prekären      und kreativ genutzt wird.“ So wird
Verhältnissen, kann meistens nicht       ein zur Verfügung gestellter Frei-
                                                                                                                                                                                                         frei von Erwartungen                                                                              frei von Schuld
von der Tätigkeit leben und hat          raum des Einkaufszentrums Forum                                                                                                                                 frei von Ehrgeiz                                                                      frei von Ungleichgewicht
                                                                                                    Theaterstück „Nico“
                                                                                     TIPP

entsprechend auch nicht unbedingt        1 in Salzburg im Juni als Bühne
                                                                                                    im Forum 1 am Hauptbahnhof Salzburg,
                                                                                                                                                                                                         frei von Zwang                                                                           frei von Unverständnis
ein hohes Budget zur Verfügung“,         für ein Theaterstück dienen. Nico                          Zugang Fanny-von-Lehnert-Str. 2                                                                      frei von Kleinmut                                                                            frei von Blockaden
erklärt Stefan Heizinger von SUPER.      heißt es und thematisiert das Leben                        Karten (Steh-/Sitzplätze): AK 17 Euro,
Entscheidend für die Vermittlung sei,    von Warhol-Muse und Pop-Ikone                              Vorverkauf 15 Euro, Schüler/Studenten 13 Euro                                                        frei von Größenwahn                                                                   frei von Energieräubern
den Kontakt zum Eigentümer der           Christa Päffgen. Premiere ist am 7.                        Infos und Vorverkauf: theaterimforum1@web.de                                                         frei von Narzissmus                                                                            frei von Egoismus
                                                                                                    Termine: 7., 14., 15., 21., 28. und 29. Juni,
jeweiligen Räumlichkeit auf positive     Juni um 19.30 Uhr.
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
[FREI]   7
Foto: Lukas Beck
                                                                                                                                                                                                        NAME Hannes Steiner

                                                                                                                                                                                           STECKBRIEF
                                                                                                                                                    Foto: Helge Kirchberger
                                                                                                                                                                                                        IST Geschichtensammler
                                   Nem qui quatemo luptiist,                                                                                                                                            ERZÄHLT manchmal von sich, hört aber
                                                                                                                                                                                                        viel lieber anderen zu
                                 sunto con consero videsen es-                                                                                                                                          WILL den Buchmarkt revolutionieren
                                                                                                                                                                                                        FREUT SICH auf jedes neue Abenteuer

                                tiunt. At litaspe rrovid utemqui                                                                                                                                        ÄRGERT SICH nur über Dinge, über die
                                                                                                                                                                                                        er nicht in einigen Jahren lachen würde

                                     cusdae. Ut eum fuga.“                                  Titelinterview

                                                                                        „DER HIMMEL IST
                                                                                         DER INBEGRIFF DER
                                                                                         GRÖSSTMÖGLICHEN
                                                                                         DENKFREIHEIT“
                                                                                            Es hat ihr schon immer höchsten Genuss be-
                                                                                            reitet, Gedanken von ihrem Ballast zu befreien.
                                                                                            Die Pfarrerstochter, evangelische Theologin und
                                                                                            Ö1-Journalistin Renata Schmidtkunz erzählt im
                                                                                            Apropos-Gespräch, weshalb ein stimmiges Got-
                                                                                            tesbild ein gutes Leben ermöglicht, warum sie
                                                                                            aus der Kirche aus- und wieder eingetreten ist
                                                                                            und dass Freiheit immer einen Preis hat.

                                                                   Titelinterview mit Ö1-Journalistin Renata Schmidtkunz
                                                                   von Chefredakteurin Michaela Gründler

                                                                   Was bedeutet für Sie „frei“?
                                                                         Renata Schmidtkunz: Wenn die Gesamtsituation stimmt, fühlt           Ihnen ist Denkfreiheit sehr wichtig – weshalb?
                                                                         man Glück und Freiheit in einem. Das ist für mich „frei sein“.              Renata Schmidtkunz: Ich habe nie etwas anderes kennengelernt,
                                                                         Freiheit entsteht, wenn man selbstbestimmt entscheiden und le-              von klein auf. Es hat mir schon immer höchsten Genuss bereitet,
                                                                         ben kann. Viele Menschen können das nicht. Insofern ist Freiheit            Gedanken von ihrem Ballast zu befreien. Meine Eltern haben
                                                                         ein wertvoller politischer Begriff für mich.                                viel mit uns gesprochen und uns aufgefordert, Argumente und
                                                                                                                                                     Gegenargumente zu entwickeln. Durch das Nachdenken erkenne
                                                                   Sind Sie ein freier Mensch?                                                       ich Dinge.
                                                                          Renata Schmidtkunz: Als Frau im 21. Jahrhundert, die ihr Geld
                                                                          verdient, wählen darf, beruflich in einem wunderbaren Unter-        Ist Erkenntnis das Wesentlichste im Leben?
                                                                          nehmen wie dem ORF seit 30 Jahren arbeiten kann und dabei                  Renata Schmidtkunz:: Es ist etwas Evolutionäres. Je älter man
                                                                          die Möglichkeit hat, die eigene Meinung zu sagen und Stimmen               wird, umso mehr kommt zu dem, was man erkannt hat, Neues
                                                                          anderer hörbar zu machen, würde ich sagen: Ja. Außerdem habe               hinzu. Der Knoten im Kopf löst sich immer mehr. Um Dinge
                                                                          ich mehr als genug zu essen, einen Ort zum Schlafen und Schutz             verstehen zu können, muss man jedoch schon mal in die eine oder
                                                                          vor Gewalt. Dafür bin ich sehr dankbar, weil das letztlich reiner          andere Richtung gedacht haben. Es ist wie bei einem Schal – bei
                                                                          Zufall ist, dass ich in Mitteleuropa geboren wurde.                        jeder neuen Reihe nimmt er mehr Gestalt an. So ist es auch beim
                                                                                                                                                     Denken: Bei jedem Denkschritt entsteht etwas, Verbindungen
                                                                   Was bedeutet für Sie „himmlisch frei“?                                            kommen hinzu – Denken ist ein kreativer Prozess. Meine letzte
                                                                         Renata Schmidtkunz: Ich habe mein Buch „Himmlisch frei“                     Erkenntnis hatte ich nach einer Doku-Reihe über Franco und
                                                                         genannt, weil dieser umgangssprachliche Begriff für mich ein                über das faschistische Regime in Österreich, Deutschland und
                                                                         leichtes und fröhliches Freiheitsgefühl ausdrückt. Wenn man nach            dessen Kooperation mit anderen europäischen Ländern. Mir wur-
                                                                         oben in den Himmel blickt, findet man den Inbegriff der größt-              de klar, dass Faschismus ein ökonomisches System ist, ein System,
                                                                         möglichen Denkfreiheit – denn dort oben ist der größte Platz.               das auf Ausbeutung basiert. Um Menschen ausbeuten zu können,

                   APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019                                                                                              APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
8     [FREI]                                                                                                                                                                            [FREI]       9
                                                                                                                                                                                                                                                                                            HIMMLISCH FREI.

                                                                                                                                                                                                                                                                BUCHTIPP
                                                                                                                                                                       humorvoll und souverän im Umgang mit seinem Gegenüber. Es war                                                        WARUM WIR WIEDER
                                                                                                                                                                                                                                                                                            MEHR TRANSZENDENZ
                                                                                                                                                                       eine Begegnung von Mensch zu Mensch. Beeindruckt hat mich auch
                                                  Uptias dem eum eicilla                                                                                               der ehemalige Mitarbeiter von Willy Brand, der deutsche SPD-Poli-
                                                                                                                                                                       tiker Egon Bahr, den ich kurz vor seinem Tod traf. Im Alter von 93
                                                                                                                                                                                                                                                                                            BRAUCHEN.
                                                                                                                                                                                                                                                                                            Renata Schmidtkunz

                                                boribus et modisque assi-                                                                                              Jahren hat er mich auf die Gefahr von Big Data für unsere Demokra-
                                                                                                                                                                       tie hingewiesen! Außerdem beeindruckte mich der deutsche Politiker
                                                                                                                                                                                                                                                                                            Edition a, Wien, 2019
                                                                                                                                                                                                                                                                                            22 Euro

                                                tis et ea am dis a de par-                                                                                             Gregor Gysi mit dem Satz: „Ich glaube nicht an Gott, aber ich fürchte
                                                                                                                                                                       mich vor einer gottlosen Welt.“ Die Frage ist: Wie halten wir als
                                                 chil il ea exceatibus mi.“                                                                                                                                                                                                „Im Gespräch“

                                                                                                                                                                                                                                                                TIPP
                                                                                                                                                                       Gemeinschaft zusammen und wohin richten wir unseren Blick?
                                                                                                                                                                                                                                                                           mit Renata Schmidtkunz,
                                                                                                                                                                                                                                                                           jeden Donnerstag um 21.00 Uhr und
                                                                                                                                                                Wie stehen Sie zu Autoritäten?                                                                             jeden Freitag um 16.00 Uhr
                                                                                                                                                                       Renata Schmidtkunz: Eine Autorität kann sich erklären, Rede und                                     auf Radio Österreich 1.
                                                                                                                                                                       Antwort stehen, sich verantworten. Sie überzeugt durch Wissen,
       muss man sie zuerst verachten. Wenn ich mir den heutigen Ras-                     lichkeit, zu denken und könnt auf eine lange Menschheitserfah-                Können oder Lebenserfahrung und setzt sich zum Wohl anderer
       sismus anschaue, ist er eine Art Camouflage: hinter ihm verbergen                 rung mit unterschiedlichen Gotteserfahrungen zurückschauen.“                  ein. Sie hat eine Vorbildfunktion und zieht Konsequenzen aus ihrem
       sich ökonomische Interessen.                                                                                                                                    Handeln.
                                                                                  An was glauben Sie?                                                                  Der Gegenbegriff dazu ist Herrschaft. Herrschaft ist Willkür, sie
Sie sind evangelische Pfarrerstochter, Theologin und ORF-Journalis-                     Renata Schmidtkunz: Ich habe mich schon vor langer Zeit                        braucht und benützt Hierarchien, die nicht hinterfragt werden dürfen.
tin und haben eben ein Buch mit dem Titel „Himmlisch frei. Warum                        von dem dogmatisierten Gottesbild abgewandt, das Gott als
wir wieder mehr Transzendenz brauchen?“ herausgebracht. Worum                           rächenden, richtenden, herrschenden Mann darstellt. Als meine           Was möchten Sie mit Ihrer Arbeit erreichen?
geht es?                                                                                Tochter acht Jahre alt war, malte sie für den Religionsunterricht            Renata Schmidtkunz: In der Sendung „Im Gespräch“, die jeden
       Renata Schmidtkunz: Mir ist es wichtig, mit meinem Buch                          ein Bild, wie sie sich Gott vorstellte. Auf der Zeichnung waren              Donnerstag und Freitag auf Ö1 zu hören ist, möchte ich Dinge ver-
       Denkbewegungen nachvollziehbar zu machen. Denn durch die                         Menschen im Kreis abgebildet, die sich an den Händen hielten.                stehbar machen. Ich möchte den Zuhörenden die Möglichkeit geben,
       Eindimensionalität des puren Kapitalismus der letzten 30 Jahre                   Genau das ist Gott auch für mich: etwas, das Gemeinschaft                    Menschen beim Denken zuzuhören und Kenntnis von deren Gedan-
       gingen Freiheitsräume des Denkens verloren. Das Konsumdenken                     herstellt. Ich glaube, dass wir Teil einer Ganzheit sind, einer Ein-         kengängen zu bekommen.
       macht uns nicht glücklich. Für ein gutes Leben brauchen wir den                  heit von Mensch und Natur, von Zeit und Raum, von Erde und                   Dabei ist die Palette mei-
       Glauben an eine höhere Macht, was immer das auch ist.                            Kosmos. Alles steht miteinander und zueinander in Beziehung.                 ner Gesprächspartner breit
       Ich gehe der Frage nach, wie wir als Gemeinschaft zusammenhal-                   Daher erachte ich es als zentral, sich mit dem, was uns umgibt, in           gefächert: vom Handwer-
       ten und wohin wir unseren Blick richten. Dabei ist es mir wichtig,               Beziehung zu setzen. Ich habe entschieden, in meinem Denken                  ker zur Universitätsprofes-
       auf unsere Denktraditionen zurückzugreifen, Gottesbegriffe zu                    Liebe als Urprinzip unseres Seins vorauszusetzen.                            sorin, von der Bäuerin zum
       analysieren und neue zu denken.                                                                                                                               Physiker. Ich möchte eine
       Ich persönlich empfinde den Gedanken, dass ich geschöpft bin               Sie sind aus der evangelischen Kirche aus- und wieder eingetreten.                 große Vielfalt an Denk-
       durch einen Schöpfer oder eine Schöpferin schöner als zu denken,           Weshalb?                                                                           möglichkeiten abbilden
       dass ich durch Zufall bin. Dieser Gedanke gibt mir mehr Frei-                     Renata Schmidtkunz: Damals kamen einige Dinge zusammen:                     und diesen wunderbaren
       heit und macht mich mutiger. „Ich habe dich bei deinem Namen                      der Tod meiner Mutter, die Unbeweglichkeit, die ich in meiner               Vorgang des Denkens in
       gerufen, du bist mein,“ heißt eine Bibelstelle. Ich gehöre nicht                  Kirche erlebt habe. An einem bestimmten Tag kulminierte alles,              einer Gemeinschaft im
       dem Google-Konzern, dem Papst oder dem Partner – ich gehöre                       sodass ich austrat. Zuerst dachte ich mir: Hui, jetzt fällt mir der         Radio erlebbar machen.
       jemandem, der außerhalb meiner Welt lebt.                                         Himmel auf den Kopf! Ich, die Pfarrerstochter, trete aus der                Ich möchte also eine
       Ich finde es großartig, dass Menschen immer diese Instanz, der sie                Kirche aus! Der Himmel ist mir natürlich nicht auf den Kopf                 Anleitung zum Selbstden-
       eine Bedeutung für das Menschsein zugeschrieben haben, denken                     gefallen! (lacht) Sieben Jahre später bin ich wieder eingetreten,           ken geben, das war immer
       konnten. Diese Fähigkeit, eine externe Größe zu denken, empfin-                   weil ich gesehen habe, wieviel die Kirche in der Flüchtlingshilfe,          schon mein Zugang:
       de ich als eine umwerfende Denkleistung, weil sie einen großen                    Altenpflege und in der Wertevermittlung macht. Gerade auch                  Dinge verständlich zu
       Freiraum ermöglicht. Religion hat viel zu tun mit Ordnung in                      ihren Einsatz für die Flüchtlinge habe ich beispielhaft gefunden,           machen, Zusammenhänge
       einer Gesellschaft und mit der Frage, woher wir kommen und wo-                    zu einem Zeitpunkt, wo Menschen im Mittelmeer oder einge-                   klar darzustellen und den
       hin wir gehen. Eine Frage, die wir bis heute nicht klären konnten.                pfercht in einem LKW auf der A4 sterben mussten. Denn wenn                  Zuhörenden die Möglich-
                                                                                         auch nur ein Mensch umkommt, geben wir die ganze Menschheit                 keit zu bieten, sich selbst
In Ihrem Buch stellen Sie verschiedenen Menschen die Frage, was                          preis. Steven Spielberg zitiert in „Schindlers Liste“ den Satz: „Wer        eine Meinung zu bilden.
Transzendenz für Sie bedeutet. Weshalb ist Ihnen genau dieser Be-                        einem Menschen das Leben rettet, rettet die ganze Menschheit.“
griff so wichtig?                                                                        Daher möchte ich mit meinem Kirchenbeitrag die Arbeit für die          Was macht Sie frei?
        Renata Schmidtkunz: Transzendenz bedeutet, Grenzen zu                            Gemeinschaft unterstützen, die die Kirche leistet.                          Renata Schmidtkunz: Ein                                                                                      Bitiste officita pro ese core consequ
        überschreiten und zum Beispiel Utopien zu denken, über die wir                                                                                               Teil meiner Freiheit entsteht durch meine innere Haltung. Oft fehlt                                          aepuditati optatur? Erio. Nam que eni-
                                                                                                                                                                                                                                                                                  mili gentota tendign imolupt usdanias
        noch nichts sagen können. Sie vermittelt eine Offenheit und eine          Sie waren Gastgeberin des legendären Club 2, machen Dokumentar-                    mir Gelassenheit, daher übe ich sie. Genauso wie man Muskeln trai-                                           moluptio. Em ut ut moluptios
        Unbestimmtheit, aus der Freiheit entsteht. Sie ist das Ungewisse,         filme und verantworten heute die Ö1-Sendung „Im Gespräch.“ Welche                  nieren oder Kopfstand üben muss, so ist es auch beim Einüben von
        mit dem wir uns beschäftigen. Jeder versteht jedoch etwas anderes         Gesprächspartner haben Sie bislang am meisten bereichert?                          inneren Seelenzuständen. Ich empfinde es auch als extrem wichtig, in
        darunter, das zeigen auch die Antworten in meinem Buch. Für                      Renata Schmidtkunz: Grundsätzlich jene Menschen, die sich auf               einer Gemeinschaft verankert zu sein. Damit ich in guten Umständen
        die einen ist Transzendenz der Ort, aus dem Kunst entspringt, für                ein Gespräch mit mir eingelassen haben, mir in die Augen ge-                leben kann, muss ich immer wieder darauf achten, ein Gleichgewicht
        andere ein Zusammenspiel von Mensch, Natur und Kosmos oder                       schaut und sich mit Freude dem gemeinsamen Denken hingege-                  zu halten. Freiheit wird einem nicht geschenkt, wir müssen immer
        einfach auch das Unbeschreibbare.                                                ben haben. 2015 hatte ich den amerikanischen Schriftsteller T.C.            wieder um sie ringen oder auch um sie kämpfen.
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
10       [FREI]                                                                                                                                                                                                       [FREI]       11
                                                                                                                                                                               von Matthias Huber                                     Freiwillig Müll sammeln
Freiwilliges Engagement von                                                                                                           Bitiste officita pro ese core consequ

                                                                                                                                                                                                                                      DIE ANONYMEN
                                                                                                                                      aepuditati optatur? Erio. Nam que eni-
Jugendlichen für Kinder                                                                                                               mili gentota tendign imolupt usdanias
                                                                                                                                                                               Am Anfang war der Frust

VORLESEN
                                                                                                                                      moluptio. Em ut ut moluptios
                                                                                                                                                                               Ich spaziere seelenruhig durch die Stadt. Entlang
                                                                                                                                                                               der Salzach, über die Stadtberge, wie wunderschön

                                                                                                                                                                                                                                      AUFRÄUMER
                                                                                                                                                                               ist Salzburg! Doch wie viel Müll liegt hier überall!

VERBINDET                                                                                                                                                                      Plastikflaschen, -sackerl, -folien, Dosen, Zigaret-
                                                                                                                                                                               tenstummel. Vor mir gehen zwei junge Menschen
                                                                                                                                                                               und einer von den beiden kickt eine Plastikflasche
                                                                                                                                                                               in die Salzach.
                                                                                                                                                                                                                                      Tatet liciumendel ipsae officip suntusdanda sit eium et
Vorlesen macht Freude, den Vorlesen-                                                                                                                                           Meine Ruhe ist im Schwinden begriffen, so fas-         lam hicae dundi alit everia nullacimint as am vendaer
den und ihren Zuhörern. Vorlesen macht                                                                                                                                         sungslos und zornig macht mich diese unbedachte        namenia nientiam etur, qui tem etustias as eos
Neugierig aufs Selberlesen, aufs Lesenler-                                                                                                                                     Handlung. Ich schaue den Kicker verstimmt von
nen, besonders dann, wenn die Vorleser                                                                                                                                         hinten an, doch sieht er das sowieso nicht. Hätte
Jugendliche sind: Die Schülerinnen und                                                                                                                                                                                                                                                                       Bitiste officita pro ese core consequ
                                                                                                                                                                               ich etwas sagen sollen?                                                                                                       aepuditati optatur? Erio. Nam que eni-
Schüler des Polytechnischen Lehrgangs                                                                                                                                          Ich gehe weiter, beruhige mich wieder.                                                                                        mili gentota tendign imolupt usdanias
in Hallein lesen Kindergartenkindern vor,                                                                                                                                      Da steht ein Wachdienstbeamter, rauchend, ein                                                                                 moluptio. Em ut ut moluptios
die Bücher und Vorlese-Tipps gibt es in                                                                                                                                        tiefer Zug noch, schnipp – und am Boden liegt
diesem Projekt von der Stadtbücherei                                                                                                                                           der Sondermüll. Ich ärgere mich wieder, denke:
Hallein.                                                                                                                                                                       „Sag ich was oder sag ich nichts? Diesmal sag ich
                                                                                                                                                                               was!“, gehe vorbei und sage nichts.
                                                                                                                                                                               Der Zeigefinger steht mir irgendwie nicht. Und
                                                                                                                                                                               wahrscheinlich ist es wahr und ich kann die Welt
von Christina Repolust                                                                                                                                                         nicht ändern. Ich kann aber mich ändern und so

D
                                                                                                                                                                               ändert sich die Welt in einem ersten Schritt.
         ie Jugendlichen stehen in der Startlö-
         chern, vor ihnen liegen jeweils jene drei                                                                                                                             …und dann das Tun
         Bilderbücher, die sie in der Stadtbücherei
Hallein zum Vorlesen ausgewählt haben. „Wir                                                                                                                                    So habe ich beschlossen aktiv zu werden. Aus
haben die Bücher gleich mehrmals durchgeschaut.                                                                                                                                meinem Unmut, etwas Konstruktives zu formen.
Wir wissen also genau, worum es in jedem ein-
zelnen Bilderbuch geht. Ich bin schon neugierig,                                                 Uptias dem                                                                    Wenn ich mich bei jedem Stück Müll in der Natur
                                                                                                                                                                               ärgern muss, ist es das Gesündeste für mich, ihn
wem von den Kleinen ich heute vorlese!“, bringt                                                                                                                                gleich aufzuheben.
eine Schülerin des Polytechnischen Lehrgangs in                                                 eum eicilla bo                                                                 So probiere ich es zu Beginn mit einer Mail an
Hallein ihre Begeisterung auf den Punkt. „Poly“                                                                                                                                die Zuständigen der Stadt Salzburg mit meinem
und Kindergarten sind im selben Gebäude, ers-
teres im ersten Stock, der Kindergartengarten im
                                                                                             ribus et modisque.“                                                               Anliegen und der Frage, wie ich nach einer Müll-
                                                                                                                                                                               sammelaktion das Gesammelte entsorgen soll.
                                                                                                                                                                                                                                      einem kräftigen „Ho!“ begrüßt. Ich fühlte mich
                                                                                                                                                                                                                                      gleich in guter Gesellschaft: freundliche Men-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 bung auf und setzen diese in geballter Form frei.
                                                                                                                                                                                                                                                                                                 Ganz zu schweigen von so harmlos anmutenden
Parterre. Dort stehen die Kleinen schon in Zwei-                                                                                                                               Doch bis heute keine Antwort.                          schen, die den achtlosen Umgang mit unserer                Zigarettenstummeln, wo jeder Einzelne rund 700
erreihen und warten ebenfalls aufgeregt darauf,       Klar kommen da die Klassiker wie „Petterson           Vorlesen ist Liebe                                                 Dann probiere ich es beim Naturschutzbund. Dort        Lebensgrundlage satt haben und zusammen etwas              giftige Chemikalien enthält und damit bis zu 60
dass es losgeht: „Achtung! Sie kommen, sie sind       und Findus“ sofort in die engere Wahl. Die                                                                               stoße ich auf offene Ohren, doch liegt der Fokus       bewegen wollen.                                            Liter Grundwasser verseucht.
jetzt auf der Stiege!“ Und die Verantwortlichen       Begeisterung der Einzelnen steckt die gesamte         Das Halleiner Vorlese-Projekt fördert zum                          ihrer Arbeit woanders.                                 In kleinen Gruppen gingen wir das ganze Gebiet
dieser Kooperation? Die stehen begeistert, stolz      Klasse an. Da wird uns bewusst, wie viel wir          einen die Lesefertigkeit der Vorleserinnen und                     Enttäuscht dachte ich ans Vertagen meiner Idee.        vom Park bis rund um den Leopoldskroner Weiher             Im Gehen und Sammeln lernte ich die anderen An-
und gerührt dabei. Die Leiterin des Kindergar-        beim Vorlesen in den Kindern hinterlassen, wir        Vorleser, intensiviert den Glauben an die eigene                   Doch dann entdeckte ich einen Zeitungsartikel          ab. Alle möglichen und unmöglichen Arten von               onymen Aufräumerinnen und Aufräumer kennen.
tens, Gerlinde Wahlhütter, Johanna Fink als           hinterlassen dabei Spuren, die über Generationen      Kompetenz – „Die Kleinen haben ganz gespannt                       über die „Anonymen Aufräumer“ – eine offene            Abfall nahmen wir mit und wurden von den Pas-              Viele sammelten davor schon regelmäßig alleine
Deutschlehrer im Polytechnischen Lehrgang und         bestehen.“ Pro Schüler kommen drei Bilderbücher       zugehört, das Vorlesen ist uns wirklich gut gelun-                 Gruppe, die einmal im Monat aufräumen geht.            santen ausnahmslos positiv wahrgenommen. „Die              Müll und sind froh, das nun mit Gleichgesinnten
die Leiterin des Stadtbücherei Hallein, Michaela      in die riesige Buchkiste, schließlich wollen die      gen!“ – und schafft eine neuerliche Verbindung                     Ich war begeistert und erleichtert festzustellen,      guten Geister sind unterwegs“, sagte eine Frau zu          tun zu können. Und alle haben ihre Frustration in
Hasenauer, sind sich einig: „Die Kleinen horchen      Bücher genauer vorbereitet und die Texte geübt        zur Bücherquelle, der Stadtbücherei. „Die Bib-                     dass es sie überall gibt, wenn man nur genauer         mir und bedankte sich. Viele Menschen wissen               ein konstruktives Tun umgewandelt.
den Poly-Schülern zu, wie sie es bei uns nie täten.   werden. Barbara Fink und Gerlinde Wahlhütter          liothekarinnen sind kompetent, die haben uns                       hinsieht – Menschen, die sich stark machen für         nicht, dass einige Kunststoffe hunderte Jahre bis          Zum Schluss stellten wir uns noch mit dem Rücken
Alle wachsen dabei, auch wir.“                        sehen, wie beim Vorlesen Beziehungen aufgebaut        wirklich gute Tipps gegeben. Aber sie sind vor                     eine zukunftsfähige Welt für uns alle.                 quasi ewig beständig sind und jedes Teil für sich          zur Kamera mit unseren vollen Müllsäcken für
                                                      werden, zum Vorleser und zur Geschichte: „Jahr        allem richtig freundlich, die kann man wirklich                    Die erste Aufräumerei, bei der ich dabei war, fand     eine immense Last für das Ökosystem, in dem es             ein Foto auf. Es geht ja um die Sache und daher
Das Bilderbuch hab ich als Kind                       für Jahr erleben wir, wie aufgeregt die Großen        alles fragen.“ “ Bilderbücher stärken Kinder, sie                  am 29. März statt. Mein Geburtstag – ich hätte mir     zurückgelassen wurde, ist. Denn nicht bloß optisch         bleibt man anonym. (auch wenn ich es als Autor
                                                      wie die Kleinen sind. Bei den Kleinen heißt es        erzählen vom Wachsen, von Freundschaften, vom                      kein besseres Programm einfallen lassen können.        stört der Mist, die meisten Kunststoffe enthalten          dieses Textes gerade nicht bin).
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
12      [FREI]

                                  NAME Sandra Bernhofer                                                                                     MINIMALISMUS
Foto: Privat

                     STECKBRIEF

                                                                                                                  BUCHTIPP
                                  ERWISCHT sich immer wieder dabei, Ver-                                                                    DER NEUE LEICHT-SINN
                                  zichtbares zu kaufen                                                                                      Jushua Fields Millburn,
                                  IST aber zumindest im Urlaub minimalistisch                                                               Ryan Nicodemus
                                  unterwegs
                                                                                                                                            GU 2018
                                  MAG Roadtrips allein schon wegen der pas-
                                                                                                                                            12,99 Euro
                                  senden Playlist

  xxx

  FREIHEIT AUF VIER RÄDERN
  Wer weniger hat, ist reicher: an Zeit, an Platz, an Ge-
  schichten. Unter dem Schlagwort „Minimalismus“ wird
  das immer mehr zum Trend. Auch Rene Atzler hat sich
  auf dieses Abenteuer eingelassen.

  von Sandra Bernhofer

1      0.000 Gegenstände häuft der durchschnitt-
       liche Europäer an: im Kleiderschrank, in
       Kisten und Regalen, auf dem Dachboden
  und im Keller. Kein Wunder, wo doch die Mas-
  senindustrie – allen voran die Modebranche – in
                                                           Seit einem knappen
                                                           halben Jahr laufen
                                                           die Vorbereitungen
                                                           für den Ausstieg
                                                           des Salzburgers aus
  nie dagewesener Heftigkeit neue Kollektionen auf         dem Hamsterrad,
  den Markt wirft. Die Hälfte der Kleider etwa, die        ein knappes halbes
  wir in unseren Breiten kaufen, bleibt ungetragen.        Jahr, in dem er in
  Dabei ist es Verzicht, der uns glücklich macht:          jeder freien Minute
  Was wie ein Widerspruch zu den Verheißungen              an seinem „Landy“
  der Werbeindustrie klingt, wird für immer mehr           schraubt, der ihn an
  Menschen zum Lebensmodell. Sie nennen sich               Plätze tragen soll,
  Minimalisten und reduzieren ihren Besitz auf             wo sonst keiner
  ein paar Hundert Dinge. Denn wer wenig besitzt,          hinkommt. Beim
  muss sich auch um weniger kümmern – und hat              Bauen kommt Atz-
  mehr Platz, Geld und Zeit für das Wesentliche.           ler auf immer neue
  Die Frage nach dem, was wirklich zählt, wurde            Ideen. Schließlich
  auch bei Rene Atzler zum Motor für das Umden-            soll auf ein paar
  ken: „Wenn du nur hackelst und nichts anderes            Quadratmetern al-
                                                                                                                                    Bitiste officita pro ese core consequ
  mehr tust, musst du etwas ändern.“ Tinnitus und          les Platz finden,                                                        aepuditati optatur? Erio. Nam que
  Schlafstörungen waren zum ständigen Begleiter des        was er unterwegs                                                         enimili gentota tendign
  28-Jährigen geworden. Irgendwann war er an dem           braucht: eine ge-
  Punkt angelangt, wo er sich sagte: „Ich muss etwas       mütliche Sitz- und Schlafecke, Kühlschrank              Mehr Platz für das wahre Ich
  für mich selbst tun, auf mich schauen – leben.“          und Standheizung, Wasser- und Benzinkanister,           Das Hab und Gut auf das zu reduzieren, was
                                                           Außendusche, Gaskocher.                                 Freude bringt oder letztlich einem Zweck dient
                                                           Den Zeltaufbau am Dach hat der Aussteiger in spe        – das entspricht auch dem Credo der Vorreiter
  Zuhause auf ein paar Quadratme-
                                                           bereits installiert – und bei mehreren Ausflügen        auf dem Gebiet des Minimalismus, heißen sie
  tern – und in der ganzen Welt                            getestet. Ein Hopser auf die Motorhaube, aufs           nun Marie Kondo (Magic Cleaning) oder Ryan
  Von da an will er weg aus dem Salzburger Land,           Dach, dann ist das Zelt mit wenigen Handgriffen         Nicodemus (theminimalists.com). Minimalismus
  für ein paar Monate, ein Jahr vielleicht. Sein neues     aufgestellt. „Gerade übe ich das mit dem Minima-        heißt nämlich nicht, materiellen Ballast loszu-
  Zuhause ist dann die Straße, welche, das weiß er         lismus ein bisschen“, schmunzelt er, „fahre ein paar    werden, um den freigewordenen Platz bei der
  noch nicht. Vielleicht die Panamericana, die sich        Tage dort hin, ein paar Tage da hin. Da merkt man       nächsten sich bietenden Gelegenheit (vielleicht
  45.000 Kilometer von Feuerland hoch nach Alaska          schnell, was man umsonst dabei hat und worauf           ganz unbeabsichtigt) wieder mit Konsumgütern
  zieht, vielleicht die alte Seidenstraße nach Ostasien.   man nicht verzichten kann.“ Auf den 20-Kilo-            vollzustellen. Minimalismus heißt, reduzieren,
  Das Leben auf den Autobahnen ist Atzler nicht            Wagenheber zum Beispiel oder den Reservereifen,         um Raum zu haben für das, was wirklich zählt:
  fremd. Als Außendienstmitarbeiter ist er das             die man nur im Notfall braucht, ohne die man            Beziehungen, Leidenschaften, Gesundheit. Und
  Unterwegssein gewohnt. Und auf abenteuerliche            dann aber aufgeschmissen wäre. Nur eines, das           das gelingt langfristig nur, wenn man den großen
  Rundreisen hat er sich ohnehin schon des Öfteren         nicht unbedingt notwendig ist, kann Atzler nicht        Fragen des Lebens Raum gibt: Was zählt für mich?
  begeben. Abgegangen sei ihm dabei nie etwas, sagt        zurücklassen: seine Kamera.                             Wofür stehe ich? Wie will ich leben?
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
[SCHREIBWERKSTATT]
                                            14       [AUF DER STRASSE]
                                                                                                                                                                                                                                                            15

    AUF DER STRASSE                                                                                                                                                                                                                                                Verkäufer und Schreibwerkstatt-
                                                                                                                                                                                                                                                                   Autor Kurt Mayer

                                                                                                                                                                                                                                                                   Gedanken
                                                                                                                                                                                                                                                                   zum
                                                      Bei der Aufgabenbetreuung erhalten Kinder
                                                      schulische Unterstützung

                                                      „ICH WILL
                                                                                                                                                              zu leben, ganz unabhängig von beispielsweise der
                                                                                                                                                              Religionszugehörigkeit.“ Das Thema Religion
                                                                                                                                                              ist eines, das Höllhuber auch in seinem jetzigen
                                                                                                                                                              Ehrenamt als Aufgabenbetreuer häufig begegnet:
                                                                                                                                                                                                                                                                   Freisein
                                                      DEN KINDERN                                                                                             Viele der Kinder und Jugendliche in der Betreuung
                                                                                                                                                              sind Muslim*innen. Für Höllhuber ist das kein
                                                                                                                                                              Diskussionsgegenstand. „Die Kinder werden hier
                                                                                                                                                                                                                                   KURT MAYER liebt seine
                                                                                                                                                                                                                                   Freiheit
                                                                                                                                                                                                                                                                   Es ist schon lange her, wo ich das
                                                                                                                                                                                                                                                                   Gefühl hatte frei zu sein. Mit fünf-
                                                                                                                                                                                                                                                                   zehn als ich endlich aus dem Heim

                                                      MUT MITGEBEN“
                                                                                                                                                              so angenommen, wie sie sind. Wenn ich kritisch                                                       entlassen wurde und ich eine Lehre
                                                                                                                                                              gefragt werde, wie ich es beispielsweise finde,                                                      als Bäcker und Konditor anfangen
                                                                                                                                                              dass sie zu Ramadan fasten, dann sage ich: Das                                                       durfte. Wie die meisten von euch
In seinem Ehrenamt als Aufgaben-                                                                                                                              ist ein kulturell bestimmter, religiöser Brauch und                                                  ja schon wissen, hatte ich keine
betreuer und Nachhilfelehrer beim                                                                                                                             das akzeptiere ich. Ich möchte mir schließlich                                                       schöne Kindheit: zuerst ein Pfle-
Hilfswerk Salzburg ist der pensi-                                                                                                                             auch nicht von jemandem in meine katholischen                                                        geplatz und dann ein Heim. Immer
onierte Psychologe und Pädagoge                                                                                       Bitiste officita pro ese core consequ
                                                                                                                                                              Bräuche hineinreden lassen.“                                                                         gab es Vorschriften und Gesetze, an
                                                                                                                      aepuditati optatur? Erio. Nam que
Joe Höllhuber bis zu sechs Tage                                                                                       enimili gentota tendign                 Acht bis fünfzehn Kinder und Jugendliche                                                             die ich mich halten musste, sonst
die Woche eingespannt. Besonders                                                                                                                              kommen zu der dienstag- und donnerstaglichen                                                         gab es Hiebe statt Liebe. Und dann,
wichtig ist ihm dabei, die Kinder                                                                                                                             Aufgabenbetreuung, hauptsächlich Mädchen. Die                                                        endlich keine Erzieher mehr rund
und Jugendliche auf ihrem Weg gen                                                                                                                             einzige Formalität: eine Unterschrift auf einer                                                      um mich, die mir Befehle erteilten.
Zukunft zu unterstützen.                                                                                                                                      liebevoll dekorierten Anwesenheitsliste. „Das ist                                                    Die erste Zigarette rauchen, die
                                                                                                                                                              nur für die Eltern, falls sie fragen, ob die Kinder                                                  erste Coca-Cola im Leben genießen,
von Christine Gnahn                                                                                                                                           bei uns waren.“ Im selben Ordner, in dem die                                                         das waren Momente, die für Freiheit

D
                                                                                                                                                              Anwesenheitslisten abgeheftet sind, findet sich                                                      und Freisein bedeuteten. Manchmal
         er Raum füllt sich, ein Kind kommt                                                                                                                   auch das Merkblatt mit den Regeln der Betreuung.                                                     denke ich an diese schönen Momente
         nach dem anderen in den Raum hi-                                                                                                                     „Ich habe das Recht, mich in diesem Raum sicher                                                      zurück. Da ich mein Leben auch ein
         nein und packt seine Hefte, Bücher                                                                                                                   zu fühlen. Niemand darf mich schlagen, treten,                                                       paar Jahre im Gefängnis verbringen
und Stifte aus dem Ranzen auf den Tisch.                                                                                                                      stoßen oder verletzen!“ steht da, ebenso wie „Ich                                                    durfte, war es sehr schwer für
Manche haben ein kleines Geschwisterchen an                                                                                                                   habe das Recht, freundlich behandelt zu werden.                                                      mich, mich danach wieder zu reso-
der Hand, noch zu jung, um in die Schule zu                                                                                                                   Niemand hat das Recht, mich auszulachen, mich                                                        zialisieren. Darum hat das Wort
gehen – für die Kleinen ist eine eigene Spiel-                                                                                                                zu missachten oder meine Gefühle zu verletzen.“                                                      frei auch sonst eine sehr große
ecke eingerichtet. Dienstag und Donnerstag                                                                                                                    Und „Ich habe das Recht, ich selbst zu sein.“ Rote                                                   Bedeutung für mich.
zwischen 14 und 16 Uhr, inoffiziell schon ab                                                                                                                  Karten habe es bereits in seltenen Fällen gegeben.
13 Uhr, findet die Aufgabenbetreuung in einer                                                                                                                 „Wenn beispielsweise einer haut, das geht nicht.“                                                    Heute hat man bei uns die Möglich-
Räumlichkeit des Hilfswerks Salzburg am                                                                                                                       Nach einer gewissen Zeit des Ausschlusses darf                                                       keit, alles zu tun und zu machen
Inge-Morath-Platz in Salzburg bei den Stadt-                                                                                                                  das jeweilige Kind jedoch zurückkommen. „Und                                                         was man will, solange es legal ist.
werken statt. Kinder und Jugendliche können                                                                                                                   tatsächlich haben sich die letzten beiden Kinder,                                                    Jeder Mensch braucht einen Freiraum
ab der Einschulung und bis zum 14. Lebensjahr                                                                                                                 die ich ausschließen musste, dann gebessert. Die                                                     für sich, um Freude zu haben, und
an dieser teilnehmen – ohne Anmeldung und                                                                                                                     sind jetzt einfach wieder da und es funktioniert                                                     das Gefühl frei zu sein, auch spüren
ohne Kosten für die Eltern. „Es ist ganz wichtig,                                                                                                             gut. Das ist schön.“                                                                                 zu können. In Gefangenschaft zu
dass die Kinder wissen, dass sie hier absolut                                                                                                                 Zusätzlich zur Nachmittagsbetreuung gibt Höll-                                                       sein könnte ich mir heute nicht
willkommen sind“, erzählt Joe Höllhuber. Er ist                                                                                                               huber Nachhilfe in den Fächern Deutsch und                                                           mehr vorstellen. Frei wie ein Vogel
einer der Betreuer*innen, die sich jede Woche                                                                                                                 Mathematik. In Spitzenzeiten kommt es dabei                                                          zu sein, das wäre etwas für mich:
                                                                                                                                                                                                                    Die Rubrik Schreibwerkstatt
ehrenamtlich den Schüler*innen annehmen.                                                                                                                      vor, dass er sechs Tage die Woche eingespannt                                                        die Welt mal von oben betrachten
           Eine Tätigkeit, die für ihn über das       eigene Ich-Stärke zu vertrauen, gut auf sich      Höllhuber arbeitete nach dem Studium der              ist. „Gerade jetzt beispielsweise stehen die gan-     spiegelt die Erfahrungen,                      und viele Dinge anders erleben.
           Helfen bei Schularbeiten hinaus-           Acht zu geben und sich von niemandem              Psychologie zunächst als Lehrer und später            zen Schularbeiten an, da ist immer viel zu tun.“      Gedanken und Anliegen                          Keine Hungersnot, keine Krankheit,
           geht. „Am wichtigsten ist mir, den         kleinreden zu lassen.“ Gerade von Seiten der      in der Lehrerfortbildung. Nach seiner Pen-            Mühen, die Höllhuber gerne auf sich nimmt.            unserer VerkäuferInnen und                     keine Kriege und keine Angst vor
           Kindern Mut mitzugeben. Gerade             Lehrer*innen passiere es leider immer wieder,     sionierung initiierte er ein Projekt an der           „Wenn ein Kind versteht, dass es selbstgesteckte                                                     Anschlägen, das bedeutet für mich
           in einem so jungen Alter ist es wich-      dass Worte fallen, die im pädagogischen Sinne     Volksschule Lehen, das insbesondere das               Ziele erreichen kann und lernt an sich selbst zu
                                                                                                                                                                                                                    anderer Menschen in sozialen                   auch frei.
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
[SCHREIBWERKSTATT]
                                            16       [SCHREIBWERKSTATT]                                                                                                                                                       17
                          Verkäufer und Schreibwerkstatt-Autor Rudi Plastinin                                                                                  Verkäufer und Schreibwerkstatt-Autor Ogi Georgiev

                          Humor befreit
                          Einmal frei sein vom Alltag, dem Stress, der
                          Hudlerei, den Terminen und mit den Gedanken
                                                                             Treffen sich zwei Fische im Meer. Bittet der
                                                                             eine den anderen: „Kannst du mir bitte mal
                                                                                                                                                               Frei wovon?
                                                                                                                                                               Ich glaube, es ist möglich, dass wir frei            Ich denke, wir sind grundsätzlich alle keine
                          frei werden. Den Körper, die Seele und den         deinen Kamm leihen?“ Sagt der andere: „Nein,                                      sein könnten von Politik. Was es braucht, ist        freien Menschen. Wir leben gefangen in unse-
                          Geist einmal richtig entspannen lassen. Am         du hast Schuppen!“                                                                ein richtiges Sozialsystem, Selbstdisziplin          ren Selbstvorwürfen und Lebensschulden bis
                          besten, man trifft sich mit Freunden oder                                                                                            und Hoch-Kultur. Es braucht für die ver-             ans Ende unserer Tage. Wir haben das Leben
                          Bekannten an einem schönen Ort und erzählt         So geht ein Frei-sein-Tag mit Humor zu Ende                                       schiedenen Generationen sinnvolle Arbeiten           auf unsere eigenen Kosten vermietet.
                          sich Witze. Durch das Lachen wird man dann         und morgen geht es dann voller Energie und                                        und Tätigkeiten, aber auch Freizeit. Es
FREI - APROPOS - Apropos | Strassenzeitung für Salzburg
18      [SCHREIBWERKSTATT]                                                                                                                                               19
                           Schreibwerkstatt-Autorin Hanna S.                                                                                          Verkäufer und Schreibwerkstatt-
                                                                                                                                                      Autor Eduard Binder

                           Die Freiheit, die
                                                                                                                                                                                                                                            Werde T
                                                                                                                                                                                                                                                    eil
                                                                                                                                                                                                                                            Lehrreda der

                                                                                                                                                      Was ich
                                                                                                                                                                                                                                                    ktion!

                           ich meine…
                                                                                                                                                                                                     107,5 & 97,3 mhz
                                                                                                                                                                                                     im kabel 98,6 mhz
                                                                                                                                                                                                     //radiofabrik.at//

                           Ich bin nicht frei, solange eine einzige Frau     und selbstbestimmtes Leben zu führen. Das
                                                                                                                                                      noch sagen
HANNA S. ist für Gleich-
                           unfrei ist, auch wenn sie ganz andere Fesseln
                           trägt als ich. Ich bin nicht frei, solange
                           noch ein einziger farbiger Mensch in Ketten
                                                                             Dilemma ist, dass dadurch die Staaten arm
                                                                             bleiben, da Wohlstand nur dann entstehen
                                                                             kann, wenn alle Menschen neues Wissen schaf-
                                                                                                                            EDUARD BINDER lässt
                                                                                                                                                      wollte
                                                                                                                                                      Am 7. Februar dieses Jahres habe
berechtigung                                                                                                                sich nicht unterkriegen
                           liegt. Und solange seid ihr auch nicht frei!      fen und weltweit vermarkten.                                             ich mir bei einem Sturz den linken
                           (Audre Lorde)                                     In dieser Hinsicht geht es uns in Österreich                             Oberschenkel gebrochen. Ich wurde
                           Die Gleichberechtigung der Frauen ist nir-        sehr gut. Bei uns werden Dienstleistungen                                von der Rettung ins Unfallkran-
                           gends so weit fortgeschritten, wie bei uns        wie Sozial-und Krankenversicherung, Infra-                               kenhaus gebracht und dort sofort
                           in Westeuropa. Trotzdem haben wir noch einen      struktur, Bildung und persönliche Sicherheit                             operiert. Die Operation ist verlief
                           weiten Weg vor uns zur Emanzipation. Die          angeboten.                                                               gut und ich wurde auf die Station
                           Gehälter der Frauen liegen noch immer weit        Je emanzipierter eine Gesellschaft, desto                                3B gebracht. Dort wurde ich von                 Die Radiofabrik-Lehrredaktion 2019
                           unter denen der Männer, um nur ein Beispiel       stabiler, friedlicher und toleranter ist sie                             Ärzten und dem Personal dort sehr
                                                                                                                                                                                                  Praxislehrgang für Journa-            und den vielfältigen Einsatz von
                           zu nennen.                                        und desto weniger Kriege werden geführt. Und                             freundlich und gut behandelt und
                                                                                                                                                                                                  lismus in Community-Medien            Community Radio in Regional­
                           Würden alle Frauen gleichberechtigt werden,       desto wohlhabender ist sie auch. Dazu müsste                             versorgt. Insgesamt war ich vier                                                  entwicklung oder Sozialarbeit.
                           ließen sich weitere Kriege, Armut, Terror         allerdings auch ein Umdenken stattfinden.                                Wochen auf der Station, also bis zum        Werde Teil der zweiten Radio­ Keine Vorkenntnisse notwendig.
                           und neue Flüchtlingswellen nach Europa            Ich bin jedenfalls froh und dankbar, hier in                             7. März. Seit ich das Krankenhaus           fabrik­Lehrredaktion! Der Praxislehr­ Learning by doing: Du bist gleich­
                           verhindern.                                       Österreich leben zu dürfen.
[SCHREIBWERKSTATT]
                                         20      [SCHREIBWERKSTATT]                                                                                                                                            21
                       Verkäuferin und Schreibwerkstatt-Autorin Monika Fiedler                                                                    Verkäufer und Schreibwerk-
                                                                                                                                                  statt-Autor Georg Aigner

                       Selbst ist die Frau                                                                                                        Ein neues
                       Letztens musste ich im Regen am Hauptbahn-
                       hof in Linz auf meinen Bus 27 Minuten lang
                                                                         Dazu nehme ich immer zwei Dosen ganze
                                                                         Tomaten und 250g Linsen und viele Gewürze.
                                                                                                                                                  Leben in                                                            Verkäuferin und Schreibwerk-
                       warten. Ich wollte mit dem Bus zu August
                       fahren. Er schreibt auch Texte und zwar für
                                                                         Das Garam Masala mische ich selbst aus
                                                                         Kreuzkümmel, Kardamom, Gewürznelken und
                                                                                                                                                  Freiheit                                                            statt-Autorin Evelyne Aigner

                       die Kupfermuckn in Linz jedes Monat. Seit
                       viereinhalb Jahren wohne ich jetzt schon
                                                                         Pfeffer zusammen, natürlich alles in gerie-
                                                                         bener Form (dabei von allen Gewürzen gleich
                                                                                                                                                  Als ich noch jünger war, hab ich
                                                                                                                                                  bei jedem Blödsinn mitgemacht.                                      Frei seine
MONIKA FIEDLER kocht
gerne
                       hier und das Arbeiten ist gut hier und die
                       Leute sind auch sehr freundlich. Aber am
                                                                         viel nehmen und dann zwei Teelöffel in das
                                                                         Gericht geben). Für die Speise schneide ich
                                                                                                                        GEORG AIGNER freut sich
                                                                                                                        im Juni auf das Freibad
                                                                                                                                                  Zeitweise hat es Spaß gemacht,
                                                                                                                                                  aber ich kam mit dem Gesetz in                                      Entscheidun-
                       Mittwoch bin ich immer in Salzburg, meiner
                       Heimatstadt und verkaufe da das Apropos und
                                                                         noch ½ Bund Koriander und gieße mit 200 ml
                                                                         Kokosmilch auf. Dann kommen noch Currypul-
                                                                                                                                                  Konflikt und wurde eingesperrt.
                                                                                                                                                  Ich trank ziemlich viel, so                                         gen treffen
                       manchmal auch am Wochenende, wenn es mein         ver, Chillipulver und Salz hinein. Alles gut                             schadete es mir nicht, dass                                         Als ich 16 jahre war, kam ich nach
                       Arbeitsplan erlaubt. Das freut mich immer.        kochen lassen bis die Linsen durch sind. Es                              ich eingesperrt wurde, weil                                         Kärnten in ein Mädcheninternat, das
                       August ist also ein lieber Kollege von mir,       hat ihm sehr geschmeckt.                                                 im Gefängnis gibt es nichts zu                                      wurde von geistlichen Schwestern
                                                                                                                                                                                      EVELYNE AIGNER freut
                       nur kochen kann er leider nicht. Er ist schon     Aber am liebsten hat August, wenn ich ihm                                trinken.                                                            geführt. Es gab dort vier Mädchen-
                                                                                                                                                                                      sich im Juni auf die Salz-
                       67 Jahre alt, aber noch voller Leben und          Palatschinken mache. Meine Kochkurse bei ihm                             Wenn man auf der Straße lebt,       achgalarie
                                                                                                                                                                                                                      Gruppen und ich war bei den Alpen-
                       Freude, besonders dann, wenn ich für ihn in       tragen auch schon Früchte. Früher hat er nie                             ist man nie frei, weil man                                          röslein. Neben der Schule gab es
                       seiner Küche koche. Ich bringe ihm das Ko-        gekocht auf seiner schönen Herdplatte, aber                              Alkohol süchtig ist. Und so                                         auch eine Erzieherin, die tagsüber
                       chen bei, das habe ich mir vorgenommen. Ich       seit ich zu ihm komme macht er sich auch mal                             kam es irgendwann dazu, dass                                        da war. Am Anfang hatte ich sehr
                       habe schon einige Speisen für ihn gekocht.        selbst eine Gemüsesuppe mit frisch gekauftem                             ich mit zwei Komplizen einen                                        großes Heimweh und ich wollte immer
                       Zum Beispiel eine indische rote Linsensuppe.      Gemüse vom Markt. Das freut mich.
[PORTRÄT-SERIE]
                                                         22                                                                                                                                                                                                         [PORTRÄT-SERIE]
                                                                                                                                                                                                                                                                                                      23
                                                                                                            NAME Christina Repolust                                                                     NAME Sonja Stockhammer                                                                                             WELT DER FRAU

                                                                                                                                                                      STECKBRIEFE

                                                                                                                                                                                                                                                                                             TIPP
Autorin Christina Repolust trifft                                                                  LACHT am liebsten mit ihrer Enkelin                                                                  LEBT gern am Land                                                                                                  Blog: Repolusts Lesezeichen
                                                                                                                               Filippa                                                                  MAG ihre Tierchen                                                                                                     www.welt-der-frauen.at/kategorie/
Verkäuferin Sonja Stockhammer                                                                                                                                                                                                                                                                                              und-ausserdem/repolusts-lesezei-
                                                                                                      WÜHLT bald in ihrem Hochbeet                                                                      STEHT auf Ehrlichkeit

AUF MEINE
                                                                                                     HÖRT auf Menschen, die sie liebt                                                                                                                                                                                      chen
                                                                                                     MAG die Ehrlichkeit der Kinder in
                                                                                                             ihren Schreibwerkstätten

TIERE KANN
ICH MICH                                                                                                                                                                                                                                                               nach vorn zu schauen.
                                                                                                                                                                                                                                                                       Ein bisschen was geht
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     wirklich eine eigene Sprache. Mit Worten kann
                                                                                                                                                                                                                                                                                                     man andere kränken, in die Irre führen oder

VERLASSEN
                                                                                                                                                                                                                                                                       nämlich immer. Das            sogar belügen. Die Tiere und ich sprechen eine
                                                                                                                                                                                                                                                                       ist beim Verkaufen so,        ganz andere, gemeinsame Sprache.“
                                                                                                                                                                                                                                                                       das ist ganz allgemein
                                                                                                                                                                                                                                                                       im Leben so. Ich habe         Die wilde Sonja auf ihrem wilden Nabucco,
                                                                                                                                                                                                                                                                       mich immer gefreut,           das ist ein Bild, das wir beide teilen können.
Sie verkauft die Straßenzeitung Apropos, liebt die                                                                                                                                                                                                                     wenn ich den Rolf             „Wenn ich aufgestiegen bin, hat das Pferd so-
Natur, Musik und Literatur, bildet sich stets in Kur-                                                                                                                                                                                                                  mit seinen beiden             fort gewusst, wie ich drauf bin und umgekehrt.
sen weiter und trifft gerne gleichgesinnte Menschen.                                                                                                                                                                                                                   Hunden getroffen              Da braucht man nicht viele Worte, da geht es
Sie war schon öfters ganz unten und hat sich immer                                                                                                                                                                                                                     habe. Ich habe ja auch        ums Spüren und darum, dass man einander
wieder aus dem Sumpf gezogen. Andrea Hoschek im                                                                                                                                                                                                                        so ein Hundsviech,            vertraut.“ Sonja hat alles erzählt, was sie von
Gespräch.                                                                                                                                                                                                                                                              wir haben verstanden,         sich preisgeben will, mit dem Fotografen hat
                                                                                                                                                                                                                                                                       was uns unsere Tiere          sie noch übers Reiten geredet und so nebenbei
von Christina Repolust                                                                                                                                                                                                                                                 bedeuten.“ Ob ich             zu Andreas Hauch und mir gemeint: „Macht’s

E
                                                                                                                                                                                                                                                                       auch Tiere, etwa einen        was Gscheites draus. Ich hab alles erzählt, was
       s ist nicht leicht, mit Sonja Stockhammer         schreib ich das jetzt so?                                                                                                                                                                                     Hund, habe? „Ach so,          es zu erzählen gibt. Jetzt muss ich zum Zug, ich
       Schritt zu halten. Sie geht zügig und steuert     Oder?“ Schreibhemmungen                                                                                                                                                                                       nur drei Katzen. Die          will nach Hause und dann vielleicht noch eine
       zielstrebig auf jenes Hotel zu, in dessen         sind ihr fremd, sie geht,                                                                                                                                                                                     sind aber auch ganz           kleine Runde spazieren gehen.“ Es sind nicht
Café wir uns unterhalten werden. „Du kannst              redet, schreibt und denkt                                                                                                                                                                                     o.k. Die lieben ihre          die großen, polierten Wörter, die Gesprächen

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Andreas Hauch arbeitet seit über 25 Jahren als Fotograf mit Kunden aus Wirtschaft, Politik,
mich alles fragen, was du willst, ich sag dir dann       schnell, sehr schnell. „Na ja,                                                                                                                                                                                Freiheit und machen,          Sinn und Tiefe geben, es sind nicht die gro-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Theater und Kunst gemeinsam an guten Bildern. Im Mittelpunkt steht immer der Mensch.
schon, ob mir die Frage zu privat ist “, lädt mich       worauf soll ich auch warten?“                                                                                                                                                                                 was sie wollen.“              ßen Geheimnisse, die Gespräche interessant
Sonja ein, den Gesprächsfaden zwischen Distanz                                                                                                                                                                                                                                                       machen. Da war ein kurzes Anstubsen, da
und Nähe, Vertrauen und Rückzug möglichst                Wenn sie donnerstags auf                                                                                                                                                                                        Freiheit ist Sonja          waren drei Sätze, da war ein Lächeln: Sonja
locker und unverkrampft auszurollen. „Schau, da          der Schranne – vor der                                                                                                                                                                                          wichtig, sie lässt sie      hat von ihrer Freiheit erzählt, von Vertrauen,
draußen geht unser Fotograf haarscharf vorbei!“,         CA-Bank am Mirabell-                                                                                                                                                                                            den anderen und             vom Zähmen und vom Gezähmtwerden – mit
kommentiert sie das Geschehen. Und sie hat Recht,        platz – verkauft, kommen                                                                                                                                                                                        sucht sie für sich:         anderen Worten natürlich, nein, eigentlich
Andi Hauch kommt wenig später mit einem „Ich             ihre Stammkundinnen und                                                                                                                                                                                         „Drinnen fühl ich           ohne Worte! <
bin da gerade vorbei gegangen“ dazu. Sonja nickt         -kunden. „Klar ergeben sich                                                                                                                                                                                     mich schnell einge-
zufrieden: „Klar, dass ich recht habe, ich weiß doch,    da etliche Gespräche, meine                                                                                                                                                                                     sperrt. Kaum gehe
                                                                                                              Ro veligenest, sit velluptatur rem eos eum ad quis alit               Ro veligenest, sit velluptatur rem eos eum ad quis alit
was ich sehe. Unterschätzt mich nicht!“                  Leute kennen mich schon                              voluptati bea is reped quibus as aliquo blanda volupta vende          voluptati bea is reped quibus as aliquo blanda volupta vende                         ich hinaus, spüre ich
                                                         gut, die wissen, wann ich re-                        vendaep elest,                                                        vendaep elest,                                                                       sofort, dass ich freier
Sonja erzählt von ihren Pferden, Hunden und              den will oder wann es besser                                                                                                                                                                                    atme, gehe – die Natur
Katzen, sie weiß, dass sie sich bis jetzt auf all ihre   ist, mich in Ruhe zu lassen.“ Dann bleibt sie zwar   am Tee und wir denken, jede für sich, über das                        gepasst. Ich kann mit Pferden umgehen, klar ist mein Freiraum. Nein, eine Stubenhockerin
Tiere verlassen konnte. „Von einem Tier (Sonja im        freundlich, ist aber nicht zum Plaudern aufgelegt:   Gesagte bzw. Gehörte nach. „Klar kannst du                            haben sie mich manchmal auch abgeworfen, war ich nie, wenn nur mein Fuß langsam besser
Originalton: Viech) bin ich noch nie enttäuscht          „Man muss ja nicht dauernd reden, manchmal passt     schreiben, dass ich am Land wohne, aber wo                            das gehört dazu.“                                            würde, dann könnte ich wie früher richtig große
worden.“ Bestimmt legt Sonja fest, worüber sie           es einfach besser, den Mund zu halten.“              genau, das geht wiederum niemanden etwas an.                                                                                       Runden gehen. Aber was solls! Jammern hat
reden möchte und worüber nicht: „Ich habe viel                                                                Draußen bei uns ist es ruhig, ich geh aus der Tür                     So endet also meine Pony-Sonja-Phantasie mir noch nie geholfen.“ Was würde wohl ge-
erlebt, manches war echt hart. Lassen wir das            Gleich nach der Schule hat sie im Gastgewerbe        hinaus und bin schon mitten in der Natur.“ Wie                        sehr abrupt, Sonja hat Recht, sie hat wohl nie schehen, nähme ich Sonja jetzt einfach in den
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                            Ro veligenest, sit velluptatur
aber und reden wir von etwas anderem.“ Seit              zu arbeiten begonnen: „Ich war mir für keine         ihr erstes Pferd geheißen hat? „Warte, wie eine                       auf ein Pony gepasst. Oder besser gesagt, sie Arm? „Was grinst du denn so?“ Sonja ist eine                                              rem eos eum ad quis alit vo-

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Mail: fotohauch@gmx.at
zwanzig Jahren verkauft die schlanke, sportliche         Arbeit zu schlecht, wir haben damals wirklich        Oper. Nein, nicht „Aida“! Nabucco war mein                            hat immer viel von sich gefordert, rauf aufs aufmerksame Beobachterin, gleichzeitig bohrt                                               luptati bea is reped quibus
Frau – „Mein Alter, geh, das ist jetzt wirklich kein     richtig rackern müssen.“ Wenn Sonja von dieser       erstes Pferd, ein Warmbluttraber. Schon als Kind                      große Pferd, rein in die für ein junges, zartes sie nicht lange nach, als diesmal ich sage „Nix,                                        as aliquo blanda volupta
Thema!“ – die Salzburger Straßenzeitung. Sie hat         Lebensphase erzählt, wird ihr Redefluss noch         war ich jeden Tag auf dem Reiterhof, dort habe                        Mädchen körperlich harte Arbeitswelt. Es gibt ich habe mir nur etwas vorgestellt.“ Wenn es                                              vende vendaep elest,
bei zahlreichen Buchprojekten mitgeschrieben, vor        schneller als er ohnehin schon ist. „Wir haben       ich mitgeholfen und bin auch ausgeritten.“ Bevor                      Gespräche, die fügen das Gesagte zu einer Ge- um Verlässlichkeit bzw. Treue geht, wird Sonja
manchen Lesungen war sie aufgeregt: „Aber es ist         uns damals nie getraut, einfach in die Luft zu       ich mir die kleine Sonja auf einem gutmütigen                         schichte, rund und ausführlich. Damit können ernst. „In meinem Leben haben mich meine
immer gut gegangen.“ Mich beeindruckt Sonja              schauen oder zu trödeln.“ Sagen, was zu sagen        Pony irgendwo auf einer Weide zwischen Salzburg                       Sonja und ich jetzt nicht dienen. Ich horche Tiere nie enttäuscht. Tiere sind ehrlich, ehr-
bei jedem Treffen der Schreibwerkstatt durch ihre        ist und dann schweigen, so hat Sonja die Regeln      und Oberösterreich vorstellen kann, grinst diese:                     auf Sonjas Worte, die knappen Sätze, ihre licher als manche Menschen, die einem etwas                                                          Diese Serie entsteht in

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          TICKER
Schnelligkeit, die wirklich gnadenlos ist, mit ihr       für unser Gespräch festgelegt. Neben ihr lässt es    „Geh, ein Pony, was soll das! Ich bin gleich auf                      Andeutungen und glaube, dazwischen manches vorspielen. Ich habe viel Zeit damit verbracht,                                                     Kooperation mit dem
und mit mir. „Wie lautet das Thema? Aha, dann            sich gut schweigen, sie nippt am Cola, ich nippe     ein richtiges Pferd gestiegen, das hat immer gut                      Ungesagte zu erkennen. „Ich versuche immer, die Sprache der Tiere zu verstehen, das ist                                                        Literaturhaus Salzburg.         FOTOS
                                                         APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019                                                                                                                                                                                       APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019
24       [AKTUELL]                                                                                                                                                                                                         [AKTUELL]
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                        25
                                                                                                                                                 ABZ – Haus der Möglichkeiten                                                              BÜCHER AUS DEM REGAL
                                                                                                                                                                                                                                           von Christina Repolust                                zugemutet und zugetraut. „Anne Frank und der                  blättern, werden einerseits die Geschichte Anne
                                                                                                                                                 ABZ – SOMMERFEST                                                                                                                                Baum“ vermittelt das Leben der Titelfigur aus der             Franks verstehen und andererseits viele Fragen
                                                                                                                                                 Wie jedes Jahr lädt auch heuer                                                                             Ausgehend von einem aktuellen        Sicht des Baumes vor der Tür. Anne Frank starb                haben: Warum konnte das geschehen? Warum
                                                                                                                                                 wieder das „ABZ – Haus der                                                                                                                      im März 1945 im KZ Bergenbelsen an Typhus,                    haben nicht mehr Leute geholfen? Kann das wie-
                                                                                                                                                                                                                                                            Roman suche ich im Bücherregal
                                                                                                                                                 Möglichkeiten“ zu einem Som-                                                                                                                    drei Wochen vor Befreiung des Lagers. Der Baum                der geschehen? Wichtige Fragen für Erwachsene,
                                                                                                                                                                                                                                                            – meinem häuslichen und dem in
                                                                                                                                                 merfest ein. Am 19. Juni 2019                                                                                                                   hält hier Rückschau, er erzählt von den Menschen,             aufrüttelnde Gedanken in Österreich im Jahr 2019.
                                                                                                                                                                                                                                                            öffentlichen Bibliotheken – nach
                                                                                                                                                 wird in der Kirchenstraße 34 gefeiert, mit Köstlichkeiten aus aller                                                                             die anderen halfen – es waren wenige – und jenen,             Der österreichische Schriftsteller Michael Köh-
                                                                                                                                                                                                                                                            Büchern, die einen thematischen
                                                                                                                                                 Welt. Es gibt wieder viel Selbstgemachtes von den Besucher*innen                                                                                die andere verrieten, das waren viele. Der Text               lmeier formulierte die Bedeutung des Erzählens
                                                                                                                                                                                                                                                            Dialog mit ersterem haben. Ob da-
                                                                                                                                                 zum Verkosten, ein Kinderprogramm und natürlich auch viel Musik.                                                                                orientiert sich an den Tagebucheinträgen Anne                 sowie des Erinnerns im Mai 2018 treffend so: „Wo
                                                                                                                                                                                                                                                            bei die Romane mich finden oder
                                                                                                                                                 Gefeiert wird die Vielfalt, wie sie im ABZ tagtäglich gelebt wird. Das                                                                          Franks, die 1944 verraten und deportiert wurde.               nicht erzählt wird, wird vergessen.“ In dieser Rede
                                                                                                                                                 Fest gibt Gelegenheit zum Austausch und zum näher Kennenlernen.                                            ich die Romane finde, sei einfach    Dreimal erwähnte sie den Kastanienbaum im Hof,                erinnert er darin, dass die Wege nach Auschwitz,
                                                                                                                                                 Das genaue Programm findet sich auf der Homepage des ABZ.                                                  einmal dahingestellt.                dessen Setzlinge in vielen Schulen, bei Museen                Treblinka etc. aus unzähligen vielen und kleinen
Verein Spektrum
                                                                                                                                                    www.abz-salzburg.at                                                                                                                          und zahlreichen Holocaust-Mahnmalen wachsen:                  Schritten bestanden haben.
KINDERSTADT                                                                                                                                         Kontakt: 0662 / 451290                                                                 WIDER DAS VERGESSEN, WIDER                            Wider das Vergessen und Wider das Verharmlosen.               Anne Frank. In der Reihe „Little People, Big
Mini-Salzburg öffnet wieder seine                                                               sich engagieren und Spaß dabei                                                                                                                                                                   „Die kleine Anne war vier, da kam ein Großmaul                Dreams“. Isabel Anchez Vegara / Sveta Dorosheva.
                                                                                                                                                                                                                                           DAS VERHARMLOSEN ZWEI BIL-
Tore. Diesmal von 26. Juni bis 13.                                                              haben. Die Kinderstadt bringt jun-                                                                                                                                                               mit Bärtchen an die Macht. Adolf Hitler hasste                Insel Verlag 2019
                                                                                                                                                                                Stiftung Mozarteum                                         DERBÜCHER ÜBER ANNE FRANK                                                                                           Anne Frank und der Baum. Der Blick durch Annes
Juli 2019. In der Eisarena und im                                                               gen Menschen die verschiedenen                                                                                                                                                                   die Juden und hätte sie am liebsten aus der Welt
Volksgarten entfaltet sich die Spiel-                                                           Aspekten des politischen, gesell-                                               AFTER WORK KONZERTE                                        Kinderbüchern unterstellt man, besonders dann,        geschafft.“ Dieser Klartext wird mit ebenso                   Fenster. Jeff Gottesfeld. Peter MacCarty. Über-
stadt, in der Kinder und Jugendliche                                                            schaftlichen und kulturellen Lebens                                             Die Konzertreihe „after work“ der Stif-                    wenn man wenige kennt, infantile Darstellung der      klar konturierten Schwarz-Weiß-Illustrationen                 setzt von Mirjam Pressler. Sauerländer 2018
arbeiten, studieren, mitbestimmen                                                               näher und vermittelt lebensnah, dass                                            tung Mozarteum bringt aufregende Mu-                       Wirklichkeit. Tatsächlich bereiten Autorinnen und     begleitet, Kinder ab vier Jahren verstehen die
und wählen, Sachen erfinden, Geld                                                               Teilhabe wichtig ist.                                                           sik unaufgeregt unter die Leute. Gleich                    Autoren, die für Kinder schreiben, große Themen       Aussagen, folgen der kleinen Anne auf der Flucht
verdienen, Erste Hilfe leisten, Fir-                                                               www.minisalzburg.spektrum.at                                                 nach der Arbeit ins Konzert und davor                      gekonnt und brillant auf: Sie erzählen so, dass       nach Holland, begreifen die Gefahr, in der nicht
men gründen, Filme drehen, kochen,                                                                                                                                              noch kurz an die Bar, das ist unkompli-                    Kinder die Inhalte sowohl verstehen, als auch das     nur sie und ihre Familie lebte. Das Tagebuch, das
                                                                                                                                                                                zierter Kulturgenuss. Am 11. Juni 2019                     Ungesagte zwischen den Zeilen erkennen. Diese         Anne zu ihrem 13. Geburtstag bekam, wurde ihr                         Little People, BIG DREAMS

                                      KULTURTIPPS
                                                                                                                                                                                ist dabei das Trio Klavis, mit der unge-                   Autorinnen und Autoren beherrschen die Spra-          Zufluchtsort, sie träumte in ihrem Versteck davon,
                                                                                                                                                                                wöhnlichen Kombination von Saxophon,                       che und die Kunst der Vermittlung. Die geniale        Schriftstellerin zu werden. Die Dringlichkeit, alles
                                                                                                                                                                                Klavier und Violine zu hören und am 18.                    Übersetzerin – sie übersetzte über 300 Werke aus      festzuhalten, ist in beiden Bilderbüchern spürbar:
                                                                                                                                                                                Juni ist das Streicher-Duo Bartolomey-                     dem Hebräischen, dem Niederländischen und dem         Zwei Jahre lang füllt das Mädchen ihr Tagebuch,
                                                                                                                                           von Verena Siller-Ramsl              Bittmann mit einer Mischung aus Rock,                      Englischen ins Deutsche - und Autorin Mirjam          hält alles, was sie bewegt, darin fest. Es ist ihr Vater,
                                                                                                                                   Hotline: 0699 / 17071914
                                                                                                                                                                                Jazz, Folk, und Kammermusik bei der                        Pressler verstarb im Jänner 2019, als Schriftstel-    Otto Frank, der diese Aufzeichnungen veröffent-
                                                                                                                                     www.kunsthunger-sbg.at                     Konzertreihe zu Gast. Beginn ist immer                     lerin hat sie nie einfache Lösungen angeboten,        licht: Nur er hat das Konzentrationslager überlebt.                                                           Jetzt

                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               INSEL
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               auf
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                              Mª Isabel
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                             Mª   Isabel Sánchez
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                         SánchezVegara
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                  Vegara     Deutsch

                                                                                                                                                                                um 18.30 Uhr.                                              ihren jungen Leserinnen und Lesern einfach viel       Kinder, Jugendliche, die diese Bilderbücher durch-
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                          Illustriert von von
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Illustriert Sveta Dorosheva
                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Frau Isa

                                                                                                                                                                                    www.mozarteum.at/saison-konzerte
                                                                                                                                                                                    Kontakt: 0662 / 88940-09

                                                                                                                                                                                                                                                                       GEHÖRT & GELESEN
                                                                   Spielzeug Museum
                       Foto: Spielzeug Museum/Hannelore Kirchner

                                                                   DER SOMMER KOMMT

                                                                                                                                                                                                                      Foto: Max Parovsky
                                                                   Ob Bienenhotels bauen für Balkon                         weder vorgelesen oder aufgeführt.
                                                                   und Garten, lustige Pop-up-Kar-                          Am 6. und 20. Juni kann jeder
                                                                   ten basteln für den Vatertag, oder                       der Lust hat am bewegten Spiel-
                                                                   bunte Bade-Igel fürs Plantschver-                        programm „Spielend in Balance“
                                                                   gnügen: im Spielzeug Museum ist                          teilnehmen. Und jeden Freitag                                                                                                            gelesen von Michaela Gründler                                                     gelesen von Ulrike Matzer
                                                                   im Juni 2019 wieder viel los. Da-                        sind alle Spiele-Fans beim großen
                                                                   neben gibt es jeden Mittwoch ei-                         Spieletreff für Groß und Klein                                                                                                          SYRISCHER SOG                                                                      FRUCHTIGE FRISCHE
                                                                   nen Besuch vom Museumskasperl                            herzlich willkommen.                                                                                                                    Der Sog entsteht schon beim Lesen der ers-                                   Das fast neonfarbige Cover dieses handlichen Bands
                                                                   Sindri und an den Donnerstagen                               www.spielzeugmuseum.at                                                                                                              ten paar Zeilen. „Jeder Mensch hat so seine                                  weckt bereits die geschmacklichen Assoziationen, die
                                                                   werden dann Geschichten, ent-                                Kontakt: 0662 / 620808-300                                                                                                          Zahlen. Zahlen, denen er lieber aus dem Weg                                  man gemeinhin mit Zitronen hat. In der Küche verleiht
                                                                                                                                                                                                                                                                    geht. Und Zahlen, die er liebt. Seine Zahlen.“                               diese Frucht Salzigem wie Süßem eine säuerliche Frische.
                                                                                                                                                   Szene Salzburg                                                                                                   Innerhalb weniger Sekunden baut sich eine                                    Zum Marinieren von Fleisch und Fisch ist sie ebenso
                                                                                                                                                   SOMMERSZENE                                                                                                      Spannung und eine Poesie auf, die ihres-                                     unverzichtbar wie für Eiscremes, Sorbets und Marme-
                                                                                                                                                                                                                                                                    gleichen sucht. Dabei hat sich der Autor die                                 laden. Das Büchlein hält nicht nur probate Rezepte aus
                                                                                                                                                   Vom 17. bis 29. Juni 2019 findet     werdung auseinander. Dabei                                                  deutsche Sprache erst in den vergangenen fünf                                Italien und dem Mittelmeerraum bereit. Es bietet auch
                                                                        Foto: Bernhard Müller

                                                                                                                                                   heuer die Sommerszene in Salz-       entspinnt sich rund um die Er-                                              Jahren angeeignet. Die Rede ist vom bemer-                                   eine kleine Kulturgeschichte der Zitrusfrucht, deren
                                                                                                                                                   burg statt. Dabei stehen wieder      zählung von Abraham und sei-                       kenswerten Buch „Danke! Wie Österreich meine Heimat wurde“ des                  Verbreitung in Europa wir – wie so vieles – den Arabern verdanken. Auch der
                                                                                                                                                   Tanz, Schauspiel, Performances       nem Sohn Isaak ein Abend über                      jungen, syrischen Autors Omar Khir Alanam, der auf 158 Seiten seine             Ausdruck limon entstammt dem persisch-arabischen Raum. Die Besonderheit,
                                                                                                                                                   und partizipative Formaten im        die Beziehung von Mensch und                       Fluchtgeschichte, seine Erinnerungen an Damaskus, seine Ankunft                 dass Zitronen nach dem Pflücken weiter reifen, erlaubte den Transport über
                                                                                                                                                   Focus. „Herde und Stall“ von         Nutztier, Ackerbau und Vieh-                       in Österreich und sein Heimisch-Werden aufspannt. Er verleiht der               weite Strecken. Lange Zeit waren Zitrusfrüchte ein Symbol der Aristokratie.
                                                                                                                                                   Hubert Lepka/Lawine Torrèn           zucht, Loyalität und Opfertum.                     Schwere Leichtigkeit, dem Ernst Humor und bietet mit seinem Buch                Entsprechend häufig sind sie in flämischen und spanischen Stillleben als Sinnbild
                                                                                                                                                   ist am 22. und 23. Juni in der       Beginn jeweils um 20.00 Uhr.                       vor allem eines: Hoffnung. Ein absolutes Lese-Muss!                             und farbliches Highlight zu finden.
                                                                                                                                                   Szene zu sehen. Das Stück setzt         www.szene-salzburg.net                          Danke! Wie Österreich meine Heimat wurde. Omar Khir Alanam. editi-              Zitrone. Bruno Ciccaglione. Mandelbaum Verlag 2018. 12,00 Euro
                                                                                                                                                   sich mit der Frage der Sesshaft-         Kontakt: 0662 / 843448                         on a 2018. 17,90 Euro

                                                                                                           APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019                                                                                                                                                                                       APROPOS · Nr. 190 · Juni 2019
Sie können auch lesen