Frühe neurologische Stimulation - der erste Weg zum Therapiehund - Tiere als Therapie
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Aus dem 10. Universitätslehrgang „Tiergestützte Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen“ der Veterinärmedizinischen Universität Wien Frühe neurologische Stimulation - der erste Weg zum Therapiehund Hausarbeit zur Erlangung des Titels „Akademisch geprüfte Fachkraft für tiergestützte Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen“ der Veterinärmedizinischen Universität Wien vorgelegt von Dr. Martina Taller-Krinninger Matrikel-Nummer: 8945269 Wien, Februar 2015
Ich versichere, dass ich diese Hausarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich keiner unerlaubten Hilfe bedient habe, dass ich dieses Hausarbeitsthema bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe, dass diese Arbeit mit der von dem/der BegutachterIn beurteilten Arbeit übereinstimmt. _________________________ _________________________ Datum Unterschrift
Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 1 2. Theoretischer Teil 3 2.1. Der Hund: ältester Gefährte des Menschen 3 2.2. Der Therapiehund: ein Hund mit besonderen Eigenschaften 5 2.3. Neuropsychologie des Hundes: Verknüpfung von Nervensystemen, Hormonen und Verhalten 7 2.4. Stress: Definition, physiologische Auswirkungen 10 2.5. Cortisol: Biochemie und Physiologie 15 2.6. Entwicklung von Welpen in den ersten 14-16 Tagen nach der Geburt 17 2.7. Frühe neurologische Stimulation: Definition, theoretische Überlegungen 22 3. Praktischer Teil 25 3.1. Schilderung der Durchführung der frühen neurologischen Stimulation 25 3.2. Definitionen Verhaltensbeobachtungen 29 3.3. Beobachtungsprotokolle 33 3.4. Cortisolbestimmung und Auswertung 36 3.5. Fragebogen für neue Besitzer 37 4. Auswertung Fragebogen 39 5. Diskussion der Ergebnisse 62 6. Zusammenfassung 68 Literaturverzeichnis 70 Abbildungsverzeichnis 72 Zu meiner Person 73
Zugunsten eines besseren Leseflusses benutze ich für nicht bestimmte Personen bezogene Aussagen die männliche Form. Dies steht selbstverständlich auch für die weibliche Form.
1 1. Einleitung Die Idee zu diesem Projekt entstand bald nach Beginn meiner Ausbildung bei TAT. Nach einem der ersten Wochenenden war klar, dass ich mit einem Therapiehund arbeiten wollte und ich machte mich auf die Suche nach einer geeigneten Hunderasse mit besonderen Eigenschaften. Als Tierärztin kenne ich natürlich auch einige Züchter, aber das machte die Suche eher schwieriger als leichter, ich kenne viele eben zu gut. Nachdem ich eine Liste von in Frage kommenden Rassen erstellt hatte, landete ich auf der Internetseite eines Hundezüchters, der neben den üblichen Sozialisierungsmaßnahmen angab, seine Welpen ab dem 3. Lebenstag „neurologisch zu stimulieren“. Obwohl ich mich mit der Aufzucht von Welpen auch auf dem Gebiet der Verhaltensforschung ganz gut auskenne, war mir dieser Begriff nicht bekannt und ich begann nachzulesen. Die frühe neurologische Stimulation ist ein in den USA entwickeltes Verfahren, dass durch Stimulation des Nerven.- und Hormonsystems die Stresstoleranz erhöhen, den Herzrhythmus, das Immunsystem und die Lernfähigkeit verbessern und so zu einem gesünderen, aktiveren und mutigerem Hund führen soll. All dies sind Eigenschaften, die wir uns besonders bei unseren Therapiehunden wünschen. So stellte sich für mich die Frage, ob 5 einfache, kurze Übungen in den ersten beiden Lebenswochen diesen Effekt haben. Die einzelnen Übungen dauern nur zwischen 3 und 5 Sekunden, wobei eine taktile Stimulation durch kitzeln zwischen den Zehen und eine thermale Stimulation durch Ablegen auf eine kalte Oberfläche stattfindet. Die übrigen 3 Übungen bestehen aus Haltungsvarianten, also einmal Kopf nach oben halten, Kopf nach unten halten und den Welpen auf den Rücken legen. Die wissenschaftliche Basis für dieses Projekt wollte ich erreichen einerseits durch Verhaltensbeobachtungen und Befragung der Besitzer und andererseits durch die
2 Bestimmung des Stresshormons Cortisol als objektiven Laborwert. Die FNS ist in den USA wesentlich bekannter als im deutschsprachigen Raum. Hier gibt es nur vereinzelt Züchter, die mit dem Begriff FNS etwas anfangen können. Auch bei den Züchtern, mit denen ich bei diesem Projekt zusammengearbeitet habe war das so und ich habe ihnen zu danken, dass sie mich so aufgeschlossen und mit Begeisterung bei der Durchführung unterstützt haben. So hatte ich insgesamt 21 Welpen zur Verfügung, 14 Labrador Retriever, 5 Beagle und 2 Airedaleterrier. Auch ohne die wissenschaftliche Bewertung sind diese Züchter inzwischen von der FNS überzeugt und werden sie bei zukünftigen Würfen anwenden. Zu meinem zukünftigen Therapiehund bin ich dann ganz und gar unverhofft gekommen. Bei einer Impfaktion im Tierheim sah ich einen 10 Wochen alten Labradorwelpen herumtollen, der sofort auf mich zukam. Er ist nervenstark, lernt schnell und gerne, ist freundlich zu allen Lebewesen, sanft zu Kindern, aktiv bei jungen Leuten und gelassen bei alten. Manchmal bekommt man eben ein Geschenk. BIELENBERG (2013).
3 2. Theoretischer Teil 2.1. Der Hund: ältester Gefährte des Menschen „So kam der Mensch auf den Hund“. Schon Konrad Lorenz forschte über die Hundwerdung des Wolfes, auch wenn er anfangs noch davon ausging, dass der Schakal und/oder der Kojote ebenso Stammväter des Haushundes sein könnten LORENZ (1965). ZIMEN (1992) kam nach dem Ausschlussprinzip zu dem Ergebnis, dass nur der Wolf als Stammform in Frage kommt. Aber erst seit der Jahrtausendwende befasst sich die Wissenschaft ernsthaft mit dem Hund und seiner Geschichte. Nach dem heutigen Stand der Forschung sprechen viele morphologische, molekularbiologische und verhaltensbiologische Ergebnisse für den hohen Verwandtschaftsgrad von Wolf und Hund: - Wolf und Hund stimmen in 78 Chromosomen überein - Wölfe und Hunde bilden in freier Wildbahn Paarungsgemeinschaften mit fortpflanzungsfähigen Nachkommen - Beim Wandel vom Wild- zum Haustier werden Reduktionen zum Beispiel von Gehirn (30%) und Herz unabhängig von der Körpergröße festgestellt - Eine Vielzahl anatomischer Strukturen stimmt überein - Die vergleichenden Untersuchungen von Isoenzymen und mitochondrialer DNA ergeben eine sehr enge verwandtschaftliche Beziehung zwischen Wolf und Hund STEINFELDT (2002) Man geht davon aus, dass die Mensch-Hund-Partnerschaft bereits vor ca. 30000 Jahren in der Altsteinzeit begonnen hat, noch vor der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht FEDDERSEN-PETERSEN (2013).
4 In seinem Buch „So kam der Mensch auf den Hund“ erzählt LORENZ (1965) eine mögliche Geschichte der Hundwerdung: eine Symbiose zwischen Wolf und Mensch durch Vorteile bei der Jagd und Schutz vor Feinden. Nach ZIMEN (1992) sind Frauen die eigentlichen Initiatoren der Domestikation: der Hund/Wolf wird gebraucht bei der Kinderbetreuung, als Kot- und Unratvertilger, Informant, zum Wärmen und zur Deckung von Fürsorge- und Pflegeverhalten. HERRE, RÖHRS (1990) definieren den Jahrtausende dauernden Prozess der Domestikation als Einflussnahme des Menschen auf Tiere, um Zahmheit zu erzeugen. Zahmheit wird definiert als Vertrautheit eines Tieres gegenüber Menschen. Warum gerade der Wolf sich zum besonderen Gefährten des Menschen eignet schreibt FEDDERSEN-PETERSEN (2013): Wölfe sind hoch sozial, haben einen Sinn für Fairness, verfügen über ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, entwickeln ein individuell unterschiedlich ausgeprägtes Bindungsverhalten, die Jungenfürsorge wird vom ganzen Rudel übernommen, sie haben ein ausgeprägtes soziales Lernen, sind fähig zur Versöhnung und leben in sozialer Hierarchie. Die Parallelen zum Sozialsystem Mensch sind auffällig und haben die Domestikation des Wolfes sehr erleichtert. JUNG, PÖRTL (2014) leitet neurobiologisch her, wie zwischenartliches Sozialverhalten die Neurotransmitter/Rezeptor-Expression beeinflusst und über die Änderung des Stressachsensystems die Ängstlichkeit des Wolfes soweit verringert, dass ein Sozialkontakt möglich wird. Dadurch wird der Prozess der Zähmung intensiviert und im Hund können sich weitere Qualitäten entwickeln, wie die Bindung an den Menschen, was sich auch auf den Mensch selbst auswirkt. Ohne die Beziehung zum Mensch gibt es keinen Hund. „Der Hund ist, anders als jedes Tier sonst, nur im Kontext Mensch verstehbar“.
5 2.2. Der Therapiehund: ein Hund mit besonderen Eigenschaften Hunde begleiten Menschen seit Jahrtausenden und erfüllen vielfältige Aufgaben in unserem Leben als Jagdhund, Hütehund, Beschützer, Blindenhund, Behindertenhund, Schoßhund und Therapiehund. Nach Forschungen von GREIFFENHAGEN (2011) und JULIUS ET AL.(2014) wissen wir heute, dass Hunde sich positiv auf Körper und Geist auswirken, den Stress mindern, das Lernen verbessern, Angst, Aggressionen und depressive Zustände reduzieren, die Schmerzbewertung verbessern und gesundheitsfördernde Effekte auf Herzfrequenz, Blutdruck, das Atmungssystem, Hormone, besonders die Stresshormone Cortisol und Epinephrin und das Oxytocinsystem haben. Der Begriff „Therapiehund“ ist rechtlich noch nicht geregelt MÜLLER, LEHARI (2011) Bei dem Verein TAT wird er folgend definiert: Ein Therapiehund ist ein Hund, der gesund, schmerzfrei, in gutem Pflegezustand, gutmütig, frei von Ekto- und Endoparasiten und geimpft ist. Er soll umwelt- und sozialsicher, selbstbewusst auch in ungewöhnlichen Situationen und belastbar sein und eine enge Bindung an seinen Menschen haben. Voraussetzung dafür sind optimale Prägung und Sozialisierung, von Jugend an Kontakt zu Menschen jeden Alters, Toleranz gegenüber anderen Hunden, faires Verhalten, keine Aggressivität und möglichst gute Unterordnung auf Begleithundeprüfungsniveau. Der Mensch und sein Therapiehund sollten eine Einheit, ein Team sein. Welcher Hund ist also geeignet, welches Alter sollte er haben, langhaarig oder kurzhaarig, vom Profizüchter oder Hobbyzüchter? Im Prinzip kann jeder Hund geeignet sein.
6 JULIUS ET AL.(2014) schreibt zum optimalen Aussehen eines Therapiehundes: „Das Äußere eines Hundes sollte nicht angstauslösend sein. Hunde, deren Aussehen zum Streicheln einlädt, eignen sich aus unserer Erfahrung am besten.“ Bei den Hunderassen bringen die Rassen gute Voraussetzungen mit, die für Aufgaben selektiert wurden, bei denen sie eng mit dem Menschen zusammenarbeiten, z.B. Border Collie, Labrador, Malteser, also Hütehunde, einige Jagdhunde und Gesellschaftshunde. Entscheidend ist jedoch immer das Individuum. Ein Mischling aus dem Tierheim kann ein wunderbarer Therapiehund sein. Bei der Entscheidung kleiner oder großer Hund kommt es auf den zukünftigen Einsatzbereich an. Für alte oder ängstliche Menschen eignet sich der oft hochintelligente und gelehrige Kleinhund. Kinder und Jugendliche kommen mit mittelgroßen und großen Hunden besser zurecht. Weibliche Patienten sprechen auf das „Kindchenschema“ der Kleinhunde eher an, männliche finden zu größeren Hunden eher Zugang. Nicht haarende Rassen wie Pudel oder Malteser können oft auch bei Allergikern eingesetzt werden. An dieser Stelle ein kurzer geschichtlicher Rückblick, wie es zur „Entstehung“ des Therapiehundes kam: GREIFFENHAGEN (2011) schreibt, dass die Entdeckung des Therapiehundes einem Zufall zu verdanken ist. Der amerikanische Kinderpsychiater Boris Levinson behandelte einen verhaltensgestörten kleinen Jungen, der jeden Kontakt zu Therapeuten ablehnte. Die Eltern kamen mit dem Jungen eines Tages etwas zu früh zu ihrem Termin, so dass Levinson´s Hund Jingels noch in der Praxis war. Der Golden Retriever begrüßte den Jungen freudig, dieser zeigte keine Angst, sondern spielte und redete mit dem Hund. Daraus zog Levinson den Schluss, dass es möglich ist über den Hund seinen Patienten zu erreichen und zu therapieren.
7 Sam und Elisabeth Corson, ein Psychologenehepaar, führten, basierend auf Levinsons Erfahrungen, Studien durch, aufgrund derer sie nachweisen konnten, dass Menschen jeden Alters positiv auf Hunde reagieren können und eine Therapie ermöglichen. Es gibt 2 Möglichkeiten Hunde als Co-Therapeuten einzusetzen: 1) Der Präsenzhund: der Hund ist einfach nur da 2) Der Hund als Teil eines therapeutischen Konzepts, in dem ihm bestimmte Funktionen zukommen MÜLLER, LEHARI (2011) Dabei ist aber immer klar, dass der Hund kein Therapeut ist, er ist „nur“ ein Hilfsmittel. 2.3. Neuropsychologie des Hundes: Verknüpfung von Nervensystemen, Hormonen und Verhalten Die Neuropsychologie gehört zu den Neurowissenschaften und befasst sich mit den neuronalen Grundlagen menschlichen und tierischen Verhaltens. Dazu gehört die Analyse von Wahrnehmung, Lernen. Motivation und Emotion WIKIPEDIA Das Nervensystem ist für das Verhalten verantwortlich. Es besteht aus dem Zentralnervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS), wobei das PNS Gehirnregionen im ZNS mit Informationen versorgt, die dann dort ausgewertet werden. Es erfolgt eine Rückmeldung ans PNS und das endokrine System. Man unterscheidet außerdem das somatische Nervensystem und das vegetative Nervensystem, das wiederum aus Sympathikus und Parasympathikus besteht. Der Sympathikus beeinflusst Herzfrequenz, Blutdruck, Verdauung, Atmung, Adrenalin,-und Blutzuckerspiegel, er löst Flucht- und Abwehrreaktionen aus. Der Parasympathikus ist sein Gegenspieler.
8 Hunde können genetisch bedingt sympathisch oder parasympathisch dominant sein. Erstere reagieren gefühlsbetont mit niedriger Reizschwelle, letztere sind emotional stabiler und anpassungsfähiger. Wichtig für das Verständnis neuropsychologischer Reaktionen sind 1) die Neurotransmitter, die unterschiedliche Auswirkungen auf das Nervensystem haben, die zu unterschiedlichen Verhaltensreaktionen führen 2) das limbische System, das Emotionen und Lerninhalte wahrnimmt und diese im Gedächtnis abspeichert 3) der Thalamus, der als Vermittler zwischen limischem System und der Grosshirnrinde fungiert 4) der Hypothalamus, der biologische Abläufe wie Hunger und Durst, Blutdruck, Körpertemperatur und Blutzuckerspiegel steuert, ebenso das endokrine System und das sympathisches und parasympathisches Nervensystem. Er ist Teil der Hypothalamus – Hypophysen – Nebennierenrinden – Achse, die großen Einfluss aus Stressreaktionen des Körpers hat 5) die Amygdala, die zuständig ist für die Entstehung von Angst und Aggression. Sie spielt eine Rolle beim emotionalen Lernen 6) der Hippokampus als neuronale Basis für die Vermittlung niedriger Angstschwellen und generalisierter Angst 7) die Großhirnrinde als Hauptsitz von Bewusstsein und Intelligenz, die den rationalen Teil des Gehirns bildet Limbisches System und Großhirnrinde arbeiten eng zusammen, was das Verhalten des Hundes und die sich daraus ergebende Vorgehensweise im Training betrifft. Sie verhalten sich umgekehrt proportional zueinander.
9 Akuter Stress hat einen stark erregenden Einfluss auf die Amygdala und hemmt dadurch die Funktion der Großhirnrinde (Ratio). Das bedeutet, dass es vermieden werden sollte, Hunde in äußerst emotionale oder stressige Situationen zu bringen und gleichzeitig sollte die Großhirnrinde beschäftigt werden, also soll dem Hund eine Aufgabe gegeben werden, auf die er sich konzentrieren kann. Dadurch wird dann das limbische System (Emotionen) gehemmt und es ist weniger wahrscheinlich, dass der Stress beim Hund überhandnimmt. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die der Weiterleitung von Informationen dienen, Einfluss auf das Gehirn und damit auf das Verhalten des Hundes haben. Dazu gehören: 1) Dopamin gilt als das „Glückshormon“. Ein Defizit an Dopamin kann zu Lernblockaden, Erregbarkeit, Ängsten und Zunahme der Schmerzempfindlichkeit führen. Ein Überschuss an Dopamin begünstigt Unruhe und impulsives Verhalten. 2) Adrenalin und Norepinephrin. Adrenalin gilt als „Stresshormon“. Norepinephrin reguliert den Energiehaushalt des Hundes. Ein Mangel führt zu Lethargie und Depression. Zuviel Norepinephrin bewirkt Aggressionen und erhöhte Reizbarkeit. Durch Traumata und Dauerstress sinkt der Norepinephrinspiegel. 3) Serotonin reguliert die Stimmungslage. Es ist ein wichtiger Faktor für die Steuerung und Hemmung von Wut und Aggression und des Schlaf-Wach- Rhythmus. Wissenschaftliche Studien lassen vermuten, dass der Serotoninspiegel Einfluss auf die Beißhemmung von Hunden hat. 4) Glutamat und Gamma-Aminobuttersäure. Ein Mangel kann mentale Instabilität verursachen. Sie sind Gegenspieler und arbeiten eng zusammen, damit das Gehirn in der richtigen Geschwindigkeit arbeitet. Das endokrine System und das Nervensystem sind eng miteinander verknüpft. Der Hypothalamus sendet Informationen an die Hypophyse, die ACTH und LH ausschüttet.
10 ACTH bewirkt die Cortisolproduktion, das eine wichtige Rolle bei Stressreaktionen spielt. LH stimuliert die Testosteronproduktion, was männliches Geschlechtsverhalten und Aggression reguliert. Beim weiblichen Tier ist es für den Eisprung verantwortlich. Zum endokrinen System gehören ebenso die Bauchspeicheldrüse (Insulin, Glukagon) und die Nebenniere (Steroide, Adrenalin) O´HEARE (2009) 2.4. Stress: Definition, physiologische Auswirkungen Definition „Stress (engl. für Druck, Anspannung; lat. stringere, anspannen) bezeichnet zum einen durch spezielle äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen bei Lebewesen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die dadurch entstandene körperliche und geistige Belastung.“ WIKIPEDIA Seit 1915 Walter B. Cannon den Begriff Stress als eine unspezifische Reaktion des Organismus auf jegliche Anforderung definiert hat, ist auf diesem Gebiet viel geforscht worden MÜLLER (2009). Linsay formuliert, dass Stress bei Hunden dann entsteht, wenn an den Hund die Anforderung gestellt wird, sich zu verändern oder anzupassen O´HEARE (2009). Man unterscheidet heute verschiedene Arten von Stress: 1) Neutraler Stress führt zu Antworten, die das Wohlergehen eines Tieres weder positiv noch negativ beeinflussen MÜLLER (2009) 2) Als Eustress werden normale gut zu bewältigende Stresssituationen bezeichnet
11 3) Disstress ist der Zustand eines Tieres, in dem es zu Veränderungen des inneren Gleichgewichtes kommt und indem das Tier nur noch über unzureichende biologische Reserven verfügt um das Ungleichgewicht auszugleichen Nach Moberg wird die Stressantwort von Genetik, Alter, Geschlecht und Vorerfahrungen beeinflusst O´HEARE (2009). Es kommt zu Verhaltensänderungen, Reaktionen des autonomen Nervensystems und des Endokriniums. Nach dem Drei-Phasen-Modell läuft die Stressreaktion folgendermaßen ab: 1) Alarmreaktion: Aufgrund eines Stressors wird von der Hypophyse ACTH ausgeschüttet, das zur Freisetzung von Kortikosteroiden und Adrenalin in der Nebennierenrinde führt 2) Widerstandsphase: Bei Fortbestehen des Stressors kommt zur Mobilisierung von Anpassungsprozessen zur Wiederherstellung des inneren Gleichgewichtes. Die in Phase 1 veränderten Werte gehen auf Normalniveau zurück 3) Erschöpfungsphase: Bei langem Einwirken des Stressors brechen die Anpassungsvorgänge zusammen. Das führt zu irreversiblen Symptomen wie in der 1. Phase MÜLLER (2009) Physiologische Auswirkungen 1) Auswirkungen auf das Immunsystem Akuter Stress führt zu einem Anstieg der Gesamtleukozytenzahl und der proinflammatorischen Zytokine. Damit bereitet sich das Immunsystem auf eine mögliche akute Bedrohung durch eindringende Bakterien vor. Durch chronischen Stress wird die Immunabwehr geschwächt, z.B. durch Abnahme der B- und T-Zellen, was zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit führt.
12 2) Magen-Darm-Trakt Stress fördert die Sekretion von Magensäure und hemmt die Motilität, die Magenentleerung verzögert sich dadurch, was die Entstehung von Magenulcera begünstigt. Die Darmpassage wird beschleunigt, was erhöhten Kotabsatz und eine zu geringe Wasserresorption und damit Durchfall zur Folge hat. 3) Zentralnervensystem Der Hippocampus, der unter anderem für die Kontrolle der Stresshormonachse zuständig ist, wird durch zu viel Cortisol geschädigt. Die Neurogenese kann vermindert werden. Beides kann zu Störungen des Gedächtnisses und des Lernens beitragen. 4) Herz-Kreislauf-System Stress bewirkt eine Erhöhung des Blutdruckes und der Herzfrequenz. Durch Thrombenbildung und Vasokonstriktion der Koronararterien werden Arteriosklerose und dadurch Myokardnekrosen möglich. 5) Niere Durch den Anstieg des renalen Gefäßwiderstandes und durch tubuläre Schäden kann die Nierenfunktion nachhaltig beeinträchtigt werden MÜLLER (2009). Akute Stressreaktion Nach Aktivierung der Amygdala durch Reizsignale werden Notfallprozesse im Körper in Gang gesetzt. Adrenalin, Norepinephrin und Dopamin werden ausgeschüttet und bewirken eine Störung in dem Bereich des Gehirns, der für das Lernen und höhere Denkprozesse verantwortlich ist. Die Reaktions- und Aggressionsschwelle wird herabgesetzt und die Tendenz zu Flucht- oder Abwehrverhalten wird begünstigt. Chronische Stressreaktion Obiger Notfallstatus wird über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten. Serotonin, Norepinephrin und Dopamin werden abgebaut. Da Norepinephrin auch für den
13 Energiehaushalt des Hundes verantwortlich ist, führt ein Mangel zu Lethargie, Depression, Erschöpfung, gestörten Schlafrhythmus, Schmerzüberempfindlichkeit, gestörte rationale Aktivität und Verlust der Fähigkeit, Freude zu empfinden. Verhaltensbiologische Auswirkungen von Stress Äußere Anzeichen von Stress sind: 1) Hecheln: Stresshecheln ist gekennzeichnet durch zurückgezogene Lefzen mit Faltenbildung auf der Stirn und unter den Augen. Es ist schnell, flach und angestrengt 2) Mangel an Konzentration: Ein Hund im Stress kann nicht gehorchen, er hat einen „Tunnelblick“ und eine eingeschränkte Wahrnehmung. Auf seinen Halter zu reagieren ist nicht möglich 3) Schweißpfoten: sind eine Folge der Reaktion des Körpers, Flüssigkeit auszuscheiden 4) Gähnen 5) Hyperaktivität: Der Hund kann hektisch oder panisch reagieren oder anfangen herumzualbern. Diesen Zustand kann er nicht lange aufrecht erhalten, was dazu führt, dass der Hund geistig völlig abschaltet 6) Vermehrtes urinieren und koten: Bei Stress verursacht der erhöhte Aldosteronspiegel einen erhöhten Drang zu urinieren und zu koten. Ist Stress die Ursache für Stubenunreinheit, darf der Hund keinesfalls bestraft werden 7) Erbrechen, Durchfall. Auf das Verdauungssystem wirkt sich Stress als erstes aus 8) Strecken: In belastenden Situationen streckt sich der Hund, um verspannte Muskeln zu lockern 9) Schütteln: Gestresste Hunde versuchen den Stress „ abzuschütteln“
14 10) Selbstverstümmelung: Hunde können sich stressbedingt Rute, Pfoten oder Flanken aufbeißen oder wundlecken. Es gibt eine genetische Disposition, kann aber auch Teil einer Zwangsstörung sein 11) Stereotypien: Serotonin und Neurotransmitter werden auch mit Zwangsstörungen in Verbindung gebracht, was auf eine enge Verbindung zwischen Zwangsstörung und Stressbewältigung hindeutet. Verhalten kann durch Stress zwanghaft werden 12) Schlafbedürfnis oder Hyperaktivität: Kommt es durch Stress zur Erschöpfung des Serotoninspiegels ist der Schlaf-Wach-Rhythmus gestört. Das Schlafbedürfnis kann aufgrund einer inneren Unruhe hoch sein, der Hund kann aber auch überdrehen und übermäßig reaktiv sein 13) Hautprobleme: Hautprobleme können nicht nur die Folgen von Allergien und Stoffwechselstörungen sein, sondern auch durch Stress ausgelöst werden, z.B. Hot Spots. Wird der Stress beseitigt, verschwinden auch die Hauterkrankungen. Allergien sind per se Stressoren 14) Übermäßiger Durst: kann eine durch Stress bedingte umadressierte Frustrationshandlung sein. Es könnte sich auch um ein Beschwichtigungssignal handeln 15) Steifheit des Körpers, zittern, Übersprungshandlungen: Streichelt man eine gestressten Hund, kann man feststellen, dass sich die Muskulatur hart anfühlt. Gerade beim Tierarzt zittern Hunde oft oder zeigen Übersprungshandlungen O´HEARE (2009) All diese Verhaltensweisen werden beeinflusst von der genetischen Disposition und vorausgegangenen Erlebnissen und Lernprozessen. Hat ein Hund einmal die Erfahrung gemacht, einer Belastungssituation ausgeliefert zu sein, kann das zu Passivität für eine Auseinandersetzung mit Umweltgegebenheiten führen und zu erlernter Hilflosigkeit mit hohem Stresspotential. Gerade bei Therapiehunden sollte Stressprophylaxe das Ziel sein.
15 Dazu gehören: 1) ausgeglichener Wechsel zwischen Belastungs- und Erholungsphasen 2) freie Bewegung und Erkundungsmöglichkeiten 3) Sozialspiel und vielseitiger Kontakt mit Artgenossen und Menschen 4) enge Bindung an seinen Menschen 5) hundegerechtes Training FEDDERSEN-PETERSEN (2013) 2.5. Cortisol: Biochemie und Physiologie Cortisol gehört zu den Glukokortikoiden und wird in der Zona fasciculata der Nebennierenrinde aus Cholesterol gebildet. Zwischenstufen sind Pregnenolon und Progesteron. Sofort nach der Synthese wird es ins Blut ausgeschüttet, wo es an das Transportprotein Transcortin (CBG) bindet KOOLMANN (2009) Transcortin kann schnelle Veränderungen des Cortisolspiegels im Blut ausgleichen, da das Hormon nur frei wirksam ist und vor zu rascher Inaktivierung in der Leber und Ausscheidung über die Niere schützt. Der Abbau erfolgt durch Enzyme in Leber, Niere und Speicheldrüse. Die Plasmahalbwertszeit ist abhängig von der Leberaktivität, der Konzentration im Blut und der Bindung an Plasmaproteine Zu einer Verlängerung der Halbwertzeit kommt es durch Lebererkrankungen, im Schock und durch Östrogenbehandlungen, zu einer Verringerung durch Hyperthyreose. Sie beträgt beim Hund 50 Minuten. Die Sekretion der Glukokortikiode wird durch die Hypothalamus-Hypophysen- Nebennierenrinden-Achse gesteuert. Durch das im Hypothalamus gebildete Corticotrophe releasing hormon (CRH), das wiederum aufgrund der Neurotransmitter Noradrenalin, GABA, Acetycholin und 5-Hydroxytrytryptamin entsteht, kommt es zur Ausschüttung von ACTH aus dem Hypophysenvorderlappen. ACTH wiederum stimuliert die Produktion von Cortisol
16 durch die Nebennierenrinde. Es handelt sich um ein Rückkopplungssystem, die Glukokortikoidkonzentration im Plasma wirkt stimulierend oder hemmend auf die CRH- Sekretion. Beim Hund gibt es im Gegensatz zum Menschen keinen 24 Stundenrhythmus in der Cortisolausschüttung MÜLLER (2009). Wirkung Cortisol ist eines der wichtigsten Kortikosteroide. Es kann den Stoffwechsel aller Körperzellen beeinflussen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung. 1) Kohlenhydratstoffwechsel: Glucokorticoide hemmen die Glucoseverwertung und fördern die Glukoseneubildung in der Leber. Deshalb steigen der Glukoseumsatz und die Glukosetoleranz, die Insulinempfimdlichkeit nimmt ab. Cortisol ist also Insulinantagonist. Der Abbau von Glykogen ist nur in Anwesenheit von Glucokortikoiden möglich. 2) Eiweißstoffwechsel: Cortisol fördert den Proteinabbau im Gewebe. Durch die vermehrte Proteolyse werden Aminosäuren und Enzyme des Eiweißstoffwechsels bereitgestellt, wodurch die Harnstoffsynthese angeregt wird KOOLMANN (2009) Seine katabole Wirkung zeigt sich durch Muskelatrophie, Hautschädigung und Wachstumshemmung beim Jungtier MÜLLER (2009). 3) Fettstoffwechsel: Cortisol steigert die Lipolyse, wodurch Fettsäuren und Glycerin entstehen KÖNIGSHOFF(2012). Bei vermehrter Insulinausschüttung kann auch Fett umgesetzt oder umverteilt werden (Stammfettsucht). 4) Entzündungshemmung: Diese Wirkung beruht auf der Hemmung der Vaskularisation und Senkung der Kapillarpermeabilität und der Synthese, Sekretion, oder Wirkung zahlreicher Mediatoren, z.B. Histamin, die an entzündlichen und allergischen Reaktionen beteiligt sind. Die Wundheilung kann verzögert sein.
17 5) Blutzellen: Die Gesamtzahl der Leukozyten im Blut steigt, Eosinophile und Lymphozyten nehmen aber ab, Thrombozyten und Erythrozyten zu. 6) Weitere Wirkungen: Cortisol hat Einfluss auf das Zentralnervensystem, den Elektrolyt- und Wasserhaushalt, Knochen- und Muskelgewebe, Herzkreislaufsystem, Magendarmtrakt und die endokrinen Drüsen MÜLLER (2009). 2.6. Entwicklung von Welpen in den ersten 14-16 Tagen nach der Geburt Physiologische Entwicklung Hundewelpen gehören zu den echten Nesthockern. Die Größe und der Entwicklungsstand können zum Zeitpunkt der Geburt leicht differieren, da die Befruchtung der Eizellen zeitversetzt erfolgen kann. Insgesamt hängt das Geburtsgewicht vom Geschlecht und von der Plazentagröße ab. Diese beeinflusst besonders, wenn die Wurfgröße über dem Durchschnitt liegt, vorausgegangene Störungen der Gravidität oder altersbedingt. Welpen sind in den ersten 4 Wochen der postnatalen Periode vollständig abhängig von der Mutter. Sie brauchen Wärme und Sicherheit in einem eng umgrenzten Raum. Postnatale Adaptationsperiode Die Einteilung erfolgt nach neonatologisch – physiologischen und klinisch praktikablen Aspekten. Man unterscheidet 3 Perioden, die erste 0-24 Stunden nach der Geburt, die zweite 2-14 Tage und die dritte 15-28 Tage nach der Geburt. Die erste Periode beginnt mit Austreten des Fetus aus der Scheide und Durchtrennung der Nabelschnur bis zu Ende des 1. Lebenstages. In erster Linie müssen die primären Lebensvorgänge gesichert werden, z.B. der pulmonale Gasaustausch, die Anpassung der Herz – Kreislauf- Situation und die Stabilisierung der Wachheit. Es folgen die Basisreflexe, die
18 Regulierung der Körpertemperatur, die Versorgung mit Energie und die Festigung der passiven Immunitätslage. Deshalb unterteilt man diese Periode in die Periode zwischen Geburt und Stabilisierung (Geburt bis 1. Stunde post natum) und der Periode zwischen 2. Und 24. Stunde p.n. mit Nahrungsaufnahme und Regulierung der Körpertemperatur. In der 2. Periode entwickelt sich das zentrale Nervensystem und Bewegungsapparat, Blutbildungssystem, Magen – Darm – Trakt und Niere reifen. Am Ende dieses Zeitraums öffnen die Welpen die Augen, können hören, die Reflexe sind gefestigt und die Mobilität steigt. Die anfänglich langen Schlafphasen (90% des Tages) werden reduziert. Das Geburtsgewicht verdoppelt sich und die Körpertemperatur erhöht sich von 35,5 Grad gleich nach der Geburt auf 36,5 - 37,5 Grad Celsius. Zwischen der 2. und 4. Lebenswoche kommt es zu einer weiteren Erhöhung der Körpertemperatur auf über 38 Grad Celsius. Mobilität und Wachphasen nehmen weiter zu, die Zahnung beginnt. Nach dem 21. Tag besteht eine zunehmende willkürliche Kontrolle des Harn- und Kotabsatzes, der vorher durch die Mutter induziert wurde WEHREND (2013). Verhaltensentwicklung „Die Entwicklung von Verhalten ist das Ergebnis von Komplexen und dynamischen Wechselwirkungen zwischen Genotyp und Umwelt. Dies bedeutet, dass phänotypische Unterschiede zwischen Tieren gleicher Art oder Rasse neben genetischen Einflüssen auch durch Umwelteinflüsse auf die Entwicklung bedingt sein können.“ Es wird phänotypische Plastizität genannt WEHREND (2013). Tiere mit großer phänotypischer Plastizität zeichnen sich durch große Anpassungsfähigkeit aus, was besonders bei Hunden, die sich an so unterschiedliche Habitate und soziale Lebensformen anpassen, der Fall ist. Dabei besteht aber immer die Gefahr der Fehlanpassung.
19 Der Verhaltensphänotyp wird maßgeblich durch die genetische Prädisposition beeinflusst. Umwelteinflüsse besonders während der frühen Entwicklung können Einfluss auf den Phänotyp des adulten Hundes ausüben. Die Verhaltensentwicklung wird in 4 Phasen eingeteilt: neonatale, Übergangsphase, Sozialisationsphase, juvenile Phase. Laut jüngeren Studien sollte zusätzlich die pränatale Phase mit einbezogen werden, da Verhaltensunterschiede zwischen erwachsenen Hunden durch Umwelteffekte in utero angelegt sein können. Auch wird der Übergang von Sozialisation zur juvenilen Phase weniger scharf als früher angenommen. Deshalb hier kurz über die pränatale Phase: Wesentliche Aspekte des Verhaltens können sich durch Umwelteinflüsse auf das Muttertier während der Trächtigkeit, aber auch durch das Geschlecht des Nachbarfeten ändern. Bei Mäusen wurde nachgewiesen, dass sich die abgesonderten Sexualhormone benachbarter Feten gegenseitig beeinflussen und damit unter Umständen das Aggressionsverhalten der Männchen beeinflussen.. Auch beim Hund sind solche hormonellen Einflüsse in Betracht zu ziehen. Diese Erkenntnisse sollten bei den Haltungs- und Umweltbedingungen der Hündinnen in Zukunft berücksichtigt werden. 1) Neonatale Phase (Geburt bis 16. Tag post natum) Im Vordergrund stehen unkoordinierte Reflexe, die der Bedarfsdeckung dienen wie schlafen, säugen, Pflege durch die Mutter. Das heißt, die Welpen sind von der Mutter abhängig, die sie mit Nahrung und Wärme versorgt, die Exkretion anregt und das Nest sauber hält. Die Hündin säugt die Jungen unmittelbar nach der Geburt, anfangs sehr oft. Die Welpen suchen die Zitzen reflexbedingt auf, unabhängig von Hunger oder Magenfüllung. Durch den „Milchtritt“ wird der Milcheinschuss gefördert. Der Saugreflex kann auch durch andere Reize ausgelöst werden (Finger, Flasche).
20 Welpen können sich von Geburt an fortbewegen. Der Aktionsradius wird dabei zunehmend ausgedehnt. Sie kriechen auf dem Bauch im Kreis oder s- förmigen Bahnen mit Suchpendeln zum Finden des Gesäuges, wobei die Hündin mithilft. In dieser Phase schlafen die Welpen 16-20 Stunden am Tag in Seitenlage und in Körperkontakt zur Mutter oder den Geschwistern. Komfortverhalten kann von Geburt an beobachtet werden. Dazu gehören gähnen, Schnauze lecken, sich kratzen und hecheln. Ab der 2. Woche kommen beknabbern, Pfoten wischen oder sich schütteln hinzu. Erste Lautäußerungen sind mucken = Wohlbehagen, quärren, winseln = Missbehagen, schreien = Schmerz, knurren, bellen, heulen = verlassen sein. Die Umwelt wird taktil wahrgenommen über Geruch und Geschmack. Einfaches assoziatives Lernen ist möglich. Umwelteinflüsse wirken sich über direkte Effekte auf die Entwicklung des Nervensystems und damit auf das Verhalten aus. Die Stimulation mit Geräuschen oder Lichtimpulsen kann die sensorische und motorische Entwicklung beschleunigen. Trumler bezeichnet diese Phase auch als „vegetativ“ TRUMLER (1989) 2) Übergangsphase Diese Phase beginnt mit dem Öffnen der Augen nach ca. 14 Tagen und endet mit dem Öffnen des Gehörganges bis spätestens am 23. Tag p.n. mit den damit verbundenen Verhaltensveränderungen. Die Welpen können jetzt vorwärts und rückwärts kriechen, in Bauchlage schlafen, Haut und Fell pflegen und versuchen zu gehen und zu sitzen. Der Aktionsradius wird vergrößert, die
21 Welpen fangen an die Umgebung zu erforschen und zu spielen. Die Fähigkeit zu lernen ist allerdings immer noch gering. 3) Sozialisation und juvenile Phase Die Sozialisationsphase beginnt mit 3 – 4 Wochen und geht mit ca. 14 Wochen in die juvenile Phase über, die mit dem Erreichen der Geschlechtsreife je nach Rasse zwischen 5. und 14. Monat endet. Heute wird diese früher als kritische Phase oder Prägungsphase TRUMLER(2007) benannte Zeit als sensitive Phase bezeichnet und bedeutet, dass bestimmte Verhaltensmuster und Präferenzen leichter erworben werden als in anderen Phasen. Welpen gehen jetzt besonders leicht Bindungen zu Menschen und anderen Tieren ein. Die Entwicklung des Sozialverhaltens und die soziale Kommunikation sind in dieser Zeit von besonderer Wichtigkeit und geschehen durch das soziale Spiel der Welpen miteinander. Durch Laborexperimente konnte man feststellen, dass die primäre Sozialisation zwischen der 3. und 12. Woche p.n. stattfindet. Dabei kann eine zusätzliche Angstperiode zwischen der 8. und 12. Woche auftreten. Die primäre Sozialisation ist nicht von Dauer, erst im Alter von 6 – 8 Monaten bleiben Hunde mit Menschen sozialisiert. Die Trennung von Mutter und Welpen sollte zwischen der 8. Und 10.Woche stattfinden. Eine zu frühe Entfernung von Welpen bewirkt erhöhte Anzeichen von Stress, Krankheiten und Mortalität und keine bessere Sozialisation mit Menschen WEHREND (2013).
22 4) Rudelordnungsphase 5 – 6 Monate nach TRUMLER (2007) In einem Rudel ist in dieser Phase die Rangordnung bereits geklärt. Sogenannte „Einmannhunde“ nach Konrad Lorenz binden sich in diesem Alter für immer an ihren Herrn = Prägung auf den Leitwolf. Die Hunde befinden sich in einem ausgeprägten Lernstadium, das es zu nutzen gilt. Gemeinsame Aktionen wie Unterordnungsübungen und kleine Kunststücke fördern die Stellung des Menschen als Rudelführer und eine gesunde Psyche des Hundes. Dazu gehört auch der Versuch seine Ranghöhe zu verbessern, indem der Hund gelerntes anscheinend „ verlernt“. 5) Pubertät Hier gibt es große Unterschiede je nach Rasse und Individuum Der Zeitrahmen liegt zwischen 7. und 14. Monat. Das gezeigte Verhalten reift weiter aus. Mit Eintritt der Geschlechtsreife wird der Hund erwachsen. Endgültig ausgereift ist ein Hund aber erst mit 2 – 3 Jahren. 2.7. Frühe neurologische Stimulation: Definition, theoretische Überlegungen Außer der Zuchtwahl gibt es noch eine Möglichkeit die Persönlichkeitsbildung. Da die Struktur des Verstandes am Tag der Geburt nicht vollkommen ausgeformt ist, kann darauf Einfluss genommen werden. Das Gehirn wächst bis zur 8.Woche um das 5-fache, bis zur 16. Woche um weitere 25%. Sein vollkommenes Volumen erreicht es mit 9 – 12 Monaten. Das Gehirn eines Neugeborenen ist nicht nur klein, sondern noch unreif in seiner Struktur und ungeformt, die neutralen Reaktionen sind also ziemlich primitiv. In den ersten 8 Wochen wächst das Gehirn in einem erstaunlichen Tempo. Die Entwicklungsrate verlangsamt sich dann bis zu einem Alter von 6 – 8 Monaten. Bei einem Welpen sind viele Verhaltenscharakteristika in seinen Genen festgelegt aufgrund seiner Rasse, seines Temperaments und seiner Persönlichkeit, aber seine endgültige Intelligenz ist nicht
23 vorgegeben und abänderbar. Deshalb können gerade Interaktionen in einem frühen Alter großen Einfluss auf die Verhaltensweisen des erwachsenen Hundes haben. Die Erforschung dieses Phänomens begann in den Laboren der biosensor division der U.S. Army. Man ging damals schon davon aus, dass Einflüsse auf das Muttertier auch auf den Fetus übergehen, besonders im letzten Drittel der Trächtigkeit. Stress führt zu einer reduzierten Lernfähigkeit und verursacht die Freisetzung einer Vielzahl von Hormonen, speziell der Kortikosteroide. Änderungen im späteren Verhalten der Welpen sind direkte Resultate der Effekte, die diese Hormone auf das Gehirn des Ungeborenen haben. Ebenso wird das Geschlecht des Nachbarfeten als einflussnehmend angesehen. Sind die Welpen geboren, kann der Mensch ihre Umwelt beeinflussen. Welpen werden blind und taub geboren, können aber tasten und riechen, sind also sensitiv für Berührung, Druck, Bewegung, Temperaturwechsel und Schmerz. Besonders empfindlich reagieren sie auf Temperaturwechsel. Wissenschaftler haben entdeckt, dass es spezielle Wärmesensoren in der Nase gibt, die den Welpen die Ortung der Wärmequelle Mutter ermöglichen. Erwachsenen Hunden fehlen diese Rezeptoren. Weiter wurde festgestellt, dass sehr junge Welpen lernen können und angepasstes Verhalten zeigen: sie können z.B. Gerüche erkennen und die Bedeutung von Berührungen lernen. Die meisten Menschen sind der Meinung, Welpen müssen beschützt und in Ruhe gelassen werden. Das ist aber nicht der optimale Weg. Auch bei anderen Säugetieren wie Mäuse, Ratten und Katzen hat die Forschung ergeben, dass der „handling effekt“ sich positiv auf die Entwicklung auswirkt. Während des Handlingprozesses erfahren die Welpen physiologischen und psychologischen Stress. Dazu gehören Temperaturwechsel, hochheben und berühren z.B. beim Wiegen. Der Stresslevel ist gering, aber ausreichend um das sympathische Nervensystem anzuregen. Psychologen haben festgestellt, dass geringer Stress sehr früh im
24 Leben positive Effekte zu haben scheint. Hat man später die erwachsenen Tiere getestet, die als Welpen diesen leichten Stress hatten, war die Stressantwort abgestuft und keine Alles- oder-Nichts-Antwort. Auch im EEG ließen sich Veränderungen feststellen, was die Gehirnaktivität und die emotionalen Reaktionen betrifft. Die Tiere waren intelligenter, lösten Probleme schneller und waren anpassungsfähiger. Die frühe neurologische Stimulation darf aber nicht zu stark oder zu lang sein und nur bei sehr jungen Welpen. Der optimale Stresslevel und die Rasseunterschieden sind zusätzlich zu berücksichtigen. Die U.S. Army hat mit ihrem „Superdog-Programm“ einiges zur Erforschung der neurologischen Stimulation beigetragen. An die Hunde in der Army werden besondere Anforderungen gestellt: sie müssen physisch fit sein, intelligent, gelassen, eine stabile Persönlichkeit haben und gut sozialisiert mit dem Menschen sein. Da die Ausbildung teuer und zeitaufwändig ist, wollte man durch das Programm eine höhere Erfolgsrate an passenden Hunden bekommen. Zwischen 1968 und 1976 wurden 575 deutsche Schäferhunde mit FNS jeweils 4 Jahre lang beobachtet. Michael W: Fox war einer der ersten, der verschiedene Stimulationsprogramme durchführte. Die Übungen waren allerdings anfangs viel stressiger als heute, z.B. laute Musik, Blitzlicht, 1 Minute in den Kühlschrank oder physikalische Manipulationen. Einige dieser Hunde waren dann wirklich ruhiger, weniger ängstlich, konnten Probleme besser lösen und waren weniger empfindlich gegen Lärm, grelles Licht und unerwartete Ereignisse. Sie lernten schneller und hatten ein besseres Gedächtnis. Aber nicht alle! Man experimentierte weiter mit unterschiedlichem Stressniveau und verschiedenen Rassen und entwickelte so die heutige frühe neurologische Stimulation COREN (2006).
25 3. Praktischer Teil 3.1. Schilderung der Durchführung der frühen neurologischen Stimulation Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Leistungsfähigkeit eines Lebewesens nicht allein genetisch bedingt ist, sie ist durch äußere Einflüsse wie Ernährung, Training und Management beeinflussbar. Forscher haben dieses Phänomen untersucht und nach Möglichkeiten gesucht, durch frühzeitige, äußere Einwirkungen die angeborenen Fähigkeiten zu verbessern. Das U.S. Militär stellte durch zahlreiche Versuche fest, dass frühe neurologische Stimulationsübungen wichtige und dauerhafte Auswirkungen haben und dass es eine bestimmte Zeitperiode für die optimale Anwendung der neurologischen Stimulation gibt. Dieses Zeitfenster beginnt am 3.Lebenstag und dauert bis zum 16. Lebenstag. Es wurden 5 Übungen entwickelt um das neurologische System zu stimulieren. Die Welpen werden täglich behandelt, mit jedem Welpen werden die Übungen am Stück hintereinander durchgeführt. Eine bestimmte Reihenfolge ist nicht vorgeschrieben.
26 Die Übungen im Einzelnen: 1.Taktile Stimulation Der Züchter/Tierarzt holt einen Welpen aus der Wurfkiste, hält den Welpen in einer Hand und kitzelt den Kleinen zwischen den Zehen an den Füßen mit einer Zahnbürste oder einem Wattestäbchen. Es muss keine sichtbare Reaktion erfolgen. Die Übung soll nicht länger als 3 – 5 Sekunden dauern.
27 2.Kopf nach oben halten Der Welpe wird mit beiden Händen senkrecht zum Boden gehalten, so dass sein Kopf direkt über dem Schwanz ist (Aufwärtsposition), 3 – 5 Sekunden. 3.Kopf nach unten halten Mit beiden Händen den Welpen so halten, dass der Kopf nach unten zeigt, senkrecht zum Boden. Stimulationsdauer 3 – 5 Sekunden.
28 4.Rückenlage Der Welpe soll so gehalten werden, dass sein Rücken auf beiden Handflächen liegt und die Schnauze zur Decke zeigt. Er darf sich dabei bewegen. Dauer 3 – 5 Sekunden. 5.Thermalstimulation Ein feuchtes, kaltes Handtuch wird aus dem Kühlschrank genommen und der Welpe mit den Pfoten nach unten auf das Handtuch gelegt, nicht länger als 3 – 5 Sekunden.
29 Dabei ist folgendes zu beachten: 1. Durchführung nur einmal am Tag, bestimmte Tageszeit ist nicht wichtig 2. Die einzelnen Übungen sollen nicht länger als 3 – 5 Sekunden dauern 3. Die üblichen „ Handlings“ des Züchters wie zur Kontrolle oder zum Wiegen in die Hand nehmen, streicheln, mit den Welpen sprechen etc. sind weiter durchzuführen 4. Zeitfenster beachten: nur zwischen dem 3 und 16. Tag nach der Geburt 5. Es ist normal, dass sich die Welpen gegen einzelne oder alle Übungen wehren 6. Es ist normal, dass sie scheinbar nicht darauf reagieren http://breedingbetterdogs.com/pdfFiles/articles/early_neurological_stimulation_en.pdf CARMELO L. BATTAGLIA 3.2. Definitionen Verhaltensbeobachtungen Definition: Ein Ethogramm ist das Inventar des beobachtbaren Verhaltens einer Art. Ethogrammelemente beschreiben und definieren regelmäßig vorkommende und abgrenzbare Formeinheiten des Verhaltensflusses ohne Interpretation. Wenn Tiere scheinbar nichts tun, sagen uns Körperhaltung oder Position in der Umwelt etwas. Tiere, die sich nicht verhalten gibt es nicht. Von Signal- oder Verhaltenseinheiten spricht man bei mehreren Signalelementen, die sowohl für Sender als auch für Empfänger von Bedeutung sind. Für Haushunde gibt es eine vergleichsweise begrenzte Anzahl von Gesamtausdrücken mit Signaleigenschaften FEDDERSEN-PETERSEN (2008). Die Ethogrammelemente, die für diese Untersuchung von Bedeutung sind, kommen aus den Bereichen Stressanzeichen und Calming-Signale.
30 Dazu gehören: 1) Fortbewegung und Körperhaltung: a. Liegen: Bodenkontakt mit seitlichem, ventralen oder dorsalen Bereich des Körpers b. Sitzen: aufgestellte Vorderpfoten, Karpal- und Ellenbogengelenke gewinkelt, Rumpf und Hintergliedmaßen von der Pfote bis zum Tarsalgelenk haben Bodenkontakt c. Stehen: Pfoten haben Kontakt mit dem Boden, der Rücken ist in horizontaler Position zum Boden d. Geduckt: alle 4 Gliedmaßen sind eingeknickt e. Aufgerichtet: die Gelenke sind gestreckt f. Vorderkörpertiefstellung: die Vordergliedmaßen sind nach vorne ausgestreckt, der Vorderkörper in Richtung Boden gedrückt g. Gehen/Trab: unterschiedlich schnelle Schrittfolge 2) Komfortverhalten: a. Schütteln: schnelle Bewegung von einer Seite zur anderen b. Lecken: Bewegung der Zunge über die eigene Schnauze oder den Körper c. Gähnen: weit geöffnetes Maul mit leicht gestrecktem Hals d. Hecheln: tiefe und schwere Atmung bei geöffnetem Maul, die Zunge kann heraushängen 3) Explorationsverhalten: a. Schnuppern: niederfrequentes Einatmen durch die Nase, Kopf nahe an beschnuppertem Objekt, Bodenwittern im Gehen oder Trab b. Fixieren: Blick auf Objekt oder Person gerichtet c. Anbeißen: Gegenstände werden ins Maul genommen und angeknabbert
31 d. Reaktion auf Berührung: Hund reagiert mit Bewegung des Körpers oder Lautäußerung e. Reaktion auf Geräusche: Hund reagiert mit oder ohne Bewegung des Körpers 4) Metabolisches Verhalten: a. Fressen: Futter wird mit den Zähnen aufgenommen und gekaut b. Urinabsatz: die Hintergliedmaßen werden eingeknickt, die Knie nach außen gebogen und die Genitalregion nach unten gedrückt bis sie fast den Boden berührt, die Vordergliedmaßen bleiben stehen 5) Lautäußerungen: a. Bellen: heller ein- oder mehrsilbiger Kurzlaut von variabler Tonhöhe b. Fiepen: Winseln mit sehr hohen, langgezogenen Tönen 6) Sozialverhalten: a. Neutrales Display: Gliedmaßen im Stand leicht angewinkelt, der Schwanz hängt leicht s-förmig gebogen herab, Kopf erhoben, Ohren senkrecht nach vorn, Ohrmuschel nach vorne gerichtet b. Unsicherheit: gesenktes oder geducktes Stehen mit eingeknickten Gliedmaßen, Schwanz eingeklemmt, Kopf gesenkt, Blick ungerichtet, unruhig, fiepen, Wechsel zwischen Annäherung und Meiden oder Flucht Beschwichtigungssignale auf einen Blick: § Kopf abwenden § Blick abwenden § Sich abwenden § Nase lecken
32 § Erstarren § Langsame Bewegungen § Wedeln mit dem Schwanz § Vorderkörpertiefstellung § Hinsetzen § Hinlegen § Gähnen § Im Bogen gehen § Schnüffeln § Pfote heben § Urinabsatz TURID RUGAAS (2001) Stressbewältigungsmethoden: Die 4 Fs In einer Konfliktsituation gibt es für Hunde die 4 folgenden Reaktionsmöglichkeiten zur Auswahl um mit einer neuen, ungewohnten oder unangenehmen Situation fertig zu werden. 1) Flirt/Fiddle about Ersatzhandlung mit beschwichtigender Wirkung. Eine Bedrohung soll mit sozialen Gesten oder auch Übersprungshandlungen abgewendet werden. Gut sozialisierte Hunde nutzen des „Herumkaspern“ oder sich unterwürfig anbiedern zum Stressabbau. 2) Freeze = Erstarren Ein Tier erstarrt, wenn es Gefahren als unausweichlich annimmt. Es wartet ab, bis die Gefahr vorüber ist und setzt sich nicht direkt mit der Gefahr auseinander. Die Fachbezeichnung dafür ist „innere Abkehr“, wodurch eine direkte Auseinandersetzung mit der Bedrohung vermieden wird. Dauert die Stresssituation allerdings länger an und erweist sich diese Passivität als erfolglos, kann der Hund zu einer anderen Taktik wechseln um die Situation
33 für sich erträglich zu gestalten. Ist der Hund dazu nicht in der Lage, kennt also nur die Taktik des Erstarrens, spricht man von erlernter Hilflosigkeit. 3) Flight = Flucht Distanzvergrößerung durch Flucht um sich aus der Stresssituation zu befreien oder Teilrückzug, z.B. durch Unterlegenheitsgebären. Ist keine Flucht möglich, kommt es zu. 4) Fight = Angriff Angriff oder Drohen mit dem Ziel der Distanzvergrößerung. Drohverhalten ist gekennzeichnet beim Hund z.B. durch Lefzenhochziehen, Quietschen oder Knurren. Es wird jeweils die Reaktion gezeigt, die den größten Erfolg verspricht in Abhängigkeit von angeborenen Eigenschaften und den Vorerfahrungen des Hundes. Neben äußeren Reizen spielen auch innere Faktoren wie Genetik, Sozialisation, Lernerfahrung und Hormonstatus eine Rolle. Für die bevorzugte Wahl einer Konfliktlösungsstrategie sind besonders die Erfahrungen in der Sozialisationsphase entscheidend. a. Beobachtungsprotokolle Der Welpe wird während einer ausgewählten Stichprobenzeit (hier 10 Minuten) ununterbrochen beobachtet. Man notiert das Auftreten ganz bestimmter, für die Arbeit bedeutsamer Verhaltenskategorien (hier Stress- und Calmingsignale). Die Welpen werden nacheinander einzeln unter Beobachtung gestellt. Rahmeninformationen:
34 Die Welpen wurden nachmittags in den Gärten der Züchter beobachtet. Ein Welpe wurde aus dem Wurfzimmer mitgenommen nach dem Zufallsprinzip, ca. 10 Meter auf dem Arm getragen und dann auf der Wiese am Boden abgesetzt. Der Beobachter entfernte sich 2 Meter und wartete ab, wie sich der Welpe verhielt. Die Wetterbedingungen waren immer gut, Sonnenschein, Temperatur zwischen 22 und 28 Grad. Bei Züchter 1 befanden sich in nächster Umgebung eine Feuerstelle, der Komposthaufen, eine Vogelvoliere, freilaufende Katzen verschiedenen Alters, eine Schildkröte und deren Salatblätter, Blumenbeete und Sträucher, ein Baum und Holzbretter. Bei Züchter 2 befanden sich auf der Wiese Hundespielzeug, Ziergegenstände, Obstbäume, Blumen, die Terrasseneinfassung und in unmittelbarer Nähe der Terrasse der Hundezwinger mit Mutter, Großmutter und Geschwistern. Verwendet wurde das von TAT dem Kurs zur Verfügung gestellte Merkblatt zu Beobachtungs- und Protokollmethoden für Verhaltensbeobachtungen (Arbeitsblatt 1 abgewandelt). Das Alter der Hunde lag zwischen 5 und 6 Wochen. Für jeden Hund wurde ein extra Protokoll seiner Verhaltensweisen angelegt. Die Hunde wurden durch individuelle Merkmale (kleinster/größter im Wurf, weißer Fleck auf der Brust, abgeschnittene Schwanzspitzenhaare, Geschlecht oder Markierung mit wasserfestem Filzstift auseinandergehalten. Teilweise wurden Videos zur Dokumentation gemacht.
Sie können auch lesen