Romandie und Tessin Journal - 2 Brückenschlag in unbekanntes Land
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
3 Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung Journal Romandie und Tessin Brückenschlag in unbekanntes Land 2012
I n h a l t 3 Editorial 4 A k t u e l l T h e m a 6 Eine Schweizer Adresse Soll der bso nationaler Verband werden? Susanne Fasel, Franz Käser I m p r e s s u m 9 Reflexive Instrumente Supervision und Organisationsberatung Journal bso Nr. 3/2012 in der Romandie Romandie und Tessin Françoise Tschopp, Isabelle Kolly-Ottiger, Erscheinungstermin: 27. August 2012 Sylvie Monnier, Sylvie Avet L’Oiseau Nächste Ausgabe Nr. 4/2012 13 Bedarf nach Regulierung Fach- und Prozessberatung Angebot und Nachfrage von Coaching nehmen zu Redaktionsschluss: 1. Oktober 2012 Inserateschluss: 29. Oktober 2012 Ernst Bechinie, Willem Jan Hofmans Erscheinungstermin: 26. November 2012 15 Zwischen Röstigraben und Grande Nation Auflage 1700 Expl. Von den Freuden und Leiden der Arbeit Erscheint viermal jährlich als Grenzgängerin Herausgeber Madeleine Bähler Berufsverband für Coaching, Supervision und Organisationsberatung bso 19 Motor für Entwicklung Susanne Fasel-Rappo, Geschäftsleiterin Coaching und Supervision im Tessin und in Italien Redaktionskommission Anna Zanardi Cappon Heike Osenger Rita Scheurer 22 Einheit, Verschiedenartigkeit, Silvio Sgier Einzigartigkeit Geri Thomann Die Arbeit mit kulturspezifischen Brillen fordert Andrea Zuffellato und bereichert Redaktion Roland Schaad Anne-Sophie Scholl, bso annesophie.scholl@bso.ch 26 L i ter a t u r Bilder © Marco Zanoni 28 T a g u n g e n www.marcozanoni.ch P r a x i s Layout und Druck Canisius – Druck & Grafik, Freiburg 30 «Zu Beginn hatte ich oft Ängste und Administration/Inserate fühlte mich allein» Nelly Reinmann, bso Markus Tschopp im Interview Schwarztorstrasse 22, CH-3007 Bern Tel. [+41] 031 382 44 82 33 Von Bürgerpflichten und faulem Zauber Fax [+41] 031 382 44 39 Kolumne von Peter Schneider E-Mail: info@bso.ch Bezugspreise Ser v i c e Jahresabonnement CHF 44.– Einzelnummer CHF 11.– 34 Weiterbildung Jahresabonnement Ausland CHF 60.– 36 Intervision Einzelnummer Ausland CHF 15.– 36 Miete Inserate Preise auf der Basis 37 M a r k t einer druckfertigen Vorlage 1/4 Seite CHF 250.– 1/2 Seite CHF 500.– 1/1 Seite CHF 900.– Inserate auf Umschlagseiten 3 und 4 im 4-Farben-Druck: 3. Umschlagseite 20% Zuschlag 4. Umschlagseite 30% Zuschlag
E D I T O R I A L 3 Das Fremde im eigenen Land K eine Frage, an der Retraite der Redaktionskommission im vergan- genen Jahr waren sich alle einig: Eines der kommenden Hefte muss die Beratungslandschaft in der Romandie und im Tessin erkunden. Präsident Franz Käser hatte soeben die Themen skizziert, die den Vorstand umtreiben. Dass der bso die Fühler vermehrt in die West- und Südschweiz ausstrecken will, war eines davon. Damit war ein Schwerpunkt der kom- menden Ausgaben gesetzt. Was ein Verband für die gesamte Schweiz bedeuten könnte, davon bekamen die Mitglieder der Redaktionskommission an der Sitzung im März eine erste Ahnung. Noch bevor es um Inhalte ging, entbrannte eine hefti- ge Diskussion: In welcher Sprache sollten die Texte gedruckt werden? In der jeweiligen Originalsprache? Oder mit Übersetzung, am besten gleich dreisprachig? Ist es nicht Ausdruck von Arroganz, auf Deutsch über Kol- legen im Tessin zu schreiben? Doch wer liest das Journal? Was ist wichtiger, die Information oder die Geste? Und wie viel Geste kann man, will man, darf man sich leisten? Schliesslich wird der bso von seinen – in der grossen Mehrheit deutschsprachigen – Mitgliedern finanziert. Kaum einfacher wurde es bei der inhaltlichen Konzeption: Kein Zwei- fel, alle fanden das Thema spannend. Doch wer hat Vorkenntnisse von der Beratungslandschaft in der Romandie und im Tessin? Wer hat entspre- chende Kontakte? Und wie recherchiert man die Kultur, wenn man der Sprache nicht mächtig ist? Zwei Mitglieder des bso wohnen im Tessin, dreizehn in grösstenteils französischsprachigen Kantonen, 115 Mitglieder führen Beratungen auf Italienisch durch und 307 auf Französisch, diese Kennzahlen spuckt das Beratungsverzeichnis des bso aus. Einige Mitglieder sind zudem im Schwes- terverband ARS (Association Romande des Superviseurs) in der Romandie organisiert. Hinzu kommen Leute, die in regem Austausch mit der Ge- schäftsstelle stehen. Sie waren eine unschätzbare Hilfe, ohne die das vor- liegende Heft keine Chance gehabt hätte. Und trotzdem: Eine angefragte Autorin, ein angefragter Autor nach dem anderen lehnte ab, einen Über- blick über die Romandie zu geben trauten sie sich nicht zu. Bald schlich sich der Verdacht ein: Gibt es überhaupt Beratungslandschaften in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz, die mit den Verhältnissen in der deutschsprachigen Schweiz vergleichbar sind? Oder gibt es dies bezüglich ein grundlegend anderes Verständnis, kulturell bedingt ganz andere Strukturen? Wie soll man über etwas schreiben, das vielleicht gar nicht existiert? Mutmassungen nur, zu vage um als Fachmeinung postuliert zu werden. Eigentlich kann man es nur falsch machen, als mehrheitlich Deutsch- schweizer Verband, der über die weiteren Schweizer Kulturen publizieren will. Wir haben es trotzdem gewagt. Und voilà, das Heft ist da. Es ist weniger als letzte Antwort, denn als erster Schritt einer Erkundung zu verstehen, als eine Art Work in Progress. Doch lesen Sie selbst auf den kommenden Anne-Sophie Scholl, Redaktorin Journal bso. Seiten. annesophie.scholl@bso.ch Anne-Sophie Scholl
4 A K T U E L L 120 Tage im Vorstand Veran staltung en Zwischen Urner Bergen und Genfersee Mo, 1. Oktober 2012 Regiotreffen Zürich Regiogruppe Zürich – Ort: Zürich Regula Villari – Mein bisheriger Lebensweg war in jeder Hinsicht spannend, kurvig, welt- Do, 8. November 2012 offen, arbeitsam und nicht zuletzt genuss- Regiotreffen Ost Regiogruppe Ost – Ort: St. Gallen voll. Im Kanton Uri geboren, kamen mir die Berge irgendwann zu nah, der Wind wurde Do, 22. November 2012 zu heftig, die Leute waren zu bodenverbun- Regiotreffen Bern den und die beruflichen Perspektiven zu eng. Regiogruppe Bern – Ort: Bern Der Schritt zum Status «Auslandurnerin» Di, 22. Januar 2013 war logisch; der Versuch in Luzern und Neumitgliederapéro Zürich sesshaft zu werden scheiterte schnell, Neumitglieder bso – Ort: Olten weil ich am Genfersee fündig wurde; die Romandie war so ganz anders als die gefühls- Di, 26. Februar 2013 Regiotreffen Bern mässig doch recht kühle Deutschschweiz, und Sprache, Mentalität sowie Regiogruppe Bern – Ort: Bern Kultur faszinierten mich. Ausserdem war ich im Süden, die Wetterlage anders und die Terrassen bereits im Frühling bezugsbereit. Über Jahre Sa, 23. März 2013 habe ich der Deutschschweiz, den Rücken gekehrt und das Gerede um den Mitgliederversammlung Mitglieder bso – Ort: Luzern Röstigraben entlockte mir höchstens ein mildes Lächeln. Da das Leben aber bekanntlich selten ein ruhig dahin fliessender Fluss ist, haben Fami- Di/Mi, 9./10. April 2013 lie und Beruf gewollte und ungewollte Veränderungen mit sich gebracht. Personal Swiss Wissensdurst, Neugierde und Lust auf Neues wurden über Jahre zu stän- HR – Ort: Zürich-Oerlikon digen Begleitern und brachten intensive, lehrreiche aber vor allem Sommer 2013 grenzübergreifende Erfahrungen. Meine inzwischen perfekte Zwei Sommeruniversität sprachigkeit, das Verständnis beider Kulturen, Deutsch- und Westschweiz, ANSE – Ort: Littauen haben mir viele Türen geöffnet. Beim beruflichen Schritt in die Selbstän- digkeit vor vier Jahren habe ich das Angebot der Association Romande des Do, 7. November 2013 Fachtagung «Vermessen(d)e Superviseurs (ARS), im Vorstand tätig zu werden, angenommen. Meine Beratung – zwischen berufliche Vernetzung mit der HES-SO (Fachhochschule Westschweiz) Co-Konstruktion und hatte bisher auf unterschiedlichen Ebenen positiven Einfluss auf die Vor- physikalischer Messbarkeit» standstätigkeit bei der ARS. Ich übernahm ganz selbstverständlich die Mitglieder bso – Ort: Bern Beziehungspflege mit dem bso. Daraus hat sich eine intensive und kons Sa, 29. März 2014 truktive Zusammenarbeit entwickelt. Es ist mir ein wichtiges Anliegen, Mitgliederversammlung die Vernetzung mit der Westschweiz sowie dem Tessin zu fördern und Mitglieder bso – Ort: offen einen Weg zu finden, die vom bso vorgelebte Exzellenz mindestens in der Westschweiz zu verankern. Ich meine, dass mein Einsitz im Vorstand des bso diesbezüglich ein eigentlicher Wegbereiter sein kann und werde dieses Projekt, oder eher diesen persönlichen Wunsch, verwirklichen. www.villari.ch
A K T U E L L 5 Evaluation Q-System Qualitätssicherung schliesst die Überprüfung der eigenen Qualität ein mgt – Es sei zeit- und energieauf- (AQK) im Winter beschlossen hat. Prozesses wahrnehmen und wie sie wändig. So lautet ein viel gehörter Der Entscheid, das Q-System zu die Verbindlichkeit des bestehen- kritischer Einwand gegen das ak überprüfen, bedient darüber hinaus den Systems einschätzen, wie sie tuelle Qualitätssicherungs-System den reflexiven Qualitätssicherungs- die Auswirkungen auf die Praxis (Q-System) des bso. Eine Aussen- anspruch des Q-Systems: Ein Quali- beurteilen und welchen Nutzen sie sicht fehle, das Q-System sei eine tätssicherungssystem muss zwin- für sich selbst und für ihre eigene interne Überprüfung von Mitglie- gend auch die eigene Qualität berufliche Arbeit daraus ziehen. dern bso für Mitglieder bso, so eine sichern. Nach sechs Jahren und zwei Ergänzend zu dieser quantitativen andere oft vorgebrachte kritische Durchläufen des aktuellen Systems Erhebung führen die Mitglieder der Stimme. Aber: Das Q-System zu ist es soweit: Verantwortlich für Pla- AQK vertiefende Interviews mit durchlaufen sei auch ein sehr wert- nung, Ablauf und Koordination des verschiedenen Anspruchsgruppen voller Prozess, man könne für sich Projekts ist Lydia Leumann mit den durch: Vorgesehen sind Gespräche selbst und für das eigene berufliche weiteren Mitgliedern der AQK. Eine mit Einzelmitgliedern, mit Leuten Handeln viel dazulernen, das Q-Sys Vorinformation über das Projekt ha- von Kundenseite sowie mit Leuten tem biete Gelegenheit, sich selbst ben die Mitglieder bso bereits über aus Organisationen, die eine vom weiterzuentwickeln. Eine solche den Newsletter von Ende Juni 2012 bso anerkannte Beratungsausbil- positive Einschätzung ist ebenfalls erhalten. Im Newsletter von Mitte dung anbieten. Geplant sind weiter sehr verbreitet zu vernehmen. Doch August 2012 haben alle Aktivmitglie- Gruppeninterviews in Bern, Zürich, wie genau erleben Mitglieder bso das der den Link zu einem Fragebogen St. Gallen und Luzern. Die qualita- aktuelle Q-System? In welchem Ver- zugeschickt bekommen, sowie die tive Erhebung anhand von Inter- hältnis stehen die kritischen und die Einladung, sich zu einem der vertie- view-Leitfäden ist für die Zeit zwi- wertschätzenden Stimmen zueinan- fenden Interviews anzumelden. schen September und November der? Wo liegen die feinen Nuancen 2012 vorgesehen. Im Anschluss an in der Einschätzung und wo lässt Quantitative und qualitative die Gespräche verfasst die Projekt- sich das System allenfalls verbes- Erhebung gruppe eine Auswertung und einen sern? Und wie erleben externe Inte- Der Fragebogen sondiert einerseits, Bericht, definiert Massnahmen und ressensgruppen wie Kundinnen und wie Mitglieder ganz grundsätzlich erstellt einen Plan für deren Umset- Kunden das verbandsinterne Stre- das Qualitätskonzept und dessen zung. Der Bericht wird den Mitglie- ben nach kontinuierlicher Qualität Nutzen zur Sicherung und Weiter- dern bso an der Mitgliederver- und Qualitätssteigerung? Solchen entwicklung der Beratungsqualität sammlung 2013 vorgestellt. Die Fragen soll die Evaluation des bewerten. Darüber hinaus geht er Erkenntnisse der Evaluation flies Q-Systems nachgehen, die die Auf- der Frage nach, wie Mitglieder die sen in eine allfällige Weiterentwick- nahme- und Qualitätskommission Möglichkeiten zur Steuerung des lung des Q-Systems ein. Zeitplan der Evaluation Bis 3. September 2012 September bis November 2012 Bis März 2013 Quantitative Erhebung: Qualitative Erhebung: Auswertung und Bericht Ausfüllen der Fragebögen/ Vertiefende Interviews mit zuhanden Vorstand und Anmeldung zu vertiefenden Einzelmitgliedern bso, Kundinnen Mitgliederversammlung 2013. Interviews. und Kunden, Organisationen, die anerkannte Ausbildungen anbieten.
6 T H E M A Eine Schweizer Adresse Soll der bso nationaler Verband werden? Arbeitsplatzbezogene Beratung soll schweizweit organisiert und vertreten sein. Zur Diskussion steht, ob der bso in der nahen oder ferneren Zukunft gesamtschweizerischer Verband werden will. Kosten und kulturelle Unterschiede sind Hürden, die Alternative ist die verstärkte Zusammenarbeit über innerschweizerische Grenzen hinweg. Viel wird bereits getan. Susanne Fasel Nicht-Schweizern wird er oft als «der Schweizer Ver- Franz Käser band» in Sachen Beratung wahrgenommen und ent- sprechend angesprochen. Wenn es um Beratung in der Schweiz geht, ist der bso Mit derartigen Engagements ist der bso als gesamt- immer wieder eine gefragte Adresse. So bei Vorstössen schweizerischer Verband unterwegs. Dabei macht der von gesamtschweizerischer Bedeutung wie dem Projekt bso nichts anderes, als seinen Auftrag umzusetzen, wie des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie er im Leitbild festgehalten ist: «Der bso ist der federfüh- zur Einrichtung von eidgenössischen Abschlüssen für rende Akteur im Feld der Beratung. Er engagiert sich für Beratungspersonen (BBT-Projekt). Und beim Projekt die Entwicklung des Berufsfeldes Beratung auf schwei- zur Festsetzung von nationalen Qualifikationsrahmen, zerischer und europäischer Ebene.» Und auch die Mit- bei dem sich der bso auf Einladung des Bundesamtes glieder des Verbands sind gesamtschweizerisch enga- für Berufsbildung und Technologie (BBT) bei einem giert. Die 1245 Aktiv-Mitglieder stammen aus nahezu Round-Table-Gespräch einbrachte. Auch bei For- allen Kantonen der Schweiz, mehr als 100 Verbandsmit- schungsvorhaben von nationaler wie internationaler glieder bieten Beratungsleistungen in italienischer Spra- Reichweite von Fachhochschulen und Universitäten ist che an, mehr als 300 Mitglieder beraten in französischer der bso gefragt; mit seinen rund 1 300 Mitgliedern ist Sprache. Der Zugang zum bso steht Personen aus der er ein attraktiver Praxispartner. ganzen Schweiz offen – die wichtigsten Grundlagen des Der bso seinerseits lud vor zwei Jahren zu einem Verbands wie die Beratungsformate, Berufsethik und ersten schweizerischen Treffen von Verbänden und Berufskodex und das Reglement zum Qualitätssystem Organisationen, die sich professionelle Beratung auf bso sind auf Deutsch festgehalten und auf Französisch die Fahne geschrieben haben. 2011 trafen sich die rund und Englisch übersetzt. Die Mitarbeitenden der Ge- 25 Organisationen ein zweites Mal. Anliegen war, den unterschiedlichen Interessen nachzugehen und den kleinsten gemeinsamen Nenner aufzuspüren. Und Bei Projekten von schon vor gut zehn Jahren streckte der bso als Grün- g esamtschweizerischer dungsmitglied der Association of National Organisa- tions for Supervision in Europe (ANSE) seine Nase über Bedeutung ist der bso die Grenzen der Schweiz hinaus. Von interessierten eine gefragte Anlaufstelle.
T H E M A 7 schäftsstelle beantworten auf umgangssprachlichem Niveau Anfragen gut und gerne auf Französisch und Englisch, Erstanfragen auch auf Italienisch. Soll der bso also sein gesamtschweizerisches Engagement ausbauen? Es fehlte nur noch die Übersetzung der Website – oder? «Der bso engagiert sich für die E ntwicklung des Berufsfeldes Beratung auf schweizerischer und europäischer Ebene» Leitbild bso Hauptanliegen des bso ist die Qualität der Beratung, was sich unter anderem in den hohen Anforderungen an die Mitglieder bezüglich Ausbildung, Weiterbildung und Verpflichtung auf das Q-System bso zeigt. Zudem vertritt der Verband die drei Formate Coaching, Super- vision und Organisationsentwicklung. Dies prägt die Kultur des bso, dessen Mitglieder teilweise in allen Formaten unterwegs sind oder zumindest die jeweiligen Stärken, Grenzen und Einsatzgebiete kennen. Die Qua- lität und die Formate sind das Markenzeichen des bso, sein «Alleinstellungsmerkmal» beziehungsweise USP (Unique Selling Proposition), um sich dieses Begriffs aus der Marketingsprache zu bedienen. Die Sorge um die Idendität In der Romandie pflegt der bso eine bewährte Zusam- menarbeit mit der Association Romande des Super viseurs (ARS). Ausbildungen, die von dem einen Verband anerkannt sind, anerkennt beispielsweise auch der andere Verband. Aber es gibt Unterschiede – der augen- fälligste ist die Tatsache, dass sich die ARS auf Super vision konzentriert, der bso jedoch klar berufliche Heimat für Beratende in den drei Formaten Coaching, Supervision und Organisationsberatung ist. Zusammen- gespannt h aben die beiden Verbände für die Organisation von Tagungen, ein erstes Mal 2009 in Fribourg, ein zwei- tes Mal 2011 in Biel. Mitglieder von ARS und bso sowie weitere Interessierte konnten bei diesen Gelegenheiten erfahren, wie bereichernd sprach- und grenzüberschrei- tende Veranstaltungen sein können. Gleichzeitig haben die Tagungen jedoch auch ein Spannungsfeld vor Augen geführt: Wie kann man ureigenen Werten und Stärken treu bleiben und gleichzeitig offen sein für Neues, das sich durch die Begegnung ergibt? Klar ist: Neue Mit glieder aus anderen sprachlichen und kulturellen Regionen hätten Auswirkungen auf die Kultur des bso. Kulturelle Unterschiede zeigen sich am augenfäl- ligsten in der Sprache. Und Mehrsprachigkeit kostet. Auch das haben die beiden von ARS und bso gemeinsam
8 T H E M A organisierten Tagungen gezeigt. In der Schweiz sind ratung über eine verstärkte Zusammenarbeit mit be- zum Glück viele Menschen zumindest passiv einer stehenden Akteuren in den andern Landesteilen führt zweiten Landessprache mächtig oder sprechen eng- oder über vermehrte Eigenaktivitäten seitens des bso, lisch. Somit ist denkbar, dass in gemischtsprachigen ist nicht zuletzt auch von möglichen Partnern abhängig. Gremien jeder und jede in der Muttersprache über die Sicher ist: Die Vertretung der drei Formate und der Sprachgrenze hinaus sich am Verbandsleben aktiv be- hohe Qualitätsanspruch des bso, der Ausdruck findet im Aufnahmeverfahren und im Qualitäts-System, sind die Rahmenbedingungen für jegliches Handeln. Es Die hohen A nforderungen an die Qualität bleibt spannend zu sehen, wie es dem bso gelingt, s eine und die V ertretung der drei Beratungs Identität zu bewahren und gleichzeitig auf dem Weg formate sind das Markenzeichen des bso. zu einem gesamtschweizerischen Verband weiterzu gehen. Dass der bso dieses Ziel weiterverfolgt, haben die jüngsten Strategiediskussionen bestätigt. teiligen kann. Und doch wird es nicht immer und ganz ohne Simultanübersetzung gehen. Website, Druck sachen, die Verbandskorrespondenz müssten in ver- schiedenen Sprachen zur Verfügung stehen, entspre- chende personelle Ressourcen müssten aufgestockt werden. Der zusätzliche Mittelbedarf müsste gedeckt werden können durch ein entsprechendes Mitglieder- wachstum, eine Erhöhung der Mitgliederbeiträge, den Susanne Fasel, Verkauf von Dienstleistungen beziehungsweise eine Geschäftsleiterin bso. Mischung dieser Mittel. susanne.fasel@bso.ch Viele Wege führen nach Rom Neben der ARS, die sich auf Supervision konzentriert, sind in der Romandie und in den anderen Landesteilen Organisationen entstanden, die sich ausschliesslich Franz Käser, mit Coaching befassen. Ob der Weg zu einer schlag- Präsident bso. kräftigen gesamtschweizerischen Organisation für Be- franz.kaeser@bso.ch
T H E M A 9 Reflexive R Instrumente Supervision und Organisationsberatung in der Romandie In den 1950er-Jahren wurde Supervision erstmals im Sozialdienst erwähnt. Seither ist sie in Aus- und Weiterbildung in der Sozialarbeit institutionalisiert. Als Reflexionsgefäss für Fachleute und in Organisationen ist sie heute in verschiedene Formen ausdifferenziert. Für die Effizienz sozialer Institutionen und das Wohl von Klientinnen und Klienten sind Supervision und Organisationsberatung unerlässlich geworden. Françoise Tschopp Historische Meilensteine Isabelle Kolly-Ottiger Supervision wurde in der Westschweiz erstmals 1954 Sylvie Monnier im Sozialdienst erwähnt (de Jonckheere/Monnier 1997). Sylvie Avet L’Oiseau Einen ersten Lehrgang für Supervisoren bot 1958 die Ecole de service social de Genève an. 1970 führte die Die Sozialarbeit sieht sich mit grossen wirtschaftli- Ecole d’éducateurs spécialisés die obligatorische Su- chen, sozialen und kulturellen Veränderungen kon- pervision für ihre Studierenden ein und organisierte frontiert. Supervision hilft, diese zu bewältigen, indem ab 1971 einen Lehrgang für Supervidierende. In der sie Raum bietet, das Handeln der Fachleute in den Folge boten die Schulen in Lausanne und Genf regel- Institutionen zu reflektieren. Sie hilft, institutionelle mässig gemeinsam Lehrgänge an. 1996 übernahm das Mechanismen zu identifizieren, und trägt so dazu bei, Centre de formation continue pour travailleurs sociaux die Arbeit in den Dienst des Menschen zu stellen. Über (CEFOC) des Institut d’études sociales in Genf diese Stress und Leiden bei der Arbeit zu sprechen, institu- Ausbildung. Von da an besuchten Sozialarbeiterinnen, tionelle, kulturelle, soziale, wirtschaftliche und poli- Erzieher und soziokulturelle Betreuende den gleichen tische Zwänge zu identifizieren und zu analysieren, Lehrgang. sich aus einer lähmenden Isolation zu befreien, die In den seit 2002 von den Fachhochschulen ange- neuen Normen der «Exzellenz und Leistung» (De botenen Lehrgängen für Sozialarbeit ist die pädago Gaulejac 2005) zu hinterfragen, verschiedene Heraus- gische Supervision für alle Bachelor-Studenten obliga- forderungen zu erkennen – all dies verlangt besondere torisch. Die Ausbildung der Supervisorinnen im so Aufmerksamkeit, damit die sozialen Widersprüche zialen und psychosozialen Bereich steht auch Sozial- und das täglich anzutreffende Leid nicht allein getra- arbeitern im weiteren Sinne offen, beispielsweise gen werden müssen. Der vorliegende Artikel versucht, Ergotherapeuten, Psychomotorik-Therapeutinnen, die verschiedenen Typen von Supervision und Orga- Kleinkindererziehern und Sozialpädagoginnen. Derzeit nisationsberatung sowie deren Funktion und Nutzen bietet das Weiterbildungszentrum der Haute école de zu definieren. travail social (HETS) zwei Ausbildungslehrgänge an:
10 T H E M A Ein CAS für Supervidierende im sozialen und psycho- Funktion oder den gleichen Beruf ausüben, berufliche sozialen Bereich, die sich in der individuellen Super- Situationen zu besprechen. Diese Fachleute können in vision, sei sie pädagogischer oder beruflicher Natur, verschiedenen Bereichen tätig sein, beispielsweise im und in der Supervision in kleinen Gruppen weiterbilden Gesundheitswesen, in den Sozialdiensten oder in der wollen. Und ein CAS für Organisationsberaterinnen Erziehung. Die besprochenen Themen können den Be- und -berater. ruf, die Funktion, die spezifischen Tätigkeitsbereiche oder die Entwicklung neuer Praktiken betreffen. Der Individuelle Instrumente Gedankenaustausch in Anwesenheit einer Supervisorin Die pädagogische Supervision gehört in der Sozialarbeit bringt viele Vorteile: Die Teilnehmenden profitieren zur Grundausbildung und begleitet die Studierenden von der Erfahrung der anderen und durch die Hervor- während ihrer praktischen Ausbildung. Sie hat eine klar hebung der vorhandenen Ressourcen unterstützen sie pädagogische Funktion und ermöglicht es, die in der sich gegenseitig. Wissen wird zusammengetragen, Kon- Schule erworbene Theorie mit der Praxis zu verbinden. zepte werden entwickelt und die Isolation bei der Arbeit Die professionelle Einzelsupervision erfolgt auf Anfrage einer Fachperson, die ihre Arbeit reflektieren will. Sie befasst sich mit konkreten, aktuellen Situa tionen aus dem Berufsleben, die vom Supervisand ein- gebracht werden. Ihr Ziel ist es, bei ihm das Bewusstsein bezüglich seiner Handlungen, seiner Verantwortung, seines Engagements, seiner Fähigkeit, interpersonelle Bindungen herzustellen und zu kooperieren, zu entwi- ckeln. Die Supervisandin soll ihre Arbeitsweise unter Einbezug der kognitiven, zwischenmenschlichen, emo- tionalen und körperlichen Aspekte verstehen und ana- lysieren lernen. Eine Supervision setzt die Fähigkeit voraus, sich zu distanzieren, um zu verstehen, was der Supervisand erlebt hat, was ihn zum Handeln oder zur Untätigkeit bewegt hat, was ihm Klarsicht gebracht oder ihn blind gemacht hat. Ausgehend von den Erzählungen der Supervisandin führt die Supervision zu einer Re- flexion, die frei von persönlichem Engagement und den Emotionen einer persönlichen Beziehung ist. Diese Distanzierung ermöglicht es dem Supervisand, seine Funktionsweise zu erkennen und sich diese zum pro- fessionellen Arbeitsinstrument zu machen, um die Dienstleistungen für seine Klienten zu verbessern. Die Supervision erfolgt in Form eines zeitlich befristeten Vertrags, der auf den Bedürfnissen und Zielen der Su- pervisandin basiert. Sie findet in regelmässigen Abstän- den statt und ermöglicht damit einen Reifungsprozess. Kollektive Instrumente Die pädagogische Supervision in Gruppen richtet sich an Studierende der Sozialarbeit, die Praktika in ver- schiedenen Institutionen absolvieren. Die praktische Analyse ist integrierender Bestandteil von Grundaus- bildung und Weiterbildung. Sie ermöglicht Gruppen von Studierenden, sich konstruktiv und strukturiert auszutauschen, und sie findet über einen längeren Zeit- raum mit den gleichen Teilnehmenden sowie dem glei- chen Ausbilder statt. In der praktischen Analyse geht es um die Koproduktion von Wissen, das für die prak- tische Arbeit von Nutzen ist. Die professionelle Grup- pensupervision ermöglicht Fachleuten, die die gleiche
T H E M A 11 reduziert. Teamsupervision richtet sich an eine Grup- Anhand der Konzepte, die aus der Analyse der Psycho- pe, die beruflich zusammenarbeitet. Eine Anfrage für dynamik der Arbeit und der Arbeit selbst entstanden eine solche Supervision geht entweder von der Leitung sind, kann ein Teil der Begriffe, die die Grundlage der oder vom Team selber aus. In regelmässigen Treffen Supervisionsarbeit bilden, gestützt werden. Dabei geht werden verschiedene Themen besprochen, wie zum es darum, die Fä- Beispiel die Funktionsweise des Teams, seine Werte, higkeit zu stär- seine Bewältigungsstrategien für interne Konflikte, die ken, das eigene Les démarches des superviseurs Kommunikation, das Verhältnis zur Leitung; die Orga- berufliche Han- et des i ntervenants en institution nisation des Teams und seine Arbeitsweise oder den deln und die im se réfèrent e xplicitement ou Auftrag und die Aufgaben, die Beziehung zu den Klien- Alltag erlebten ten, zu den Familien, zum innerberuflichen Netzwerk Interaktionen non à d iverses théories développées oder die Entwicklung von Projekten. aus der Metaper- dans les sciences h umaines Die Organisationsberatung ermöglicht es, in spektive zu be- Organisationen vorhandene Widersprüche zu analy- trachten. Super- et sociales. sieren und dynamische partizipative Regulations- und visoren wie Or- Managementinstrumente zu entwickeln, die Verände- ganisationsberaterinnen müssen interaktive und rungen begleiten. Der Berater richtet seinen Blick auf dynamische Instrumente entwickeln, die den Teilneh- die Institution als Ganzes und analysiert die Abläufe menden ermöglichen, die institutionelle Realität abzu- in der Institution, er unterstützt und leitet die Reflexion bilden und damit ein Verständnis für Schwierigkeiten über deren Funktionsweise. Die Beraterin nimmt dabei zu entwickeln. die Rolle einer aussenstehenden Person ein, «die mit dem Klientensystem in einem egalitären Verhältnis Supervision und Berufspraxis zusammenarbeitet und damit die Gefahrenerkennung Supervisieren an sich bedingt ein Zusammentreffen unterstützt» (Ferretti/Grau 2005). Sie kann dabei von des Supervisors mit einer oder mehreren Fachpersonen. Verschiedenem ausgehen: Von der Analyse und dem Es verlangt von der Supervisorin, dass sie sich für ihr Verständnis der institutionellen Herausforderungen Gegenüber in dessen Gesamtheit interessiert. Es kann und der unterschiedlichen Akteure; der Evaluation von keine Supervision geben, wenn eine hierarchische sozialpädagogischen Projekten, von Regeln und Abläu- Beziehung zwischen dem Supervisor und dem Super- fen innerhalb der Institution, der Reflexion bezüglich visand existiert. Die Supervision dient nicht der Be- Auftrag und Aufgaben; der Konzeptualisierung von treuung oder der Kontrolle, sie soll die beruflichen institutionellen Projekten; oder von der Begleitung von Kompetenzen unterstützen. Sie impliziert eine kom- institutionellen Veränderungen durch die Bereitstel- plementäre Beziehung zwischen Supervisorin und Su- lung von methodologischen Instrumenten und Ma- pervisandin, eingebettet in ein gemeinsames Konstrukt. nagementhilfen. Dieses ist durch eine Asymmetrie der Positionen ge- kennzeichnet, die erst die Reflexion möglich macht. Grundlagen für die Praxis Es kann keine Supervision geben, wenn der Super- Die Vorgehensweise der Supervisorinnen und Organi- visand berufliche Situationen nicht hinterfragt – Vor- sationsberater stützt sich auf verschiedene Theorien kommnisse mit Nutzerinnen, Klienten, Kolleginnen der Geistes- und Sozialwissenschaften. De Jonckheere und Kollegen und Ereignisse innerhalb der Institution, und Monnier (1999) unterstreichen in ihrem Buch zu in der die Supervisandin arbeitet. Dabei geht es immer Supervision, dass dabei die psychoanalytischen oder darum, wie der Supervisand in den betreffenden Situa psychodynamischen, systemischen und institutiona- tionen im Berufsalltag handelt. Die Supervision bezieht listischen oder personenzentrierten Ansätze die wich- sich immer auf das Anliegen, das von der Supervisandin tigsten Referenzen bilden. Die Supervision wurde vorgebracht wird. Dies geschieht in einem mehr oder einerseits durch Supervisoren selber konzipiert, ande- weniger formellen Rahmen und wird stufenweise ver- rerseits durch die in der Sozialarbeit entwickelten Mo- tieft. Das führt zu einer Überprüfung der bestehenden delle. Die Organisationsberatung ist aus dem psycho Bindungen zwischen der beschriebenen beruflichen soziologischen Ansatz der Sozialpsychologie und der Beziehung und der in der Supervision erlebten Bezie- klinischen Soziologie entstanden, auf die sich die For- hung und fördert dadurch die Einnahme der Haltung schenden des Laboratoire du changement social de eines reflektierenden Praktikers. Der Supervisand kann l’Université de Paris VII beziehen. Diese Theorien sind überdies die Hintergründe seiner beruflichen Bezie- indes nicht die einzigen Bestandteile der Beratungs hungen ausleuchten und deren Relevanz für seine modelle, Werte und Ideologien sowie Lebenserfahrung Funktion als Fachperson im sozialen und psycholo beeinflussen die Praxis der Beratenden. gischen Bereich stärken.
12 T H E M A Parler de la souffrance et du stress vécu au travail, identifier et analyser les c ontraintes i nstitutionnelles, culturelles, s ociales, économiques et politiques, sortir d’un isolement paralysant méritent que l’on puisse s’y arrêter pour éviter de p orter seul les contrad ictions sociales. Jedes Individuum ist das Produkt einer Geschichte, in lisierung in unserer Gesellschaft zusammenhängen, der es versucht, ein möglichst bewusstes Subjekt zu jedoch nie von einem Individuum alleine bewältigt werden. Die Wahl eines Berufes, einer Spezialisierung werden können, ist die Zusammenarbeit und die Soli- oder der Entscheid zur Umschulung ist ein entschei- darität in der Praxis unerlässlich. Angesichts der Ero- dender Moment im Leben. Sowohl im Rahmen der sion der traditionellen Formen des Widerstands und Grundausbildung wie in der Weiterbildung ist die des Umgangs mit kollektiven Konflikten sind Super Supervision ein geeignetes Mittel, diesen Übergang zu vision und Organisationsberatung geeignete Instru- begleiten. Die Analyse von Veränderungen ermöglicht mente, um die Fähigkeit zur Teamarbeit und kohären- schrittweise eine persönliche und zweckmässige Posi- tere Vorstellungen einer ungleichen Realität zu entwi- tionierung in einem gegebenen institutionellen Rah- ckeln. Die kollektive Arbeit ist für die Effizienz der men. Zudem können damit neue berufliche Funktionen sozialen Institutionen und zum Wohle der Klienten verstanden und ausprobiert sowie ethische Fragestel- heute mehr denn je unerlässlich. Begeben sich Super- lungen angegangen werden. visorinnen und Berater in die Welt der Fachpersonen und Institutionen hinein, müssen sie diese Komplexität Organisationen im Wandel erfassen können. Jede Krise bringt Veränderungen; Damit eine Organisation sich verändern kann, müssen wenn aber in Teams Aggressivität, Gewalt, Schuld die Betroffenen akzeptieren, dass sie sich in einem sich gefühle und Passivität oder sogar «Triebhaftigkeit» wandelnden Umfeld befinden. Die Funktion der Bera- (Enriquez 1992) auftreten, besteht die Gefahr, dass diese tenden ist es, die «Realität aufzudecken», im Sinne Belastung verharmlost und damit jegliche Verände- einer «Entblössung der bewussten und unbewussten rungsmöglichkeit umgangen wird. Triebkräfte des menschlichen und organisatorischen Verhaltens» (Enriquez 2001). Bei der Beratung geht es Der Artikel wurde 2006 erstmals publiziert, im Juni 2012 im Kern darum, die Interessen aller Beteiligten, deren überarbeitet, übersetzt und redaktionell gekürzt. Arbeitsmotivation, deren Glauben an den Sinn ihrer Arbeit, deren Fähigkeit, mit Widersprüchen umzuge- hen, die vielen Konflikten und Verzögerungen zugrun- de liegen, zu verstehen. Die Beteiligten sollen durch die Analyse unterscheiden können, was durch die eigene Geschichte, durch ihre Problematik und was durch die Interaktion mit einem ganzen System verursacht wird. Die genannten Formen der Supervision und Bera- tung setzen alle einen Dialog rund um die aktuellen Sorgen und Anliegen der Sozialarbeit voraus. In einem Françoise Tschopp Umfeld, das zunehmend durch die unterschiedlichsten mit Isabelle Kolly-Ottiger, Sylvie Monnier, Sylvie Avet L’Oiseau Risiken gekennzeichnet ist (Arbeitslosigkeit, Probleme Haute Ecole de Travail Social de Genève. am Arbeitsplatz, Verarmung etc.), die mit der Individua francoise.tschopp@hesge.ch Literatur De Gaulejac V. (2005): La société malade de la gestion. Paris: Seuil. /// de Jonckheere C. / Monnier S. (1997): La supervision en travail social: un espace d’élaboration de la pratique. Revue Psychoscope 8. /// Ferretti P. / Grau C. (2005): L’intervention institutionnelle. Genève: Editions IES, S.41. /// de Jonckheere C. / Monnier S. (1999): Miroir sans tain pour une pratique sans phare: la supervision en travail social. Genève: Editions IES. /// Enriquez E. (2001): L’éthique de l’intervenant. In Vranken C. / Kurz O.: La sociologie de l’intervention, enjeux et perspectives. Bruxelles: de Boeck. /// Enriquez E. (1992): L’organisation en analyse. Paris: PUF, S. 135.
T H E M A 13 Bedarf nach Regulierung Angebot und Nachfrage von Coaching nehmen zu Der Coaching-Markt in der Westschweiz floriert. Dies zeigt eine Umfrage. Wer genau hinschaut, sieht jedoch: Es besteht Nachholbedarf bei Qualitätskontrolle und Zertifizierung. Bestehende Coaching-Vereinigungen wie SR Coach und ICF Schweiz ergreifen erste Massnahmen. Ernst Bechinie schweiz, stellt aber explizit keinen Anspruch auf Wis- Willem Jan Hofmans senschaftlichkeit. Für die Erhebung wurden 468 Per- sonen angegangen. Die Adressen sind von unterschied- Die Westschweiz ist ein wachsender Wirtschaftsraum licher Glaubwürdigkeit: Die Kontakte stammen aus dem mit etwa 2 Millionen Menschen in 7 Kantonen. Eine Telefonbuch von Leuten, die sich dort selbst als Coach gesunde mittelständische Industrie, Dienstleistung, oder als Anbieter von Coaching bezeichnen, von Insti- multinationale Unternehmen und internationale Or- tuten, die Lehrgänge in Coaching anbieten oder von ganisationen charakterisieren diesen Wirtschaftsraum; Leuten, die sich über die Website von SR Coach spontan potentielle Klienten von Coaching in der Romandie sind gemeldet haben. 143 vollständig ausgefüllte Fragebogen Schweizer Führungskräfte und Fachkräfte in Unterneh- gingen ein, die Antworten zeichnen folgendes Bild: men, vor Ort arbeitende Ausländer mit internationaler – Coaching ist in der Romandie generell eine Teilzeit- Ausrichtung oder selbständig Tätige. Dies führt zu einer Tätigkeit. Lediglich 15% der Antwortenden waren unterschiedlich gearteter Nachfrage nach dieser Dienst- mehr als 75% ihrer Zeit als Coach tätig; bei 70% lag leistung. Entsprechend vielfältig präsentiert sich die die Coaching-Aktivität bei unter 50% ihrer Zeit und Coaching-Landschaft in der Romandie. Eine nicht-re- für ein Drittel waren es weniger als 25%. präsentative Markt-Umfrage, die 2011 von der Société – Schwerpunkte im Coaching sind Life-Coaching bei Romande de Coaching (SR Coach), einer Vereinigung 60% beziehungsweise Executive-Coaching bei 55% Westschweizer Coachs, in Auftrag gegeben wurde, ver- der Antwortenden sowie Business- und Team-Coa- mittelt einen ersten Eindruck dieser Landschaft. Die ching. Umfrage bezieht sich ausschliesslich auf die West- – Die Coachs sind zu 60% als Trainer und 40% als Berater oder in geringerem Ausmass als Mentoren oder Therapeuten tätig. – 83% der Coachs sind älter als 40 Jahre; fast 60% sind En Suisse Romande, les coachs Frauen. sont sollicités par les p articuliers – 70% der Antwortenden sind Selbständige, der Rest arbeitet in einer Teil- oder Vollzeitanstellung. et les organisations à propos dʼun – 85% haben eine Form von Ausbildung in Coaching l arge éventail de demandes. und 80% nutzen Supervision.
14 T H E M A Die Auswertung der Umfrage lässt den Schluss zu, dass forderungen für eine ICF-Zertifizierung entspricht. Für in der Westschweiz Coachs von Organisationen und eine Mitgliedschaft ohne Zertifizierung waren bisher Einzelpersonen für eine breite Palette von Anliegen in lediglich die Zustimmung zum ICF-Moralkodex und die Anspruch genommen werden. Dies mit zunehmender Begleichung der Mitgliedergebühr unabhängig von Tendenz. jeglicher Coaching Kompetenz und Qualifikationen Beachtenswert für die Westschweiz ist, dass diese erforderlich. Aktuell sind ein Viertel der ICF-Mitglieder im internationalen Vergleich eine überdurchschnitt in der Romandie zertifizierte Coachs, haben also ein liche Dichte an Coachs aufweist. Bei einer vorsichtigen Mindestpensum von 60 Stunden Ausbildung, 100 Stun- Schätzung von 350 bis 400 Coachs in der Romandie den Coaching mit Kunden und eine Prüfung absolviert. ergibt das 175 bis 200 Coachs auf 1 Million Einwohner. Die entsprechende Ver- gleichszahl für Westeuropa aus einer La régulation de la profession aktuell von der Beratungsgesellschaft de coach sʼorganise par des processus PwC (PricewaterhouseCoopers) im Auf- trag der International Coach Federation dʼaccréditation qui représentent (ICF) weltweit durchgeführten Studie la voie de lʼavenir. liegt bei 45 Coachs pro 1 Million Einwoh- ner. Von den 265 Mitgliedern beim ICF Schweiz sind knapp 50 Prozent in der Romandie behei- Qualitätssicherung und Professionalisierung in Form matet. Ausserdem ist bekannt, dass die in der Roman- von Coach-Ausbildungen und Zertifizierungen werden die ansässigen internationalen Organisationen und zunehmend auch für Unternehmen wichtig sein. multinationalen Unternehmen ausländische Coachs beschäftigen. Qualtiätssicherung und Professionalisierung Die quantitativen Angaben sind jedoch mit Vorsicht zu geniessen, sie sagen wenig aus über den Hintergrund der Coachs. Aus der Studie von PwC, bezogen auf die gesamte Schweiz, geht die Regulierung der Coach profession in Form von Zertifizierungen als wichtiges Zukunftsthema hervor. Und in der Praxis ist ein Trend zu zunehmender Professionalisierung und damit zu Qualitätsanforderungen erkennbar. So überlegt die Ernst Bechinie, Vereinigung SR Coach, eine Zertifizierung für ihre Mit- Vorstandsmitglied ICF Schweiz. glieder einzuführen. ICF fordert neu seit diesem Jahr ernst.bechinie@coachfederation.ch mit von allen bestehenden sowie neu hinzukommenden Willem Jan Hofmans, Mitgliedern eine Ausbildung in Coaching von mindes- Präsident-elect ICF Schweiz. tens 60 Stunden, was einer der bisherigen Mindestan- willem.jan.hofmans@coachfederation.ch
Z T H E M A 15 Zwischen Röstigraben und Grande Nation Von den Freuden und Leiden der Arbeit als Grenzgängerin In verschiedenen Ländern und Kulturen zu arbeiten, kann eine Bereicherung sein. Madeleine Bähler ist als Coach und Organisationsberaterin zwischen deutscher und französischer Schweiz, Deutschland und Frankreich unterwegs. Sie kennt die Unterschiede, weiss, wo die Herausforderungen liegen und lässt sich von tiefen Löhnen im Euro-Land nicht abschrecken. Madeleine Bähler auch Mediationsverbände und andere Interessenge- meinschaften leisten wichtige Aufklärungsarbeit und Kein Zweifel: Meine Beratungs- und Seminartätigkeit tragen zu einem differenzierten Verständnis bei, auch in der Deutschschweiz und der Romandie sowie in auf Kundenseite. Am ehesten erlebe ich, dass die Be- Frankreich und Deutschland ist ein Privileg. Ich bin in griffe Supervision und Moderation in der Deutsch- der Romandie aufgewachsen, lebe seit vielen Jahren in schweiz unspezifisch genutzt werden. der Deutschschweiz, genauer gesagt im Dreiländereck, In der französischen Schweiz wird ganz selten nach im Grossraum Basel. In meiner Arbeit in den verschie- Organisationsentwicklung gefragt. Der Supervisions- denen Ländern und Kulturkreisen gibt es Ähnlichkei- begriff steht in der Romandie im Vordergrund, ebenso ten, Unterschiede und Besonderheiten, die mir auf wie Coaching und Mediation. Dies hängt möglicher- fallen. Zum Beispiel hinsichtlich Begrifflichkeiten, weise damit zusammen, dass sich der Schwesterver- Arbeitsweise, dem Umgang mit Geld oder Vorurteilen, band des bso in der Romandie Association Romande die sich bestätigen. Meine Gedanken dazu sind sehr des Superviseurs (ARS) nennt und somit den Begriff subjektiv und hängen mit meiner Person, meinem be- Supervision in den Vordergrund rückt. Unter Super ruflichen Werdegang und den dazugehörenden Kom- vision verstehen die Romands aber durchaus auch petenzen sowie meinem Kundenkreis zusammen. Je- Organisationsentwicklung, ebenso wie teilweise unter mand anders mag dies anders empfinden und wahr- dem Begriff Coaching. Letzterer Begriff wird häufig für nehmen. Im Folgenden beschränke ich mich auf Re die Teamentwicklung genutzt. Mediation wird sehr breit flexionen zur Beratung in der Deutschschweiz, der verstanden und umfasst alles, was im Bereich der Kon- Romandie und Frankreich. fliktbearbeitung angesiedelt ist. In Frankreich stehen die Fallsupervision (analyse Beratungsformate und Begrifflichkeiten des pratiques), Organisationsberatung (consulting), In der Deutschschweiz fragen Kundinnen und Kunden Coaching, Seminare und Mediation im Vordergrund. häufig recht präzis nach bestimmten Beratungsforma- Soviel ich weiss gibt es in Frankreich keine Supervi ten: Supervision, Organisationsentwicklung, Team sionsausbildung. Supervisoren sind meist Psychologen, entwicklung, Coaching, Konfliktberatung, Mediation die Fallsupervisionen oder Teamberatung und Team- und so weiter. Darin, so mein Eindruck, äussert sich begleitung anbieten. Wer nach Coaching fragt, kann der Einfluss von Berufsverbänden wie dem bso. Aber von der Lebensberatung bis zur Teamentwicklung alles
16 T H E M A Sous les termes de supervision – et partiellement de coaching – les Romands entendent également développement organisationnel. erwarten. Organisationsberatung wird vorwiegend heit, auf sie zu verweisen beziehungsweise schnell zu unter dem Aspekt der Fachberatung verstanden. Der erkennen, was für Vorstellungen die potenziellen Kun- Organisationsentwicklungsauftrag äussert sich meist dinnen und Kunden haben und ihnen gegebenenfalls in der Anfrage für ein Seminar. Weshalb dies so ist, rasch jemand anderes zu empfehlen. Ich stelle mir ein werde ich im nächsten Abschnitt beschreiben. Der Merkblatt in Deutsch und Französisch vor, das von den Mediationsbegriff wird in Frankreich ähnlich wie in der verschiedenen berufsspezifischen Verbänden verant- Romandie sehr breit genutzt. wortet würde. Die diversen Beratungsformate wären Diese Unterschiede in den Begrifflichkeiten verlan- dort aufgelistet und so erläutert, dass sie potenziellen gen von mir, sorgfältig nachzufragen und zu klären, Kunden die Suche nach der geeigneten Unterstützung was Kundinnen und Kunden mit der Anfrage für ein beispielsweise mit Hinweisen zu unterschiedlichen bestimmtes Beratungsformat genau erwarten und ihre Beratungsportalen erleichtern. Bedürfnisse mit ihnen beim Contracting-Gespräch herauszuschälen. Nicht die Begriffe, sondern die Er- Arbeitsweise und Methoden Als Beraterin mit systemischem Ansatz und leiden- schaftliche Moderatorin bin ich in der Deutschschweiz En France je dois donner beaucoup eine von vielen. Dadurch profitiere ich von einer Fülle von Anregungen und Materialien für interaktive Ar- d’explications et parfois convaincre pour beitsprozesse mit Kunden. Ich bin jedoch auch damit que les événements aient lieu dans des konfrontiert, dass manche Teams eine gewisse Müdig- keit gegenüber bestimmten Methoden äussern. So be- locaux adaptés et que le matériel d’a nim ation komme ich, wenn ich jeweils am Anfang die Frage stel- nécessaire soit disponible, comme par le, was ich als Beraterin vermeiden sollte, beispielsweise exemple plusieurs tableaux de conférence den Hinweis: «Also Zukunftskonferenzen und Punkte kleben, das haben wir jetzt satt!». avec un grand nombre de feuilles ou In der Romandie hingegen werden interaktive d’autres fournitures. Moderationsmethoden und -abläufe mit Interesse auf- genommen. Allerdings scheint es schwieriger zu sein, diese Ansätze in Weiterbildungen zu vermitteln. Als wartungen, Bedürfnisse und Ziele entscheiden darüber, ich vor einigen Jahren gebeten wurde, für ein Fort ob ich einen Auftrag annehme. Wenn ich gemeinsam bildungsprogramm für Lehrkräfte einen Moderations- mit den Kunden zur Überzeugung komme, dass meine kurs anzubieten, konnte dieser mangels genügenden Kompetenzen und mein Arbeitsstil passend und ziel- Anmeldungen nicht durchgeführt werden. dienlich sind, ist es mir letztlich egal, ob der Auftrag In Frankreich ist sowohl der systemische Ansatz als beispielsweise unter dem Begriff Supervision, Team auch eine stark prozessorientierte und interaktive Ar- entwicklung oder Teamcoaching läuft. Trotzdem würde beitsweise ein Nischenprodukt. Ausbildungen im so- ich es schätzen, wenn sich mindestens in der Schweiz zialen und pädagogischen Bereich sind immer noch die verschiedenen Berufsverbände für einheitlich ge- psychoanalytisch geprägt. Wenn Personen die syste füllte Begriffe entscheiden. Sie bieten den Kunden mische Denkweise in Weiterbildungen kennen lernen, Orientierung und geben mir als Beraterin die Gelegen- führt dies unter Umständen dazu, dass sie nachfolgend
T H E M A 17 ganz gezielt nach einer Beraterin mit diesem Ansatz design anzupassen und zu verfeinern. Dann kommt die suchen. Ich staune, welch langen Anfahrtsweg manche nächste Hürde: die Rahmenbedingungen für die prak- Coachs auf sich nehmen, um genau diesen Fokus zu tische Durchführung. Es braucht reichlich Erklärungen erfahren. Die langen Distanzen haben mich auf die Idee und gelegentlich auch Überzeugungsarbeit, damit die gebracht, Skype-Coaching anzubieten. Dieses Angebot Anlässe in geeigneten Räumen stattfinden und genü- wird regelmässig genutzt. gend Moderationsmaterial zur Verfügung steht, zum Aufwändiger für mich gestaltet sich der Umgang Beispiel mehrere Flipcharts, grössere Mengen an mit Moderationsabläufen und -methoden für die Team- Flipchart-Papier und Ähnliches. Wenn es dann soweit oder Organisationsentwicklung. Wie im ersten Ab- ist, macht die Arbeit sehr viel Spass. Weil der Vorlauf schnitt erwähnt, formulieren die Kundinnen und bereits zu einer Auseinandersetzung mit der Thematik Kunden Bedarf in diesem Bereich häufig als Anfragen geführt hat, sind die Teilnehmenden interessiert und für ein Seminar beziehungsweise eine Weiterbildung. engagiert mit dabei. Für mich als Prozessmoderatorin Darunter verstehen sie vorwiegend eine zielgerichtete sind solche Aufträge besonders befriedigend, weil die Wissensvermittlung. Wenn ich den Eindruck gewinne, sie wünschen eine nachhaltige Veränderung und Ent- wicklung, erkläre ich meine partizipative und prozess Différentes compréhensions orientierte Arbeitsweise und Vorgehensoptionen. Nicht selten finden die potenziellen Auftraggebenden dies des concepts exigent que interessant, bitten mich jedoch, das «Projekt» einem je questionne et clarifie soigneuse- bestimmten Personenkreis wie dem Vorstand oder dem ment les attentes des clientes Leitungsteam zu erläutern. Meist erlebe ich Offenheit und grosses Interesse an meinem Vorgehensvorschlag. et des clients lorsqu’ils me sollicitent Kritische Rückfragen helfen mir, das Interventions pour un type précis de conseil.
18 T H E M A Teilnehmenden neue Wege entdecken, ihre Ressourcen Angenehme Vorurteile, die sich bestätigen zu nutzen und gemeinsam Inhalte zu entwickeln. Im- Während in der Deutschschweiz und der Romandie mer wieder bekomme ich die Rückmeldung, wie beein- Vereinbarungen und Verträge meist möglichst knapp druckt Personen sind, mit wie wenig inhaltlicher Ein- gehalten werden, müssen diese in Frankreich unter mischung meinerseits so viele brauchbare Resultate Umständen recht ausführlich formuliert und dokumen- erarbeitet werden. tiert sein. Da es jedoch in Frankreich keinen Verband für Supervision und Organisationsberatung gibt, gibt Das liebe Geld es keine Vorlagen, die man rasch auf eigene Bedürfnisse Das Thema Geld gehört für mich zu den anstrengenden anpassen kann. Vor allem am Anfang ist ein Auftrag in Aspekten meiner selbständigen Beratungstätigkeit. Das Frankreich recht aufwändig, auch administrativ. hängt unter anderem damit zusammen, dass ich zwar Danach kommen jedoch die angenehmen Seiten: eine leidenschaftliche Beraterin, aber keine leiden- Wenn ich mit dem Zug unterwegs bin und dieser schaftliche Verkäuferin bin. In der Deutschschweiz Verspätung hat, kann ich ganz entspannt bleiben. Ich habe ich dank der Unterstützung durch den bso und habe die Handy-Nummer des Direktors oder der Direk- über das Gespräch mit Kolleginnen und Kollegen in der torin, kann anrufen und werde halt später abgeholt. Intervisionsgruppe eine gute Orientierungshilfe für die Trotz Verspätung werden mir bei der Ankunft zuerst Festlegung von Honoraren. In der Romandie stehen Kaffee und Croissant angeboten. Überhaupt wird den zwar Richttarife auf der Website der ARS. Sie sind je- Pausen und der Verpflegung Rechnung getragen. Wäh- doch tief. Anscheinend wird davon ausgegangen, Su- rend ich in der Deutschschweiz gelegentlich Getränke pervision geschehe eher im Nebenerwerb. Interessant und Früchte für die Teilnehmenden mitbringe, können ist für mich die Erfahrung, dass ich, wenn ich die tiefen in Frankreich die Parteien bei einem Konflikt noch so Ansätze bei der Auftragsklärung thematisiere, gele- zerstritten sein, sie schaffen es, sich zu organisieren, gentlich den Hinweis erhalte, meine «Deutsch damit Getränke und etwas zum Knabbern oder zu Essen schweizer-Tarife» seien durchaus auch in der Romandie vorhanden sind. Und es braucht wenig Überzeugungs- akzeptabel, beziehungsweise sie würden auch von arbeit, um bei einem Open-Space-Anlass eine Bar ein- Romands verlangt. Andere Institutionen orientieren zurichten oder beim World Café den Begriff Café wört- sich hingegen strikt an den von der ARS empfohlenen lich zu nehmen. Zwischen den Pausen wird aber enga- Tarifen. Solche Organisationen erteilen mir den Auftrag giert gearbeitet. Sollte dann wegen der Verspätung bei zu meinen Konditionen meist nur, wenn es um eine meiner Ankunft oder einer etwas längeren Pause ein Konflikt- oder eine Krisenintervention geht, mit andern späterer Abschluss oder ein weiterer Termin notwendig Worten, wenn der Leidensdruck bei ihnen genügend sein, wird dies keine gereizten Reaktionen hervorrufen. gross ist. Ich wünsche mir, dass bso und ARS auch dies- Nicht nur aus diesen Gründen, aber auch ihretwegen, bezüglich das Gespräch miteinander suchen, um die arbeite ich gerne in Frankreich. finanziellen Aspekte für Beratende, die in ihrer Arbeit den Röstigraben überschreiten, zu erleichtern. Beratungsmandate in Frankreich übernehme ich ganz sicher nicht aus finanziellen Überlegungen. Die Kaufkraft ist dort grundsätzlich tiefer und der aktuelle Euro-Wechselkurs ungünstig. Ich sage gelegentlich, dass ich etwas Unübliches und Unlogisches mache, indem ich in der Schweiz wohne und in Frankreich arbeite. Das Gegenteil wäre profitabler. Trotzdem ar- beite ich gerne in Frankreich. Weshalb? Das erläutere Madeleine Bähler, ich im nächsten und letzten Abschnitt meiner Einschät- Organisationsberaterin und Coach bso. zungen und Überlegungen. info@pro-action.ch
Sie können auch lesen