Frühe neurologische Stimulation - der erste Weg zum Therapiehund - Tiere als Therapie

Die Seite wird erstellt Hildegard-Juliane Henke
 
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Frühe neurologische Stimulation - der erste Weg zum Therapiehund - Tiere als Therapie
Aus dem 10. Universitätslehrgang
       „Tiergestützte Therapie und tiergestützte Fördermaßnahmen“
              der Veterinärmedizinischen Universität Wien

           Frühe neurologische Stimulation -
            der erste Weg zum Therapiehund

                               Hausarbeit
                        zur Erlangung des Titels
        „Akademisch geprüfte Fachkraft für tiergestützte Therapie
                  und tiergestützte Fördermaßnahmen“
              der Veterinärmedizinischen Universität Wien

                             vorgelegt von
                     Dr. Martina Taller-Krinninger
                      Matrikel-Nummer: 8945269

                          Wien, Februar 2015

	
  
Frühe neurologische Stimulation - der erste Weg zum Therapiehund - Tiere als Therapie
Ich versichere,

dass ich diese Hausarbeit selbstständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen
und Hilfsmittel nicht benutzt und mich keiner unerlaubten Hilfe bedient habe,

dass ich dieses Hausarbeitsthema bisher weder im In- noch im Ausland in irgendeiner
Form als Prüfungsarbeit vorgelegt habe,

dass diese Arbeit mit der von dem/der BegutachterIn beurteilten Arbeit übereinstimmt.

_________________________                    _________________________
Datum                                        Unterschrift

	
  
Frühe neurologische Stimulation - der erste Weg zum Therapiehund - Tiere als Therapie
Inhaltsverzeichnis

1.      Einleitung                                                               1

2.      Theoretischer Teil                                                       3
2.1.    Der Hund: ältester Gefährte des Menschen                                 3
2.2.    Der Therapiehund: ein Hund mit besonderen Eigenschaften                  5
2.3.    Neuropsychologie des Hundes: Verknüpfung von Nervensystemen,
        Hormonen und Verhalten                                                   7
2.4.    Stress: Definition, physiologische Auswirkungen                          10
2.5.    Cortisol: Biochemie und Physiologie                                      15
2.6.    Entwicklung von Welpen in den ersten 14-16 Tagen nach der Geburt         17
2.7.    Frühe neurologische Stimulation: Definition, theoretische Überlegungen   22

3.      Praktischer Teil                                                         25
3.1.    Schilderung der Durchführung der frühen neurologischen Stimulation       25
3.2.    Definitionen Verhaltensbeobachtungen                                     29
3.3.    Beobachtungsprotokolle                                                   33
3.4.    Cortisolbestimmung und Auswertung                                        36
3.5.    Fragebogen für neue Besitzer                                             37

4.      Auswertung Fragebogen                                                    39
5.      Diskussion der Ergebnisse                                                62
6.      Zusammenfassung                                                          68

Literaturverzeichnis                                                             70
Abbildungsverzeichnis                                                            72
Zu meiner Person                                                                 73

	
  
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Zugunsten eines besseren Leseflusses benutze ich für nicht bestimmte Personen bezogene
Aussagen die männliche Form. Dies steht selbstverständlich auch für die weibliche Form.

	
  
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1.            Einleitung

       Die Idee zu diesem Projekt entstand bald nach Beginn meiner Ausbildung bei TAT. Nach
einem der ersten Wochenenden war klar, dass ich mit einem Therapiehund arbeiten wollte
und ich machte mich auf die Suche nach einer geeigneten Hunderasse mit besonderen
Eigenschaften. Als Tierärztin kenne ich natürlich auch einige Züchter, aber das machte die
Suche eher schwieriger als leichter, ich kenne viele eben zu gut. Nachdem ich eine Liste von
in Frage kommenden Rassen erstellt hatte, landete ich auf der Internetseite eines
Hundezüchters, der neben den üblichen Sozialisierungsmaßnahmen angab, seine Welpen ab
dem 3. Lebenstag „neurologisch zu stimulieren“. Obwohl ich mich mit der Aufzucht von
Welpen auch auf dem Gebiet der Verhaltensforschung ganz gut auskenne, war mir dieser
Begriff nicht bekannt und ich begann nachzulesen.

Die frühe neurologische Stimulation ist ein in den USA entwickeltes Verfahren, dass durch
Stimulation des Nerven.- und Hormonsystems die Stresstoleranz erhöhen, den Herzrhythmus,
das Immunsystem und die Lernfähigkeit verbessern und so zu einem gesünderen, aktiveren
und mutigerem Hund führen soll.

All dies sind Eigenschaften, die wir uns besonders bei unseren Therapiehunden wünschen. So
stellte sich       für mich die Frage, ob 5 einfache, kurze Übungen in den ersten beiden
Lebenswochen diesen Effekt haben. Die einzelnen Übungen dauern nur zwischen 3 und 5
Sekunden, wobei eine taktile Stimulation durch kitzeln zwischen den Zehen und eine
thermale Stimulation durch Ablegen auf eine kalte Oberfläche stattfindet. Die übrigen 3
Übungen bestehen aus Haltungsvarianten, also einmal Kopf nach oben halten, Kopf nach
unten halten und den Welpen auf den Rücken legen.

Die wissenschaftliche Basis für dieses Projekt          wollte ich erreichen einerseits   durch
Verhaltensbeobachtungen und Befragung der Besitzer und andererseits durch die
	
  
	
  
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Bestimmung des Stresshormons Cortisol als objektiven Laborwert. Die FNS ist in den USA
wesentlich bekannter als im deutschsprachigen Raum. Hier gibt es nur vereinzelt Züchter, die
mit dem Begriff FNS etwas anfangen können.

Auch bei den Züchtern, mit denen ich bei diesem Projekt zusammengearbeitet habe war das
so und ich habe ihnen zu danken, dass sie mich so aufgeschlossen und mit Begeisterung bei
der Durchführung unterstützt haben. So hatte ich insgesamt 21 Welpen zur Verfügung, 14
Labrador Retriever, 5 Beagle und 2 Airedaleterrier. Auch ohne die wissenschaftliche
Bewertung sind diese Züchter inzwischen von der FNS überzeugt und werden sie bei
zukünftigen Würfen anwenden.

Zu meinem zukünftigen Therapiehund bin ich dann ganz und gar unverhofft gekommen. Bei
einer Impfaktion im Tierheim sah ich einen 10 Wochen alten Labradorwelpen herumtollen,
der sofort auf mich zukam. Er ist nervenstark, lernt schnell und gerne, ist freundlich zu allen
Lebewesen, sanft zu Kindern, aktiv bei jungen Leuten und gelassen bei alten. Manchmal
bekommt man eben ein Geschenk. BIELENBERG (2013).

	
  
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2.          Theoretischer Teil
2.1.        Der Hund: ältester Gefährte des Menschen

„So kam der Mensch auf den Hund“. Schon Konrad Lorenz forschte über die Hundwerdung
des Wolfes, auch wenn er anfangs noch davon ausging, dass der Schakal und/oder der Kojote
ebenso Stammväter des Haushundes sein könnten LORENZ (1965).

ZIMEN (1992) kam nach dem Ausschlussprinzip zu dem Ergebnis, dass nur der Wolf als
Stammform in Frage kommt.

Aber erst seit der Jahrtausendwende befasst sich die Wissenschaft ernsthaft mit dem Hund
und seiner Geschichte. Nach dem heutigen Stand der Forschung sprechen viele
morphologische, molekularbiologische und verhaltensbiologische Ergebnisse für den hohen
Verwandtschaftsgrad von Wolf und Hund:

       -   Wolf und Hund stimmen in 78 Chromosomen überein
       -   Wölfe und Hunde bilden in freier Wildbahn Paarungsgemeinschaften mit
           fortpflanzungsfähigen Nachkommen
       -   Beim Wandel vom Wild-       zum Haustier werden Reduktionen zum Beispiel von
           Gehirn (30%) und Herz unabhängig von der Körpergröße festgestellt
       -   Eine Vielzahl anatomischer Strukturen stimmt überein
       -   Die vergleichenden Untersuchungen von Isoenzymen und mitochondrialer DNA
           ergeben eine sehr enge verwandtschaftliche Beziehung zwischen Wolf und Hund
           STEINFELDT (2002)

Man geht davon aus, dass die Mensch-Hund-Partnerschaft bereits vor ca. 30000 Jahren in der
Altsteinzeit begonnen hat, noch         vor der Entwicklung von Ackerbau und Viehzucht
FEDDERSEN-PETERSEN (2013).
	
  
	
  
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In seinem Buch „So kam der Mensch auf den Hund“ erzählt LORENZ (1965) eine mögliche
Geschichte der Hundwerdung: eine Symbiose zwischen Wolf und Mensch durch Vorteile bei
der Jagd und Schutz vor Feinden.

Nach ZIMEN (1992) sind Frauen die eigentlichen Initiatoren der Domestikation: der
Hund/Wolf wird gebraucht bei der Kinderbetreuung, als Kot- und Unratvertilger, Informant,
zum Wärmen und zur Deckung von Fürsorge- und Pflegeverhalten.

HERRE, RÖHRS (1990) definieren den Jahrtausende dauernden Prozess der Domestikation
als Einflussnahme des Menschen auf Tiere, um Zahmheit zu erzeugen. Zahmheit wird
definiert als Vertrautheit eines Tieres gegenüber Menschen.

Warum gerade der Wolf sich zum besonderen Gefährten des Menschen eignet schreibt
FEDDERSEN-PETERSEN (2013): Wölfe sind hoch sozial, haben einen Sinn für Fairness,
verfügen über ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten, entwickeln ein individuell
unterschiedlich ausgeprägtes Bindungsverhalten, die Jungenfürsorge wird vom ganzen Rudel
übernommen, sie haben ein ausgeprägtes soziales Lernen, sind fähig zur Versöhnung und
leben in sozialer Hierarchie. Die Parallelen zum Sozialsystem Mensch sind auffällig und
haben die Domestikation des Wolfes sehr erleichtert.

JUNG, PÖRTL (2014) leitet neurobiologisch her, wie zwischenartliches Sozialverhalten die
Neurotransmitter/Rezeptor-Expression     beeinflusst    und    über    die   Änderung   des
Stressachsensystems die Ängstlichkeit des Wolfes soweit verringert, dass ein Sozialkontakt
möglich wird. Dadurch wird der Prozess der Zähmung intensiviert und im Hund können sich
weitere Qualitäten entwickeln, wie die Bindung an den Menschen, was sich auch auf den
Mensch selbst auswirkt. Ohne die Beziehung zum Mensch gibt es keinen Hund. „Der Hund
ist, anders als jedes Tier sonst, nur im Kontext Mensch verstehbar“.

	
  
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2.2.     Der Therapiehund: ein Hund mit besonderen Eigenschaften

Hunde begleiten Menschen seit Jahrtausenden und erfüllen vielfältige Aufgaben in unserem
Leben als Jagdhund, Hütehund, Beschützer, Blindenhund, Behindertenhund, Schoßhund und
Therapiehund.

Nach Forschungen von GREIFFENHAGEN (2011) und JULIUS ET AL.(2014) wissen wir
heute, dass Hunde sich positiv auf Körper und Geist auswirken, den Stress mindern, das
Lernen verbessern, Angst, Aggressionen und depressive Zustände reduzieren, die
Schmerzbewertung verbessern und gesundheitsfördernde Effekte auf Herzfrequenz,
Blutdruck, das Atmungssystem, Hormone, besonders die Stresshormone Cortisol und
Epinephrin und das Oxytocinsystem haben.

Der Begriff „Therapiehund“ ist rechtlich noch nicht geregelt MÜLLER, LEHARI (2011)
Bei dem Verein TAT wird er folgend definiert:

Ein Therapiehund ist ein Hund, der gesund, schmerzfrei, in gutem Pflegezustand, gutmütig,
frei von Ekto- und Endoparasiten und geimpft ist. Er soll umwelt- und sozialsicher,
selbstbewusst auch in ungewöhnlichen Situationen und belastbar sein und eine enge Bindung
an seinen Menschen haben. Voraussetzung dafür sind optimale Prägung und Sozialisierung,
von Jugend an Kontakt zu Menschen jeden Alters, Toleranz gegenüber anderen Hunden,
faires   Verhalten,   keine   Aggressivität    und    möglichst   gute   Unterordnung   auf
Begleithundeprüfungsniveau. Der Mensch und sein Therapiehund sollten eine Einheit, ein
Team sein.

Welcher Hund ist also geeignet, welches Alter sollte er haben, langhaarig oder kurzhaarig,
vom Profizüchter oder Hobbyzüchter? Im Prinzip kann jeder Hund geeignet sein.

	
  
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JULIUS ET AL.(2014) schreibt zum optimalen Aussehen eines Therapiehundes:               „Das
Äußere eines Hundes sollte nicht angstauslösend sein. Hunde, deren Aussehen zum Streicheln
einlädt, eignen sich aus unserer Erfahrung am besten.“

Bei den Hunderassen bringen die Rassen gute Voraussetzungen mit, die für Aufgaben
selektiert wurden, bei denen sie eng mit dem Menschen zusammenarbeiten, z.B. Border
Collie, Labrador, Malteser, also Hütehunde, einige Jagdhunde und Gesellschaftshunde.
Entscheidend ist jedoch immer das Individuum. Ein Mischling aus dem Tierheim kann ein
wunderbarer Therapiehund sein.

Bei der Entscheidung kleiner oder großer Hund kommt es auf den zukünftigen Einsatzbereich
an. Für alte oder ängstliche Menschen eignet sich der oft hochintelligente und gelehrige
Kleinhund. Kinder und Jugendliche kommen mit mittelgroßen und großen Hunden besser
zurecht. Weibliche Patienten sprechen auf das „Kindchenschema“ der Kleinhunde eher an,
männliche finden zu größeren Hunden eher Zugang. Nicht haarende Rassen wie Pudel oder
Malteser können oft auch bei Allergikern eingesetzt werden.

An dieser Stelle ein kurzer geschichtlicher Rückblick, wie es zur „Entstehung“ des
Therapiehundes kam:

GREIFFENHAGEN (2011) schreibt, dass die Entdeckung des Therapiehundes einem Zufall
zu verdanken ist. Der amerikanische Kinderpsychiater Boris Levinson behandelte einen
verhaltensgestörten kleinen Jungen, der jeden Kontakt zu Therapeuten ablehnte. Die Eltern
kamen mit dem Jungen eines Tages etwas zu früh zu ihrem Termin, so dass Levinson´s Hund
Jingels noch in der Praxis war. Der Golden Retriever begrüßte den Jungen freudig, dieser
zeigte keine Angst, sondern spielte und redete mit dem Hund. Daraus zog Levinson den
Schluss, dass es möglich ist über den Hund seinen Patienten zu erreichen und zu therapieren.

	
  
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Sam und Elisabeth Corson, ein Psychologenehepaar, führten, basierend auf Levinsons
Erfahrungen, Studien durch, aufgrund derer sie nachweisen konnten, dass Menschen jeden
Alters positiv auf Hunde reagieren können und eine Therapie ermöglichen.

Es gibt 2 Möglichkeiten Hunde als Co-Therapeuten einzusetzen:
       1)      Der Präsenzhund: der Hund ist einfach nur da
       2)      Der Hund als Teil eines therapeutischen Konzepts, in dem ihm
               bestimmte Funktionen zukommen MÜLLER, LEHARI (2011)
Dabei ist aber immer klar, dass der Hund kein Therapeut ist, er ist „nur“ ein Hilfsmittel.

2.3.     Neuropsychologie des Hundes: Verknüpfung von Nervensystemen,
         Hormonen und Verhalten

Die Neuropsychologie gehört zu den Neurowissenschaften und befasst sich mit den
neuronalen Grundlagen menschlichen und tierischen Verhaltens. Dazu gehört die Analyse
von Wahrnehmung, Lernen. Motivation und Emotion WIKIPEDIA

Das    Nervensystem    ist   für   das   Verhalten     verantwortlich.   Es   besteht   aus   dem
Zentralnervensystem (ZNS) und dem peripheren Nervensystem (PNS), wobei das PNS
Gehirnregionen im ZNS mit Informationen versorgt, die dann dort ausgewertet werden. Es
erfolgt eine Rückmeldung ans PNS und das endokrine System.

Man unterscheidet außerdem das somatische Nervensystem und das vegetative Nervensystem,
das wiederum aus Sympathikus und Parasympathikus besteht. Der Sympathikus beeinflusst
Herzfrequenz, Blutdruck, Verdauung, Atmung, Adrenalin,-und Blutzuckerspiegel, er löst
Flucht- und Abwehrreaktionen aus. Der Parasympathikus ist sein Gegenspieler.

	
  
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Hunde können genetisch bedingt sympathisch oder parasympathisch dominant sein. Erstere
reagieren gefühlsbetont mit niedriger Reizschwelle, letztere sind emotional stabiler und
anpassungsfähiger.

Wichtig für das Verständnis neuropsychologischer Reaktionen sind
       1)     die Neurotransmitter, die unterschiedliche Auswirkungen auf das
              Nervensystem haben, die zu unterschiedlichen Verhaltensreaktionen führen
       2)     das limbische System, das Emotionen und Lerninhalte wahrnimmt und diese
              im Gedächtnis abspeichert
       3)     der Thalamus, der als Vermittler zwischen limischem System und der
              Grosshirnrinde fungiert
       4)     der Hypothalamus, der biologische Abläufe wie Hunger und Durst, Blutdruck,
              Körpertemperatur und Blutzuckerspiegel steuert, ebenso das endokrine System
              und das sympathisches und parasympathisches Nervensystem. Er ist Teil der
              Hypothalamus – Hypophysen – Nebennierenrinden – Achse, die großen
              Einfluss aus Stressreaktionen des Körpers hat
       5)     die Amygdala, die zuständig ist für die Entstehung von Angst und Aggression.
              Sie spielt eine Rolle beim emotionalen Lernen
       6)     der Hippokampus als neuronale Basis für die Vermittlung niedriger
              Angstschwellen und generalisierter Angst
       7)     die Großhirnrinde als Hauptsitz von Bewusstsein und Intelligenz, die den
              rationalen Teil des Gehirns bildet

Limbisches System und Großhirnrinde arbeiten eng zusammen, was das Verhalten des
Hundes und die sich daraus ergebende Vorgehensweise im Training betrifft. Sie verhalten
sich umgekehrt proportional zueinander.

	
  
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Akuter Stress hat einen stark erregenden Einfluss auf die Amygdala und hemmt dadurch die
Funktion der Großhirnrinde (Ratio). Das bedeutet, dass es vermieden werden sollte, Hunde in
äußerst emotionale oder stressige Situationen zu bringen und gleichzeitig           sollte die
Großhirnrinde beschäftigt werden, also soll dem Hund eine Aufgabe gegeben werden, auf die
er sich konzentrieren kann. Dadurch wird dann das limbische System (Emotionen) gehemmt
und es ist weniger wahrscheinlich, dass der Stress beim Hund überhandnimmt.

Neurotransmitter sind Botenstoffe, die der Weiterleitung von Informationen dienen, Einfluss
auf das Gehirn und damit auf das Verhalten des Hundes haben. Dazu gehören:
       1)     Dopamin gilt als das „Glückshormon“. Ein Defizit an Dopamin kann zu
              Lernblockaden, Erregbarkeit, Ängsten und Zunahme der
              Schmerzempfindlichkeit führen. Ein Überschuss an Dopamin begünstigt
              Unruhe und impulsives Verhalten.
       2)     Adrenalin und Norepinephrin. Adrenalin gilt als „Stresshormon“.
              Norepinephrin reguliert den Energiehaushalt des Hundes. Ein Mangel führt zu
              Lethargie und Depression. Zuviel Norepinephrin bewirkt Aggressionen und
              erhöhte Reizbarkeit. Durch Traumata und Dauerstress sinkt der
              Norepinephrinspiegel.
       3)     Serotonin reguliert die Stimmungslage. Es ist ein wichtiger Faktor für die
              Steuerung und Hemmung von Wut und Aggression und des Schlaf-Wach-
              Rhythmus. Wissenschaftliche Studien lassen vermuten, dass der
              Serotoninspiegel Einfluss auf die Beißhemmung von Hunden hat.
       4)     Glutamat und Gamma-Aminobuttersäure. Ein Mangel kann mentale Instabilität
              verursachen. Sie sind Gegenspieler und arbeiten eng zusammen, damit das
              Gehirn in der richtigen Geschwindigkeit arbeitet.

Das endokrine System und das Nervensystem             sind eng miteinander verknüpft. Der
Hypothalamus sendet Informationen an die Hypophyse, die ACTH und LH ausschüttet.

	
  
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ACTH bewirkt die Cortisolproduktion, das eine wichtige Rolle bei Stressreaktionen spielt.
LH stimuliert die Testosteronproduktion, was männliches Geschlechtsverhalten und
Aggression reguliert. Beim weiblichen Tier ist es für den Eisprung verantwortlich.

Zum endokrinen System gehören ebenso die Bauchspeicheldrüse (Insulin, Glukagon) und die
Nebenniere (Steroide, Adrenalin) O´HEARE (2009)

2.4.    Stress: Definition, physiologische Auswirkungen

Definition
„Stress (engl. für Druck, Anspannung; lat. stringere, anspannen) bezeichnet zum einen durch
spezielle äußere Reize (Stressoren) hervorgerufene psychische und physische Reaktionen bei
Lebewesen, die zur Bewältigung besonderer Anforderungen befähigen, und zum anderen die
dadurch entstandene körperliche und geistige Belastung.“ WIKIPEDIA

Seit 1915 Walter B. Cannon den Begriff Stress als eine unspezifische Reaktion des
Organismus auf jegliche Anforderung definiert hat, ist auf diesem Gebiet viel geforscht
worden MÜLLER (2009).

Linsay formuliert, dass Stress bei Hunden dann entsteht, wenn an den Hund die Anforderung
gestellt wird, sich zu verändern oder anzupassen O´HEARE (2009).

Man unterscheidet heute verschiedene Arten von Stress:
       1)     Neutraler Stress führt zu Antworten, die das Wohlergehen eines Tieres weder
              positiv noch negativ beeinflussen MÜLLER (2009)
       2)     Als Eustress werden normale gut zu bewältigende Stresssituationen bezeichnet

	
  
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       3)    Disstress ist der Zustand eines Tieres, in dem es zu Veränderungen des inneren
             Gleichgewichtes kommt und indem das Tier nur noch über unzureichende
             biologische Reserven verfügt um das Ungleichgewicht auszugleichen

Nach Moberg wird die Stressantwort von Genetik, Alter, Geschlecht und Vorerfahrungen
beeinflusst O´HEARE (2009).

Es kommt zu Verhaltensänderungen, Reaktionen des autonomen Nervensystems und des
Endokriniums.

Nach dem Drei-Phasen-Modell läuft die Stressreaktion folgendermaßen ab:
       1)    Alarmreaktion: Aufgrund eines Stressors wird von der Hypophyse ACTH
             ausgeschüttet, das zur Freisetzung von Kortikosteroiden und Adrenalin in der
             Nebennierenrinde führt
       2)    Widerstandsphase: Bei Fortbestehen des Stressors kommt zur Mobilisierung
             von Anpassungsprozessen zur Wiederherstellung des inneren Gleichgewichtes.
             Die in Phase 1 veränderten Werte gehen auf Normalniveau zurück
       3)    Erschöpfungsphase: Bei langem Einwirken des Stressors brechen die
             Anpassungsvorgänge zusammen. Das führt zu irreversiblen Symptomen wie in
             der 1. Phase MÜLLER (2009)

Physiologische Auswirkungen
       1)    Auswirkungen auf das Immunsystem
             Akuter Stress führt zu einem Anstieg der Gesamtleukozytenzahl und der
             proinflammatorischen Zytokine. Damit bereitet sich das Immunsystem auf eine
             mögliche akute Bedrohung durch eindringende Bakterien vor. Durch
             chronischen Stress wird die Immunabwehr geschwächt, z.B. durch Abnahme
             der B- und T-Zellen, was zu einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit führt.

	
  
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       2)     Magen-Darm-Trakt
              Stress fördert die Sekretion von Magensäure und hemmt die Motilität, die
              Magenentleerung verzögert sich dadurch, was die Entstehung von Magenulcera
              begünstigt. Die Darmpassage wird beschleunigt, was erhöhten Kotabsatz und
              eine zu geringe Wasserresorption und damit Durchfall zur Folge hat.
       3)     Zentralnervensystem
              Der Hippocampus, der unter anderem für die Kontrolle der Stresshormonachse
              zuständig ist, wird durch zu viel Cortisol geschädigt. Die Neurogenese kann
              vermindert werden. Beides kann zu Störungen des Gedächtnisses und des
              Lernens beitragen.
       4)     Herz-Kreislauf-System
              Stress bewirkt eine Erhöhung des Blutdruckes und der Herzfrequenz. Durch
              Thrombenbildung      und   Vasokonstriktion   der   Koronararterien   werden
              Arteriosklerose und dadurch Myokardnekrosen möglich.
       5)     Niere
              Durch den Anstieg des renalen Gefäßwiderstandes und durch tubuläre Schäden
              kann die Nierenfunktion nachhaltig beeinträchtigt werden MÜLLER (2009).

Akute Stressreaktion
Nach Aktivierung der Amygdala durch Reizsignale werden Notfallprozesse im Körper in
Gang gesetzt. Adrenalin, Norepinephrin und Dopamin werden ausgeschüttet und bewirken
eine Störung in dem Bereich des Gehirns, der für das Lernen und höhere Denkprozesse
verantwortlich ist. Die Reaktions- und Aggressionsschwelle wird herabgesetzt und die
Tendenz zu Flucht- oder Abwehrverhalten wird begünstigt.

Chronische Stressreaktion
Obiger Notfallstatus wird über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten. Serotonin,
Norepinephrin und Dopamin werden abgebaut. Da Norepinephrin auch für den

	
  
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Energiehaushalt des Hundes verantwortlich ist, führt ein Mangel zu Lethargie, Depression,
Erschöpfung, gestörten Schlafrhythmus, Schmerzüberempfindlichkeit, gestörte rationale
Aktivität und Verlust der Fähigkeit, Freude zu empfinden.

Verhaltensbiologische Auswirkungen von Stress
Äußere Anzeichen von Stress sind:
       1)     Hecheln: Stresshecheln ist gekennzeichnet durch zurückgezogene Lefzen mit
              Faltenbildung auf der Stirn und unter den Augen. Es ist schnell, flach und
              angestrengt
       2)     Mangel an Konzentration: Ein Hund im Stress kann nicht gehorchen, er hat
              einen „Tunnelblick“ und eine eingeschränkte Wahrnehmung. Auf seinen Halter
              zu reagieren ist nicht möglich
       3)     Schweißpfoten: sind eine Folge der Reaktion des Körpers, Flüssigkeit
              auszuscheiden
       4)     Gähnen
       5)     Hyperaktivität: Der Hund kann hektisch oder panisch reagieren oder anfangen
              herumzualbern. Diesen Zustand kann er nicht lange aufrecht erhalten, was
              dazu führt, dass der Hund geistig völlig abschaltet
       6)     Vermehrtes urinieren und koten: Bei Stress verursacht der erhöhte
              Aldosteronspiegel einen erhöhten Drang zu urinieren und zu koten. Ist Stress
              die Ursache für Stubenunreinheit, darf der Hund keinesfalls bestraft werden
       7)     Erbrechen, Durchfall. Auf das Verdauungssystem wirkt sich Stress als erstes
              aus
       8)     Strecken: In belastenden Situationen streckt sich der Hund, um verspannte
              Muskeln zu lockern
       9)     Schütteln: Gestresste Hunde versuchen den Stress „ abzuschütteln“

	
  
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       10)    Selbstverstümmelung: Hunde können sich stressbedingt Rute, Pfoten oder
              Flanken aufbeißen oder wundlecken. Es gibt eine genetische Disposition, kann
              aber auch Teil einer Zwangsstörung sein
       11)    Stereotypien:   Serotonin         und       Neurotransmitter   werden      auch    mit
              Zwangsstörungen in Verbindung gebracht, was auf eine enge Verbindung
              zwischen Zwangsstörung und Stressbewältigung hindeutet. Verhalten kann
              durch Stress zwanghaft werden
       12)    Schlafbedürfnis oder Hyperaktivität: Kommt es durch Stress zur Erschöpfung
              des   Serotoninspiegels     ist      der     Schlaf-Wach-Rhythmus       gestört.   Das
              Schlafbedürfnis kann aufgrund einer inneren Unruhe hoch sein, der Hund kann
              aber auch überdrehen und übermäßig reaktiv sein
       13)    Hautprobleme: Hautprobleme können nicht nur die Folgen von Allergien und
              Stoffwechselstörungen sein, sondern auch durch Stress ausgelöst werden, z.B.
              Hot    Spots.   Wird      der     Stress      beseitigt,   verschwinden    auch    die
              Hauterkrankungen. Allergien sind per se Stressoren
       14)    Übermäßiger      Durst: kann eine durch Stress bedingte umadressierte
              Frustrationshandlung sein. Es könnte sich auch um ein Beschwichtigungssignal
              handeln
       15)    Steifheit des Körpers, zittern, Übersprungshandlungen: Streichelt man eine
              gestressten Hund, kann man feststellen, dass sich die Muskulatur hart anfühlt.
              Gerade beim Tierarzt zittern Hunde oft oder zeigen Übersprungshandlungen
              O´HEARE (2009)

All diese Verhaltensweisen werden beeinflusst von der genetischen Disposition und
vorausgegangenen Erlebnissen und Lernprozessen. Hat ein Hund einmal die Erfahrung
gemacht, einer Belastungssituation ausgeliefert zu sein, kann das zu Passivität für eine
Auseinandersetzung mit Umweltgegebenheiten führen und zu erlernter Hilflosigkeit mit
hohem Stresspotential. Gerade bei Therapiehunden sollte Stressprophylaxe das Ziel sein.

	
  
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Dazu gehören:
       1)       ausgeglichener Wechsel zwischen Belastungs- und Erholungsphasen
       2)       freie Bewegung und Erkundungsmöglichkeiten
       3)       Sozialspiel und vielseitiger Kontakt mit Artgenossen und Menschen
       4)       enge Bindung an seinen Menschen
       5)       hundegerechtes Training FEDDERSEN-PETERSEN (2013)

2.5.     Cortisol: Biochemie und Physiologie

Cortisol gehört zu den Glukokortikoiden und wird in der Zona fasciculata der
Nebennierenrinde aus Cholesterol gebildet. Zwischenstufen sind Pregnenolon und
Progesteron. Sofort nach der Synthese wird es ins Blut ausgeschüttet,                 wo es an das
Transportprotein Transcortin (CBG) bindet KOOLMANN (2009)

Transcortin kann schnelle Veränderungen des Cortisolspiegels im Blut ausgleichen, da das
Hormon nur frei wirksam ist und              vor zu rascher Inaktivierung in der Leber und
Ausscheidung über die Niere schützt. Der Abbau erfolgt durch Enzyme in Leber, Niere und
Speicheldrüse. Die Plasmahalbwertszeit ist abhängig von der                    Leberaktivität, der
Konzentration im Blut und der Bindung an Plasmaproteine                 Zu einer Verlängerung der
Halbwertzeit       kommt    es   durch       Lebererkrankungen,         im   Schock    und   durch
Östrogenbehandlungen, zu einer Verringerung durch Hyperthyreose. Sie beträgt beim Hund
50 Minuten.

Die    Sekretion    der    Glukokortikiode     wird       durch   die   Hypothalamus-Hypophysen-
Nebennierenrinden-Achse gesteuert. Durch das im Hypothalamus gebildete Corticotrophe
releasing hormon (CRH), das wiederum aufgrund der Neurotransmitter Noradrenalin, GABA,
Acetycholin und 5-Hydroxytrytryptamin entsteht, kommt es zur Ausschüttung von ACTH aus
dem Hypophysenvorderlappen. ACTH wiederum stimuliert die Produktion von Cortisol

	
  
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durch die Nebennierenrinde. Es handelt sich um ein Rückkopplungssystem, die
Glukokortikoidkonzentration im Plasma wirkt stimulierend oder hemmend auf die CRH-
Sekretion. Beim Hund gibt es im Gegensatz zum Menschen keinen 24 Stundenrhythmus in
der Cortisolausschüttung MÜLLER (2009).

Wirkung
Cortisol ist eines der wichtigsten Kortikosteroide. Es kann den Stoffwechsel aller
Körperzellen beeinflussen und spielt eine entscheidende Rolle bei der Stressbewältigung.

       1)     Kohlenhydratstoffwechsel: Glucokorticoide hemmen die Glucoseverwertung
              und fördern die Glukoseneubildung in der Leber.          Deshalb steigen der
              Glukoseumsatz und die Glukosetoleranz, die Insulinempfimdlichkeit nimmt ab.
              Cortisol ist also Insulinantagonist. Der Abbau von Glykogen ist nur in
              Anwesenheit von Glucokortikoiden möglich.
       2)     Eiweißstoffwechsel: Cortisol fördert den Proteinabbau im Gewebe. Durch die
              vermehrte     Proteolyse    werden      Aminosäuren     und    Enzyme        des
              Eiweißstoffwechsels bereitgestellt, wodurch die Harnstoffsynthese angeregt
              wird KOOLMANN (2009) Seine katabole Wirkung zeigt sich durch
              Muskelatrophie, Hautschädigung und Wachstumshemmung beim Jungtier
              MÜLLER (2009).
       3)     Fettstoffwechsel: Cortisol steigert die Lipolyse, wodurch Fettsäuren und
              Glycerin entstehen KÖNIGSHOFF(2012). Bei vermehrter Insulinausschüttung
              kann auch Fett umgesetzt oder umverteilt werden (Stammfettsucht).
       4)     Entzündungshemmung: Diese Wirkung beruht auf der Hemmung der
              Vaskularisation und Senkung der Kapillarpermeabilität und der Synthese,
              Sekretion,   oder Wirkung zahlreicher Mediatoren, z.B. Histamin, die an
              entzündlichen und allergischen Reaktionen beteiligt sind. Die Wundheilung
              kann verzögert sein.

	
  
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       5)     Blutzellen: Die Gesamtzahl der Leukozyten im Blut steigt, Eosinophile und
              Lymphozyten nehmen aber ab, Thrombozyten und Erythrozyten zu.
       6)     Weitere Wirkungen: Cortisol hat Einfluss auf das Zentralnervensystem, den
              Elektrolyt-    und    Wasserhaushalt,     Knochen-      und   Muskelgewebe,
              Herzkreislaufsystem, Magendarmtrakt und die endokrinen Drüsen MÜLLER
              (2009).

2.6.    Entwicklung von Welpen in den ersten 14-16 Tagen nach der Geburt

Physiologische Entwicklung
Hundewelpen gehören zu den echten Nesthockern. Die Größe und der Entwicklungsstand
können zum Zeitpunkt der Geburt leicht differieren, da die Befruchtung der Eizellen
zeitversetzt erfolgen kann. Insgesamt hängt das Geburtsgewicht vom Geschlecht und von der
Plazentagröße ab. Diese beeinflusst besonders, wenn die Wurfgröße über dem Durchschnitt
liegt, vorausgegangene Störungen der Gravidität oder altersbedingt.

Welpen sind in den ersten 4 Wochen der postnatalen Periode vollständig abhängig von der
Mutter. Sie brauchen Wärme und Sicherheit in einem eng umgrenzten Raum.

Postnatale Adaptationsperiode
Die Einteilung erfolgt nach neonatologisch – physiologischen und klinisch praktikablen
Aspekten. Man unterscheidet 3 Perioden, die erste 0-24 Stunden nach der Geburt, die zweite
2-14 Tage und die dritte 15-28 Tage nach der Geburt.

Die erste Periode beginnt mit Austreten des Fetus aus der Scheide und Durchtrennung der
Nabelschnur bis zu Ende des 1. Lebenstages. In erster Linie müssen die primären
Lebensvorgänge gesichert werden, z.B. der pulmonale Gasaustausch, die Anpassung der Herz
– Kreislauf- Situation und die Stabilisierung der Wachheit. Es folgen die Basisreflexe, die

	
  
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Regulierung der Körpertemperatur, die Versorgung mit Energie und die Festigung der
passiven Immunitätslage. Deshalb unterteilt man diese Periode in die Periode zwischen
Geburt und Stabilisierung (Geburt bis 1. Stunde post natum) und der Periode zwischen 2. Und
24. Stunde p.n. mit Nahrungsaufnahme und Regulierung der Körpertemperatur.

In der 2. Periode entwickelt sich das zentrale Nervensystem und         Bewegungsapparat,
Blutbildungssystem, Magen – Darm – Trakt und Niere reifen. Am Ende dieses Zeitraums
öffnen die Welpen die Augen, können hören, die Reflexe sind gefestigt und die Mobilität
steigt. Die anfänglich langen Schlafphasen (90% des Tages) werden reduziert. Das
Geburtsgewicht verdoppelt sich und die Körpertemperatur erhöht sich von 35,5 Grad gleich
nach der Geburt auf 36,5 - 37,5 Grad Celsius.

Zwischen der 2. und 4. Lebenswoche kommt es zu einer weiteren Erhöhung der
Körpertemperatur auf über 38 Grad Celsius. Mobilität und Wachphasen nehmen weiter zu,
die Zahnung beginnt. Nach dem 21. Tag besteht eine zunehmende willkürliche Kontrolle des
Harn- und Kotabsatzes, der vorher durch die Mutter induziert wurde WEHREND (2013).

Verhaltensentwicklung
„Die Entwicklung von Verhalten ist das Ergebnis von Komplexen und dynamischen
Wechselwirkungen zwischen Genotyp und Umwelt. Dies bedeutet, dass phänotypische
Unterschiede zwischen Tieren gleicher Art oder Rasse neben genetischen Einflüssen auch
durch Umwelteinflüsse auf die Entwicklung bedingt sein können.“ Es wird phänotypische
Plastizität genannt WEHREND (2013).

Tiere mit großer phänotypischer Plastizität zeichnen sich durch große Anpassungsfähigkeit
aus, was besonders bei Hunden, die sich an so unterschiedliche Habitate und soziale
Lebensformen anpassen, der Fall ist. Dabei besteht aber immer die Gefahr der Fehlanpassung.

	
  
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Der Verhaltensphänotyp wird maßgeblich durch die genetische Prädisposition beeinflusst.
Umwelteinflüsse besonders während der frühen Entwicklung können Einfluss auf den
Phänotyp des adulten Hundes ausüben.

Die Verhaltensentwicklung wird in 4 Phasen eingeteilt: neonatale, Übergangsphase,
Sozialisationsphase, juvenile Phase. Laut jüngeren Studien sollte zusätzlich die pränatale
Phase mit einbezogen werden, da Verhaltensunterschiede zwischen erwachsenen Hunden
durch Umwelteffekte in utero angelegt sein können. Auch wird der Übergang von
Sozialisation zur juvenilen Phase weniger scharf als früher angenommen.

Deshalb hier kurz über die pränatale Phase: Wesentliche Aspekte des Verhaltens können sich
durch Umwelteinflüsse auf das Muttertier während der Trächtigkeit, aber auch durch das
Geschlecht des Nachbarfeten ändern. Bei Mäusen wurde nachgewiesen, dass sich die
abgesonderten Sexualhormone benachbarter Feten gegenseitig beeinflussen und damit unter
Umständen das Aggressionsverhalten der Männchen beeinflussen.. Auch beim Hund sind
solche hormonellen Einflüsse in Betracht zu ziehen. Diese Erkenntnisse sollten bei den
Haltungs- und Umweltbedingungen der Hündinnen in Zukunft berücksichtigt werden.

       1)     Neonatale Phase (Geburt bis 16. Tag post natum)
              Im Vordergrund stehen unkoordinierte Reflexe,       die der Bedarfsdeckung
              dienen wie schlafen, säugen, Pflege durch die Mutter. Das heißt, die Welpen
              sind von der Mutter abhängig, die sie mit Nahrung und Wärme versorgt, die
              Exkretion anregt und das Nest sauber hält.

              Die Hündin säugt die Jungen unmittelbar nach der Geburt, anfangs sehr oft.
              Die Welpen suchen die Zitzen reflexbedingt auf, unabhängig von Hunger oder
              Magenfüllung. Durch den „Milchtritt“ wird der Milcheinschuss gefördert. Der
              Saugreflex kann auch durch andere Reize ausgelöst werden (Finger, Flasche).

	
  
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            Welpen können sich von Geburt an fortbewegen. Der Aktionsradius wird
            dabei zunehmend ausgedehnt. Sie kriechen auf dem Bauch im Kreis oder s-
            förmigen Bahnen mit Suchpendeln zum Finden des Gesäuges,           wobei die
            Hündin mithilft.

            In dieser Phase schlafen die Welpen 16-20 Stunden am Tag in Seitenlage und
            in Körperkontakt zur Mutter oder den Geschwistern. Komfortverhalten kann
            von Geburt an beobachtet werden. Dazu gehören gähnen, Schnauze lecken,
            sich kratzen und hecheln. Ab der 2. Woche kommen beknabbern, Pfoten
            wischen oder sich schütteln hinzu.

            Erste Lautäußerungen sind mucken = Wohlbehagen, quärren, winseln =
            Missbehagen, schreien = Schmerz, knurren, bellen, heulen = verlassen sein.

            Die Umwelt wird taktil wahrgenommen über Geruch und Geschmack.
            Einfaches assoziatives Lernen ist möglich. Umwelteinflüsse wirken sich über
            direkte Effekte auf die Entwicklung des Nervensystems und damit auf das
            Verhalten aus. Die Stimulation mit Geräuschen oder Lichtimpulsen kann die
            sensorische und motorische Entwicklung beschleunigen. Trumler bezeichnet
            diese Phase auch als „vegetativ“ TRUMLER (1989)

       2)   Übergangsphase
            Diese Phase beginnt mit dem Öffnen der Augen nach ca. 14 Tagen und endet
            mit dem Öffnen des Gehörganges bis spätestens am 23. Tag p.n. mit den damit
            verbundenen Verhaltensveränderungen. Die Welpen können jetzt vorwärts und
            rückwärts kriechen, in Bauchlage schlafen, Haut und Fell pflegen und
            versuchen zu gehen und zu sitzen. Der Aktionsradius wird vergrößert, die

	
  
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            Welpen fangen an die Umgebung zu erforschen und zu spielen. Die Fähigkeit
            zu lernen ist allerdings immer noch gering.

       3)   Sozialisation und juvenile Phase
            Die Sozialisationsphase beginnt mit 3 – 4 Wochen und geht mit ca. 14 Wochen
            in die juvenile Phase über, die mit dem Erreichen der Geschlechtsreife je nach
            Rasse zwischen 5. und 14. Monat endet.

            Heute wird diese früher als kritische           Phase oder Prägungsphase
            TRUMLER(2007) benannte Zeit als sensitive Phase bezeichnet und bedeutet,
            dass bestimmte Verhaltensmuster und Präferenzen leichter erworben werden
            als in anderen Phasen. Welpen gehen jetzt besonders leicht Bindungen zu
            Menschen und anderen Tieren ein. Die Entwicklung des Sozialverhaltens und
            die soziale Kommunikation sind in dieser Zeit von besonderer Wichtigkeit und
            geschehen durch das soziale Spiel der Welpen miteinander.

            Durch Laborexperimente konnte man feststellen, dass die primäre Sozialisation
            zwischen der 3. und 12. Woche p.n. stattfindet. Dabei kann eine zusätzliche
            Angstperiode zwischen der 8. und 12. Woche auftreten.            Die primäre
            Sozialisation ist nicht von Dauer, erst im Alter von 6 – 8 Monaten bleiben
            Hunde mit Menschen sozialisiert.

            Die Trennung von Mutter und Welpen sollte zwischen der 8. Und 10.Woche
            stattfinden. Eine zu frühe Entfernung von Welpen bewirkt erhöhte Anzeichen
            von Stress, Krankheiten und Mortalität und keine bessere Sozialisation mit
            Menschen WEHREND (2013).

	
  
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       4)     Rudelordnungsphase 5 – 6 Monate nach TRUMLER (2007)
              In einem Rudel ist in dieser Phase die          Rangordnung bereits geklärt.
              Sogenannte „Einmannhunde“ nach Konrad Lorenz binden sich in diesem Alter
              für immer an ihren Herrn = Prägung auf den Leitwolf. Die Hunde befinden
              sich in einem ausgeprägten Lernstadium, das es zu nutzen gilt. Gemeinsame
              Aktionen wie Unterordnungsübungen und kleine Kunststücke fördern die
              Stellung des Menschen als Rudelführer und eine gesunde Psyche des Hundes.
              Dazu gehört auch der Versuch seine Ranghöhe zu verbessern, indem der Hund
              gelerntes anscheinend „ verlernt“.

       5)     Pubertät
              Hier gibt es große Unterschiede je nach Rasse und Individuum Der Zeitrahmen
              liegt zwischen 7. und 14. Monat. Das gezeigte Verhalten reift weiter aus. Mit
              Eintritt der Geschlechtsreife wird der Hund erwachsen. Endgültig ausgereift ist
              ein Hund aber erst mit 2 – 3 Jahren.

2.7.    Frühe neurologische Stimulation: Definition, theoretische Überlegungen

Außer der Zuchtwahl gibt es noch eine Möglichkeit die Persönlichkeitsbildung. Da die
Struktur des Verstandes am Tag der Geburt nicht vollkommen ausgeformt ist, kann darauf
Einfluss genommen werden. Das Gehirn wächst bis zur 8.Woche um das 5-fache, bis zur 16.
Woche um weitere 25%. Sein vollkommenes Volumen erreicht es mit 9 – 12 Monaten. Das
Gehirn eines Neugeborenen ist nicht nur klein, sondern noch unreif in seiner Struktur und
ungeformt, die neutralen Reaktionen sind also ziemlich primitiv. In den ersten 8 Wochen
wächst das Gehirn in einem erstaunlichen Tempo. Die Entwicklungsrate verlangsamt sich
dann bis zu einem Alter von 6 – 8 Monaten. Bei einem Welpen sind viele
Verhaltenscharakteristika   in seinen Genen festgelegt aufgrund seiner Rasse, seines
Temperaments und seiner Persönlichkeit, aber seine endgültige Intelligenz ist nicht

	
  
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vorgegeben und abänderbar. Deshalb können gerade Interaktionen in einem frühen Alter
großen Einfluss auf die Verhaltensweisen des erwachsenen Hundes haben.

Die Erforschung dieses Phänomens begann in den Laboren der biosensor division der U.S.
Army. Man ging damals schon davon aus, dass Einflüsse auf das Muttertier auch auf den
Fetus   übergehen, besonders im letzten Drittel der Trächtigkeit. Stress führt zu einer
reduzierten Lernfähigkeit und verursacht die Freisetzung einer Vielzahl von Hormonen,
speziell der Kortikosteroide. Änderungen im späteren Verhalten der Welpen sind direkte
Resultate der Effekte, die diese Hormone auf das Gehirn des Ungeborenen haben. Ebenso
wird das Geschlecht des Nachbarfeten als einflussnehmend angesehen.

Sind die Welpen geboren, kann der Mensch ihre Umwelt beeinflussen. Welpen werden blind
und taub geboren, können aber tasten und riechen, sind also sensitiv für Berührung, Druck,
Bewegung, Temperaturwechsel und Schmerz. Besonders empfindlich reagieren sie auf
Temperaturwechsel. Wissenschaftler haben entdeckt, dass es spezielle Wärmesensoren in der
Nase gibt, die den Welpen die Ortung der Wärmequelle Mutter ermöglichen. Erwachsenen
Hunden fehlen diese Rezeptoren.

Weiter wurde festgestellt, dass sehr junge Welpen lernen können und angepasstes Verhalten
zeigen: sie können z.B. Gerüche erkennen und die Bedeutung von Berührungen lernen.

Die meisten Menschen sind der Meinung, Welpen müssen beschützt und in Ruhe gelassen
werden. Das ist aber nicht der optimale Weg. Auch bei anderen Säugetieren wie Mäuse,
Ratten und Katzen hat die Forschung ergeben, dass der „handling effekt“ sich positiv auf die
Entwicklung auswirkt. Während des Handlingprozesses erfahren die Welpen physiologischen
und psychologischen Stress. Dazu gehören Temperaturwechsel, hochheben und berühren z.B.
beim Wiegen. Der Stresslevel ist        gering, aber ausreichend um das sympathische
Nervensystem anzuregen. Psychologen haben festgestellt, dass geringer Stress sehr früh im

	
  
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Leben positive Effekte zu haben scheint. Hat man später die erwachsenen Tiere getestet, die
als Welpen diesen leichten Stress hatten, war die Stressantwort abgestuft und keine Alles-
oder-Nichts-Antwort. Auch im EEG ließen sich Veränderungen feststellen, was die
Gehirnaktivität und die emotionalen Reaktionen betrifft. Die Tiere waren intelligenter, lösten
Probleme schneller und waren anpassungsfähiger.

Die frühe neurologische Stimulation darf aber nicht zu stark oder zu lang sein und nur bei
sehr jungen Welpen. Der optimale Stresslevel und die Rasseunterschieden sind zusätzlich zu
berücksichtigen.

Die U.S. Army hat mit ihrem „Superdog-Programm“ einiges zur Erforschung der
neurologischen Stimulation beigetragen. An die Hunde in der Army werden besondere
Anforderungen gestellt: sie müssen physisch fit sein, intelligent, gelassen, eine stabile
Persönlichkeit haben und gut sozialisiert mit dem Menschen sein. Da die Ausbildung teuer
und zeitaufwändig ist, wollte man durch das Programm eine höhere Erfolgsrate an passenden
Hunden bekommen. Zwischen 1968 und 1976 wurden 575 deutsche Schäferhunde mit FNS
jeweils 4 Jahre lang beobachtet.

Michael W: Fox war einer der ersten, der verschiedene Stimulationsprogramme durchführte.
Die Übungen waren allerdings anfangs viel stressiger als heute, z.B. laute Musik, Blitzlicht, 1
Minute in den Kühlschrank oder physikalische Manipulationen.

Einige dieser Hunde waren dann wirklich ruhiger, weniger ängstlich, konnten Probleme
besser lösen und waren weniger empfindlich gegen Lärm, grelles Licht und unerwartete
Ereignisse. Sie lernten schneller und hatten ein besseres Gedächtnis. Aber nicht alle! Man
experimentierte weiter mit unterschiedlichem Stressniveau und verschiedenen Rassen und
entwickelte so die heutige frühe neurologische Stimulation COREN (2006).

	
  
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3.      Praktischer Teil
3.1.    Schilderung der Durchführung der frühen neurologischen Stimulation

Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass die Leistungsfähigkeit eines Lebewesens nicht allein
genetisch bedingt ist, sie ist durch äußere Einflüsse wie Ernährung, Training und Management
beeinflussbar. Forscher haben dieses Phänomen untersucht und nach Möglichkeiten gesucht,
durch frühzeitige, äußere Einwirkungen die angeborenen Fähigkeiten zu verbessern.

Das U.S. Militär stellte durch zahlreiche Versuche fest, dass frühe neurologische
Stimulationsübungen wichtige und dauerhafte Auswirkungen haben und dass es eine
bestimmte Zeitperiode für die optimale Anwendung der neurologischen Stimulation gibt.
Dieses Zeitfenster beginnt am 3.Lebenstag und dauert bis zum 16. Lebenstag.

Es wurden 5 Übungen entwickelt um das neurologische System zu stimulieren. Die Welpen
werden täglich behandelt, mit jedem Welpen werden die Übungen am Stück hintereinander
durchgeführt. Eine bestimmte Reihenfolge ist nicht vorgeschrieben.

	
  
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Die Übungen im Einzelnen:

1.Taktile Stimulation
Der Züchter/Tierarzt holt einen Welpen aus der Wurfkiste, hält den Welpen in einer Hand und
kitzelt den Kleinen zwischen den Zehen an den Füßen mit einer Zahnbürste oder einem
Wattestäbchen. Es muss keine sichtbare Reaktion erfolgen. Die Übung soll nicht länger als 3
– 5 Sekunden dauern.

	
  
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2.Kopf nach oben halten
Der Welpe wird mit beiden Händen senkrecht zum Boden gehalten, so dass sein Kopf direkt
über dem Schwanz ist (Aufwärtsposition), 3 – 5 Sekunden.

3.Kopf nach unten halten
Mit beiden Händen den Welpen so halten, dass der Kopf nach unten zeigt, senkrecht zum
Boden. Stimulationsdauer 3 – 5 Sekunden.

	
  
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4.Rückenlage
Der Welpe soll so gehalten werden, dass sein Rücken auf beiden Handflächen liegt und die
Schnauze zur Decke zeigt. Er darf sich dabei bewegen. Dauer 3 – 5 Sekunden.

5.Thermalstimulation
Ein feuchtes, kaltes Handtuch wird aus dem Kühlschrank genommen und der Welpe mit den
Pfoten nach unten auf das Handtuch gelegt, nicht länger als 3 – 5 Sekunden.

	
  
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Dabei ist folgendes zu beachten:

1. Durchführung nur einmal am Tag, bestimmte Tageszeit ist nicht wichtig
2. Die einzelnen Übungen sollen nicht länger als 3 – 5 Sekunden dauern
3. Die üblichen „ Handlings“ des Züchters wie zur Kontrolle oder zum Wiegen in die Hand
       nehmen, streicheln, mit den Welpen sprechen etc. sind weiter durchzuführen
4. Zeitfenster beachten: nur zwischen dem 3 und 16. Tag nach der Geburt
5. Es ist normal, dass sich die Welpen gegen einzelne oder alle Übungen wehren
6. Es ist normal, dass sie scheinbar nicht darauf reagieren

http://breedingbetterdogs.com/pdfFiles/articles/early_neurological_stimulation_en.pdf
CARMELO L. BATTAGLIA
3.2. Definitionen Verhaltensbeobachtungen

Definition: Ein Ethogramm ist das Inventar des beobachtbaren Verhaltens einer Art.
Ethogrammelemente beschreiben und definieren regelmäßig vorkommende und abgrenzbare
Formeinheiten des Verhaltensflusses ohne Interpretation. Wenn Tiere scheinbar nichts tun,
sagen uns Körperhaltung oder Position in der Umwelt etwas. Tiere, die sich nicht verhalten
gibt es nicht.

Von Signal- oder Verhaltenseinheiten spricht man bei mehreren Signalelementen, die sowohl
für Sender als auch für Empfänger von Bedeutung sind. Für Haushunde gibt es eine
vergleichsweise      begrenzte   Anzahl   von    Gesamtausdrücken    mit   Signaleigenschaften
FEDDERSEN-PETERSEN (2008).

Die Ethogrammelemente, die für diese Untersuchung von Bedeutung sind, kommen aus den
Bereichen Stressanzeichen und Calming-Signale.

	
  
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Dazu gehören:
1) Fortbewegung und Körperhaltung:
          a. Liegen: Bodenkontakt mit seitlichem, ventralen oder dorsalen Bereich des
                Körpers
          b. Sitzen: aufgestellte Vorderpfoten, Karpal- und Ellenbogengelenke gewinkelt,
                Rumpf und Hintergliedmaßen von der Pfote bis zum Tarsalgelenk haben
                Bodenkontakt
          c. Stehen: Pfoten haben Kontakt mit dem Boden, der Rücken ist in horizontaler
                Position zum Boden
          d. Geduckt: alle 4 Gliedmaßen sind eingeknickt
          e. Aufgerichtet: die Gelenke sind gestreckt
          f. Vorderkörpertiefstellung: die Vordergliedmaßen sind nach vorne ausgestreckt,
                der Vorderkörper in Richtung Boden gedrückt
          g. Gehen/Trab: unterschiedlich schnelle Schrittfolge

2) Komfortverhalten:
          a. Schütteln: schnelle Bewegung von einer Seite zur anderen
          b. Lecken: Bewegung der Zunge über die eigene Schnauze oder den Körper
          c. Gähnen: weit geöffnetes Maul mit leicht gestrecktem Hals
          d. Hecheln: tiefe und schwere Atmung bei geöffnetem Maul, die Zunge kann
                heraushängen

3) Explorationsverhalten:
          a. Schnuppern: niederfrequentes Einatmen durch die Nase, Kopf nahe an
                beschnuppertem Objekt, Bodenwittern im Gehen oder Trab
          b. Fixieren: Blick auf Objekt oder Person gerichtet
          c. Anbeißen: Gegenstände werden ins Maul genommen und angeknabbert

	
  
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          d. Reaktion auf Berührung: Hund reagiert mit Bewegung des Körpers oder
              Lautäußerung
          e. Reaktion auf Geräusche: Hund reagiert mit oder ohne Bewegung des Körpers

4) Metabolisches Verhalten:
          a. Fressen: Futter wird mit den Zähnen aufgenommen und gekaut
          b. Urinabsatz: die Hintergliedmaßen werden eingeknickt, die Knie nach außen
              gebogen und die Genitalregion nach unten gedrückt bis sie fast den Boden
              berührt, die Vordergliedmaßen bleiben stehen

5) Lautäußerungen:
          a. Bellen: heller ein- oder mehrsilbiger Kurzlaut von variabler Tonhöhe
          b. Fiepen: Winseln mit sehr hohen, langgezogenen Tönen

6) Sozialverhalten:
          a. Neutrales Display: Gliedmaßen im Stand leicht angewinkelt, der Schwanz
              hängt leicht s-förmig gebogen herab, Kopf erhoben, Ohren senkrecht nach
              vorn, Ohrmuschel nach vorne gerichtet
          b. Unsicherheit: gesenktes oder geducktes Stehen mit eingeknickten Gliedmaßen,
              Schwanz eingeklemmt, Kopf gesenkt, Blick ungerichtet, unruhig, fiepen,
              Wechsel zwischen Annäherung und Meiden oder Flucht

Beschwichtigungssignale auf einen Blick:

         §   Kopf abwenden
         §   Blick abwenden
         §   Sich abwenden
         §   Nase lecken

	
  
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            §   Erstarren
            §   Langsame Bewegungen
            §   Wedeln mit dem Schwanz
            §   Vorderkörpertiefstellung
            §   Hinsetzen
            §   Hinlegen
            §   Gähnen
            §   Im Bogen gehen
            §   Schnüffeln
            §   Pfote heben
            §   Urinabsatz TURID RUGAAS (2001)

Stressbewältigungsmethoden: Die 4 Fs
In einer Konfliktsituation gibt es für Hunde die 4 folgenden Reaktionsmöglichkeiten zur
Auswahl um mit einer neuen, ungewohnten oder unangenehmen Situation fertig zu werden.

       1)        Flirt/Fiddle about
                 Ersatzhandlung mit beschwichtigender Wirkung. Eine Bedrohung soll mit
                 sozialen Gesten oder auch Übersprungshandlungen abgewendet werden. Gut
                 sozialisierte Hunde nutzen des „Herumkaspern“ oder sich unterwürfig
                 anbiedern zum Stressabbau.
       2)        Freeze = Erstarren
                 Ein Tier erstarrt, wenn es Gefahren als unausweichlich annimmt. Es wartet ab,
                 bis die Gefahr vorüber ist und setzt sich nicht direkt mit der Gefahr
                 auseinander. Die Fachbezeichnung dafür ist „innere Abkehr“, wodurch eine
                 direkte Auseinandersetzung mit der Bedrohung vermieden wird. Dauert die
                 Stresssituation allerdings länger an und erweist sich diese Passivität als
                 erfolglos, kann der Hund zu einer anderen Taktik wechseln um die Situation

	
  
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              für sich erträglich zu gestalten. Ist der Hund dazu nicht in der Lage, kennt also
              nur die Taktik des Erstarrens, spricht man von erlernter Hilflosigkeit.
       3)     Flight = Flucht
              Distanzvergrößerung durch Flucht um sich aus der Stresssituation zu befreien
              oder Teilrückzug, z.B. durch Unterlegenheitsgebären. Ist keine Flucht möglich,
              kommt es zu.
       4)     Fight = Angriff
              Angriff oder Drohen mit dem Ziel der Distanzvergrößerung. Drohverhalten ist
              gekennzeichnet beim Hund z.B. durch Lefzenhochziehen, Quietschen oder
              Knurren.

Es wird jeweils die Reaktion gezeigt, die den größten Erfolg verspricht in Abhängigkeit von
angeborenen Eigenschaften und den Vorerfahrungen des Hundes. Neben äußeren Reizen
spielen auch innere Faktoren wie Genetik, Sozialisation, Lernerfahrung und Hormonstatus
eine Rolle. Für die bevorzugte Wahl einer Konfliktlösungsstrategie sind besonders die
Erfahrungen in der Sozialisationsphase entscheidend.

a.      Beobachtungsprotokolle

Der Welpe wird während einer ausgewählten Stichprobenzeit (hier 10 Minuten)
ununterbrochen beobachtet. Man notiert das Auftreten ganz bestimmter, für die Arbeit
bedeutsamer Verhaltenskategorien (hier Stress- und Calmingsignale). Die Welpen werden
nacheinander einzeln unter Beobachtung gestellt.

Rahmeninformationen:

	
  
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Die Welpen wurden nachmittags in den Gärten der Züchter beobachtet. Ein Welpe wurde
aus dem Wurfzimmer mitgenommen nach dem Zufallsprinzip, ca. 10 Meter auf dem Arm
getragen und dann auf der Wiese am Boden abgesetzt. Der Beobachter entfernte sich 2 Meter
und wartete ab, wie sich der Welpe verhielt. Die Wetterbedingungen waren immer gut,
Sonnenschein, Temperatur zwischen 22 und 28 Grad.

Bei Züchter 1 befanden sich in nächster Umgebung eine Feuerstelle, der Komposthaufen, eine
Vogelvoliere, freilaufende Katzen verschiedenen Alters, eine Schildkröte und deren
Salatblätter, Blumenbeete und Sträucher, ein Baum und Holzbretter.

Bei Züchter 2 befanden sich auf der Wiese Hundespielzeug, Ziergegenstände, Obstbäume,
Blumen, die Terrasseneinfassung und in unmittelbarer Nähe der Terrasse der Hundezwinger
mit Mutter, Großmutter und Geschwistern.

Verwendet wurde das von TAT dem Kurs zur Verfügung gestellte Merkblatt zu
Beobachtungs- und Protokollmethoden für Verhaltensbeobachtungen (Arbeitsblatt 1
abgewandelt).

Das Alter der Hunde lag zwischen 5 und 6 Wochen. Für jeden Hund wurde ein extra
Protokoll seiner Verhaltensweisen angelegt. Die Hunde wurden durch individuelle Merkmale
(kleinster/größter im Wurf, weißer Fleck auf der Brust, abgeschnittene Schwanzspitzenhaare,
Geschlecht oder Markierung mit wasserfestem Filzstift auseinandergehalten. Teilweise
wurden Videos zur Dokumentation gemacht.

	
  
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