Frequenz - BFH: Gesundheit

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Frequenz - BFH: Gesundheit
frequenz
         Das Magazin des Departements Gesundheit                                              Juni 2018

        Psychosoziale Gesundheit
         «Gesund» oder «krank»?
         Psychosoziale Gesundheit geht über diese
         einfache Zuteilung hinaus. Mehr zum
         Schwerpunkt des Departements Gesundheit
         erfahren Sie im Interview mit zwei
         ­Pflege­forscherinnen. ‣ 8

                                                    Ein Label, das verpflichtet
                                                    Das Departement Gesundheit wurde für die
                                                    Einführung seines Betrieblichen Gesundheits­
                                                    managements ­ausgezeichnet. Und jetzt –
                                                    zurücklehnen? Von wegen! ‣ 19

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                      Departement Gesundheit                             Pflege
                      06     Das Fundament steht                         30	Mehr Männer in der Pflege!

                      Fokus Psychosoziale Gesundheit                     Physiotherapie
                      08	Wegweisendes Konzept:                          32	Digital Natives – Zukunftschancen des Lehrens
                          Psychosoziale Gesundheit                           und Lernens an Hochschulen
                          am Departement Gesundheit
                      12	Psychische Beeinträchtigung und Stigmatisie­   Forschung
                          rung – eine gesellschaftliche Realität         34	Einzigartig, innovativ, kooperativ:
                      14	Perinatale psychische Gesundheit:                  Gemeinsam gegen den Fachkräftemangel
                          Wir setzen ein Zeichen                             in den Gesundheitsberufen
                      17	«Clinical Assessment» – neue Kompetenzen für
                          Psychiatrie-Pflegende                          Weiterbildung und Dienstleistungen
                      19	Betriebliches Gesundheitsmanagement:           36	Wo er eingreift und anpackt,
                          eine Floskel oder gelebter Alltag?                 entsteht etwas Neues
                      22	Burnout bei Physiotherapeutinnen
                          und -therapeuten im Kanton Bern                Interprofessionelles
                      24	Psychische Gesundheit aus dem Bauch heraus?    38	Ein Rundtisch im Sinne Aristotelesʼ

                      Ernährung und Diätetik                             Internationales
                      26	Bessere Leistung im Spitzensport durch         40	Triefender Schweiss und
                          personalisierte Ernährung?                         eine Prise Ferienstimmung

                      Geburtshilfe                                       Weiterbildungsangebot
                      28	Früh übt sich: Hebammennachwuchs               42	Aus- und Weiterbildungen an der
                          am Perinatalkongress                               ­Fachhochschule

                                                     11                                                            27

                                                                         13                                                  41

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                                           Liebe Leserinnen, liebe Leser

                                           «Aufbruchstimmung» – unter diesem Motto veranstalteten wir für die Mitar­
                                           beitenden und Studierenden am 8. Mai 2018 das erste Departementsfest. Ich
                                           freue mich, diesen Aufbruch nicht nur mit den Mitarbeitenden des Departe­
                                           ments zu gestalten, sondern gemeinsam mit Ihnen als Partner aus dem
                                           Gesundheitswesen und der Politik. Die Gesundheitsberufe am Puls des sich
                                           verändernden Gesundheitswesens weiterzuentwickeln und so eine Versor­
                                           gung auf qualitativ hohem Niveau, für alle zugänglich und finanziell tragbar
                                           sicherzustellen, ist unser Auftrag und unsere Motivation. Alleine schaffen wir
         Prof. Dr. Urs Brügger
         Direktor Departement Gesundheit   dies nicht, sondern nur gemeinsam mit Ihnen: Wir zählen auf Ihre wertvolle
                                           Erfahrung, Ihr fundiertes Wissen und Ihre stete Unterstützung.

                                           Ein wichtiges Puzzleteil einer qualitativ hochwertigen, personenzentrierten
                                           Gesundheitsversorgung ist die «psychosoziale Gesundheit» – das Fokusthema
                                           des vorliegenden «frequenz». Das Departement Gesundheit setzt sich seit
                                           mehr als einer Dekade intensiv mit dem wegweisenden Konzept auseinan­
                                           der – und will die Aspekte der psychosozialen Gesundheit künftig noch
                                           verstärkt in Lehre, Forschung und Weiterbildung integrieren. Welche Schwer­
                                           punkte wir dabei setzen und was der Fachkräftemangel damit zu tun hat,
                                           erfahren Sie im Interview mit Sabine Hahn und Karin Peter, Abteilung Pflege
                                           (S. 8). Eva Cignacco und Anke Berger, Abteilung Geburtshilfe, zeigen auf, wie
                                           durch Einbezug der psychosozialen Gesundheit die perinatale Gesundheits­
                                           versorgung verbessert wird (S. 14).

                                           Die psychosoziale Gesundheit jedoch alleine in der Gesundheitsversorgung
                                           zu verorten, griffe zu kurz: Sie betrifft uns alle in unseren diversen Rollen als
                                           Vorgesetzte, Arbeitnehmende, Mitglieder eines Betriebs, einer Organisation –
                                           und ja, auch als Privatpersonen. Dahingehend gewichtet die Berner Fach­
                                           hochschule mit Fokus auf «Betriebliches Gesundheitsmanagement» ihre
                                           eigene Gesundheit, die der Mitarbeitenden, Studierenden und betrieblichen
                                           Strukturen stark (S. 19).

                                           Ich wünsche Ihnen eine Lektüre, die Sie zum Aufbruch anregt und Ihre
                                           Perspektive erweitert.

                                           Impressum

                                           Herausgeberin: Berner Fachhochschule BFH,         Layout: AST & FISCHER AG, Wabern, Felicia Jung
                                           Departement Gesundheit                            Druck: AST & FISCHER AG, Wabern
                                           Erscheinungsweise: 2-mal jährlich                 Copyright: Texte und Bilder sind urheberrechtlich
                                           Auflage: 8000 Ex.                                 geschützt. Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit
                                           Redaktion: Bettina Nägeli                         Genehmigung der Redaktion
                                           Fotos: Alexandra Berger, Daniel Haid, Nick        Abonnement: gesundheit.bfh.ch/frequenz
                                           Schneeberger, Fotolia, Messe Berlin und weitere

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         News
         Neue Leiterin Angewandte Forschung und Entwicklung                     Diätetik à la carte
         Ernährung und Diätetik                                                 Am 21. und 22. August 2018 sowie vom 27. bis 30. August 2018
         Seit 1. Juni 2018 leitet Klazine van der Horst die Angewandte For­     bereiten die Studierenden des zweiten Studienjahres des BSc Er­
         schung und Entwicklung Ernährung und Diätetik. Klazine van der         nährung und Diätetik diätetische Gaumenfreuden zu. Der Anlass
         Horst absolvierte nach ihrem Bachelorstudium zur Ernährungsbe­         ist öffentlich und findet an der Murtenstrasse 10, Bern, statt. An­
         raterin ein Masterstudium und den PhD-Abschluss in Public Health.      meldung an ernaehrung@bfh.ch.
         Nach einem Post-doc an der ETH Zürich im Bereich Consumer Be­
         havior war sie zuletzt bei Nestlé Research Center in verschiedenen     Swiss Congress for Health Professions SCHP 2018
         Funktionen tätig.                                                      Am 3. und 4. September 2018 findet in Zürich der Swiss Congress
                                                                                for Health Professions SCHP statt. Das Kongressthema «Personen­
         Akademie-Praxis-Partnerschaft zwischen dem Departement                 zentrierte Gesundheitsversorgung» wirft einen Blick auf aktuelle
         Gesundheit und der Insel Gruppe                                        Trends in der Gesundheitswelt. Anmeldung unter schp.ch.
         Das Departement Gesundheit und die Direktion Pflege/MTT der
         Insel Gruppe verstärken ihre Zusammenarbeit und verbinden Wis­         Symposium «Gemeinsam die Perspektive wechseln»
         senschaft und Praxis in einer Akademie-Praxis-Partnerschaft. Seit      Studierende der Weiterbildung Gesundheit präsentieren am Frei­
         1. April 2018 hat Prof. Dr. Kai-Uwe Schmitt deren Leitung inne.        tag, 6. September 2018, ihre Abschlussarbeiten, und neue Studie­
                                                                                rende werden in der Weiterbildung begrüsst. Informationen sind
         Stärkung der Psychiatriepflege in der Schweiz                          unter gesundheit.bfh.ch (Web-Code S-PSY-8) zu finden.
         Die Stiftung Lindenhof Bern schafft gemeinsam mit der Berner
         Fachhochschule Gesundheit die «Lindenhofprofessur für Psychiat­         Posterpräsentationen am Departement Gesundheit
         riepflege» im ambulanten Setting. Dank der neuen Stiftungsprofes­       Am 7. September 2018 präsentieren Absolvierende aus den
         sur werden künftig mit Praxispartnern und Institutionen aus ver­        ­Studienrichtungen Ernährung und Diätetik, Geburtshilfe, Pflege
         schiedenen Berufsfeldern sowie mit betroffenen Personen und              sowie Physiotherapie ihre Bachelor-Thesen in Form eines Pos­
         deren Angehörigen praxisrelevante Forschungs- und Entwick­              ters. Das Programm und weitere Informationen finden Sie unter
         lungsprojekte durchgeführt.                                            ­gesundheit.bfh.ch/bachelor.

         Rückblick Massagetag 2018                                              1. Nationaler Patientenkongress
         Der BSc-Studiengang Physiotherapie blickt auf einen erfolgreichen      Am 14. und 15. September 2018 findet der 1. Nationale Patienten­
         Massagetag zurück: Am 28. April 2018 haben die Studierenden            kongress «Gemeinsam den Herausforderungen der Psyche begeg­
         vom PHY17, Standort Bern, mit grossem Enthusiasmus zusammen            nen» im Stade de Suisse, Bern, statt. Der Kongress richtet sich
         mit Mitarbeitenden des Teams den Massagetag gestaltet. Insge­          an Betroffene, Angehörige, Fachpersonen und Interessierte und
         samt wurden 336 Massagen durchgeführt, was zu Einnahmen                wird organisiert von der Berner Fachhochschule Gesundheit, NPG
         von CHF 8400.– führte. Zusammen mit den Einnahmen aus dem              Netzwerk Psychiatrische Gesundheit und pro mente sana. Unter
         Cafeteriabetrieb und übrigen Spenden ergab dies ein Total von          patientenkongress.ch können Sie sich informieren und anmelden.
         CHF 8564.–, das als Spende je zu einem Viertel an vier Projekte
         überwiesen wird.                                                       Guest Lecture mit Live-Stream: «THE LANCET 2018 – A global
                                                                                call for action on prevention and treatment of low back pain»
         Gratulation                                                            Am 19. September 2018 findet von 16.30 bis 17.30 Uhr an der
         Wir gratulieren Dr. Sibylle Frey, Abteilung Pflege, zu ihrer erfolg­   Schwarztorstrasse 48, Bern, die Gastvorlesung «THE LANCET
         reichen Dissertation und PD Dr. Heiner Baur, Abteilung Physio­         2018 – A global call for action on prevention and treatment of low
         therapie, zur Umhabilitation an der Universität Bern.                  back pain» statt. Dr. Douglas Gross, University of Alberta, Canada,
                                                                                erläutert die Empfehlungen der «Lancet 2018 Back Pain Initiative»
                                                                                zur Behandlung von Rückenschmerzen. Wer nicht vor Ort dabei
                                                                                sein kann, kann die Vorlesung via Live-Stream mitverfolgen. Infor­

         Events                                                                 mationen unter gesundheit.bfh.ch, Anmeldungen an weiterbil­
                                                                                dung.physiotherapie@bfh.ch

                                                                                1. Internationale Konferenz «Strategie gegen den
         Summer School                                                          Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen»
         «Nutritional Aspects in Rehabilitation Exercise»                       Die kooperierenden Hochschulen im Projekt «Strategie gegen den
         Vom 20. bis 24. August 2018 findet die dritte Ausgabe der interdis­    Fachkräftemangel in den Gesundheitsberufen» bilden gemeinsam
         ziplinären Summer School «Nutritional Aspects in Rehabilitation        das Kompetenznetzwerk «Competence Network Health Workforce
         Exercise» statt. Die Summer School beleuchtet den Zusammen­            CNHW». Am 25. und 26. Oktober 2018 veranstaltet das CNHW eine
         hang von Ernährung und Rehabilitation und richtet sich an Fach­        erste internationale Konferenz zum Thema «Countering Staff Shor­
         personen aus der Ernährung und Diätetik sowie Physiotherapie.          tage Among Health Professions – Together for a Healthy Health
         Weitere Informationen finden Sie unter gesundheit.bfh.ch/interna­      Care System». Informieren und anmelden können Sie sich unter
         tionales.                                                              cnhw.ch.

                                                                    BFH frequenz Juni 2018

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Frequenz - BFH: Gesundheit
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         Infoveranstaltungen Bachelor of Science Ernährung und
         ­Diätetik, Hebamme, Pflege, Physiotherapie
          12. September, 31. Oktober und 5. Dezember 2018

         Infoveranstaltungen Master of Science in Pflege
         19. September und 21. November 2018

         Infoveranstaltungen Master of Science Hebamme
         14. August, 11. September, 16. Oktober, 13. November und
         18. Dezember 2018

         Infoevent und Infoveranstaltungen Master of Science
         in Physiotherapie
         15. November 2018: Infoevent
         16. Januar und 25. Februar 2019: Infoveranstaltungen

         Infoveranstaltungen Master of Science in Life Sciences –
         Food, Nutrition and Health
         Die Daten der Infoveranstaltungen erfahren Sie unter hafl.bfh.ch.

         Genaue Angaben zu Durchführungszeiten und -ort sowie Anmelde­
         formulare und weitere Infoveranstaltungen finden Sie unter
         gesundheit.bfh.ch.

                                                                   BFH frequenz Juni 2018

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         Das Fundament steht

                                              Das Departement Gesundheit erlebte in seinen ersten sechs
                                              Monaten viel Dynamik: Wichtige Personalentscheide wurden
                                              gefällt, Partnerschaften geknüpft und richtungsweisende
                                              Strategien definiert. Im zweiten Halbjahr wird es darum gehen,
         Stefanie Diviani                     erste Schritte auf den neuen Wegen zu gehen.
         Leiterin Kommunikation
         stefanie.diviani@bfh.ch

                           Veränderungen, Unsicherheit, Visionen. Zweifel,          einem konsekutiven Masterabschluss (MSc) im Hin­
                       Euphorie, Neustart: Die spontanen Nennungen von ein­         blick auf bevorstehende Veränderungen des Gesund­
                      zelnen Mitarbeitenden auf die Frage nach ihren Asso­          heitswesens zu definieren und die Studiengänge
                      ziationen zum Begriff «Aufbruchstimmung» sind viel­           ­entsprechend den Anforderungen der zukünftigen Be­
                      fältig. Nicht alle Mitarbeitenden haben den Start des          rufsrollen zu gestalten. Das Departement Gesundheit
                      Departements in gleicher Dynamik erlebt. Das ist gut           überprüft deshalb aktuell die Angebote in den beste­
                      so; würde man nur den Aufbruch betonen und stets               henden MSc-Studiengängen und ist bestrebt, für die
                      neue Ideen entwickeln, ohne weiterhin auf Bewährtes            Ernährungsberatung das noch fehlende Angebot zu
                      zu setzen, liefe man Gefahr, ein instabiles Gebilde zu         schaffen. Diese Arbeiten werden nicht zuletzt unter
                      bauen.                                                         der Berücksichtigung von gesundheitspolitischen und
                           Unter dem Titel «Aufbruchstimmung» haben wir              -ökonomischen Überlegungen und in enger Vernet­
                      Anfang Jahr den neuen Direktor des Departements Ge­            zung mit der Praxis vorangetrieben. Als Departement
                      sundheit der Berner Fachhochschule BFH vorgestellt.            Gesundheit führen wir unseren Auftrag nicht isoliert
                      Mit grosser Motivation hat Prof. Dr. Urs Brügger seine         aus, sondern verstehen uns als wichtigen Teil des
                      Tätigkeit am 1. Januar 2018 aufgenommen und dabei            ­Gesundheitssystems.
                      viele Stärken identifiziert und ein grosses Potenzial
                      entdeckt, das in diesem neuen Departement steckt.
                      ­Einerseits sind die Professionsabteilungen Ernährung
                       und Diätetik, Geburtshilfe, Pflege sowie Physiotherapie     Das Departement Gesundheit sieht sich als Teil des
                       bereits gut positioniert und mit ihren Angeboten im Be­     Gesundheitssystems und ist als eigenständige
                       rufsfeld bekannt und vernetzt. Für die Departements­
                                                                                   Organisationseinheit Teil der BFH. Eine strategische
                       leitung ist andererseits klar, dass die Angebote, ba­
                       sierend auf dem vierfachen Leistungsauftrag des             Neuausrichtung muss deshalb immer auch in der
                       Departements, attraktiv bleiben und praxisorientiert        Gesamt­strategie eingebettet und somit mit den
                       weiterentwickelt werden sollen.                             Zielen der BFH abgestimmt sein.
                      Bewährtes behalten, Neues entwickeln
                         Wichtige Leitplanken sind gesetzt: Beispielsweise
                      fokussiert sich das Projekt «Curriculum 2020» auf die        Starke Partnerschaften
                      interprofessionelle Ausrichtung der Bachelorstudien­            Teil eines Systems zu sein bedeutet auch, sich in­
                      gänge und hat zum Ziel, das Grundstudium zukunfts­           nerhalb dieses Systems zu vernetzen. Die Praxisorien­
                      orientiert zu gestalten. In zwei Jahren sollen die künfti­   tierung ist in den Bereichen Lehre, Forschung sowie
                      gen Gesundheitsfachpersonen ihr Studium unter der            Weiterbildung und Dienstleistungen richtungswei­
                      neuen curricularen Struktur antreten.                        send. Das Departement Gesundheit pflegt verschiede­
                         Die Masterstudiengänge am Departement Gesund­             ne Akademie-Praxis-Partnerschaften (APP), die den
                      heit sind um einige Jahre jünger. Hier geht es darum,        Einbezug unterschiedlicher Perspektiven ermögli­
                      zusammen mit der Praxis die Aufgaben und Verant­             chen. Mit der Insel Gruppe sollen beispielsweise über
                      wortungsbereiche von Gesundheitsfachpersonen mit             die APP angewandte Forschungsprojekte gefördert

                                                                       BFH frequenz Juni 2018

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                                                                                      handener Kompetenzen aus Praxis und Wissenschaft
                                                                                      unterstützen. Bereits läuft in der Geburtshilfe das Pro­
                                                                                      jekt «Transition to Home» (siehe S. 38), in welchem
                                                                                      die Partnerschaft von Insel Gruppe und BFH zum Tra­
                                                                                      gen kommt.
                                                                                         Gerade in der Forschung wollen wir unser Netz­
                                                                                      werk auch mit Wirtschaft und Industrie erweitern.
                                                                                      Umso mehr freuen wir uns, dass Prof. Dr. Klazine van
                                                                                      der Horst, seit 1. Juni 2018 Leiterin Angewandte For­
                                                                                      schung und Entwicklung Ernährung und Diätetik,
                                                                                      gleichzeitig Erfahrungen und ein grosses Netzwerk
                                                                                      aus Wissenschaft und Industrie mitbringt (siehe Kas­
                                                                                      tentext).

                                                                                      Nächste Schritte
                                                                                          Das Departement Gesundheit sieht sich als Teil
                                                                                      des Gesundheitssystems und ist als eigenständige
                                                                                      ­Organisationseinheit Teil der BFH. Eine strategische
                                                                                       Neuausrichtung muss deshalb immer auch in der Ge­
                                                                                       samtstrategie eingebettet und somit mit den Zielen
                                                                                       der BFH abgestimmt sein. In einem nächsten Schritt
                                                                                       werden sich der Rektor und der Schulrat zu den Ab­
                                                                                       sichten der Departementsleitung äussern, und im
                                                                                       zweiten Halbjahr werden wir voraussichtlich unsere
                                                                                       Pläne zur Umsetzung konkretisieren können. Vorweg­
                                                                                       nehmen können wir, dass wir mit unserer neuen stra­
                                                                                       tegischen Ausrichtung von der Praxis, unseren Part­
                                                                                       nern sowie Patientinnen und Patienten, Klientinnen
                      Prof. Dr. Urs Brügger baut mit dem Departement Gesundheit auf    und Klienten am Medizinalstandort Bern noch stärker
                      starkem Fundament: Im Fokus stehen Studiengänge, die die         als kompetente Expertenorganisation wahrgenom­
                      Studierenden fit machen für Herausforderungen des Gesund-
                      heitswesens, und starke Partnerschaften für eine qualitativ
                                                                                       men werden wollen und als diese verantwortungsvoll
                      hochwertige Gesundheitsversorgung.                               unseren Beitrag in der Gesundheitsversorgung leisten
                                                                                       werden.
                      werden. Am 1. April 2018 hat Prof. Dr. Kai-Uwe                      Der Start dazu ist gelungen. Nun gilt es, dieses Fun­
                      Schmitt seine neue Funktion als Leiter APP Insel                 dament zu stärken und den Aufbau des Departements
                      Gruppe – BFH aufgenommen. Er wird die Zusammen­                  gemeinsam mit unseren internen und externen Part­
                      arbeit der beiden Institutionen in Forschungsprojek­             nern voranzubringen.
                      ten koordinieren und damit eine bessere Nutzung vor­

                                     Neuer Leiter APP Insel Gruppe – BFH                                    Neue Leiterin Angewandte Forschung
                               Nach seiner Ausbildung im Rettungsdienst                                     und Entwicklung Ernährung und
                               studierte Kai-Uwe Schmitt Maschinenbau                                       Diätetik
                               und Medizinphysik an der Universität Karls­                                   Klazine van der Horst hat nach ihrem Bache­
                               ruhe und am Imperial College London. Seine                                    lorstudium als Ernährungsberaterin ein Mas­
                               Promotion und Habilitation erfolgten an der                                   terstudium und den PhD-Abschluss in Public
                               ETH Zürich. «Trauma-Biomechanik» ist das                                      Health gemacht. Nach einem Post-doc an der
                               Thema, in dem er forscht und lehrt. Als                                       ETH Zürich im Bereich Consumer Behavior
                               ­interdisziplinär geprägter Forscher und Do­                                  war sie von 2011 bis 2018 bei Nestlé Research
          zent widmet er sich damit einem Thema, das an der Schnittstelle             Center in verschiedenen Funktionen t­ ätig, zuletzt als Group Leader
          zwischen Medizin, Ingenieurwissenschaften und Sport angesie­                Dietary Intake. Sie leitet am Departement Gesundheit die Ange­
          delt ist und sowohl das Entstehen von Verletzungen wie auch                 wandte Forschung und Entwicklung Ernährung und Diätetik und ist
         ­Präventionsmassnahmen beinhaltet.                                           stellvertretende Leiterin der Abteilung Ernährung und Diätetik.
          Als Leiter von diversen Forschungsprojekten ist er international
          vernetzt und hat viel Erfahrung mit unterschiedlichen Koopera­
          tionen.

                                                                          BFH frequenz Juni 2018

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                                                             Fokus Psychosoziale Gesundheit

         Wegweisendes Konzept:

                      Psychosoziale Gesundheit
                      am Departement Gesundheit
                                                                    Sabine Hahn (li) leitet die Abteilung Pflege sowie die angewandte
                                                                    Forschung und Entwicklung Pflege am Departement Gesundheit.

                                                                    Karin Peter (re) ist wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung
                                                                    Pflege.

         Das Departement Gesundheit hat vor zehn Jahren als erste Hochschule im
         deutschsprachigen Raum die psychosoziale Gesundheit aufgegriffen. Heute trifft es
         damit den Kern der Zeit. Sabine Hahn und Karin Peter sprechen über die Karriere
         des wegweisenden Konzepts.
         Interview:
         Bettina Nägeli
         Kommunikation
         bettina.naegeli@bfh.ch

                        Interviewerin: Burnout oder Depression werden             können dabei gemachte Erfahrungen, die Wahrneh­
                        gerne als «Volkskrankheiten» betitelt. Haben              mung, das Denken, Fühlen und Handeln eine Rolle spie­
                        psychische Beeinträchtigungen tatsächlich                 len. Zusätzlich kann die psychosoziale Gesundheit durch
                        zugenommen?                                               eine Vielzahl von Einflüssen gestärkt wie auch ge­
                                                                                  schwächt werden. Es geht uns darum zu zeigen, dass die
                         Sabine Hahn: Dirk Richter, Dozent am Departement         Gesundheit des Einzelnen in ein Geflecht eingebunden
                      Gesundheit, hat Studien dazu verglichen. Die Häufigkeit     ist und sich nicht nur aus jeweils einer Dimension, etwa
                      von Depressionen oder sogenannten Burnouts hat nicht        der rein körperlichen oder mentalen, ergibt.
                      zugenommen. Psychische Erkrankungen haben aber
                      eine Enttabuisierung erfahren; die Menschen sprechen
                      über ihre innere Befindlichkeit und holen sich vermehrt       I.: Inwiefern wirkt sich dieses Gesundheitsver-
                      Hilfe. Dadurch werden psychische Krankheiten häufiger         ständnis auf die Gesundheitsversorgung aus?
                      diagnostiziert.
                                                                                     S. H.: Ein ganzheitliches Gesundheitsverständnis ver­
                                                                                  ändert den Blickwinkel. In der Gesundheitsversorgung
                        I.: In diesem Zusammenhang sprechen Sie am                werden die positiven Aspekte betont, wobei es nicht um
                        Departement Gesundheit von psychosozialer                 die Differenzierung zwischen gesund und krank geht.
                        Gesundheit. Was heisst das?                               Vielmehr stellt die psychosoziale Gesundheit ein Kontinu­
                                                                                  um dar, auf dem sich der Mensch bewegt. Eine Krankheit
                         Karin Peter: Psychosoziale Gesundheit ergibt sich        gehört unter diesem Verständnis zwar zu einem Men­
                      aus einer wechselseitigen Beziehung und Anpassung           schen,        dennoch         ist      dieser       nicht
                      zwischen Mensch und sozialem Umfeld. Beim Menschen          nur ein «Kranker», sondern verfügt immer auch über ge­

                                                                    BFH frequenz Juni 2018

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                                                                   Fokus Psychosoziale Gesundheit

                       Mosaikstein für Mosaikstein: Sabine Hahn und Karin Peter treiben mit ihren Projekten den Einbezug der psychosozialen Gesundheit
                       voran – sowohl am Departement Gesundheit als auch in der Gesundheitsversorgung.

                       sunde Anteile, also über noch viel mehr als die ­Erkrankung.     nen und Klienten in einem möglichst guten Leben zu un­
                       Diese Haltung ist die Voraussetzung, um ressourcenori­           terstützen, entspricht dem Grundgedanken unserer Be­
                       entiert mit Patientinnen und Patienten zu arbeiten.              rufe. Dieser Trend, den wir früh aufgegriffen haben, wird
                                                                                        heute bestätigt.

                        I.: Das Departement Gesundheit will im Bereich
                        der psychosozialen Gesundheit eine Vorreiterrolle                 I.: Der Stiftungsrat der Stiftung Lindenhof Bern
                        einnehmen. Warum hat das Departement diesen                       finanziert am Departement Gesundheit eine
                        Schwerpunkt gesetzt?                                              Stiftungsprofessur für Psychiatriepflege. Was
                                                                                          bedeutet das für das Departement und die Praxis?
                          S. H.: Der damalige Fachbereich Gesundheit hat das
                       Thema vor zehn Jahren als erste und zu dieser Zeit einzi­            S. H.: Mit der Stiftungsprofessur verleihen wir der
                       ge Deutschschweizer Hochschule aufgenommen. Men­                  psychosozialen Gesundheit noch mehr Gewicht. Bei der
                       schen mit einer psychischen Störung wurden lange auf              Professur steht der ambulante Bereich der Psychiatrie
                       ihre Krankheit reduziert und ausgeschlossen. In der               im Vordergrund – hier besteht ein grosses Versorgungs­
                       Psychiatrie folgte eine Bewegung hin zur Ressourcen­             defizit. Je nach Ausgeprägtheit und Art einer psychi­
                       orientierung. Betroffene forderten, mit ihrer Krankheit          schen Erkrankung werden viele Betroffene nach wie vor
                       so gesund als möglich zu leben und an der Gesellschaft           benachteiligt oder müssen hospitalisiert werden, da
                       zu partizipieren. Patientinnen und Patienten, Klientin­          ambulante Strukturen fehlen. Die Stiftungsprofessur
                                                                                        wird die Versorgung stärken und insgesamt unseren
                                                                                        ­Fokus auf die psychosoziale Gesundheit fördern.
         «Es geht uns darum zu zeigen, dass die Gesundheit
         des Einzelnen in ein Geflecht eingebunden ist und
                                                                                          I: Wo identifizieren Sie weitere Lücken in der
         sich nicht nur aus jeweils einer Dimension, etwa der
                                                                                          Gesundheitsversorgung, die das Departement mit
         rein körperlichen oder mentalen, ergibt.»                                        seinem Know-how auffüllen kann?

         Karin Peter                                                                       K. P.: Im stationären Bereich der Somatik sehe ich
                                                                                        viel Potenzial für eine Einbindung der psychosozialen

                                                                            BFH frequenz Juni 2018

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                                                              Fokus Psychosoziale Gesundheit

         «Auch das heisst psychosoziale Gesund­
         heit: Die individuellen Bedürfnisse der
         ­Patientinnen und Patienten, Klientinnen
          und Klienten sind zu respektieren.»
         Sabine Hahn

                       Gesundheit. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich     sen Resultaten, einer systematischen Literaturrecher­
                       hier die Behandlung häufig überwiegend auf das «De­       che sowie Fokusgruppeninterviews mit Gesundheits­
                       fekte» oder «Kranke» fokussiert, was natürlich primär     fachpersonen wird eine Schulungsintervention für
                       sinnvoll ist. Je nach Art und Ausprägung der Verletzung   Führungspersonen im Gesundheitswesen entwickelt
                       verlangt dies jedoch die Berücksichtigung weiterer As­    und durchgeführt. Bis heute haben sich 36 Akutspitä­
                       pekte. Gemäss der Definition der psychosozialen Ge­       ler/Rehabilitationskliniken/Psychiatrien, 93 Langzeit­
                       sundheit gehören dazu etwa das nähere soziale Um­         institutionen und 41 Spitex-Organisationen beteiligt.
                       feld, die eigenen Fähigkeiten, der kulturelle Kontext
                       oder auch vorhandene materielle Güter oder Spirituali­
                       tät. Natürlich ist dies ein hoher Anspruch, gerade im       I.: Damit sprechen Sie die Themen Sichtbarkeit
                       Akutspital, wo Patientinnen und Patienten sich oft nur      und Wirksamkeit an. Wie stellen Sie sicher, dass
                       für eine kurze Zeit aufhalten.                              das, was Sie erforschen und lehren (vgl. Kasten),
                          S. H.: Wir wollen übergreifend das Bewusstsein dafür     auch tatsächlich in die Praxis gelangt?
                       stärken, personenzentriert zu arbeiten. Und abschät­
                       zen, bei wem es notwendig ist, genauer hinzuschauen,          K. P.: Sicherlich transportieren wir unsere Haltungen
                       die Angehörigen oder weitere Personen aus dem sozia­      und unser Know-how über die Kompetenzen unserer Ab­
                       len Umfeld einzubeziehen. Es gibt aber auch Patientin­    solvierenden in die Praxis. Alle unsere Partner, die an
                       nen und Patienten, die wünschen, dass man sich nur mit    den angewandten Forschungsprojekten partizipieren,
                       der aktuellen Erkrankung oder den aktuellen Auswirkun­    verändern etwas. Nicht nur, dass sie für Themen sensibi­
                       gen ihrer Erkrankung und dem Symptommanagement            lisiert werden und in den Projekten Impulse für die Pra­
                       befasst – auch das heisst psychosoziale Gesundheit: Die   xis erhalten bzw. mitgenerieren. Es gibt viele Betriebe,
                       individuellen Bedürfnisse der Patientinnen und Patien­    die im Anschluss an ein Projekt das Thema weiterverfol­
                       ten, Klientinnen und Klienten sind zu respektieren.       gen und «dranbleiben».

                                                                                    S. H.: Ganz wichtig sind unsere Kooperationspartner
                        I.: Frau Peter, Sie untersuchen im Projekt               und Akademie-Praxis-Partner, die unsere Werte teilen.
                        «STRAIN» Belastungssituationen, mit denen                So transportieren wir Mosaikstein für Mosaikstein in die
                        Gesundheitsfachpersonen im Alltag konfrontiert           Praxis oder von der Praxis in die Lehre und Forschung.
                        sind. Was wollen Sie damit erreichen?

                           K. P.: Gesundheitsfachpersonen sind besonders         «Am Departement Gesundheit ist die Anwendungs­
                       stark von Belastungssituationen am Arbeitsplatz be­
                       troffen. Etwa aufgrund emotional belastender Arbeit,
                                                                                 orientiertheit keine Floskel: Die Menschen und die
                       häufig unregelmässiger Arbeitszeiten und des erhöh­       Praxis stehen im Zentrum unseres Wirkens.»
                       ten Arbeitsdrucks beispielsweise durch kürzere Hospi­
                       talisationszeiten. In der vier Jahre dauernden Studie     Sabine Hahn
                       untersuchen wir, wie die Arbeitssituation dahingehend
                       verändert werden kann, dass Gesundheitsfachperso­
                       nen möglichst lange und gesund arbeiten können. Sie        Das ist ein Prozess der Wechselwirkung. Am Departe­
                       schliesst schweizweit alle Gesundheitsberufe und          ment Gesundheit ist die Anwendungsorientiertheit kei­
                       Qualifikationsstufen mit ein. Im Vordergrund stehen       ne Floskel: Die Menschen und die Praxis stehen im
                       psychosoziale Aspekte der Arbeitsbelastung, etwa der      ­Zentrum unseres Wirkens.
                       Einfluss auf die Work-Life-Balance. Basierend auf die­

                                                                     BFH frequenz Juni 2018

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                                                              Fokus Psychosoziale Gesundheit

                        I.: Was braucht es, um auf gesellschaftlicher
                        Ebene einen Wertewandel hin zum Bewusstsein
                        psychosozialer Gesundheit einzuleiten?

                          S. H.: Unsere Gesellschaft bewegt sich in dem Span­
                      nungsfeld zwischen Leistung und Freizeit. Die Frage
                      ist: Wie können wir in diesem Spannungsfeld eine Ba­
                      lance finden? Alle sind dazu aufgerufen, bei sich selbst
                      zu beginnen – im Kleinen. Das Management des Depar­
                      tements Gesundheit ist hier ebenfalls gefordert: Wir
                      müssen unser Managementverständnis unter dem As­
                      pekt der psychosozialen Gesundheit unter die Lupe
                      nehmen und daraus lernen. Erst dann können wir unse­          Was heisst psychosoziale Gesundheit?
                      re Haltung mit unseren Mitarbeitenden, Studierenden           Sehen Sie sich unser Erklärvideo auf YouTube an:
                      und Partnern teilen – und eine Vorreiterrolle ein­            https://tinyurl.com/­video-psychosoziale-gesundheit
                      nehmen.

                        Am Departement verankert                                     «Gesundheitsfachpersonen der Advanced Practice
                           Das Projekt Strategische Erfolgsposition «Psycho­      sollten die Definition der psychosozialen Gesundheit
                        soziale Gesundheit, Gesundheitsförderung und Prä­         kennen und in der Praxis eine zentrale Rolle einneh­
                        vention», durchgeführt von Tannys Helfer (Projektlei­     men. Im Masterstudium Pflege werden die Studieren­
                        tung) unter der Leitung von Sabine Hahn und Dorothée      den ausserdem dazu befähigt, die Wirksamkeit ihrer
                        Eichenberger (Steuergruppe), vertieft laufend die The­    Arbeit zu evaluieren.» (Karin Peter)
                        men psychosoziale Gesundheit, Gesundheitsförderung
                        und Prävention am Departement Gesundheit. Das Pro­        … in der Forschung
                        jekt systematisiert und standardisiert die Integration       «In der Forschung stehen die Betroffenen im Zent­
                        der Themen für alle Mitarbeitenden in der Lehre, in der   rum. Indem wir ihre Perspektive verstehen, können
                        Forschung und in der Weiterbildung. Hierzu entwickelt     wir auch die Gesundheitsversorgung verbessern. Zu
                        das Projektteam im laufenden Jahr E-Learning- und         Beginn haben wir Betroffene, Angehörige und Pflegen­
                        weitere Schulungsmaterialien. Bereits heute sind die      de zu ihrem Verständnis von guter Pflege befragt. In
                        Themen am Departement verankert …                         den letzten zwei Jahren haben wir an der Begriffsdefi­
                                                                                  nition von psychosozialer Gesundheit gearbeitet. Hin­
                        … in der Lehre                                            zu kamen weitere Bausteine wie Untersuchungen zur
                            «Die Bachelorstudierenden eignen sich in diversen     Lebensqualität in der Alters- und Langzeitpflege, zum
                         Modulen die Perspektive der psychosozialen Gesund­       Fachkräftemangel, zur Gesundheitsförderung sowie
                        heit an. Sie verfügen über das notwendige Wissen zu       die Professur der Lindenhof-Stiftung. Heute sind wir
                        einer Krankheit und befassen sich mit den Themen          ein Kompetenzzentrum für psychosoziale Gesund­
                        ­Gesundheit, gesunde Lebensführung, und lernen da­        heit.» (Sabine Hahn)
                         durch, ressourcenorientiert zu arbeiten. Im Kommuni­
                         kationstraining wird die Personenzentriertheit aber­     … in der Weiterbildung
                         mals gefördert. Kommunizieren ist die Voraussetzung,        «Die Spezifität unserer Weiterbildung ist die klare
                         um auf die Patientinnen und Patienten zuzugehen. Das     Fokussierung auf Personenzentriertheit. Sie äussert
                         sich aktuell in Entwicklung befindende Curriculum        sich nicht nur darin, dass sie direkt am Berufsalltag
                         2020 mit dem Schwerpunkt Interprofessionalität und       der teilnehmenden Fachpersonen anknüpft, sondern
                         einem expliziten Modul zur Förderung der psychosozi­     auch in der Betroffenenperspektive. Fachpersonen,
                         alen Gesundheit wird den Blickwinkel der Studieren­      Betroffene und Peers absolvieren teilweise gemein­
                         den nochmals erweitern.» (Sabine Hahn)                   sam Weiterbildungen. In diesem Setting treffen sie als
                                                                                  lernende Menschen aufeinander und erweitern ihre
                                                                                  Sichtweise.» (Sabine Hahn)

                                                                      BFH frequenz Juni 2018

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                                                              Fokus Psychosoziale Gesundheit

         Psychische Beeinträchtigung und Stigmatisierung –

         eine gesellschaftliche Realität
                                              Die Vorstellung davon, was psychisch «gesund» oder «krank»
                                              bedeutet, ist abhängig vom jeweiligen gesellschaftlichen Kontext.
                                              Obwohl die Forschung immer mehr Wissen über psychische
                                              Beeinträchtigungen gewinnt, ist die Stigmatisierung von
                                              Menschen mit einer psychischen Störung nach wie vor eine
         Sandra Hofstetter
         Wissenschaftliche Mitarbeiterin      gesellschaftliche Realität.
         Ernährung und Diätetik
         sandra.hofstetter@bfh.ch

                         «Die Kranken, das sind die Gesunden. Und die Ge­         drom»1, Erschöpfungsdepressionen2 oder Aufmerk­
                      sunden, das sind in Wirklichkeit die Kranken.» Diese        samkeitsdefizit-/Hyperaktivitäts-Störungen3 vermehrt
                      provozierende These formulierte der Psychoanalytiker        diagnostiziert werden, weist nicht nur auf eine erhöhte
                      und Sozialphilosoph Erich Fromm im Jahr 1953 im             Sensibilität hin. Sie zeigt auch, wo die gesellschaftliche
                      Rahmen der Vorlesungen zur «Pathologie der Normali­         Norm ansetzt – oder in den Worten von Wells formu­
                      tät des heutigen Menschen» als Ergebnis seiner jahr­        liert, wo unsere Gesellschaft allenfalls «blind» ist. Dass
                      zehntelangen Forschung. Die mittlerweile über ein hal­      sich Normen ändern, zeigt das Beispiel der Homo­
                      bes Jahrhundert alte Aussage scheint aktueller denn je      sexualität: Galt die gleichgeschlechtliche Liebe zur Zeit
                      und lädt ein, den Blick auf unsere Gesellschaft und ihre    der Antike als Spielart unverfälschter menschlicher
                      Haltung gegenüber beziehungsweise ihren Umgang              Sexualität, wurde sie im Mittelalter von Staat und Kir­
                      mit psychischer Gesundheit zu richten.                      che als Sodomie geahndet. Im ICD-Katalog der WHO
                         Im Buch von H. G. Wells «The Country of the Blind»       wurde Homosexualität bis 1992 als Krankheit erfasst.
                      verirrt sich ein junger Mann in Malaya und stösst dort      Entsprechend ist eine psychische Störung, bzw. was als
                      auf einen Stamm, in dem die Menschen seit Generatio­        solche betitelt wird, keine individuelle Angelegenheit,
                      nen mit angeborener Blindheit leben, während er se­         sondern eine gesellschaftliche und zudem noch eine
                      hend ist. Die Ärzte des Stammes diagnostizieren seine       dynamische.
                      Wahrnehmungsphänomene als eine seltsame und bis­
                      her unbekannte Störung in seinem Gesicht: «Die komi­        Stigmatisierung trotz mehr Wissen
                      schen Dinger, die man Augen nennt und die dazu da                Obwohl psychische Störungen seit den letzten Deka­
                      sind, im Gesicht eine hübsche leichte Vertiefung zu er­     den zunehmend wissenschaftlich untersucht werden,
                      zeugen, sind in seinem Fall erkrankt, und zwar so, dass     zeigen Studien aus dem amerikanischen (Pescosolido et
                      sein Gehirn davon mitbetroffen ist. Sie sind stark aufge­   al., 2010) und deutschen Sprachraum (Angermeyer et al.,
                      quollen, er hat Wimpern, seine Lider bewegen sich, wo­      2009), dass die Stigmatisierung von psychisch erkrank­
                      durch sich sein Gehirn in einem Zustand ständiger Er­       ten Menschen nicht abgenommen hat. Stigmatisierung
                      regung und Ablenkung befindet.»                             geschieht aufgrund von Distanz zur betroffenen Rand­
                                                                                  gruppe. Gemäss Christian Huber, leitender Arzt der
                      Sind wir «blind»?                                           ­Erwachsenen-Psychiatrischen Klinik der Universitären
                          Die Leistungsgesellschaft erwartet vom ­Individuum,      Psychiatrischen Kliniken Basel, haben Menschen, die
                      dass es sowohl die Einstellung und Motivation als auch       bisher keinen Psychiatrie-Kontakt hatten, eher Vorbehal­
                      die psychische und physische Verfassung mitbringt,           te gegenüber Menschen mit einer psychischen Störung.
                      Leistung zu erbringen. Entspricht das Individuum
                      ­diesen Ansprüchen nicht und kann hierfür keine ob­         Wege aus der Stigmatisierung
                      jektiv beobachtbare Ursache einer Beeinträchtigung             Hinzu kommt die aktuell prekäre Versorgungssitua­
                      vorweisen (z. B. ein gebrochenes Bein oder eine Grippe­     tion von Menschen mit psychischen Störungen auf­
                      erkrankung), ist eine Diagnose aus dem Spektrum der         grund langer Wartezeiten. Dies erhöht das Risiko für
                      psychischen Störungen naheliegend. Die Tatsache,            Chronifizierungen. Die Föderation Schweizer Psycho­
                      dass psychische Störungen, wie das «Burnout-Syn­            loginnen und Psychologen FSP setzt sich deshalb seit

                                                                      BFH frequenz Juni 2018

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                                                                 Fokus Psychosoziale Gesundheit

                      Eine einsame Angelegenheit: Menschen mit einer psychischen Erkrankung werden immer noch stigmatisiert.

                      Jahren für das Recht auf psychologische Psychothera­            mit einer psychischen Störung entgegenzuwirken. So
                      pie und die Verbesserung der Versorgungslage für alle           liesse sich das Bewusstsein verankern, dass eine psy­
                      ein.4 Weiter ermöglichen Angebote den niederschwelli­           chische Störung auch eine gesellschaftliche Angele­
                      gen Zugang und Kontakt zur psychologischen und psy­             genheit ist, und der Weg ebnen zur Erkenntnis, dass
                      chiatrischen Behandlung, indem etwa Kriseninterven­             gerade Menschen mit psychischen Erkrankungen der
                      tionsstellen von psychiatrischen Kliniken vermehrt in           wahrhaftigste Spiegel unserer Gesellschaft sein kön­
                      Stadtzentren oder innerhalb von somatischen Spitälern           nen. Alles Gute!
                      untergebracht werden (z. B. die Kriseninterventions­
                      station der UPK im Universitätsspital Basel). Kampag­
                                                                                      1
                                                                                         emäss dem weltweit anerkannten Klassifikationssystem für
                                                                                        G
                                                                                        medizinische Diagnosen ICD-10 (International Classification of
                      nen mit präventivem und aufklärerischem Charakter –               Diseases) unter «Z73 Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei
                      «Wie geht’s Dir?» (Pro Mente Sana, 2014) oder «Alles              der Lebensbewältigung inkl. Ausgebranntsein» zu verorten.
                      Gute Basel» (Medizinische Dienste Basel-Stadt, 2010) –          2
                                                                                        ICD-10 F32.– Depressive Episode.
                      normalisieren, informieren und laden die Menschen
                                                                                      3
                                                                                         ICD-10 F90.0 und angrenzende Kategorien, abgekürzt auch als
                                                                                          ADHS oder ADS bezeichnet.
                                                                                      4
                                                                                          Kürzlich wurden wichtige Verhandlungen auf Bundesebene
                                                                                           gestoppt, welche mit dem sogenannten «Anordnungsmodell»
                                                                                           einen schnelleren und niederschwelligeren Zugang zu psychothe­
         Niederschwellige, einem alltäglichen Setting                                      rapeutischer Versorgung ermöglicht hätten. Mehr Informationen
         ­ähnelnde und in den Zentren angesiedelte Angebote                                zur gegenwärtigen Versorgungslage in der Schweiz und den
                                                                                           politischen Verhandlungen dazu finden Sie unter folgenden Links:
          sind […] notwendig, um der Stigmatisierung von                                   https://www.psychologie.ch/nc/aktuell/news-und-agenda/
          Menschen mit einer psychischen Störung                                          news/?tx_news_pi1%5Bnews%5D=2456&tx_news_
                                                                                          pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Baction%5D=detail
          entgegenzu­wirken.                                                              &cHash=7472fb068dfe1c5dd923284be49017c8
                                                                                          https://www.nzz.ch/schweiz/der-bundesrat-brueskiert-die-­
                                                                                          psychotherapeuten-ld.1367727
                                                                                          https://www.srf.ch/news/schweiz/gespraeche-gescheitert-berset-
                      dazu ein, über ihre psychische Gesundheit zu sprechen               laesst-die-psychologen-schmoren
                      und sich damit zu zeigen. Dennoch ist das Gesund­               Literatur:
                      heitswesen gefordert, seine Behandlungsangebote und             – Fromm, E. (2014, 5. Auflage). Die Pathologie der Normalität. Zur
                      Anlaufstellen kreativer und nahbarer zu gestalten. Die­            Wissenschaft vom Menschen. München: Ullstein.
                      se sollen ansprechend, gemütlich und einladend wir­             – Janz, S. (2017, April 17). Christian Huber: «Psychisch kranke
                                                                                         Menschen werden gemieden». Abgerufen von https://tageswoche.
                      ken sowie zentral liegen; zum Beispiel ein Café mit                ch/gesellschaft/christian-huber-psychisch-kranke-menschen-
                      ­integrierter Bücherei zu Themen der psychischen Ge­               werden-gemieden/
                       sundheit und mit angeschlossenen Räumen, in denen              –M  edizinische Dienste Basel-Stadt (2010). «Alles Gute Basel».
                       bei Bedarf psychologische Beratungen und Psychothe­               Abgerufen von http://www.gesundheit.bs.ch/gesundheitsfoerde­
                                                                                         rung/psychische-gesundheit/erwachsene/aktionstage-und-­
                       rapie in Anspruch genommen werden können. In regel­               kampagnen/alles-gute-basel.html
                       mässigen Abständen liessen sich im Café Veranstaltun­          –P  ro Mente Sana (2014). «Wie geht’s Dir?». Abgerufen von https://
                       gen, Lesungen, Diskussionsrunden zu Themen der                    www.wie-gehts-dir.ch/
                       psychischen Gesundheit organisieren («The School of            – T he School of Life (2010). Abgerufen von www.theschooloflife.
                                                                                         com/therapy/
                       Life», 2010).                                                  –W  ells, H. G. (2005, überarbeitete Auflage). The Country of the
                                                                                         Blind. Penguin. London.
                      Spiegel der Gesellschaft                                        –W  HO (2005). Internationale Klassifikation psychischer
                         Niederschwellige, einem alltäglichen Setting äh­                Störungen. ICD-10 Kapitel V (F). Bern: Hans Huber Verlag,
                                                                                         Hogrefe.
                      nelnde und in den Zentren angesiedelte Angebote sind
                      also notwendig, um der Stigmatisierung von Menschen

                                                                         BFH frequenz Juni 2018

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                                                               Fokus Psychosoziale Gesundheit

         Perinatale psychische Gesundheit:
         Wir setzen ein Zeichen
                                      Psychische Erkrankungen in der Schwangerschaft und im ersten Jahr
                                      nach einer Geburt können schwerwiegende negative Folgen haben,
                                      wenn sie nicht behandelt werden. Wir wissen jedoch bisher kaum etwas
                                      über die Gesundheitsversorgung betroffener Frauen in der Schweiz. Das
                                      Departement Gesundheit setzt sich mit einem Forschungsschwerpunkt
                                      und einem innovativen Mastermodul für eine effiziente Versorgung
                                      ­betroffener Frauen ein.

         Dr. nat. Anke Berger                Prof. Dr. habil. Eva Cignacco
         Dozentin                            Leiterin angewandte Forschung
         Geburtshilfe                        und Entwicklung
         anke.berger@bfh.ch                  Geburtshilfe
                                             eva.cignacco@bfh.ch

                          Eine Schwangerschaft und der Übergang zur Mut­            der Berner Fachhochschule BFH greift dieses wich­
                       terschaft verlangen von Frauen eine enorme menta­            tige Thema auf, um evidenzbasierte effiziente Be­
                       le Anpassungsleistung. Diese gelingt meistens gut,           treuungsmodelle vorzuschlagen. Eine erste, viel
                       aber nicht immer. Psychische Erkrankungen sind               beachtete Studie zeigt, dass in der Schweiz etwa
                       tatsächlich die häufigste Komplikation einer                 jede sechste Schwangere oder Mutter im ersten Jahr
                       Schwangerschaft und des ersten Jahres nach einer             nach einer Geburt wegen psychischer Probleme be­
                       Geburt ­(Howard, Piot & Stein, 2014). Sie sind in der        handelt wird. Dies entspricht einer Prävalenz von
                       Regel gut behandelbar, können aber ohne Behand­              etwa 17 % pro Jahr (Berger et al., 2017a). Da die Stu­
                       lung schwerwiegende negative Folgen auch für die             die nur Frauen mit Behandlung einschliesst, ist die
                       betroffenen Kinder haben. Die Furcht vor einer Stig­         Häufigkeit dieser Erkrankungen in Wirklichkeit
                       matisierung hält jedoch viele betroffene Frauen von          möglicherweise noch höher.
                       einer Therapie ab (BFTA, 2013). Wie kann dieses Di­             Im Kontrast zur hohen Inanspruchnahme psy­
                       lemma gelöst werden? Die geburtshilfliche Stan­              chiatrischer Versorgungsleistungen werden in
                       dardversorgung, die Forschung und Lehre in der               geburtshilf­l ichen Abteilungen nur bei etwa 1 % der
                       Schweiz thematisierten perinatale psychische Er­             Frauen behandlungsrelevante psychische Erkran­
                       krankungen bisher nur marginal.                              kungen erfasst. Auch Hebammen registrieren bei
                                                                                    der Wochenbettbetreuung zu Hause nur bei 2 % der
                       Das innovative Programm der angewandten                      Frauen psychische Probleme (Berger et al., 2017b).
                       Forschung und Entwicklung Geburtshilfe                       Diese Diskrepanz lässt sich mit Defiziten in der Aus­
                          Die angewandte Forschung und Entwicklung                  bildung von geburtshilf­lichem Fachpersonal erklä­
                       (aF & E) Geburtshilfe des Departements Gesundheit            ren (Maternal Mental Health Alliance, 2013; Natio­

                                                                        BFH frequenz Juni 2018

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                                                                  Fokus Psychosoziale Gesundheit

                      Psychische Erkrankungen sind eine häufige Komplikation der Schwangerschaft und bringen Mutter und Kind in eine fragile Situation.
                      Ohne Behandlung können sie schwerwiegende Folgen haben.

                      nal Health Service, 2006). Hebammen fragen in der                 Gesundheitsversorgung untersuchen (Cignacco,
                      Anamnese meist nur sehr zurückhaltend nach psy­                   Schenk & Berger, 2018). Was waren die Schwierig­
                      chischen Erkrankungen, weil sie nicht darin ausge­                keiten beim Aufsuchen eines Hilfsangebots? Wie
                      bildet wurden, wie bei vorliegenden Problemen vor­
                      zugehen ist (Cignacco et al., 2017). Als Folge dieser
                      Ausbildungsdefizite werden Risikofaktoren, frühere
                      und vorliegende psychische Erkrankungen in der
                                                                                        Im Kontrast zur hohen Inanspruchnahme psychi­
                      Praxis nicht systematisch identifiziert. Offenbar                 atrischer Versorgungsleistungen werden in
                      werden Frauen mit einer psychischen Erkrankung                    geburtshilf­lichen Abteilungen nur bei etwa 1 %
                      im stationären und ambulanten geburtshilflichen                   der Frauen behandlungsrelevante psychische
                      Setting nicht optimal betreut.
                                                                                        Erkrankungen erfasst.
                      Studie soll Bedürfnisse betroffener Frauen
                      erfassen
                         Die von der aF&E Geburtshilfe geplante Studie                  gingen betroffene Frauen mit der Angst vor einer
                      «Perinatal Mental Health Care in Switzerland: Un­                 Stigmatisierung um? Auch die Perspektive von Ge­
                      raveling the perspectives of affected women and                   sundheitsfachpersonen (z. B. Hausärztinnen und
                      health profes­s ionals (MADRE)» soll daher die Er­                -ärzte, Hebammen, Psychiaterinnen und Psychiater,
                      fahrungen und die Bedürfnisse von psychisch er­                   Geburtshelfende) soll erforscht werden. Aus den Er­
                      krankten Frauen während der Schwangerschaft                       gebnissen sollen Empfehlungen für eine adäquate
                      und nach einer Geburt im Hinblick auf die aktuelle                Versorgung formuliert werden.

                                                                           BFH frequenz Juni 2018

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                                                           Fokus Psychosoziale Gesundheit

                   Modul «Perinatale psychische Gesundheit» im                Literatur:
                   Master of Science Hebamme der BFH                          –B  erger, A., Bachmann, N., Signorell, A., Erdin, R., Oelhafen, S.,
                                                                                 Reich, O. & Cignacco E. (2017a). Perinatal mental disorders in
                        Der unzureichenden Ausbildung von Hebammen im            Switzerland: prevalence estimates and use of mental-health
                   Bereich der perinatalen psychischen Erkrankungen              services. Swiss Medical Weekly, 147:w14417.
                   tritt die BFH mit dem neu entwickelten Master of           –B  erger, A., Bachmann, N. & Cignacco, E. (2017b). Themenheft
                   ­S cience Hebamme entgegen. Das Programm enthält              psychische Erkrankungen: Unerkannt, unterschätzt,
                                                                                 unterversorgt. Deutsche Hebammenzeitschrift, 69(11), 8–12.
                    ein Schwerpunktmodul «Perinatale psychische Ge­           –B  erger, A. & Cignacco, E. (2017). Modulhandbuch Perinatale
                   sundheit» (Berger & Cignacco, 2017; Cignacco et al.,          psychische Gesundheit. Bern: Departement Gesundheit,
                   2017). Das Modul ist forschungsbasiert, interdiszipli­        Berner Fachhochschule (unveröffentlicht).
                   när und praxisorientiert ausgerichtet (Berger & Cignac­    –B  FTA-Boots Family Trust Alliance (2013). Perinatal mental
                                                                                 health experiences of women and health professionals.
                   co, 2017). Ziel ist es, Hebammen für die Prävention,          Abgerufen von: https://www.tommys.org/sites/default/files/
                   das Screening sowie die Entwicklung und Organisation          Perinatal_Mental_Health_Experiences%20of%20women.pdf
                   der interdisziplinären Versorgung von Frauen mit peri­     – C ignacco, E., Berger, A. & Büchi, S. (2017). Themenheft
                   natalen psychischen Erkrankungen auszubilden. Da­             psychische Erkrankungen: Gut ausgebildete Hebammen
                                                                                 können helfen. Deutsche Hebammenzeitschrift, 69(11),
                   mit kommt die BFH der internationalen Forderung               26–30.

         Ziel ist es, Hebammen für die Prävention, das Screening sowie die Entwicklung
         und Organisation der interdisziplinären Versorgung von Frauen mit perinatalen
         psychischen Erkrankungen auszubilden.

                   nach, dass auf Masterniveau ausgebildete Hebammen          – C ignacco, E., Schenk, K. & Berger, A. (2018). Perinatal Mental
                   Schlüsselrollen im Bereich der perinatalen psychi­            Health Care in Switzerland: Unraveling the perspectives of
                                                                                 affected women and health professionals (MADRE). Abgerufen
                   schen Versorgung wahrnehmen sollten (The Royal Col­           von https://www.gesundheit.bfh.ch/de/forschung/geburtshil­
                   lege of Midwives, 2015).                                      fe/projekte.html
                      Mit diesem spezifischen Bildungsangebot und der         – H oward, L.M., Piot, P. & Stein, A. (2014). No health without
                   Forschung zur perinatalen psychischen Gesundheit ist         ­p erinatal mental health. The Lancet, 384(9956), 1723–1724.
                                                                              –M  aternal Mental Health Alliance (2013). Specialist mental
                   das Departement Gesundheit im deutschsprachigen               health midwives. What they do and why they matter.
                   Raum ein Vorreiter. Hebammen werden durch diese               Abgerufen von https://www.rcm.org.uk/sites/default/files/
                   Angebote in Zukunft an einer integrierten perinatalen         MMHA%20SMHMs%20Nov%2013.pdf
                   Gesundheitsversorgung wesentlich mitwirken.                –N  ational Health Service (2006). Education for Scotland:
                                                                                 Perinatal Mental Health Curricular Framework. Nursing and
                                                                                 Midwifery. Ab­g erufen von http://www.nes.scot.nhs.uk/
                                                                                 education-and-­training/by-discipline/nursing-and-midwifery/
                                                                                 resources/­p ublications/perinatal-mental-health-curricular-
                                                                                 framework.aspx
                                                                              – T he Royal College of Midwives (2015). Caring for women with
                                                                                 Mental health problems. Standards and competency
                                                                                 framework for specialist maternal mental health midwives.
                                                                                 Abgerufen von www.rcm.org.uk

                                                                  BFH frequenz Juni 2018

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                                                               Fokus Psychosoziale Gesundheit

         «Clinical Assessment» –
         	neue Kompetenzen für Psychiatrie-Pflegende

                                              Psychiatrisch erkrankte Menschen sind häufig von
                                              ­Begleiterkrankungen auf der körperlichen Ebene betroffen.
                                               ­Somatische Diagnosen werden in der psychiatrischen Pflege
                                                jedoch ungenügend, zu spät oder gar nicht gestellt. In den
         Ursula Klopfstein
                                                ­Modulen zum «Clinical Assessment» am Departement
         Dozentin
         Pflege                                  ­Gesundheit werden die Studierenden befähigt, krankhafte
         ursula.klopfstein@bfh.ch
                                                  ­somatische Zustände zu erfassen.

                         Eine 54-jährige Patientin, die wegen schwerer             die zur integrierten Versorgung durchgeführt haben,
                      Angststörungen psychiatrisch hospitalisiert ist, mel­        bemängeln, dass körperliche Krankheiten von psychi­
                      det in den frühen Morgenstunden akute Thorax­                atrischen Patientinnen und Patienten im akut-somati­
                      schmerzen, begleitet von Angstzuständen. Die Pflege­         schen Setting verspätet oder gar nicht diagnostiziert
                      rin im Nachtdienst weiss von der Herzphobie und den          werden, was zu ungenügender Behandlung dieser Lei­
                      rezidivierenden Panikattacken. Daher ist sie nicht           den und einer Beeinträchtigung der Patientensicher­
                      sonderlich beunruhigt und verabreicht der Patientin          heit führt.
                      ein Beruhigungsmittel. Nach wiederholten Attacken               Das einleitende Fallbeispiel verdeutlicht exempla­
                      wird eine kardiologische Abklärung gemacht, die eine         risch die Mängel in der somatischen Versorgung von
                      Verengung der Herzkranzgefässe zeigt. Erst als das           psychiatrischen Patientinnen und Patienten. Die Pfle­
                      Pflegeteam die Situation aufarbeitet, fällt auf, dass die
                      Patientin durch chronischen langjährigen Nikotinkon­
                      sum, Hypercholesterinämie und ungenügend behan­              Pflegende mit Kompetenzen im «Clinical Assess­
                      delten Bluthochdruck ein hohes Risiko für ein kardio­
                                                                                   ment» werden in der psychiatrischen Praxis dringend
                      vaskuläres Ereignis aufweist. Weiter wird das Team auf
                      die Eigenheiten der beschriebenen Thoraxschmerzen            gebraucht. Sie müssen bereits im Unterricht
                      aufmerksam: Anders als bei reinen Angstattacken, de­         ­besonders motiviert und gut vorbereitet werden.
                      nen ein stechender Brustschmerz eigen ist, beschrieb
                      die Patientin ihre Schmerzen als Druck; so, als würde
                      jemand auf dem Brustkorb sitzen. Erst nachträglich er­       gende verfügt nicht über genügend Wissen und Erfah­
                      zählte sie über die Ausstrahlung der Schmerzen in den        rung zu somatischen Themen, da sie seit Jahren als
                      linken Oberarm und die zusätzliche Übelkeit.                 psychiatrisch hochspezialisierte Fachkraft tätig ist.
                                                                                   Ausserdem lenkte die komplexe psychiatrische Grund­
                      Somatische Erkrankungen: ungenügend beachtet                 konstellation sie ab und sie übersah, dass ein reelles
                      in der Psychiatriepflege                                     Herzleiden die Symptomatik verursachen könnte. Auch
                         Psychiatrische Patientinnen und Patienten haben           ist nachts keine somatische Fachperson, wie eine Inter­
                      eine um bis zu 30 Jahre verminderte Lebenserwartung          nistin, oder ein Internist, anwesend. Das Fallbeispiel
                      (Ehrlich, Kendall, Frey, Denton & Kisley, 2015). Dies        verweist auf die von Schlapbach und Ruflin beschrie­
                      aufgrund eines oft erhöhten Suizidrisikos, mangelnder        benen notwendigen Handlungsfelder. Es braucht ein
                      Selbstpflege, begleitender Suchtproblematik, medika­         vertieftes Wissen der psychiatrisch tätigen Fachperso­
                      mentöser Nebenwirkungen und begleitender somati­             nen zu somatischen Komorbiditäten und deren Abklä­
                      scher, also körperlicher Erkrankungen. Somatische            rung und Behandlung sowie eine somatisch-psychiat­
                      Begleiterkrankungen sind bei dieser Patientengruppe          risch integrierte und interdisziplinäre Versorgung in
                      nicht die Ausnahme, sondern die Regel (Filipcic I. et al.,   psychiatrischen Institutionen, wie es beispielsweise
                      2018; Ehrlich, 2014). Schlapbach und Ruflin (2017), die      die psychiatrischen Dienste in Winterthur anstreben
                      im Auftrag des Bundesamtes für Gesundheit eine Stu­          (Bregenzer & Dolci, 2018).

                                                                       BFH frequenz Juni 2018

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